Fanfiction - Der Rabe 1

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Moderator: Modis

Poison of the cursed
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Fanfiction - Der Rabe 1

Beitrag von Poison of the cursed »

Hallo Zusammen,

nach langem hin und her versuche ich jetzt hier auch meine Geschichte loszuwerden. Es ist meine erste Geschichte, die ich das dritte Mal umschreibe.

Ich bin absoluter Severus Snape-Fan und deshalb ist meine Geschichte natürlich ihm gewidmet. Einige werden sicher nicht sehr begeistert sein, da der erste Teil sehr viel Liebesgeschichte ist und nicht viel Aktion enthält. Aber er ist eben wichtig, damit Teil 2 und 3 darauf aufbauen können. Hier kommt dann die Spannung nicht zu kurz, da ab Teil 2 auch die Vampire mit ins Spiel kommen. Meine zweite Leidenschaft, sozusagen.

Beim vielen Ändern kann es leider mal vorkommen, das der Satzbau nicht mehr so stimmt und sich der ein oder andere Schreibfehler eingeschlichen hat. Ich habe zwar etliche Male über die einzelnen Kapitel Korrektur gelesen, aber leider sieht man irgendwann nicht mehr alles. Deshalb bitte ich schon mal vorab um Absolution :-))

Auch habe ich festgestellt, dass hier einige Snape-Hasser unterwegs sind (keine Kritik, jedem das seine, ich muss ja auch nicht alle Charas toll finden).
Bitte, bitte, seid nicht zu streng mit mir, hihi!!!


So, nun wahren wir noch die Form und dann gehts los.

Alle Figuren aus Harry Potter gehören J.K. Rowling und sind von mir nur geborgt. Die Geschichte spielt in den Ferien Band 4 zu Band 5.
Voldemort ist gerade zurückgekehrt und nun versuchen Dumbledore und die anderen Verbündete zu finden.

Severus Snape: entspricht voll und ganz dem Film-Snape. Also dem wunderbaren Alan Rickman :-))
Das geschah nicht, weil ich den Buch-Snape von JKR nicht gut finde. Doch so Leid es mir tut, kann ich mir absolut nicht vorstellen, dass es meine Heldin geschafft hätte, sich innerhalb 1-2 Wochen in ihn zu verlieben. Denn wenn wir ehrlich sind, ist der Severus Snape aus den Büchern wohl kaum eine Augenweide. Das Lily ihm so zugetan war und sich auch ein wenig in ihn verliebt hat, wie JKR in einem ihrer Interviews betonte, liegt wohl an der langen Zeit, die sie sich bereits kannten.

Raven: besitzt einige meiner Charaktereigenschaften, ist aber in mancher Hinsicht das komplette Gegenteil von mir. Was das Aussehen betrifft: natürlich sieht sie mir ähnlich, zumindest wenn ich diese Geschichte lese. Auf eine detailliertere Beschreibung ihre Äußeres habe ich gewollt verzichtet. So kann sich jeder selbst ein paar Gedanken machen und wem die Geschichte gefällt, darf ihr auch gern sein eigenes Aussehen leihen :-))



Prolog

Es war still in dem kleinen Büro am Ende des Flurs. Selbst das klappern der Tastatur hatte aufgehört. Auf dem Schreibtisch stapelten sich die Akten der Klienten, die nächste Woche hier ein und ausgehen würden. Außer dem Bild eines lachenden, jungen Mannes, gab es auf dem Tisch nichts Persönliches.
Die Anwaltskanzlei Sawyer & Sawyer war die viertgrößte in London. Die Anwälte dieser Kanzlei vertraten ihre Mandanten in Fragen des Erbrechts, Arbeitsrechts, Familienrechts sowie des Versicherungsrechts. Einer dieser Anwälte blieb in der Tür des kleinen Büroraumes stehen. Es war der Mann auf dem Foto. Jonathan Sawyer war, wie sein Bruder Michael, Mitbegründer der Kanzlei. Er hatte dunkelbraunes Haar, blaue Augen und ein charmantes Lächeln. Markante Gesichtszüge, eine sportliche Figur sowie ein sehr gepflegtes Äußeres rundeten den Eindruck des typischen Sonnyboys ab. Für den Großteil, der hier arbeitenden Sekretärinnen, war er der Traum ihrer schlaflosen Nächte. In der Hand hielt er eine rote Rose. Die Lieblingsblume der jungen Frau am Schreibtisch. Sie drehte sich nach ihm um.

„Weißt du Becca, eigentlich sollte eine Frau das Foto ihres Liebhabers auf dem Schreibtisch stehen haben und nicht das ihres Bruders.“

Ein etwas trauriges Lächeln traf ihn.

„Ich weiß. Leider scheinen es die Männer nur nicht lange genug mit mir auszuhalten. Du bist eben das einzig beständige in meinem Leben, Jona.“

Aufmerksam musterte er sie. Das hellbraune, halblange Haar umrahmte ein freundliches Gesicht, gab ihren Zügen etwas Sanftes. Auf ihrer Nase saß eine modische, randlose Brille. Ihre grünen Augen dahinter leuchteten, wenn sie lächelte, was sie sehr oft tat. Sie war ein fröhlicher, offener Mensch und auch wenn sie seine Meinung nicht teilte, fand er sie unheimlich hübsch. Im Gegensatz zu ihm, war sie auf der Suche nach Nähe und Geborgenheit. Langsam kam er zum Schreibtisch herüber, setzte sich auf die Außenkante. Mit einem zärtlichen Lächeln, reichte er ihr die Rose.

„Alles Gute zum Geburtstag, Becca.“

Das Lächeln auf ihrem Gesicht wurde strahlend.

„Danke.“

Seine Schwester fiel ihm um den Hals.

„Was machen wir heute Abend?“

Sie ließ ihn los.

„Oh, ich kann nicht. Ich habe Mrs. Wilson versprochen, sie zu besuchen.“

„An deinem Geburtstag?“

Rebecca nickte. Ihr Bruder schüttelte den Kopf.

„Ich werde nie verstehen, warum du fremde Menschen in einem Hospiz besuchst. Vor allem, da du gestern schon dort warst.“

„Sie ist einsam und wird auch nicht mehr lange leben.“

Er seufzte.

„Du musst sie wirklich mögen. Gut, sollen wir dann morgen einen Ausflug in das Naturhistorische Museum machen?“

Die junge Frau lächelte erneut.

„Du hasst dieses Museum, Jona.“

„Ja, aber ich weiß auch, wie sehr du es liebst.“

„Du bist einfach ein Schatz.“

Noch einmal nahm sie ihn in den Arm.

„Hat dir Michael schon gratuliert?“

Der junge Mann registrierte die Veränderung in ihrer Körperhaltung. Fest drückte er sie.

„Es tut mir leid, Becca.“

„Schon gut.“

Nach einigen Sekunden lösten sie sich voneinander. In der Tür sah er zu ihr zurück.

„Ich hole dich morgen um zehn ab. Ist das OK?“

„Das ist perfekt.“

Sobald er außer Sicht war, verschwand das Lächeln aus ihrem Gesicht. Michael. Ihr ältester Bruder war so anders als Jona. Er hatte ihr nicht gratuliert. Es war ihm egal, dass sie heute Geburtstag hatte. Den großen Aktenstapel hatte er auf ihren Schreibtisch gelegt. Dabei war heute Samstag. Sie sah auf die Uhr. Kurz nach vier. In ihr regte sich Trotz. Ohne lange zu überlegen, nahm sie ihre Handtasche und schlüpfte in ihre Jacke. An ihrem Auto stahl sich ein Grinsen auf ihr Gesicht. Michael würde toben. Doch wenn ihm ihr Geburtstag egal war, dann waren ihr seine blöden Akten ebenfalls egal.

***

Die Sonne flutete durch die breiten Fenster, brachte Wärme in das kleine Krankenzimmer. Die Bäume der großen Parkanlage öffneten langsam ihre Blüten. Der Frühling begann dieses Jahr recht früh im März. Doch die Bewohnerin des Zimmers konnte diese beginnende Pracht von ihrem Bett aus nicht sehen. Die einzig schönen Momente für Elisabeth Wilson waren die, wenn Rebecca das Zimmer betrat. Ein Lächeln huschte über das ausgezehrte Gesicht der alten Frau. Der Krebs hatte bereits alle lebenswichtigen Organe befallen. Hier im Hospiz machte man ihr die Zeit, die ihr noch blieb, so angenehm wie möglich. Die Krankheit hatte sie zwar gezeichnet, doch hohe Wangenknochen, eine feine Nase und sinnlich geschwungene Lippen, zeigten immer noch, dass sie einmal eine sehr schöne Frau gewesen war. Ihr weißes Haar, fiel ihr in sanften Wellen über die Schultern und in ihren Augen waren Güte und Wärme zu lesen. Mrs. Wilson hatte die junge Frau im Krankenhaus kennengelernt. Dort hatte sie die Kinder auf der Krebsstation besucht. Eine ehrenamtliche Tätigkeit. Durch eine Verwechslung war sie irgendwann in ihr Zimmer geschickt worden. Aus Mitgefühl war sie geblieben.
Die Tür des Krankenzimmers öffnete sich leise. Vorsichtig streckte Rebecca den Kopf zur Tür herein. Da Mrs. Wilson die Augen geschlossen hatte, ging sie davon aus, diese würde schlafen. Gerade wollte sie die Tür zuziehen, als die alte Frau die Stirn runzelte.

„Kommen sie schon rein, Kindchen und machen sie in Gottes Namen die Tür zu. Oder wollen sie, dass ich mir den Tod hole?“

Blinzelnd schielte die alte Frau zur Tür hin und lächelte. Die junge Frau erwiderte das Lächeln.

„Wie geht es ihnen heute, Mrs. Wilson? Haben sie die letzte Nacht ein wenig geschlafen?“

Langsam kam Rebecca zum Bett herüber.

„Etwas. Würden sie mir helfen mich aufzusetzen?“

„Ja, natürlich.“

Der kleine Motor unterhalb des Bettes surrte und das Kopfteil richtete sich langsam auf. Danach half Rebecca der alten Frau sich bequemer hinzusetzen, legte ihr ein Kissen in den Rücken. Ächzend ließ sich Mrs. Wilson nach hinten sinken. Nach einer Weile war der Schmerz soweit erträglich, dass sie sich wieder unterhalten konnte.

„So und jetzt erzählen sie. Wie war ihr Abend?“

In Rebeccas Augen funkelte es belustigt.

„Ich hatte keine Verabredung, Mrs. Wilson. Der junge Mann von gestern ist mein Bruder und der Abend war wie jeden Freitag.“

Die alte Frau legte den Kopf schief.

„Sie haben ihn noch nicht getroffen, habe ich recht?“

„Wen meinen Sie?“

„Ihren Prinzen.“

Das Lächeln der jungen Frau wurde etwas breiter.

„Nein. Aber glauben sie wirklich, dass es ihn gibt? Den einzig richtigen, meine ich.“

Mrs. Wilson fasste nach ihrer Hand. Sie mochte die offene, warmherzige Art der jungen Frau sehr. Ihre Fröhlichkeit war oft ansteckend.

„Ja, das glaube ich. Sie müssen nur zulassen, das er sie findet.“

„Es klingt unglaublich einfach, wenn sie das sagen.“

„Das ist es auch.“

Einen Moment lächelten sie sich einfach nur gegenseitig an.

„Ich habe ihnen etwas mitgebracht.“

Rebecca hielt der alten Frau die Rose entgegen. Normalerweise durfte man etwas geschenktes ja nicht weiterschenken, aber sie wollte Mrs. Wilson so gern eine Freude machen und die Läden hatten schon zu. Das strahlende Lächeln, welches darauf folgte, gab ihr die Gewissheit, das richtige getan zu haben.

„Die ist wunderschön, Kindchen. Aber ist heute denn ein besonderer Tag?“

„Ja, ich habe Geburtstag.“

Die junge Frau wandte sich ab. Sie nahm die schmale Vase, von der Kommode an der Wand gegenüber dem Bett und füllte sie am Waschbecken daneben mit Wasser. Deshalb nahm sie die Reaktion der alten Frau auf diese Mitteilung nicht wahr. Die Augen von Mrs. Wilson weiteten sich. Fassungslosigkeit machte sich in ihrem Gesicht breit und ihre Stimme klang rau.

„Wie alt sind sie geworden, Kindchen?“

„Neunundzwanzig.“

Die alte Frau schloss die Augen, wurde ganz fahl im Gesicht. Lächelnd drehte sich Rebecca nach ihr um. Erschrocken eilte sie an das Bett zurück.

„Mrs. Wilson? Ist alles in Ordnung?“

Einen Moment gab Mrs. Wilson keinen Ton von sich. Dann nickte sie.

„Ja, ja. Es sind nur die Schmerzen, Kindchen.“

„Soll ich eine Schwester rufen?“

Die alte Frau schlug die Augen auf.

„Nein. Ich möchte nicht noch mehr Morphium. Stellen sie die Rose bitte auf den Nachttisch, wo ich sie gut sehen kann und danach wollen wir ein wenig lesen, ja?“

Unsicher blickte die junge Frau die Ältere an, tat jedoch worum sie gebeten worden war. Sie saß nicht lange an dem Krankenbett, da fielen der alten Frau die Augen zu. Rebecca schloss das Buch. Ihr Blick glitt über das Gesicht von Mrs. Wilson. Was hatte sie vorhin so entsetzt? Es konnten nicht die Schmerzen gewesen sein. Für einen Augenblick hatte sie eher gewirkt, als hätte sie einen Geist gesehen. Leise packte die junge Frau ihre Sachen zusammen und zog die Tür hinter sich zu.

Die alte Frau machte die Augen wieder auf. Ihr Blick irrte kurz durch den Raum, blieb an der Rose hängen. Schon als Rebecca das erste Mal in ihr Zimmer gekommen war, hatte sie vage geahnt, wer die junge Frau war, die sich so liebevoll um sie kümmerte. Gleichzeitig hatte sie diesen Gedanken aus Angst weit von sich geschoben. Der Name Sawyer war weit verbreitet. Jetzt allerdings konnte sie sich der Wahrheit nicht mehr entziehen. Noch einmal wurde ihr Gesicht fahl. Diesmal wirklich vor Schmerz. Der Krebs fraß sie auf und sie hatte nicht mehr viel Zeit. Das Morphium vernebelte ihr immer mehr die Sinne. Bald schon würde sie nur noch vor sich hin brabbelnd in ihrem Bett dahinsiechen. Sollte sie es ihr sagen? Seufzend und unter Schmerzen richtete sich Elisabeth Wilson etwas auf. Aus der Schublade ihres Nachttisches holte sie ein Bild heraus. Es zeigte ihren Sohn Charles, ihre Schwiegertochter und ihre Enkelin. Rebecca war zwei gewesen, als die Aufnahme gemacht wurde. Ein halbes Jahr später war Charles bei einem Autounfall gestorben. Judith, ihre Schwiegertochter hatte sich noch nie gut mit ihr verstanden. Nach dem Begräbnis von Charles hatte sie sich mit ihr überworfen. Ab diesem Zeitpunkt war ihr jeglicher Kontakt ihrer Enkelin untersagt worden. Würde Rebecca ihr Vorwürfe machen, dass sie nie mehr versucht hatte Kontakt mit ihr aufzunehmen?
Erneut seufzte die alte Frau. Sie wusste selbst nicht, wieso sie es unterlassen hatte. Dabei hätte es vermutlich viele Gelegenheiten gegeben. Das Kind von damals war schon lange erwachsen, traf seine eigenen Entscheidungen. Judith hätte ihr nicht noch einmal verbieten können ihre Enkelin zu sehen. Ein weiteres Mal griff sie in die Schublade. Solange sie noch ihren Verstand beisammen hatte, wollte sie ihr alles erklären. Mit zitternden Fingern begann Elisabeth Wilson einen Brief zu schreiben.
Zuletzt geändert von Poison of the cursed am 14.03.2009 23:16, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüße

Poison

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Beitrag von Poison of the cursed »

Hallo,

habe gerade noch Zeit und hier ist gleich Kapitel 1.

Kapitel 1

Langsam senkte sich die Nacht über das alte Herrenhaus. Das massive, rechteckige Gebäude war im klassischen Stil erbaut worden. Obwohl es aus dem siebzehnten Jahrhundert stammte, war seine Fassade sehr gut erhalten. Der nahegelegene Ort hatte dem Haus seinen Namen gegeben. Rustle Oaks. Im Untergeschoss hatte man den Salon, das Esszimmer, die Küche und ein sehr geräumiges Büro untergebracht. Das Obergeschoss, erreichbar über eine große Treppe in der Eingangshalle, beherbergte eine umfangreiche Bibliothek sowie mehrere Schlafzimmer. Auch wenn die Möbel aus einer anderen Epoche zu sein schienen, war alles sehr gemütlich eingerichtet. Von der Eingangshalle kam man auf die Terrasse. Der Garten war etwas verwildert, was den Eigentümer aber offenbar nicht störte. Hohe Hecken rundherum schützten die Bewohner des Hauses vor eindringlichen Blicken. Da die Fensterläden komplett geschlossen waren, deutete nichts darauf hin, dass sich jemand im Haus aufhielt. Doch der Schein trügte.

An einem langen Tisch im Esszimmer, umgeben von unzähligen Kerzen, saß eine kleine Gruppe Menschen, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Schweigend sahen sie zu dem älteren Mann am oberen Ende des Tisches hin. Professor Albus Dumbledore, Schulleiter von Hogwarts, Schule für Hexerei und Zauberei, hatte dieses Haus von seinen Großeltern geerbt. In diesen schlimmen Zeiten stellte er es dem Geheimbund zur Verfügung, dessen Gründer er war. Freundlich lächelnd ließ er seinen Blick über die Mitglieder des Phönixordens wandern.
Links von ihm saßen Arthur Weasley und seine Frau Molly. Arthur war groß, recht schlank, hatte ein nettes Gesicht und war vom Charakter her, eher zurückhaltend. Molly dagegen, besaß nicht nur eine kleinere, etwas kräftigere Statur, sondern war auch diejenige, die im Hause Weasley den Ton angab. Einen Platz weiter hatte Remus Lupin Platz genommen. Der große, jedoch ein wenig kränklich aussehende Mann wurde von Molly gern bemuttert. Er hatte ein schmales Oberlippenbärtchen, hellbraune Haare und seine Kleidung war schon leicht abgetragen. Einige Schrammen in seinem Gesicht zeigten deutlich, dass es ihm als Werwolf nicht immer gelang, Ärger aus dem Weg zu gehen. Seine letzte Verwandlung war noch nicht sehr lange her. Trotz allem funkelten die blauen Augen in dem jugendhaften Gesicht schelmisch. Weil er momentan keine Bleibe hatte, wohnte er vorübergehend hier im Haus des Schulleiters.

Dumbledores alter Freund Alister Moody, genannt Mad Eye, hatte sich gegenüber von Arthur Weasley niedergelassen. Er hatte dunkelblondes, schulterlanges Haar. Sein Gesicht war mit Narben übersät. Mit dem rechten Auge blickte er in die Runde. Das übergroße, magische Auge, welches seine linke Gesichtshälfte dominierte und von einem Liederriemen an seinem Platz gehalten wurde, rotierte. Ihm verdankte er seinen Spitznamen. Im Kampf gegen einen Todesser hatte er sein richtiges Auge verloren. Auch sein linkes Bein war nicht echt. Es war eine Holzprotese. Der ehemalige Auror trug einen schweren Mantel aus Leder, mit vielen Schnallen und seinen Stock hatte er neben sich an den Tisch gelehnt.
Sirius Black daneben, Mitte dreißig, gut gekleidet, Vollbart, dunkelbraune, lange Haare und abenteuerlustig funkelnde, braune Augen, war eine weniger bedrohlich wirkende Erscheinung. Der letzte Mann am Tisch war von dunkler Hautfarbe. Kingsley Shaklebolt, ein Auror im Dienste des Ministeriums, hatte ernste Gesichtszüge. Die dunkelbraunen Augen bewegten sich unablässig, nahmen jede Regung, jede Bewegung wahr. Eine Angewohnheit, die ihm schon oft das Leben gerettet hatte. Auf seinem kahlen Kopf saß eine zu seinem bunten Umhang passende Kopfbedeckung.

Dumbledore blickte zum wiederholten Male auf die Uhr über dem Kamin. Es fehlte noch jemand und auf diese Person wartete er mit aufkommender Besorgnis. Arthur Weasley und seine Frau sahen sich an. Sie nickte ihm zu. Daraufhin stellte er nun die Frage, die alle anderen am Tisch ebenfalls bewegte.

„Ist es wahr, Albus? Ist er tatsächlich zurück?“

„Ja, das ist er.“

Die Antwort kam von der anderen Seite des Esszimmers. Erschrocken fuhren die Mitglieder des Ordens herum. Der Mann, der in der Tür zum Salon stand, war groß, hager und ganz in schwarz gekleidet. Seine Kleidung stammte aus der Zeit des viktorianischen Englands. Das kinnlange, schwarze Haar fiel ihm widerspenstig ins Gesicht. Man hätte Severus Snape wohl kaum als einen schönen Mann bezeichnen können, aber trotz seiner großen Nase und den schmalen Lippen, um die meist ein höhnischer Zug lag, besaß er eine gewisse Attraktivität. Er strahlte Autorität aus und eine Kälte, die bei seinem Gegenüber in der Regel eine Gänsehaut auslöste. Aber das ungewöhnlichste an ihm, waren seine schwarzen Augen. Unergründlich waren sie, gaben fast nie etwas von dem Preis, was der Tränkemeister dachte oder fühlte. Vermutlich war der Schulleiter der einzige Mensch, dem er sich jemals anvertraut hatte. Sein kühler Blick glitt über die Personen am Tisch. Misstrauen schlug ihm entgegen. Das hatte er erwartet. Ein erleichtertes Lächeln huschte über Dumbledores Gesicht.

„Sie kommen spät, Severus. Gab es Probleme?“

Sein jüngerer Kollege kam zum Tisch herüber, schüttelte den Kopf. Vor zwei Tagen war es Voldemort gelungen zurückzukehren. Obwohl das erste Treffen seiner Anhänger noch zur selben Stunde einberufen worden war, hatte er heute Abend erneut nach Severus geschickt. Dumbledore beobachtete ihn, bis er sich gesetzt hatte. Dabei fing er einen Blick seines Freundes Moody auf.

„Albus. Es ist also tatsächlich ihr Ernst, ihn hier…“

Mad Eye nickte er zu dem Tränkemeister hinüber.

„…in den Orden aufzunehmen?“

Im Gesicht des Tränkemeisters zeigte sich keine Regung, außer einem leichten Zucken seiner linken Augenbraue. Ehe er jedoch etwas auf diese indirekte Beleidigung sagen konnte, ergriff der Schulleiter das Wort. Er klang gereizt.

„Allerdings. Ich möchte noch einmal betonen, dass ich Severus sogar mein Leben anvertrauen würde. Er hat schon vor dem Fall des dunklen Lords seine Loyalität bewiesen und gute Arbeit als Spion geleistet. Für mein Vorhaben werden wir seinen Sachverstand brauchen. Außerdem ist er der einzige, der Voldemort unsere gefälschten Informationen zuspielen kann. Ich wünsche nicht weiter über dieses Thema zu diskutieren, Alister. Hat noch irgendjemand Einwände?“

Erneut herrschte Schweigen. Einige Sekunden später, war es Lupin, der sich als erster an den älteren Mann wandte.

„Verraten sie uns auch, was sie vorhaben, Professor?“

Das Lächeln kehrte auf Dumbledores Gesicht zurück.

„Sicher. Vor zwei Tagen fand in London ein ähnliches Treffen, wie das unsere statt. Die Teilnehmer dieser Zusammenkunft gehören einer uralten Organisation an. Bei diesem Treffen berieten sie über die Möglichkeit einer Allianz.“

In der darauffolgenden Pause blickte Molly Weasley verwirrt zwischen den anderen umher.

„Eine uralte Organisation? Leute von uns?“

Statt Dumbledore antwortete Lupin.

„Wohl kaum. Sie sprechen vom Hohen Rat der Vampire, nicht wahr, Professor?“

„Ja. Gestern Abend erhielt ich von ihnen einen Brief. Die Vampire bieten uns ein Bündnis an.“

Heftiges Gemurmel entstand unter den Anwesenden. Moody schüttelte den Kopf.

„Sie werden das doch nicht in Erwägung ziehen, Albus?“

„Was schlagen sie vor, Alister? Voldemort scharrt seine Anhänger um sich. Er hat bereits versucht, die Vampire auf seine Seite zu ziehen. Dem Hohen Rat zufolge hat es schon Überläufer gegeben. Ich denke, wir werden alle Hilfe brauchen, die wir bekommen können. Deshalb habe ich mich entschlossen, mich mit den Vampiren zu treffen. Das bringt uns nun zu ihnen, Severus.“

Severus hatte während des Gespräches den Schulleiter anscheinend gleichgültig gemustert. Jetzt runzelte er die Stirn und sein älterer Kollege fuhr fort.

„Sie werden für mich nach einem Zaubertrank suchen und versuchen ihn auch herzustellen.“

Überrascht hob sich nun seine linke Augenbraue.

„Und was für ein Trank soll das sein?“

„Man nennt ihn den Trank der Auferstehung.“

Blicke wurden gewechselt. Diesmal war es der Tränkemeister, der den Kopf schüttelte.

„Dieser Trank ist eine Legende, Professor. Selbst wenn er wirklich existieren würde und ich könnte das Rezept dafür ausfindig machen, heißt das nicht, es könnte gelingen ihn zu brauen. Wofür brauchen sie ihn überhaupt?“

„Soweit ich weiß, suchen die Vampire schon sehr lange danach. Meiner Meinung nach, wäre es ein Zeichen unseres guten Willens, wenn wir ihnen dabei behilflich sind, ihn zu finden.“

Einen Moment war es still. Arthur Weasley nutzte die Chance, das Wort zu ergreifen.

„Die Vampire sind gefährlich, Albus. Ich spreche sicher für alle, wenn ich sage, wir können ihnen nicht trauen. Wer weiß, was sie vorhaben. Außerdem wird das Ministerium einem Bündnis niemals zustimmen.“

Dumbledore nickte. Sein Gesicht drückte aber Entschlossenheit aus.

„Wir können nicht warten, bis Fudge der Wahrheit endlich ins Auge blickt. Sonst ist es vielleicht zu spät.“

Black meldete sich.

„Wir werden sie nicht mehr umstimmen können, oder?“

„Ich fürchte, sie haben mich erwischt, Sirius.“

Dumbledore zwinkerte. Shaklebolt richtete sich in seinem Stuhl ein wenig auf. Nachdenklich blickte er den Schulleiter an.

„Da ihre Entscheidung schon fest steht, denke ich, sollten wir über die Aufgaben sprechen, die sie uns zugedacht haben.“

„Natürlich.“

Ein bittender Blick traf Lupin.

„Remus. Wären sie bereit, sich bei den Werwölfen umzuhören?“

Der Werwolf zögerte. Er hatte keine Angst vor den anderen seiner Art. Doch er fühlte sich nicht wohl unter ihnen.

„Für wie lange?“

„Nicht für lange. Es wäre nur gut zu wissen, ob Voldemort außer den Vampiren auch andere Geschöpfe der Nacht kontaktiert hat.“

Schließlich nickte Lupin und Dumbledore wandte sich an Shaklebolt und Arthur Weasley.

„Ihre Kontakte im Ministerium sind schon immer sehr wichtig für uns gewesen. Könnten sie weiterhin Augen und Ohren offen halten?“

Die beiden Männer nickten ebenfalls.

„Sirius, Alister. Ich möchte sie bitten, mich zu den Vampiren zu begleiten. Das Treffen findet in zwei Tagen in London statt.“

Black und Moody warfen sich einen Blick zu. Auch sie nickten. Dumbledore lächelte in die Runde.

„Schön. Unsere nächste Besprechung würde ich auf den Beginn des neuen Schuljahres festlegen. Gleiche Zeit, gleicher Ort. Sind sie einverstanden?“

Zustimmung murmelnd erhoben sich alle von ihren Stühlen. Severus ließ sich Zeit, beobachtete, wie die anderen in die Eingangshalle gingen. Ihre Abweisung und ihr Misstrauen verletzten ihn immer noch. Ein bitteres Lächeln huschte über sein Gesicht. Es war einfach lächerlich. Nach all den Jahren sollte er sich endlich damit abgefunden haben. Sie würden ihm nie trauen. Er würde ewig nur ein ehemaliger Todesser sein. Die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst, stand er auf. In der Eingangshalle wandte sich Molly Weasley an den Schulleiter.

„Seien sie vorsichtig, Professor. Arthur hat Recht. Die Vampire sind mir nicht geheuer.“

„Machen sie sich keine Sorgen, Molly.“

Der ältere Mann lächelte beruhigend. Arthur und Molly Weasley, Sirius Black, Alister Moody sowie Kingsley Shaklebolt verließen das Haus. Im Garten blieben sie zwischen zwei buschigen Wacholdersträuchern stehen. Von einem Moment zum anderen verschwanden sie einfach. Remus Lupin stieg schwerfällig die Treppe hinauf. Dumbledore sah ihm nach. Severus trat neben ihn.

„Sie wissen, ich bin in Spinner’s End nicht allein.“

Ohne ihn anzusehen nickte der Schulleiter.

„Ich weiß. Peter ist sehr neugierig. Besonders jetzt, wo Voldemort ihnen gegenüber noch einige Zweifel hat. Er könnte versuchen, sie zu seinem Vorteil bei seinem Herrn zu denunzieren. Deshalb werden sie den Trank auch hier brauen. Meine Bibliothek steht ihnen für Recherchen zur Verfügung. Sie können gern mein Büro benutzen und alles Nötige von Hogwarts hier herbringen.“

Der Tränkemeister blickte die Treppe hoch, über die Lupin nach oben verschwunden war. Es legte sich eine Hand auf seine Schulter.

„Vielleicht wäre es endlich an der Zeit zu verzeihen, Severus.“

Er gab dem Schulleiter keine Antwort, kniff nur leicht die Augen zusammen. Dumbledore seufzte.

„Lassen sie uns gehen.“

Die beiden Männer durchquerten die Eingangshalle und traten hinaus in den Garten. In Hogwarts berichtete Severus dem Schulleiter über sein Verhör durch den dunklen Lord. Voldemort hatte auch Legilimentik eingesetzt, um sich seiner Loyalität absolut sicher zu sein. Natürlich hatte er nur das in seinem Geist vorgefunden, was der Tränkemeister bereit war ihm zu zeigen. Der dunkle Lord war zufrieden gewesen. Trotzdem würde er ihn, rein schon aus Gewohnheit, noch eine Weile misstrauisch beobachten, hin und wieder seinen Geist prüfen. Im Anschluss an sein Gespräch mit Dumbledore suchte er sofort sein Labor auf. Innerhalb kurzer Zeit hatte er alles in ein paar Kisten zusammengepackt, was er in den nächsten Wochen brauchen würde. Der Trank der Auferstehung. Nach diesem Zaubertrank hatten schon viele Zauberer gesucht. Angeblich sollte er die Toten wieder zum Leben erwecken. Dieser Trank war in der Lage, einen Vampir in einen Menschen zurückzuverwandeln. Warum waren die Vampire danach auf der Suche? Bis jetzt hatte er gedacht, diese Wesen seien zufrieden mit ihrer Existenz. Vampire. Auch wenn er es nie zugeben würde, sie flößten ihm Respekt ein. Voldemort hatte es immer bestritten, doch sie besaßen Magie. Sie war anders und vielleicht sogar älter als die ihre. Genau das war auch der Grund, warum Fudge die Vampire fürchtete. Einem Bündnis würde er nicht zustimmen. Mit einem Wink seines Zauberstabes schickte der Tränkemeister die Kisten voraus in das Haus des Schulleiters. Nachdem er sich noch einmal kurz umgesehen hatte, trat er an den Kamin. Er war nicht sehr erfreut, das Haus die nächste Zeit mit Lupin teilen zu müssen. Nun gut, er würde sowieso die meiste Zeit im Labor verbringen.
Liebe Grüße

Poison

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Ani
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Beitrag von Ani »

Hey, ich mag deine Geschichte irgendwie. Es ist jetz nicht so, dass ich totaler Snape-Fan bin, aber mir gefällt dein Schreibstil!
Also mach weiter so!
http://elfenrechte.repage1.de
http://gvst.plusboard.de

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Poison of the cursed
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Beitrag von Poison of the cursed »

Hallo Ani,

danke für deine Ermutigung. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, die Geschichte kommt nicht so gut an. Nun gut, solange mich keiner steinigt, hier Kapitel 2.


Kapitel 2

Rebecca schaltete ihren Computer aus und sah auf ihre Armbanduhr. Kurz vor neun. Michael war heute wieder unausstehlich gewesen. Da sie vergessen hatte einen wichtigen Termin in seinen Kalender einzutragen, hatte er sie alle seine Termine für den Rest des Jahres prüfen lassen. Ihr Blick fiel auf den Brief, den ihr die Oberschwester aus den persönlichen Dingen von Mrs. Wilson übergeben hatte. Über eineinhalb Jahre waren seither vergangen. Sie wusste nicht, wie oft sie ihn nun schon gelesen hatte und noch immer konnte sie nicht glauben, was darin stand. Mrs. Elisabeth Wilson war ihre Großmutter gewesen. Nach dem Tod ihres Mannes hatte sie wieder ihren Mädchennamen angenommen. Die junge Frau wischte sich eine Träne von der Wange. Gern hätte sie mehr Zeit mit der alten Frau verbracht, die ihr seit ihrer ersten Begegnung im Krankenhaus, so vertraut vorgekommen war. Doch das sollte wohl nicht sein. Ihre Mutter, die ihr jahrelang verschwiegen hatte, dass ihre Großmutter noch lebte, war auf die Fragen nach dem Warum nicht eingegangen. Der leichte Groll gegen die alte Frau, weil sie sich ihr nicht früher offenbart hatte, war schon lange verflogen. Wütend zu sein, machte es nicht ungeschehen, nahm ihr nur die Freude an der Erinnerung. Immer wenn sie traurig war oder sich einsam fühlte, zog sie den Brief aus ihrer Schublade. Die lieben Worte ihrer Großmutter trösteten sie, richteten sie wieder etwas auf. Obwohl sie nicht viel von ihr wusste, vermisste sie die alte Dame.

„Alles in Ordnung, Becca?“

Die junge Frau wandte sich um. Jona stand in der Tür.

„Ja, ich bin bloß müde.“

Ihr Bruder kam zu ihr an den Schreibtisch.

„Warum bist du eigentlich noch hier?“

„Frag lieber nicht, Jona.“

Er presste die Lippen zusammen, sagte aber nichts. Dafür zog er sie vom Stuhl hoch und nahm sie in den Arm.

„Lass nicht zu, dass er dir weh tun kann, Becca.“

Jona drückte sie an sich, hielt sie fest. Seine Umarmung war tröstlich. Irgendwie fühlte sie sich gleich besser. Er streichelte ihr über den Rücken. Es ärgerte ihn, dass Michael sie manchmal so tyrannisierte. Das hatte er in ihrer Kindheit schon getan. Vielleicht sollte er mal mit ihm reden, so ging das nicht weiter.

„Was hältst du von einem Ausflug am Wochenende?“

„Darf ich mir aussuchen, wo wir hingehen?“

„Sag nicht Naturhistorisches Museum, Becca. Die Dinosaurier laufen bald davon, wenn sie uns zu oft sehen.“

„Hab ich dir schon mal gesagt, dass du der beste Bruder auf der Welt bist?“

Der tiefe Seufzer, den er ausstieß, brachte sie zum Lachen.

„Ich gebe mich geschlagen. Soll ich dich nach Hause bringen?“

Sie ließ ihn los.

„Nein. Ich muss noch einkaufen und außerdem wartet doch sicher eine neue Freundin auf dich.“

Ein schiefes Grinsen glitt über sein Gesicht. Zärtlich strich er ihr über die Wange.

„Fahr vorsichtig, Becca.“

Sie nickte, sah ihm nach, bis er im Aufzug verschwunden war. Nachdem sie in ihr Auto gestiegen war, atmete sie erstmal tief durch. Den Brief ihrer Großmutter, legte sie zu ihrer Handtasche auf den Beifahrersitz. Fast wie von selbst kehrten ihre Gedanken zu dem Tag zurück, an dem sie ihr letztes, richtiges Gespräch mit der alten Frau geführt hatte. Ihren Prinzen. Unwillkürlich huschte ein Lächeln über das Gesicht der jungen Frau. Es wäre schön, wenn man ihn wirklich finden würde, den einzig richtigen. Ihre Großmutter hatte daran geglaubt. Vorsichtig manövrierte sie ihr Auto aus der Tiefgarage, fädelte sich in den Straßenverkehr ein.
Nach vierzig Minuten stellte sie ihren Mini auf dem Parkplatz des Supermarktes ab. Um diese Uhrzeit war nicht mehr viel los, was ihr sehr gelegen kam. Vor dem Regal mit den Nudelpackungen ging sie noch mal ihre Einkaufsliste durch. Das war schon das fünfte Mal. Da ihre Gedanken immer wieder zu ihrer Großmutter abschweiften, war sie nicht ganz bei der Sache. Doch offenbar hatte sie alles beisammen. Sie bückte sich und griff nach einer Packung Spaghetti, als sie bemerkte das da außer Nudeln noch etwas anderes im Regal lag. Im ersten Moment dachte sie, jemand hätte Geld im Regal liegen lassen. Es sah jedoch nicht nach einem Penny aus. Es war ein Medaillon. Sie sollte es an der Kasse abgeben, sicher würde es jemand vermissen. Kaum hatte sie es berührt, drehte sich alles plötzlich um sie. Ihr wurde übel und sie schloss die Augen. Das letzte was sie spürte war, das sie irgendwo hart dagegen prallt.

***

Severus füllte etwas von der Flüssigkeit aus seinem Kessel in eine Phiole. Es hatte einige Zeit gedauert, bis der Zaubertrank für Lupin endlich fertig geworden war. Nachdenklich betrachtete er das kleine Fläschchen in seiner Hand. Seit seiner Schulzeit war er Remus Lupin nicht besonders freundlich gesinnt. Er und seine Freunde Potter, Black und Pettigrew hatten dafür gesorgt, das er mehr als einmal zum Gespött der anderen Schüler wurde. Aber Dumbledore hatte ihn gebeten den Wolfsbann-Trank für ihn zu brauen. Den nächsten Vollmond hatten sie in zwei Tagen. Heute Morgen war der Werwolf zu der Suche nach seinesgleichen aufgebrochen. Sollte er die anderen Werwölfe finden, würde er bei ihnen bleiben. Beim Frühstück hatten sie kaum miteinander geredet. Was hätte er auch mit ihnen reden sollen?

Sein Blick fiel auf die beträchtliche Anzahl von leeren Tiegeln, Flaschen und Töpfchen, die sich in einer Kiste neben der Tür stapelten. Die Zeit, in der er etliche Bücher wälzte und nach Anhaltspunkten zum Trank der Auferstehung suchte, konnte er nutzen, um diverse Heiltränke und Salben herzustellen. Madame Pomfrey würde es in ihrer gewohnt leicht ruppigen Art zur Kenntnis nehmen. Hatte er eigentlich irgendwann in den Ferien etwas anderes getan, als in dem provisorischen Labor in seinem Haus in Spinner’s End zu sitzen und Zaubertränke zu brauen? Ein leichtes Kopfschütteln war die Antwort auf seine eigene Frage. Er konnte sich nicht daran erinnern. Sorgsam stellte er einige Phiolen auf dem Kaminsims ab. In vier Wochen würde er nach Hogwarts zurückkehren, erneut Erstklässler unterrichten und sich mit Minerva McGonagall wegen ihrer Gryffindors herumschlagen. Seufzend löschte er das Feuer unter dem Kessel, reinigte diesen mit einem Schwingen seines Zauberstabes. Danach ging er langsam hinunter in den Keller, wo er seine Vorräte verstaut hatte. Hier war es kühler. Die gebrauchten Zutaten schwebten in Brusthöhe vor ihm her. Bedächtig stellte er sie auf dem Tisch in dem kleinen Vorratsraum ab. Gestern nach seiner Ankunft hatte er nicht alles ausgepackt, geschweige denn in die Regale geräumt. Vielleicht sollte er das nun tun.

Plötzlicher Lärm über ihm riss ihn aus seinen Überlegungen. Überrascht blickte er nach oben. Außer ihm war niemand hier. Oder war Lupin schon wieder zurück? Obwohl er sich sicher fühlte, griff er nach seinem Zauberstab. Leise stieg er die Treppen wieder hinauf. In der Küche, im Wohnzimmer und in der Diele war nichts Ungewöhnliches zu entdecken. Angestrengt lauschte er. Kein Geräusch war zu hören. Es herrschte eine gespenstische Stille im Haus. Das obere Stockwerk war dunkel.

„Lumos!!“

Die Spitze des Zauberstabes leuchtete auf. Eigentlich musste er den Zauberspruch nicht mehr laut aussprechen. Hier tat er es, weil es für einen Moment die Stille unterbrach, die ihn in diesem Haus umgab. Der Tränkemeister wandte sich zur Treppe nach oben um. Auch in der Bibliothek und in den Schlafzimmern gab es nichts, was den Radau von vorhin hätte erklären können. Er runzelte die Stirn, drehte sich leicht nach rechts. Der einzige Raum, den er noch nicht inspiziert hatte, lag nun vor ihm. Es war eigentlich ein Schlafzimmer. Doch der Schulleiter hatte einige alte Möbel und Erinnerungsstücke, von denen er sich wohl nicht trennen konnte, in diesem Raum gelagert. Severus ging auf die Tür zu, griff nach der Klinke. Erstaunt hoben sich seine Augenbrauen. Der Raum war verschlossen. Statt mit einem Zauber, hatte Dumbledore allerdings einen Schlüssel verwendet. Dieser steckte von außen. Sollte sich wirklich jemand in diesem Raum befinden, war er dorthin appariert. Eigentlich war das nicht möglich. Dumbledore hatte sein Haus mit Schutzzaubern gesichert. War es jemandem gelungen, diese zu umgehen? Seine Augen wurden schmal. So eine Unverfrorenheit war ihm noch nicht untergekommen. Eilig schloss er auf, öffnete schwungvoll die Tür.

Dunkelheit empfing ihn. Im Licht des Zauberstabes schwebte der Staub, den er aufgewirbelt hatte, lautlos zu Boden. Was zum Henker war hier los? Angespannt blieb er in der Tür stehen. Selbst bei dieser spärlichen Beleuchtung, konnte er erkennen, wie es in dem Zimmer aussah. Die Wände waren kahl. An der Wand links von ihm, befanden sich eine Kommode, daneben ein Kleiderschrank und gegenüber davon ein Bett. Überall hingen Spinnweben. In der Mitte des Raumes stand allerlei Plunder. Lieblos aufeinandergestapelt. Sein Blick wanderte achtlos darüber hinweg. Doch unvermittelt stutzte er. Zwischen all den Sachen ragte ein Bein heraus. Die Augenbrauen zusammengezogen, hob er die Hand und schnippte mit den Fingern. Die Kerze auf dem Nachttisch neben dem Bett und die drei in dem Leuchter hinter ihm auf der Kommode im Flur flammten auf.

„Nox.“

Das helle Licht an der Spitze seines Zauberstabes erlosch. Vorsichtig ging Severus um das Gerümpel herum, nahm dabei die Kerze vom Nachttisch. Am Boden vor ihm, halb auf der Seite, halb auf dem Rücken, das Gesicht von ihm abgewandt, lag eine junge Frau. Er zuckte einen Schritt zurück. Einen Moment fragte er sich, ob er nicht träumte. Das war völlig unmöglich. Wie kam sie hier her? Rasch hatte er den Schreck überwunden, unterzog die reglose Gestalt vor ihm einer genauen Musterung. Sie trug Jeans und eine cremefarbene, dünne Jacke. Darunter blitzte ein dunkelfarbenes Shirt hervor. In dem ganzen Durcheinander wirkte sie sehr zerbrechlich. Er trat näher. Offenbar war sie bewusstlos. Seine Augen suchten kurz den Boden ab. Eine Brille lag nicht weit von ihrem Gesicht entfernt. Bei ihrer Ankunft hatte sie diese wohl verloren. Kein Zauberstab. Also kein unbefugtes Apparieren in dieses Haus. Dafür bemerkte er, dass sie etwas in der Hand hielt. Severus kniete sich neben ihr auf den Boden und nahm ihr den Gegenstand aus den Fingern. Nachdenklich betrachtete er das Medaillon. Ein Portschlüssel hierher? Ungläubig schüttelte er den Kopf.

Bevor er wusste, was er tat, fasste er nach ihrem Kinn, drehte ihr Gesicht zu sich herum. Blass sah sie aus und verletzlich. Eingehend betrachtete er ihr Gesicht. Sie war keine Schönheit, aber er musste gestehen, dass sie einen gewissen Reiz besaß. Er fand sie interessant und fragte sich unwillkürlich, welche Farbe wohl ihre Augen hatten. Hastig zog er seine Hand zurück, ärgerte sich über sich selbst. Diese Person war in das Haus eingedrungen. Weder wusste er, wer sie war, noch was sie hier wollte. Vielleicht war sie ein Spion des dunklen Lords. Seine Züge verhärteten sich einen Moment.
Severus stand auf. Trotz der Möglichkeit einen Spion vor sich zu haben, konnte er sie nicht einfach hier liegenlassen. Wenn sie sich verletzt hatte, war es seine Pflicht ihr zu helfen. So behutsam wie möglich, zog er sie von dem Gerümpel weg. Schritte auf der Treppe ließen ihn inne halten. Lupin tauchte in der Tür auf.

„Ist alles in Ordnung, Severus?“

„Nein.“

Der Werwolf sah ihn irritiert an und kam näher. Sein Blick fiel auf die Frau.

„Oh. Wer ist sie?“

„Das wüsste ich auch gern.“

Ein besorgter Ausdruck trat in das Gesicht von Lupin.

„Ist sie verletzt?“

„Dies entzieht sich ebenfalls meiner Kenntnis. Würden sie das Schlafzimmer neben dem ihren bewohnbar machen?“

Er klang ein wenig ungeduldig. Der andere Mann reagierte darauf mit einem Lächeln.

„Natürlich.“

Lupin drehte sich um, verschwand durch die Tür. Der Tränkemeister sah auf die Frau hinunter.

„Wingardium Leviosa.“

Ihr Körper schwebte empor, ließ sich von ihm problemlos in das von Lupin gesäuberte Schlafzimmer befördern. Einige Kerzen erhellten den Raum. Mit dem Schwebezauber legte er sie auf dem Bett ab. Sie hatte sich nicht gerührt, keinen Mucks von sich gegeben. Deshalb tastete er zuerst ihren Kopf ab. Eine kleine Beule, bestätigte ihm, dass sie sich den Kopf gestoßen hatte. Er spürte den Blick des Werwolfes auf sich gerichtet.

„Sie hat sich den Kopf gestoßen.“

Lupin nickte, beobachtete ihn vom Kamin aus aufmerksam. Severus ignorierte ihn. Hatte sie sich etwas gebrochen? Auf den ersten Blick konnte er nichts erkennen. Sollte er sicher gehen und sie abtasten? Das nächste Thema wären dann Blutergüsse, Abschürfungen und andere Verletzungen, die er nur erkennen würde, wenn er sie auszog. Er beschloss es beim abtasten zu belassen. Ihr Mann konnte den Rest erledigen. Sein Blick fand zu ihrem Gesicht zurück. Hatte sie einen Mann? Über diesen Gedanken von ihm konnte er sich nur wundern. Das ging ihn erstens nichts an und zweitens sollte es ihm egal sein. Nachdem er sie abgetastet hatte, wandte er sich Lupin zu.

„Die Verletzung am Kopf scheint die einzige zu sein. Hat Dumbledore ihnen gegenüber erwähnt, er erwarte Besuch?“

„Nein.“

Severus ging zu dem Werwolf hinüber, hielt ihm das Medaillon hin.

„Das hatte sie in der Hand. Ein Portschlüssel nehme ich an. Können sie ihn zurückverfolgen?“

„Ich kann es versuchen.“

Der Tränkemeister nickte.

„Ich werde den Schulleiter informieren.“

„Hatte sie keinen Zauberstab bei sich?“

Er schüttelte den Kopf, woraufhin Lupin runzelte die Stirn.

„Seltsam. Dann werde ich mal.“

Er zog sich in sein Zimmer zurück. Severus ging, um die Brille der jungen Frau zu holen und das Zimmer wieder zu verschließen. Die Brille war sehr modisch, randlos, besaß ein Gestell aus schwarzem Metall. Durch den unsanften Aufprall war es ein wenig verbogen. In der Winkelgasse hatte er so etwas noch nicht gesehen. Hatte sie die Brille in einem Muggelgeschäft gekauft? Unwillig verzog er das Gesicht. Trotzdem fasste er nach seinem Zauberstab, richtete ihn auf den Gegenstand in seiner Hand.

„Reparo.“

Severus legte die Brille auf den Nachttisch. Danach führten ihn seine Schritte in das Büro im Erdgeschoss. Nur der Kamin dort, war an das Flohnetzwerk angeschlossen worden. Wer war sie und was wollte sie hier? War sie wirklich ein Spion oder sogar ein Todesser? Warum hatte sie dann keinen Zauberstab bei sich? Sollte sie nur spionieren und Bericht erstatten? Hatte Voldemort sie auf ihn oder Dumbledore angesetzt? Gehörte der fehlende Zauberstab zur Tarnung? Er griff nach dem silbernen Pulver auf dem Kamin, warf etwas davon ins Feuer. Die Flammen nahmen eine grünliche Farbe an. In der Stille des Büros ertönte Dumbledores Stimme.

„Ja, Severus? Was kann ich für sie tun?“

„Wir haben ein Problem, Professor.“

Eine Sekunde später trat Severus zurück und der Schulleiter aus dem Kamin. Lächelnd klopfte sich dieser etwas Asche von seinem Umhang.

„Nun?“

„Kommen sie, Professor.“

Zusammen stiegen sie die Treppe hinauf. Wenig später, nahm Dumbledore auf dem Bett neben der jungen Frau Platz. Neugierig sah er ihr ins Gesicht.

„Ein Portschlüssel sagen sie?“

Von dem Tränkemeister kam ein kurzes Nicken.

„Lupin untersucht ihn gerade. Sobald er fertig ist, wissen wir mehr.“

„Und sie hatte keinen Zauberstab bei sich?“

„Nein. Wir haben keinen gefunden.“

„Mmmhhh.“

Lupin kam ins Zimmer.

„Guten Abend, Professor. Es tut mir leid. Eine Rückverfolgung ist nicht möglich. Durch einen Zauber, den ich nicht kenne, wurden alle Koordinaten gelöscht.“

Die Augenbrauen des Schulleiters hoben sich.

„Schwarze Magie?“

„Seltsamerweise nicht. Aber ich kann keinen einzigen Start- oder Zielpunkt mehr feststellen.“

Ein paar Sekunden starrten sich die drei Männer gegenseitig an. Dann richteten sich ihre Blicke auf die junge Frau.

„Glauben sie, sie ist ein Todesser, Professor?“

Lupin sah den Mann auf dem Bett an. Dumbledore ließ die Augen nachdenklich auf dem Gesicht ihres Gastes ruhen.

„Ich denke nicht. Aber wir können zur Sicherheit nachsehen.“

Vorsichtig schob der Schulleiter ihren linken Ärmel hoch. Nichts. Kein dunkles Mal zierte ihren Unterarm. Severus trat einen Schritt näher.

„Sie könnte trotzdem ein Spion sein.“

„Ja, davon sollten wir erst einmal ausgehen. Doch wie konnte sie ohne schwarze Magie meine Schutzzauber überwinden?“

Der Werwolf hob das Medaillon hoch.

„Ich kann es nicht sagen, Professor. Aber mit einem derart mächtigen Zauber hatte ich es noch nie zu tun. Als wäre er nicht von dieser Welt.“

Die letzten Worte hatte Lupin murmelnd an sich selbst gerichtet. Nach einer Weile des Schweigens, erhob sich der ältere Mann vom Bett.

„Gut. Ich glaube, ohne die junge Dame werden wir die Rätsel dieses Abends nicht lösen können. Morgen früh werden wir weiter sehen.“

„Sollen wir sie bewachen?“

Fragend sah der Tränkemeister seinen Kollegen an.

„Nein. Da sie keinen Zauberstab hat, wird ein Bann für die Tür genügen. Gute Nacht.“

„Gute Nacht, Severus.“

Lupin und der Schulleiter verließen das Schlafzimmer. Der Tränkemeister ging zum Bett. Vorsichtig betastete er noch einmal die Beule am Kopf der jungen Frau. Sie war nicht größer geworden. Die Verletzung war also nicht weiter tragisch. Nachdenklich ruhte sein Blick auf ihr. Würde jemand nach ihr suchen? Ihr Duft stieg ihm plötzlich in die Nase und ruckartig richtete er sich auf. Sie roch…wunderbar. Er konnte die einzelnen Komponenten dieses Duftes nicht genau bestimmen, doch er stellt irritiert fest, dass er ihn mochte. Er zog ihr die Schuhe aus. Anschließend verschloss er die Tür hinter sich. Mit leichten Kopfschmerzen ging er zu Bett.
Liebe Grüße

Poison

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Hallo,

Kapitel 3

Langsam öffnete sie die Augen. Es kostete sie einige Anstrengung und sie spürte einen dumpfen Schmerz in ihrem Kopf. Ohne ihre Brille konnte sie nicht viel erkennen, aber innerhalb von wenigen Sekunden war ihr klar, dass sie sich nicht in ihrem Schlafzimmer befand. Sie lag komplett angezogen in einem fremden Bett.
Verwirrt runzelte die junge Frau die Stirn. Wo war sie? Was war mit ihr geschehen? Sachte drehte sie den Kopf zur Seite. Rechts von ihr auf einem kleinen Nachttisch stand ein volles Glas. Plötzlich merkte sie, wie durstig sie war. Mühsam richtete sie sich etwas auf. Ihre Hände zitterten leicht. Sie trank ein paar kleine Schlucke, legte sich dann erschöpft zurück. Das Wasser schmeckte leicht bitter. Müde schloss sie die Augen. Wann würde sie aus diesem verrückten Traum aufwachen?

Der dumpfe Schmerz in ihrem Kopf löste sich jäh in Luft auf, ebenso die Schwäche, die sie die ganze Zeit gelähmt hatte. Verwundert fasste sie sich an die Stirn. Schlagartig fühlte sie sich gut. War da etwas in dem Wasser gewesen? Die junge Frau rutschte an die Bettkante und setzte sich. Erneut nahm sie das Glas, welches der Tränkemeister eine halbe Stunde zuvor auf dem Nachttisch abgestellt hatte. Der Geruch der Flüssigkeit verriet nichts von dem Stärkungstrank darin. Verwirrt stellte sie es weg. Neben dem Glas lag ihre Brille. Sie griff danach, weil sie mehr von diesem fremden Schlafzimmer sehen wollte. An der Wand rechts neben der Tür standen ein Kleiderschrank und eine kleine Kommode. Die Möbel waren aus dunklem, fast schwarzem Holz gefertigt, schienen aus einer vergangenen Epoche zu stammen. Gegenüber dem Bett befand sich ein Kamin. Ein Häufchen Glut erinnerte an das Feuer. Links davon führte eine Tür ins Badezimmer. Vor dem Kamin stand ein großer, schwerer Sessel. Wo war sie hier bloß? Langsam stand sie auf.

Sie schlüpfte in ihre Schuhe. Hinter sich entdeckte sie ein Fenster. Frische Luft konnte nicht schaden. Der Himmel war blau und die Luft, die sanft in den Raum wehte war kühl und klar. Der Anblick, der sich ihr bot, ließ sie erstaunt ausatmen. Das Haus war das einzige in der Umgebung. Unter ihrem Fenster erstreckte sich ein großer Garten. Dahinter Felder, Wiesen und Wäldchen. Sie war auf dem Land, kein Zweifel. Die Schlafzimmertür öffnete sich leise und hastig drehte sich die junge Frau um. Zwei Männer betraten das Zimmer, blieben neben dem Bett stehen. Ungläubig starrte sie die beiden an.
Der Ältere von ihnen trug ein langes, graublaues Gewand. Auf seinem Kopf saß eine runde Kappe in derselben Farbe. Sein Haar sowie sein Bart waren gänzlich weiß und länger, als es der heutigen Mode entsprach. Seine Brille, mit den halbmondförmigen Gläsern, saß sehr weit vorn auf seiner Hakennase. Alles in allem sah er ulkig aus, aber sein Gesicht hatte etwas Würdevolles. Er betrachtete sie teils freundlich, teils abschätzend, wie wenn er nicht recht wüsste, was er von ihr halten sollte.

Der Mann daneben, war das genaue Gegenteil von ihm, wirkte düster und bedrohlich. Angesichts der Kälte, die der Mann ausstrahlte, überlief sie eine Gänsehaut. Seine ganze Erscheinung war ungewöhnlich. Angefangen von seiner Kleidung bis hin zu seinen Augen. Die junge Frau war sich sicher, noch nie hatte sie einen Menschen mit solchen Augen gesehen. Sie waren schwarz, glichen zwei leeren, dunklen Abgründen. Keinerlei Regung war in ihnen zu entdecken.
Ihren Blick hielt er mit dem seinen fest. Heute wirkte sie auf ihn noch reizvoller als am Abend zuvor. Grün…ihre Augen waren grün. Eine schmerzhafte Erinnerung drängte sich in seine Gedanken. Ihm wurde bewusst, dass sie sich gegenseitig anstarrten. Aus dem Augenwinkel heraus sah er den Schulleiter, der ihm einen verblüfften Blick zuwarf. Es ärgerte ihn, so offensichtlich Interesse an der jungen Frau gezeigt zu haben und er brach den Blickkontakt zu ihr augenblicklich ab.

Dumbledore, immer noch überrascht, musterte die junge Frau nun eindringlich. Sie war kleiner als er, wirkte sehr schmal und zart. Ihre hellbraunen, halblangen Haare waren etwas zerzaust. Gemessen an Hexen, wie Narzissa Malfoy oder Bellatrixe Lestrange, war sie eher unscheinbar. Aber sie hatte ein nettes Gesicht und eine eigentümliche Ausstrahlung. Vorsichtig machte er einen Schritt auf sie zu. In ihren Augen stand Verwirrung. Freundlich lächelte er ihr zu. Sie konnte nicht umhin, scheu zurückzulächeln. Das verlieh ihrem Gesicht ein gewisses Strahlen. Der Schulleiter, aufmerksam auf ihre Reaktionen achtend, blieb vorsichtig.

„Es freut mich, sie wohlauf zu sehen. Mein Name ist Professor Dumbledore und hier haben wir Professor Snape.“

Leicht nickte sie.

„Guten Tag. Entschuldigen sie bitte, aber wo bin ich hier?“

Sie hatte sehr leise gesprochen. Ihre Stimme war hell und sanft. Dumbledores Lächeln wurde breiter.

„Sie sind in Rustle Oaks. Gestern Nacht sind sie mir, nun sagen wir mal, ins Haus gefallen.“

„Rustle Oaks?“

Die junge Frau blinzelte verwundert.

„Ja. Das kleine Dorf in der Nähe trägt denselben Namen. Aber ihr Portschlüssel scheint sie falsch geleitet zu haben. Sie wollten gewiss nicht zu mir, oder?“

Unsicher sah sie den älteren Mann an. Dieser wartete gespannt auf ihre Antwort, versuchte anhand ihres Verhaltens zu erkennen, ob sich ihr Verdacht, einen Spion im Haus zu haben, bestätigte.

„Portschlüssel?“

Nicht nur Dumbledore war irritiert. Er drehte sich zu Severus um, dessen Augenbrauen sich unwillig zusammenzogen. Log die junge Frau sie an? Wusste sie wirklich nicht, wo sie sich befand und was ein Portschlüssel war oder täuschte sie es nur vor? Der Schulleiter sah ihr aufmerksam in die Augen.

„Wissen sie denn nicht mehr, was geschehen ist?“

Zögernd schüttelte sie den Kopf. Auch wenn sie es nicht verstand, spürte sie doch das Misstrauen ihr gegenüber.

„Ich weiß nur noch, ich war einkaufen und wollte eine Packung Nudeln aus dem Regal nehmen. Da sah ich dieses Medaillon. Ich wollte es an der Kasse abgeben. Als ich es in die Hand nahm drehte sich alles um mich. Das letzte was ich weiß ist, das ich mir an irgendwas den Kopf gestoßen habe.“

Zwei Augenpaare ruhten auf ihr. Das hatte der Schulleiter nicht erwartet. Jetzt musste schnell gehandelt werden.

„Nun gut. Wir werden natürlich versuchen, sie so schnell wie möglich wieder nach Hause zu bringen. Sagen sie mir doch ihren Namen.“

„Meine Name ist…ich bin…“

Sie runzelte die Stirn, schien angestrengt nachzudenken. Ihre Augen weiteten sich. Der Schock stand ihr ins Gesicht geschrieben.

„Ich…ich kann mich nicht erinnern.“

Dumbledore war rasch bei ihr. Nachdem sie sich ans Fußende des Bettes gesetzt hatte, sprach er sie sehr sanft erneut an.

„Wissen sie denn noch, woher sie kommen? Wo sie wohnen?“

Sie rührte sich nicht, starrte nur auf den Boden vor ihren Füßen. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, ehe sie hoch blickte. Der Schulleiter sah Tränen in ihren Augen. Unfähig zu sprechen, schüttelte sie nur den Kopf. Professor Dumbledore nahm behutsam ihre Hand und streichelte sie.

„Das wird schon wieder, mein Liebe. Weinen sie nicht.“

Die beiden Männer warfen sich einen Blick zu. Sie mussten dringend unter vier Augen miteinander sprechen. Ein Krächzen unterbrach die Gedanken der Anwesenden und die Blicke aller richteten sich auf das Fenster.
Ein Rabe saß auf der Fensterbank. Das Tier ignorierte die beiden Männer. Seine ganze Aufmerksamkeit galt der jungen Frau, die unglücklich auf dem Bett saß. Severus trat ans Fenster um den Vogel zu verscheuchen. Der Rabe war jedoch schneller. Er breitete seine Flügel aus und erhob sich krächzend von seinen Aussichtspunkt. Der Tränkemeister machte einen Schritt zurück, da ihm das Tier sonst ins Gesicht geflattert wäre. Der Vogel flog zum Bett hinüber, ließ sich auf dem Fußteil nieder. Es störte ihn nicht, das Dumbledore direkt neben ihm stand und er schien auch keine Angst vor ihm zu haben. Seine Augen waren auf die junge Frau gerichtet, die etwas ängstlich von dem Tier abrückte.
Hilfesuchend warf sie dem Schulleiter einen Blick zu. Er schien verblüfft. Gleichzeitig beobachtete er den Vogel mit einer Mischung aus Misstrauen und Neugier. Nun betrachtete auch sie das Tier genauer. Seine schwarzen Augen erinnerten sie sofort an die, des dunkelhaarigen Mannes am Fenster. Unergründlich waren sie und voller Intensität, dass sie das Gefühl hatte, er könnte bis auf ihre Seele hinab sehen. Wieder bekam sie eine Gänsehaut. Der Rabe schien genug gesehen zu haben. Er flatterte hoch, war schnell wieder zum Fenster hinaus. Severus beeilte sich, die Fensterflügel zu schließen. Dumbledore schien sich als erster von diesem Geschehnis erholt zu haben, sah auf die junge Frau herunter und lächelte verschmitzt.

„Es sieht aus, als hätten wir einen Namen für sie gefunden. Bis wir wissen, wer sie wirklich sind und wo sie wohnen, werden sie hier bleiben. Einverstanden, Raven?“

Sprachlos sah sie ihn an. Dann nickte sie zögernd. Raven. Sie musste lächeln. Das war ein schöner Name. Ob sie in Wirklichkeit auch so einen schönen Namen hatte?

„Schön, schön. Sie wollen sich vor dem Frühstück sicher ein wenig frisch machen.“

Erneut nickte die junge Frau. Der Schulleiter lächelte ihr noch einmal zu.

„Kommen sie, Severus.“

Die beiden Männer verließen das Schlafzimmer und Raven blieb verwirrt zurück. Kurz blieb sie still sitzen. In ihrem Kopf drehte sich alles. Rustle Oaks. Ein seltsamer Name. Von diesem Ort hatte sie noch nie gehört. Sie fasste sich an die Stirn. Oder wusste sie es nur nicht mehr? Ratlos blickte sie auf die Tür. Wo war sie nur gelandet und was war ein Portschlüssel? Die Kleidung der beiden Männer war äußerst merkwürdig. Heutzutage trug doch niemand mehr einen Gehrock, ganz zu schweigen von der Robe des älteren Mannes. Hatten sie sich verkleidet? Warum sollten sie das tun? Sie schüttelte den Kopf. Das war doch alles verrückt.

Langsam ging sie ins Badezimmer. Ebenso, wie die Möbel im Schlafzimmer, waren auch die Armaturen des Waschbeckens und der Badewanne aus einer lang vergangenen Zeit. Trotzdem sahen sie nagelneu aus. Eine weitere Frage tauchte in ihrem Kopf auf. Wie war sie hierher gekommen? Entführung schied aus. Diese Menschen waren über ihre Anwesenheit vollkommen überrascht. Außerdem hätten sie sicherlich Forderungen gestellt. Hatten sie das vielleicht nur nicht getan, weil sie sich nicht mehr erinnern konnte, wer sie war? Erneut schüttelte sie den Kopf. Nein, sie waren nett. Nun ja, der Ältere zumindest. Der dunkelhaarige Mann war wohl eher zum fürchten. Einen Moment hatte sie das Gefühl gehabt, er könnte in sie hinein sehen.
Bei dem Blick in den Spiegel, starrte ihr eine Fremde entgegen. Auf ihrer Stirn bildete sich eine nachdenkliche Falte, während ihre Augen über das unbekannte Gesicht wanderten. Sacht berührte sie mit den Fingerspitzen ihr Spiegelbild.

„Wer bist du?“

Noch mehr Fragen stürmten auf sie ein. Suchte jemand nach ihr? Wurde sie von ihrer Familie vermisst? War sie verheiratet? Hatte sie Kinder? Sie schloss die Augen, versuchte sich ihr Gesicht im Kreise einer glücklichen Familie vorzustellen. Doch in ihrem Kopf war nichts, außer dem Einkauf im Supermarkt und diesem Medaillon zwischen den Nudelpackungen. Wo war das gewesen? Das Medaillon brachte sie natürlich mit dem Begriff Portschlüssel nicht in Verbindung. Ihr Blick richtete sich wieder auf das Gesicht im Spiegel und sie konnte immer noch nicht glauben, dass sie das alles nicht träumte. Nachdem sie sich eine Weile angestarrt hatte, wandte sie dem Spiegel leicht genervt den Rücken zu.

***

Nachdenklich stieg der Schulleiter die Treppe hinunter. Das letzte, was er erwartet hatte, war einen Muggel hier in seinem Haus vorzufinden. War sie ein Muggel? Wer hatte Interesse sie hierher zu schicken? Wie war der Portschlüssel in den Supermarkt gelangt? War das alles nur ein dummer Zufall? Severus ging mit undurchdringlicher Miene neben ihm her. In ihm schien es allerdings zu brodeln. Dumbledore wusste, der Tränkemeister verabscheute Muggel zutiefst. Die Tatsache, dass er selbst einen Muggel-Vater hatte, verdrängte er. Vielleicht war es aber auch der Grund für diesen Hass, den Severus gegen die Nichtmagier hegte. Sie betraten das Esszimmer, wo Lupin gerade sein Frühstück beendete. Annabell, die kleine Hauselfe, brachte trotzdem eine Platte mit frisch gebratenem Schinken. Die kleine Gestalt mit den riesigen Augen und den Fledermausohren trug ein gelbes Sommerkleid. Sie sah reichlich merkwürdig aus. Dumbledore hatte sie von Hogwarts mitgebracht. Der Werwolf erhob sich.

„Und?“

Der Schulleiter seufzte.

„Wie es aussieht, handelt es sich bei der jungen Dame um einen Muggel. Sie hat ihr Gedächtnis verloren, darum wird sie vorerst hier bleiben.“

Lupin sah ihn ungläubig an. Ihm gingen ähnliche Gedanken durch den Kopf, wie dem Schulleiter einige Sekunden zuvor. Wie kam ein Muggel an einen Portschlüssel? Hatte ihn jemand versehentlich an einem für Muggel zugänglichen Ort verloren oder mit Absicht deponiert? Aber wer? Mehrere Sekunden schwieg er, wandte sich dann an den Tränkemeister.

„Könnte es eine Täuschung sein?“

„Möglich. Wir hatten gerade eine merkwürdige Begegnung mit einem Raben. Er könnte geschickt worden sein, um die Lage auszukundschaften, festzustellen, ob sich die Frau noch im Haus befindet.“

„Sie meinen, ein Animagi?“

„Nicht unbedingt. Der dunkle Lord könnte auch ein normales Tier für seine Zwecke nutzen.“

Lupin drehte sich zu dem älteren Mann um.

„Was denken sie, Professor?“

Dumbledore antwortete nicht gleich. In Gedanken versunken, waren seine Augen auf das Portrait seines Großvaters, links neben dem Kamin, gerichtet. Da seine beiden Verwandten mütterlicherseits Muggel gewesen waren, bewegten sich ihre Bilder nicht. Stumm und bewegungslos sahen sie auf die drei Männer herunter. Schließlich blickte er den Werwolf an.

„Ehrlich gesagt, neige ich dazu, der jungen Dame zu glauben. Ihre Verwirrung schien mir zu echt, um vorgetäuscht zu sein. Auch hatte ich nicht den Eindruck, sie würde uns etwas verbergen wollen.“

„Aber wer würde einem Muggel einen Portschlüssel in ihr Haus geben? Hat Voldemort sie vielleicht als Ablenkung geschickt?“

„Nein. Er würde sich nicht einer, für seine Begriffe, wertlosen Person bedienen. Oder was meinen sie, Severus?“

„Schwer vorstellbar. Vielleicht sollten wir trotzdem prüfen, ob sie uns die Wahrheit sagt.“

„Und wie wollen sie das tun?“

Einen Moment sahen sie sich die zwei Männer an.

„Nein. Ich werde die junge Dame nicht ängstigen, indem ich sie in ihre Gedanken einlasse, Severus. Was, wenn sie tatsächlich schuldlos hierher gekommen ist?“

Kurz herrschte Stille. Erneut ergriff der Werwolf das Wort.

„Wie geht es jetzt weiter?“

Dumbledore legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Ihr Aufenthalt wird, fürchte ich, länger dauern. Es wäre sehr nett von ihnen, Remus, wenn sie Raven ins Dorf begleiten würden. Sie wird Kleidung brauchen und persönliche Dinge.“

„Raven?“

„Der Rabe. Wir brauchten einen Namen für sie.“

„Oh, natürlich, ja.“

Der Tränkemeister schüttelte leicht den Kopf. Bei den nächsten Worten war seine Stimme sehr eindringlich.

„Professor. Selbst wenn sie nur ein harmloser Muggel, birgt ihre Anwesenheit Risiken. Bedenken sie, dass wir unsere Welt vor jeglicher Entdeckung schützen müssen. Vor allem jetzt. Es wäre besser sie von hier wegzubringen.“

Aufmerksam blickt ihm sein älterer Kollege ins Gesicht.

„Wohin, Severus? Ins St. Mungos? Ich möchte sie nicht unbedingt in der Gesellschaft jener unglücklichen Seelen wissen, die dem Wahnsinn zum Opfer gefallen sind. Nein. Sie wird bleiben. Ich bin mir im Klaren, dass wir äußerste Vorsicht walten lassen müssen. Da Remus nicht häufig im Haus sein wird, bitte ich sie ein Auge auf die junge Dame zu haben, Severus. Natürlich auch auf den Raben, falls er sich ihnen noch einmal zeigt. Sie könnte ihnen ein wenig zur Hand gehen. Sollten wir uns in ihr geirrt haben, steht es ihnen frei, geeignete Maßnahmen zu ergreifen.“

Das Gesicht des Tränkemeisters wurde er eine Spur blasser.

„Das kann nicht ihr ernst sein.“

„Ich bin überrascht, Severus. Eigentlich war ich der Meinung, dass ihnen die Vergangenheit überaus deutlich gemacht hat, was Vorurteile ausrichten können.“

Severus machte einen Schritt rückwärts. Kurz glaubte der Werwolf, die ausdruckslose Maske des anderen fallen zu sehen. Doch dieser Augenblick dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde und er war sich nicht sicher, ihn wirklich erlebt zu haben. Die Miene des schwarzhaarigen Zauberers war wieder reglos wie immer.

„Wie sie wünschen, Professor.“

Äußerlich ruhig wandte er sich ab. Dumbledore hielt ihn nicht auf. Alles Nötige war gesagt worden. Ernst sah er ihm nach. Severus hatte es nicht besonders leicht gehabt im Leben. Der Schulleiter wusste um die schlimmen Erlebnisse in seiner Kindheit und seiner Jugend. Sie waren der Grund, warum er den Weg zu Voldemort gewählt hatte. Erst der Verlust seiner Hoffnung, seiner großen Liebe hatte ihm die Augen geöffnet, ihn zu dem gemacht, was er heute war. Leise seufzte der ältere Mann. Vielleicht würde Severus es schaffen seine Voreingenommenheit abzulegen.
Lupin war in seine eigenen Gedanken versunken. Ob es wirklich eine gute Idee war die junge Frau in der Obhut des Tränkemeisters zu lassen, bezweifelte er. Dieser war nicht gerade ein Ausbund an Freundlichkeit und sie hatte mit ihrem Gedächtnisverlust schon genug Probleme. Sie tat ihm leid. Es war sicher nicht einfach, diese ganzen neuen Eindrücke zu verarbeiten und gleichzeitig nicht zu wissen, wer man war. Lupin blickte zur Uhr. So sehr er es auch bedauerte, er musste jetzt gehen. Der Werwolf folgte Dumbledore in die Eingangshalle und nach draußen. Er wollte noch ein paar Dinge klären.
Zuletzt geändert von Poison of the cursed am 15.03.2009 21:31, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüße

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Hallo,

Kapitel 4

Eine heiße Dusche war einfach eine Wohltat. Innerlich ruhiger wischte sie mit der Hand über den Spiegel, der von der Wärme angelaufen war. Das fremde Spiegelbild sah ihr mit geröteten Wangen entgegen. Ihr Blick fiel auf ihr nasses, strubbliges Haar. Vorsichtig öffnete sie das kleine Schränkchen an der Wand neben dem Waschbecken. Darin war ein Kamm, eine Zahnbürste aus Holz und verschiedene, kleine Töpfchen. Sie waren beschriftet. Zahncreme, Anti-Transpirant, Feuchtigkeitslotion, Shampoo. Alles schien unbenutzt. Verwirrt putzte sie sich die Zähne. Kannten diese Menschen keine Zahncreme aus der Tube oder Deo-Spray? Merkwürdig. Als sie sich den Mund ausgespült hatte und wieder in den Spiegel sah, zuckte sie überrascht zurück. Ihr Haar war trocken. Das war doch nicht möglich. Aber es war so. Sekundenlang starrte sie fassungslos in den Spiegel. Dann besah sie prüfend ihren Kopf von allen Seiten. Trug sie die Haare immer so? Wann war sie das letzte Mal beim Frisör gewesen? Ihre Stirn runzelte sich. Warum dachte sie über solch lächerlichen Sachen nach? Immer noch fassungslos beendete sie ihre Morgentoilette, indem sie das Anti-Transpirant ausprobierte.
Nervös öffnete die junge Frau die Schlafzimmertür und trat zaghaft hinaus auf den Flur. Es war ein sehr seltsames Gefühl, sich in einem fremden Haus zu bewegen. Sie fühlte sich fehl am Platz. Das machte ihr deutlich, dass sie nicht hier her gehörte. Eine Grimasse ziehend, fasste sie sich in einer hilflosen Geste an die Stirn, versuchte die Empfindung unwillkommen zu sein, beiseite zu schieben. Ihr eine Bleibe anzubieten, bis sie sich wieder an ihr Leben erinnern konnte, war sehr freundlich von dem älteren Mann. Nicht jeder würde das tun. Sie hatte ihm gar nicht richtig gedankt. Zögernd stieg sie die Treppe hinunter. Am Fußende wurde sie von dem dunkelhaarigen Mann erwartet. Professor Snape oder verwechselte sie jetzt die Namen? Der Ausdruck in seinem Gesicht verriet nichts von dem, was er dachte.

„Professor Dumbledore möchte, dass sie mir ein wenig zur Hand gehen, solange sie hier sind. Er selbst musste wegen dringender Geschäfte nach London. Kommen sie.“

Er ging voraus. Sein kühl, distanziertes Verhalten schüchterte sie etwas ein und sie folgte ihm unsicher. Am Eingang zum Esszimmer hielt er an, bedeutete ihr einzutreten. Sie beeilte sich seiner Aufforderung nachzukommen. Mitten in der Tür blieb sie jedoch stehen. Der lange Tisch bog sich unter zahlreichen Schüsseln und Platten beinah durch. Annabell hatte sich mit Eifer in die Küche gestürzt, nachdem sie erfahren hatte, dass die junge Dame bleiben würde. Würstchen, Speck, Eier, Schinken, gebratene Kartoffelecken, Toast, Pudding, Pasteten und Kuchen, waren nur einige Dinge, die Raven erkennen konnte. Bezeichnete der ältere Mann das als Frühstück? Plötzlich stand er dicht hinter ihr.
Hastig trat sie zur Seite. Mit regloser Miene ging er an ihr vorbei zum unteren Ende des Tisches. Dort setzte er sich. Sie schluckte. Der Gedanke, den ganzen Tag mit ihm allein in diesem Haus zu verbringen, erschreckte sie. Da er sie nicht mehr beachtete, nahm sie einfach den Platz, an dem noch ein Gedeck stand. Es herrschte Stille, welche nur durch das leise Klappern des Bestecks unterbrochen wurde. Neugierig sah sie sich im Raum um. Keine Lampen. Auch in ihrem Schlafzimmer und im Badezimmer hatte sie keine Lampen gesehen. Das Feuer im Kamin und die Kerzen in den Zimmern waren anscheinend die einzigen Lichtquellen. Ihr Blick traf auf den seinen. Unangenehm berührt wandte sie sich ihrem Teller zu. Allerdings war ihr Hunger nun verflogen. Irgendwann erhob sich Severus von seinem Stuhl. Er hatte sie beobachtet. Viel gegessen hatte sie nicht. Neben ihr blieb er stehen.

„Sind sie fertig?“

„Ja, sicher.“

Die junge Frau stand auf. Vor ihr durchquerte er die Eingangshalle. Auf der Treppe in den Keller überkam sie ein mulmiges Gefühl. Einen Moment hatte sie den verrückten Gedanken, er würde sie hier unten einsperren wollen. Stattdessen führte er sie in einen kleinen Lagerraum. Die rechte Wand des Raumes war mit Regalen zugestellt. Sie waren leer, bis auf den Staub. An der Wand gegenüber standen drei kleine Tische, alle voll mit Flaschen, Töpfen und großen Glasbehältern. Daneben stapelten sich einige Kisten. Er wandte sich um.

„Dieser Raum muss gesäubert und die Regale müssen eingeräumt werden. Ich erwarte von ihnen, dass sie sorgsam mit meinen Sachen umgehen. Im Raum nebenan finden sie Wasser. Allerdings müssen sie es sich selbst heiß machen. Wenn sie noch etwas brauchen, ich bin oben im Büro.“

Langsam kam er auf sie zu. Raven wich vor ihm in den Gang zurück. Knapp nickte er, ging an ihr vorbei und verschwand die Treppe hinauf. Sie blickte ihm nach. War er immer derart kalt und reserviert? Hatte sie ihm etwas getan? Plötzlich traten ihr Tränen in die Augen. Energisch wischte sie sich über das Gesicht. Ihr Stolz meldete sich. Nein, sie würde nicht weinen. Mochte diese Situation noch so schrecklich sein. Auf die Idee sich zu weigern kam sie nicht. Man hatte sie hier aufgenommen und sie wollte sich dafür erkenntlich zeigen. Wenn das bedeutete, putzen zu müssen, würde sie das tun. Die junge Frau ging an dem Lagerraum vorbei, einen Raum weiter. Es war eine altertümliche Waschküche. Große, hölzerne Zuber standen in der Mitte des Zimmers. Links von der Tür war ein großes Waschbecken aus Stein mit einem Wasserhahn. Neben dem Waschbecken standen ein Stuhl, Eimer und Besen. An der hinteren Wand war ein Kamin. Über dem Feuer hing ein eherner Kessel. Während sie auf das Waschbecken zuging, zog sie ihre Weste aus, legte sie über die Rückenlehne des Stuhls. Sie drehte den Wasserhahn auf. Das Wasser war eisig. Seufzend wanderte ihr Blick durch die Waschküche.

Plötzlich runzelte sie die Stirn. Warum war alles in diesem Haus derart mittelalterlich? Die beiden Kellerräume wurden durch Fackeln beleuchtet. Vorhin beim Frühstück hatte sie gar nicht soweit gedacht. Keine Lampen. Bedeutete das, es gab in diesem Haus keine Elektrizität? Ohne Strom funktionierte doch heute gar nichts mehr. Waren deshalb die Holzzuber noch da, weil die Menschen in diesem Haus keine Waschmaschine hatten? Wie konnte man in der heutigen Zeit so leben? Dann fiel ihr noch etwas ein. Wenn es keinen Strom gab, durfte es eigentlich im Badezimmer auch kein heißes Wasser geben. Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Das war genauso verrückt, wie die Sache mit ihren Haaren. Nach einer Weile seufzte sie erneut. Darüber nachzudenken half ihr nicht weiter.

***

Severus stand in Dumbledores Büro. Er war wütend. Auf den Schulleiter, weil er ihm diese Person regelrecht aufgezwungen hatte und auf sich selbst, da er es zuließ. Die schmerzhafte Erinnerung, die ihre grünen Augen in ihm geweckt hatten, ließ ihn nicht mehr los. Als er vorhin in der Tür zum Esszimmer dicht hinter ihr gestanden hatte, war ihm abermals ihr Duft in die Nase gestiegen. Er hatte sich etwas verändert. Vermutlich weil sie nun eine andere Seife benutzen musste. Trotzdem roch sie wunderbar. Fest presste er die Lippen zusammen. Warum fiel ihm ihr Duft überhaupt auf?
Missmutig drehte er sich zu dem Labortisch um, den er an einer Wand des Zimmers aufgebaut hatte. Durch einen Wink seines Zauberstabes entfachte er ein Feuer unter einem der Kessel. Sein Blick fixierte die Zutaten auf dem Tisch. Einen Anhaltspunkt zum Trank der Auferstehung hatte er bis jetzt nicht gefunden. Von Madame Pomfrey wusste er, sie benötigte einen neuen Vorrat an Abschwelltrank. Den würde er nun ansetzen. Gezielt griff er nach der ersten Zutat. Das Brauen eines Zaubertranks war eine willkommene Ablenkung. Wenige Minuten später war er vollkommen in seine Arbeit vertieft und vergaß sogar die junge Frau im Keller.

Unterdessen war Raven in den Lagerraum zurückgekehrt. In dem Eimer in der Waschküche hatte sie einige Reinigungsutensilien gefunden. Mit einem Handbesen fegte sie den groben Staub aus den Regalen auf den Boden, wischte dann mit lauwarmen Wasser nach. Die obersten Regalböden konnte sie nur erreichen, wenn sie den Stuhl aus dem Nebenraum zu Hilfe nahm. Anschließend begann sie die vielen Gefäße auf den Tischen zu sortieren. Ziemlich seltsam, aussehende Dinge befanden sich in einigen von ihnen. Teilweise waren sie auch recht widerlich. Auf den Behältern klebten Etiketten, doch waren sie in einer fremden Sprache beschriftet. War das Latein? Wozu brauchte er diese Sachen? War er Arzt? Das würde den Titel Professor erklären. Hatte er eine Medizin in das Glas Wasser auf ihrem Nachttisch gemischt? War es ihr deshalb schnell wieder gut gegangen?
Wieder schüttelte sie den Kopf. Sie sollte sich besser auf die Arbeit konzentrieren, anstatt vor sich hinzugrübeln. Es schwirrte doch nichts anderes als Fragen in ihrem Kopf herum. Da sie nicht wusste, wie er die Regale eingeräumt haben wollte, entschloss sie sich zu einer alphabetischen Reihenfolge. Auch wenn sie dazu oben anfangen musste und gleich den Stuhl brauchte. Er wackelte ziemlich, war anscheinend nicht mehr sehr stabil. Raven sortierte, räumte ein, packte Kisten aus, sortierte neu. Irgendwann knurrte ihr der Magen. Ob es schon Zeit zum Mittagessen war? Ohne Uhr hatte sie absolut Gefühl dafür. Weil Professor Snape nicht kam, um sie zum Essen zu holen, ging sie davon aus, dass sie einfach zu wenig zum Frühstück gegessen hatte. Nach oben zu gehen und ihn zu stören, wagte sie nicht.

Bedächtig rührte der Tränkemeister in dem Kessel mit dem Abschwelltrank, der leise vor sich hinbrodelte. Danach gab er die Aalaugen hinzu, wartete ein paar Sekunden, rührte dann weiter. Leicht rötlicher Dampf stieg von dem Kessel auf. Sehr gut. Der Trank war fast fertig. Nur noch der Flubberwurmschleim zum andicken fehlte. Wenn alles abgekühlt war, konnte er den Trank abfüllen. Seine Augen richteten sich auf die Uhr. Es war gleich fünf. Leicht runzelte sich seine Stirn. Die junge Frau im Keller hatte er ganz vergessen. Für ihn war es keine Seltenheit, das Mittagessen ausfallen zu lassen. Aber sie war bestimmt halb verhungert. Warum machte er sich darüber eigentlich Gedanken? Weil Dumbledore sie ihm anvertraut hatte und sich darauf verließ, dass sie unter seiner Obhut keinen Schaden nahm. Vorsichtig mischte er den Flubberwurmschleim unter den Trank und löschte das Feuer. Ob er wollte oder nicht. Er war für sie verantwortlich.
Rasch ging er aus dem Büro. Grelles Licht erhellte kurz die Eingangshalle. Severus warf einen Blick nach draußen. Der Himmel hatte sich verdunkelt. Bedrohlich aussehende Wolken zogen über das Haus hinweg. Donner grollte in der Ferne und es begann zu regnen. Schwere Tropfen klatschten gegen die Fenster. Lupin würde nass werden. Ein unschönes Lächeln huschte über sein Gesicht. Er wandte sich der Kellertreppe zu. Die erste Stufe nach unten hatte er mit einem Bann belegt und damit den Weg nach oben versperrt. Dumbledore würde es nicht gutheißen, wenn er davon erfuhr. Aber Severus war immer noch misstrauisch. Es widerstrebte ihm, ihr die Möglichkeit zu geben, sich frei im Haus zu bewegen.

Raven sah sich zufrieden um. Gewissenhaft hatte sie zum Schluss noch den Boden gefegt. Damit sie keine Ecke ausließ, hatte sie die Tür geschlossen. Gerade lehnt sie den Besen gegen die Wand, da bemerkte sie den Glasbehälter in der Kiste auf dem Tisch. Den hatte sie beim Ausräumen übersehen. Behutsam hob sie ihn aus der Kiste. Es war eines jener Gefäße, dessen Inhalt sie sich lieber nicht so genau ansah. Auf den ersten Blick würde sie es für eine Niere halten. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Das Glas gehörte in das dritte Regal ganz oben. Eigentlich war sie froh gewesen, den Stuhl nicht mehr benutzen zu müssen. Doch einmal musste es wohl noch sein. Den Behälter mit beiden Händen festhaltend, stieg sie vorsichtig auf den Stuhl. Unter ihren Füßen knarrte es leicht. Gerade hatte sie das Gefühl halbwegs sicher zu stehen und wandte sich dem Regal zu, als sich die Tür öffnete. Erschrocken zuckte sie zusammen. Dabei verlor sie das Gleichgewicht. Um nicht zu fallen, ließ sie das Glas los, hielt sich an dem Regal fest. Klirrend zersprang der Behälter am Boden. Fassungslos sah sie zur Tür. Professor Snape starrte auf die Erde. Langsam hob er den Kopf. Sein Gesicht verzerrte sich vor Wut und seine Augen funkelten. Mit ein paar schnellen Schritten war er bei ihr. Er packte sie am Handgelenk, zerrte sie von dem Stuhl herunter, nah an sich heran und zwang sie so, ihm ins Gesicht zu sehen. Sie stand da wie gelähmt, die Augen vor Schreck geweitet.

„Können sie nicht aufpassen? Wissen sie eigentlich, wie schwer diese Dinge zu BESCHAFFEN SIND?“

Bei den letzten Worten schrie er sie an. Abrupt stieß er sie leicht von sich. Zuerst war sie viel zu geschockt, dann kam Bewegung in die junge Frau. Der Wunsch zu flüchten wurde übermächtig. Sie hastete an ihm vorbei, durch die Tür, die Treppe hinauf. Weg, nur weg von diesem schrecklichen Menschen, war das einzige woran sie dachte. Der Tränkemeister war zu verblüfft, um sie aufzuhalten. Allerdings hatte er seine Überraschung schnell überwunden. Wie kam sie dazu, einfach davonzulaufen?

„RAVEN.“

Wutentbrannt donnerte seine Stimme hinter ihr her und sie hörte ihn, die Verfolgung aufnehmen. In Panik stürzte sie auf die Eingangstür zu, riss sie heftig auf. Trotz des Unwetters rannte sie nach draußen. Ihre Flucht endete am Eingangstor, wo er sie einholte. Severus erwischte ihren Arm, wirbelte sie herum. Durch den starken Regen war der Weg glitschig. Sie rutschte aus. Zwar ging er nicht mit ihr zu Boden, doch bei dem Versuch ihren Sturz abzufangen, fiel er auf die Knie. Völlig durchnässt, sie an beiden Handgelenken zu sich heranziehend, beugte er sich über sie. Seine Stimme klang scharf.

„Wo wollen sie eigentlich hin?“

Ein Blitz zuckte vom Himmel. Die Angst in ihren Augen verwandelte sich in blankes Entsetzen. Mit dieser einfachen Frage, hatte er ihr deutlich gemacht, in welcher Situation sie sich befand. Es gab keinen anderen Ort, an den sie gehen konnte, niemand sonst, der ihr helfen und sie aufnehmen würde. Eine Nervenklinik war die einzige Alternative zu ihrem jetzigen Aufenthaltsort. Hilflosigkeit machte sich in ihr breit, lähmte sie. Die Tränen ließen sich nicht mehr zurückhalten. In ihrem Gesicht spiegelte sich ihre Verzweiflung wieder. Unerwartet stieg Mitgefühl in ihm auf und der Zorn verschwand aus seinen Zügen. Ernst blickte er auf sie herunter. Donner rollte über sie hinweg. Kalt prasselte der Regen auf sie nieder. Sie fing an zu zittern. Severus erhob sich, zog sie auf die Beine. Am Arm führte er sie zum Haus zurück. Sein Griff war fest, doch nicht grob. Keine Gegenwehr. Starr sah sie zu Boden.
Raven hob erst den Kopf, als sie ein Schlafzimmer betraten, das nicht ihres war. Er ließ sie los und stapfte ins Badezimmer. Dort nahm er einen schwarzen Bademantel vom Haken. Der Tränkemeister kam zurück, warf das Kleidungsstück aufs Bett. Stumm starrte sie ihn an. Das Haar hing ihm klatschnass ins Gesicht. Wasser tropfte von seiner Nase, seinem Kinn sowie von seiner Kleidung. Durchdringend sah er ihr in die Augen.

„Sie werden jetzt duschen und in einer halben Stunde erwarte ich sie unten im Salon. Ihre Kleider lassen sie hier. Es ist nicht nötig, dass sie auch noch ihren Teppich ruinieren.“

Er ging zur Tür, warf noch einen Blick über die Schulter.

„Kann ich mich darauf verlassen, dass sie nicht noch einmal versuchen davonzulaufen?“

„Ja.“

Ihre Stimme war nur ein Flüstern. Die Tür fiel leise hinter ihm ins Schloss. Raven schlüpfte langsam aus ihren nassen Sachen. Verwirrung, Hoffnungslosigkeit und Angst wechselten sich ab. Nein, sie würde nicht noch einmal weglaufen, denn wohin sollte sie auch gehen? Er wusste das sehr genau. Das machte die ganze Sache noch schlimmer. Frierend ging sie ins Bad und stieg in die Badewanne. Erst, nachdem das warme Wasser einige Minuten über ihren Körper geflossen war, hörte sie auf zu zittern.
Vor der Tür blieb er stehen. Durch die geschlossenen Fenster konnte er das Rauschen des Regens hören. Krampfhaft versuchte er das erneut aufkeimende Mitgefühl zu unterdrücken. Gefühlsduselei war nur etwas für Schwächlinge. Das hatte er bei den Todessern gelernt. Und man zeigte keine Schwäche, besonders nicht vor jemandem, der schwächer war, als man selbst. Diese Frau war ein Muggel. Schwach und wertlos. Sich mit ihr abzugeben war eine Schande. Verwundert stellte er fest, dass nicht seine eigene innere Stimme ihm diese Worte zugeflüstert hatte. Es war eine hohe, kalte Stimme gewesen. Voldemorts Stimme.
Severus verdrängte sie aus seinen Gedanken, blickte an sich herunter. Seine Hosenbeine waren schlammverschmiert und zu seinen Füßen bildete sich bereits eine Wasserlache. Missbilligend presste er die Lippen zusammen. Nun war nicht nur Lupin nass geworden. Schnell griff er nach seinem Zauberstab, trocknete seine Kleidung. Auch seine Hose säuberte er mit einem Zauber. Danach verließ er das Obergeschoss.
Liebe Grüße

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Hallo,

Kapitel 5

In der Eingangshalle war Annabell bereits dabei sauber zu machen. Sie hatten überall Wasser und Schlamm verteilt. Er wies die Hauselfe an eine Kleinigkeit zum Essen herzurichten und sich später um die Kleider der jungen Frau zu kümmern. Dann stieg er noch einmal in den Keller hinunter.
Im Lagerraum starrte er auf den zerstörten Behälter am Boden. Die Giftblase des Lobalug, einem etwa fünfundzwanzig Zentimeter langem, wurmartigen Tierwesen, welches auf dem Grund des Nordmeeres lebte, war bei dem Aufprall geplatzt und das darin befindliche Gift ausgetreten. Schäumend griff es schon den Fußboden an. Mit einem Wink seines Zauberstabes, verschwanden die Überreste des Behälters und dessen Inhalt spurlos. Nur noch ein dunkler Fleck am Boden deutete auf das Missgeschick hin. Er fasste nach der Rückenlehne des Stuhles, um ihn wieder an seinen Platz zu stellen. Dabei fiel ihm die Instabilität des Möbelstückes auf. Kein Wunder, hatte sie Angst gehabt zu fallen. Eingehend sah er sich in dem kleinen Raum um. So sauber hatte es hier vermutlich noch nie ausgesehen. Er trat an die Regale. Die Behälter waren nach dem Alphabet sortiert. Ob er wollte oder nicht. Sie hatte ihre Arbeit gut gemacht. Ein weiterer kleiner Wink seines Zauberstabes löschte die Fackeln.

Oben im Salon goss er sich einen Feuerwhiskey ein. Annabell hatte eine Platte mit belegten Broten sowie eine Kanne heißen Tee auf den kleinen Tisch vor dem Sofa abgestellt. Das Feuer im Kamin verbreitete eine behagliche Wärme. Auch der Drink, von dem er sich einen Schluck genehmigt hatte, wärmte. Severus setzte sich in einen der großen Sessel am Kamin. Nachdenklich nippte er an seinem Glas. Warum hatte Dumbledore die junge Frau hier gelassen? Ihre Anwesenheit war äußerst lästig und hinderlich. Der Tränkemeister schloss die Augen. Ihm blieb nichts anderes übrig, wie zu hoffen, sie würde sehr rasch ihr Gedächtnis wiederfinden.

***

Raven stand vor dem Spiegel in seinem Badezimmer. Aber sie sah sich nicht. Ihr Blick ging ins Leere. Sie hatte sich vorstellen können, dass er wütend sein würde, sollte sie etwas kaputt machen. Diesen unbändigen Zorn, ja beinahe Hass, hatte sie nicht erwartet. Sein Wutausbruch hatte ihr Angst eingejagt. Jeden Moment hatte sie geglaubt, er würde sie schlagen. Abermals flossen die Tränen und sie konnte nichts dagegen tun. Er wartete unten auf sie. Verzweifelt blickte sie in das bleiche Gesicht im Spiegel. Dieses Gefühl der Hilflosigkeit war schrecklich. Wieso konnte sie sich bloß an nichts mehr erinnern? Und warum hatte der ältere Mann sie bei diesem Menschen zurück gelassen? Würde er heute Abend aus London zurückkommen? Sie hoffte es, wollte keine Sekunde länger mit dem düster aussehenden Mann allein sein.
Nervös schlüpfte sie in den Bademantel. Die schwarze Seide streichelte kühl über ihre Haut, fühlte sich wunderbar an. Ein Geruch nach Seife stieg ihr in die Nase. Er vermischte sich mit dem Duft von Kräutern. Herb, ein wenig rauchig, ähnlich einem Lagerfeuer. Ihr war gar nicht aufgefallen, dass er danach roch. Heftig schüttelte sie den Kopf. War sie denn total übergeschnappt? Dieser Mann mochte sie nicht, wollte sie nicht in seiner Nähe haben und sie dachte über seinen Duft nach. Vielleicht wäre es doch besser freiwillig in eine Irrenanstalt zu gehen. Dort gehörte sie anscheinend hin. Mit einem mulmigen Gefühl verließ sie sein Schlafzimmer.

***

Leise, tapsende Geräusche ließen ihn aufhorchen. Nackte Füße auf bloßem Stein. Er sah hoch. Schüchtern war die junge Frau in der Tür stehen geblieben. Der Bademantel war ihr natürlich zu groß. So gut es ging, hatte sie ihn um sich herum drapiert, die Ärmel hochgekrempelt. Trotzdem ertappte er sich bei dem Gedanken, sie sähe gut darin aus. Langsam stand er auf.

„Setzen sie sich.“

Er deutete auf das Sofa und sie nahm zögernd Platz. Prüfend musterte er sie. Ihre Hände lagen in ihrem Schoss. Das leichte Zittern entging ihm nicht. Sie hatte Angst vor ihm. Ein Zustand, der ihm von seinen Schülern sehr vertraut war. Merkwürdigerweise störte es ihn, dass sie sich auch vor ihm fürchtete. Severus füllte ein zweites Glas mit Feuerwhiskey. Als er sich neben sie setzte, schlang sie die Finger nervös ineinander. Stocksteif saß sie da.

„Trinken sie das. Es wird sie aufwärmen und essen sie etwas. Ihre Kleider dürften morgen früh trocken sein.“

Zaghaft hob sie den Kopf, ergriff das Glas. Sein Versuch freundlicher zu ihr zu sein verwirrte sie.

„Danke.“

Dieses Wort kam sehr leise. Er sah ihr in die Augen. Raven fühlte sich gefangen von diesem Blick. Seine Nähe sollte ihr Angst machen. Doch zusammen mit dem Duft, der ihr von seinem Bademantel ausgehend in die Nase stieg sowie dem dunklen Tonfall in seiner Stimme, bewirkte sie etwas anderes. Eine innere Unruhe ergriff von ihr Besitz, die mit Furcht nicht im Geringsten zu tun hatte. Ihr wurde warm und ihr Herz begann heftig zu pochen. Was passierte hier?
Severus betrachtete aufmerksam ihr Gesicht. Ihm fiel auf, dass sie geweint hatte. Mühsam unterdrückte er den plötzlichen Wunsch, ihr in einer tröstenden Geste über den Kopf zu streichen. Gern hätte er sie berührt. Eilig wandte er sich ab und starrte ins Feuer. Wie schaffte sie es nur, ihm diese Gefühle zu entlocken? Er konnte ihren scheuen, verwirrten Blick auf sich gerichtet fühlen, versuchte sie zu ignorieren.

Was war da gerade geschehen? Für einen Moment war er anders gewesen. Oder hatte sie sich getäuscht? Sie zwang sich die Augen von ihm abzuwenden. Gehorsam nahm sie sich ein Brot, stellte das Glas mit dem Feuerwhiskey vorsichtshalber zur Seite. Die Flüssigkeit roch sehr scharf. Stattdessen goss sie sich lieber einen Tee ein. Vorsichtig nahm sie einen Schluck. Scheu warf sie dem dunkelhaarigen Mann einen weiteren Blick zu. Sie hatte sich sehr töricht und kindisch verhalten. Irgendwie war es ihr jetzt peinlich. Eine Menge Fragen tauchten in ihr auf. Doch sie traute sich nicht, ihm diese zu stellen. Obwohl er wieder sehr distanziert wirkte, drängte es sie danach, sich zu entschuldigen.

„Es tut mir leid, Professor. Ich wollte nichts kaputt machen.“

Er gab keine Antwort. Das einzige was er tat, war kurz zu Nicken. Vermutlich ein Zeichen, dass er ihre Entschuldigung angenommen hatte. Auf eine Unterhaltung legte er offensichtlich jedoch keinen Wert. Sie aß ein weiteres Brot, trank ihren Tee. Schweigend saßen sie da. Allmählich entspannte sich die Atmosphäre ein wenig. Gedankenverloren zog sie die Beine an, rieb sich leicht die nackten Füße. Vielleicht sollte sie ins Bett gehen. Ihre Zehen waren kalt. Raven stand auf und er sah hoch.

„Gute Nacht, Professor.“

Höflich erhob er sich ebenfalls.

„Brauchen sie noch etwas?“

Unsicher sah sie ihn an, biss sich auf die Unterlippe.

„Könnte ich ein Buch haben, bitte?“

Severus nickte. Mit einer Geste bedeutete er ihr mitzukommen und führte sie die Treppe hinauf. Als er die Tür zur Bibliothek öffnete, drehte er sich zur ihr um. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht, verblüffte ihn. Beim Anblick der vielen Bücher breitete sich Begeisterung darauf aus.

„Haben sie einen bestimmten Wunsch?“

Die Begeisterung verschwand. Etwas traurig schüttelte sie den Kopf. Ihm wurde bewusst, wie unsinnig seine Frage gewesen war. Rasch ging er zu einem der Regale, griff nach einem Werk von Shakespeare. Dankbar nahm sie das Buch.

„Danke, Professor.“

Ein scheues Lächeln glitt über ihr Gesicht. Seine Mundwinkel zuckten kurz, als wollte er ebenfalls lächeln. Irritiert wandte sie sich ihrem Schlafzimmer zu. Er sah ihr nach, wartete, bis sie hinter ihrer Tür verschwunden war. Merkwürdig. Aber er bedauerte, dass sie schon zu Bett ging. Was war nur mit ihm los? Heute Abend sollte er weiter nach dem Trank der Auferstehung suchen. Der Tränkemeister ging in die Bibliothek zurück und schlug das dicke Buch auf, in dem er gerade nach einem Anhaltspunkt suchte.

***

Müde schloss Raven den Roman. Richtig konzentrieren konnte sie sich nicht. Immer wieder hatte sie die Szene vor Augen, die sich im Keller abgespielt hatte. Zusätzlich schwirrten ihr ständig die gleichen Fragen im Kopf herum. Wer war sie? Woher kam sie? Warum war sie hier gelandet? Alles schien so unwirklich und verrückt. War sie allein oder hatte sie einen Freund? Einen Ehemann und Kinder? Aber würde sie dann nicht einen Ehering am Finger tragen? Hatte sie diesen vielleicht in dem unbekannten Supermarkt verloren? Wie alt war sie überhaupt? Je mehr sie darüber nachdachte, desto dichter schien der schwarze Vorhang zu werden, der ihre Erinnerung verdeckte.
Sie sah auf die Uhr. Fast Elf. Ihr Blick schweifte durch das halbdunkle Zimmer. Es war ein gemütlicher Raum, den man für sie hergerichtet hatte und sie fühlte sich wohl hier. Das Feuer im Kamin verlieh allem eine noch heimeligere Atmosphäre. Ob sie es zu Hause auch so gemütlich hatte? Leicht schüttelte sie den Kopf. Warum gab es hier keine Elektrizität? War das Haus zu weit von dem nächsten Verteiler entfernt, um an das Stromnetz angeschlossen zu werden? Das war die einzig logische Erklärung. Doch wie sollten dann ihre Kleider bis morgen trocken und sauber sein? Wer kümmerte sich überhaupt darum? Die Vorstellung, der dunkelhaarige Mann würde ihre Kleider, ihre Unterwäschen waschen, trieb ihr die Röte ins Gesicht.

Ein Klopfen am Fenster ließ sie zusammenzucken. Wer war das? Zögernd erhob sie sich, schlüpfte in den Bademantel. Sein Duft hüllte sie ein. Morgen früh würde sie ihn wiedersehen. Bei dem Gedanken fühlte sie sich unbehaglich und doch verspürte sie abermals diese Unruhe. Auf dem Fenstersims hatte sich der Rabe niedergelassen. Raven öffnete. Das Unwetter war vorüber. Ein leichter Geruch nach Gras und feuchter Erde wehte herein. Der typische Duft von Regen.
Leises Krächzen lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Vogel. Der sah sie unverwandt an. Noch einmal krächzte das Tier leise. Es klang tröstlich. Zaghaft streckte sie die Hand nach ihm aus. Der Rabe ließ zu, dass ihre Finger sanft sein Gefieder berührten. Seine Federn waren weich, schimmerten im Mondlicht leicht bläulich. Wunderschön. Raven lächelte.

„Hallo…Rabe.“

Vorsichtig strich sie ihm über die Federn am Kopf, erwartete er würde gleich nach ihr picken. Stattdessen schmiegte er seinen Kopf in ihre Hand. Überrascht atmete sie aus. Der Rabe sah sie erneut an. Plötzlich flatterte er hoch und verschwand in der Dunkelheit. Erneut lächelte sie. Sie fühlte sich besser, nicht mehr so unruhig. Ohne den Bademantel auszuziehen, schlüpfte sie ins Bett. Es dauerte nicht lange, da war sie eingeschlafen.
Liebe Grüße

Poison

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Beitrag von Poison of the cursed »

Hallo,

ich habe ein neues Kapitel für euch.


Kapitel 6

Gereizt ging Severus am nächsten Morgen die Treppe zur Eingangshalle hinab. Geschlafen hatte er kaum. Nachdem er spät in der Nacht zu Bett gegangen war, hatte er sich von einer Seite auf die andere gewälzt und die ganze Zeit gefragt, was zum Teufel in ihn gefahren war. Die äußerst unwillkommenen Regungen, die Raven in ihm auslöste, irritierten ihn. Er verstand sich selbst nicht mehr. Lupin frühstückte bereits. Als der Tränkemeister am Tisch Platz nahm, sah er zu ihm herüber.

„Ich werde die junge Dame heute nach Rustle Oaks begleiten.“

Severus blickte den Werwolf an. Dabei zog sich seine linke Augenbraue nach oben.

„Glauben sie wirklich, es ist eine gute Idee mit ihr ein Dorf zu besuchen, wo nicht nur Muggel, sondern auch Zauberer leben?“

Er hob die Hand, da Lupin zu einer Antwort ansetzte.

„Ich weiß, Dumbledore hat sie darum gebeten. Aber haben sie auch mal darüber nachgedacht, dass dies vielleicht zum Plan gehören könnte. Wir wissen nicht, ob nicht dort jemand auf sie wartet, um ihr Instruktionen zu erteilen.“

Lupin erwiderte ernst seinen Blick.

„Glauben sie, sie steht unter einem Imperius?“

„Möglich ist alles.“

„Trotzdem können wir sie hier nicht einsperren. Genau betrachtet, ist sie nicht unsere Gefangene, Severus. Aber wenn es sie beruhigt, werde ich sie nicht aus den Augen lassen.“

Der Tränkemeister schwieg. Wohl oder übel musste er dem Werwolf recht geben. Aus irgendeinem Grund, gefiel es ihm gar nicht, dass Raven den Tag mit Lupin verbrachte. Sein ehemaliger Schulfeind wandte sich wieder seinem Teller zu.

***

Die junge Frau vergrub ihre Nase tiefer in das Kissen, genoss den angenehm herben Duft der Bettwäsche nach Seife und Kräutern. Mit einem Schlag war sie hellwach. Es war der Bademantel, der nach Seife und Kräutern roch. Professor Snape duftete danach. Sie sah sich um. Die Sonne schien warm ins Zimmer. Heute war ein wunderschöner Tag. Ihre Gedanken wanderten zum letzten Abend zurück. Jetzt bei Tageslicht kam es ihr sehr unwirklich vor, was vor dem schlafen gehen geschehen war. Hatte der Rabe sich wirklich von ihr berühren lassen? War er ihr Freund?

Raven stand auf und ging in Richtung Bad. Verdutzt blieb sie stehen. Auf dem Sessel am Kamin lag ihre Kleidung, ordentlich zusammengefaltet. Wer hatte sie dort hingelegt? War der dunkelhaarige Mann in der Nacht in ihrem Zimmer gewesen? Eine leichte Beklemmung ergriff von ihr Besitz. Sie hatte gar nichts bemerkt. Nachdenklich betrachtete sie ihre Kleider. Wie hatte er es geschafft sie zu säubern und zu trocknen, ohne Waschmaschine, ohne Strom? Hatte er ihre Sachen von Hand gewaschen? Erneut errötete sie. Konnte sie ihm unter diesem Umstand noch in die Augen sehen?
Rasch ging sie ins Bad. Grübelnd blieb sie vor dem Waschbecken stehen. Das Gesicht im Spiegel war ihr genauso fremd, wie am Tag zuvor. Auch konnte sie immer noch keine einzige der Fragen beantwortet, die seit dem Aufstehen in ihrem Kopf kreisten. Nachdem sie sich gewaschen hatte, schlüpfte sie in ihre Kleider, stieg einige Minuten später die Treppe hinunter. Nervosität überkam sie.
Im Esszimmer traf sie allerdings nicht nur auf Professor Snape, sondern auch auf einen Mann mit einem charmanten, jugendhaften Lächeln. Verblüfft lächelte sie zurück. Er stand auf und ging ihr entgegen.

„Guten Morgen. Lupin, Remus Lupin.“

„Raven.“

Es war seltsam diesen Namen auszusprechen, wohl wissend, dass sie eigentlich nicht so hieß. Trotzdem lächelte sie ihn erneut an, ergriff die ausgestreckte Hand. Aus seinen Augen strahlten Freundlichkeit, Gutmütigkeit und auch ein wenig Schalk. Er sah nett aus. Mit einer einladenden Geste wies er zum Tisch hinüber. Annabell hatte erneut ganze Arbeit geleistet.

„Kommen sie. Unsere Haushälterin ist anscheinend von ihrer Anwesenheit ganz begeistert. Setzen sie sich. Sie haben sicher Hunger.“

Die Nachricht von einer Haushälterin erleichterte sie. Also war es doch nicht Professor Snape gewesen, der sich um ihre Kleidung gekümmert hatte. Nun wagte sie es zu ihm hinüber zu sehen.

„Guten Morgen, Professor.“

Er sah hoch, nickte kurz. Ihr Lächeln ignorierte er, indem er wieder auf seinen Teller blickte. Unsicher ging sie zu ihrem Platz. Mr. Lupin rückte ihr den Stuhl hin. Sie setzte sich, griff hungrig nach einem Stück Toast. Der Mann an ihrer Seite schenkte ihr Kaffee ein.

„Wie geht es ihnen?“

„Gut, danke. Wohnen sie auch hier?“

„Ja, vorübergehend. Professor Dumbledore war so freundlich mir ein Heim zu bieten, bis ich etwas anderes gefunden habe.“

„Das ist sehr nett von ihm.“

„Ja, so ist er.“

Sie lächelten sich an. Raven warf einen weiteren Blick zu Professor Snape hin. Es kam ihr unhöflich vor, sich mit Mr. Lupin zu unterhalten, als wären sie allein im Zimmer. Allerdings machte der Mann am unteren Ende des Tisches nicht den Eindruck, er wolle sich an der Unterhaltung beteiligen.

„Was halten sie von einem Ausflug?“

Die junge Frau sah überrascht von Professor Snape zu Lupin.

„Ein Ausflug?“

„Ja. Sie und ich. Wenn wir mit dem Frühstück fertig sind, gehen wir ins Dorf. Wir besorgen ihnen ein paar Kleider und was sie sonst noch brauchen.“

Einen Augenblick war sie verunsichert. Der Mann neben ihr war ein Fremder. Aber waren alle um sie herum nicht Fremde? Außerdem brauchte sie Kleider zum Wechseln. Die Haushälterin würde sicher nicht jeden Abend für sie waschen. Strahlend lächelte sie ihm zu.

„Das wäre schön.“

Raven wandte sich ihrem Frühstück zu, konnte ihr Glück nicht fassen. Die Aussicht eine Zeit lang nicht bei Professor Snape bleiben zu müssen, löste abermals Erleichterung in ihr aus. Schweigend verging der Rest der Mahlzeit. Nach dem Essen, ging sie mit Lupin in die Eingangshalle.

„Ich muss nur noch etwas aus meinem Zimmer holen. Warten sie hier auf mich?“

Sie nickte, sah zu, wie er die Treppe hinauf stieg. Der Tränkemeister ging an ihr vorbei, auf die Tür des Büros zu. Während des Frühstücks hatte er ihr keine Beachtung geschenkt und wollte sie eigentlich auch jetzt nicht ansehen. Aber irgendetwas zwang ihn dazu, sich nach ihr umzudrehen.
Sein Blick glitt über ihr Gesicht, blieb an ihren Augen hängen. Es dauerte einige Sekunden, bis er sich selbst gegenüber zugab, dass es schön war sie anzusehen. Auch ihr gelang es nicht, den Blickkontakt zu ihm abzubrechen. Ihr Herz klopfte heftig und ein Schauer lief ihr über den Rücken. Lupin kam die Treppe herunter.

„So, ich habe alles. Ich denke, zum Abendessen sind wir wieder hier, Severus.“

Von dem Angesprochenen kam keine Reaktion. Lupin ging auf die junge Frau zu, die immer noch den Tränkemeister ansah. Lächelnd bot er ihr seinen Arm.

„Können wir?“

Irritiert wandte sich Raven dem Werwolf zu.

„Ja…ja, sicher.“

Unsicher hakte sie sich bei ihm ein. An der Tür warf sie einen Blick zurück. Was sie sah, versetzte ihr einen Stich. Der Blick und auch das Gesicht des dunkelhaarigen Mannes waren ohne jede Regung, ließen niemanden wissen, was er momentan fühlte. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb wirkte er sehr allein, wie er da in der Eingangshalle stand. Unvermittelt tat er ihr Leid. Bevor sich die Haustür hinter ihnen schloss, sah sie ihn im Büro verschwinden. Wenn Mr. Lupin nicht ihren Arm gehalten hätte, wäre sie ihm nachgegangen.
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Poison of the cursed
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Kapitel 7

Für einen Besuch im Dorf, war das Wetter ideal. Lupin ging langsam und doch beschwingt neben ihr her. Prüfend blickte er immer wieder zu ihr hinüber. Er vertraute der Meinung von Dumbledore, dass sie ein Muggel war. Darum hatte sich ein wenig Sorgen um sie gemacht. Annabell hatte ihm berichtet, was während seiner Abwesenheit vorgefallen war.
Dumbledore hatte ihm die Erlaubnis gegeben offen mit ihr zu sprechen. Wenn sie nach Hause zurück kehrte, müssten sie ohnehin einen Vergessenszauber an ihr ausführen. Die Fragen nach ihrer Identität quälten sie vermutlich schon genug. Der Schulleiter wollte sie nicht noch mehr verunsichern, in dem man ein Geheimnis daraus machte, in welcher Gesellschaft sie sich befand. Lupin blickte auf den Weg vor ihm. Sie war ganz allein. Ohne jemanden mit dem sie reden oder dem sie sich anvertrauen konnte. Severus würde sich nicht die Mühe machen, sich mit ihr zu unterhalten. Er schien die Einsamkeit allem anderen vorzuziehen. Vielleicht war sie aber auch eine Notwendigkeit, die seine Aufgabe als Doppelspion mit sich brachte.
Der Werwolf wusste, wie es war allein zu sein. Anders zu sein. Vielleicht konnte er ihr den Aufenthalt in Dumbledores Haus etwas angenehmer zu machen. Lächelnd wandte er sich ihr zu.

„Sie haben sicher vieler Fragen. Ich werde versuchen, sie möglichst genau zu beantworten.“

Raven blieb stehen, sah ein wenig unsicher drein. Ihr Gegenüber nickte aufmunternd.

„Nur zu.“

„OK.“

Tief atmete sie aus.

„Rustle Oaks, wo liegt das?“

„Im Südwesten. London ist ca. 130km entfernt.“

„Wie bin ich hier her gekommen?“

„Das ist leider einer Frage, die wir auch nicht so genau klären konnten.“

„Oh.“

Kurz dachte sie nach.

„Professor Dumbledore und Professor Snape. Sind sie Ärzte?“

Der Mann an ihrer Seite lächelte.

„Nein. Professor Snape ist Lehrer und Professor Dumbledore ist Schulleiter von Hogwarts. Da er viel zu tun hat, hält er sich meist dort auf.“

„Ist Hogwarts ein Internat?“

„Ja und die einzige Schule für Hexerei und Zauberei im englischsprachigen Raum Europas.“

„Bitte?“

Sie starrte ihn an, als wäre er vollkommen verrückt, machte einen Schritt rückwärts. Er blickte ihr ernst ins Gesicht.

„Ich weiß, das ist jetzt schwer für sie zu verstehen und wahrscheinlich werden sie mir auch nicht glauben, aber ich bin ein Zauberer, Raven.“

Fassungslos schüttelte sie den Kopf, wich noch einen weiteren Schritt vor ihm zurück. Das konnte nicht sein. Zauberei oder Magie gab es nicht. Oder etwa doch? Mit gerunzelter Stirn blickte sie an sich herunter. Hatte die Haushälterin ihre Kleider mit Magie gereinigt? Ihr Blick richtete sich wieder auf den Mann, der still vor ihr stand, sie ernst musterte. Log er sie an? Warum sollte er das tun? In seinen Augen war keine List oder Tücke. Sein Gesicht spiegelte eher Mitgefühl und Besorgnis wieder. Er machte einen Schritt auf sie zu.

„Bitte, haben sie keine Angst.“

Sie schluckte. Ihre Stimme war ein Flüstern.

„Können sie Gedanken lesen?“

Lupin lächelte.

„Nein. Aber wenn mir jemand so etwas erzählen würde, dann hätte ich sicher Angst.“

Die junge Frau fasste sich leicht benommen an die Stirn.

„Ist alles in Ordnung?“

Von ihr kam ein kurzes Lachen. Eine Reaktion des Körpers, ausgelöst durch die Ungeheuerlichkeit der Situation in der sie sich momentan befand.

„Ja, es ist nur…Das ist alles so…“

„Verwirrend, unheimlich und unglaublich?“

„Ja.“

Sie sahen sich an.

„Darf ich es ihnen beweisen?“

Ihr Blick war ängstlich und auch misstrauisch. Schließlich nickte sie. Er griff in die Innentasche seiner Jacke, zog seinen Zauberstab hervor. Diesen richtete er auf einen Stein, der vor ihnen am Boden lag.

„Wingardium Leviosa.“

Während er diese fremdartigen Worte aussprach, vollführte er mit dem Zauberstab einen kleinen Halbkreis in der Luft und machte anschließend eine Schlagbewegung. Der Stein hob vom Boden ab, schwebte langsam nach oben. Sprachlos sah sie zu ihm hin. Dann wieder auf den Stein. Diesen in der Luft „hängen“ zu sehen war vollkommen unwirklich. Doch so verrückt das alles auch war, es war die Wahrheit. Er lächelte.

„Überzeugt?“

Unfähig einen Ton zu sagen, nickte sie erneut. Er ließ die Hand mit dem Zauberstab sinken. Der Stein fiel mit einem dumpfen Laut zu Boden.

„Gehen sie trotzdem mit mir ins Dorf? Ich verspreche auch, mich zu benehmen.“

Daraufhin musste Raven ebenfalls lächeln. Schweigend setzten sie ihren Weg fort. Lupin spürte ihre Anspannung und er konnte sich vorstellen, was in ihrem Kopf vorging. Deshalb ließ er sie in Ruhe. Als erstes musste sie das alles verarbeiten.
Die junge Frau war ihm dankbar, dass er momentan keine Konversation von ihr erwartete. Ihre Gedanken wirbelten völlig konfus durcheinander. Warum wussten die Menschen nichts von den Zauberern? Wieso hielten sie sich vor ihnen verborgen? Was konnte er mit Magie sonst noch alles tun? Hatte sie einen Grund sich vor diesen Leuten zu fürchten? Lange dachte sie darüber nach. Am Ende kam sie zu dem Schluss, dass sie keine Angst zu haben brauchte. Wenn ihr jemand was antun wollte, wäre das schon längst geschehen. Stattdessen hatte man sich um sie gekümmert. Alle waren freundlich zu ihr gewesen. Selbst Professor Snape hatte sich, trotz seiner Reserviertheit, bemüht. Remus Lupin machte zudem einen vertrauenerweckenden Eindruck auf sie. Diese Menschen meinten es sicher nicht böse mit ihr. Nach einer Weile entspannte sie sich und die Neugier gewann die Oberhand.

„Wie funktioniert das mit der Magie?“

„Nun, nicht jeder Mensch kann zaubern. Man muss magisch begabt sein. Außerdem brauchen wir einen Zauberspruch und einen Zauberstab. Der ist aus Holz. Eiche, Zeder oder Nussbaum. In seinem Innern steckt ein magischer Kern. Das kann die Schwanzfedern eines Phönix sein, Einhorn- oder Veelahaare, aber auch die Herzfaser eines Drachen.“

„Drachen? Die gibt es wirklich?“

„Natürlich.“

Ungläubig schüttelte sie den Kopf.

„Was ist eine Veela?“

„Veelas sind feengleiche Frauen mit langen weißgoldenen Haaren. Sie sind sehr verführerisch, allerdings können sie auch ziemlich gefährlich werden, wenn sie wütend sind.“

„Können wir Frauen das nicht alle?“

Lupin lachte.

„Ja, da haben sie vielleicht recht.“

Gegenseitig grinsten sie sich an.

„War das vorher ein Zauberspruch? Das war so kurz?“

„Ja. Was haben sie sich denn vorgestellt?“

„Na ja, so eine richtige Beschwörungsformel. Etwas, das sich vielleicht auch noch reimt.“

„Einige Zaubersprüche sind auch Beschwörungen. Aber die meisten bestehen nur aus einem Wort.“

Sie blickte auf den Weg, der sich den Hügel hinunter schlängelte. Das war alles so verrückt und doch war es die Wahrheit. Er hatte es ja vorhin bewiesen. Warum war ausgerechnet sie hier gelandet? Plötzlich fiel ihr dieses Medaillon aus dem Supermarkt wieder ein.

„Sie sagten, sie konnten nicht ganz klären, wie ich hier hergekommen bin. Hat das Medaillon mich vielleicht hierher gebracht? War das der Portschlüssel von dem Professor Dumbledore gesprochen hat?“

„Ja, davon gehen wir aus. Mit Hilfe eines Zaubers können wir Gegenstande in einen Portschlüssel verwandeln. Dieser bringt uns dann an das gewünschte Ziel. Die Ankunft ist leider etwas unsanft, wenn man es nicht gewohnt ist, auf diese Art zu reisen. Deshalb haben sie sich den Kopf gestoßen und ihr Gedächtnis verloren.“

„Aber warum lag es in dem Supermarkt?“

„Das ist leider der Teil, den wir auch nicht nachvollziehen können.“

Nachdenklich runzelte sie die Stirn. Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. Irgendwann sah ihr Lupin aufmerksam ins Gesicht.

„Keine Fragen mehr?“

Nun war sie es, die lachte.

„Es ist alles ein wenig viel und im Moment fällt mir auch nichts mehr ein.“

„Darf ich sie dann etwas fragen, Raven?“

„Ja, sicher.“

„Wie geht es ihnen mit Professor Snape?“

Überrascht sah sie ihn an. Diese Frage hatte sie offensichtlich nicht erwartet.

„Wie meinen sie das?“

„Nun ja, wollen sie mir erzählen, warum sie gestern Abend weggelaufen sind?“

Die junge Frau senkte den Kopf. Woher wusste er davon? Ihr kindisches Verhalten war ihr immer noch peinlich.

„Er hat mich erschreckt. Dumm, nicht wahr?“

Betreten blickte sie hoch. Der Werwolf schüttelte den Kopf.

„Nein. Severus wirkt auf viele einschüchternd. Manchmal sogar auf mich.“

Das entsprach nicht der Wahrheit, sollte ihr aber helfen, sich besser zu fühlen. Er schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln. Sie atmete befreit aus. Ihr Blick wanderte den Hügel zum Dorf hinunter. Schelmisch grinste sie ihn an.

„Wer zuerst unten ist.“

Bevor sie ganz ausgesprochen hatte, war sie bereits losgelaufen. Verdutzt sah Lupin ihr hinterher. Dann stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Anscheinend hatte sie ihre Furcht vor ihm überwunden. Lachend nahm er die Verfolgung auf. Sie spielten fangen wie Kinder. Ganz außer Atem kamen sie im Dorf an.
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Kapitel 8

Die Winkelgasse war schon immer ein belebter Ort gewesen. Heute waren jedoch ungewöhnlich viele Menschen auf der verwinkelten Strasse unterwegs. Dabei waren die Einkaufslisten der Hogwartsschüler noch nicht verschickt worden. Dies geschah erst eine Woche vor Schulbeginn. Severus schlängelte sich durch die wuselnde Menge, vorbei an den Schaufenstern von Ollivanders, der Magischen Menagerie und Eeylops Eulenkaufhaus. Nachdem die junge Frau mit Lupin ins Dorf aufgebrochen war, hatte er sich entschlossen, ihre Abwesenheit für einen Besuch in der Winkelgasse zu nutzen. Bei Madame Malkin wollte er sich zwei neue Umhänge machen lassen. Einer seiner Schulumhänge hatte in den Stunden der Erstklässler stark gelitten. Er würde ihn entsorgen müssen.
Bei Flourish & Blotts Zauberbuchhandlung wollte er sich nach Büchern umsehen, die ihm vielleicht Hinweise zum Trank der Auferstehung liefern könnten. Dumbledores Bibliothek enthielt leider nicht viele nützliche Werke. Außerdem musste er einige seiner Zutaten auffüllen. Der Trank für Lupin hatte seinen Vorrat an Wolfswurz komplett aufgebraucht. Blutblasenschoten, Diptam, Feuersalamanderblut, Jobberknoll-Federn, Schlangengift und Wermut waren ein paar Dinge auf seiner Liste. Da der Verkauf von Lobaluggift streng kontrolliert wurde, hatte er erst in einem halben Jahr wieder die Möglichkeit welches zu erwerben. Severus verspürte bei dem Gedanken daran immer noch eine leichte Wut.

Die schneeweiße Fassade von Gringotts ragte vor ihm in den blauen Himmel. Rasch brachte der er das Bronzeportal und auch die silberne Doppeltür zum Schalterraum hinter sich. Ungefähr eine halbe Stunde später, stand er mit einem kleinen Beutel Galleonen, Sickel und Knuts in der Tasche wieder auf den weißen Steinstufen vor dem Bronzeportal. Seine Schritte führten ihn nun zum Bekleidungsgeschäft von Madame Malkin gegenüber der Zaubererbank. Der Einkauf dort war schnell erledigt. Schon oft hatte Madame Malkin Umhänge für ihn angefertigt. Als nächstes, betrat er Flourish & Blotts.
Severus wandte sich gleich nach dem Eingang nach links, die Treppe hoch. Hier befand sich der antiquarische Bereich. Aufmerksam schritt er die Regalreihen ab, nahm das ein oder andere Buch in die Hand. Sein Blick blieb an einer ziemlich alten Ausgabe von Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ hängen. Es war dasselbe Buch, welches er Raven gegeben hatte. Ob sie sich mit Lupin gut amüsierte? Dieser leichte Unmut stieg erneut in ihm auf, den er sich nicht erklären konnte. Er runzelte die Stirn. Was kümmerte es ihn, was sie tat? Eine Bewegung hinter ihm, holte ihn aus seinen Gedanken zurück und augenblicklich war sein Innerstes angespannt.

„Auf der Suche nach alten Schätzen, Severus?“

Die Anspannung fiel von ihm ab. Severus kannte diese Stimme, in der ein leicht arroganter Unterton mitschwang. Langsam drehte er sich um. Der elegant gekleidete Mann strich sich das lange, weißblonde Haar aus dem Gesicht. Sein Gesicht war spitz und blass. Er lächelte spöttisch.

„Es ist schön dich zu sehen, Lucius. Was führt dich in die Winkelgasse?“

„Narzissa will sich einen neuen Reiseumhang anfertigen lassen. Sie ist bei Madame Malkin. Was suchst du hier, Severus?“

In den Augen von Lucius Malfoy stand Neugier. Wachsam sah der Tränkemeister sich um, zog seinen Zauberstab und flüsterte.

„Muffliato.“

Nun vor Lauschern geschützt, wandte er sich dem Mann ihm gegenüber zu. In Absprache mit Dumbledore sollte er dem dunklen Lord seine Aufgabe offenbaren, um die Zweifel an seiner Loyalität zu zerstreuen, das Vertrauen der anderen Todesser zurückzugewinnen. Außerdem musste er sein Verschwinden aus Spinner’s End glaubwürdig erklären. Natürlich würde er nur die Informationen preisgeben, die ihre eigenen Pläne nicht zunichte machte und die Wahrheit ein bisschen verdrehen. Über seine Fortschritte bei der Suche würde er Stillschweigen bewahren. Vorteil für ihn war, dass alle, sogar der dunkle Lord, diesen Trank für einen Mythos hielten. Selbst er war sich nicht sicher, je etwas darüber in Erfahrung zu bringen. Obwohl sie keine ungebetenen Zuhörer fürchten mussten, war seine Stimme leise.

„Dumbledore lässt mich nach dem Trank der Auferstehung suchen. Er denkt, damit könnte er die Vampire auf seine Seite ziehen.“

Das Gesicht des blonden Mannes war zuerst verblüfft, nahm schließlich einen belustigten Ausdruck an.

„Weiß der alte Mann nicht, dass dieser Trank nicht existiert?“

„Anscheinend glaubt er, mehr zu wissen, als alle anderen. Er hält es für einen brillanten Schachzug. Deshalb sollte ich auch nicht in Spinner’s End bleiben.“

„Suchst du tatsächlich danach, Severus?“

Nun warf Severus seinem Schulfreund ein spöttisches Lächeln zu.

„Was denkst du, Lucius? Meiner Meinung nach habe ich Besseres zu tun, anstatt dem Hirngespinst eines allmählich senil werdenden, alten Mannes nachzujagen. Ich suche nach Informationen über Vampire, die den dunklen Lord bei seinem Plan unterstützen sollen, sie davon zu überzeugen, sich uns anzuschließen. Damit scheine ich übrigens nicht der Einzige zu sein, habe ich recht?“

Severus fixierte den Anderen mit einem durchdringenden Blick. Es war sehr offensichtlich, dass Lucius ebenfalls nach Hinweisen über die Vampire suchte. Was sollte er sonst hier in der antiquarischen Abteilung wollen? Was hatte er vor? Der blonde Zauberer lachte leise.

„Ich sehe, du kennst mich gut, alter Freund. Ja, auch ich bin auf der Suche nach Informationen. Aber ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich noch keinen konkreten Plan habe. Momentan versuche ich mir einen Überblick zu verschaffen, womit genau wir es zu tun bekommen.“

Lucius trat näher an ihn heran. Diesmal war sein Lächeln freundlich.

„Du machst dich rar, Severus. Narzissa hat dich bei unserer Feier zu Ehren des dunklen Lords vermisst.“

Auf dem Gesicht des Tränkemeisters zeigte sich keine Regung. Doch er nickte höflich.

„Sag Narzissa, es tut mir leid. Ich konnte eure Einladung nicht wahrnehmen. Der dunkle Lord bat mich zu einer Unterredung unter vier Augen.“

Lucius nickte ernst.

„Dann ist es wahr, was einige sagen. Er misstraut dir.“

„Bellatrix in ihrer Zelle wird sicher außer sich vor Freude sein, wenn sie es erfährt.“

Von seinem Gegenüber kam abermals ein leises Lachen.

„Du solltest es nicht persönlich nehmen. Sie hasst alle, die ihre innige Beziehung zu ihrem Herrn stören könnten. Du gehörst auch dazu. Schließlich hat er dich schon immer allen anderen vorgezogen.“

In den letzten Worten des blonden Zauberers lag eine Spur Bitterkeit. Severus hatte plötzlich das Gefühl, nicht nur Bellatrix Lestrange neidete ihm seine vorrangige Stellung an der Seite Voldemorts, die ihm selbst so verhasst war. Lucius lächelte ihn weiterhin an und er tat, als hätte er nichts bemerkt. Sein alter Freund fasste nach seinem Arm.

„Narzissa würde sich freuen, dich bald bei uns zu sehen.“

Der Tränkemeister nickte.

„Dann bis bald, Severus.“

Lucius Malfoy wandte sich ab und verschwand zwischen den Regalen aus seinem Blickfeld. Nachdenklich blickte Severus ihm nach. Seit er sich auf Dumbledores Seite geschlagen hatte, war sein Freund von damals, sein Feind. Trotzdem hätte er nie gedacht, er müsse noch etwas anderes, wie eine Entdeckung als Doppelspion, durch ihn fürchten. Das war wohl ein Irrtum gewesen. Zukünftig sollte er Lucius besser im Auge behalten. Die Erkenntnis schmerzte ihn. Freundschaft war ein seltenes Gut in seinem Leben. In seiner Kindheit und Jugend war er meist von den anderen gemieden worden. Außer Lucius war da nur noch eine Person gewesen, die er als seinen Freund bezeichnet hatte. Kurz schloss er die Augen. Ganz genau sah er ihr Gesicht vor sich. Ihr Lächeln und ihre grünen Augen, die ihm während ihrer Freundschaft nie gezeigt hatten, dass er es nicht wert war, geliebt zu werden. Er öffnete seine Augen wieder. Die Vergangenheit ließ sich nicht mehr ändern.
Völlig in Gedanken ging er an der langen Reihe von Büchern entlang, die er bereits durchsucht hatte. Dabei streifte sein Blick zufällig den Rücken eines sehr alten Buches, auf dem in roter, geschwungener Schrift „Meine Reisen durch Transsilvanien“ stand. Er blieb stehen. Transsilvanien. Das Land, in dem die Vampire angeblich geboren worden waren, wenn man den Geschichten der Muggel Glauben schenkte. Neugierig zog er es heraus. Darin befanden sich die Aufzeichnungen eines Zauberers namens Constantin Tuft, der sich jahrelang auf der Suche nach dem Trank der Auferstehung in Rumänien aufgehalten hatte. War es das, was er gesucht hatte? Nun es war ein Anfang.
Er trug es nach unten und bezahlte. Nach dem etwas diesigen Licht in der antiquarischen Abteilung, brauchten seine Augen kurze Zeit, um sich an die Helligkeit draußen zu gewöhnen. Mit dem Buch in der Hand, betrat er die Apotheke, kaufte schnell die Zutaten auf seiner Liste. Jetzt, wo er das Buch entdeckt hatte, zog es ihn nach Rustle Oaks zurück. Vielleicht hatte er endlich einen Anhaltspunkt gefunden.
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