...Und doch noch

Die Geschichte macht mir einfach sooo viel Spaß... Obwohl in diesem Kapitel nicht wirklich viel passiert... Aber du kannst es ja trotzdem lesen ;)
Kapitel 6
Ich weiß gar nicht mehr richtig, wie ich zurück ins Schloss gekommen bin. Miles und Mae habe ich nicht getroffen, und ich war froh drüber. So schnell ich konnte, ging ich zum Gryffindor-Turm, ohne June in der Bibliothek zu suchen. Ich wollte allein sein. Ich konnte es grade noch schaffen, die Tränen zurück zu halten bis ich im Schlafsaal war. Ob Seth im Gemeinschaftsraum gewesen war – ich wusste es nicht, und ich wollte es auch nicht wissen.
Weinend ließ ich mich auf mein Bett fallen, doch die Tränen versiegten schnell. Ich war mir immer noch nichts sicher, ob das alles nur ein schlimmer Albtraum war. Also legte ich mich auf dem Rücken aufs Bett uns starrte lange Zeit den roten Seidenhimmel an. Obwohl mir mein Bewusstsein sagte, wie unwahrscheinlich das war, malte ich mir aus, das Seth sich doch noch anders entschied. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie er leise klopfte, und dann herkam. Er würde meine Hand nehmen und sich entschuldigen. Es musste irgendeinen schrecklich banalen Grund geben. Schließlich hatte er ja versucht, mich zu küssen.
Doch die Zeit verging, und darußen wurde es langsam dunkel, sodass ich mir eingestehen musste, dass ich aufzugeben hatte. Es war vorbei.
Ungefähr als mir das klar wurde, kamen Mae und June herein. Ich konnte hören, wie sie sich draußen leise mit Beth stritten, und ihr verboten, jetzt in den Schlafsaal zu gehen. Sie waren wirklich gute Freundinnen.
Leise kamen sie her und setzten sich auf mein Bett. Ich blieb einfach liegen, und June umarmte mich. Keine von ihnen drängte mich, zu erzählen, was passiert war. Irgendwann räusperte sich June.
„Hör zu, Perla... Ich kann gut verstehen wenn du jetzt nicht darüber reden willst, aber ... Seth hat mir einen Brief für dich gegeben. Du musst ihn nicht aufmachen.“, fügte sie hinzu, als sie merkte, wie sich meine Miene verfinsterte. Doch ich griff danach und hielt ihn einen Moment lang in der Hand. Dann fasste ich mir ein Herz und zerknüllte ihn. Die Pergamentkugel warf ich auf den Boden, wo sie unters Bett rollte.
Die ganze nächste Woche fühlte ich mich (und ich weiß noch, wie ich diesen Ausdruck in Büchern gelesen hatte, und ihn schrecklich kitschig fand. Doch genau so ließ sich mein Zustand beschreiben) wie in Watte gepackt. Seth würdigte ich keines Blickes, obwohl mir auffiel, dass er mich immer wieder von der Seite anschaute.
Mae und June waren immer für mich da, doch am Samstag nach dem Hogsmeade-Ausflug wurde mir klar, dass es so nicht weitergehen durfte. Ich musste mir Mühe geben und endlich über Seth hinwegkommen. Ich durfte die letzten zwei Wochen (mir wurde ganz kalt als ich das dachte) mit meinen besten Freundinnen nicht verschwenden.
Am Samstag in einer Woche würde ein Frühlingsball stattfinden, die Entschädigung von Professor McGonagall dafür, dass es dieses Jahr nur zwei Hogsmeade-Ausflüge gegeben hatte. Ich stellte ihn mir wie in den Erzählungen meiner Schwester vom Weihnachtsball vor, zu dem sie nur gehen durfte, weil ein älterer Schüler sie dazu eingeladen hatte. Sie war damals in der dritten Klasse gewesen. Jetzt, zehn Jahre später, war ich in der vierten und brauchte zum Glück keine Einladung eines älteren Schülers. Ich brauchte überhaupt keine Einladung. Ich würde mir einfach mit meinen Freundinnen einen schönen Abend in tollen Kleidern machen, die wir extra für diesen Tag kaufen mussten. Der Ball war natürlich keine obligatorische Veranstaltung, allerdings kamen wohl trotzdem fast alle Schüler ab der vierten Klasse. Natürlich, einen Ball hatte es schon seit zehn Jahren nicht mehr gegeben.
Wir hatten uns alle drei das gleiche Kleid gekauft: Es ging knapp übers Knie und hatte vorne eine Schleife. Meins war schwarz. „Als Kontrast zu deiner hellen Haut“, hatte June gesagt, die sich mit solchen Sachen gut auskannte. Mae hatte sie ein grünes empfohlen (passend zu deinen Augen) und sich selbst hatte sie ein violettes genommen, mit der Begründung „Einfach mal was neues auszuprobieren wollen.“
Jetzt saßen wir zu dritt auf meinem Bett und lackierten uns gegenseitig die Zehennägel. Ich fühlte mich stark an die Szene vor zwei Wochen erinnert, sagte allerdings nicht. Ich wollte keinen daran erinnern.
„Sag mal, gehst du eigentlich mit Miles?“, fragte ich Mae. Wir unterhielten uns grade über den Ball.
„Na, um mit euch zusammen sein zu können. Zuerst schien er zwar geknickt zu sein, als ich abgelehnt habe, aber er nimmt es mit Humor.“ Auch dieser Satz rief mir etwas in Erinnerung. Verdammt, Perla. Vorbei. Vorbei, vorbei, vorbei.
„Ich hab gehört, dass er jetzt mit Natalie geht.“, sagte ich hastig, um meine eigenen Gedanken zu übertonen. „Ach?“, sagte Mae gleichgültig.
„Macht dir das denn gar nichts aus?“, fragte June erstaunt, und Mae schüttelte den Kopf.
„Eigentlich finde ich, dass Miles als bester Freund besser geeignet ist.“
„Na, wenn das so ist, dann schnapp’ ich ihn mir.“, meinte June und grinste. Wir lachten.
Doch plötzlich wurde ich traurig.
„Hey, mir ist grade aufgefallen... Noch zwei Wochen. Zwei Wochen und dann muss ich ins Niemandsland – besser gesagt, ins Land der barbiehaften Amerikaner. Was soll ich bloß ohne euch machen?“
„Ach, du findest bestimmt schnell neue Freunde, so nett wie du bist.“, sagte Mae tröstend und umarmte mich kurz. „Und wir schreiben dir jeden Tag, versprochen. In den Ferien kommen wir dich besuchen...“ – „Dann erzählt ihr mir doch nur, dass ihr endlich gemerkt habt, wie nett Beth eigentlich ist, und dass Sara eure neue beste Freundin ist.“, sagte ich missmutig.
„Ach, stimmt ja.“, meinte Mae theatralisch. „Aber hey, du hast Natalie vergessen!“
„Und Mary, Josephine, Audrey, Cathy,...“, sagte June und zählte alle Mädchen in unserem Jahrgang an ihrer Hand ab. Grinsend warf ich ein Kissen nach ihr. Genauso sollte es für immer bleiben. Warum ging das nur nicht?
Ist ja doch ziemlich lang geworden

Tjaja....