Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - BEENDET

Hier könnt ihr eure Fanfictions und Gedichte zu Harry und seiner Welt vorstellen.

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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

037 Gestern-Heute-Morgen




„Harry! Schön, dass du Zeit gefunden hast. Möchtest du ein Stück Schokolade?“, fragte Remus ihn, nachdem er ihn mit einer Umarmung begrüßt hatte. Harry verstand nicht, warum Remus noch nicht mit Tonks zusammengezogen war und stattdessen weiterhin in dem gemieteten Zimmer über einer Bäckerei wohnte. Das mochte den Vorteil haben, morgens mit dem Duft von frisch gebackenen Brötchen in der Nase aufzuwachen, aber das Zimmer an sich wirkte recht schäbig, obwohl Remus ein ordentlicher Mensch war und alles aus dem Raum herausgeholt hatte, was nur möglich war. Auf einem Tisch bemerkte Harry einen Karton mit etlichen Umschlägen – Briefe, die offenbar darauf warteten, abgeschickt zu werden.

Nachdem Remus ihn mit Schokolade und Tee vollgestopft hatte, fragte Harry mutig: „Sag mal, warum wolltest du dich mit mir allein treffen? Ich meine, du hattest explizit erwähnt ’ohne Sirius’. Warum?“
Bedrückt seufzte Remus, bevor er vorsichtig antwortete: „Harry, das darfst du nicht falsch verstehen. Du hast sicherlich bemerkt, dass Sirius… na ja, er ist…“
„Ja?“, fragte Harry ungeduldig, aber mit einem Lächeln auf den Lippen.
Nochmals seufzte der beste Freund seines Patenonkels, bevor dieser versuchte zu erklären: „Es ist einfach etwas schwierig mit ihm. Er ist… Er hat sich nicht weiterentwickelt – nicht weiterentwickeln können. Es kann ganz schön schwer sein, mit einem 43 Jahre alten Mann umzugehen, der innerlich noch immer um die 20 ist und nur Unsinn im Kopf hat. Sirius lebt manchmal noch in der Vergangenheit, Harry. Als ich mich im Fuchsbau mit ihm unterhalten hatte, hat er dich zwei Mal versehentlich ’James’ genannt und es ist ihm nicht einmal aufgefallen.“

Aufgrund dieser Information musste Harry erst einmal einen Schluck Tee nehmen, während Remus weiter erklärte: „Sirius ist mein bester Freund, aber es tut weh, dass er der Zeit nicht folgen kann, Harry. Er versteht nicht, dass du und Severus miteinander umgehen könnt – und vor allem miteinander auskommen wollt. Es wundert mich ehrlich gesagt etwas, dass er keine Späße mehr mit ihm treibt, aber ich bin natürlich froh darüber. Du hast selbst bemerkt, Harry, wie Sirius sich noch immer gegenüber Severus verhält. Er benimmt sich so schon selten erwachsen, aber wie sollte er auch anders sein? Durch seine Zeit in Askaban war er dazu gezwungen, in der Vergangenheit zu leben – sich von seinen Erinnerungen zu nähren. Soweit er mir erzählt hat, war es hinter dem Schleier nicht anders. Er lebte durch seine Erinnerungen in der Vergangenheit, um überhaupt am Leben zu bleiben und plötzlich ist er wieder hier und es sind erneut sechs Jahre vergangen. Sechs Jahre, in denen sein Verstand sich wieder nicht entwickeln konnte. Er hat mir anvertraut, dass er die ersten Wochen, wenn er morgens im Bad war, minutenlang nur so da stand und sich fragte, ob der alte Mann im Spiegel tatsächlich er wäre.“

So hatte Harry die Situation noch nie gesehen. Er war überglücklich, dass Sirius am Leben war und er hatte sich gefreut, dass er mit ihm so gut auskam. Nachdem, was Remus ihm gerade offenbart hatte, verstanden sie sich so nur prima, weil Sirius im Geiste genauso alt war wie er selbst.

„Und er hat von mir erzählt und mich dabei James genannt?“, fragte Harry nach einem Augenblick mit betrübter Miene nach, woraufhin Remus nickend bejahte.
„Das ist der Grund, warum er heute lieber nicht mit dabei sein sollte, wenn du etwas über Severus erfahren möchtest. Er würde uns nur mutwillig stören“, erklärte Remus bedrückt. „Darum schwelgt er auch ständig in Erinnerungen an unsere Schulzeit und wie er“, Remus verbesserte, „wie wir Severus auf den Arm genommen haben, denn er hat ja nichts anderes. Verzeih ihm, Harry. Er kann einfach nichts dafür“, flehte Remus regelrecht.

Still begann Harry zu weinen, doch Remus bemerkte seine Tränen und nahm ihn in den Arm. Nach einer Weile hatte Harry sich beruhigt und Remus fragte aufmunternd: „Was genau möchtest du denn über Severus wissen? Etwas Bestimmtes oder…?“
„Warst du in meine Mutter verknallt?“, fragte Harry abrupt.
Wieder kroch eine verräterische Röte über Remus’ Wangen, bevor dieser mit einem Augenzwinkern und verträumter Stimme zugab: „Ja schon, aber wer war das nicht?“
Dann kam Harry etwas in den Sinn, weshalb er fragte: „Und Severus?“
Remus lachte einmal laut auf, bevor er antwortete: „Ich weiß es nicht, Harry, wirklich nicht. Es ist möglich, aber ich sagte ja bereits, dass wahrscheinlich jeder Junge ein Auge auf sie geworfen hatte. Sie war ein beliebtes Mädchen: verständnisvoll, liebenswert, vorurteilslos.“
„Du kommst ins Schwärmen“, sagte Harry weniger ernst, was Remus zum Lachen brachte.

Aus seinen Tagebüchern hatte Remus einige Ereignisse vorgelesen, die mit Severus zu tun hatten. Es machte Harry stutzig, dass Severus fast an jeden Tag irgendeinem Streich ausgesetzt gewesen war, weshalb er fragte: „Ihr habt ihm wirklich jeden Tag die Hölle heißgemacht?“
Bereuend schilderte Remus: „Na ja, in den ersten beiden Jahren schon. Ab dem dritten Jahr hat er gelernt, uns aus dem Weg zu gehen, was ihm nicht immer gelungen war. Aber wie du ja aus dem, was ich vorgelesen habe, ersehen kannst, hat er sich recht häufig wehren können. Er war ja nicht hilflos! Severus hatte eine Menge Flüche drauf, von denen wir noch nie was gehört haben.“
„Warum er?“, stocherte Harry.
Remus schien um eine Antwort verlegen und letztendlich sagte er nur: „Wahrscheinlich nur, weil er anders war.“ Ganz leise fügte Remus hinzu: „Ich war so froh, dass ich nicht derjenige gewesen war.“

In Gedanken zog Harry einen Vergleich zu Luna, die ständig von ihren Mitschülern gehänselt worden war. Man hatte ihre Sachen weggenommen und versteckt, so dass sie Ende des fünften Schuljahres nicht einmal mehr ein paar Schuhe zum Anziehen hatte und barfuss gehen musste – und das alles nur, weil sie anders war.

Plötzlich fühlte Remus sich dazu genötigt, sich rechtfertigen zu müssen, denn er sagte mit erregter Stimme: „Das war nicht so, dass mir das alles Spaß gemacht hätte, Harry! Ich war immerhin Vertrauensschüler und habe nichts getan, um die beiden zu bändigen. Sie haben immer weiter auf ihm rumgehackt und ich… ich war nur froh, dass es mir nicht so ging wie ihm. Ich war froh, dass man mich akzeptierte und dass ich Freunde hatte.“ Remus hielt inne und schloss die Augen, um sich zu beruhigen, aber die zitternden Lippen zeugten von seiner Aufgewühltheit.

Ein komisches Gefühl in der Bauchgegend machte sich bei Harry breit. Er wusste, dass Remus als Werwolf schon früher wie auch noch heute enorm viele Hürden zu bewältigen hatte, weil er gesellschaftlich nicht anerkannt war. Schniefend sagte er kaum verständlich: „Die Schulzeit war die schönste Zeit in meinem Leben! Vorher und nachher… hatte ich nur Probleme. Niemand gab mir einen Job und heute sieht das nicht anders aus. Nur Probleme, Harry. Nur…“ Remus schluchzte ein einziges Mal, während Harry ihm bereits eine Hand auf die Schulter legte, um ihn zu trösten. Er wollte wirklich nicht mit seinem Besuch diese ganzen Gefühle aufwallen lassen.

Die Tagebücher legten sie zur Seite, ohne dass Harry brauchbare Informationen erhalten hatte, aber Remus versicherte ihm, dass sie sich später ja noch einmal treffen konnten. Sie sprachen noch eine Weile über alles Mögliche miteinander, nur nicht über die Vergangenheit. Als Harry sich am Abend verabschiedete, hielt Remus ihn noch einen Moment auf. Er kramte in der Kiste, die Harry gleich nach dem Betreten der Wohnung aufgefallen war. Remus fand, was er suchte, denn er zog zwei Briefe heraus und gab sie ihm mit den Worten: „Wenn ich dich eh schon persönlich sehe: Für dich und Sirius! Macht sie Zuhause gemeinsam auf, ja?“

Harry ließ sich von Remus’ breitem Grinsen anstecken, als er die Briefe in der Innentasche seines Umhangs verschwinden ließ und zum Kamin ging.

„Sirius? Bist du da?“, rief Harry im Wohnzimmer stehend.
Sein Patenonkel stürmte aus seinem Schlafzimmer heraus und sagte fröhlich: „Harry, mein Guter! Was gibt’s? Wo warst du?“
Harry würde seinem Patenonkel nicht erzählen, dass er fünf Stunden mit Remus verbracht hatte, weshalb er log: „Ich war unterwegs und habe zum Schluss bei Remus vorbeigeschaut. Er hat uns was mitgegeben!“ Er zog die beiden Briefe aus seinem Umhang hervor und gab Sirius den mit dessen Namen darauf.

Auf der Couch sitzend öffnete jeder für sich den Brief und las. „NA ENDLICH!“, schrie Sirius verzückt. Es handelte sich um eine Einladung zur Verlobung von Nymphadora und Remus. „Oh, das wird ein Spaß werden! Wollen wir zusammen die Braut entführen, Harry?“, fragte Sirius mit einem Schalk im Nacken.
Doch Harry winkte ab und fragte: „Willst du das Remus wirklich antun? Ich meine, überall dort, wo wir waren, für uns die Zeche bezahlen zu müssen? Ich mag es lieber gemütlich!“ Remus würde seine Braut nie wieder bekommen, wenn er dafür zahlen müsste, denn der Mann hatte kaum Geld.

Auch Remus saß Zuhause auf seiner Couch und war in Gedanken versunken. Er dachte an die Schulzeit, wo er immer einen vollen Bauch gehabt hatte. Und er dachte an seine Freunde: an Lily, James und Sirius. Selbst mit Peter hatte es früher immer Spaß gemacht, bevor man dessen Kopf mit wahnwitzigen Ideen verdreht hatte. Aber er dachte auch an die Streiche, die sie Severus ständig gespielt hatten. Streiche, die bei Remus heute immer häufiger ein unangenehmes Gefühl auslösten und ihn bereuen ließen, sie jemals begangen zu haben. Viele der Streiche waren definitiv zu weit gegangen, denn sie waren ausgesprochen demütigend gewesen. Von Harry waren Sirius und er einmal zurechtgewiesen worden, weil der erfahren hatte, wie sie früher mit Severus umgegangen waren. Für Remus war es irgendwie ein gutes Gefühl gewesen, für seine Taten, wenn auch reichlich verspätet, endlich mal eine Standpauke über sich ergehen lassen zu müssen. Keiner von beiden hatte Harry erzählt, wie diese eine Erinnerung, die Harry gesehen hatte, ausgegangen war, denn sonst hätte er ihnen im Nachhinein bestimmt noch die Ohren lang gezogen. James hatte Severus vor versammelter Schülerschaft die grauen Unterhosen ausgezogen. Danach war der noch für viele, viele Wochen das Gespött der ganzen Schule. Erst vier Tage nach dem Vorfall, nachdem Remus geträumt hatte, man würde dasselbe mit ihm machen, hatte er verstanden, wie verletzend und peinlich dieser Vorfall für Severus gewesen sein musste.

Einmal hatte ihr Lieblingsopfer Remus allein abgefangen, als er abends gerade das Bad der Vertrauensschüler verlassen hatte. Severus hatte ihm bedeutet stehenzubleiben, bevor er mit ruhiger und damals schon recht tiefer, bedrohlich wirkender Stimme gesagt hatte: „Du bist Vertrauensschüler! Meinst du, du hast diese Ehre verdient?“ In diesem Moment hatte Remus Angst gehabt; Angst davor, dass Severus ihn verhexen oder zusammenschlagen würde oder ihm auf andere Art und Weise heimzahlen würde, ihm nie beigestanden zu haben. Stattdessen wartete Severus seelenruhig auf eine Antwort, aber die wollte Remus’ Lippen einfach nicht verlassen. Sichtlich enttäuscht war der schwarzhaarige Slytherin nach einigen Minuten des Schweigens gegangen, ohne ihm ein Haar gekrümmt zu haben.

Er überraschte sich selbst, als er zu den Einladungskarten hinüberging und eine der wenigen leeren herauszog. Remus verzichtete auf den Standardtext, der in allen Einladungen stand und schrieb das, was ihm in den Sinn kam. Die Karte schob er in den Umschlag, bevor er die Adresse drauf schrieb und sie zu den anderen Umschlägen steckte, die Morgen mit den Posteulen rausgehen sollten.

Es war ein regnerischer Tag. Immer wieder verdunkelte sich der Himmel. Kilometerlange Blitze schossen senkrecht oder waagerecht aus den Wolken heraus. Das Grollen war so laut, dass Draco seinen Patenonkel mehrmals auffordern musste, sich zu wiederholen. Severus erhob die Stimme und sagte: „Ich habe gesagt, dass es taktisch unklug sein könnte, deinem Vater von dir und Miss Bones zu berichten!“
Draco verzog das Gesicht. Er wusste genau, dass sein Vater in die Luft gehen würde. Mutig antwortete er: „Lass das nur meine Sorge sein!“

Im Ministerium angekommen ging es ohne Severus nach Askaban. Draco hatte die Erlaubnis erhalten, seinen Vater in dessen Zelle besuchen zu können. Dass Susan dabei ihre Hände im Spiel hatte, roch man Meilenweit.

„Vater!“, sagte Draco erleichtert, nachdem er die Zelle betreten hatte.
„Draco, komm her“, erwiderte Lucius mit Heiterkeit in der Stimme, als er sich mit leerem Blick in die Richtung drehte, aus der er Dracos Stimme vernommen hatte. Er öffnete einladend seine Arme. Draco wartete nicht und rannte wie ein Kind, das gerade aus Hogwarts zurückgekommen war, in Vaters Arme. Eine Weile sagten sie nichts und Draco genoss die innigste Geste, die sein Vater ihm zu schenken bereit war. Sie standen nur da und umarmten sich. Lucius roch an den Haaren seines Sohnes. Ihn würde er unter tausenden Menschen am Duft erkennen können, aber er würde das natürlich niemals sagen. Es gab keine sentimentalen Männer in der Familie Malfoy.

Die Nähe zu seinem Vater, als sie sich beide auf die Pritsche gesetzt hatten, verängstigte Draco etwas. Würde er ihm beichten, dass er mit Susan Bones eine Beziehung eingegangen war, wäre es für seinen Vater ein Leichtes, ihm an die Gurgel zu gehen. Abstand konnte er jedoch nicht gewinnen, denn immer, wenn er etwas weiter weg rückte, rutschte sein Vater mit in der Luft tastenden Händen nach, um die Nähe zu seinem Sohn sicherzustellen. Wenn er auch früher seinem Sohn äußerst selten eine liebevolle Berührung hatte zugutekommen lassen, denn sein eigener Vater hatte ihm beigebracht, dass Kinder ausschließlich von ihren Müttern getätschelt werden sollten, so konnte er sich jetzt aufgrund seiner Blindheit einreden, dass eine vertraute Berührung lediglich ein Ersatz für sein Augenlicht darstellen würde. So nahm Lucius beide Hände seines Sohnes in die seinen und sagte: „Erzähl, mein Sohn! Was geschieht außerhalb von Askaban? Ich bin hier völlig abgeschnitten. Ich kann nicht einmal mehr Zeitungen lesen.“

Draco begann zu erzählen. Er erzählte von allem Möglichen, aber nicht von ihm und Susan. Lucius lachte herzlich auf, als sein Sohn schilderte, wie Severus’ Hund sich an Blacks Bein gerieben hatte, als der gerade seiner Angebeteten ganz cool einen Zauber vorführen wollte. Die Begegnung hatte in einem Desaster geendet, weil Sirius schimpfend wie ein Rohrspatz auf Severus losgegangen war. Er hatte geglaubt, Severus hätte den Hund auf diese Obszönität abgerichtet, um ihn vor seiner Freundin lächerlich machen zu können. Es folgten weitere Geschichten, die allesamt eher langweilig waren, aber für Lucius das ultimative Highlight des Monats darstellten.

Nach einer halben Stunde sagte Lucius betroffen: „Ich erinnere mich immerzu daran, wie du aus Hogwarts zurückgekehrt warst und mir all die herrlichen Anekdoten erzählst. Das waren Zeiten.“ Mutig streckte Draco eine Hand aus, um sie auf die Wange seines Vaters zu legen. Das war eine Geste, die im Hause Malfoy höchstens unter Mutter und Sohn geduldet worden war. Erstaunlicherweise beschwerte Lucius sich jedoch nicht, aber Draco bezweifelte sehr, dass Askaban ihn weich gemacht haben könnte.

Mit zittriger Stimme sagte Draco einen Augenblick später: „Ich habe jemanden kennen gelernt, Vater!“
Lucius ergriff strahlend die Hand seines Sohnes und tätschelte sie, als er sehr zugetan schwärmte: „Draco! Das ist ja wundervoll! Ich bin so froh, dass die Malfoys nicht mit dir enden werden. Kenne ich die junge Dame?“
Draco schluckte, bevor er antwortete: „Ja, du kennst sie. Ich denke, du kannst sie auch ein wenig leiden.“
Lucius lachte und erklärte: „Natürlich kann ich sie leiden! Eine Reinblüterin, die meinem kleinen Draco das Herz gestohlen hat. Wer ist es? Sag schon!“

Ein kalter Schauer lief Draco über den Rücken. Sein Vater ging davon aus, dass seine jahrelange Erziehung gefruchtet hatte; dass die von ihm vermittelte Ansicht der gesellschaftlichen Grenze zwischen reinblütig, reich und mächtig und muggelstämmig, arm und bedeutungslos unumstritten seinem Sohn in Fleisch und Blut übergegangen sein musste. Draco hielt beide Hände seines Vaters ganz fest, um zu verhindern, von ihm geschlagen zu werden.

Leise, fast unverständlich gestand Draco seinem Vater: „Sie ist die Einzige, die mich so sieht, wie ich bin, Vater. Sie macht sich nichts aus meinem Namen oder meinem Vermögen.“ Sein Vater lächelte noch immer und drückte ermutigend mit seinen Händen die seines Sohnes, als wollte er die Antwort aus ihm herauspressen. Draco holte tief Luft und bekannte mit flüsternder Stimme: „Es ist Miss Bones!“

Zunächst gefror das Lächeln auf Lucius’ Gesicht, bevor es langsam verblasste. Draco ließ die Hände seines Vaters nicht los, sondern drückte nur noch fester zu. Er wollte, dass sein Vater etwas sagte. Irgendetwas!

Mit einem Male wollte sich Lucius befreien. Er stand auf und schüttelte seine Hände, die Draco noch immer ganz fest hielt.

„Lass los, du undankbarer… Reicht es nicht, mich ein Mal enttäuscht zu haben? Musst du jetzt auch noch…“, sagte Lucius stockend, laut und wild schnaufend, während er kräftig mit den Armen zu rudern versuchte. Sein Sohn ließ nicht los. Zu groß war die Angst vor einer Ohrfeige seines Vaters, die immer schmerzhaft gewesen waren. Das vorhin noch so fröhliche Gesicht wurde immer roter und war bereits durch Zornesfurchen zu einer hässlichen Fratze entstellt. Lucius war wütend auf seinen Sohn und er wollte ihn von sich schütteln als wäre er Schmutz auf seinen Händen. Beide stolperten durch die kleine Zelle; Lucius, weil er nichts sehen konnte und Draco, weil er ihm zu folgen versuchte. Er wollte seinem Vater klar machen, dass die Familienbande eine der wichtigsten Dinge im Leben waren. Er wollte seinen Vater nicht los lassen.

„Vater, bitte hör mir zu!“, flehte Draco.
Sein Vater hingegen machte sich mit dröhnender Stimme Luft: „Was bist du nur für ein abscheulicher Sohn! Schämen solltest du dich! Du warst alles, was ich noch hatte und jetzt? Du bist verabscheuungswürdig… Du… DU BLUTSVERRÄTER!“

Lucius hatte seine Hände befreit und holte weit aus. Er traf seinen Sohn mitten ins Gesicht. Sich die Nase haltend ging Draco zu Boden. Sich seiner Blindheit beugend entschloss sich Lucius dazu, nicht nach Draco zu suchen, um ihn zu schlagen. Er torkelte stattdessen wild schnaufend hinüber zu seiner Pritsche und hielt sich währenddessen eine zitternde Hand an die Stelle, an der sein Herz wie wild pochte.

Am Boden verweilend beobachtete Draco seinen Vater mit wehmütigem Gesichtsausdruck. Das Blut, das ihm aus der Nase über den Mund lief und am Kinn tropfenweise auf sein Seidenhemd fiel, beachtete er nicht. Sein Vater hatte sich nicht beruhigt, aber er verhielt sich ruhig. Er saß nun fast regungslos auf seinem Bett. Einzig sein aufgeregtes Atmen verrieten die Gefühle, die sich in ihm ausgebreitet hatte. Draco hatte ihn zutiefst enttäuscht.

„Vater?“, fragte Draco bittend.
Sich zusammenreißend erwiderte Lucius kühl und formell klingend: „Ich möchte nicht mehr, dass du mich besuchst. Ich möchte auch keine Geschenke mehr von dir. Geh jetzt und trete mir ja nicht mehr unter die Augen!“ Draco hätte es leichter ertragen können, wenn sein Vater ihm das Herz herausgeschnitten hätte.
Sich vom Boden erhebend sagte Draco: „Vater, ich…“
Er wurde jäh unterbrochen, als Lucius brüllte: „Was muss ich denn sagen, damit du verstehst? Hat dich der Einfluss von Muggeln schon begriffsstutzig gemacht, dass du einfache Sätze nicht mehr zu deuten weißt? Verschwinde und bleib fern!“
All seinen Mut zusammennehmend sagte Draco bestimmend: „Nein Vater, du hörst mir zu!“

Sein Vater warf ihm übermütig ein fieses Grinsen zu und sagte giftig: „Was kommt jetzt? Die Beichte, dass du deine Blutschande bereits begangen hast? Ist etwa ein Balg unterwegs? Du und dein Halbblut bekommt nichts von mir! Und wage es niemals, mir aus dieser entehrenden Verbindung auch nur ein Gör zeigen zu wollen!“ Die Worte klangen gefährlich. Boshaft fügte Lucius hinzu: „Dann gehe ich auch recht in der Annahme, dass Miss Bones dir von dem gesundheitlichen Zustand der Malfoys berichtet hat. Diese… Das wird ein Nachspiel haben!“
Erbost schimpfte Draco: „Du wolltest es mir niemals sagen! Du warst viel zu stolz um zuzugeben, dass die Malfoys und viele andere sogenannte Reinblüter einige Probleme mit ihrem Erbgut haben. Nicht einmal deinem eigenen Sohn wollest du eine Chance geben, sein Augenlicht zu behalten!“
Verletzend entgegnete sein Vater: „So, wie sich die Situation entwickelt hat, würde ich meinen, du hättest es verdient!“

Dieses Mal ließ sich Draco nicht von seinem Vater das Wort abschneiden, als er von Gefühlen übermannt erklärte: „All dein Geld bedeutet mir nichts, Vater! Weiß du, was mir was bedeutet? Was mir wirklich was bedeutet? Familie bedeutet mir was! Und nicht nur die Familie, die ich vielleicht eines Tages selbst haben werde, sondern besonders die Familie, aus der ich stamme. Vater, du bedeutest mir so viel!“

Es hatte ihn tief getroffen, dass sein Sohn keine Reinblüterin auserkoren hatte. Bestürzt sagte Lucius daher: „Ich habe keine Frau mehr und nun… nun habe ich auch keinen Sohn mehr!“ Die Worte brachen Draco das Herz. Lucius ignorierte seinen Sohn und sagte nichts mehr.
Den Moment der Stille nutzte Draco, um seinem Vater die Wahrheit zu sagen – um seinen einzigen Trumpf auszuspielen, der ihn zur Räson bringen könnte: „Vater?“ Er wartete einen Augenblick, doch als er noch immer ignoriert wurde, fügte Draco hinzu: „Ich habe Mutter gefunden!“

Aus reinem Instinkt hob Lucius den Kopf, als wolle er in dem Gesicht seines Sohnes eine Lüge ausfindig machen, doch es war ihm schon lange nicht mehr möglich, die Feinheiten in Gesichtszügen deuten zu können. Erneut von Zorn übermannt, als würde er mit einem fiesen Trick rechnen, knurrte er: „Wenn du denkst, mit so einem Märchen könntest du die Situation…“
Draco unterbrach ihn und sagte mit ernster Stimme: „Es ist wahr, Vater! Es ging durch alle Zeitungen. Ich habe Mutter gefunden! In einem durch den Fidelius-Zauber verborgenen Haus auf dem Hogwarts-Gelände. Sie ist bei Severus und mir in Hogwarts und es geht ihr soweit gut.“

Mit Erleichterung hatte Draco während seiner Worte beobachtet, wie sein Vater mit den Tränen kämpfte, denen er am Ende nachgeben musste, denn diese Offenbarung überwältigte ihn schonungslos. Niemals hatte er seinen Vater weinen sehen, denn ein Malfoy weinte nie! Schluchzend versuchte Lucius seine Schwäche mit zitternden Händen zu verbergen, aber die Tränen strömten bereits kaskadenartig über die hohen Wangenknochen hinunter zum spitzen Kinn.

Sich der Tränen nicht mehr schämend sagte Lucius mit gebrochener Stimme: „Wenn das wahr ist, dann will ich sie…“
Mit kühlem Slytherin-Verstand nutze Draco diese Gelegenheit, seinem Vater eine Sache zu verdeutlichen: „Du wirst sie nie mehr sehen können, Vater. Nicht, wenn du dir nicht selbst eingestehst, dass unser Blut zwar rein, aber gleichzeitig auch verdorben ist!“

Draco wandte sich von ihm ab und ließ ihn allein. Wenn er eine Chance haben wollte, seinen Vater zur Vernunft zu bringen, dann musste er jetzt sofort gehen. Seine Worte durften ihre Wirkung nicht verfehlen, denn eine zweite Möglichkeit würde sich nie mehr bieten. Seine Mutter war der einzige Trumpf, den er gegen seinen Vater ausspielen konnte.
Zuletzt geändert von Muggelchen am 12.11.2008 16:32, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von Muggelchen »

038 Zerplatzte Träume




Nach dem Gespräch mit Harry war es für Ron sehr deutlich geworden. Sein bester Freund glaubte wie er selbst nicht an eine funktionierende Beziehung mit Hermine. Ron lag am Herzen, dass Hermine glücklich werden würde, aber das würde sie nicht werden, wenn er sie nicht gehen lassen würde. Die Angst um den Verlust ihrer Freundschaft ließ Ron einige Wochen lang grübeln, bevor er handelte. Wegen schlechten Wetters wurde das Training am Freitag früher beendet. Die Gelegenheit packte er am Schopfe, um ein romantisches Dinner vorzubereiten, nach welchem er ernsthaft mit ihr über ihre Situation reden wollte.

Als Hermine spät nachhause kam, saß Ron schluchzend am Küchentisch. Das Chaos in der Küche, die angebrannte Backform im Waschbecken, der verschmutzte Boden und den Geruch von Verbranntem, ließ sie unbeachtet. Sie ahnte, was Ron am heutigen Abend vorhatte und so verzichtete sie auf scherzende Kommentare über den Zustand der Küche und seine bedenklichen Kochkünste.

„Ron?“, flüsterte sie.
Ron zuckte zusammen, bevor er gequält lächelte. Er zeigte auf Durcheinander und versicherte: „Ich räum auf, keine Sorge.“ Als er aufblickte, trafen ihn ihre verständnisvollen Augen, bevor er leise sagte: „Du weißt, was ich heute machen wollte!“

Hermine setzte sich neben Ron und umarmte ihn. Nachdem sie die Umarmung gelöst hatte, legte er seine Hände auf ihre rosigen Wangen. Sonst, wenn sie nach ihrer Arbeit bei Snape nachhause gekommen war, hatte er ihr immer einen Kuss auf den Mund gegeben. Dieses Mal beugte er sich vor, bis seine Lippen ihre Stirn berührten und eine Weile dort verweilten, bevor er den Kuss beendete. Es war ein freundschaftlicher Kuss. Die Geste sagte so viel aus, dass Hermine weinen musste.

Nachdem sie sich gefangen hatte, sagte sie mit zittriger Stimme aufrichtig: „Du weißt, dass ich dich liebe, Ron. Ich liebe dich! Das ist so und wird sich nie ändern!“ Ron nickte. Sein Gesicht war errötet, weil er seine eigenen Tränen unterdrückte.
„Es geht mir doch auch so, Mine.“ Hermine stimmte ihm wortlos zu. Mit bebenden Lippen sagte Ron fast flüsternd: „Bestimmt bin ich daran schuld, dass es mit uns beiden einfach nicht klappen will. Ich…“
Aber bevor er sich selbst Vorwürfe machen konnte, erklärte Hermine mit einem verzückten Klang in der Stimme: „Nein, Ron! Du bist da nicht dran schuld und ich auch nicht. Es ist die Art Liebe, die uns verbindet.“ Ihm tief in die Augen sehend fügte sie flüsternd hinzu: „Sie will uns nicht zusammenführen wie ein Paar.“
Ron nickte zustimmend und erklärte: „Das zwischen uns ist und bleibt einzigartig, Mine! Wir sind die besten Freunde und empfinden einander so stark, dass man das gar nicht übertreffen kann.“
Mit ihren Fingern strählte sie sein rotes Haar, bevor sie lächelnd, aber mit an den Wangen hinunterlaufenden Tränen bestätigte: „Ja, Ron. Du hast völlig Recht!“

Es war eine unschuldige Liebe, die Ron und Hermine miteinander verband. Eine reine Liebe, wie es sie oftmals unter Kindern gab und die bei ihnen erblüht war, als sie sich in Hogwarts näher gekommen waren. Die beiden redeten noch eine ganze Weile oder schwiegen sich an, während sie dicht aneinander gekuschelt auf der Küchenbank saßen und Händchen hielten. Sie hofften, der krampfartige Schmerz in der Brust würde schneller vergehen, wenn sie sich gegenseitig zeigten, dass sie den anderen verstanden und noch immer liebten, doch der Schmerz blieb.

Als es schon vier Uhr morgens war, fragte Ron erschöpft: „Es wird noch eine ganze Weile wehtun oder?“ Sie nickte, aber mit einem Lächeln wollte sie ihn aufmuntern. Sie nahm seine warme Hand und legte sie sich auf die eigene Wange, bevor sie ihn umarmte und fest an sich drückte. Er erwiderte ihre Umarmung, doch einen Seufzer konnte er nicht unterdrücken.

„Lass uns ins Bett gehen und nebeneinander liegen“, sagte sie, als sie ihre Stirn an seine lehnte, so dass sich ihre Nasen küssten. Ron stimmte ihr nickend zu und die Küche wurde kurzerhand dem Chaos überlassen. Ron und Hermine gingen in ihr Schlafzimmer und umarmten sich in unverdorbener Zuneigung, bis sie gemeinsam einschliefen.

Immer wieder hatte Severus über Tage hinweg die Einladung gelesen, die Lupin ihm geschickt hatte. Er würde sich freuen, wenn er auch kommen würde, hatte Lupin geschrieben. Ungläubig schnaufte Severus, bevor er die Karte wieder auf den Schreibtisch warf. Das konnte der Werwolf nicht ernst meinen oder doch? Wer würde sich schon über die Anwesenheit des griesgrämigen Zaubertränkelehrers freuen? Wieder nahm er die Karte in die Hand und versuchte, sich einen Reim darauf zu machen. Würde man ihn nur einladen, um ihn auf den Arm zu nehmen? Aufgebracht warf er die Einladung wieder auf sein Schreibpult.

Und wo war seine Schülerin? Sie hatten sich zu 7 Uhr morgens für ein Projekt verabredet und nun wartete er auf sie, während die Uhr bereits 8:45 Uhr anzeigte. Einen Samstagmorgen konnte er auch angenehmer verbringen, dachte Severus gereizt. Er war geladen und es würde nicht viel brauchen, ihn zum Explodieren zu bringen. Sollte sie nicht sofort auftauchen, würde er in Erwägung ziehen, ihre Lehre bei ihm zu beenden, sobald sie einen Fuß in sein Labor setzte.

Kaum hatte er den Satz zu Ende gedacht, klopfte es. Ohne Aufforderung öffnete sie die Tür und blickte ihn wehmütig an. Mit ganz offensichtlich verweinten Augen versuchte sie, das Zittern aus ihrer Stimme zu verbannen, als sie sagte: „Guten Morgen, Professor Snape. Bitte entschuldigen Sie vielmals. Ich wollte Sie bestimmt nicht warten lassen. Es tut mir Leid. Das wird nie wieder vorkommen!“

So sehr er sich auch anstrengte, er konnte sie für ihr Zuspätkommen einfach nicht zurechtweisen. Stattdessen fragte er völlig unvorhergesehen: „Fühlen Sie sich wohl? Möchten Sie sich heute frei nehmen?“
Sie versuchte, ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern und sagte im Anschluss: „Nein nein, ich bin in Ordnung.“ Gleich darauf lenkte sie von sich ab und erklärte: „Wir wollten doch heute den Trank brauen, der eventuell Magie sichtbar machen könnte, wenn man sie anwendet. Ich habe Grund zur Vermutung, dass der Trank auch Harrys Gabe sichtbar machen kann.“ Derweil hatte sie bereits ihre Notizen aus ihrer Tasche gezogen und dem Professor ihre aktuelle Theorie in schriftlicher Form unter die Nase gehalten.

Wie konnte sie behaupten, sie wäre in Ordnung, wenn die geschwollenen Lider, die geplatzten Äderchen in ihren Augen, die erröteten Wangen und die wunde Nase genau das Gegenteil untermauerten? ’Floskeln’, dachte Severus abwertend. Benutzte man Floskeln, die eh nicht ernst gemeint waren, dann bekam man meist eine unehrliche Antwort zurück. Deshalb hatte er äußerst selten welche benutzt und er würde sich dies jetzt auch nicht angewöhnen.

Über den ganzen Tag hinweg, während des Frühstücks, des Mittagessens und des gemeinsamen Tees, hatte Severus ihr wortlos kleine Fläschchen gereicht, die sie genauso wortlos entgegengenommen und ausgetrunken hatte. So war sie bereits zum späten Nachmittag hin von allen Anzeichen ihrer nächtlichen Heularie befreit, wofür sie still dankbar war, denn selbst den Kopfschmerz war sie endlich los.

Bis zum heutigen Tag der Verlobungsfeier von Remus und Tonks hatte Hermine bemerkt, wie Snape immer wieder die Einladungskarte überflogen hatte. Heute, am Tag der Feier selbst, war es nicht anders – im Gegenteil: Er betrachtete sie nur noch häufiger. Sie ging davon aus, dass er vielleicht nervös wäre und deshalb ständig nachprüfte, ob er sich in der Uhrzeit auch nicht geirrt hatte oder er die Adresse richtig behalten hatte. Er mochte gesellschaftliche Anerkennung gefunden haben, was jedoch nicht bedeutete, dass soziale Kontakte ihm lagen. Auch Hermine hatte eine Einladung erhalten und ging davon aus, heute gleich nach der Arbeit mit Professor Snape zu Tonks zu gehen. Um halb sieben fragte sie: „Wollen wir uns langsam auf den Weg machen?“

Verdutzt blickte er seine Zaubertränkeschülerin an und fragte zögerlich: „Wie bitte? Was meinen Sie?“
Jetzt war es Hermine, die entgeistert dreinschaute, doch sie fing sich schnell und erklärte: „Na, die Verlobung von Remus und Tonks. Sie sind doch auch“, Hermine zeigte auf die Karte auf seinem Schreibtisch, „eingeladen, genau wie ich. Ich dachte, wir würden gleich nach der Arbeit zusammen hingehen!“

Severus schluckte. Natürlich hatte er überlegt hinzugehen, doch ihm war eher danach, die Einladung zu ignorieren. Doch jetzt, wo selbst Miss Granger mit seiner Anwesenheit rechnete, schloss er sämtliche Theorien über vermeintliche Späße, die man mit ihm treiben wollte, aus. Der Text der Einladung war offensichtlich so gedacht, wie er geschrieben war. Man würde sich darüber freuen, wenn er erscheinen würde.

„Sie wollen gar nicht hingehen, hab ich Recht?“, fragte sie enttäuscht.
Er gab sich einen Ruck und erwiderte: „Sie täuschen sich, Miss Granger. Ich möchte!“

Die Party im Haus von Tonks war bereits in vollem Gange, obwohl sie erst vor einer halben Stunde begonnen hatte. Sirius und Anne unterhielten sich mit den Zwillingen über deren neuste Erfindungen, während Minerva mit Albus, Filius und Hagrid auf einer Sitzgruppe Platz genommen hatte und sich bereits mit Goldlackwasser und lockeren Gesprächen eine angenehme Zeit machte. Alastor stand allein mit seinem Flachmann in einer Ecke und beobachtete argwöhnisch, wie Molly ständig Ginny hinterherlief und ihr aufopferungsvoll dieses und jenes brachte, was ihrer Tochter zu missfallen schien, denn die rollte ständig mit den Augen.

Kaum einer hielt inne, als Hermine, gefolgt von Severus, das festlich geschmückte Wohnzimmer durch den Kamin betrat. Nur Draco blickte lächelnd auf und grüßte seinen Patenonkel mit angehobenem Glas. Er selbst war nicht eingeladen, aber geladene Gäste durften eine Begleitung mitbringen und Susan hatte ihn mitgenommen. Severus war nicht entgangen, dass die beiden Händchen hielten.

Aufgefallen war ihm der jüngste Mr. Weasley. Severus bemerkte, dass dessen Gesicht nicht anders aussah als das seiner Schülerin am heutigen Morgen. Sie mussten sich gestritten haben, vermutete er. Harry stand bei ihm und hatte einen Arm um die Schultern seines besten Freundes gelegt. Miss Granger entschuldigte sich kurz und steuerte geradewegs auf Ron Weasley zu, der sie gequält anlächelte und den vertrauen Kuss auf den Mund in Empfang nahm. Harry wurde von ihr ähnlich herzlich begrüßt: mit einem Kuss auf die Wange und einer kurzen, aber innigen Umarmung. Gleich nachdem Miss Granger ihre engsten Freunde begrüßt hatte, gesellte sie sich wieder, den einen oder anderen Gast auf ihrem Weg grüßend, zu ihm, was ihn erstaunte, denn er wusste von Harry, dass Mr. Weasley und Miss Granger schon lange verlobt waren.

So oft, wie er Draco manierliche Umgangsformen eingetrichtert hatte, müsste man meinen, er selbst hätte keine Probleme damit, sie anzuwenden, doch weit gefehlt. Miss Granger hatte bereits einige Zeit bei ihm verbracht, bis ihm endlich einfiel, was er in dieser Situation tun könnte und so fragte er: „Darf ich Ihnen etwas zu trinken holen, Miss Granger?“ Sie lächelte erleichtert, denn offensichtlich hätte sie sich beinahe selbst etwas besorgt, was ihm wiederum seinen gesellschaftlichen Fauxpas unter die Nase gerieben hätte.
„Gern, ich… Vielleicht ein Glas Wein, wenn es welchen gibt. Roten“, erwiderte sie lächelnd. Severus nickte und machte sich mit geschmeidigem Gang auf den Weg zur Bar. Lupin und Tonks waren augenscheinlich nicht im Raum, denn er hatte aufmerksam Ausschau nach ihnen gehalten. Es wäre unhöflich, die Gastgeber außen vor zu lassen, während man alle anderen Gäste begrüßen würde, wenn auch nur mit einem leichten Kopfnicken seinerseits.

In dem Moment, als er neben Arthur an der Bar stand und mit ihm ein kurzes Schwätzchen hielt, während Florean Fortescue, den Tonks für heute Abend angeheuert hatte, die zwei gewünschten Gläser Wein einschenkte, traten Tonks und Lupin ins Wohnzimmer. Vom Applaus und einigen fröhlichen Zurufen darüber informiert drehte sich Severus um und klatschte drei-, viermal höflichkeitshalber in die Hände, bevor er den Wein von der Theke nahm und zu Miss Granger zurückging. Er reichte ihr das Glas Rotwein und nötigte sie somit, ihren Beifall zu beenden. Sie bedankte sich höflich für den Wein und nippte gleich daran.

Die Gäste strömten nur so auf das Paar zu und beglückwünschten ihre Entscheidung, die Ehe gemeinsam eingehen zu wollen. Severus wartete, bis sich die Ansammlung zerstreut hatte, doch bevor er auf Lupin zugehen konnte, kam der bereits freudestrahlend auf ihn zu und bestätigte mündlich die Worte, die auch schon in der Einladung gestanden hatten: „Severus, es freut mich wirklich, dass du gekommen bist!“
Die gereichte Hand schüttelte Severus kurz, aber kräftig, bevor er aufrichtig sagte: „Ich weiß nicht recht, Lupin, ob ich Ihnen wirklich gratulieren soll.“ Lupin stutzte kurz, wurde jedoch sofort von jemand anderem abgelenkt. Severus nippte an seinem Wein und grübelte darüber nach, ob er eben richtig gesehen hatte. Trug Lupin einen Verhüllungszauber auf dem Gesicht? Er nippte nochmals an seinem Glas, bevor ihm auffiel, dass Miss Granger ihn fassungslos anstarrte, sich aber nicht zu dem, was er Lupin gegenüber gesagt hatte, äußerte.

Der Abend verlief selbst für Severus äußerst amüsant, auch wenn er, wie Mad-Eye, mehr Gefallen daran fand, die Leute zu beobachten, anstatt mit ihnen zu reden. Doch er begrüßte es, von Miss Lovegood angesprochen zu werden. Sie war eine seltsame Person, hatte ihm gegenüber jedoch keinerlei Berührungsängste.

„Professor Snape!“, sagte sie mit ihrer unverkennbar verträumten Stimme. „Es ist schön, Sie wiederzusehen! Neville wollte Sie etwas fragen“, sagte sie.
Derweil zog sie ihren sich sträubenden Freund heran, der leise vor sich hinmurmelte: „Wollte ich?“

Eingeschüchtert stand Neville neben seinem damaligen Zaubertränkelehrer und obwohl er einen solchen Wachstumsschub hinter sich gebracht hatte, dass er ihn mittlerweile um einige Zentimeter überragte, schien sein ehemaliger Lehrer noch immer eine beängstigende Wirkung auf den jungen Mann zu haben, der nun stotternd und leise fragte: „Professor Sn… Snape… Ich wollte fragen, ob Sie… ob Sie…“ Neville tat Hermine Leid, aber Luna schien seine Frage geduldig abzuwarten, genauso wie Snape. Er brachte seine Frage endlich heraus: „…ob Sie Erfahrungen mit Kreischbeißern haben. Besonders würde mich interessieren, ob Sie einen bestimmten Dünger bevorzugen.“

In ruhigem, einlullendem Tonfall erklärte Snape langsam sprechend: „Eine interessante Frage! Kreischbeißer sind wählerisch und protestieren meist schon bei zu viel Drachenmist.“ Neville nickte bestätigend, denn offenbar hatte er hier schon Erfahrungen gesammelt. Er lauschte, als Snape trocken und mit lehrerhafter Stimme erörterte: „Geeignet für Kreischbeißer halte ich Einhorndung, aber der ist sehr rar. Eine ähnliche Zusammensetzung erhält man jedoch auch mit den Ausscheidungen der Zentauren. Natürlich ist es aufwendig, im Wald danach zu suchen, aber man kann wohl schlecht mit einem Tütchen in der Hand zu Firenze spazieren und fragen, ob er gerade ein Bedürfnis verspürt.“

Hermine und Neville wiederholten nochmals Snapes nüchtern klingende Worte in Gedanken, während Luna bereits mächtig lachte, was Neville und Hermine ansteckte. Snape zog lediglich einen Mundwinkel leicht nach oben und amüsierte sich still, während er weiterhin die Leute um sich herum beobachtete. Black schaute immer wieder zu ihm hinüber und ärgerte sich offensichtlich darüber, dass er zu dieser Festlichkeit geladenen war. Der junge Mr. Weasley blickte mehrmals zu Miss Granger, aber es war kein missgönnender Blick, sondern ein erleichterter, den er ihr zuwarf. Und da war auch Harry, der immer wieder zu Miss Weasley hinüberblickte, die übrigens genau das Gleiche tat, doch keiner von beiden wagte den Schritt, sich dem anderen zu nähern, was Severus mit einem kurzen, ungläubigen Kopfschütteln für sich allein kommentierte.

Noch immer konnte Neville es nicht fassen, dass Snape eine scherzende Bemerkung gemacht hatte. So hatte er seinen ehemaligen Lehrer noch nie erlebt. Erleichtert bedankte er sich für den anfangs ernst gemeinten Hinweis, bevor er sich von Luna wegführen ließ, um auch mit anderen Gästen ein Schwätzchen zu halten.

Die Leute, die Severus noch nie in seinem Leben gesehen hatte – vom Alter her offenbar ausschließlich Freunde von Tonks –, verließen die Party am späten Abend, so dass nur noch der allseits bekannte Kreis anwesend war und die Gesellschaft etwas vertrauter miteinander umging.

Kurz nachdem Molly einen fröhlichen Trinkspruch auf die Verlobten gehalten hatte, trat Severus mit seinem Weinglas in der Hand einen Schritt nach vorn in die Zimmermitte und erlangte damit sofort die Aufmerksamkeit von Lupin und Tonks, sowie auch die der anderen Gäste. Mit säuselnder, tiefer Stimme, so dass es still im Raum wurde, weil jeder seine Worte hören wollte, fragte er an die Gastgeber gerichtet: „Wenn ich mir die Frage erlauben darf, Lupin, Tonks: Wer von Ihnen beiden wird in den sauren Apfel beißen?“

Betroffen und mit erröteten Wangen senkte Lupin das Haupt, während Tonks versuchte, Snape mit ihren Blicken zu töten. Hermine war sich nicht sicher, was hier gerade geschah. Was konnte Snape nur meinen? Sie beobachtete, wie Sirius einige Schritte auf Lupin zuging, um ihm im Notfall zur Seite stehen zu können. Snape hingegen stand gelassen auf seinem Fleckchen und nippte ein Mal an seinem Wein.

„Was fällt dir ein?“, zischelte Tonks aufgebracht, nachdem sie sich gefasst hatte.
„Nun“, erwiderte Snape, der nochmals genüsslich von seinem Wein trank, bevor er fortfuhr, „ich denke, es ist eine berechtigte Frage, die sich viele der Anwesenden heimlich stellen, aber nicht zu fragen wagen, nicht wahr? Und sicherlich gibt es auch einige in diesem Raum, die momentan keinen blassen Schimmer davon haben, auf welchen Haken ich hier anspiele!“ Nachdem er den Satz beendet hatte, schaute er Black einen Moment lang eindringlich an, der von seinen Worten verwirrt schien.

Mit aufkommenden Tränen in den Augen verließ Tonks den Raum und Molly folgte ihr zögernd, um sie zu beruhigen. Lupin stand noch immer mit gesenktem Haupt in der Mitte des Zimmers und war um eine Antwort verlegen, als Severus keinesfalls boshaft, sondern lediglich ehrlich zu ihm sagte: „Das ist der Grund, warum ich vorhin sagte, ich wüsste nicht, ob ich Ihnen wirklich gratulieren sollte.“ Jetzt blickte Lupin auf. In seinen Augen spiegelte sich nicht Zorn oder Hass wider, sondern Verzweiflung, was Hermine erkannte.
Albus’ Stimme erklang, als er die Situation zu entspannen versuchte und sagte: „Severus, das ist nicht der richtige…“
Doch Severus ließ Albus das erste Mal in seinem Leben nicht ausreden und konterte bestimmend: „Oh doch, das ist der richtige Moment! Genau der richtige!“

Bevor Sirius unüberlegt handeln würde, drängte sich Harry nach vorn und fragte mit ruhiger und doch sehr besorgter Stimme: „Was soll das? Was für ein Haken?“
Und mit einem Male brach es aus Hermine hervor: „Oh mein Gott! Die Gesetze der Tierwesenbehörde!“ Als Lupin hörte, dass Hermine es offen ausgesprochen hatte, sammelten sich Tränen in seinen Augen und er blickte erneut zu Boden, um sie zu vertuschen.
„Ich habe gewusst, dass du hier nur Ärger machen wirst, Schniefelus! Lass ihn ja in Ruhe!“, keifte Sirius gereizt und angriffslustig, obwohl er offenbar nicht verstand, um was es hier ging.
Trotz des verhassten Kosenamens blieb Severus gelassen, als er Black überheblich klingend erklärte: „Dann ist es Ihnen nicht bekannt?“ Er zog beide Augenbrauen in die Höhe und als Black nicht erwiderte, erklärte er: „Die Tierwesenbehörde fordert bei der ehelichen Verbindung eines Tierwesens“, Snape blickte zu Lupin, bevor er seine Augen wieder auf Black richtete, „mit einem Menschen, dass einer von beiden sich der Möglichkeit zur Fortpflanzung berauben lässt!“

Die Personen, die bisher nicht einmal eine Ahnung hatten, auf welchen Haken Snape aufmerksam machen wollte, machten nun große Augen und schüttelten ungläubig und entrüstet den Kopf. Die, die im Vorfeld davon gewusst hatten, wie Albus, Minerva, Arthur, Susan, Kingsley und Lupin selbst, blickten beschämt zu Boden. Harry war der Erste, der verdattert an Severus gerichtet eine Bestätigung forderte, indem er nachfragte: „Ist… ist das wahr?“ Sein Blick schweifte hinüber zu Remus, bevor er ihn mit mitleidiger Stimme fragte: „Remus, ist das wahr?“ Dann schaute er zweifelnd zu Arthur hinüber, dessen betroffene Reaktion ihm leider versicherte, dass dieses Gesetz tatsächlich der Wahrheit entsprechen musste.

Sirius ging auf seinen Freund zu und packte ihn an den Oberarmen, bevor er ihn aufforderte, ihn anzublicken. Den Schmerz und die Verzweiflung in Remus’ Augen konnte er kaum ertragen, so dass er selbst mit den Tränen kämpfen musste. Sein alter Freund hatte schon genug Probleme – hatte sein Leben lang genug Probleme gehabt. Für alle hörbar sagte er aufgebracht: „Oh nein, die werden dir nichts abschneiden! Komm mit!“ Nach diesen Worten zog er seinen Freund hinter sich her und hinaus aus dem Wohnzimmer. Natürlich war die Stimmung nun auf dem Tiefpunkt, aber Severus hatte es für das Richtige gehalten, diesen Missstand anzusprechen.

Viele waren nach dem Zwischenfall wortlos gegangen. Die Zwillinge hatten Anne an die Hand genommen, um sie per Apparation in ihre Wohnung zu bringen. Albus war einerseits ungehalten über Severus’ Handeln, doch auf der anderen Seite auch traurig über die allgemeine Situation für den verfluchten Mann, dem er immer unter die Arme gegriffen hatte, wo es nur ging. Nur Arthur, Ginny, Ron, Harry, Hermine, Susan, Draco und Severus ließen sich im Wohnzimmer auf der Couch und den Sesseln um einen Tisch herum nieder. Keiner sagte etwas und niemand machte Severus einen Vorwurf, die Sache für alle aufgedeckt zu haben.

Dann brach Arthur das Schweigen. „Es herrschen noch immer katastrophale Missstände im Ministerium. So schnell kann ich keine Gesetzesänderungen durchsetzen! Kingsley ist bereits dabei, neue Gesetze zu entwerfen und Miss… Ich meine Susan unterstützt ihn tatkräftig, aber es wird noch dauern. Wahrscheinlich etliche Jahre dauern! Wir können keine geänderten Teilgesetzte in dieser Größenordnung herausbringen, sonst steigen mir sämtliche Halbmenschen aufs Dach und setzen das Ministerium unter Druck, auch die anderen Diskriminierungen endlich zu beseitigen. Das Gesetz muss einmal komplett überarbeitet werden, bevor…“, sagte Arthur innehaltend, bevor er einmal betroffen seufzte und sich an die Stirn fasste.
Harry fragte neugierig: „Wenn man nur unter solchen Bedingungen heiraten darf, warum wollen die beiden dann überhaupt heiraten?“
Dieses Mal erklärte Susan betrübt: „Er hätte mehr Rechte, wenn er verheiratet wäre. Rechte, was zum Beispiel die Jobsuche betrifft und viele andere Dinge, die ihm das Leben wesentlich erleichtern würden.“

Unzensiert und aufgebracht brach aus Ron hervor: „Ich würde mir die Eier trotzdem nicht abschneiden lassen, auch wenn ich danach Aussicht auf einen guten Job hätte!“
„RON!“, schalt es von dessen Vater.
„Ist doch aber wahr! Du bist der Minister, Dad. Du kannst das bestimmt beschleunigen! Solche Gesetzte sind einfach unmenschlich!“, erwiderte sein Sohn.
Arthur hielt dagegen: „Wir sind unterbesetzt für die Berge von Arbeit, die sich bei uns häufen! Wir können nicht einfach Leute einstellen, ohne die vorher überprüft zu haben. Es hatten sich schon genug Mitarbeiter im Ministerium eingenistet, die sich Informationen beschafft hatten, die nicht für sie bestimmt waren! Ich schmeiß nicht nach und die faulen Eier raus, nur um mir neue einzustellen, mein Sohn!“

Hier fragte Harry neugierig nach: „Was für Leute sind das denn, die sich Informationen beschaffen?“
Ohne nachzudenken gab Arthur zurück: „Eine Art Gruppierung. Ein paar Radikale, die sich auf Kinder und andere Angehörige von Todessern stürzen! Eure Schulkameraden Zabini und Parkinson haben die auf dem Gewissen.“

„Moment!“, sagte Draco bestimmend. „Pansy und Blaise haben nichts mit Todessern zu tun gehabt. Weder sie selbst waren welche noch ihre Eltern! Sie mögen reinblütig und rassistisch beziehungsweise narzisstisch gewesen sein, aber keinesfalls konnte man sie mit Todessern in Verbindung bringen!“, erklärte Draco den Anwesenden selbstsicher.

Arthur schien von dieser Information mehr als geschockt zu sein, denn er fragte kleinlaut nach: „Waren sie nicht? Und du, äh...“, er verbesserte sich, indem er die Anrede änderte, „Sie sind sich da ganz sicher?“ Draco nickte und Severus stimmte seinem Patensohn wortlos zu. Nachdem er einen Moment überlegt hatte, sagte Arthur in die Runde: „Severus, Harry! Ich muss mit euch beiden und auch mit Sirius dringend reden! Am besten morgen? Ich muss jetzt gehen. Ginny, Ron, ihr geht besser auch.“ Nur widerwillig kamen seine beiden Kinder dem Vorschlag nach. Hermine erklärte Ron mit einem Blick, dass sie noch bleiben würde. Draco und Susan verabschiedeten sich ebenfalls und ließen Severus, Harry und Hermine zurück.

„Ich muss dringend mit Lupin sprechen! Harry, könnten Sie versuchen…“, fragte Severus verstummend. Die drei gingen zusammen hinauf in den ersten Stock. Hinter der Tür des ersten Zimmers, welches sie passierten, hörte man eine Frau weinen und Mollys beruhigende Stimme tröstete die aufgelöste Tonks. Ganz hinten befand sich ein weiteres Zimmer mit geschlossener Tür, in welchem sich Remus und Sirius befinden mussten. Zaghaft klopfte Harry an, bis Sirius endlich öffnete.
Der überbrachte alsbald die Nachricht: „Er möchte über den Vorfall nicht sprechen!“
Severus erwiderte: „Es geht nicht um den heutigen Vorfall. Wenn Sie mich bitte eintreten ließen?“ Zögernd öffnete Sirius die Tür und ließ Severus und Harry hinein, während Hermine anstandshalber an der offenen Tür wartete und sich an den Rahmen lehnte. Remus saß auf einem Bett und schämte sich nicht dafür, ganz offensichtlich geweint zu haben.

An Lupin herantretend sagte Severus mit Bedacht: „Lupin! Würden Sie bitte den Verhüllungszauber entfernen?“ Sirius zog fragend die Augenbrauen in die Höhe, während Lupin sich ertappt ans Gesicht fasste. Unentschlossen griff er zu seinem Zauberstab und beendete nach kurzem Zögern den Verhüllungszauber, der auf seinem Gesicht lag. Harry und Sirius erschraken, als sie Remus betrachteten. Es schien, als hätte er einen Ausschlag. Seine Mundwinkel waren rot und wund und großflächig verkrustet, ebenso die feinen Hautpartien am Hals und hinter den Ohren, wo sich bereits die Haut schälte.

Severus presste entrüstet die Lippen zusammen, während er Lupins Ausschlag begutachtete. Nüchtern fragte einen Moment später mit seiner lehrerhaften, distanzierten Stimme, die unmissverständlich eine Antwort forderte: „Wie weit hat sich das schon ausgebreitet?“
Lupin wollte nicht antworten, aber als Severus auf eine Antwort drängte, erwiderte er aufgebracht: „Bis hin zu Stellen, die ich dir bestimmt nicht zeigen werde!“
Sirius war geschockt über diese Aussage, doch Severus blieb völlig ruhig, als er feststellte: „Dann nehmen Sie ihn schon drei Monate.“ Lupin nickte und schloss resignierend die Augen. Seit drei Monaten musste er die monatlichen Wolfsbanntränke von einem anderen kaufen, weil er einfach kein Geld mehr für den Zaubertränkemeister seines Vertrauens hatte. Der Trank wirkte zwar, brachte jedoch etliche Nebenwirkungen mit sich – der Ausschlag war nur eine davon.

Keiner wagte nachzufragen, um was es sich bei diesem Gespräch drehte, doch Severus hielt mit einer Erklärung nicht zurück und brachte es fachmännisch klingend auf den Punkt: „Der Trank ist verunreinigt und schlampig hergestellt. Wie viel bezahlen Sie für ihn?“
Beschämt antwortete Lupin leise: „Elf Galleonen… pro Trank.“ Severus schnaubte verachtend. Elf Galleonen für einen Wolfsbanntrank – und drei waren es, die man in den drei Tagen vor dem Vollmond einnehmen musste – waren preiswert, aber für so einen schlechten Trank mit solch üblen Nebenwirkungen war der Preis erheblich überteuert.

„Der nächste Vollmond ist in zweieinhalb Wochen. Sie nehmen den Wolfsbanntrank bei mir ein!“, sagte Severus bestimmend.
Verdutzt blickte Lupin auf, bevor er verschämt und leise beichtete: „Ich habe kein Geld dafür.“ Ein Trank von der Qualität, die der Zaubertränkemeister von Hogwarts herstellte, wäre mindestens 23 Galleonen wert.
Severus hob lediglich eine Augenbraue und erwiderte trocken: „Wenn Sie nicht wollen, dass der Ausschlag auch noch zu nässen beginnt, dann erwarte ich Sie in zwei Wochen um 18 Uhr in meinem Büro!“

Nachdem Lupin begriffen hatte, dass Severus ihm damit die Hand in freundschaftlicher Geste entgegenstreckte, fragte er ungläubig und mit Verwunderung in den Augen: „Warum?“ Warum sollte Severus ihm helfen wollen?
Auch hier gab er schnell eine Antwort, denn sein ehemaliger Schulkamerad erklärte ungeniert: „Ich brauche eine Testperson, denn den Wolfsbanntrank werde ich von meiner Schülerin brauen lassen. Natürlich unter meiner Aufsicht! Es wäre ihr erstes Mal!“ Severus blickte demonstrativ zu Hermine hinüber, damit für alle ersichtlich werden würde, um wen es sich bei seiner Schülerin handelte. Sie lächelte aufmunternd und zwinkerte einmal zu Remus hinüber, der nun auch zu lächelnd begann, während seine Augen allein schon so viel Dankbarkeit vermittelten.
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039 Der kleine Lord




Am Tag nach der Verlobungsfeier von Lupin und Tonks erhielt Severus einen nicht abhörbaren Ruf über das Flohnetz. Arthur erklärte ihm, wo er wann mit Harry und Sirius erscheinen sollte. Ohne Zeit zu verlieren nahm er sich den Hund und ging noch vorm Frühstück eine Treppe höher.

Im Erdgeschoss traf er auf Black, der nach alter Manier, wie er es unzählige Male in der Schule getan hatte, mitten auf dem Gang vor den Augen einiger Schüler seine Freundin umschwärmte und ihr den Hof machte. Als Black ihn zusammen mit dem Hund bemerkte, grinste er hämisch und fragte herablassend: „Na Severus, gehst du mit deinem allerbesten Freund spazieren?“
Severus machte sich nicht einmal die Mühe, ihn böse anzublicken, sondern konterte stattdessen lässig: „Ich gehe mit dem Hund aus. Und Miss Adair mit Ihnen. Ich sehe da keinen Unterschied!“
Bevor Black seinen Zauberstab ziehen und sich wegen dieser Frechheit auf ihn stürzen konnte, sagte Miss Adair etwas missgelaunt und leise zischelnd: „Du hast damit angefangen. Wage es jetzt ja nicht, mir imponieren zu wollen!“ Und Black, wie ein guter Hund es tun sollte, gehorchte aufs Wort.

„Ist Harry drin? Ich habe eben…“ Severus hielt inne und begann einen neuen Satz: „Ich möchte nicht auf dem Gang darüber reden.“ Mit vor Wut zusammengekniffenen Lippen öffnete Sirius die Tür und bat Severus wortlos hinein. Drinnen saß Harry, der bei Severus’ Anblick aufgeschreckt auf die Uhr blickte, um sich zu vergewissern, wegen dem Hund nicht zu spät zu sein. „Sie haben die Zeit nicht vergessen, Harry!“, beruhigte ihn Severus.

Nachdem sich alle vier gesetzt hatten und Severus den Hund von der Leine gelassen hatte, blickte er gnatzig und demonstrativ auf Miss Adair. Mit ihr in der Runde wollte er nichts über das Gespräch mit Arthur verlieren.

„Was? Soll ich gehen? Ich geh! Ich kann den Hund mitnehmen“, schlug Anne vor, die bereits von der Couch aufgesprungen war, denn ihr war nicht entgangen, dass ihre Anwesenheit ganz offenbar nicht erwünscht war.
An Severus gerichtet sagte Black: „Nein, sie bleibt. Ich vertraue ihr. Ich würde ihr sowieso alles erzählen!“
Mit zusammengekniffenen Augen blickte er Black an, bevor er sagte: „Oh ja… Vertrauen! Wie lange kennen sie sich jetzt? Ein halbes Jahr? Sie haben schon Menschen vertraut, Black, die Sie wesentlich länger gekannt haben. Sagen Sie mir bitte, ob Sie in dieser Hinsicht möglicherweise irgendetwas bereuen oder…“
Abrupt unterbrach Harry und stellte lauthals klar: „Ich habe keinen Lust auf diesen Bockmist! Ich möchte euch beide gern weiterhin sehen und hören können, also bitte! Von mir aus kann sie bleiben, aber ich überlasse es allein ihr! Nicht Sirius und nicht Ihnen, Severus!“ Harry war sichtlich gereizt, weswegen Anne lieber den Hund zu sich rief, ihn anleinte und das Zimmer kommentarlos verließ.

Beleidigt warf Sirius ein Bein über das andere und fragte absichtlich genervt klingend, ohne einen von beiden anzusehen: „Und? Was ist jetzt so wichtig?“

Nachdem Severus eine schalldichte, magische Blase herbeigezaubert hatte, erklärte er, dass Arthur sie alle drei sehen wollte, wie er es gestern auf der Verlobungsfeier angesprochen hatte. Er erklärte, dass sie noch eine halbe Stunde Zeit hätten und er die Anweisung bekommen hätte, dass alle drei Muggelkleidung anziehen sollten.

„Muggelkleidung?“, fragte Harry erstaunt, doch er rief sich schnell ins Gedächtnis zurück, dass es Arthur war, der diese Forderung stellte und ganz plötzlich erstaunte es ihn nicht mehr.
„Ja, wir treffen uns in Muggel-London in einem Restaurant. Machen Sie sich fertig, dann können wir gleich los“, sagte Severus.
Sirius warf ein: „Ich werde Anne mitnehmen und Sie nachhause bringen, bevor wir uns treffen!“

Es fiel Sirius schwer, sich ein Lachen zu verkneifen, als er Severus mit schwarzer Stoffhose, dunkelgrünem Wollpullover und schwarzer Wildlederjacke zu Gesicht bekam. Mit der Versicherung, dass Severus dazu keine weißen Turnschuhe tragen sollte, zauberte Harry ihm daraus ein paar schwarze Herrenslipper. Harry selbst hatte sich nicht umziehen müssen, denn in seiner Freizeit trug er, wie auch Hermine, ausnahmslos Muggelkleidung. Er hatte Sirius nicht einmal helfen müssen, dessen elegante Kleidung gegen ein cooles Outfit zu tauschen, denn weil er mit Anne einige Male außerhalb Essen gegangen war, hatte er sich bereits selbständig Kleidungsstücke aus der Muggelwelt zugelegt.

Die vier gingen zusammen mit dem Hund vor die Tore von Hogwarts und apparierten in eine Gasse in London. Ihr plötzliches Auftauchen war niemandem aufgefallen, nur das knallende Geräusch der Apparation hatte einige Tauben aufgeschreckt, die nun davon flatterten. Severus nannte die Straße, in der sie sich treffen wollten und Anne erklärte kurz, wie man am leichtesten dorthin finden würden, bevor sie sich verabschiedete und Sirius versicherte, sie würde schon allein nachhause finden.

„Hier muss es sein!“, sagte Severus, der etwas verstört wirkend auf ein flaches, rötlich weißes Gebäude zeigte.
„Ja, das ist Arthur! Lädt uns in ein Fastfood-Restaurant ein…“, sagte Harry lachend. Den Hund mussten sie, wie ein Schild dies anwies, draußen festmachen, bevor sie das Restaurant betreten durften. Drinnen trafen sie sofort auf Arthur, der die Aufmerksamkeit einiger Leute auf sich gezogen hatte, weil er die lebensgroße Figur eines Clowns mit fröhlich funkelnden Augen bewunderte.

Nachdem sie sich begrüßt hatten, setzten sie sich an einen der großen Tische, bevor Harry sagte: „Damit wir wirklich nicht auffallen, sollten wir was zu essen holen. Hat irgendjemand einen bestimmten Wunsch?“ Alle schüttelten den Kopf, weil niemand genau wusste, was es hier zur Auswahl gab. So überließen sie es Harry, einige Dinge zu besorgen, die er auf einem vollbepackten Tablett an den Tisch brachte und mit den gemurmelten Worten verteilte: „Ich hab zwei Schoko- und zwei Vanilleshakes, viermal Fritten, vier TS, zwei Rips, einen Chicken, einen Fish und zwei Mal Zwiebelringe.“ Zwei von den Wartenden blickten ihn verdutzt an, während Arthur ihm freudestrahlend dankte und bereits einen der Getränkebecher öffnete, um neugierig mit dem Strohhalm vorsichtig herumstochernd das Innere zu inspizieren.

Schlürfend kostete Arthur den Vanilleshake, was Harry ihm gleichtat, während Sirius und Severus die beiden abwechselnd verdattert anstarrten. Harry öffnete eine der kleinen Pappschachteln, die Severus sehr an die erinnerten, die Miss Granger einmal mitgebracht hatte, nur dass das von ihr mitgebrachte Essen wesentlich besser geduftet hatte. Nachdem Harry eine Art belegtes Brötchen entnommen hatte und mit der anderen Hand die kleinen Stücken Zwiebeln und Salat aus der leeren Schachtel pickte, fragte er Arthur: „Also, was gibt es?“ Dann biss er kräftig in das runde Ding hinein, so dass etwas Rotes an der Hinterseite hinausgepresst wurde und auf einer Serviette landete, die Harry vorsorglich dort positioniert hatte. An Harrys Mundwinkeln klebte rotes und weißes Zeug. Aufgrund dieser ungebührlichen Essmanieren blickte Severus sich peinlich berührt um, nur um zu bemerken, dass andere Gäste noch schlimmer aussahen.

„Sie haben da was… am Mund!“, sagte Severus hilfsbereit.
Harry erwiderte jedoch nur trocken: „Warten Sie nur ab, bis Sie reingebissen haben. Hab ich einen Kohldampf! Ich hab heute noch nichts gefrühstückt!“ Black war der nächste, der sich eine Pappschachtel nahm und deren Inhalt nach kurzer Betrachtung verzehrte und zwar genauso unappetitlich wie Harry.

Arthur begann zu erklären: „Keiner wusste, warum Albus euch beim Orden nicht dabeihaben wollte. Ich dachte erst, er würde euch für zu gefährdet halten. Ihr alle habt viele Feinde – Harry am meisten! Und dann noch die Sache mit diesen Radikalen…“ Jeder hatte aufgehört zu essen, bis auf Severus, der nichts von dem nach Fett stinkendem Zeug angerührt hatte. Nach einer kurzen Pause fuhr Arthur fort: „Diese Radikalen… Wir gingen bisher davon aus, dass sie es nur auf Todesserkinder und weitere Verwandte abgesehen haben, aber nachdem der junge Mr. Malfoy gestern erzählte, Parkinson und Zabini hätten nichts mit Todessern zu tun gehabt, da wurde ich stutzig. Ich werde nicht schlau aus der ganzen Sache. Immer wieder verschwinden Zauberer! Einige werden tot aufgefunden und nur wenige überleben ihre Qualen. Diese Leute foltern ihre Opfer, als wollten sie irgendetwas in Erfahrung bringen, aber ich habe keine Ahnung, was das sein könnte. Mittlerweile glaube ich, dass die Opfer alle eine Sache gemeinsam haben und das ist nicht die, mit einem Todesser in Zusammenhang zu stehen!“
Mit dem Shake spülte Harry seinen Bissen hinunter, bevor er fragte: „Und was haben sie gemeinsam?“
Severus war nicht auf den Kopf gefallen. Er hatte über die Monate hinweg die kleinen Artikel verschlungen, weswegen er selbstsicher antwortete: „Es handelt sich ausnahmslos um Reinblüter!“
Arthur bestätigte Severus’ Einwurf und sagte: „Genau! Das ist der Grund, warum Sirius aufpassen muss. Mr. Malfoy natürlich auch, weil er zusätzlich einen der schlimmsten Todesser zum Vater hat. Severus, trotz des Merlinordens gibt es, wie du ja bemerkt hast, einige Leute, die dich nicht für das halten, was du wirklich bist, nämlich ein treuer Kämpfer für die gute Seite und Harry...“
Harry unterbrach und sagte Albus zitierend: „Ich weiß: Ich hab eine Menge Feinde, weil ich die wirren Köpfe um ihren Meister gebracht habe.“
Bestätigend nickte Arthur, bevor er jedoch niedergeschlagen hinzufügte: „Das auch! Ja, das auch! Aber es gibt Gerüchte, dass du… dass du…“, Arthur holte einmal tief Luft, bevor er fortfuhr, „ein neuer dunkler Lord werden könntest!“
Hier blickte Severus erst Arthur, dann Harry mit großen Augen an, bevor sein junger Kollege etwas verdattert zu beteuern versuchte: „Das ist doch Blödsinn, warum sollte ich…? Ich meine, ich bin froh, dass ich endlich meine Ruhe habe!“
Nachdem Sirius bisher nur zugehört hatte, vermutete er jetzt laut: „Harry war der Einzige, der Voldemort endgültig töten konnte, auch wenn er ein wenig Hilfe erhalten hat, was die Sache nur erleichterte, doch es war Harry, der den vernichtenden Zauber ausgesprochen hatte. Nicht einmal Albus konnte Riddle allein auslöschen. Harry konnte es jedoch, was bedeutet, dass Harry…“
Severus führte den Satz zu Ende: „…der mächtigste Magier unserer Zeit ist!“

Der Appetit war Harry gründlich vergangen. Ungläubig starrte er in die Runde. Er erkannte, dass sich die drei zwar Sorgen machten, aber keiner von ihnen wirklich an diese Theorie glaubte, obwohl sie sehr ernst nahmen, dass Albus so eine Vermutung überhaupt geäußert hatte.

„Aber warum sollte Albus glauben, ich würde…? Selbst wenn ich könnte, würde ich niemals meine Macht…!“ Harry brachte keinen seiner Sätze zu Ende, so schockiert war er über die Information, dass Albus und womöglich der Rest des Ordens ihn für einen gefährlichen Zauberer halten würde, dessen Ziel es war, eines Tages die Welt zu unterjochen.

Beruhigend warf Arthur ein: „Mach dir mal nicht zu viele Sorgen, Harry. Alle Weasleys sind auf deiner Seite und auch Remus hält die Behauptung für Schwachsinn. Minerva, Kingsley, Tonks und Alastor sind jedoch weiterhin Albus treu, obwohl es offensichtlich ist, dass auch sie Zweifel haben, genau wie Hagrid. Ich bin sicher, auch Hermine ist voll und ganz auf deiner Seite und…“
Harry machte eine stoppende Geste und sagte: „Was soll das mit ’meiner Seite’? Ich will nicht, dass der Orden sich aufspaltet in ’meine’ Verbündeten und ’seine’ Verbündeten. Ich werde mit Albus reden! Das geht so nicht… Er…“ Harry war so aufgeregt, dass er sich beim Sprechen verhaspelte. „Ich meine, er hat damals schon immer alles schlimmer gemacht, weil er mich nie eingeweiht hat; weil er mir Dinge vorenthalten hat! Das muss nicht noch einmal passieren. Wenn er etwas zu sagen hat, besonders etwas so Abwegiges, dann soll er mir das ins Gesicht sagen! Dann soll er mir sagen, dass er befürchtet, ich würde eines Tages mordlüstern durch die Gegend laufen, um Macht an mich zu reißen. Das will ich aus seinem Mund hören, während er mir dabei in die Augen sieht!“

Es war nicht auszumachen, ob Harry mehr wütend oder traurig war. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus beiden Gefühlen. Auf jeden Fall war er so aufgewühlt, dass er mit zitternden Händen das angebissene Brötchen wieder in die Pappschachtel zurücklegte und es ungläubig schnaufend von sich schob. Keinen von den dreien konnte er jetzt noch anblicken, denn dann würden sie bemerken, dass seine Augen bereits etwas feuchter geworden waren. Damit ihnen nicht auffallen würde, wie sehr ihn diese Information mitgenommen hatte, packte er seinen Shake mit bebenden Händen und sog beschämt an seinem Strohhalm, so dass ein schlürfendes Geräusch entstand.

Ihn beruhigen wollend legte Sirius eine Hand auf Harrys Unterarm, weil ihm nicht entgangen war, dass sich Tränen in den Augen seines Patensohnes gesammelt hatten. Arthur und Severus blickten den jüngsten in der Runde mit bestürztem Gesichtsausdruck an. Sie wussten nur zu gut, dass Harry sich jetzt verraten fühlen musste, nur dieses Mal von jemandem, vom dem er es nie erwartet hatte.

Es schmerzte Arthur, Harry so enttäuscht erleben zu müssen, weswegen er mitfühlend versicherte: „Harry, bitte sorge dich nicht. Ich halte das für Unfug und das weißt du! Natürlich weiß ich, dass du sehr mächtig bist, aber ich kenne dich auch. Es lag dir nie daran, dich über andere zu stellen. Das weiß jeder, der dich kennt und deshalb mach dir nicht zu viele Gedanken darüber.“ Doch Harry reagierte nicht, sondern blickte weiterhin abwesend und mit herunterhängenden Mundwinkeln auf die Stelle seines Drinks, an der der Strohhalm im Becher verschwand. Nochmals versuchte Arthur, Harry Mut zuzureden, indem er sagte: „Ich werde mir eine Weile ansehen, was Albus überhaupt bezwecken will. Molly wollte ihm letztens schon eine Standpauke halten, aber wir wollen erst sehen, wie ernst es ihm ist. Wir werden ihm noch unsere Meinung sagen, darauf kannst du dich verlassen! Harry, ich…“ Arthur hielt inne, bevor er nochmals Harrys Namen sagte.

Als Harry endlich aufblickte, machte er sich nicht die Mühe zu verstecken, dass man ihn aller Illusionen beraubt hatte. Mit dem Frieden, dachte Harry, würde auch sein eigener Frieden einkehren und vor allem bleiben. Noch immer, seit Voldemorts Tod, spürte er diese innere Ruhe, doch nun machte sich auch Enttäuschung in ihm breit. Was für ein Leben hätte er, wenn man ihm nun auf Schritt und Tritt folgen würde, um ihn zu überwachen? Was alles würde der Orden tun, um Albus’ Vermutung zu zerschlagen oder gar zu bestätigen? Und wie lang könnte es dauern, bis Albus wieder zu Sinnen kommen würde?

Harry schloss für einen kurzen Moment die Augen und sagte danach mit gebrochener Stimme: „Ich möchte nachhause.“ Es schmerzte ihn das erste Mal in seinem Leben, Hogwarts sein Zuhause zu nennen und das stimmte ihn noch viel trauriger.

Weder Severus noch Sirius konnten Harrys Laune auf dem Weg vom Tor nach drinnen aufmuntern, obwohl es wahrscheinlich das erste Mal war, dass die beiden älteren Männer einer Meinung waren. Beide schimpften über den Unsinn, den Albus an die Ordensmitglieder weitergegeben hatte. Und beide versprachen Harry, dass sie alles tun würden, damit man ihm das Leben nicht schwer machen würde. Bevor sie Hogwarts betraten, sagte Severus mit flüsternder Stimme zu beiden: „Wir müssen vorsichtig sein. Die Wände haben Ohren!“ Selbst Sirius stimmte dem zu.

Im Erdgeschoss, bevor Severus den Weg in die Kerker einschlug, bat Harry mit abgezehrter Stimme: „Severus? Kann ich den Hund haben? Ich würde gern etwas spazieren gehen.“ Er hielt ihm die Hand entgegen und erwartete die Leine, die Severus ihm selbstverständlich überließ.
„Soll ich mitkommen, Harry?“, fragte Sirius fürsorglich, doch Harry verneinte und wandte sich wortlos von den beiden ab. Ohne sich Bösartigkeiten an den Kopf zu werfen verabschiedeten sich Sirius und Severus voneinander, bevor sie sich in ihre Räumlichkeiten begaben.

Harry benötigte einen Platz zum Nachdenken und sehr bald fiel ihm nur ein einziger Ort ein, wo man ihn nicht stören würde. Er nahm den mittlerweile gut genährten Hund auf den Arm und betrat das Haus, welches für fast sechs Jahre den Unterschlupf von Narzissa Malfoy dargestellt hatte.

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Helen
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Beitrag von Helen »

Hey ich hab deine FF auf hpffa schon soweit sie komplett ist gelesen und das innerhalb von einer woche die story ist einfach nur der hammer und ich hoffe das es ganz bald weitergeht ich bin so gespannt!
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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

Hi Helen,
vielen Dank für dein Lob. In nur einer Woche alles gelesen? Respekt, denn wenig ist es ja nicht gerade. Was fandest du denn bisher am Besten? Das interessiert mich natürlich brennend. :D Kannst mir auch gern auf der anderen Seite ein paar Sätze schreiben.
LG,
Muggelchen




040 Denkarium vs. Legilimentik




Als Severus nach dem Treffen am Sonntagmorgen mit Harry, Arthur und Black um Mittag herum gedankenverloren sein Büro betrat, überraschte er Miss Granger, die sich gerade gefährlich nahe über sein Denkarium beugte. Aufgebracht belferte er: „Was zum Teufel denken Sie sich dabei?“ Sie musste den Schutzzauber seines Schrankes durchbrochen haben und es machte Severus rasend.

Nachdem sie sich umgedreht hatte und für wenige Sekunden in die vor Zorn funkelnden schwarzen Augen geschaut hatte, blickte sie ertappt zu Boden. Sie hatte Snapes Abwesenheit, deren Grund sie nicht kannte, genutzt, um etwas über seine Vergangenheit in Erfahrung bringen zu wollen, doch in der einen Stunde, in welcher sie sogar vier Geheimverstecke im Boden und in den Wänden aufgespürt und geöffnet hatte, war sie auf nichts gestoßen, was Snapes Gefühlswandlungen erklären könnte oder was auf ein bestimmtes Ereignis von vor über zwanzig Jahren hinweisen würde. Das Einzige, was ihr blieb, war sein Denkarium, welches sie vor einer Viertelstunde ausfindig gemacht hatte, doch bisher hatte sie nicht den Mut gefunden, einen Blick hineinzuwerfen. Sie hatte keine Erfahrung mit einem Denkarium und kannte deren Sinn und Zweck lediglich aus Büchern.

Seine sonst so furchteinflössende Art, leise und bedrohlich zu sprechen, hatte er abgeschüttelt, denn jetzt giftete Snape sie bösartig mit den Worten an: „Sie haben sich gerade mit Ihrem Verhalten um eine Stelle gebracht, die ich nie wieder jemandem anbieten werde! Haben Sie mich verstanden!“
Ihre Lippen zitterten, weil sie Snape nicht nur enttäuscht hatte, sondern sich selbst um die Chance gebracht hatte, beim ihrer Meinung nach besten Zaubertränkelehrer in Europa eine Meisterprüfung machen zu können. Sie würde ihn nicht anlügen, denn sie wusste von Harry, dass er ein hervorragender Legilimentiker war. Vielleicht trieb er sich jetzt schon in ihren Gedanken herum, ohne dass sie etwas davon bemerkte, weswegen sie ehrlich, wenn auch mit leiser, stockender Stimme versicherte: „Ich habe nicht reingesehen!“

Für einen Augenblick wusste Severus nicht, wie er reagieren sollte. Wäre sie irgendeine Schülerin, würde er sich für ihren Schulverweis einsetzen, aber sie war seine Schülerin. Sie war eine erwachsene Frau, die nichts unüberlegt tun würde. Trotzdem kam die schmerzende Erinnerung in ihm auf, als er Harry damals in einer ähnlichen Situation erwischt hatte, nur dass er damals nicht hatte verhindern können, dass Harry einen seiner unangenehmsten Momente im Leben gesehen hatte. Wütend warf er Miss Granger vor: „Aber Sie wollten! Warum? Haben Sie nach Erinnerungen gesucht, die Sie sich mit Ihrem besten Freund teilen wollten, um gemeinsam über mich zu lachen, genau wie damals?“

Verstört blickte Hermine auf und fragte verdutzt: „Ich weiß nicht, was Sie meinen?“
Schnaufend brachte er ihr all die Geringschätzung entgegen, die er während ihrer Zeit als Schülerin auch nie zurückgehalten hatte, bevor er drohte: „Versuchen Sie nicht mir weiszumachen, dass Mr. Potter Ihnen niemals davon erzählt hat!“
Sie schüttelte voller Unverständnis den Kopf und fragte: „Was soll er mir erzählt…?“
Doch Snape unterbrach sie und schimpfte: „Sie neunmalkluge Göre! Hören Sie auf, mich für dumm zu verkaufen!“ Erst hier rannen ihre Tränen die Wangen hinunter, die sie zuvor noch hatte zurückhalten können, aber es ließ ihn unbeeindruckt. Während er gestern noch Mitleid mit ihr gehabt hatte, weil sie wegen irgendetwas geweint haben musste, zeterte er dieses Mal: „Sie brauchen nicht zu glauben, dass Ihre weibliche Taktik mich in irgendeiner Art und Weise besänftigen würde. Hören Sie auf zu flennen und erklären Sie mir auf der Stelle, weswegen Sie in meine Privatsphäre eindringen wollten! Oder vielleicht haben Sie es schon längst getan?“

Auf der einen Seite atmete sie aufgeregt, weil sie Angst vor Snape bekommen hatte und auf der anderen Seite, weil er sie mit seinen Worten so sehr verletzte, dass sie ihre Tränen nicht zurückhalten konnte, egal wie sehr sie ihm gerade diese Angriffsfläche verwehren wollte. Er war mit einem Male wieder der verabscheuungswürdige Lehrer von früher – wenn nicht sogar um einiges schlimmer –, der nichts und niemanden leiden konnte und dies auch nicht mehr verbergen wollte.

Sich zusammennehmen wollend sagte sie erneut und mit zitternder Stimme: „Ich habe nicht hineingesehen! Und ich habe keine Ahnung, was Harry damit zu tun haben sollte!“ Sie ließ noch einige Schimpfwörter über sich ergehen, während sie mehrmals schluchzte und die Nase hochzog. Natürlich kränkte er sie gezielt mit dem Wort „Besserwisser“, aber auch andere Worte waren in seiner Schimpftirade enthalten, die sie nicht einmal in Gedanken wiederholen wollte. Diese Situation ließ unangenehme Erinnerungen in ihr aufkommen. Erinnerungen an Situationen, in denen er ihr damals schon wehgetan hatte. Sein Gezeter unterbrechend schrie sie aufgebracht: „HÖREN SIE AUF! Ich habe niemals in Ihr verdammtes Denkarium geschaut!“

Durch ihre Lautstärke völlig in Rage versetzt zog Severus seinen Zauberstab und richtete ihn mit kaltem hinterhältigem Blick auf seine ehemalige Meisterschülerin. Sie reagierte jedoch nicht, wie er es erwartet hatte, indem sie ihren eigenen Stab zog, sondern sie erstarrte kurzerhand zur Salzsäule. Offenbar rechnete sie mit einem bösen Fluch, aber Severus, der sich aufgrund des Mangels ihrer eigenen Verteidigung nicht dazu imstande sah, sie verhexen zu wollen, sagte lediglich kaum hörbar: „Legilimens.“

Er war leichter in ihren Kopf eingedrungen als sie es für möglich gehalten hatte. Sie musste seinen gewaltsamen Zutritt dulden, denn sie kannte keinen Weg, ihn zu vertreiben. Okklumentik war eines der wenigen Dinge, von denen sie keine Ahnung hatte. Ihr Herz schlug schneller und ihre Atmung stockte, als sie seine unverkennbare Präsenz wie einen schwarzen Fleck in ihrem Geiste spürte und sie bekam es mit der Angst zu tun.

Erinnerungen, die aktuell waren und alte Erinnerungen, an die sie vor kurzem gedacht hatte, befanden sich alle ganz deutlich im Vordergrund ihres Gedächtnisses, in welches Severus sich gerade Zutritt verschafft hatte. Hätte Harry ihr damals davon erzählt, was er in seinem Denkarium gesehen hatte, würde Severus ohne viel Mühe oder zeitraubender Suche auf diese Erinnerung stoßen, denn nach seiner absichtlichen Erwähnung über den Denkarium-Vorfall mit Harry musste sie zweifelsohne an diesem Moment gedacht haben. Severus fand jedoch nichts dergleichen. Es schien nicht einmal eine Erinnerung daran vorhanden zu sein, wie Harry etwas von einem Denkarium erzählt hatte, geschweige denn, dass er unerlaubt einen Blick hineingeworfen hatte.

Stattdessen sah Severus andere Erinnerungen, die sich während ihrer Auseinandersetzung bei ihr in den Vordergrund gedrängt hatten. Erinnerungen daran, wie er sie schon in der ersten Zaubertränkestunde nicht aufgerufen hatte, obwohl sie sich unentwegt gemeldet hatte. Und Erinnerungen daran, wie er ihr Punkte abgezogen hatte, weil sie ohne Aufforderung eine Frage richtig beantwortet hatte und wie er sie danach vor der ganzen Klasse mit seinen Schimpfworten bedacht hatte. Nachdem besonders die Slytherins über das Gryffindor-Mädchen gelacht hatten, stolperte er plötzlich in eine Erinnerung, die mit gekränkten Gefühlen in Verbindung gebracht wurde, die so stark waren, dass er sie am eigenen Leib wahrnehmen konnte. Er spürte ihre Schmerzen, nachdem Draco ihre Zähne mit dem Densaugeo-Fluch zum Wachsen gebracht hatte. Er fühlte die Demütigung, das Schamgefühl, sogar den schmerzenden Kiefer – genau das, was sie damals empfunden hatte. Gleich darauf sah Severus sich selbst, wie er mit ausdrucksloser Miene zu Miss Granger sagte: „Ich sehe keinen Unterschied!“ Dieser Moment wiederholte sich einige Male, bevor sie von einer weiteren Erinnerung abgelöst wurde: Miss Granger, weinend, bei ihren Eltern Zuhause; wie sie mit ihrer Mutter sprach und in Erwägung zog, Hogwarts nach den Ferien nicht mehr zu besuchen. Ihr Vater, Mr. Granger, der sie liebevoll umarmte und ihr bestätigte: „Du bist meine hübsche, kluge Tochter. Lass dir von niemandem das Gegenteil einreden!“ Ihre verletzten Gefühle von damals, die Severus nun selbst erleiden musste, waren zu viel für ihn, so dass er die Legilimentik beendete.

Es war ein schreckliches Gefühl, falsch gelegen zu haben. Miss Granger hatte tatsächlich nicht in sein Denkarium geschaut und sie hatte auch keine Ahnung davon, was Harry damals darin gesehen hatte. Stattdessen hatte er in ihren Erinnerungen gestöbert und fühlte sich nun schlechter als zuvor, als er sich noch im Recht glaubte. Jetzt hatte er selbst das getan, was er ihr zuvor noch vorgeworfen hatte, denn er hatte ihre Privatsphäre verletzt und war somit nicht besser als Harry.

Völlig entsetzt über das, was eben geschehen war, blickte Hermine den Professor mit großen, feuchten Augen an. Ihr war schwindelig und ihr Herz pochte so sehr, als wollte es sich aus dem Brustkorb befreien. Er hatte sich an ihren Gedanken vergangen, ihr psychische Gewalt angetan, weil er einfach getan hatte, wozu er fähig war, ohne dass sie sich dagegen hatte wehren können. Sie fühlte sich missbraucht und ausgeliefert; fühlte sich von ihm genauso gedemütigt wie früher.

Während sie heftig und hörbar durch die feuchte Nase atmete, stand er nur da, blickte sie an und war offensichtlich um einige Worte verlegen. Als sie sich endlich zusammengerissen hatte, wandte sie ihren nun gefühllosen Blick von ihm ab und ging wie in Zeitlupe zu dem Stuhl hinüber, auf dem ihre Jacke und ihre Tasche lagen. Sie kleidete sich an, griff in ihre Tasche und zog eine Mappe heraus, die sie wortlos auf den Tisch legte. Danach nahm sie ihre Tasche und ging, ohne Professor Snape auch nur einmal anzusehen, zur Tür. Nachdem sie diese bereits geöffnet hatte, schüttelte der Professor sich endlich von seiner Starre frei und sagte kleinlaut: „Miss Granger?“ Die junge Frau hielt jedoch nicht inne, sondern trat über die Schwelle und schloss die Tür leise hinter sich.

Wie versteinert verweilte Severus einen Moment zur Tür starrend, durch die seine Meisterschülerin – oder besser ehemalige Meisterschülerin, denn ihre Ausbildung bei ihm hatte er in einem Anfall von Wut beendet –, eben stillschweigend, aber sichtlich angegriffen, den Raum verlassen hatte. Nachdem er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, ging er zum Tisch hinüber und schlug die Mappe auf, die sie zurückgelassen hatte. Als er ihre zierliche, ordentliche Schrift überflog, wurde ihm bewusst, was er gerade betrachtete. Eine neue Theorie Harry betreffend hatte sie ihm als Abschied dagelassen.

Auf den Korridoren der Kerker fiel es ihr noch schwerer, ihre Tränen zu unterdrücken, weswegen ihr hier und da schon einige Schüler hinterherblickten. Sie hielt es für klug, sich zunächst bei Harry zu beruhigen, weswegen sie eine Treppe höher ins Erdgeschoss ging.

Kaum hatte sich Harrys Tür geöffnet, ließ sie ihren Tränen freien Lauf und bemerkte nicht einmal, dass es Sirius war, der sie nun hereinbat. „Was ist denn nur los, Hermine?“, fragte er mitfühlend. Harry, der sich seit Arthurs Offenbarung heute früh den ganzen Tag lang fühlte, als würde er auf glühenden Kohlen sitzen, sprang alarmiert vom Sofa auf und blickte seine beste Freundin mit großen Augen an, bevor er sie umarmte und fest an sich drückte, weswegen sie nur noch stärker schluchzte.

Eine ganze Weile brachte sie kein einziges Wort heraus. Sirius hatte den zweien bei einem Hauself ein wenig Tee und Gebäck bestellt, bevor er sich in sein Schlafzimmer zurückgezogen hatte, um sie allein zu lassen. Die beiden hatten mittlerweile auf der Couch Platz genommen. Harry drückte sie noch immer tröstend an sich, streichelte ihr über den Rücken und die buschigen Haare, als er endlich mit leiser Stimme fragte: „Minchen, was ist denn nur passiert?“ Er vermutete, es könnte sich womöglich um einen Streit mit Ron handeln.

Noch immer konnte sie nichts sagen. Erst der Hauself schreckte sie versehentlich auf, als er mit einem lauten Plop den beruhigenden Tee und ein paar Orangenkekse brachte, um gleich darauf wieder zu verschwinden. Harry löste die Umarmung, schenkte Hermine Tee ein und reichte ihr die Tasse. Erschreckend musste er feststellen, dass ihre Hände so sehr zitterten, dass nicht nur scheppernd die Tasse mit der Untertasse kollidierte, sondern auch der Löffel in der Tasse klingelnde Geräusche erzeugte, weswegen er ihr die Tasse lieber wieder abnahm und sie auf den Tisch stellte. Hermine blickte ungläubig auf ihre Hände, die schneller als die Flügel einer Eule flatterten, die sich gerade vom Boden erheben wollte. Noch immer war ihre Atmung sehr stockend. Beruhigend ergriff Harry ihre Hände und legte sie übereinander, damit er sie mit seinen vollkommen umschließen konnte.

Nach einer Weile sprach sie endlich. Harry musste häufig nachfragen, weil er wegen ihrer ständigen Schluchzer wenig verstehen konnte. Sie erzählte ihm genau, was Severus ihr angetan hatte. Wie er sie beschimpft, beschuldigt und ihr vorgeworfen hatte, sich über ihn lustig machen zu wollen. Sie schilderte ihm von dem demütigenden Erlebnis, als er sich unerlaubt Zutritt in ihre Gedankenwelt verschafft hatte und besonders eine Sache gesehen hatte, die noch heute zu einem ihrer schlimmsten persönlichen Erlebnisse zählte, wenn man alle Kriegsereignisse außen vor lassen würde. Zu guter Letzt erzählte sie, dass er sie als seine Schülerin nicht mehr sehen wollte. Er hatte ihr unmissverständlich klar gemacht, sie als Meisterschülerin nicht mehr haben zu wollen.

„Du hast an seinem Denkarium gestanden?“, fragte er ungläubig. Sie nickte zustimmend, versicherte jedoch, nicht hineingesehen zu haben. Harry war nun klar, warum Severus so außer sich geraten war.
Sie fragte ganz plötzlich mit verschnupft klingender Stimme: „Warum hast du nie erzählt, dass du heimlich eine seine Erinnerungen angeschaut hast?“
Betroffen blickte Harry zu Boden, bevor er schilderte: „Das war damals genau so eine Situation wie jetzt mit dir, Hermine. Er war so wütend… Ich dachte, er würde mir den Kopf abreißen und als Zutat für irgendeinen Zaubertrank nehmen.“ Hermine lachte kurz auf, aber ihr Gesicht war noch immer von Kummer gezeichnet.
„Harry, ich will ja gar nicht wissen, was du da gesehen hast, aber ich möchte versuchen zu verstehen. Ich verstehe Snape nicht! Er war bisher so nett zu mir und das war ja schon verwirrend genug, aber heute? Er war ein richtiges Schwein! Im Moment dürfte er nicht hier auftauchen, sonst…“, Hermine hielt inne, weil sie nicht wusste, was sie dann tun würde. Würde sie ihn anschreien oder sogar verhexen? Vielleicht würde sie ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen und ihn beschimpfen – sich über seine fettigen Haare, seine ungesunde Hautfarbe und seine Hakennase lustig machen? Nein, sie war kein Typ, der andere wegen ihres Äußeren verlachte.

Tief Luft holend machte sich Harry bereit zu versuchen, ihr einiges zu erklären, ohne die Erinnerung aus dem Denkarium zu erwähnen, die er nie zu Ende gesehen hatte. „Hermine, du weißt doch sicher noch, was sie mit Luna in der Schule gemacht haben.“
Sie fragte nach: „Meinst du, dass sie ihre Sachen versteckt haben?“
Harry nickte, bevor er schilderte: „Ich habe mich mit Remus etwas über deren Schulzeit unterhalten. Er hat Tagebuch geführt, weißt du? Na ja und die Rumtreiber – du weißt, wen ich meine – die waren nicht sehr nett. Für einige waren sie sicherlich sehr cool, aber die, die anders waren…“
„Anders wie Luna“, warf Hermine ein, weshalb Harry nochmals nickte.
„Ja, nur dass man mit Luna noch ausgesprochen harmlos umgegangen war. Die Rumtreiber haben Dinge getan…“ Harry hielt inne und schüttelte den Kopf, bevor er offen und betroffen zugab: „Ich wäre daran zerbrochen, wenn man das mit mir in der Schule gemacht hätte, Hermine!“
Hermine musste einmal angestrengt schlucken, bevor sie einmal die Nase hochzog und danach leise sagte: „Ist er nicht daran zerbrochen?“
Den Kopf schüttelnd vermutete Harry: „Nicht daran, denke ich, aber es hat natürlich dazu beigetragen, dass er so geworden ist, wie er jetzt ist. Was ich sagen möchte ist: Allein die Tatsache, dass du an seinem Denkarium gestanden hast, hat ihn daran erinnert hat, wie ich seine schreckliche Erinnerung gesehen habe. Er muss so wütend auf dich gewesen sein, dass er…“
Hermine sagte aufgebracht: „Ich habe ihm gesagt, dass ich nichts angeschaut habe! Er hat mir nicht geglaubt und hat einfach in meinem Kopf herumgewühlt, um mich überführen zu können. Er hat in meinen schlimmsten Erinnerungen gestochert, Harry! Er hat genau das getan, was er mir grundlos vorgeworfen hatte. Was glaubst du, wie ich mich jetzt fühle? Er hat das mit meinen Zähnen gesehen, Harry.“ Sie hielt sich vor Scham die Hände vor das Gesicht, bevor sie noch hinzufügte: „Snape hat gefühlt, was ich gefühlt habe.“ Sie schluchzte kurz aufgebracht, fing sich jedoch schnell wieder.

Hier hakte Harry nach: „Was? Du hast gewusst, dass er nicht nur deine Erinnerung sieht, sondern auch fühlt?“ Sie nickte, konnte aber nicht erklären, warum dies so war. Murmelnd sagte Harry: „Das muss der Unterschied zwischen Legilimentik und einem Denkarium. Ich selbst habe Legilimentik ja niemals angewandt, nur Okklumentik. Im Denkarium werden nur pure Erinnerungen abgelegt, die man wie einen Film sehen kann. In dem Kopf einer Person… Er muss das gefühlt haben, was du zu der Erinnerung gefühlt hast. Kann ich mir anders nicht erklären. Keine Ahnung, ob er während meines Unterrichts auch das gefühlt hat, was ich zu meinen Erinnerungen empfunden habe, die er gesehen hat. Ist ja eigentlich auch egal. Hermine, ich bin der festen Überzeugung, dass Severus sich sehr bald darüber klar sein wird, dass er einen Fehler begangen hat; dass er dich grundlos gefeuert, dich unnötig beleidigt und dich verletzt hat! Wenn er das nicht sogar schon wenige Sekunden später gewusst hatte, nachdem er deinen Kopf verlassen hat!“
Wütend sagte Hermine: „Trotzdem würde ich ihn verhexen, wenn er jetzt, in diesem Moment, durch diese Tür hereinkommen würde!“

Es wäre nicht klug, Hermine in ihrem Zustand von dem zu berichten, was Albus in Umlauf gebracht hatte. Allerdings könnte es sie im ersten Moment sogar belustigen, wenn er ihr beibringen würde, man würde ihn für den nächsten, dunklen Lord halten, doch sie würde nur solange herzhaft darüber lachen, bis er ihr anvertrauen würde, um wen es sich bei der Person handelte, die diese Theorie vertreten würde.

Sein Kollege Severus schien in den letzten Wochen und Monaten zwar immer wieder mal in alte Muster zu verfallen, aber dass es so schlimm kommen würde wie heute, hätte Harry nicht gedacht. Nach einer kurzen Überlegung wollte er an Hermines logische Denkweise appellieren und fragte daher: „Mine, wenn wir annehmen würden, dass das mit Snapes seltsamen Anwandlungen eine Krankheit wäre, wie würdest du dann das bezeichnen, was heute geschehen ist?“

Sie schnäuzte sich zunächst die Nase und trocknete die Augen, bevor sie nachdachte und mit verquollener Stimme sagte: „Ich würde sagen, er hatte einen Rückfall.“ Hier stimmte Harry ihr zu. Obwohl sie stinksauer auf Snape war, so wusste sie doch auch, dass er möglicherweise für sein explosives Verhalten gar nichts konnte. Ihr klangen plötzlich seine Worte in den Ohren, die er vor nicht allzu langer Zeit zu ihr gesagt hatte: „Miss Granger, es bedeutet mir viel, was Sie für mich tun!“ So etwas Feinfühliges konnte er von sich geben, wenn man ihn nett behandelte, doch wenn man sich wie heute einen Fehltritt erlaubte, dann brachen Zorn und Wut ungebremst hervor und ließen ihn zu einer abscheulichen Bestie werden.

„Wir dürfen nicht aufgeben, Mine. Ich glaube, er macht sich in diesem Augenblick vielleicht sogar schon Vorwürfe und sucht nach einer Möglichkeit“, Harry wurde unterbrochen, als Hermine den Satz beendete, „sich bei mir zu entschuldigen! Das soll er mal versuchen, dieser…“
Er beruhigte sie und empfahl: „Schlaf erst einmal drüber, ja? Ich weiß, dass du dich gekränkt fühlst und du hast jedes Recht dazu, wütend auf ihn zu sein. Du hast selbst immer gesagt, man soll lieber über eine Sache schlafen, wenn sie einen zu sehr beschäftigt. Geh einfach das, was heute vorgefallen ist, nochmal mit deinen grauen Zellen durch. Du hast mir doch erzählt, wie er gesagt hatte, du würdest dir die Mühe machen, seine Freundschaft zu erlangen. Zeig ihm einfach, wozu du wirklich fähig bist. Er hofft, dass wir ihm helfen, Mine! Ich habe auch viele, viele Dinge wegstecken müssen, bis ich ihm nahe gekommen bin. Ich glaube aber, von seinem Denkarium sollten wir wirklich die Finger lassen.“
Harry konnte ein gequältes Lächeln auf Hermines Lippen zaubern, die noch immer ein wenig zitterten. Severus musste ihr wirklich eine Heidenangst eingejagt haben, dachte Harry.

Betroffen und verletzt sagte Hermine: „Ach Harry, ich hab überhaupt keine Ahnung, wo ich mit einer Nachforschung beginnen könnte, wenn wir niemanden sonst fragen können. Außerdem weiß ich nicht, ob ich ihn so schnell wiedersehen möchte. Er war heute echt ein…“
„Schwein! Ja ich weiß, Hermine. Zu mir war er auch so“, sagte Harry kopfnickend.
Sie schluchzte nur noch einmal, bevor sie vorsichtig fragte: „Du gehst bestimmt heute Abend mit seinem Hund raus.“ Harry nickte, so dass sie ihn gleich darauf bat: „Fang das Thema bitte nicht an! Versprichst du’s mir? Wenn er drüber sprechen möchte, soll er von sich aus anfangen oder besser gleich mit mir reden!“
Auch hier stimmte Harry nickend zu. „Ich bin gespannt, ob er überhaupt was zu mir sagen wird“, sagte Harry abschließend, bevor er sich von Hermine verabschiedete, die einfachheitshalber seinen Kamin benutzte, um nachhause zu flohen.

Nachdem Severus die Theorie durchgegangen war, die Miss Granger ihm dagelassen hatte, begann er sich zu fragen, warum er sie nur aus seinen Diensten entlassen hatte. Die Ideen, die sie immer hatte, waren zwar außergewöhnlich, aber nachvollziehbar. Sie hatte einen klugen Kopf und er hatte sich an genau diesem auf brutale Weise vergriffen. Das erste Mal in seinem Leben konnte er wirklich nachvollziehen, wie sich ein anderer Mensch fühlen musste, denn Empathie war im Allgemeinen nie seine Stärke gewesen. Natürlich rief er sich immer und immer wieder das Szenario ins Gedächtnis zurück, wie es ihm ergangen war, nachdem er Harry in seinem Denkarium erwischt hatte. Damals waren Severus viele Dinge durch den Kopf gegangen, aber die schlimmste Befürchtung war jene gewesen, dass Harry alles, was er über seinen Zaubertränkelehrer gesehen hatte, herumerzählen würde, damit man ihn wieder einmal zum Gespött der Schule machen könnte. Doch Harry hatte es tatsächlich all die Jahre für sich behalten; hatte nicht einmal seinen besten Freunden davon berichtet.

Ganz tief in seinem Innern bereute er, wie er mit Miss Granger umgegangen war. Er bedauerte, sie von sich gestoßen zu haben, weil sie bisher eine geniale Schülerin gewesen war, die er zu gern weiterhin unter seinen Fittichen hätte. Er hatte zuvor noch nie einen privaten Schüler gehabt. Einen Meisterschüler zu unterrichten war etwas anderes als täglich den Dummköpfen in den Klassen etwas in ihre Schädel prügeln zu wollen. Miss Granger als Schülerin zu haben bedeutete, immer jemanden um sich zu haben – nicht allein zu sein. So überwältigend und gleichermaßen beängstigend die Gefühle im ersten Moment auch waren, nachdem sie bei der angebotenen Stelle zugesagt hatte, so unerträglich war es nun zu wissen, dies alles durch einen Fehler verloren zu haben.

Die Mappe mit ihrer neuen Theorie hatte Severus mit in sein Wohnzimmer genommen. Auf der Couch sitzend blickte er auf ihre Handschrift, die ihm mittlerweile so vertraut war, während der Hund seinen Kopf auf Severus’ Oberschenkel gelegt hatte, um sich tätscheln zu lassen. Miss Granger war sehr ordentlich. Nie hatte er einen Schreibfehler entdeckt oder gar ein durchgestrichenes Wort. Sie hatte stets drauf geachtet, ihn mit ihrer Arbeit zufriedenzustellen. Gedankenverloren vergaß Severus das Abendessen und die Zeit.

Plötzlich klopfte es, bevor die Tür sich bereits ohne Aufforderung öffnete. Es konnte sich nur um Harry handeln, dachte Severus und seine Vermutung wurde bestätigt.

„Hi, Severus! Heute keinen Hunger gehabt? Hab’ Sie beim Abendessen vermisst“, sagte Harry gut gelaunt. Der Hund sprang auf, rannte zu Harry herüber und wedelte aufgeregt mit dem Schwanz.
„Was dagegen, wenn ich heute Abend mitkomme?“, fragte Severus mit beherrschter Stimme einen daraufhin verdutzten Harry, der jedoch keinesfalls ablehnte.

In der Nähe von Hagrids Hütte spazierten sie am verbotenen Wald entlang. Harry ahnte, dass Severus reden wollte, denn immer wieder blickte sein älterer Kollege zu ihm hinüber. Mittlerweile schien es fast so, als würde Severus von Harry erwarten, den Anfang zu machen, aber er hatte Hermine versprochen, das Thema nicht zu erwähnen.

Severus schien solche Schwierigkeiten zu haben, sich jemandem anzuvertrauen, so dass Harry sich ein Herz nahm und endlich fragte: „Geht es Ihnen gut? Sie sehen sehr nachdenklich aus.“ Das sollte reichen, um Severus zum Reden zu bewegen, aber Harry hatte sich geirrt. Vielleicht ging sein Kollege davon aus, dass Harry bereits über alles im Bilde war, aber selbst wenn er damit richtig lag, würde Harry niemals ein Versprechen brechen. So liefen sie weiterhin stumm nebeneinander her, bevor sie wieder den Heimweg einschlugen. Severus hatte kein Wort von sich gegeben.

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Helen
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Beitrag von Helen »

Ja ich hab da gerade gesehen das du noch ein kapitel reingestellt hast und hab es auch schon durch!

Ich find das mit Susan und Draco total spannend. Naja und was aus Hermine und Severus wird will ich auch ganz unbedingt wissen! Ich hoffe es geht ganz schnell weiter, bin so gespannt!
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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

Hi Helen,
dass Draco überhaupt mit Susan anbandelt, ist schon ein kleines Wunder, aber sie werden es gemeinsam schon meistern.
Hermine und Severus... da wird man abwarten müssen. Momentan ist sie nichts weiter als seine private Schülerin und Reibereien sind somit vorprogrammiert.
Ich habe gesehen, dass du jetzt auch woanders registriert bist :)
LG,
Muggelchen




041 Bauern & Knechte




Draco hatte Susan von dem Besuch bei seinem Vater erzählt und wie sehr der sich darüber aufgeregt hatte, dass sein Sohn keine Reinblüterin gewählt hatte. Susan konnte Draco gar nicht beruhigen. Immer wieder sollte sie ihm versprechen, seinen Vater nicht mehr zu besuchen, aber das konnte sie nicht. Shacklebolt und später auch der Minister persönlich haben ihr ausdrücklich auferlegt, sich um Mr. Malfoy zu kümmern, falls dieser Aussagen machen wollte, die für das Ministerium wichtig sein könnten. Doch würde er mit ihr überhaupt noch reden wollen? Sie müsste es herausfinden und so gab sie Draco das Versprechen nicht.

Mr. Malfoy hatte kein Wort gesagt, nachdem sie seine Zelle betreten hatte; auf ihren Gruß nichts erwidert. Er saß bewegungslos auf seiner Pritsche und umklammerte mit einer Hand das Ende einer Decke. Nach einigen Schweigeminuten sagte Susan unsicher: „Wir sind doch immer gut miteinander ausgekommen, Mr. Malfoy. Warum kann das nicht so bleiben?“

Innerlich lachte Lucius. Sicherlich war er gut mit ihr ausgekommen. Sie war die Einzige, die ihn regelmäßig besucht hatte – öfter als sein Sohn. Ihre Besuche gaben ihm eine gewisse Routine und ließen ihn glauben, er wünschte die Abwechslung, die ein Gespräch mit ihr brachte. Für eine Halbblüterin war sie erträglich, dachte Lucius. Und trotzdem war sie nur eine Halbblüterin. Eine Frau, die nicht gut genug für seinen Sohn war. Wie sehr wünschte er sich, dass Draco mit der jungen Miss Parkinson zusammengekommen wäre. Sie war reinblütig, wenn auch nicht gerade hübsch mit ihrem Mopsgesicht und wenig sympathisch wegen ihres ständigen Kicherns. Auf seinen Wunsch hin hatte Draco sie im vierten Schuljahr zum Weihnachtsball eingeladen, aber er schwärmte danach keineswegs für das Mädchen. Sie würde so plump tanzen wie ein Nilpferd, scherzte sein Sohn im Nachhinein, weswegen er ihm eine Ohrfeige gegeben hatte.

„Mr. Malfoy, kann ich etwas für Sie tun?“, fragte Miss Bones schüchtern. Natürlich musste Draco ihr von dem Gespräch erzählt haben. Weshalb sonst wäre sie jetzt so befangen? Glaubte sie etwa, dass er ihr an die Kehle gehen würde? Das würde er vielleicht sogar tun, wenn er sie nur sehen könnte. Die Worte seines Sohnes hatten ihn aufgewühlt. Die letzte Zeit hatte Lucius nur noch damit verbracht, in seiner Vergangenheit zu stöbern und sich zu fragen, ob alles, was sein Vater und sein Großvater ihm eingetrichtert hatten, vielleicht doch falsch gewesen sein könnte. Aber das konnte nicht sein, denn das würde ja bedeuten, dass sein Großvater, sein Vater und er selbst ein Leben lang verklärten Ansichten gefolgt wären. Malfoys machten keine Fehler! Lucius musste sich jedoch eingestehen, im Ministerium mit Potter falsch umgegangen zu sein. Das war ein Fehler gewesen. Und dass er damals Riddles Tagebuch an die Weasley-Tochter weitergegeben hatte, hatte sich am Ende auch als Fehler herausgestellt. Aber nicht als sein Fehler. Voldemort selbst hatte es am Ende vereitelt, wieder lebendig werden zu können, aber natürlich hatte Lucius dafür bezahlen müssen, dass Voldemort einen zwölfjährigen Knirps nicht zur Strecke hatte bringen können. Eigentlich hatte Voldemort schon damals versagt, als er nicht einmal dazu in der Lage gewesen war, ein Kleinkind zu töten. Voldemort hatte für die eigenen Fehler immer andere büßen lassen.

„Ihr Sohn hat mir Seife und Wein für Sie mitgegeben“, sagte Miss Bones, deren Stimme von Mal zu Mal leiser wurde.
’Seife und Wein’, wiederholte Lucius in Gedanken. Sein Sohn konnte es nicht lassen, ihn weiterhin zu belästigen, dieser dumme Junge! Würde er den Duft der Seife atmen und dazu den Wein genießen, würde er unweigerlich an Narzissa denken müssen. Narzissa war seine Göttin! Sie war die schönste Frau aus dem Hause Black. Er war stolz darauf, dass sie ihn als Ehemann auserwählt hatte. Sie hatte vor Freude weinen müssen, als sie ihm nach langer Zeit endlich hatte mitteilen können, schwanger zu sein und dass es ein Sohn werden würde, wie er es sich immer gewünscht hatte. Bei der kleinsten Komplikation während ihrer Schwangerschaft – und das waren viele – hatte er um das Ungeborene gebangt. Als er den kleinen Jungen endlich in den Händen hatte halten können, gab es keinen Augenblick, der diesem Moment hätte übertrumpfen können. Er erinnerte sich sehr gut daran, wie er Draco das erste Mal in den Armen gehalten hatte – seinen eigenen Sohn.

Hätte Lucius gewusst, wohin das alles mit Voldemort führen würde, hätte er das Weite gesucht. Früher, als Lucius sich ihm angeschlossen hatte, da waren dessen Ziele noch klar und erstrebenswert gewesen, aber mehr und mehr hatte sich Voldemort von einem gutaussehenden, schlauen und mächtigen Zauberer in einen schlangenhaften, verblendeten und vor dem Tod zitternden Wirrkopf mit obsessiven Bestrebungen gewandelt; Ziele, die absolut nichts für dessen Anhänger herausspringen ließen. Als Todesser war er nur noch ein Knecht gewesen, mit dem Voldemort gemacht hatte, was er wollte. Keine der Versprechungen waren vom Dunklen Lord eingehalten worden, aber jeder hatte gehofft, dass nach Potters Tod all die zugesicherte Macht und ein enormer Reichtum bereits als Belohnung warteten. Aber nichts da… Es war ein Fehler gewesen, sich dem Dunklen Lord anzuschließen. Und es war ein Fehler, nicht einmal, wie Severus, den richtigen Moment zu finden, um das sinkende Boot zu verlassen. Lucius hatte in seinem Leben also doch Fehler begangen.

„Miss Bones…“, begann Lucius und es dauerte sehr lange, bevor er fortfuhr. Susan wartete geduldig, bis Mr. Malfoy endlich mit zerbrechlicher Stimme fragte: „Was genau muss ich tun, damit meine Augen behandelt werden?“
Sie lächelte erleichtert, was er natürlich nicht sehen konnte, es jedoch am Klang ihrer Stimme bemerkte, als sie antwortete: „Im St. Mungos ist ein ganzer Flügel eingerichtet worden, der sich nur um solche Fälle kümmert.“
Erstaunt fragte Mr. Malfoy: „Ein ganzer Krankenflügel?“
Susan nickte, denn ihr war für einen Moment entfallen, dass er sie ja nicht sehen konnte und so antwortete sie noch schnell: „Ja, durch den Aufruf vom Ministerium, dass sich Rein- und Halbblüter kostenlos untersuchen lassen können, sind mehr Fälle von… Na ja, viel mehr Zaubererfamilien haben mit gewissen Probleme zu kämpfen, als man im Vorfeld vermutet hatte.“
Stöhnend fragte Mr. Malfoy: „Wie viele?“
„Oh, genaue Zahlen habe ich nicht im Kopf, Mr. Malfoy. Ich würde vermuten, um die siebzig Prozent der reinblütigen Familien haben mindestens einen Fall in der nahen Verwandtschaft“, erklärte sie ihm.
„Können Sie mir Namen nennen?“, fragte er neugierig, denn Informationen dieser Art könnten später für ihn von Nutzen sein.
Doch Susan verneinte und antwortete: „Das darf ich nicht.“ Er schnaufte abwertend, bevor sie fortfuhr: „Aber es sind einige dabei, mit denen Ihre Familie gut bekannt ist.“
„Dann wird man also nicht mit dem Finger auf mich zeigen“, sagte er resignierend, bevor er hinzufügte, „und wenn schon, ich sehe es ja doch nicht!“

Er hatte noch etwas auf dem Herzen und Susan, die Geduld in Person, wartete, bis er sich dazu aufraffte, sich ihr mitzuteilen. Nach wenigen Minuten sprach er wieder.

„Wäre es möglich, dass ich meine Frau später sehen dürfte?“, fragte er hoffnungsvoll.
Susan stutzte einen Moment, bevor sie erklärte: „Ich denke schon, aber es wäre besser, wenn Sie darüber mit Ihrem Sohn sprechen.“
Lucius schnaufte und fragte arrogant klingend: „Haben Sie meine Frau schon kennen gelernt?“ Nachdem Miss Bones knapp verneint hatte, grinste er fies und sagte höhnisch: „Ich wäre nur zu gespannt darauf, was meine Teuerste dazu sagen würde, dass unser Sohn gerade Sie gewählt hat!“ Seine Frau hielt von Halbblütern oder Muggeln noch weniger als er selbst.
Miss Bones schluckte hörbar, aber sie riss sich zusammen und erklärte: „Ihre Frau ist noch nicht ganz gesund. Ich weiß nicht, wann Sie sie sehen werden können.“
Aufgeregt sprang Lucius von seiner Pritsche und fragte fordernd: „Warum? Was hat sie?“

Doch wieder sagte Miss Bones, er solle besser seinen Sohn danach fragen. Als er auf sie zugestürmt kam, stolperte er über einen hervorstehenden Stein im Boden, weshalb sie ihn hilfsbereit auffing, doch er nutzte diese Gelegenheit, um ihr eine Hand um den dünnen Hals zu legen. Er drückte nur so stark zu, so dass sie sich bedroht fühlen würde, doch Miss Bones schien mehr Mumm in den Knochen zu haben, als er dachte. Sie ließ sich nicht einschüchtern, sondern sagte mit fester Stimme: „Wäre es wirklich von Vorteil für Sie, wenn Sie mir den Hals umdrehen?“

Nachdem er einen Moment gestutzt hatte, ließ er lachend von ihr ab. „Miss Bones“, sagte er noch immer lachend, „ich sehe momentan auch keinen Vorteil darin, Sie um mich zu haben. Niemand wird mich aus Askaban herausbekommen. Ich warte bereits seit über einem Jahr auf eine Verhandlung! Und wenn die vorüber sein wird, werde ich mit Sicherheit lebenslang hier verweilen. Bringen Sie mir jemanden, der mir Vorteile verschaffen könnte und Sie werden sehen, wie sehr ich mich erkenntlich zeigen würde!“

„Ich verstehe“, sagte Susan wissentlich. „Ihr größtes Ziel wäre es, aus Askaban herauszukommen, um was genau zu tun?“, fragte sie dieses mal gezielt. Shacklebolt und Draco hatten ihr mehrmals geschildert, dass Lucius Malfoy immer nur auf seinen Vorteil bedacht war. Das Problem war nur, dass der Vorteil, einer von Voldemorts Anhängern zu sein, sich nicht ausgezahlt hatte, er aber auch nicht einfach hatte gehen können, ohne sich oder seine Familie in Gefahr zu bringen.
Nur vorsichtig antwortete Mr. Malfoy: „Um was zu tun? Um mit meiner Frau zusammen zu sein! Um Geschäfte zu machen und Geld zu verdienen, damit ich ihr all den Luxus bieten kann, den sie gewohnt war.“
Mutig fragte Susan: „Oder um sich einem anderen Zauberer anzuschließen, der überaus mächtig ist und Ihnen das Blaue vom Himmel verspricht?“
„Sie lehnen sich zu weit aus dem Fenster, Miss Bones!“, sagte er drohend.

Sie gab nicht auf und suggerierte: „Nehmen wir an, Sie träfen auf einen Zauberer mit Voldemorts Kräften. Würde es Sie nicht in den Fingern jucken, ein wenig von dessen Macht zu profitieren?“
Amüsiert schüttelte Mr. Malfoy den Kopf, bevor er erwiderte: „Ich denke, die Zeiten sind vorbei. Ich lasse mich nicht mehr blenden. Schließt man sich jemandem an, der mächtiger ist als man selbst, dann bleibt man stets der Bauer – ohne jegliche Chance darauf, einmal als Dame enden zu können, denn man wird mit Sicherheit im Vorfeld geopfert.“ Sie verstand sehr wohl, auf was er hinauswollte. Voldemort hatte niemanden so nahe an sich herangelassen, dass man denjenigen als rechte Hand hätte bezeichnen können, auch wenn Mr. Malfoy sich gerade das immer erhofft hatte. Der Dunkle Lord hatte keine Springer, Türme oder Läufer, sondern nur Bauern um sich gescharrt.

„Oh, ich glaube, Mr. Malfoy, es wäre für Sie durchaus von Vorteil, mit mir zu kooperieren!“, sagte sie selbstsicher.
Er zog beide Augenbrauen in die Höhe, bevor er ernsthaft fragte: „Und von welchen Vorteilen sprechen wir hier? Entschuldigen Sie, wenn ich das frage, aber ein oder zwei Jahre Abzug von meiner erwarteten Haftzeit… Das macht dann lebenslänglich minus zwei Jahre? Nicht sehr ansprechend, wenn Sie mich fragen.“
Doch Miss Bones beruhigte ihn und versprach: „Ich werde sehen, was sich machen lässt!“

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Helen
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Beitrag von Helen »

Ja bin ich und ich werde auc hgleich das neue Kap lesen. Freu mich schon. Aber ehrlich Susan und Draco das passt einfach perfekt!
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Helen
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Beitrag von Helen »

so gelesen, ach ist das schnuckelig! *gaaanz viel zappel und gespannt sei, wann es weitergeht*
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CharLue
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Beitrag von CharLue »

Ich muss auch sagen, dass mir die Kapitel echt gefallen.
Aber ich habe ja auch öfters erwähnt, das mir die Geschichte echt total gefällt. Ich finde es auch toll, dass regelmäßig neue Kapitel erscheinen (:

Hermine muss aber wieder zu Snape zurückkehren! Wer soll denn sonst den Trank für Lupin zubereiten?
Ich hoffe auf ein "Happy End"! ;D
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