Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - BEENDET

Hier könnt ihr eure Fanfictions und Gedichte zu Harry und seiner Welt vorstellen.

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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

Hallo ,
vielen Dank, dass du dir die Zeit für einen Kommi genommen hast :smile: Es freut mich, dass mein Schreibstil so gut gefällt und die Geschichte sowieso, sonst hättest du keine 29 Kapitel gelesen ;) Es kommen ja noch einige...

Hi CharLue,
mit Ginny und Harry geht es natürlich auch weiter, wenn auch nicht immer so reibungslos, wie man es sich wünschen würde. Er wird sie ganz sicher nicht mehr loslassen wollen :D

Lieben Gruß,
Muggelchen





030 Hogwarts öffnet seine Tore




An dem Abend im März, an welchem die Schule wiedereröffnet wurde, traf sich Draco mit Susan zum Eisessen in Florean Fortescues Eissalon. Ihm war völlig egal, ob sie in einem Cafè saßen oder in einem Restaurant; die Hauptsache für ihn war, dass er ihr seine Entschuldigung persönlich überbringen könnte, was sich jedoch als sehr schwierig erwies. Er hatte sich selten in seinem Leben für sein Verhalten entschuldigen müssen. Mehrmals setzte er an, ihr sein Bedauern auszusprechen, aber bevor er ein Wort der Reue verlieren konnte, verließen andere seinen Mund.

So sprach er den Abend der Verleihung an, an dem sie zusammen bei den Weasleys getanzt hatten. Sie hatte es zwar schon in einem Brief erwähnt, aber es war etwas völlig anderes, ihre Augen fröhlich glitzern zu sehen, wenn sie davon schwärmte, wie gut ihr das gefallen hatte. Draco fühlte sich geschmeichelt, als sie ihn einen außerordentlich guten Tänzer nannte. Das war ein Kompliment; wieder eines von ihr. Er musste sich bedanken oder eines zurückgeben, wie Severus es ihm erklärt hatte. Das letzte Mal hatte er sich einfach bedankt. Dieses Mal…

Sein Herz raste, als er krampfhaft versuchte, nach einem ehrlichen Kompliment zu suchen, welches er ihr entgegenbringen konnte. Er blickte sie an und vergaß für einen Augenblick die Zeit. Ihr kräftig rotes Haar wurde von den letzten Sonnenstrahlen geflutet, die einige Strähnen zum Glänzen brachten. Ohne zu überlegen sagte Draco geistesabwesend: „Ich hätte nie gedacht, dass mir rote Haare so gefallen könnten.“ Ihr Lächeln verschwand und wurde durch einen fragenden Blick ersetzt.

Was hatte er da nur gesagt? Er meinte es als Schmeichelei, aber es kam völlig anders rüber. „Ich… ich meine…“, sagte Draco stockend, bevor Susan befreit lachen musste.
„Ist schon gut, keine Sorge! Wenn ich mich jetzt in Sie hineinversetze, Mr. Malfoy, dann würde ich meinen, Sie hätten eine Abneigung gegen rote Haare wegen der ganzen Weasleys, mit denen Sie in der Schule nicht gerade gut ausgekommen sind. Daher nehme ich das als Kompliment!“, sagte sie schäkernd.

Woher wusste sie nur, wie seine Gedanken sich verzweigten? Rote Haare brachte er tatsächlich stets mit den Weasleys in Zusammenhang und dass er die damals nicht leiden konnte, war kein Geheimnis. Draco lächelte verlegen und erklärte: „Trotzdem hab ich mich ungeschickt ausgedrückt.“
Aber Susan lachte nur und winkte ab. „Mr. Malfoy, die wenigen Male, die wir uns bereits getroffen haben… Wie soll ich das beschreiben? Na ja, es ging immer hoch und runter; auf und ab. Vielleicht sollten wir mal versuchen, die Waage zu halten und ab einem Punkt konstant weiterzumachen. Vielleicht ab heute?“, suggerierte sie ganz offen, bevor sie einen Schluck von ihrer Eisschokolade nahm.

Gegen das Lächeln, das ihre Worte auf seine Lippen zauberte, konnte er nichts unternehmen. Nickend stimmte er zu, doch sagte er: „Aber nur…“ Sie horchte interessiert auf. Natürlich würde ein Malfoy eine Bedingung stellen und sie war gespannt darauf, welche das sein würde. Er lächelte nochmals und beendete seinen Satz: „…wenn Sie mich wieder beim Vornamen nennen. Den Punkt hatten wir schon hinter uns!“

Die Schüler trafen zur entsprechenden Uhrzeit am Bahnhof ein. Erstklässler würden erst im September eintreffen, weswegen der Professor für die Pflege magischer Geschöpfe dieses Mal wegen der reiferen Schüler nach Hogsmeade gekommen war, um sie mit den Kutschen abzuholen. Hagrid kullerte eine Träne über die Wange, die gleich darauf unbemerkt in seinem zotteligen Bart verschwand und sein großes Herz wurde ihm ganz schwer, als er mit ansehen musste, wie viele Schüler nun die Thestrale bestaunten und streichelten.

Die Idee mit den Aufbauklassen stellte sich als kleiner Geniestreich heraus. Durch die gezielten Testbögen würden die Lehrer noch vor Einschulung der Erstklässler herausfinden, welcher Schüler über welchen Wissensstand verfügte. Die Atmosphäre in Hogwarts war in dieser Zeit sehr entspannend. Die Schüler mussten nichts lernen und bekamen auch kaum Hausaufgaben auf. Sie mussten lediglich im Unterricht Fragebögen ausfüllen, Essays schreiben, ihr Geschick im Brauen von Zaubertränken unter Beweis stellen, praktische Prüfungen bei Professor Flitwick in Zauberkunst ablegen und so weiter und so fort. Sie mussten sozusagen zeigen, was sie konnten.

Professor McGonagall stellte fest, dass sieben Schüler im Alter zwischen dreizehn und fünfzehn Jahren die Fähigkeit besaßen, eine Animagus-Form anzunehmen, was sie natürlich erst Albus und dann gewissenhaft dem Ministerium mitteilte. Auffällig war, dass die Animagi der sieben Schüler ausschließlich Fluchttiere darstellten. Im Lehrerzimmer hörte Harry, wie Minerva mit Albus darüber sprach. Sie erklärte, dass eine Animagusform nicht frei wählbar wäre, sondern von der Persönlichkeit abhängen würde. Harry war dabei, als die vier Mädchen und drei Jungen stolz ihren Animagus vorführten. Dabei kamen so scheue Tiere an Tageslicht wie ein Chinchilla, eine Rennmaus, ein Pferd, zwei Rehe, ein Kaninchen und ein Meerschweinchen – ängstliche Tiere, die bei dem kleinsten Laut aufgeschreckt das Weite suchten.

Noten wurden während der Überprüfung des Wissensstandes nicht vergeben. Vier ältere Schüler imponierten so sehr mit ihren Fähigkeiten, dass sie die UTZ-Prüfung außerhalb der Reihe ablegen durften. Nach relativ kurzer Zeit konnten alle verbleibenden Schüler in einzelne Klassen eingegliedert werden. Ginny kam in einer der zwei zukünftigen Klassen für das siebte Schuljahr, in denen man bis zum regulären Beginn des Schuljahres den bisherigen Unterrichtsstoff etwas auffrischen wollte. Draco besuchte keine der Klassen.

Hermine hatte damals zusammen mit Harry und Ron ihren UTZ geschafft. Neben ihrer Ausbildung zur Heilerin im St. Mungos verbrachte sie nun ihre Nachmittage bei Snape im Kerker. Das Angebot, seine Zaubertränkeschülerin zu werden, hatte sie nicht mehr angesprochen. Zu Rons Bedauern war Hermine bald öfter in Hogwarts als bei ihm Zuhause. Er musste trotzdem immer lange auf Hermine warten, obwohl auch er durch das harte Training bei Pfützensee meist spät nachhause kam. Kaum hatte sie begonnen, sich regelmäßig mit Snape wegen Harrys Gabe zu treffen, kam auch bald schon ihr Patronus-Otter, der ihm mitteilte, dass sie in Hogwarts bei Harry auf der Couch übernachten würde. Ron nahm diese Nachricht zum Anlass für ein kurzes, sehr herzliches Treffen mit seinem besten Freund und einer etwas größeren Auseinandersetzung mit Hermine, die am Ende nachgab und trotz der fortgeschrittenen Stunde mit ihm zurück nachhause ging.

Wenige Tage nach dieser Auseinandersetzung besuchte Hermine Harry, bevor sie in die Kerker gehen wollte. „Was ist los, Mine?“, fragte Harry, der ihren sorgenvollen Blick nicht übersehen konnte.
„Sag mal, hat Ron in letzter Zeit mal mit dir geredet? Ich meine, so über alles Mögliche“, begann Hermine zögerlich.
Nicht drumherum redend fragte Harry: „Über dich?“
Hermine nickte, während sich ihre Augen langsam mit Tränen füllten. Sie trocknete sie mit ihrem Ärmel, bevor sie stockend erklärte: „Ich glaube, dass ich ihn nicht glücklich machen kann, Harry. Was soll ich denn nur tun? Wir sind schon so lange verlobt.“ Sie seufzte, bevor sie ehrlich sagte: „Ich liebe ihn! Ich liebe ihn wirklich. Es macht Spaß, mit ihm Schach zu spielen. Er ist witzig. Ich meine, ich bekringel mich vor Lachen, wenn er ’boah ey’ oder ’voll krass’ sagt. Er ist dann so süß.“ Hermine konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie ließ ihnen freien Lauf, während sie weiterhin erklärte: „Aber wir drehen uns im Kreis, Harry. Wir kommen einfach nicht voran. Dabei möchte ich so gern weiterkommen im Leben. Ich glaube, wir bremsen uns gegenseitig aus.“

Harry hatte sich alles in Ruhe angehört, bevor er fragte: „Hast du mit ihm schon mal darüber gesprochen, was dich beschäftigt?“
Entmutigt schüttelte sie den Kopf. Sie atmete einmal ein und aus, um sich zu stählen, bevor sie sagte: „Ach weißt du, vielleicht ist das nur eine Phase bei mir. Vielleicht ist ja alles in Ordnung, nur ich bin komisch. Ich möchte wirklich gern das Angebot von Snape annehmen. Das wäre für mich ein Erfolg versprechender Einstieg in ein Gebiet, das mir eh viel besser liegt als ’Heilerin’, aber wenn Ron jetzt schon so sauer wird…“, sie hielt inne und schüttelte verzweifelt den Kopf. „Ich meine, ich bin doch nur während meiner Freizeit hier. Sollte ich Zaubertränkeschülerin werden, würde ich noch viel mehr Zeit hier verbringen!“

Fordernd fragte Harry: „Vor was genau hast du Angst, Hermine?“
Es dauerte eine ganze Weile, bis sie leise und schluchzend zugab: „Dass ich ihm das Herz breche.“ Harry tröstete seine beste Freundin und nahm sie ihn den Arm, bis ihre Atmung sich wieder normalisiert hatte. „Danke Harry, danke fürs Zuhören! Das war wirklich notwendig. Ich geh dann mal nach unten“, sagte sie, während sie von Harry zur Tür begleitet wurde.
„Na dann, viel Spaß im Kerker! Und Hermine?“, sagte Harry, der noch wartete, bis sie ihm in die Augen blickte. Dann gab er ihr mit auf den Weg: „Ron ist kein Hellseher. Du musst ihm sagen, was in dir vorgeht!“ Sie nickte und lächelte dankend.

Hermine war keine zwei Monate regelmäßig in Hogwarts, da stand eines Abends Ron bei Harry auf der Matte, um mit ihm zu reden. Sein bester Freund wirkte bedrückt. Es war nicht schwer zu erahnen, dass er Probleme mit Hermine haben musste. Harry hatte das Gefühl, dass es an ihm lag, den Anfang machen zu müssen, wenn die Situation nicht eskalieren sollte. So sagte er unverbindlich klingend: „Ron, ich beneide dich! Ich beneide dich um deine Kindheit, deine Sorglosigkeit und deine Leichtigkeit, das Leben zu sehen. Vielleicht bist du mein bester Freund, weil du mich niemals hast merken lassen, dass ich das alles nie hatte.“

Harry ließ den Satz jetzt einen Moment wirken, bevor er zur Sache kam: „Hermine ist genauso mein Freund wie du.“ Er erinnerte sich für einen Moment an das Trimagische Turnier, als er Ron aus dem See retten musste und Hermine gleich hatte mitnehmen wollen, weil sie auch seine Freundin war. Dann gab Harry offen zu: „Ich habe mir aber nie vorstellen können, mit ihr etwas anzufangen, das über Freundschaft hinausgeht.“

Mit zusammengekniffenen Lippen nickte Ron zustimmend. „Weiß du, Harry… Ich liebe sie wirklich, aber wir hatten nach unserer Verlobung irgendwie keinen Plan mehr; eigentlich vorher schon nicht. Keiner von uns wollte den nächsten Schritt wagen. Keiner hat darüber gesprochen, wann denn nun mal die Hochzeit sein soll. Es hat ewig gedauert, bis wir überhaupt zusammengezogen sind und noch immer hat jeder von uns einen Großteil seiner Sachen bei den Eltern stehen. Wir haben eine so lange Verlobungszeit hinter uns…“ Ron hielt inne und quälte sich ein Lächeln ab, bevor er sagte: „Ich glaube, euer Papst wäre stolz auf uns.“

Harry versuchte, entspannt zu lachen, um die Stimmung etwas aufzulockern. „Versteh mich nicht falsch, Harry. Ich will nicht über Mine lästern oder so, aber ich kann einfach mit ihren Interessen wenig anfangen. Konnte ich noch nie. Dieses ständige Lesen... Immer wieder schenkt sie mir Bücher. Das ist lieb gemeint, mich zum Lesen animieren zu wollen, aber dann lieber Science Fiction oder so was, aber nichts über Tiere der magischen Welt.“

Sich in Hermine hineinversetzend erwiderte Harry: „Ja, ich verstehe, Ron. Und ich denke, im Gegenzug kann sie nicht deine Begeisterung für Quidditch teilen. Natürlich feuert sie dich auch im Stadion an, aber es ist trotzdem nicht ihr Ding. War es in der Schule schon nicht. Ich käme mit ihr als Partnerin auch nicht gut aus.“ Harry kam auf Ron zu und legte ihm einen Arm über die Schultern, bevor er sagte: „Aber als Freund, so als Kumpel, Ron, da passen wir beide wirklich super zu ihr!“
Ron lächelte erleichtert, bevor er bedrückt zugab: „Sie will unbedingt ihren Meister in Zaubertränke machen und ich glaube, ich stehe ihr da im Weg.“

Die beiden setzten sich und schwiegen sich an. Nach einer ganzen Weile wurde die Stille unterbrochen. „Ich liebe sie, Harry“, wimmert Ron, während er verloren auf den Boden blickte.
„Ich weiß“, antwortete sein Freund leise.
Nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte, sagte Ron fast flüsternd: „Aber wir passen einfach nicht zusammen.“
Seufzend erwiderte Harry: „Ich weiß, aber Ron, es wäre besser für euch beide, wenn du das Gespräch, das wir hier gerade geführt haben, einmal mit ihr beginnst.“
Dieses Mal antwortete Ron knapp: „Ich weiß.“

Bekümmert sagte Ron über seinen zerplatzten Traum: „Ich hab immer gedacht, sie wäre es, Harry.“
Den Kopf schüttelnd erwiderte Harry: „Lass den Kopf nicht hängen, Ron. Ich bin sicher, dass ihr beide offen darüber reden könnt. Hermine wird dich verstehen. Und ich bin mir sicher, dass du nicht um ihre Freundschaft bangen musst!“

Hier begann Ron plötzlich zu schluchzen, bevor er offen weinte, woraufhin er sich willig von Harry zum Trösten in den Arm nehmen ließ. Nachdem sich Ron gefasst hatte, bekannte er: „Das hat mir immer am meisten Sorge bereitet. Ich meine, zu glauben, dass ich sie komplett verliere, wenn wir unsere Beziehung beenden. Ich will sie als Freundin behalten. Das, was wir hier zusammen tun, das macht mir Spaß, weißt du? Abenteuer bestehen und Rätsel lösen! Du bist in dem einen am besten und Mine in dem anderen. Ich will aber weiterhin mittendrin sein, Harry!“ Wieder begann Ron zu weinen.

Harry verstand seinen Freund. Der bangte mehr darum, Hermines Freundschaft für immer zu verlieren als die Beziehung zu beenden. „Ron, ein Trio besteht aus drei Leuten. Das wird so bleiben! Du brauchst gar nicht denken, dass du überflüssig bist. Wenn du in der ersten Klasse nicht die Schachpartie gewonnen hättest, würde heute alles ganz anders aussehen. Du bleibst für uns beide unersetzlich, Ron!“, versicherte ihm Harry lächelnd.

Tröstete und aufmunternd sagte er abschließend zu seinem Freund: „Aber was ganz für euch beide spricht, ist, dass ihr es fast gleichzeitig gemerkt habt. Und glaub mir, Ron, so können wir am besten das sein, was wir schon immer waren: die allerbesten Freunde.“

Nach einer Weile gestand Ron mit verquollenem Gesicht und heiserer Stimme: „Ich werde ein Momentchen brauchen, um den Schock zu verdauen.“ Einen Augenblick später fügte er beteuernd hinzu: „Und wenn ich mich gefangen habe, dann werde ich mit ihr reden. Ganz sicher!“
Zuletzt geändert von Muggelchen am 08.02.2009 19:12, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von »

oje...jz bin ich aber mal gespannt, was zwischen den beiden passiert *hoff* sind immer intressante wendungen in deiner geschichte^^

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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

Hallo Là,

während die einen zusammenfinden, entfernen sich andere voneinander. Ron und Hermine haben - jeder für sich selbst - das Problem erkannt und müssten nur noch miteinander reden. Ich hoffe sehr, die interessanten Wendungen sind auch nachvollziehbar erzählt.

Lieben Gruß,
Muggelchen





031 Die Zaubertränkeschülerin




Es war fast schon zu einer Obsession für Hermine geworden, das Geheimnis um Harrys Gabe endgültig zu knacken. Sie hatte mit ihrem ehemaligen Lehrer für Zaubertränke einige Theorien aufgestellt, die es jetzt zu überprüfen galt. Soeben hatte sie Tüten von einem asiatischen Muggelrestaurant auf einem Tisch gelehrt, um etwas zu essen, bevor sie gemeinsam mit der Arbeit beginnen würden, da unterbrach plötzlich eine tiefe, ruhige Stimme Hermines oberflächliches Gefasel über ihre letzte Reise nach Japan.

„Miss Granger, es bedeutet mir viel, was Sie für mich tun!“, sagte Severus mit einem eindringlichen Unterton. Snape würde sich mit Sicherheit nicht für das mitgebrachte Essen bedanken, dachte sich Hermine. Das passte auch gar nicht zu seinem ernsten Tonfall.
„Was meinen Sie, Professor Snape?“, fragte sie interessiert. Die vorherige Konversation über den Urlaub mit ihren Eltern war völlig vergessen.

Severus räusperte sich und starrte auf die vielen Schachteln vor sich, aus denen bereits ein würziger Duft emporstieg. Der heutige Tag war nach dem üblichen Unterrichten der Dummköpfe für ihn sehr befremdlich geworden. Hermine war, wie jeden Tag, nach ihrer Ausbildung zur Heilerin zu ihm in die Kerker gekommen, um mit ihm an Harrys Gabe weiterzuforschen. Heute war sie freudestrahlend in sein Labor gekommen und hatte verkündete, dass sie die angebotene Stelle als Zaubertränkeschülerin bei ihm annehmen wollen würde. Gleich darauf, als wäre nichts Besonderes geschehen, war sie ausgelassen und lächelnd an einen Tisch hinübergegangen und hatte ihn mit Schälchen aus einer Tüte voll gestellt. Währenddessen, wie üblich, hatte sie mit ihren Geschichten über ferne Länder und seltene Zutaten, die man dort finden würde, begonnen.

Er lauschte gern ihrer Stimme, die so frei von Sorge schien. Und er mochte ihre Geschichten. Sie war ein Mensch, der eine Reise nicht zum Faullenzen nutzte, sondern so viel wie möglich in Erfahrung bringen wollte. Während andere Muscheln am Strand sammelten, um sie als Souvenir mit nachhause zu nehmen, eignete sie sich Wissen an, welches sie für immer behalten würde. Er bewunderte ihre Art. Sie war immer bestrebt, alles zu ergründen. Ihre Geschichten waren auch der Grund, warum sie heute eine Auswahl asiatischer Gerichte mitgebracht hatte. Gestern erst hatte sie davon erzählt; von den kulinarischen Köstlichkeiten aus China und Thailand. Sie hatte gesagt, er müsste das unbedingt einmal probieren. Während Severus seit ihrer Ankunft wie versteinert auf dem Sofa gesessen hatte, hatte er die redende und dabei immerwährend lächelnde Hermine betrachtet, die die Plastikdeckel der Schälchen nacheinander entfernt und in die leere Tüte entsorgt hatte.

Sie schien sich nicht im Klaren darüber zu sein, was sie mit ihrer Zusage bei ihm angerichtet hatte. Während sie sich so unbekümmert und lebhaft mitgeteilt hatte, hatte ihm ihre Zusage noch immer die Sprache verschlagen. Sie hatte die von ihm angebotene Stelle tatsächlich angenommen! Severus war unfähig gewesen, einen klaren Gedanken fassen zu können, geschweige denn, weiterhin ihrer Erzählung aufmerksam zu folgen. Dieses Angebot hatte er ihr vor zwei Monaten in einem Anfall der Schwäche unterbreitet. Er hatte gar nicht mehr damit gerechnet, dass sie das Thema überhaupt noch einmal erwähnen würde.

Erst nach Harrys Rede bei der Ordensverleihung hatte Severus sehr deutlich bemerkt, dass in ihm drinnen irgendetwas anders war und das fand er erschreckend. Es ging eine Veränderung in ihm vor, die er sich nicht erklären konnte. Eine Veränderung, die ihn Dinge sagen ließ, die er niemals sonst von sich geben würde. Und diese Schwäche, die ihn damals dazu veranlasst hatte, ihr das Angebot zu unterbreiten, die war nun auch wieder da und der Auslöser war ihre Zusage gewesen.

Er wusste, dass er ihr damals in der Schule das Leben erschwert hatte und deswegen hatte es ihn ein wenig stutzig gemacht, dass sie heute so fröhlich die angebotene Stelle angenommen hatte und sie sich offenbar nicht mehr an frühere Zeiten erinnern wollte. Sie kannte ihn, denn sie hatte ihn lange genug ertragen müssen. Sie wusste genau, wie griesgrämig und schlechtgelaunt er war; was für einen schwierigen Menschen er darstellte und doch schien sie sich sogar darauf zu freuen, bei im anfangen zu können. Sie musste sich bewusst darüber sein, dass sie beide jeden Tag sehr lange und hart zusammenarbeiten würden, wenn sie ihren Meister bei ihm machen würde, aber taten sie das nicht jetzt schon? Severus fragte sich, warum er überhaupt noch Bedenken hatte, sie als Schülerin aufzunehmen. Beide arbeiteten doch jetzt schon so lange zusammen und zwar auf freiwilliger Basis. Der einzige Unterschied mit ihr als private Schülerin wäre, dass sie bei ihm offiziell, also mit Vertrag, ihren Meister machen würde und trotzdem hatte ihre Zusage etwas in ihm ausgelöst, das er nicht erklären konnte. Severus spürte erneut dieses abrupt in ihm aufgekommene Gefühl. Kein besonderes Gefühl; nur überhaupt mal eines.

Da er noch immer nicht geantwortet hatte, fragte Hermine mit einem besorgten Flüstern: „Professor?“ Langsam drehte Severus seinen Kopf, um sie anzusehen. Hermine bemerkte auf der Stelle, dass Snapes Maske gefallen war; dass er von etwas überwältigt worden war, das ihn aus der Bahn geworfen hatte. Seine Mimik vermittelte Dankbarkeit, aber auch Kummer. Ihren stets steinernen Professor hatte sie niemals zuvor so ergriffen gesehen. Seine Gefühle spiegelten sich unverhofft auf seinem Gesicht wieder und in seinen Augen, die zwar noch immer fast schwarz schimmerten, ihn jetzt jedoch so tief bewegt erscheinen ließen.

Er hoffte innig, dass diese Gefühlsregung schnell wieder verschwinden würde. All die anderen Male, wenn jemand nett zu ihm gewesen war, war ebenfalls diese überwältigende Gemütsbewegung in ihm aufgekommen und die hatte sogar seinen Schwermut verdrängen können. Meist hatte er dieses undefinierbare Gefühl sofort unterdrücken können und wenn nicht sofort, dann war es zumindest schnell genug wieder verschwunden, bevor er Gefahr gelaufen war, sich jemandem zu öffnen und dem seltsamen Drang nachzugegeben, seine tiefsten Gedanken preiszugeben.

An dem Tag vor Schulbeginn war es jedoch nicht verschwunden, so dass er Dinge zu Harry gesagt hatte, die er unter normalen Umständen niemals erwähnt hätte. Und auch dieses Mal im Beisein seiner ehemaligen Schülerin wollte dieses Gefühl einfach nicht von allein fortgehen. Im Gegenteil, denn es war so stark geworden, dass es ihn übermannt hatte. Ihre Zusage, seine Meisterschülerin werden zu wollen, hatte ihm zudem auch klargemacht, dass sie über den mürrischen Mann, der er war, hinwegsehen und sie sich dem talentierten Zaubertränkelehrer anvertrauen wollte. Niemals zuvor hatte er eine Meisterschülerin aufgenommen und daher würde sich auch sein Leben erheblich verändern, würde er diesen Schritt wagen. Jeden Tag würde er sie sehen, mit ihr arbeiten, mit ihr reden. Auch an den Wochenenden würden sie Zeit zusammen verbringen, um zu forschen und zu lernen. Mit einer Zaubertränkeschülerin an seiner Seite wäre er nicht mehr allein.

Aus heiterem Himmel war diese Erkenntnis über ihn gekommen und er konnte ihre Entscheidung verstehen; konnte ihre Zusage für sich selbst begründen, denn sie war jetzt erwachsen und musste ihn mit anderen Augen sehen.

Mit zittriger Stimme erklärte Severus sehr langsam gesprochen, den Blick von Hermine nun abwendend: „Ich bin Ihnen für Ihre Geduld dankbar! Wissen Sie, Miss Granger, es gibt nicht viele Menschen, die sich die Zeit nehmen, meine Freundschaft erringen zu wollen. Bisher hatten nur zwei diese Muße. Der eine vor Jahren war Albus. Der andere ist jetzt Harry. Und Sie“, er schluckte, „Sie sind genauso hartnäckig. Sie haben nicht aufgegeben.“

Zum Ende war seine Stimme zu einem Wispern geworden, aber nichtsdestotrotz hatte Hermine seinen Worten sehr aufmerksam gelauscht und sie hatte die Bedeutung hinter seinen Worten erkannt. Ihrer Meinung nach war eben etwas geschehen, was eigentlich undenkbar schien. Er hatte ihr mit wenigen Worten nicht nur seinen Dank entgegengebracht, sondern ihr auch verdeutlicht, was er von ihr hielt. Sie glaubte ihn zu verstehen.

Dieses Mal ein wenig Angst davor, doch falsch liegen zu können, erwiderte sie genauso leise: „Es ist schön, dass Sie mich als Ihren Freund sehen.“ Und sie hatte nicht gelogen. Die ganze Forschung über Harrys Gabe hatte die beiden verbunden. Seit zwei Monaten war sie jeden Tag bei ihm gewesen und sie hatten sich in dieser Zeit ein wenig besser kennen lernen können. Trotz allem war es immer Hermine gewesen, die ihm eine Unterhaltung aufgedrängt hatte und die ständig erzählte und erzählte, denn das war ihre Taktik. Sie bombardierte Severus regelrecht mit ihren Erlebnissen und mit ihren Fragen. Bei der Menge an Gesprächsstoff fand sich nämlich immer wieder ein Thema, zu dem selbst der wortkarge Zaubertränkemeister begeistert etwas beitragen konnte und vor allem wollte.

Heute Abend würde sie unbedingt mit den beiden anderen reden müssen, dachte Hermine. Was sich heute ereignet hatte, war mit dem gleichzusetzen, was Harry vor zwei Monaten mit Snape erlebt hatte. Es war ein erster, echter Hinweis darauf, dass mit Snape etwas vonstattenging, mit dem er selbst überfordert zu sein schien. Seine Maske bröckelte, wurde von ihm selbst aber immer wieder beharrlich zusammengefügt.

Sie sandte Ron während einer Toilettenpause ihren Patronus mit einer Einladung für heute Abend bei Harry. Nachdem sie bei Snape fertig war, überrannte sie Harry mit dem Fakt, dass Ron heute noch vorbeikommen würde. Sie hatte völlig vergessen, Harry zuvor zu fragen, ob er überhaupt Zeit für sie haben würde, aber er nickte lediglich, denn für seine Freundin nahm er sich die Zeit.

„Tu mir einen Gefallen, Mine. Warte drinnen bei mir und lass Ron rein, wenn er kommt. Ich möchte nur kurz spazieren gehen, ja?“, sagte Harry mit abgeschlagener Stimme, die ihr zu verstehen gab, dass er einen Moment für sich selbst benötigte.

Vielleicht war es der Stress, nun als Lehrer zu arbeiten. Möglicherweise nahm ihn aber auch die bevorstehende Trennung von Ron und Hermine mehr mit als er zugeben wollte, denn er wusste, dass diese Trennung bevorstehen würde. Die beiden hatten offenbar noch nicht miteinander geredet, aber sie stritten auch nicht mehr, weil Hermine so lange bei Severus arbeitete. Harry ging davon aus, dass sie alle danach noch Freunde sein würden wie früher, aber was, wenn doch nicht? Die Zweifel nagten an ihm. Sich nur noch mit einem von beiden treffen zu können, weil Ron und Hermine sich gegenseitig meiden würden, war für ihn eine schreckliche Vorstellung. Und er machte sich Vorwürfe, Ron und Hermine durch seine Unterhaltungen beeinflusst zu haben. Vielleicht war es auch ein Fehler gewesen, beiden vor Augen zu führen, dass sie offensichtlich nicht füreinander bestimmt waren und er ihnen deshalb nahe gelegt hatte, miteinander über ihre Beziehung zu reden. Konnte so ein simpler Ratschlag schlecht gewesen sein?

Gedankenverloren schlenderte er zu Severus und betrat dessen Wohnzimmer. Der Hund freute sich über seinen Besuch, auch wenn er nicht ein viertes Mal an diesem Tag nach draußen gehen würde, denn Harry war nicht wegen dem Hund gekommen. Eigentlich hatte er nicht einmal Lust, im Moment mit jemandem zu reden und trotzdem hatte sein Weg ihn zu seinem Kollegen geführt. Sein Blick fiel auf Severus, denn der saß mit hängenden Schultern und Kopf in sich zusammengesunken auf der Couch und blickte auf seine langen Finger. Er hatte Harry bisher nicht einmal bemerkt und da überkam ihn plötzlich der Drang, doch einige Worte verlieren zu wollen.

Nachdem Severus nicht auf seinen Namen reagierte hatte, weil er in Gedanken versunken schien, schlenderte Harry auf seinen Kollegen zu und ließ sich neben ihn auf die Couch fallen. Im gleichen Moment schreckte Severus auf. Der Ausdruck von Angst und Verzweiflung verschwand sofort wieder, nachdem er sich in Harrys Gegenwart wusste. Er schluckte einmal und fragte ungewohnt zaghaft: „Harry, kann ich etwas für Sie tun?“
An Ron und Hermine denkend philosophierte Harry mit Trübsinn in der Stimme: „Es gibt Dinge im Leben, die man nicht ändern sollte, nicht wahr?“ Ohne auf eine Antwort zu warten vertiefte er seinen Standpunkt, indem er sagte: „Besonders, wenn es nicht um einen selbst geht. Man muss Dinge um sich herum manchmal einfach geschehen lassen. Es wäre eigennützig, sich in das Leben anderer einzumischen, meinen Sie nicht?“

Mit konfusem Gesichtsausdruck starrte Severus seinen jungen Kollegen an. Worte verließen seinen Mund erst, nachdem er ein paar Mal geschluckt hatte, bevor er mit Bedacht sagte: „Vielleicht, Harry, ist es manchmal von Vorteil zu intervenieren, besonders dann, wenn nicht mit aller Deutlichkeit verneint werden kann, dass dies nicht erwünscht sei.“ Als Harry zuhörte, machte er es Severus gleich und betrachtete seine eigenen Hände, an denen zwischendurch der Hund begrüßend leckte.

Nach einem kurzen Augenblick stutzte Harry über die Worte. Severus wusste doch gar nicht, dass er von Ron und Hermine gesprochen hatte. Zu Severus blickend bemerkte er, wie dieser eine Hand gegen die Stirn presste.

„Geht es Ihnen nicht gut, Severus?“, fragte Harry besorgt.
Mit verzerrtem Gesicht und geschlossenen Augen zischelte Severus angestrengt, gleich so als würde er unter Schmerzen leiden: „Es geht schon. Ich brauche nur etwas Ruhe.“

Den Wink verstand Harry und obwohl er Severus in diesem Zustand nicht alleinlassen wollte, rief er sich ins Gedächtnis zurück, dass Ron und Mine auf ihn warteten. Mit flüsternder Stimme machte Severus auf eine Tatsache aufmerksam, denn er sagte: „Sie waren heute schon dreimal mit dem Hund draußen.“
Offenbar war ihm wirklich nicht nach Gesellschaft zumute, weswegen Harry lediglich nickte und sich mit den besorgt klingenden Worten verabschiedete: „Dann bis morgen.“

„Ach Harry“, sagte Severus noch schnell, bevor er zur Tür rausgehen konnte. Mit hochgezogenen Augenbrauen zeigte Harry seine Aufmerksamkeit, bevor Severus erklärte: „Die Stelle, die Sie mir beschrieben hatten. Ich meine die Stelle, wo die Hunde den einen Abend so gebellt hatten.“
Harry schloss die Tür wieder, wandte sich Severus zu und fragte neugierig: „Ja?“
Er konnte sehen, wie Severus innerlich etwas von sich abzuschütteln schien, damit er wieder der Alte sein konnte, bevor er aufstand und mit plötzlich wieder sehr kräftiger Stimme erklärte: „Es ist möglich, dass dies die Stelle gewesen war, an der man Kreachers Leiche gefunden hatte. Es war zumindest ganz in der Nähe, wie Filch mir neulich erzählte.“ Harry schenkte ihm ein Lächeln, bedankte sich bei Severus für die Information und verabschiedete sich ein zweites Mal von ihm.

Ob Severus diese Information nur durch Zufall erhalten hatte oder ob er Harry zuliebe gezielt deswegen nachgefragt hatte, war ihm nicht klar, aber es war schön zu wissen, dass Severus ihn und diesen seltsamen Abend nicht vergessen hatte.

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CharLue
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Beitrag von CharLue »

Wieder einmal ein spannender Abschnitt (:

Das mit Kreachers Leiche ist ja echt seltsam. Bin gespannt, was du dir ausgedacht hast!
Kann es sein, dass du in dem Abschnitt auf ein neues Pairing angespielt hast? Wäre echt zu komisch, wenn die beiden, die ich meine, zusammenkommen würden xD

Lg
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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

Hi CharLue,

danke für das Lob :) Was Kreacher für eine Funktion hatte, kommt natürlich später noch.
Ich und auf ein Pairing anspielen? Nie und nimmer :wink: Ich sage nur: warte ab. Momentan kann man wirklich noch nicht von den beiden als mögliches Paar reden. Aber lass mich wissen wann du glaubst, dass sich deine Vermutung doch bestätigt haben könnte. ^^

Lieben Gruß,
Muggelchen





032 Ruheloses Gestern




Als Harry sein Wohnzimmer betrat, stürmte Hermine auf ihn zu und erzählte erfreut: „Du glaubst es nicht, Harry! Ich habe heute bei Snape als seine Schülerin zugesagt, aber das Beste: es ist etwas Ähnliches passiert, wie dir es schon aufgefallen ist. Seine Maske ist für einen Moment gefallen. Er war kurz er selbst! Das war unbeschreiblich. So hab ich ihn noch nie erlebt!“

Harry hielt seine Hände hoch, um ihr klarzumachen, dass sie sich beruhigen sollte. „Das war heute?“, fragte er nach. Sie bejahte fröhlich und fügte immer wieder stichpunktartig hinzu, wie sich das Ganze abgespielt hatte. Als sie sich endlich etwas abgeregt hatte, sagte Harry: „Für mich sah es eher so aus, als wäre für ihn eine Welt zusammengebrochen.“ Ron und Hermine stutzten, als Harry schilderte, wie entkräftet und elend Severus gewirkt hatte, als er ihn eben vor wenigen Minuten besuchte hatte.

Schäkernd sagte Ron: „Freut er sich wohl doch nicht so wahnsinnig drauf, dich jetzt am Hals zu haben.“
Nach einem Schlag auf seinen Oberarm hielt er lieber den Mund, während Hermine sich neugierig an Harry wandte und fragte: „Warum? Hat er was wegen mir gesagt?“ Verneinend erklärte Harry, dass er über sie kein einziges Wort verloren hatte.
„Aber er hat mir allgemein zu verstehen gegeben, dass er es für angemessen hielte, sich in das Leben eines anderen einzumischen, solang man nicht hundertprozentig sicher sein kann, dass derjenige das gar nicht möchte!“, sagte er triumphierend.

Hermine forderte von ihm den genauen Wortlaut und nachdem Harry den wiedergegeben hatte, sagte sie perplex: „Na gut, er will das ja nicht anders. Fragt sich jetzt nur, wo wir anfangen können. Ich meine, das einzige, das mir einfällt, was vor ungefähr zwanzig Jahren geschehen ist und mit dem man Snape in Zusammenhang bringen kann…“
Harry vollendete ihren Gedanken und sagte niedergeschlagen: „Ist der Tod meiner Eltern!“

Um hinter das Geheimnis zu kommen, wollten sie niemanden um Hilfe bitten, besonders nicht Dumbledore. Die drei verabschiedeten sich voneinander und versprachen, sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten. Nachdem Harry die Tür geschlossen hatte, wunderte er sich darüber, dass Ron nicht ausgerastet war, als Hermine davon erzählt hatte, sie würde nun ihren Meister bei Snape machen. Wahrscheinlich, so vermutete Harry, wollte sein bester Freund ihr nicht mehr im Wege stehen.

In Sirius’ Sachen kramend suchte er nach irgendwelchen Hinweisen von früher, auch wenn es nur ein Fotoalbum aus Schulzeiten wäre. Er vergaß dabei völlig die Zeit und bemerkte nicht, dass Sirius nachhause gekommen war.

„Harry, was tust du mit meinen Sachen?“, fragte Sirius nicht vorwurfsvoll.
„Ich.. ähm… ich wollte nur nach… einem Fotoalbum suchen, wo auch Bilder von Mum und Dad drin sind. Mir war gerade danach“, erklärte er stotternd.
Sein Patenonkel setzte sich zu ihm auf den Boden und fragte etwas bestürzt: „Es geht dir aber gut oder? Zu sehr der Vergangenheit nachzutrauern ist nicht gut, weißt du? Ich spreche da aus Erfahrung.“ Sirius seufzte, aber Harry erklärte, dass er nicht niedergeschlagen wäre und er lediglich Fotos von früher sehen wollte. „Warte, ich hab die Alben unter meinem Bett, damit ich selbst nicht so oft in ihnen blättere“, sagte Sirius, während er bereits aufstand.

Mit zwei nicht hohen, dafür aber breiten Pappkartons per Levitations-Zauber hinter sich herziehend gesellte Sirius sich zu Harry auf den Boden vor dem Kamin.
„Du hast alles aufgehoben oder?“, fragte Harry lächelnd.
Zustimmend nickte Sirius, der noch hinzufügte: „Ein paar Sachen von deinen Eltern hab ich ebenfalls. Möchtest du die Kisten auch haben?“
Begeistert nickte Harry, bevor er fragte: „Hat einer von euch eigentlich Tagebuch geführt?“
Sirius verneinte: „Ich nicht und soweit ich weiß, Lily und James auch nicht, aber…“
„Ja?“, fragte Harry, nachdem sein Patenonkel verstummt war.
„Na ja, ich weiß, dass Remus welche geführt hat, aber ich bezweifle, dass er dich da reinschauen lässt. Am besten trefft ihr euch, damit er dir alles persönlich erzählen kannst, was du über deine Eltern wissen möchtest“, schlug Sirius vor. Nur in Gedanken antwortete Harry „Es geht mir eigentlich eher um Severus.“

Eine Weile lang schauten sich Sirius und Harry gemeinsam die alten Fotoalben an. Viele Bilder, die natürlich von Sirius kommentiert wurden, waren gar nicht einsortiert und lagen einzeln verstreut in den Kisten. Auf einigen Fotos war tatsächlich auch ein junger Severus zu erkennen, wie Harry ihn noch aus dem Denkarium in Erinnerung hatte. Er war dürr, hatte schulterlange, strähnige Haare, lief meist etwas in sich zusammengesackt und wirkte nicht schüchtern, aber vorsichtig.

„Es ist schon spät, Harry. Ich mache dir einen Vorschlag! Morgen ist ja Sonntag und ich lade Remus ein. Dann können wir uns zusammen über die Schulsachen hermachen. Das wird lustig!“, sagte Sirius voller Vorfreude, der Harrys verneinenden Worte nicht mehr vernehmen konnte, weil er bereits in seinem Schlafzimmer verschwunden war.

Endlich hatte Harry die Zeit dafür, gezielter nach Dingen zu suchen, die Severus betrafen. Er fand ein großes, bewegtes Klassenfoto, auf welchem der gesamte Jahrgang seiner Eltern abgebildet war. Sirius stellte den Mittelpunkt des Fotos dar. Rechts von ihm verweilte Remus schüchtern lächelnd, während hinter ihm James stand, der Sirius einen Moment lang mit Zeige- und Mittelfinger Hasenohren machte, worüber seine Mutter herzlich lachen musste.

Lily stand zu Sirius’ Linken und blickte die meiste Zeit über zu James hinauf. Nur für einen sehr kurzen Augenblick schaute sie weg. Harry folgte ihrem Blick, um zu sehen, wen oder was sie mit so einem breiten Strahlen anschaute. Oder lachte sie nur noch über James schelmisches Getue? Harry benötigte einen Moment, mit dem Finger der Blickrichtung seiner Mutter korrekt folgen zu können, denn sie schaute nur flüchtig dorthin, bevor sie ihren Kopf wieder abwandte und James anhimmelte.

Nach dem achten Versuch glaubte Harry, einen Treffer gelandet zu haben. Dem Blick seiner Mutter folgend landete er mit dem Zeigefinger auf… Severus! Der ließ sofort wieder von seinem kurzen Schulterblick ab und schaute mit hängendem Kopf in die Kamera. Ihre Blicke hatten sich für zwei Sekunden getroffen.

Am nächsten Morgen wurde Harry unwirsch um halb acht von einem überdrehten Sirius geweckt, der ihm mitteilte, dass Remus da war. Grantig murmelte Harry: „Merlin, es ist SONNTAG. Ich möchte ausschlafen.“
„Es ging nicht später. Remus muss nachher noch weg“, erklärte Sirius.

Es war gestern bereits nach halb vier gewesen, bevor Harry sich von den Fotos hatte lösen können, um zu Bett zu gehen. Er wollte jetzt nicht aufstehen; noch nicht.
„Ach Harry…? Weiß du, wie ich deinen Vater früher immer aus dem Bett bekommen habe, wenn er nicht aufstehen wollte?“, fragte Sirius scheinheilig und gab dabei vor, in Erinnerungen zu schwelgen.
Ohne die Augen zu öffnen fragte Harry: „Wie?“
Er hörte seinen Patenonkel schadenfroh lachen, bevor dieser sagte: „Schau mal über dir…“
Blinzelnd schaute Harry nach oben und fragte vorsichtig, nachdem er einen Eimer über sein Bett schweben sah: „Was ist da drin?“
Sirius erörterte trocken: „Das ist Eiswasser, mein lieber Harry! In zehn Sekunden dreht der Eimer sich von allein um und kippt seinen Inhalt über dem Morgenmuffel aus. Ach nein, durch mein Gequatsche sind’s jetzt nur noch drei Sekunden.“

Mit einem Hechtsprung verließ Harry das Bett. Der Eimer verschwand daraufhin, ohne das Bett zu durchnässen und Sirius sagte schwärmend: „Wow, Harry, dein Vater wäre stolz auf dich! Er hat es nie rechtzeitig geschafft. Wir warten draußen mit dem Frühstück. Beeil dich, ja?“
Während er schnell duschte, überlegte er, ob Ron und Hermine jemals so fies wären, auch nur auf die Idee zu kommen, ihn auf diese Art und Weise wecken zu wollen. Das konnte er zum Glück verneinen.

Nach dem Frühstück fielen die drei über die Schulsachen her. Nach etlichen Geschichten, die Harry sich ausschließlich über die Abenteuer und Streiche der Rumtreiber anhören musste, fragte er: „Remus? Sirius hat gesagt, du hast Tagebücher geführt.“ Remus schluckte, nickte jedoch zustimmend. „Ob ich da wohl mal einen Blick…?“, aber Harry wurde zaghaft von Remus unterbrochen.
Mit sanfter Stimme verwehrte er diesen Wunsch mit den Worten: „Nein Harry, tut mir Leid! Da stehen sehr persönliche Dinge drin, wie du dir denken kannst.“
Schelmisch grinsend stichelte Sirius: „Wie persönlich?“
Genervt antwortete Remus seinem alten Schulfreund: „Nicht so persönlich, aber persönlich halt. Harry, das kannst du nicht von mir verlangen!“

Geschlagen kniff Harry die Lippen zusammen. Was er verlangte, war wirklich etwas zu viel, dachte er nun selbst. Deshalb schlug er vor: „Wir könnten sie ja gemeinsam durchgehen?“
Wieder verneinte Remus, dieses Mal jedoch etwas zögernder: „Ich denke, vielleicht… Nein, das wäre keine gute Idee. Sei mir nicht böse, aber das geht einfach nicht.“

Sirius überspannte den Bogen und sagte neckend: „Steht da etwa drin, dass du in Lily verknallt warst?“
Mit großen Augen und einem Hauch gesunder Röte auf den Wangen konterte der sonst immer so besonnene Remus: „Wenn das in einem Tagebuch stehen würde, dann ja wohl in deinem!“
Geschockt blickte Sirius erst zu Harry, dann zu Remus, bevor er wütend empfahl: „Erzähl nicht so einen Stuss! Nicht vor Harry.“
Wieder auf seine ruhige Art erinnerte ihn Remus daran: „Ich habe nicht damit angefangen, mein alter Freund!“

Harry wusste nicht recht, wie ernst er diese Sache nehmen sollte. Von Professor McGonagall wusste er, dass seine Mutter in der Schule so beliebt gewesen war, wie damals Ginny. Für einen Moment verlor er sich in Erinnerungen an seine vergangene Flamme, als es plötzlich klopfte.

An der Tür stand ein unsicher wirkender Severus mit dem Hund an der Leine. Mit leicht enttäuschter Miene schaute er Harry an, bevor er zurückhaltend, aber doch zuversichtlich fragte: „Ich dachte, Sie kämen wie immer zum Frühstück zu mir?“ Er wollte gerade etwas hinzufügen, da verstummte er, als er Black und Lupin im Zimmer bemerkte. Nachdem ihm von Black ein böser Blick zugeworfen worden war, verschwand der Anflug von Unsicherheit. Finster dreinblickend sagte Severus verbittert, dieses Mal auch etwas lauter: „Aber ich möchte Sie keinesfalls dabei stören, mit Ihren ’Freunden’ weiterhin Zoten über mich zu reißen.“
Erbost und angriffslustig konterte Sirius aus dem Wohnzimmer heraus: „Wir haben eben nur über Lily gesprochen. Möchtest du nicht rein kommen, Severus? DU kannst ja ganz bestimmt etwas dazu beitragen oder?“

Es entsetzte Harry, mit ansehen zu müssen, wie sämtliche Farbe aus Severus’ Gesicht verschwand, obwohl dies bei der natürlichen Blässe kaum noch möglich zu sein schien. Streng blickte er über seine Schulter und wies seinen Patenonkel wortlos an, seinen vorlauten Mund zu halten. Remus benötigte keine Zurechtweisung, denn der schaute bereits verlegen und reumütig zu Boden. Bevor Harry die Situation klären konnte, spottete Severus: „Die Stimmung bei Ihnen, Mr. Potter, ist ja überaus ’heiter’. Ich empfehle mich dann.“ Schon marschierte Severus mit dem Hund von dannen.

Ohne zu überlegen stürmte Harry ihm nach: „Warten Sie doch, Severus!“ Natürlich blieb der nicht stehen und so musste Harry rennen, um ihn einzuholen. Er packte ihn am Arm und sagte derweil: „Bitte, das war nicht so…“
Doch in dem Moment, als seine Hand den Oberarm berührte, drehte sich Severus und packte Harry am Schlafittchen, bevor er ihn augenblicklich an die Wand drückte und gefährlich zischelte: „Fassen Sie mich nicht.“ Der Hund begann abrupt zu bellen und fletschte bedrohlich die Zähne, so dass Severus vor Schreck die Leine fallen ließ und einen Schritt zurückwich. Mit einem kurzen Sht-Laut brachte Harry den Hund erfolgreich zum Schweigen.

Enttäuscht blickte Severus zu dem Hund hinunter, während sich Harry bückte und die Leine aufnahm, die er Severus entgegenhielt, doch der erwiderte nur unwirsch: „Behalten Sie die Töle!“

Schnellen Schrittes entfernte sich Severus und ließ einen fassungslosen Harry zurück.

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033 Ordensmitglieder




„Hermine… ich hab’s versaut. Severus war heute früh so sauer. Ich befürchte, er will mich nicht mehr sehen“, sagte Harry übers Flohnetz zu seiner besten Freundin. Nach dem Vorfall mit Severus hatte Harry seinen Patenonkel zurechtgewiesen, der kurz darauf wutentbrannt zu Anne geflohen war. Remus hatte den Zwischenfall bedauert und sich bei Harry entschuldigt, obwohl ihn ja keine Schuld getroffen hatte.

„Ach, das wird schon, Harry. Du bist immerhin sein Hundesitter“, sagte sie schäkernd.
Doch Harry antwortete traurig: „Er hat gesagt, ich soll die ’Töle’ behalten. Ich denke, das ist eindeutig.“
Verzweifelt schüttelte Hermine den Kopf, doch sie versuchte aufzumuntern: „Trotzdem, ihr habt euch monatelang drei Mal täglich gesehen, ohne euch großartig an die Gurgel zu gehen. Harry, du darfst da jetzt nicht lockerlassen, auch wenn er momentan wieder so ein Griesgram ist wie früher. Du weiß ja, dass sich das überraschend ändern kann – so einen Moment musst du abwarten! Am besten fragst du ihn irgendwas Wichtiges oder bittest ihn um Hilfe; irgendeine Lehrerangelegenheit oder so.“
Verdutzt fragte Harry: „Warum sollte ich das tun?“
Den Kopf schüttelnd erklärte sie lehrerhaft: „Harry, das ist Psychologie! Das zeigt ihm, dass dir was an ihm liegt und dass er nicht unnütz ist. Mach es einfach, aber nicht so auffällig. Ich werde gerufen, Harry. Ich muss noch drei Stunden im Hospital bleiben. Bis dann!“

Ihn wegen irgendwas fragen oder um Hilfe bitten? Harry zermarterte sich den Kopf, um sich einen Vorwand auszudenken. Viele Kleinigkeiten verwarf er gleich wieder, da sie in Hermines Augen zu auffällig sein würden. Es musste etwas sein, mit dem Harry tatsächlich überfordert war.

„Harry, bist du da?“, hörte er Remus aus dem Kamin sprechen.
„Remus, ich dachte, du hast heute noch zu tun?“, fragte Harry nach.
Remus räusperte sich, bevor er erklärte: „Ja, na ja… Dir hat man bestimmt auch gesagt, dass der Orden des Phönix wieder aktiv wird!“ An Harrys verdattertem Gesichtsausdruck erkannte Remus, dass dem nicht so war, weswegen er stutzig sagte: „Ähm, ich dachte, weil du den Orden weitergeführt hattest, dass du davon… Offenbar nicht oder? Albus wird dir sicher noch Bescheid geben. Es wäre nicht richtig, dich wieder auszuschließen, wo du doch erstens volljährig bist und zweitens Voldemort erlegt hast!“
Harry lachte aufgrund der Ausdrucksweise und sagte schelmisch: „Erlegt? Voldemort war doch kein Wildschwein, obwohl… Nein, im Ernst: Keiner hat mir was gesagt. Sind wieder alle mit dabei? Kingsley, Alastor, Minerva, Molly, Arthur. Severus etwa auch?“

Remus sträubte sich ein wenig weiterzuerzählen, aber letztendlich sagte er: „Harry, hör mal. Ich weiß nicht, ob ich dir davon hätte berichten dürfen. Keine Ahnung, warum Albus dir bisher nichts gesagt hat. Ich hoffe sehr, er macht das noch. Ansonsten weiß ich nämlich nicht, was ich von der Sache halten soll.“
„Ist schon gut, Remus. Ich bring dich nicht in Schwierigkeiten. Ich werde keinem… Ich werde nur zweien davon erzählen, da lüg ich dich nicht an“, versicherte Harry.
Nickend nahm Remus seine ehrlichen Worte entgegen, die ihn glauben ließen, dass er Ron und Hermine davon berichten würde, bevor er sagte: „Ich wollte eigentlich wegen etwas anderem mit dir sprechen, Harry! Wegen meiner Tagebücher. Wir können uns gern treffen, um sie gemeinsam durchzublättern. Wenn es geht, bei mir und wenn möglich ohne Sirius. Aber sag mal, nach was genau suchst du? Es sind keine Geschichten, die deine Eltern betreffen! Das habe ich heute früh schon bemerkt.“

„Ich kann dir nichts vormachen oder? Ich bin ein offenes Buch für dich. Also gut: es geht um Severus!“, gab Harry zu, ohne zu erklären, warum er etwas über ihn in Erfahrung bringen wollte.
Remus hakte auch gar nicht nach, sondern nickte nur verständnisvoll und erwiderte: „Ich lag mit meiner Vermutung richtig. In Ordnung Harry, du musst mir nur sagen, wann es dir zeitlich passt. Ich habe keine Ahnung, inwiefern der Orden mich demnächst wieder in Beschlag nehmen wird. Ich wüsste nicht, welches Thema wichtig genug wäre, um alle Ordensmitglieder zusammenzutrommeln.“

Das wäre doch eine Sache, weswegen er Severus ansprechen könnte, dachte sich Harry und spazierte mit dem Hund in die Kerker. Salazar Slytherin sagte, als er Harry erblickte, arrogant klingend: „Sie haben keinen Zutritt mehr, Mr. Potter!“
Nickend erwiderte Harry: „Ja, das dachte ich mir. Dann sagen Sie ihm bitte, dass ich mit ihm sprechen möchte!“
Salazar schnaufte einmal höhnisch, bevor er entgegnete: „Entschuldigen Sie bitte, aber sehe ich wie eine Vorzimmerdame aus? Klopfen Sie gefälligst und warten Sie auf Einlass, wie jeder andere auch!“

Er hatte keine Lust auf ein Streitgespräch mit einem Gemälde, weswegen Harry einfach neben dem Rahmen an die Tür klopfte und dann wartete. Und wartete… und wartete. Dann klopfte er erneut, nur lauter und wartete nochmals eine Weile. Als er bereits zum vierten Mal ausholen wollte, giftete ihn das Gemälde an: „Haben Sie schon einmal in Erwägung gezogen, dass Ihre Anwesenheit nicht erwünscht sein könnte?“ Mit zusammengekniffenem Mund verließ Harry die Kerker und ging mit dem Hund spazieren.

Nach dem Unterricht und dem Mittagessen, dem Severus ferngeblieben war, folgte die gleiche Prozedur an der Tür seines Kollegen. Klopfen und warten und das mehrmals hintereinander, obwohl der eine Hogwarts-Gründer bereits über den Lärm zeterte und einige Slytherins beim Vorbeigehen ihren Lehrer verwirrt anblickten.

Am Abend war Harry mittlerweile sehr erzürnt über Severus’ bockiges Verhalten, weswegen er nach dem Klopfen, aus dem mittlerweile ein ungezügeltes Pochen geworden war, die Wartezeit mit lautem Rufen verbrachte, das man durch die Türe hören müsste, aber es regte sich nichts. Vielleicht war Severus ja tatsächlich nicht Zuhause, aber wo sollte er hin? Er hatte oft genug erwähnt, dass er außerhalb Hogwarts nichts anzustellen wüsste.

In seinem Wohnzimmer grübelte er darüber nach, was er tun könnte. Er könnte seinem Kollegen eine Eule schicken, aber er würde mit Sicherheit keine Antwort erhalten. Da fiel ihm auf, dass der Hund bis auf ein paar Häppchen vom Abendessen nichts gefressen hatte, weswegen er Dobby zu sich rief. Mit einem lauten Plop erschien der Hauself mit einer giftgrünen Wolljacke und grellgelber Mütze bekleidet und er sagte erfreut: „Mr. Harry Potter, Sir! Was kann Dobby Ihnen bringen?“ Harry lächelte den Elf nett an und fragte nach allerhand Hundeutensilien, wie Futter, Spielzeug und Fellbürste.

Dobby verschwand und kam Sekunden später vollbepackt mit viel zu vielen Gegenständen zurück. „Woher…?“, staunte Harry, als er jede Menge verschiedener Hundeknochen, fiependes Spielzeug in Entenform, zig sich selbst bewegende Spielbälle mit oder ohne Schnur und verknotete Seile beäugte.
„Das, Mr. Potter, hat Professor Snape heute früh abholen lassen. Professor Snape sagte zu Winky, dass der Erste, der nach so etwas fragen würde, alles haben könne.“

Gedankenverloren nahm Harry das verknotete Seil in die Hand und sofort kam der Hund an, der sein Spielzeug wieder erkannte, sich ein Ende mit den Zähnen schnappte und wie wild daran zog.

„Das hat Professor Snape bei sich abholen lassen?“, fragte Harry verdutzt nach. All das hatte Severus dem Tier besorgt, das er zuletzt eine Töle geschimpft hatte? Severus musste mehr an dem Hund liegen, als er sich selbst eingestehen wollte.

Die Nacht wurde zur Tortur. Harry hatte den Hund aus dem Schlafzimmer verbannt, weil er ihn wegen der vielen Haare nicht im Bett haben wollte. Es folgten zwei Stunden, in denen der Hund immer wieder an der Schlafzimmertür kratzte. Letztendlich vervielfachte sich die nächtliche Störung durch Bellen, Jaulen und dem Malträtieren der Tür, die nach draußen führte. Morgen hatte Harry wieder Unterricht und zwar gleich nach dem Frühstück. Es war bereits drei Uhr nachts und er hatte nicht ein einziges Mal ein Auge zumachen können. Völlig entnervt sprang er aus dem Bett, zog seine Slipper über und griff sich seinen Zauberstab und die Leine, um den Hund bei Severus abzuliefern.

Zumindest der Vierbeiner schien sich wahnsinnig zu freuen, als ein säuerlicher Harry den Weg in die Kerker einschlug. In einem Gang in einer schattigen Nische traf er auf ein knutschendes Pärchen, welchem er vor lauter Gereiztheit je zwanzig Punkte abzog, ohne zu wissen, wer die beiden überhaupt waren und welchem Haus sie angehörten.

An Severus’ Tür angekommen klopfte Harry so laut, dass, wenn es möglich gewesen wäre, Salazar Slytherin beinahe aus seinem Gemälde gefallen wäre.

„Was soll der Lärm zur Nachtzeit, Mr. Potter? Gehen Sie wieder!“, belferte das Gemälde, welches so rabiat geweckt worden war. Den Gründer ignorierend pochte Harry erneut. Der Hund stieg dieses Mal mit ein und bellte.
„Ja Harry, schön weiterbellen!“, ermutigte er den weißen Kuvasz mit säuselnd zarter Stimme.

Das Gebell und Gejaule war mittlerweile so laut geworden, dass alle Bilder auf dem Gang erwacht waren und sich lauthals über den Tumult beschwerten und damit noch viel mehr Krach machten, als der Hund allein. Harry brauchte gar nichts mehr zu machen. Zufrieden lächelnd lehnte sich gegenüber von Severus’ Tür an die Wand und ließ den Hund jaulen, bellen und an der Tür kratzen, worüber sich besonders Salazar Slytherin aufregte, der bald darauf aus seinem Gemälde verschwand.

Kurze Zeit später wurde die Tür von einem wütenden Severus aufgerissen und bevor er sich’s versah, rannte der Hund bereits in sein bekanntes Territorium. Mit den Augen folgte Severus dem Hund, blieb jedoch an der Tür stehen, um nun Harry böse anzublicken. Der stand ihm mit verschränkten Armen gegenüber und fing plötzlich an, laut loszulachen. Darüber etwas verwirrt runzelte Severus die Stirn.

Noch immer lachend erklärte Harry: „Ich fass es nicht… Sie tragen eine Zipfelmütze im Bett!“ Wieder begann er zu lachen. Selbst Severus’ mörderischster Blick brachte keinerlei Einschüchterung, denn die weiße Mütze mit der Bommel am schlaffen Ende ließ den ehemaligen Todesser nicht im Geringsten gefährlich erscheinen.
Noch einen Moment hörte Severus sich das Gegacker an, bevor er in kühlem Tonfall entgegnete: „Und Sie, Mr. Potter, sind sich hoffentlich darüber im Klaren, dass Sie schlafende Bärchen auf Ihrer nächtlichen Bekleidung zur Schau stellen?“
Harry, der jetzt nur abgehackt lachte, blickte auf seinen Arm und betrachtete für einen Augenblick die sich ankuschelnden Bären, bevor er grinsend erklärte: „War ein Weihnachtsgeschenk von Albus.“
Ein Mal musste Severus schnaufen, um ein Lachen zu unterdrücken, bevor er schmunzelnd zugab: „Wie auch die Schlafmütze ein Geschenk vom Direktor an mich war.“

Nur kurz, weil beide ihren Schlaf benötigten, erklärte Harry, dass der Hund sich bei ihm nicht wohl gefühlt hatte. Ohne Widerwort nahm Severus den Vierbeiner zurück und wünschte eine gute Nacht. Es war Severus, der unerwartet sagte: „Bis morgen!“

Am nächsten Morgen war Harry so müde, dass er den Hund nur kurz vor dem Frühstück ausführte. Die frische Luft hatte ihn noch schläfriger gemacht, so dass er beim Unterricht nicht ganz bei der Sache war. Er sorgte unbeabsichtigt für einen Lacher, als er anstelle von Rotkappe die Bezeichnung Rotkäppchen benutzte, aber Harry lachte daraufhin herzlich mit seinen Schülern mit.

Nach vierzehn Uhr hatte er heute zum Glück keinen Unterricht mehr, wofür er mehr als dankbar war. Trotzdem spielte er mit dem Gedanken, den Hund am Abend nochmals auszuführen, wie er es immer getan hatte. Zeitlich war es die ganze Woche über, seit er nun als Lehrer arbeitete, kein Stress, mit dem Hund vor dem Frühstück, nach dem Mittag und zum Abend spazieren zu gehen. Er musste es sich sogar zugestehen, dass ihm die Zeit mit dem Kuvasz Entspannung brachte und die kurze Zerstreuung ihn neue Energie schöpfen ließ.

Während des abendlichen Spaziergangs überlegte Harry, ob er Severus nachher von dem wieder aktiven Orden erzählen sollte. Er wollte Hermines Rat, obwohl der Streit zwischen ihm und seinem Kollegen seit heut früh vergessen schien, trotzdem nachkommen und Severus etwas Wichtiges fragen. Es fiel ihm nichts ein, um was er ihn bitten könnte, als er plötzlich einen Gedankenblitz hatte. Natürlich fiel ihm etwas ein! Er könnte Severus den Schlüssel zeigen, den Dobby ihm gegeben hatte. Den Schlüssel, den Kreacher in seinem Besitz gehabt hatte, sollte mysteriös genug scheinen, um Severus’ Interesse zu wecken.

Den in Pergament eingewickelten Schlüssel aus seinem Nachttisch steckte er sich vorsichtshalber in die Hosentasche, falls das Gespräch über den Orden in irgendeiner Weise fehlschlagen sollte.

Nachdem er den Hund wieder bei Severus vorbeigebracht hatte, lud er sich selbst ein und sagte: „Ich könnte jetzt einen Schluck Wein gebrauchen! Darf ich…?“ Er hielt die Weinflasche aus einem Regal in die Höhe und fragte frech: „Darf ich Ihnen auch einen einschenken?“ Nur einen Moment schien Severus perplex, weil Harry sich an seinen Spirituosen gütlich tun wollte, doch er nickte zustimmend und nahm das volle Glas, welches Harry ihm reichte, dankend entgegen.

„Severus, haben Sie vielleicht eine Ahnung, warum Albus mich nicht mehr im Orden des Phönix haben möchte?“, fragte Harry zögerlich, weil er ahnte, dass Severus ihn nicht einweihen durfte.
„WAS?“, blaffte sein Kollege plötzlich aufgebracht, so dass Harry zusammenzuckte und der Hund einmal kurz anschlug.

Heftig atmend, weil Harry sich wirklich erschrocken hatte, schilderte er: „Ich habe erfahren, dass der Orden wieder aktiv wird. Offensichtlich werden jetzt alle Mitglieder kontaktiert und…“ Harry hielt inne, weil sich die Augen seines Gegenübers sich vor Zorn immer weiter verengten.
Mit Wut in der Stimme, die nicht Harry galt, fragte Severus gespielt höflich: „Und hätten Sie die Freundlichkeit mir mitzuteilen, von WEM Sie diese Information haben?“
Eingeschüchtert schluckte Harry, bevor er antwortete: „Ich möchte nicht, dass die Person in Schwierigkeiten kommt. Er vermutet…“
„ER? Dann ist es Lupin oder Black, nicht wahr? Wer von beiden gab Ihnen diese Information, Harry?“, fragte Severus äußerst angespannt, doch Harry schüttelte den Kopf und verweigerte ihm eine Antwort. Er würde Remus nie in Schwierigkeiten bringen.

Nachdem sich Severus gesetzt und den Wein hinuntergestürzt hatte, als wäre es erfrischender Kürbissaft, erhob er sich wieder und ging auf Harry zu.

„Sie sind nicht der einzige, der von Albus nicht darüber informiert worden war. Und wie Sie bemerkt haben, bin ich darüber mehr als nur ungehalten. Es geht hier nicht um einen Briefeulen-Fanclub, der einem grundlos die Mitgliedschaft nicht verlängern möchte, Harry. Ich werde darüber mit Albus reden und zwar sofort! Fühlen Sie sich weiterhin“, er machte mit der Hand eine präsentierende Bewegung, „wie Zuhause!“ Seine Stimme war leise gewesen und hatte sehr gereizt geklungen und gleich darauf machte Severus sich auf den Weg in das Büro des Direktors.

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034 Nächtliche Gespräche




Das Gespräch mit Albus war seltsamerweise ruhig verlaufen, obwohl Severus sich im ersten Moment ungewohnt aufbrausend verhalten hatte und er den alten Zauberer mit leiser, drohender Stimme zur Rede gestellt hatte. Erst im Nachhinein, als Severus sich wieder in seinem Wohnzimmer befand, erwischte er sich dabei, wie er unruhig auf und ab ging und damit selbst den Hund nervös machte.

Albus hatte erklärt, dass es unklug wäre, ihn oder Harry momentan aktiv im Orden mitwirken zu lassen, weil beide gefährdet wären. Es beschlich ihn jedoch das Gefühl, dass Albus ihn und Harry nicht für gefährdet, sondern für gefährlich hielt. Er musste mit irgendjemanden darüber reden und zwar sofort!

Weil Anne am nächsten Tag sehr früh aufstehen musste, schickte sie einen darüber nicht sehr erfreuten Sirius schlichtweg nachhause. Sich über diese grobe Abfuhr mit Schokoladenfröschen tröstend saß er mit nackten Füßen und nur mit einer leichten Jogginghose bekleidet auf der Couch und las in Harrys letzter Klitterer-Ausgabe einen Artikel über die Sichtung des totgeglaubten und selbst in der Zauberwelt bekannten Muggel-Rockstars Elvis Presley, als es plötzlich wie wild an der Tür klopfte. Harry befand sich wahrscheinlich in seinem Büro und ging einige Essays seiner Schüler durch. Von Sirius’ Rückkehr hatte er noch nichts bemerkt und das Klopfen hörte er offenbar auch nicht, weswegen Sirius öffnete.

„Severus…“, grüßte Sirius verstummend, damit ihm keine boshaften Worte über die Lippen kommen konnten.
„Guten Abend, Mr. Black. Ich muss in einer dringenden Angelegenheit mit Ihrem Patensohn sprechen. Hätten Sie bitte die Güte, ihn von meiner Anwesenheit zu unterrichten?“, fragte Snape äußerst höflich.
Es ärgerte Sirius, dass Snape sich ihm gegenüber so formell anständig zeigte und ihm keinen Grund gab, eine schnippische Bemerkung zu machen, weswegen er den Gast mit zusammengekniffenen Lippen ins Wohnzimmer eintreten ließ, bevor er Harry Bescheid gab, der auch gleich alles stehen und liegen ließ, um Sirius ins Wohnzimmer zu folgen.

„Muss ich mich zurückziehen?“, fragte Sirius trotzig, als er sehnsüchtig auf die Schokoladenfrösche, deren Sammelkarten und den aufgeschlagenen Klitterer auf dem Couchtisch blickte. Sollte Snape ihn etwa aus seinem eigenen Wohnzimmer vertreiben?

„Nein, Mr. Black, Sie können bleiben!“, antwortete der Gast gelassen, was Sirius ein wenig erstaunte. Nachdem sich alle gesetzt hatten und Severus eine schalldichte, magische Wolke um die Sitzgruppe herum gezaubert hatte, erklärte er anschließend: „Wie Sie wissen, Harry, war ich bei Albus wegen…“
Harry unterbrach ihn und fragte neugierig, um die Sache zu beschleunigen: „Was hat er gesagt?“

Über die Unterbrechung nicht missgestimmt antwortete er: „Weder Sie noch ich werden den Orden des Phönix tatkräftig unterstützen dürfen.“ Er blickte Sirius an und fügte hinzu: „Und wie ich Mr. Blacks aktuellem Gesichtsausdruck entnehmen kann, ist auch er nicht darüber informiert worden, dass die anderen Mitglieder des Ordens bereits seit wenigen Tagen zusammengetrommelt werden, während wir drei außen vorgelassen werden!“

Ungläubig warf Sirius ein: „Das glaube ich einfach nicht! Warum sollte…? Nein, das kann nicht sein! Ich werde mit Albus reden. Er wird…“
Severus unterbrach und vollendete den Satz: „…Ihnen sagen, dass wir drei gefährdet wären und daher nicht mehr aktive Mitglieder des Ordens sein können! Ich habe eineinhalb Stunden mit ihm gesprochen und letztendlich nichts in Erfahrung bringen können, außer dass wir offensichtlich unerwünscht sind.“

Sein Versprechen gegenüber Remus hatte Harry nicht gebrochen. Der Erste, dem er von der Aktivierung des Ordens erzählte hatte, war Severus gewesen. Die zweite Person sollte Hermine sein, weswegen Harry froh war, dass Sirius selbst auf Remus gekommen war, der höchstpersönlich einen der letztlich kontaktierten Ordensmitglieder darstellte.

Sirius seufzte und sagte niedergeschlagen klingend: „Hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber offenbar sitzen wir im gleichen Boot. Ich werde Remus aushorchen! Das können die nicht so einfach…“
Wieder unterbrach Severus, nur dieses Mal sagte er sehr bestimmend, wenn auch äußerst leise, so dass beide gebannt auf seine Stimme hörten: „Sie werden nichts dergleichen tun, Mr. Black! Wenn wir schon im gleichen Boot sitzen, wie Sie sich auszudrücken pflegen, dann fangen Sie ja nicht damit an, selbstständig den Kurs zu ändern oder mit Ihrem Paddel unkontrolliert um sich zu schlagen, denn das könnte das Boot zum Kentern bringen und Harry und mich durch Ihr unüberlegtes Verhalten mit untergehen lassen! Ich hoffe, Sie verstehen, was ich meine!“ Harry war froh, dass Sirius nichts erwiderte, denn der nickte nur nachgebend.

„Was können wir tun?“, fragte dieses Mal Harry kleinlaut.
Den kühlsten Kopf hatte Severus bewahrt, denn er antwortete gelassen klingend: „Wir tun erst einmal gar nichts, außer uns Gedanken zu machen, denn Albus wird ganz sicherlich ein Auge auf uns haben. Wir werden vorgeben, dass wir unserer eigenen Sicherheit zuliebe seine Entscheidung gutheißen. Lupin auszuhorchen wäre keine gute Idee, denn Albus würde das sofort merken.“

Severus wollte es nicht laut zugeben, aber er hielt Lupin für eine ehrliche Haut. Zum Lügen wäre er nicht imstande, weil er sich mit verschämten Blicken oder erröteten Wangen verraten würde. „Wir drei müssen jetzt… wir müssen…“
Severus konnte den Satz nicht beenden, aber Harry nahm ihm die Mühe ab und vervollständigte: „…zusammenhalten!“

Nachdem Severus gegangen war, sagte Harry zu seinem ausgesprochen stillen und ernsten Patenonkel: „Sirius? Ich geh nach draußen; nur etwas spazieren. Nicht weit weg, ich will nur… Na ja, du verstehst bestimmt.“

Sirius nickte geistesabwesend, während er mittlerweile nachdenklich an dem Fingernagel seines Daumens knabberte. Wie konnte der letzte Rumtreiber ihm nur davon nichts erzählt haben? Welche Gründe könnten Albus und all die anderen Mitglieder des Ordens haben, Sirius, Severus und Harry nicht einmal darüber zu informieren, geschweige denn, nicht mehr aufnehmen zu wollen? Wäre es möglich, dass andere Ordensmitglieder ebenfalls nicht informiert worden waren? Was war mit Minerva oder dem Minister? Würde Arthur jetzt keine Bedrohung für den Orden darstellen, wo er doch das Sagen im Ministerium hatte?

Nicht nur Sirius, sondern auch Harry grübelte und grübelte, während er die Gänge entlang schlenderte und in der Hosentasche mit einem aus dem Pergament hervorlugenden Teil des metallenen Schlüssels spielte, den er seit dem frühen Abend mit sich herumtrug.

Als Draco plötzlich um eine Ecke gebogen kam und mit Harry kollidierte, erschraken beide. „Danke für den Herzinfarkt, Draco…“, sagte Harry scherzend, als er sich vor Schreck an die Brust fasste.
„Was machst du denn auch um diese Uhrzeit noch hier draußen? Es ist nach zwei Uhr nachts! Etwa auf der Suche nach knutschenden Slytherins? Ich bin wirklich froh, hier kein Schüler mehr zu sein“, erwiderte Draco belustigt und er erwähnte absichtlich nichts von dem fummelnden Pärchen, welchem er von wenigen Minuten über den Weg gelaufen war. Von sich selbst überrascht fügte Draco hinzu: „Du sieht irgendwie mitgenommen aus.“

Ohne nachzudenken forderte Harry ihn auf, ein Stück mit ihm zu gehen und als sie die Schule verlassen hatten und auf der Wiese ziellos umherstreiften, erzählte Harry ihm von dem Orden und dass man Sirius, Severus und ihn nicht mehr dabeihaben wollte.

„Harry, einen Moment!“, sagte Draco, der mit den Händen eine stoppende Geste machte. „Ich habe keine Ahnung, was du mit ’Orden des Phönix’ meinst und wer da Mitglied war oder ist“, machte Draco ihm begreiflich.
Harry stutzte, bevor er ungläubig nachfragte: „Ich dachte, als du fünf Jahre lang mit Severus… Na ja, dass er dir davon…“
Draco schüttelte langsam den Kopf und sagte danach: „Aber danke für die Info! Hört sich sehr interessant an. Erzählst du mir mehr?“

Zögernd durchdachte Harry die Situation und er kam zu dem Schluss, dass er ihm davon erzählen wollte. Für Draco war ersichtlich, dass Harry für sich eruiert hatte, ob er sich ihm anvertrauen konnte. Er war, auch wenn er es nie zugeben würde, erfreut darüber, als Harry ihm stichpunktartig erzählte, wann der Orden warum gegründet worden war und aus welchen Mitglieder er zuletzt bestanden hatte. Jetzt verstand Draco, was Harry so nachdenklich gemacht hatte.

Sie hatten ihren ziellosen Weg fortgesetzt, während Harry seinem ehemaligen Erzrivalen von dem geheimen Orden erzählte. Am Ende sagte Draco sehr ernst: „Weiß du, an deiner Stelle würde ich ausschließlich Severus trauen! Mein Vater mag mir viele Lügen über Dumbledore eingetrichtert haben, aber eines ist gewiss: er kann geschickt manipulieren und die Leute um sich herum wie Marionetten tanzen lassen! Wenn Severus sich zwischen Dumbledore und dir entscheiden müsste, wäre er dir loyal.“

Ungläubig riss Harry seine Augen weit auf, was Draco dazu veranlasste zu sagen: „Brauchst gar nicht so zu schauen wie ein Knallrümpfiger Kröter kurz vorm Explodieren; das ist so! Allerdings ist meine Aussage natürlich herzlich wenig wert, wenn du mir nicht trauen solltest, was du wiederum selbst entscheiden musst!“ Harry schluckte betroffen, aber erwiderte nichts.

Mutig fragte Harry nach einem Augenblick: „Ich wollte dich schon länger mal fragen…“ Mit hochgezogenen Augenbrauen wartete Draco darauf, bis Harry seine Frage stellte und die kam prompt: „Sag mal, wie geht es eigentlich deinen Eltern?“ Dracos Gesichtsausdruck verfinsterte sich, weswegen Harry bereits mit einem angehenden Streit rechnete, aber sein Gesprächspartner riss sich zusammen.
Wenn Harry ihm so viel anvertraut hatte, dann könnte er diese Gelegenheit dazu nutzen, um sich ihm mitzuteilen, dachte Draco. So begann er stockend, weil er nach richtigen Worten suchte: „Mein Vater – wie du dir sicher denken kannst… Na ja, er sitzt in Askaban!“ Harry begann wieder, gedankenverloren mit dem Schlüssel in seiner Hosentasche zu spielen, als Draco unerwartet und sehr leise hinzufügte, gerade so, als würde er sich schämen: „Er hat während seiner Zeit dort das Augenlicht verloren.“
„Oh“, war das erste Wort seiner Betroffenheit, bevor Harry ihm ehrlich mitteilte, „das tut mir Leid, Draco.“

Stillschweigend gingen sie über die Wiese nebeneinander her, während Harry sich Dracos Verhalten der letzten Monate ins Gedächtnis zurückrief und zu dem Schluss kam, dass dessen Trübsinn und der Anhauch von Aggression nachvollziehbar schien.

„Hast du deswegen den einen Abend, wo du dir die Hand verletzt…“
„Nein! Doch… nein!“, verhaspelte sich Draco.
„Ist okay, du musst nicht drüber reden“, versicherte Harry ihm mit warmer, verständnisvoller Stimme, die ihn fast dazu ermutigt hätte, doch über das Problem mit seinem Erbgut zu reden.

Als sie Hagrids Hütte passiert hatten, fragte Draco vorwurfsvoll und gespielt angewidert: „Sag mal, spielst du Taschenbillard oder was machst du da?“ Geschockt hörte Harry auf, mit dem Schlüssel zu spielen, während er bemerkte, dass ein wenig Röte seine Wangen zu überfluten schien, weil er ein ganz warmes Gesicht bekam, obwohl er gar nichts Unanständiges getan hatte. Erklärend zog er das Pergament mit dem eingewickelten Schlüssel aus seiner Hosentasche und zeigte es Draco. „Und was soll das bitte sein?“, fragte Draco grinsend, weil er sich darüber freute, Harry zuvor auf den Arm genommen zu haben.
„Das ist eine gute Frage! Das ist ein Schlüssel, den mir Dobby gegeben hat“, erzählte Harry, während er ihn aus dem Pergament ausrollte und ihn zwischen Daumen und Zeigefinger haltend Draco präsentierte.
„Ich wusste es immer: du hast einen Knall!“, sagte Draco trocken. Aufgrund des fragenden Gesichtsausdruck von Harry höhnte Draco: „Da ist kein Schlüssel!“

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CharLue
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Beitrag von CharLue »

Man, warum hörst du bei so einer spannenden Stelle auf zu schreiben? xD
Mal wieder ein sehr, sehr toller Teil.
Ich bin gespannt, wie das Ganze sich entwickelt!

Lg
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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

Hi CharLue,

warum ich da aufgehört habe? Weil es dann spannend ist :wink:
Vielen Dank für dein Lob. Ich bin mir sicher, dass ich hier und da für Überraschungen sorgen kann.
Viel Spaß beim nächsten Kapitel!

Lieben Gruß,
Muggelchen




035 Trautes Heim




Harry und Draco schauten sich fragend an und hofften, den jeweils anderen an der Mimik als Witzbold enttarnen zu können. Der Erste, der die Stille brach, war Harry, der leise und etwas entsetzt fragte: „Du siehst da wirklich keinen Schlüssel?“ Seine Worte klangen so ernst, dass Draco jeder Sinn nach Hohn und Spott vergangen war, während er unsicher den Kopf schüttelte. Bittend sagte Harry: „Würdest du… nur um zu sehen, ob du ihn fühlen kannst, meine ich…“

Es schien ihm reichlich albern, nachts auf einer Wiese hinter Hagrids Hütte an Harrys Fingerkuppen herum zu tasten, aber sein Gegenüber hatte die Worte so flehend herausgebracht, dass Draco nicht anders konnte. Er hob seine Hand und fühlte gleich über Harrys Fingernägeln einen harten Gegenstand, den er jedoch nicht sehen konnte.

„Ich glaub, ich spinne! Was…?“, sagte Draco verstummend.
Er brauchte seine Frage nicht zu stellen, denn Harry erklärte von sich aus: „Das ist so eine seltsame Sache bei mir. Manchmal kann ich Leute nicht sehen oder hören, obwohl sie definitiv da sind, aber einmal konnte ich einen von diesen Affen sehen, die sich tarnen können. Na ja, ich konnte ihn sehen, während er getarnt war. Ich weiß nicht, wie das kommt, aber Severus und Hermine versuchen herauszufinden, was die Ursache dafür sein könnte.“

Er benötigte einen Moment, um Harrys Worte sacken zu lassen, bevor er erstaunt nachfragte: „Severus und Granger… zusammen?“ Harry musste lachen, denn es schien Draco wesentlich unheimlicher, dass die beiden miteinander auskamen als die Tatsache, dass Harry gewisse Probleme mit seiner Wahrnehmung hatte. Vielleicht hatte Severus seinem Patensohn nichts von Hermine erzählt, weil er wusste, dass Draco mit ihr nie gut ausgekommen war?

Die Sache mit dem Schlüssel fand Draco äußerst spannend, weswegen er neugierig nachfragte: „Dobby hat dir den Schlüssel gegeben?“ Harry bestätigte seine Aussage und erzählte, wie es dazu gekommen war. Nachdem Harry das erste Mal den Namen Kreacher erwähnt hatte, erstarrte Draco abrupt zur Salzsäule.
„Draco? Was ist? Geht’s dir gut?“, fragte Harry besorgt.

Blinzelnd schaute Draco zu Boden, dann nervös über Harrys Schulter und einmal sogar nach oben in die Sterne, während seine Hände sich langsam wie von allein zu bewegen schienen und verzweifelte Gesten machten; sich verkrampft zu Fäusten ballten, sich streckten oder am Stoff seines Umhanges zerrten, als wäre der Blonde eben mit einer Situation konfrontiert worden, die ihn überforderte. Draco schien im Moment völlig hilflos und aufgeregt. Immer wieder blickte er fassungslos um sich, während seine Lippen nun auch unkontrolliert zu zitterten begannen. Letztendlich wurde er von seinen Gefühlen so sehr übermannt, dass er in die Hocke gehen musste.

Draco atmete erregt und abgehackt, was Harry dazu veranlasste, sich neben ihn zu knien und noch viel besorgter als zuvor zu fragen: „Draco, was ist? Soll ich Severus holen? Merlin, du musst ruhig atmen! Mach die Augen zu und konzentriere dich aufs Luftholen. Nein, nicht tief atmen, sondern ruhig, einfach nur ruhig. Zähl langsam bis zehn und versuch, ruhiger zu atmen.“ „Alles klar?“, fragte Harry nach einem Moment beunruhigt.

Jede von Harrys Anweisungen hatte er befolgt, so dass er mittlerweile wieder normal atmete.
Mit Schweißperlen und Hoffnung im Gesicht fragte Draco: „Kreacher! Was war mit ihm? Er ist tot oder?“
Harry empfahl: „Gehen wir lieber zurück ins Schloss!“
„HARRY, sag mir, was du über Kreacher weißt!“, entgegnete Draco lautstark.

So setzte sich Harry neben ihn und erklärte, was er zuvor nicht beenden konnte: „Dobby sagte, Kreacher hätte Dinge versteckt. Und nachdem Dobby ihn irgendwo hier draußen tot aufgefunden hatte, gehörten alle Dinge, die Kreacher gehört hatten, mir. Ich war sein letzter Meister gewesen, weil man Sirius ja tot glaubte. Deswegen hat Dobby mir das gebracht!“ Er hielt den Schlüssel hoch, aber Dracos Augen waren nur auf das geknitterte Stück Pergament gerichtet, welches auf dem Boden lag – das Einzige, das er sehen konnte.

„Hauselfen haben keinen Besitz, das weiß doch jedes Kind!“, konterte Draco gereizt.
„Kreacher hat mich gehasst, Draco! Vielleicht hat er den Schlüssel nur für jemanden aufbewahrt und es mir gar nicht gesagt. Er mag verwirrt gewesen sein, aber er hat es verstanden, sich seine Anweisungen immer so hinzubiegen, wie er es gerade gebraucht hatte, ohne sich anschließend bestrafen zu müssen.“

Mit beiden Händen raufte sich Draco die blonden Haare, als er verzweifelt sagte: „Das muss doch einen Sinn ergeben. Es MUSS einen Sinn haben!“
„Was meinst du? Draco, ich hab keinen blassen Schimmer, wovon du überhaupt redest!“, verdeutlichte Harry mit fester Stimme.

„Weißt du, ob Kreacher meine Tante aufgesucht hat?“, fragte Draco mit Nachdruck, ohne Harry einen Einblick in seine Gedanken zu gewähren.
„Nein Draco, das weiß ich nicht, aber er hat deine Tante über alles gestellt. Er hat mich nie akzeptiert, obwohl er Sirius’ Eigentum gewesen war und nach dessen Tod meines. Ich kann nicht ausschließen, dass er nicht auch anderen Personen Versprechen gegeben haben könnte oder etwas für andere erledigt hatte. Wenn es so gewesen sein sollte – wenn er also tatsächlich mit einer weiteren Person unter einer Decke gesteckt hatte – dann hat er es jedenfalls weder Sirius noch mir erzählt. Demzufolge konnte man ihn auch nicht gezielt fragen, um hinter seine ganzen Geheimnisse zu kommen. So konnte er weiterhin den Mund halten und er musste sich nicht selbst bestrafen. Möglicherweise hat er es auf seine verschlagene Art und Weise so hinbekommen, der Diener mehrerer Meister zu sein?“

Nach einer Weile, die Draco grübelnd verbracht hatte, indem er immer wieder eine Hand an die Stirn legte und die Augen konzentriert zusammenkniff, rückte er endlich damit heraus, was ihn so beschäftigte: „Mein Vater sagte, meine Mutter würde sich in einem Haus versteckt halten, das unter dem Fidelius-Zauber steht und er wusste, dass Kreacher der Geheimniswahrer gewesen war, aber der ist jetzt tot. Verdammt!“

Nach einem weiteren Moment, den Draco wieder angestrengt nachdenkend verbracht hatte, brabbelte er vor sich her: „Meine Mutter muss irgendwas gedreht haben! Ein Schlüssel, ein Haus, ein Fidelius… Aber was waren Kreachers Anweisungen gewesen?“

Gespannt verfolgte Harry die Selbstgespräche des Slytherin, der offenbar davon ausging, dass der unsichtbare Schlüssel von Kreacher etwas mit dem Haus zu tun haben müsste, indem sich dessen Mutter versteckt halten sollte.

Harry fand keine Zeit, um irgendetwas von sich geben zu können, da versuchte Draco erneut, die Tatsachen wie ein Puzzle zusammenfügen zu wollen: „Warum Kreacher? Das muss einen Sinn ergeben! Wenn es aber vorhersehbar war, dass ein Außenstehender – Black oder du – den Schlüssel bekommen würde, sollte der Elf sterben, dann ist das einfach nur unlogisch! Severus, mein Vater oder ich; das wäre logisch gewesen, wenn einer von uns den Schlüssel bekommen hätte. Warum aber sollte man wollen, dass ausgerechnet du…?“ Er hielt inne und blickte Harry an, bevor er sagte: „Nimm es mir nicht übel, Harry, aber genau das ist es, was keinen Sinn ergibt!“

Mit hochgehaltenen Händen sagte Harry: „Aber es kann doch auch sein, dass der Schlüssel überhaupt nichts mit dem Versteck deiner Mum zu tun hat! Ich würde mir nicht zu große Hoffnung…“
Draco unterbrach ihn und schimpfte etwas entrüstet: „Wie blind bist du eigentlich? Kannst nicht einmal eins und eins zusammenzählen, wie? Ich weiß, dass der Schlüssel aus Kreachers ’Besitz’ mit dem Haus zu tun haben muss! Man muss nur anständig kombinieren können, aber das kannst du offenbar nicht!“

Ermutigend begann Harry mit den Worten: „Was, wenn deine Tante ihrer Schwester zuliebe…“
Wieder unterbrach Draco ihn. „Nein, definitiv nicht! Meine Tante hätte niemals, für niemanden, irgendetwas getan, das nicht im Sinne des Dunklen Lords gewesen wäre. Meine Familie war sowieso bei ihm unten durch. Mein Vater war der Sündenbock für meine Flucht und auch für das Verschwinden meiner Mutter! Bellatrix hätte ohne mit der Wimper zu zucken ihre eigene Schwester kaltblütig ermordet, wenn der Dunkle Lord sie aus purer Lust auf Unterhaltung darum gebeten hätte! Kreacher und sie konnten einfach nicht unter einer Decke stecken, um meine Mutter zu schützen, aber jemand anderem als Bellatrix hätte er niemals so einen Gefallen erwiesen!“

Plötzlich hielt Draco inne, aber Harry forderte ihn auf, seine Gedanken preiszugeben, so dass Draco nachgab und die wirren Möglichkeiten laut von sich gab, die sein verquerer Slytherin-Verstand erdachte: „Sie waren Schwestern… Kannten sich nur zu gut. Mutter war clever… Sie hätte… Das würde es erklären können: Vielsafttrank! Meine Mutter war nie eine Todesserin. Ihr lag mehr an mir und Vater als am Dunklen Lord. Sie wusste, dass Kreacher meine Tante verehrte; er sie vielleicht sogar besuchte. Meine Mutter muss sich als ihre Schwester ausgegeben haben und…“

Dieses Mal unterbrach Harry ihn, indem er sagte: „Draco, das sind nur wilde Vermutungen!“
Doch Draco beteuerte selbstsicher und mit erhobenem Zeigefinger: „Das ist nicht so abwegig, wie du denken magst, Harry. Meine Mutter war ausgezeichnet in Zaubertränken! Und ich kannte sie besser als mein Vater, darauf kannst du Wolfswurz nehmen! Ich kenne ihre Taktiken, denn die hat sie mir eingeimpft. Sie hat immer alles so hingebogen, dass sie ihr Ziel erreichen würde und dafür hat sie auch andere manipuliert, ohne dass die das gemerkt haben. Sie war es, die meinem Vater ausgeredet hat, mich nach Durmstrang zu schicken. Sie hat Severus zu meinem Paten gemacht. Sie hat dafür gesorgt, dass ich unter seiner Obhut stand, als ich…“ Draco hielt kurz inne und verdrängte ganz schnell wieder den Gedanken an die Nacht auf dem Astronomieturm, in welcher er Dumbledore hatte ermorden sollen.

Nachdem er sich gefangen hatte, erklärte er weiter: „Unser Verstand arbeitete sehr ähnlich, wenn nicht sogar genauso! Sie muss in der Richtung irgendwas gedreht haben. Ich bin mir sicher, Harry, denn ich hätte es auch so gemacht! Genau so! Meine Mutter muss Kreacher in der Gestalt von Bellatrix zum Geheimniswahrer gemacht haben und ihm darüber hinaus das Versprechen abgenommen haben, niemals wieder – nicht einmal in ihrer, also Bellatrix’ Anwesenheit – ein Wort darüber zu verlieren! Das wäre logisch! Das IST logisch! Wenn mir das in den Sinn kommt, dann könnte meine Mutter genau so gedacht haben, wie ich jetzt! Aber wenn Kreacher gestorben ist, vielleicht ist sie ja auch nicht mehr am…?“ Er verstummte abrupt.

Plötzlich griff Draco nach dem Stück Pergament am Boden, in dem der Schlüssel eingewickelt gewesen war und er starrte es hoffnungsvoll an, doch es war leer. Keine Ortsbeschreibung, keine Worte, die ihm das Versteck nennen würden. Ernüchtert schloss er die Augen, bevor er sagte: „Wenn Kreacher sich um sie gekümmert haben sollte, dann wird sie jetzt auch tot sein und irgendwo ungesehen“, er schluckte kräftig, „verwesen!“
Dieses Mal war es Harry, der die Geschichte weitersponn und laut vermutete: „Wenn deine Mutter so schlau war – so schlau ist –, dann wird sie das mit eingeplant haben!“

Niedergeschlagen stand Draco auf und sagte mit schwacher Stimme: „Gehen wir zurück zum Schloss.“ Irgendetwas in seiner Stimme machte Harry Angst. Draco schien zu kapitulieren und in nichts mehr einen Sinn zu sehen; keinen Sinn im Leben zu sehen. Und mit einem Male war dieses unerklärliche Wissen da, dass Draco sich der Hoffnungslosigkeit ergeben wollte, sobald er zurück in seinem Zimmer war. Jetzt bekam es Harry richtig mit der Angst zu tun. Dieses Wissen, welches sich ihm aufgedrängt hatte, war keine reine Vermutung aufgrund der Tatsachen. Es würde eintreffen! Dessen war er sich absolut sicher!

Draco hatte sich bereits einige Schritte von ihm entfernt, als Harry schnell vom Boden aufstand, um ihm zu folgen und ihn von Dummheiten abzuhalten. Kurz aus den Augenwinkeln heraus bemerkte er etwas, weswegen er sich nochmals umdrehte. Vor lauter Schreck schrie Harry auf, bevor er sich selbst mit den Händen zur Stille zwang. Auf der Stelle war Draco wieder bei ihm, der aufgebracht fragte, was denn nur geschehen war. Mit zittrigen Fingern zeigte Harry auf das kleine, schäbige Haus, welches sich etwa zwanzig Meter vor ihnen befand und vor wenigen Sekunden definitiv noch nicht hier gestanden hatte. Dem Zeigefinger folgend sagte Draco leise sprechend: „Was ist da? Ich sehe nichts!“

An Harrys Atmung bemerkte Draco, dass die Sache ernst war und Harry bestätigte ihm die Vermutung, als er leise, aber heftig atmend und stockend schilderte: „Da steht… ein Haus. Es ist nicht sehr groß, aber… verdammt, das stand da eben noch nicht!“

Doch Draco sah absolut nichts. Wieder führte er sich den Fetzen Pergament vor Augen, in welchem der Schlüssel eingewickelt gewesen war und den er die ganze Zeit geistesabwesend gehalten hatte. Er fragte Harry fast nebensächlich klingend: „Wo genau ist Kreacher aufgefunden worden?“

Wie ein Fidelius-Zauber funktionierte, wusste Draco nicht genau, weswegen er Severus nach seinem ersten Besuch bei seinem Vater darüber ausgefragt hatte. Auf seine Fragen hin hatte Severus ihm alles erklärt, was er darüber wusste, doch das hatte ihm nicht gereicht.

Es waren sehr alte Aufzeichnungen in historischen Büchern gewesen, die Draco auf der Suche nach Möglichkeiten durchforstet hatte, ob man ohne einen Geheimniswahrer an den verheimlichten Ort gelangen könnte. Es schien ausweglos, bis er auf eine Sache gestoßen war. Es war nur eine kurze Abhandlung über die damalige Hexenverfolgung und es war geschildert worden, wie ein Mann seine Kinder vor den aufgebrachten Muggeln geschützt hätte, indem er sich selbst zum Geheimniswahrer seiner Hütte gemacht und er sich und seine Kinder dort versteckt gehalten hatte. Eine Unstimmigkeit an der Geschichte hatte Draco besonders stutzig gemacht, denn der Mann, von dem er gelesen hatte, soll stumm gewesen sein und doch sollte er der Geheimniswahrer gewesen sein. Wie sollte das möglich sein, wenn nur der Geheimniswahrer den Ort nennen konnte, um weitere Personen einweihen zu können? Und warum musste man gleichzeitig dem Einzuweihenden auch einen Zettel unter die Nase halten?

Jetzt ging Harry ein Licht auf. Diese Stelle, wo das Haus plötzlich aufgetaucht war, war genau die Stelle, an der Fang und Harry wie verrückt gebellt hatten. Seine Augen von dem Haus abwendend gab Harry wider: „Severus sagte, Kreacher wäre hier in der Nähe gestorben. Vielleicht 100 Meter von Hagrids Hütte entfernt und am Waldrand. Möglicherweise genau hier, wo wir stehen, denke ich.“

In diesem Moment, als Draco auf das Stück Pergament starrte und Harrys Ortsbeschreibung hörte, bildeten sich erst einzelne Buchstaben und dann ein vollständiger Satz auf dem zerschlissenen Fetzen Papier, den Draco für Harry laut vorlas: „Narzissas Haus befindet sich am Waldesrand in der Nähe der Hütte des Wildhüters.“

Nachdem Draco wie gebannt aufblickte, sah er, wie sich eine große Narbe ins Gras zeichnete und von diesem Spalt die Erde aufgerissen wurde, bevor sich ihm ein heruntergekommenes, bescheidenes Haus offenbarte, dessen Anblick sein Herz höher schlagen ließ.

Kaum hatte Harry sich gefangen, spürte er Dracos Hand an seiner, die das warme Metall umfasste. Ehe er reagieren konnte, entriss Draco ihm den eisernen Schlüssel, der für ihn plötzlich nicht mehr unsichtbar war, und stürmte auf das Haus zu. Harry folgte ihm wortlos und beobachtete, wie Draco mit so zittrigen Händen den Schlüssel hielt, dass er ihn nicht einmal in das Schloss einführen konnte. Beruhigend legte er eine Hand auf Dracos Hände, ohne ihm den Schlüssel wegnehmen zu wollen. Nur unwesentlich beruhigte sich Draco, aber es genügte, den Schlüssel in das Schloss zu stecken und ihn zu drehen. Aufgeregt und abgehackt atmend drückte Draco die Klinke hinunter und warnte Harry: „Sei vorsichtig! Nur falls…“ Nickend versicherte Harry, auf der Hut zu bleiben.

Beide zogen ihre Zauberstäbe und betraten das Haus. Drinnen war es etwas muffig, aber zum Glück roch es nicht nach einer verwesten Leiche. Hier und da flackerten einige Lichter, was besonders in Draco Hoffnung weckte, Harry hingegen nur noch darin bestärkte, vorsichtig zu sein. Sie nickten sich kurz zu, bevor sie sich trennten. Harry begab sich in einen kleinen Raum, der sich als Küche entpuppte.

In einem kleinen, karg eingerichteten Wohnzimmer hielt Draco inne, um mit den Augen den Raum zu überfliegen. Die schlichte Einrichtung bestand aus zwei Ohrensesseln, von dem einer ihm abgewandt stand, einem kleinen und wackelig aussehenden, unlackierten und daher widerlich grauen Holztisch, einer leeren und staubigen Vitrine und einem kleinen Sideboard. Tapeten lösten sich bereits von den Wänden und hingen einige Zentimeter hinunter. Überall lagen oder hingen dicke Staubflusen herum und die wenigen Dekorationsgegenstände machten dieses Zimmer nicht gemütlicher.

Erst, nachdem er sicher war, dass sich niemand hier aufhalten würde, ging er um einen der großen Ohrensessel herum und erschrak ganz fürchterlich, als er das Antlitz seiner Mutter erblickte. Ihre Haut war weiß wie Schnee, ihre Augen glasig und abwesend. Sie saß nur da und bemerkte nicht einmal, wie ihr Sohn besorgt nach ihr rief: „Mutter? Mutter!!“

Durch Dracos Worte aufgescheucht hastete Harry zu ihm ins Wohnzimmer. Nun standen die beiden jungen Männer vor der sitzenden Narzissa Malfoy, deren Schönheit über die Jahre nicht verblasst war. Ihr Haar war kunstgerecht nach oben gesteckt und hübsch zurechtgemacht. Sie trug ein edles Kleid, welches so oft geflickt worden war, so dass die hauswirtschaftlichen Zaubersprüche mittlerweile dunkelgraue Flecken auf dem feinen, beigefarbenen Stoff zurückgelassen hatten. Sie saß manierlich in dem Sessel, wie eine wohlerzogene Dame sitzen sollte: mit den Beinen eng aneinandergepresst und mit tugendhaft im Schoß gefalteten Händen.

„Mrs. Malfoy?“, versuchte es dieses Mal Harry, aber er erhielt keine Antwort. Mrs. Malfoy blinzelte nicht einmal. Draco streckte vorsichtig seine Hand aus und berührte die warme Wange seiner Mutter. Ihre Lider schlossen sich daraufhin für einen Moment. Als sie sie wieder öffnete, fixierte sie die graublauen Augen ihres Sohnes. Die Andeutung eines Lächelns wehte über ihr Gesicht. Ihre Augen wurden langsam lebendiger.
Mit sanfter Stimme flüsterte sie, ganz so, als würde sie zu einer Erinnerung sprechen: „Draco, mein Schatz!“ Sie legte ihre Hand auf seine, die noch immer auf ihrer Wange ruhte.

Mrs. Malfoy erblickte einen Moment später Harry und sie wandte sich gleich darauf fortwährend lächelnd an ihren Sohn. Mit geschwächter Stimme, als hätte sie seit Ewigkeiten kein Wort laut gesprochen, sagte sie: „Draco, du hättest mir rechtzeitig Bescheid geben können. Du hast einen Freund mitgebracht!“ Sie lächelte hinüber zu Harry. „Ich werde Dobby sagen, dass wir heute Abend einen Gast haben. Vater wird sich darüber freuen. Er müsste bald Feierabend haben…“

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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

036 Küsse gab sie uns und Reben




Für einen Moment stockte Mrs. Malfoy und ihr Lächeln verblasste. Sie schien ihre eigenen Worte in Gedanken zu wiederholen. Harry kam es so vor, als würde Mrs. Malfoy für einen Augenblick wissen, dass etwas nicht stimmte.

Mit wiedergefundenem Lächeln erhob sich Mrs. Malfoy graziös von dem weniger staubigen Sessel und hielt Harry die schmale Hand entgegen, als sie freundlich, aber flüsternd fragte: „Und mit wem habe ich die Ehre?“

Unsicher blickte Harry zu Draco hinüber, dessen Augen in Tränen schwammen. Er entschloss sich dazu, ihre Hand zu ergreifen und sich vorzustellen: „Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mrs. Malfoy. Mein Name ist…“ Harry legte eine kleine Pause ein, denn er rechnete mit einem Wutanfall oder Schlimmerem, wenn sie seinen Namen hören würde, doch nach kurzem Zögern fuhr er fort: „Mein Name ist Harry Potter.“

Sie lächelte weiterhin und blieb von dem Namen offensichtlich unbeeindruckt. Seine Hand schüttelnd sagte sie leise und fast so verträumt klingend wie Luna: „Mr. Potter, wir haben bald Weihnachten. Es würde mich freuen, wenn wir Sie zum Fest einladen dürften. Draco bringt so selten Freunde mit nachhause; eigentlich nie. Haben die Ferien denn schon begonnen?“

Wieder verflog ihr Lächeln für einen Moment und sie hielt inne wie die tanzende Figur einer Spieluhr, die neu aufgezogen werden wollte. Kurz aufblitzende Erinnerungen, die tief in ihren Gedanken verborgen lagen, ließen sie ahnen, dass sie die Situation möglicherweise falsch deutete. Doch gleich, nachdem dieses seltsame Gefühl sie gestreift hatte, war es auch schon wieder verschwunden. So lächelte sie erneut und begann eine nette und höfliche Unterhaltung, als wäre nie etwas Außergewöhnliches geschehen.

Sie hatte sich ihre eigene Welt erschaffen, um in ihrer Einsamkeit nicht wahnsinnig zu werden, aber genau das hatte sie damit bewirkt.

„’Potter rettet die Mutter seines Erz-Feindes’ – hängen dir die Schlagzeilen nicht schon zum Hals raus?“, giftete Draco jetzt in alter Manier, als sie etwas abseits von seiner Mutter in dem schäbigen Wohnzimmer standen, aber Harry blieb ruhig.
„Es wird keine Schlagzeilen mich betreffend geben, denn es wird niemand erfahren! Du wirst sie zum Schloss bringen, Draco, und zwar allein! Ich schwöre dir auch den unbrechbaren Schwur darauf, dass ich über diese Nacht kein Wort verlieren werde, wenn du darauf bestehst!“, sagte Harry völlig ernst, während er Draco in die Augen blickte.

Narzissa war noch nicht ganz bei sich und schien von der Unterhaltung der beiden jungen Männer nichts mitzubekommen. Draco überlegte einen Moment und schüttelte dann den Kopf. Er lehnte Harrys Vorschlag mit den Worten ab: „Nein, ein Schwur ist nicht notwendig. Es war früher vielleicht leicht, dich zu hassen, aber es… es ist jetzt noch leichter für mich, an dich zu glauben. Nach dem, was du für Severus bei der Verleihung getan hast, darf ich nicht mehr zweifeln, richtig? Auch, wenn es manchmal schwerfällt, das zuzugeben. Und ich werde dich jetzt nur noch ein einziges Mal so nennen und sonst nie wieder: Sankt Potter.“

Glücklich lächelnd und mit Freudentränen in den Augen nahm Draco seine Mutter an die so lang vermisste Hand, die daraufhin wieder aus ihrer Lethargie erwachte und ihren Sohn verträumt anstrahlte.

„Geht durch den Haupteingang zurück, dann werden die Bilder Dumbledore in kürzester Zeit von der Neuigkeit berichten! Ich wette, dass du nicht lange warten musst, bis du auf jemanden triffst. Ich hingegen“, Harry zog beide Augenbrauen hinauf, „werde noch etwas spazieren gehen und in etwa einer Stunde zum Schloss zurückkommen. Sirius weiß ja Bescheid, dass ich mir draußen die Beine vertrete. Eine Stunde sollte ausreichend sein, jede Annahme zu zerschlagen, ich könnte womöglich etwas damit zu tun haben. Geht jetzt besser“, empfahl Harry lächelnd.

Gut erzogen, wie Narzissa Malfoy war, gab sie dem Freund ihres Sohnes zur Verabschiedung die Hand, bevor sie sich willig zum Schloss geleiten ließ.

Harry wartete, bis die beiden außer Sichtweite waren, bevor er zurück in die Hütte ging, um sie gründlich zu durchsuchen.

Später in der großen Halle hatte sich eine große Traube um Draco und Mrs. Malfoy gebildet. Natürlich war Albus als Erster vor Ort gewesen, aber auch Minerva hatte sich in Morgenmantel und Schlafhaube schnell zu den beiden gesellt wie auch einige andere Kollegen. Albus klopfte Draco stolz auf die Schulter, während ein zunächst ergriffen wirkender Severus, ohne Zipfelmütze bekleidet, erst Narzissas Hände ergriff und sich nach ihrem Wohlergehen erkundigte, bevor er vier Schülern, die sich unerlaubt in diesen Morgenstunden in der Halle eingefunden hatten, in alter Manier Punkte abzog und sie in ihr Haus schickte.

Als Harry die Halle betrat, tat er völlig erstaunt über den allgemeinen Trubel und er fragte sich unauffällig bei verschiedensten Kollegen durch, was er denn verpasst hätte.

Nur kurz blieb Narzissa Malfoy im St. Mungos, denn Draco befürchteten zurecht, dass sie dort nicht sicher sein würde. Zusammen mit einem Heiler aus dem Hospital brachte man sie letztendlich mit Dumbledores Einverständnis nach Hogwarts.

Severus hielt sich häufig bei ihr auf und schaute derweil dem Heiler argwöhnisch auf die Finger. Bei allem, was der Heiler ihr geben wollte, fragte Severus vorher, was dies sein würde oder was es bewirken sollte.

Am dritten Abend nahm der Heiler den übervorsichtigen Familienfreund beiseite und erklärte: „Hören Sie, ich will hier nur meine Arbeit machen und ich will sie gut machen! Es hilft mir nicht besonders, wenn Sie mit Ihrer Art und Weise meine Methoden in Frage stellen, besonders nicht, wenn Sie das vor der Patientin machen!“ Gerade wollte Severus erbost etwas entgegnen, da schloss der Heiler die Augen und sagte: „Wenn Mrs. Malfoy durch Unterhaltungen mit Ihnen oder ihrem Sohn nicht selbstständig ihre Gedanken ordnen kann – ihr Wunschdenken von tatsächlichen Erinnerungen trennen kann – dann werde ich in ihr Gedächtnis eindringen müssen, um ihr dabei zu helfen.“ Der Heiler öffnete seine Augen wieder und sagte abschließend: „Dafür ist es notwendig, dass die Patientin mir zumindest ein wenig Vertrauen entgegenbringt. Es wäre daher eine große Hilfe, wenn Sie meine Arbeit nicht unterbewerten würden!“

Seit dem Gespräch mit dem Heiler hielt Severus sich im Hintergrund, denn das Letzte, was er wollte, war, ihrer Genesung womöglich noch im Wege zu stehen.

Es war Samstagabend und es regnete in Strömen. Narzissa schlief und Draco war nicht auffindbar, weswegen Severus ein wenig durch die Gänge schlich und darauf hoffte, ein paar Schülern Hauspunkte abziehen zu können. Plötzlich kam ihm Harry von Kopf bis Fuß durchnässt und etwas verstört wirkend, aber dennoch grinsend entgegen, weshalb er ihn fragte: „Was ist geschehen? Hatten Sie eine Auseinandersetzung mit Peeves?“
Lächelnd schüttelte Harry seinen Kopf, aber er empfahl: „Gehen Sie einfach mal hinter die Gewächshäuser.“ Grinsend ließ Harry seinen älteren Kollegen stehen, bis dieser den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden hatte. Sicherlich gab es dort ein Pärchen, dem er etwas Angst einjagen oder Respekt einflössen konnte – wenn möglich, sogar beides.

Nach nur wenigen Metern im Freien war Severus bereits klitschnass, weswegen er beinahe schon wieder hineingehen wollte, aber dann hörte er plötzlich ein fröhliches Lachen. Nachdem er um das erste Gewächshaus herumgegangen war, erblickte er seinen Patensohn, der sich recht eigentümlich aufführte. Nur mit einer Hose bekleidet ließ Draco sich den Regen auf den nackten, milchfarbenen Oberkörper prasseln, während er mit geschlossenen Augen und breitem Lächeln den Kopf gen Himmel hob, während die Arme entspannt an ihm herabhingen.

„Draco, willst du dir den Tod holen?“, fragte Severus aufgebracht. Während das Lächeln nicht aus seinem Gesicht verschwinden wollte, blickte sich sein Patensohn um.

In Dracos Augen erkannte er etwas, was er lange Zeit für verloren gehalten hatte. Was Draco dann ihm und offenbar der ganzen Welt mitteilen wollte, bestätigte seine Vermutung, denn sein Patensohn schrie fröhlich: „Ich fühl mich lebendig, Severus. Lebendig!“ Er freute sich für Draco, obwohl er im gleichen Atemzug neidisch war, dass ihm diese Lebendigkeit verwehrt blieb.
„Du kannst dich auch ’drinnen’ lebendig fühlen. Ich werde dich nicht davon abhalten“, erwiderte Severus trocken, doch es war für seinen Patensohn erkennbar, dass Severus sich auf seine fast undurchschaubare Art mit ihm freute. Die Ungewissheit, die Draco wegen seiner Mutter über Jahre hatte ertragen müssen, war endlich vergangen und jetzt sprudelte die Freude nur so aus dem jungen Mann heraus.

Mit dem pitschnassen Hemd in der Hand trottete Draco auf seinen Patenonkel zu und sagte beschwingt: „Severus, ich werde Susan besuchen und fragen, ob ich Vater und Mutter zusammenbringen darf!“ So eine Glückseligkeit in Dracos Stimme hatte Severus schon lange nicht mehr vernommen.
Er wiederholte leise: „Susan?“ Daraufhin erklärte Draco, dass sie sich duzten und sich ab jetzt nicht mehr streiten wollten, was Severus zum Schmunzeln brachte. „Grüß sie von mir, Draco! Aber erst, nachdem du ein Bad genommen und einen Trank gegen aufkommende Erkältungen eingenommen hast“, empfahl Severus.

Bei Susan Zuhause fühlte Draco sich nur wohl, weil sie bei ihm war. Überall erblickte er Anzeichen ihrer Familienbande. Auf dem Kaminsims standen Fotos ihrer Eltern, ihrer Tante Amelia und Bilder ihrer engsten Freunde. Mit zwei Gläsern Rotwein kam Susan ins Wohnzimmer zurück. Sie reichte ihm eines und sagte, das Glas erhebend: „Auf dich, Draco. Du bist jetzt offiziell ein Held!“

Sein Lächeln verblasste. Er hätte nicht damit gerechnet, dass Susan das Ereignis, welches sich vor einigen Tagen in Hogwarts abgespielt hatte, von sich aus ansprechen würde. So groß war die Anerkennung nicht, die er erhalten hatte. Es gab ein Wörtchen mit dem Minister und der Presse. Natürlich kam es im Tagespropheten. Der Artikel war recht neutral gehalten und schilderte lediglich, wie er seine Mutter gefunden hatte. Andere Zeitungen hatten versucht, die Story mit Schlagzeilen auszuschlachten, wie „Todesserkind rettet Mutter“ oder „Malfoys vergehen nicht“.

Der Klitterer hingegen hatte einen sehr ausführlichen und gut geschriebenen Artikel über ihn gebracht. Er handelte zunächst von seinem Leben mit einem Todesser als Vater und von seiner Flucht mit Dumbledores treustem Spion. Es wurde dramaturgisch sinnvoll und sehr tränenreich dazu übergeleitet, dass Draco miterleben musste, wie sein in Askaban sitzender Vater erblindet war und er dann ein Jahr später seine verwirrte Mutter wieder in die Arme schließen konnte. Draco wusste nicht genau, ob er der Redaktion des Klitterers daraufhin eine Briefbombe oder ein Dankesschreiben schicken sollte. Es war ihm jedoch unangenehm, dass die Presse jetzt auch Interesse an ihm zeigte. Und es war ihm noch mehr zuwider, dass Leute, die er nie im Leben kennen gelernt hatte, durch eine Zeitung über sein Leben informiert worden waren. Harry hatte nach dem Erscheinen des ersten Artikels versichert, dass in vier Wochen „kein Schwein“ mehr über ihn reden würde. In diesem Moment hatte Draco verstanden, wie sehr Harry unter der Presse litt – und das schon immer.

„Eigentlich hätte es wieder Harry sein müssen“, murmelte Draco.
„Ich versteh nicht“, sagte Susan mit zusammengezogenen Augenbrauen.
Einmal tief Luft holend sagte er im Anschluss: „Das mit meiner Mutter; Harry war mit dabei. Wir sind zusammen hingegangen Es war sein verdammter Schlüssel, der in das Haus gepasst hatte! Und es war seine Idee, dass wir niemandem davon erzählen würden. Ich allein sollte derjenige sein, der meine Mutter gefunden hatte.“

Susan blickte ihn nachdenklich an. Sie war sich nicht sicher, warum er ihr davon erzählte, aber es war ihr nicht entgangen, dass er ehrlich zu ihr gewesen war. Ihr war es egal, ob Harry mit dabei gewesen war. Draco war hatte den Fidelius-Zauber ebenfalls überwunden und war somit auch ein Held. Ehrlich sagte sie: „Das ändert absolut nichts daran, dass du ein Held bist. Du warst mit dabei! Soweit ich Harry noch gut in Erinnerung habe, wird es ihm ganz recht sein, dass dieses Mal ein anderer die Lorbeeren eingeheimst hat; und zwar komplett. Immerhin hat er das selbst vorgeschlagen“ Susan lächelte breit, als sie einmal sanft über seinen Handrücken strich. Erleichtert lächelte Draco zurück und ergriff ihre Hand, um ihr es mit dieser Liebkosung gleichzumachen. Beide nahmen einen Schluck aus ihren Weingläsern, ohne dabei den Blickkontakt zu verlieren.

Mit der Hoffnung auf Verständnis sagte Susan: „Draco, ich konnte einfach nicht zulassen, dass es dir eines Tages genauso ergehen wird. Ich musste es dir sagen, ganz egal wie du reagieren würdest“, Sie sprach damit den Abend an, an welchem er sie so bösartig angefahren hatte, nachdem sie ihm von den Magie- und Gendefekten der Familie Malfoy erzählt hatte.

„Ich fühlte mich verletzt, weißt du. Zutiefst verletzt! Mein erster Impuls war, sofort meinen Vater zur Rede zu stellen, doch Severus hat mich zum Glück davon abgehalten. Er hat mich gezwungen, eine Entschuldigung an dich zu schreiben“, sagte er mit einem amüsierten Seufzer am Ende. „Wieder habe ich die Situation falsch eingeschätzt. Ich dachte, dass du mir nur wehtun wolltest, aber es ging dir wirklich um mich“, sagte er einsichtig.

Jetzt lächelte Susan auf einmal nicht mehr und sagte in aalglattem Ton: „Schön, dass wir das nun geklärt haben, Mr. Malfoy.“ Als sie danach schwieg, entglitten Draco alle Gesichtszüge, doch Susan konnte nicht lange ernst bleiben und musste herzlich lachen, was Draco ansteckte.

„Ja Draco, es ging mir nur immer um dich“, bestätigte sie, während sie seine Hand einmal fest drückte. Erst da begann er zu begreifen, was sie ihm eben gestanden hatte und das ließ mit einem Male sein Herz schneller schlagen. „Wir können ja das nächste Mal zu dir gehen – uns in deinem Haus treffen“, schlug sie lächelnd vor.
An dieser Stelle schüttelte er den Kopf und erwiderte: „Nein, können wir nicht. Ich kann das Haus nicht mehr betreten. Daher habe ich meinen Anspruch beim Ministerium nicht geltend gemacht. Das Formular, das du mir beim ersten Treffen im Restaurant gegeben hast, habe ich nicht zurückgeschickt. Wenn meine Mutter wieder gesund werden sollte, dann soll sie ruhig darin wohnen. Wenn nicht…“ Er hielt kurz inne und sagte dann niedergeschlagen: „Mein Vater wird eh nicht mehr aus Askaban herauskommen. Das Anwesen würde irgendwann an das Ministerium fallen, wenn sich niemand drum kümmert. Sie werden es dann ausräumen und unseren Besitz in alle Welt verstreuen. Ist auch besser so, denn es darf nichts mehr an uns erinnern.“ Er seufzte einmal, bevor er hinzufügte: „Es ist alles so kalt und dunkel dort. Zu viel erinnert mich an Vater und an die Vergangenheit. Nein, es geht nicht.“

Erst wollte Susan wieder protestieren, doch dann entschied sie sich, es vorläufig nicht zu tun. Vielleicht würde sich bald eine Gelegenheit ergeben, dass er die Sache noch mal überdenkt und anders reagiert als jetzt.

Sie schenkte nochmals Wein nach, während er sie dabei beobachtete und sich das erste Mal darüber bewusst wurde, dass sie eine Halbblüterin war und es ihm völlig egal war. Der Moment, in dem er sich darüber im Klaren wurde, dass er mehr für sie empfand als er sich zugestehen wollte, war der Moment gewesen, als allein der Gedanke an Susan seine Verzweiflung vertrieben hatte; das war der Tag gewesen, als er ihr den Brief geschrieben hatte, den er mit seinen eigenen Worten verfasst hatte. Ein Brief, der ihr hatte sagen sollen, dass er anders sein konnte. Und sie hatte, trotz alledem, was geschehen war, ihm eine weitere Chance gegeben.

In seinem Kopf wiederholte sich immer wieder Susans Beichte: ’Ja, Draco, es ging mir nur immer um dich!’ Mit diesen Worten im Ohr klingend schaute er zu ihr auf. Ihre großen Augen blickten ihn erwartungsvoll an, so dass er nicht anders konnte, als ihr Gesicht in seine Hände zu nehmen und ihr einen Kuss auf die Lippen zu hauchen.

Nach dem kurzen Kuss hoffte er innig, sie wäre ihm nicht böse. Ihre verklärten Augen zeugten von verträumter Sehnsucht, die ihn flüsternd sagen ließen: „Ich werde meinem Vater sagen müssen, dass ich dich liebe, Susan!“ Auf diese Art und Weise hatte er ihr gestanden, was er selbst so lange hatte verleugnen wollen. Ein zartes Lächeln formte sich auf ihren Lippen, doch sie hörte aufmerksam zu, als er hinzufügte: „Und ich werde ihm sagen, dass du Recht hattest. Ich werde mich den Untersuchungen unterziehen. Vielleicht kann ich auch dafür sorgen, dass mein Vater seinen falschen Stolz aufgibt und ebenfalls einer Untersuchung zustimmt!“ Während er das sagte, hatten sich seine Augen langsam mit Tränen gefüllt, denn er wusste, dass er bei seinem Vater nur eine Chance hatte – nur einen Versuch, ihn zu überzeugen. Dieser Versuch durfte nicht fehlschlagen! Andererseits war Draco ein Slytherin. Er war schlau und würde es verstehen, den einzigen Trumpf, den er im Ärmel hatte, im richtigen Moment auszuspielen.

Sie streichelte seine blonden Haare und wischte eine Träne weg, die sich einen Weg zu seinem spitzen Kinn bahnen wollte. Für einen Moment dachte sie, sie hätte das, was er eben gesagt hatte, nur geträumt. Er hatte so überzeugt von Liebe gesprochen, als wäre das für ihn schon lange eine Tatsache gewesen. Mit Sicherheit war Draco niemand, der seine Eltern über jede vorübergehende Bekanntschaft informieren wollte und noch weniger zählte er zu denen, die leichtfertig eine Beziehung eingehen würden, wenn damit so viele Probleme auf ihn zugerollt kommen würden, denn als Halbblut war sie seinem Vater ganz bestimmt ein Dorn im Auge.

Ihr Gesicht kam dem seinen immer näher, bis ihre Lippen sanft seine Wange berührten, dann sein Kinn und seine Augenlider, bis sie letztendlich auf seine Lippen trafen und ein feuriger Kuss geboren wurde, der beiden verinnerlichte, dass ihre Gefühle sie nicht getäuscht hatten.

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