Herr Professor Doktor Franzke,
in etlichen Quellen im Internet konnte ich amüsiert Ihre Meinung über die weltweiten Bestseller "Harry Potter" nachlesen. Sie haben diesem Thema eine ganze Seite im Internet gewidmet [
http://www.vigi-sectes.org/esoterisme/h ... erman.html ], ein Buch mit ihrem Beitrag ergänzt [ Dr. Lothar Gassmann: Esoterik als Lebenshilfe? Die Wahrheit über Astrologie, Spiritismus, Magie und Zauberei. ] und auch anderweitig offenkundig dazu Stellung genommen.
Die Seelen der begeisterten Leser seien "kalt und abgestumpft", der Autorin ginge es einzig und allein darum, Kinder mit der "schwarzen Kunst" vertraut zu machen, um gegen Christen und den christlichen Glauben zu hetzen, sie zu diskriminieren und verfolgen zu lassen.
Des Weiteren werde "Die Liebe in den Herzen [..] erkalten, und der Hass und die Gewaltbereitschaft [..] wachsen."
Ich bin erschüttert. Vor allem darüber, dass ein erwachsener und gebildeter Mann wie Sie solch mittelalterliche Ansichten haben kann. Das ist weltfremd und völlig überholt.
Ich würde mich nicht wundern, von Ihnen weitere Artikel und Abhandlungen zu finden, die sich mit der Verleumdung Darwins Evolutionstheorie befassen.
Bedeutet "Christ sein" etwa, dass man sich vor der20Welt verschließen muss und alles Zukunftsweisende von sich zu stoßen hat? Selbst wenn der Verstand dabei rebelliert?
Ich möchte Ihnen kurz meine Erfahrungen mit dem Phänomen "Harry Potter" erläutern.
Einer der schönsten Gedanken, den ich aus den Büchern mit in mein tägliches Leben genommen habe, ist der Glaube an wahre Freundschaft und Liebe, die den Tod und alle Hürden überdauert und gegen die nichts und niemand, der schlechtes Gedankengut in sich trägt, etwas ausrichten kann.
Des weiteren haben die Bücher mich gelehrt, dass auch Menschen, denen wenig zugetraut wird, die selbst nicht an sich glauben können, weil es sonst auch niemand tut, am Ende, dann wenn es wirklich darauf ankommt, über sich hinaus wachsen können, wenn sie einen Traum und Freunde haben, die ihnen zur Seite stehen.
Wie im realen Leben werden in den Büchern nicht nur die schönen Seiten des Lebens beschrieben. Wie im realen Leben gibt es Menschen [ oder auch andere Wesen oder Gegenstände ], die nicht dem Wohl der Welt dienen.
Rowling zeigt den Lesern, dass es voreilig ist, sein Gegenüber anhand seiner äußeren Erscheinung zu beurteilen. Die Taten eines Menschen sind es, die ihn zu dem machen, was er ist.
Es gibt kein Gut und Böse. Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß. Deshalb verweisen die Bücher auch auf einen weiteren wichtigen Wesenzug: Die Kunst, anderen Menschen zu verzeihen, auch wenn sie schlimme Dinge getan haben, die man selbst nicht nachvollziehen kann.
DAS ist wahres Mitgefühl, DAS ist wahres Miteinander.
Vor allem aber habe ich mich gefragt, weshalb sie sich so ausführlich und ausgiebig mit einem Thema beschäftigt haben, das Ihnen anscheind solche Bauchschmerzen bereitet hat, dass Sie sich "bei der Lektüre mehrmals heftig erbrechen" mussten. Immerhin scheinen Sie die Bücher gelesen und studiert zu haben, um auch nichts zu übersehen, das in Ihren Augen Gotteslästerung ist.
Am meisten waren Sie erzürnt darüber, "dass alle voll Begeisterung für ein bestimmtes Buch gratis Werbung machen, große Berichte veröffentlichen und einen derartigen Wir bel inszenieren".
Das etwas in dieser schlechten Welt noch gratis passiert, das können Sie nicht glauben, da muss etwas anderes dahinterstecken. Begeisterung und der Glaube an etwas allein reicht nicht aus, um es in der Welt bekannt machen zu wollen. Das muss Hexerei sein. Schwarze Magie, wohlbemerkt, wobei auch weiße Magie den selben Ursprung, nämlich Luzifer persönlich hat, jedenfalls Ihren Worten nach zu urteilen. Nur, hat der christliche Glaube und jeder andere Glaube ebenso nicht genauso begonnen? Durch begeisterte Anhänger, die ihre guten Erfahrungen mit anderen Menschen teilen wollten?
Sie können also, wenn ich recht verstehe, nicht glauben, dass ein Buch allein, Menschen in der ganzen Welt begeistert und diese erneut an Liebe und Freundschaft und Zusammenhalt glauben lässt? Ich habe da gerade ein Déja-vù, aber die Sache an die ich denke, ist bereits über zweitausend Jahre alt, nicht weiter wichtig...
Außerdem schreiben Sie, Joanne Kathleen Rowling wäre es unmöglich gewesen, sich eine solche Geschichte in einem Zug auszudenken und vollkommen allein eine ganze Welt in ihrem Kopf ausmalen und erfinden zu können. Da muss der Teufel mit im Bunde sein.
Wahrscheinlich erstens, weil sie eine Frau ist, diese Haltung unterstelle ich Ihnen jetzt einfach, und zweitens, weil Sie sich nicht vorstellen können, wie ein Mensch allein, auch noch in diesem Alter eine solche Phantasie besitzen kann.
Doch da muss ich Sie ent täuschen. Die meisten Menschen die ich kenne, mich dabei einbezogen, haben eine unglaubliche Phantasie. Da werden ganze Welten im Kopf errichtet, Luftschlösser gebaut, Träume erlebt. Wenn Sie nun wirklich sagen, dass Sie soetwas nicht erfassen können, dann muss ich Ihnen mein Mitleid aussprechen.
Sie tragen so viel Neid und Missgunst gegenüber Miss Rowling in sich, da diese es geschafft hat, Milliarden von Menschen von ihrer Idee, einer Zaubererwelt, zu überzeugen und Sie haben gerade mal ein junges Mädchen dazu gebracht, Ihnen eine eMail zu schreiben, in der sie Ihnen schreibt, dass sie Ihre Meinung nur noch in ihrer eigenen bestätigt hat. Das muss ja schrecklich für Sie sein, vor allem, weil Sie das, was Miss Rowling geschafft hat, gern Ihr eigenes Werk nennen würden.
Harry und seine Freunde haben mich persönlich über zehn Jahre lang begleitet. Hogwarts war mein persönlicher Rückzugsort, versteckt in einer kleinen, gemütlichen Nische meines Kopfes, in die ich mich immer zurückziehen konnte, wenn ich die Ungerechtigkeit und Schlechtheit dieser Welt nicht mehr ertragen konnte. In dieser Nische habe ich wieder Mut und Kraft geschöpft und Sie wollen mir jetzt erzählen, das würde mich zu einer Gotteslästerin machen?
Ich sage Ihnen jetzt etwas, das Ihre Meinung von mir bestätigt: Ich glaube nicht an Gott.
Bin ich deshalb ein schlechter Mensch?
Sie schrieben, dass in Harry Potter angeblich alle Nichtmagier diskriminiert werden würd en und ausgeschlossen seien. Warum bekam dann Hermine Granger, eine Muggelstämmige, einen Brief aus Hogwarts? Weil man ihre Fähigkeiten erkannt und geschätzt hatte.
Christen tun allerdings genau dies, was sie den Figuren der Harry Potter Bücher vorwerfen tagtäglich. Sie verurteilen Menschen, die nicht denselben Glauben haben wie sie und schließen sie aus. Nicht nur Christen, alle Anhänger einer Religion tun dies.
Das hat nichts mit Menschlichkeit zu tun.
Ich möchte nun zum Schluss meiner eMail kommen, auch wenn ich noch viel zu sagen hätte.
Hören Sie auf, über Dinge zu schreiben, die Sie nicht verstehen. Wenn Sie bei den Worten "Begeisterung" oder "Phantasie" nur mit den Schultern zucken können, dann schreiben Sie nicht darüber, sondern versuchen Sie, diesen Phänomenen durch eigene Erfahrungen auf den Grund zu gehen. Machen Sie sich frei von Ihren Lastern und versuchen Sie zu leben. Wir haben nämlich nur dieses eine.
P. Nuss