Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - BEENDET
Moderator: Modis
- Muggelchen
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Hallo Sonea Ginevra Inava,
danke für deine Rückmeldung. Es gibt in der Geschichte eher die auktoriale Erzählweise. Extrem selten wird aus Sicht eines Charakters geschrieben. Deswegen wundert es mich ein kleines bisschen, dass man da durcheinanderkommt ;) Wenn du noch einmal über so eine Szene stolperst, kannst du sie mir gern als Beispiel nennen, auch per PN. Dein konkretes Beispiel mit Lucius ist mir beim zweiten Lesen auch aufgefallen. Wortwiederholungen dieser Art halten sich künftig auf jeden Fall in Grenzen.
Harry und Ginny als Paar musste einfach sein. Die beiden kann ich mir schwer getrennt vorstellen. Bei Draco war es etwas schwieriger. Seine Beziehung mit Susan stand ja anfangs nicht unter einem guten Stern. Hermine und Ron … Ich hab nichts gegen die beiden, wirklich nicht. Weder in den Bücher noch in den Filmen. Die Entscheidung, die beiden auseinanderzubringen, kam eher spontan. Habe mit meinem Beta viel drüber diskutiert. Hermine und Severus: Dazu sei nur gesagt, dass weder ich noch mein Beta ein Fan von dem Paar sind. Die Pärchen, das wirst du aber längst gemerkt haben, sind einfach nur da, machen aber nicht den Hauptplot aus.
Harrys Antrag ist eigentlich alles anders als romantisch ;) Aber da sieht man schön, dass die beiden längst wissen, dass sie zusammengehören. Bei Ron ist das eher so … Schwer zu beschreiben. Wenn Männer eine Beziehung gerade hinter sich haben, stürzen sie sich schneller in eine neue. Habe ich oft genug beobachtet. Vielleicht deshalb der Schnellschuss mit Angelina. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es für Menschen, die sich aus Kindertagen schon gut kennen, entweder völlig einfach oder verdammt schwer ist, sich zu einem Paar zu entwickeln, wie bei Angelina und Fred oder eben Hermine und Ron. Harry und Ginny zeigen das Gegenteil – bei ihnen gibt es keine Probleme, aber sie waren in der Schule auch nicht unbeschwert zusammen. Ob der neue Prof – du meinst sicher Prof. Svelte – wirklich besser ist, zeigt sich noch ;)
Sirius macht eine der schwersten Zeiten durch, gerade weil ihm so viele Jahre fehlen. Eigentlich müsste er eine Therapie machen, aber ich glaube, so was gibt es in der Zaubererwelt gar nicht ;) Aber Recht hast du: Menschen können sich ändern. In der Geschichte tun sie es auch, aber nie von heute auf morgen. Das wäre unglaubwürdig. Gerade Sirius benötigt Freude, um im Leben klarzukommen und er hat sie: Remus, Harry, Anne.
Bei welchem Kapitel bist du jetzt?
Liebe Grüße
Muggelchen
169 Gespenstisches
Lucius stöhnte. Sein Beistand war noch vor Mittag zurückgekommen, um ihn mit Fragen zu löchern
„Wegen der Verstecke der flüchtigen Todesser: Sind Sie etwa Geheimniswahrer?“
Im ersten Moment biss sich Lucius auf die Zunge, doch eine Antwort wollte er nicht schuldig bleiben. „Nein, so viel hat Voldemort zu diesem Zeitpunkt nicht mehr von mir gehalten, dass er mir solch wichtige Aufgaben anvertraut hätte.“
„Wer ist es dann?“ Lucius schwieg. „Mit so einer Information...“
Unterbrechend hielt er seinem Beistand vor Augen: „Mit so einer Information ist meine Familie nicht mehr sicher!“
„Niemand wird Ihnen etwas antun können.“
„Nicht? Woher wollen Sie das wissen?“ Lucius war nicht zu überzeugen.
„Das Ministerium würde Sicherheitsvorkehrungen treffen und...“
Erneut unterbrach Lucius: „Die vom Ministerium würden sich um meine Sicherheit einen feuchten Kehricht kümmern!“
„Aber wenn Sie nicht einmal Geheimniswahrer sind, warum haben Sie dann so eine große Sorge? Niemand könnte es gerade Ihnen anlasten, sollte man die Lestrange-Brüder gefangen nehmen. Es muss ja niemand erfahren, wer uns den Geheimniswahrer genannt hat.“
Für einen Augenblick überlegte Lucius, wie er aus dieser Misere herauskommen könnte. Am liebsten wäre es ihm, wenn das Ministerium jeden inhaftierten Todesser unter Veritaserum fragen würde, wer der Geheimniswahrer wäre, denn in diesem Fall würde niemand vermuten, er hätte Macnair verpfiffen. Es würde vielleicht reichen, wenn er die richtige Person nannte und dazu auch eine falsche. In Askaban, das wusste er aus eigener Erfahrung, unterhielten sich die Gefangenen, auch wenn sie sich nicht sehen konnten. Es würde die Runde machen, sollte man nicht nur Macnair befragen, sondern auch jemand anderes. Man würde vermuten, das Ministerium tappte im Dunkeln und versuchte nur sein Glück.
„Versuchen Sie es bei Goyle und bei Macnair.“ Sid notierte sich die Namen, die er später an einen zuständigen Sachbearbeiter weitergeben wollte, der diese Informationen überprüfen würde.
„Ich bin sicher“, Sid verwendete seine besonnene Stimme, „dass man sich sorgfältig um die Sicherheitsverwahrung der Brüder kümmern wird, sollte man Sie in die Finger bekommen.“
Lucius' erster Kommentar war ein Schnaufen. „Und inwiefern glauben Sie, dass diese Information mir Hafterlasse bescheren wird?“
„Nun, ich möchte lediglich vorbeugen. Es wäre möglich, dass man es Ihnen negativ auslegen könnte, dem Ministerium keine weiteren hilfreichen Auskünfte gegeben zu haben. Sollte das geschehen, werde ich mit entsprechenden Protokollen nachweisen, dass man Sie nicht mehr aufgesucht hat, ergo Sie auch keine Aussagen mehr machen konnten. Ihre durchaus vorhandene Bereitschaft belege ich dann mit der Aussage, die Sie heute gemacht haben.“
Lucius' Lippen formten ein arrogantes Lächeln: „Sie denken wohl an alles.“
„Selbstverständlich!“
Von Gelassenheit eingenommen nahm Lucius in aller Ruhe sein Frühstück mit seinem Beistand ein, doch ein persönliches Gespräch kam nicht zustande. Sid legte viel wert darauf, seine Arbeit von seinem Privatleben zu trennen, so dass Lucius rein gar nichts über ihn erfuhr.
„Wegen der Presse, Mr. Malfoy.“ Lucius hörte aufmerksam zu. „Ich denke, es wäre an der Zeit, die Öffentlichkeit auf Ihren Fall aufmerksam zu machen und zwar auf meine Weise.“
„Welche Weise wäre das?“
„Ich müsste weit ausholen“, wollte sich Sid herausreden.
„Ich hab Zeit!“
„Nun, wie beginne ich?“ Sid füllte seinen Kaffee nach, während er die Zeit nutzte, den bisher nur in Gedanken geschmiedeten Plan in Worte zu fassen. „Gezielte Informationsstreuung! Zunächst – und das ist das Wichtigste – müssen wir uns für eine Tageszeitung entscheiden. Der Tagesprophet fällt schon einmal weg.“
„Warum? Die haben die größte Auflage.“
„Genau deswegen. Der Tagesprophet ist zu groß. Die interessiert nicht Ihre Geschichte, sondern nur die Verkaufszahlen ihres eigenen Blattes. Außerdem lassen die sich schwer beeinflussen, wenn man nicht gerade zufällig Minister ist. Nein, ein kleines Blatt sollte es sein, dass sich zudem Mühe mit einem Artikel geben wird, damit sie exklusiv weitere Artikel verfassen dürfen.“
Sid nahm einen Schluck von seinem Kaffee, während Lucius über die Idee nachdachte, doch vollständig wollte sich ihm die Idee nicht erschließen.
„Aber warum nur ein kleines Blatt?“
„Ganz einfach. Damit der Eindruck erweckt wird, Sie wollten kein Aufsehen erregen.“
„Das werde ich auch nicht, denn kaum jemand wird von Einzelheiten meiner Verhandlung erfahren, wenn wir Pressemitteilungen exklusiv an ein unpopuläres Blatt herausgeben!“ Lucius klang sehr erbost, denn er verstand nicht, was Sid vorhatte.
„Mr. Malfoy, allein Ihr Name wird dafür sorgen, dass man dieses kleine Blatt kaufen wird und zwar in einer Auflage, die ansonsten nur der Tagesprophet verzeichnen kann. Das wiederum heißt, dass der Verleger enormen Gewinn machen wird, aber einzig und allein, wenn wir ihm weiterhin Informationen für eine Berichterstattung geben und das tun wir selbstverständlich nur, wenn uns der erste Artikel gefallen hat.“
„Ah, ich verstehe. Eine Hand wäscht die andere. Die kleine Zeitung verdient sich mit ihren Reportagen über mich eine goldene Nase und wir können damit rechnen, dass man wenigstens neutral über mich berichtet. Mein Bild in der Öffentlichkeit würde demzufolge nicht leiden, wie es sicherlich der Fall wäre, würden sich die Hyänen des Tagespropheten auf mich stürzen.“
„Ganz genau, Mr. Malfoy.“
„Haben Sie eine Zeitung im Auge?“
Sid schüttelte den Kopf. „Noch nicht, aber beim nächsten Mal werde ich die Journalisten genauer betrachten. Mir fällt bestimmt jemand auf, der geeignet wäre und von unserem Exklusivangebot hingerissen wäre.“
Schwester Marie räumte das Gedeck ab und derweil entging Lucius nicht, dass sein Beistand bei Maries Anblick in höchste Verzückung geraten war, denn die glänzenden Augen und das glückselige Lächeln allein sprach schon Bände.
„Mr. Malfoy, kann ich Sie kurz unter vier Augen sprechen?“, fragte Marie, der es unangenehm zu sein schien, dass sie die beiden Männer womöglich stören würde.
„Aber natürlich.“
Er folgte ihr in eine Ecke des Zimmers. Sie strahlte über das ganze Gesicht, was Lucius ansteckte. Es war ihr anzusehen, dass sie sich über etwas freute und sie sich mitteilen wollte.
„Ich dachte“, flüsterte sie, „es würde Sie interessieren, dass sie endlich aufgewacht ist.“ Zuerst musste Lucius nachdenken, wen Marie meinen könnte, denn seine Gedanken schwirrten noch immer um den Plan mit der Presse, doch dann hatte er verstanden.
„Tatsächlich? Das ist wundervoll, Marie!“ Über die Genesung von Miss Parkinson, seiner damals bevorzugten Schwiegertochter, freute er sich sehr.
„Ich dachte mir, dass Sie das gern wissen würden.“
„Ich danke Ihnen für diese gute Nachricht.“ Sie wollte gerade gehen, da hielt er sie auf. „Weiß man denn nun, was diesen Zustand ausgelöst hat? War es das, was ich vermutete?“ Sie nickte und im gleichen Moment wich die Freude in ihrem Gesicht dem Ekel vor „Schlafes Bruder“.
„Ja, Ihr Hinweis war sehr hilfreich. Es war Ihr Bekannter Professor Snape, der ein Gegenmittel gefunden hat.“
Überrascht wiederholte er: „Professor Snape?“
Wortlos bejahte Marie. „Er ist gerade hier, zusammen mit einer Dame.“
„Wirklich?“ Es erstaunte ihn weniger, dass Severus sich hier im Mungos aufhielt. Vielmehr irritierte ihn, dass er in Begleitung einer Dame sein sollte. „Ich nehme an, ich darf keinen Besuch empfangen oder?“
„Ich bedaure, Mr. Malfoy, aber ich könnte ihm etwas ausrichten.“
„Nein Marie, lassen Sie es gut sein. Ich danke Ihnen nochmals für die Nachricht, besonders weil ich weiß, dass Sie mich nicht hätten unterrichten müssen.“
Nachdem Marie wieder nach draußen gegangen war, setzte sich Lucius zurück an den Tisch. Sein Beistand lächelte noch immer, während er mit abwesendem Blick aus dem Fenster schaute. Auch Lucius war in Gedanken, denn er fragte sich, ob die Dame, die Severus begleitet hatte, womöglich Narzissa wäre, doch die hätte ihn sicherlich besuchen wollen. Noch immer erlaubte er ihr nicht, ihn im Krankenhaus zu besuchen. Er wollte nicht, dass seine Frau der Presse in die Arme lief und es gehörte sich nicht für eine Dame ihres gesellschaftlichen Ansehens, mit einem Inhaftierten Kontakt zu pflegen, selbst wenn es sich dabei um ihren Gatten handelte. Die Sehnsucht nach ihr wurde mit jedem Brief größer. Er würde es nicht ertragen, noch sehr viel länger von ihr getrennt zu sein.
„Ich hätte gut Lust“, begann Lucius mit schmieriger Stimme, „dem Gamot bei der nächsten Verhandlung meine Meinung zu sagen.“
„Oh, davon rate ich Ihnen ab!“ Lucius' fragende Mimik nahm Sid als Anlass zu erklären: „Wenn ich derjenige bin, der dem Zaubergamot hart zusetzt, dann kann man das mir übel nehmen. Sie sollten weiterhin freundlich bleiben und immer nett antworten, wenn ich das nicht für Sie erledigen kann. Man könnte es Ihnen ansonsten als mangelnde Kooperation auslegen, sollten Sie versteckte Beleidigungen von sich geben.“ Sid grinste fies. „Es ist ja nicht Ihre Schuld, Mr. Malfoy, dass ich Ihr Beistand geworden bin. Mit mir muss das Gamot auskommen, dabei ist völlig egal, ob man eine persönliche Abneigung gegen mich hegt oder nicht.“
„Was sollte schon geschehen, wenn ich mir hier und da eine Zweideutigkeit erlaube?“
Lucius wurde von Sid gemustert, was ihm Unbehagen bereitete. Sein Gegenüber haderte damit, eine Erklärung zu geben, doch dann lehnte sich Sid nach vorn.
„Sind Sie sich überhaupt darüber bewusst, warum man Ihnen noch einen Aufenthalt im Krankenhaus gewährt?“
„Wegen meiner Augen!“
„Mit denen Sie wieder ganz gut sehen können, nicht wahr?“ Mit einer erhobenen Hand vereitelte Sid eine mögliche Antwort, noch bevor Lucius überhaupt Luft holen konnte, um etwas zu erwidern. „Sie müssen einmal die Woche zur Nachbehandlung. Ein einziges Mal die Woche! Den Rest würden Sie normalerweise in Askaban verbringen.“
Lucius' Augenbrauen schnellten nach oben. „Warum bin ich dann noch hier? Verstehen Sie mich nicht falsch. Es ist ja nicht so, dass ich mich nach einer Zelle sehne, aber es wundert mich.“
„Den Unterlagen konnte ich entnehmen, dass die ehemalige Miss Bones entschieden hat, Sie sollten 'bis auf Weiteres' im Mungos bleiben. Jedenfalls ist das der handschriftliche Vermerk von ihr, der in Ihren Unterlagen zu finden ist und zwar der letzte, bevor Miss Bones die Zeit des Mutter-Kind-Schutzes angetreten hat. Bisher hat niemand daran gerüttelt, nicht einmal Mr. Shacklebolt, der Ihren Fall übernommen hat.“
Einen Moment lang ließ Lucius diese Information von seinen grauen Zellen verarbeiten, bevor er das Wort an Sid richtete.
„Was genau wollen Sie mir damit sagen?“
Diesmal war es Sid, dessen Augenbrauen, wenn auch wesentlich langsamer und somit überheblich wirkend, den Weg zum Haaransatz suchten, bevor er den Kopf schräg legte und Lucius deutlich machte: „Dass Sie, Mr. Malfoy, nur noch hier im Mungos verweilen, weil es die Anweisung Ihrer Schwiegertochter ist, die rein zufällig den Posten der stellvertretenden Leiterin der Abteilung für magische Strafverfolgung innehat.“
Auf der gleichen Station, nur einige Türen weiter, herrschte reges Treiben, nachdem Hermine schon vor einer halben Stunde Schwester Marie Bescheid gegeben hatte, dass die Patientin erwacht sei. Von der Schwester darüber informiert eilten Heiler und Professoren ins Krankenzimmer, scheuchten im gleichen Augenblick Severus, Hermine, Blaise und dessen Tochter hinaus, die nun vor der Tür im Flur standen und nicht so recht wussten, ob sie noch für eventuelle Fragen bleiben sollten oder bereits gehen konnten.
„Frechheit“, murmelte Severus enttäuscht und er hoffte, einer der Heiler würde ihn hören, doch er wurde vollkommen ignoriert. Er hatte vermutet, dass einer der Professoren sich zumindest nach dem Vorgang des Erwachens von Miss Parkinson erkundigen wollte, aber niemand verlangte Informationen, weil sich alle um das Bett der jungen Dame scharten und sie mit Fragen bombardierten und sie gleichzeitig untersuchten. Andererseits, dachte Severus, würde Miss Parkinson alles erklären können, denn Mr. Zabini hatte zuvor versichert, dass ihr Geist trotz des scheintoten Körpers sehr rege alles um sich herum hatte wahrnehmen können.
„Vielen Dank, Professor Snape.“ Mr. Zabini reichte ihm die Hand, die Severus nur sehr kurz schüttelte. „Ich werde...“ Die Gespräche der vielen Menschen, die sich im Krankenzimmer und davor aufhielten, waren sehr laut, so dass Blaise die beiden einige Schritte von dem Trubel wegführte. Berenice hatte er an die Hand genommen.
Nun musste er nicht die Stimme erheben, um seinem ehemaligen Professor, den er weiterhin respektvoll mit Titel ansprach, seinen Dank auszusprechen.
„Ich weiß gar nicht, wie ich mich dafür erkenntlich zeigen kann, Professor Snape.“ Blaise schaute zu Hermine hinüber. „Und wie ich dir danken kann.“
„Halten Sie mich einfach über die Genesung auf dem Laufenden. Mich interessieren mögliche Folgeschäden der jahrelangen Vergiftung.“ Berenice schien nichts von dem zu verstehen, doch Blaise riss wegen Severus' Worten erschrocken die Augen auf. Der Tränkemeister schien die Sorge seines Gesprächspartners nicht zu bemerken und schürte sie nur noch mehr, indem er Beispiele nannte. „Besonders Gedächtnisschäden, Schäden der inneren Organe, Auffälligkeiten in der Motorik oder sogar...“
Er stoppte sich selbst, weil er eine Hand an seinem Unterarm fühlte. Hermine hatte ihn berührt und sie nutzte die erhoffte Sprechpause, die nun eingetreten war.
„Sie malen den Teufel an die Wand.“ An ihren damaligen Mitschüler gerichtet versicherte sie: „Nichts von dem muss eintreffen, Blaise.“ Nach ihren Worten schaute Severus den jungen Mann an, der verunsichert und besorgt zur Tür des Krankenzimmers hinüberschaute. Ihm war klar geworden, dass seine Worte harsch und gefühllos geklungen haben mussten.
„Verzeihen Sie, Mr. Zabini. Es war nicht meine Absicht, mich so brüsk auszudrücken und Ihnen damit Unbehagen zu bereiten.“
Blaise schaute den Tränkemeister an, als würde er über etwas nachdenken, bevor er nickte. „Ist schon gut, Sir. Ich werde Sie über den Genesungsvorgang informieren. Mit ein wenig Hoffnung wird Miss Parkinson Sie persönlich darüber in Kenntnis setzen können.“
Ganz vergessen war Berenice, die nun auf ihre Weise Anerkennung zeigte. Heftig atmend, als würde sie die Gestalt des schwarz gekleideten Mannes einschüchtern, sagte sie leise: „Danke, dass du meine Mama wach gemacht hast.“ Severus hob eine Augenbraue und blickte an seiner langen Hakennase entlang auf das kleine Mädchen herab, die dem Drang nicht nachgab, sich hinter ihrem Vater zu verstecken, obwohl ihre Füße wie von selbst einen Schritt zurück machten.
„Gern geschehen“, erwiderte Severus sachlich distanziert, doch trotzdem strahlte das Mädchen mit den rosigen Wangen.
Durch den Kamin in Severus' Büro angekommen wollte Hermine gerade etwas sagen, das sie sehr beschäftigte, da klopfte Albus an die Tür, der zufällig zum richtigen Zeitpunkt nach seinem Zaubertränkelehrer sehen wollte.
„Ah, Severus.“ Der Direktor nickte ihm grüßend zu, bevor er seine Aufmerksamkeit auch der Dame im Zimmer schenkte. „Hermine, sein Sie gegrüßt.“ Erneut blickte er Severus an und zwar mit einem strengen Blick. „Wenn ich kurz mit dir reden dürfte.“
„Ich muss zum Unterricht, Albus“, hielt Severus dagegen, doch der Direktor schüttelte den Kopf.
„Erst auf ein Wort.“
Der Ernst der Lage blieb Hermine nicht verborgen, weswegen sie sich höflichkeitshalber verabschiedete. Nachdem sie gegangen war, blickte Albus seinen jungen Freund vorwitzig an, obwohl er auch ein wenig enttäuscht war.
„Deine Schüler standen heute vor verschlossenen Türen“, sagte Albus, ohne es direkt nach einem Vorwurf klingen zu lassen. „Es ist ein Glück, dass zwei Schüler die Situation eigenverantwortlich gemeistert haben. Minerva fand sie alle mucksmäuschenstill in der Bibliothek, wo sich jeder von ihnen mit dem nächsten Kapitel von Arsenius Bunsens 'Zaubertränke und Zauberbräue' beschäftigte. Sie hat den beiden Schülern je zehn Punkte für ihr eifriges Engagement gegeben.“ Severus überlegte, wer von seinen Erstklässlern die Muße haben könnte, vor allem aber die Fähigkeit besitzen würde, diesen Sack Flöhe ohne Probleme zu hüten.
„Miss Clavick und Mr. Korrelian?“
„Oh, du scheinst deine Schüler gut zu kennen.“ Albus legte eine Hand auf Severus' Schulter und lächelte dabei.
„Miss Clavick ist ein siebengescheiter Naseweis und Mr. Korrelian verfügt trotz seines schmächtigen Erscheinungsbildes über ein ungeahntes Durchsetzungsvermögen.“
Albus nickte. „Beide zusammen hatten die Klasse sehr gut in Griff, Severus. Aber ich bin nicht hier, um von der Selbständigkeit deiner Schüler zu schwärmen. Ich bin hier, um dir eine Rüge zu erteilen. Du kannst nicht einfach fernbleiben, ohne jemandem Bescheid zu geben. Du hast Pflichten, mein Junge.“ Aufgrund der Anrede fühlte sich Severus für den Bruchteil einer Sekunde dreißig Jahre jünger.
„Es tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat, aber ich hatte einen triftigen Grund für meine Abwesenheit. Es ist etwas Wichtiges dazwischengekommen.“ In Albus Augen blitzte etwas auf, das Severus nicht zu deuten wagte.
„Darf ich die ernst gemeinte Frage stellen, ob dieses Etwas, das so wichtig war, nicht vielleicht auch in Zukunft einen größeren Stellenwert einnehmen könnte?“
Skeptisch verengten sich Severus' Augenlider. „Was genau meinst du damit?“
„Nun, das Lehren hat dir nie sonderlich gelegen, jedenfalls nicht, wenn sich mehr Schüler als nur einer in deiner Obhut befanden. Für mich ist klar, worin deine Interessen liegen, aber dir selbst scheinbar noch nicht?“
Severus' Herz setzte einen Schlag aus, weil er ahnte, dass Albus ihn loswerden wollte.
„Ich will dich nicht loswerden“, versicherte der Direktor, als hätte er aus Severus' Mimik dessen Bedenken herausgelesen. „Ich möchte nur, was ich seit Anfang an wollte, nämlich dass du dir Gedanken darüber machst, wie für dich eine Zukunft aussehen könnte.“
Sein erstes Gespräch nach dem überraschenden Auftauchen des Totgeglaubten war Severus noch gut in Erinnerung. Albus hatte damals gesagt:
„Severus, wie wäre es, wenn du wieder als Lehrer hier anfängst, wie in alten Zeiten? Wenn es dir gefällt kannst du hier bleiben, so lange du möchtest. Darüber hinaus wirst du genügend Zeit und Muße finden, deinen künftigen Lebensweg zu ergründen. Für das Schmieden von Zukunftsplänen bist du jung genug, mein Guter!“
„Ich habe noch keine Zukunftspläne geschmiedet, Albus.“ Ein wenig hatte Severus so geklungen, als hätte er eben gebeichtet, die Hausaufgaben vergessen zu haben.
„Den richtigen Weg hast du längst eingeschlagen, nur musst du dir über diese Leidenschaft auch noch bewusst werden.“
„Ich...“ Severus verstummte, weil er eine Anspielung in Albus' Worten verspürte, die sich ihm nicht verständlich offenbaren wollte, aber vielleicht war es er selbst gewesen, der das Wort „diese“ so bedeutsam betont vernommen hatte, so dass dieses Wort implizierte, es gäbe noch andere Leidenschaften.
„Remus hat deine jetzige Klasse übernommen. Du kannst ihn natürlich ablösen, aber ich empfehle, dass du mit der nächsten Unterrichtsstunde beginnst.“
Erschrocken wollte Severus wissen: „Braut er etwa Tränke mit meinen Schülern?“
„Keine Sorge, er hatte immerhin ein E in seinem UTZ.“
„Ich lös' ihn ab!“ Severus' Protest wurde von Albus mit einer leicht erhobenen Hand gebrochen.
„Ach, lass ihn. Es sind nicht einmal mehr dreißig Minuten, bis es zur Pause läutet. Ruh' dich ein wenig aus. Vielleicht denkst du ja über das nach, was ich dir ans Herz gelegt habe oder aber auch über das, was dein Herz dir für die Zukunft nahelegt.“ Severus machte nach diesem Ratschlag den Eindruck, als würde er den Hogwarts-Express auf sich zurasen sehen, weswegen Albus die mögliche Zweideutigkeit beseitigte und deutlicher wurde. „Ich liebe die Arbeit mit Kindern, das war immer meine größte berufliche Erfüllung. Was tust du gern?“
Eine Antwort erwartete Albus nicht, denn er verabschiedete sich bereits und ließ ihn mit dieser Frage allein. Eines war Severus schon sehr früh klar geworden, nämlich dass ihn die Kinder anderer Menschen herzlich wenig interessierten. Jede Klasse in jedem Jahrgang war ähnlich. Immer gab es einen Rebellen, einen Spaßvogel, einen Schlaukopf, einen Unruhestifter, einen Tollpatsch, einen komischen Kauz und einen heißen Feger – jedenfalls nannte man die Mitschülerinnen mit enormer Anziehungskraft auf das andere Geschlecht zu seiner Zeit noch so. Er war es müde, immer und immer wieder den gleichen Lehrplan vor Augen zu haben und diesen jedes Jahr aufs Neue vermitteln zu müssen. Der Bildungsplan hatte sich in all den Jahren genauso wenig verändert wie sein Berufsleben und nach dem Sieg über Voldemort war zudem die „Nebentätigkeit“ weggefallen, doch trotzdem konnte er sich nicht dazu entschließen, die Kündigung einzureichen, denn das würde seinem Lebensweg ein offenes Ende bescheren – eines, dass in keinster Weise vorhersehbar wäre. Würde er hier bleiben, dann wüsste er zumindest, was ihn erwartete, doch außerhalb Hogwarts wäre sein gesamtes Umfeld ein anderes. Die Menschen, mit denen er Umgang hätte, wären andere. Hier in der Schule hatte er seinen festen Kollegenkreis, der sich nur selten änderte.
Mit einem Male musste Severus an Professor Binns denken und er erschrak, als sich ihm das mögliche Bild zeigte, eines Tages selbst im Schlaf zu versterben und es nicht zu begreifen. Als Geist für immer und ewig Schüler unterrichten zu müssen versetzte Severus einen so großen Schrecken, dass er sich zu guter Letzt fest vornahm, sich über seinen künftigen Lebensweg Gedanken zu machen.
Im vierten Stock zerbrach sich Hermine den Kopf über ihre Zukunft. Schon sehr bald würde sie beim Ministerium vorstellig werden, um ihre Prüfung abzulegen. Sie war froh gewesen, dass Severus ihr das Angebot gemacht hatte, mit ihm danach noch forschen zu können, doch dann wäre einiges anders. Sie würde kein Gehalt mehr von ihm bekommen, müsste also selbst arbeiten. Zudem war Hogwarts keine Herberge – für Mittellose schon gar nicht. Hermine müsste sich zusätzlich um eine neue Bleibe kümmern.
Als Erstes, das nahm sie sich fest vor, würde sie nach ihrer bestandenen Prüfung zur Tränkemeisterin beim Personalbeauftragten des Mungos vorsprechen. Ein Beruf als Heilerin wäre interessant und sie hätte auch weiterhin mit Zaubertränken zu tun. Die Einwürfe von Albus und Severus hatten sie zu Neujahr und auch noch danach zweifeln lassen, ob diese Entscheidung die richtige wäre, doch es war ihr Leben – sie musste für sich selbst entscheiden.
Weil Corvinus in seinem Gemälde schlief, verhielt sich Hermine in ihrem eigenen Wohnzimmer sehr still. Durch den Schlafmangel, die herrschende Ruhe und das gemütlich warme Feuer im Kamin spürte auch sie die Müdigkeit am ganzen Körper, so dass sie sich auf dem Sofa hinlegte, um ein wenig die Augen zu schließen. Mit ihren Gedanken war sie bei Pansy und sie hoffte, sehr bald eine positive Nachricht von Blaise zu erhalten. Dann wäre dieser belastende Abschnitt ihn ihrem Leben erledigt und sie hätte wieder Zeit für all die anderen Projekte, die sie vernachlässigen musste. Im dösigen Zustand ging sie – mehr unbewusst als bewusst – nochmals einige Punkte der Berechnung für das Gegengift durch. Aufgrund voranschreitender Schläfrigkeit kam sie anhand nicht nachvollziehbarer Gedankengänge von biologischer Zellteilung auf Energie liefernde Kernfusion. Beim Gedanken an Stromschwankungen schlief sie ein.
Zum Mittagessen erschien Hermine nicht in der großen Halle. Remus glaubte, er wäre Schuld daran, weil er sie in eine unangenehme Situation gebracht hatte und sie vermutlich davon ausging, das könnte sich in Severus' Anwesenheit wiederholen, obwohl sie wissen sollte, dass er so etwas nie tun würde.
„Severus?“ Der Genannte schenkte Remus seine Aufmerksamkeit. „Ich glaube, dein Vorführkessel hat sich unter meiner Aufsicht ein wenig, ähm, verflüssigt“, gestand Remus mit einem verlegenen Lächeln.
„Wieso überrascht mich das nicht?“ Severus seufzte. „Der Kessel gehörte der Schule. Es wäre freundlich, wenn Sie Albus darüber unterrichten würden, damit ich einen Ersatz bekomme.“
„Natürlich werde ich das!“, versicherte Remus. Gleich im Anschluss fragte er unschuldig: „Gilt das auch für Arbeitstische?“
Severus war stutzig geworden. „Was ist denn mit dem geschehen?“
„Na ja“, druckste Remus herum. „Ein paar Tropfen von dem flüssigen Metall sind möglicherweise auf die Arbeitsfläche gefallen. Anders kann ich mir die recht großen“, er zeigte ein Loch, indem er Daumen und Zeigefinger zusammenführte, „Löcher auf der Tischplatte nicht erklären.“
Bewegungslos starrte Severus seinen Kollegen an, der sich unter seinem Blick beschämt zu winden begann.
„Tun Sie mir einen Gefallen, Lupin: Sollten Sie nochmals, aus welchen Gründen auch immer, eine meiner Zaubertränkeklassen übernehmen, dann bitte ich Sie inständig, sich an die Theorie zu halten!“ Remus nickte peinlich berührt. „Wissen Sie denn wenigstens, warum der Kessel geschmolzen ist?“ Severus legte immer Wert darauf, dass seine Schüler ihrer Fehler erkannten.
„Ich glaube, ich habe linksherum gerührt.“
„Linksherum?“, wiederholte er verdattert, denn in den nächsten Wochen hatte er keinen einzigen Trank auf dem Lehrplan, bei dem man linksherum rühren müsste. „Links...? Wie haben Sie ein E geschafft, wenn ich fragen darf?“
„Ich habe seit meinem UTZ nicht mehr großartig gebraut“, rechtfertigte sich Remus. „Trankzutaten sind teuer.“
„Sie kochen doch wohl regelmäßig?“ Remus nickte. „Wo ist da der Unterschied?“
„Zwischen Kochen und Tränkebrauen? Das kann ich dir sagen, Severus. Wenn ich beim Kochen eine Zutat später hinzufüge, weil ich sie vergessen habe, dann explodiert oder schmilzt trotzdem nichts! Kochen hat mit Tränkebrauen überhaupt nichts gemeinsam.“
Severus winkte ab. „Ist wahrscheinlich auch besser so, sonst hätte ich nämlich große Bedenken, sollte ich in Zukunft erneut in eine Situation geraten, in der ich mich von Ihnen bekochen lassen muss.“
Zu 14 Uhr betrat er sein Labor und es überraschte ihn, Hermine nicht vorzufinden. Auch fünfzehn Minuten später war sie noch nicht gekommen. Es war nicht der Ärger über ihr Zu-Spät-Kommen, sondern ein Anflug von Sorge, denn sie war sehr selten unpünktlich.
Sein Weg führte ihn in den vierten Stock, wo er an ihre Tür klopfte. Eine Aufforderung zum Eintreten blieb aus, weswegen er mit dem Passwort eintrat, welches sie ihm damals gegeben hatte. Er fand sie auf dem Sofa vor. Sie schlief fest, was kein Wunder war. Er selbst war müde und würde sich gern hinlegen. Ihre schlafende Gestalt betrachtete er einen Moment. Die Ruhe, die von ihr ausstrahlte, besänftigte ihn. Der Rhythmus ihrer Atmung war ihm vertraut. In Aberdeen, als er nachts aufgewacht war, hatte er sich von der Gleichmäßigkeit ihrer Atemzüge erneut in den Schlaf wiegen lassen.
Der schwarze Kniesel, dessen weiße Tupfen aufgrund des dicht gewachsenen Fells kaum noch zu sehen waren, strich ihm unerwartet um die Beine. Severus bückte sich und kraulte das Tier am Kopf, doch weil ihm die gebeugte Haltung zu unbequem war, nahm er Fellini auf den Arm. Kaum hatte er sich wieder aufgerichtet, fiel sein Blick auf das Gemälde über dem Kamin. Callidita beobachtete ihn aufmerksam. Ohne den gemalten Mann aus den Augen zu lassen, näherte er sich ihm, während er den Kater auf seinem Arm streichelte. Callidita hob arrogant eine Augenbraue und wandte demonstrativ sein Gesicht ab, um Severus deutlich zu machen, was er von ihm hielt. Ein missbilligendes Schnaufen war Severus' Kommentar zu Calliditas kindischem Verhalten. Warum Hermine dieses Gemälde hier überhaupt aufgehängt hatte, war ihm ein Rätsel.
Er ging wieder zurück zur Sitzgruppe und stellte sich ganz in die Nähe des Sofas. Gern würde er mit Hermine ein paar Worte wechseln, besonders wegen des bevorstehenden Prüfungstermins beim Ministerium. Er wollte ihr noch einige Tipps mit auf den Weg geben, wollte ihr auf seine undurchsichtige Art Mut zusprechen, doch vor allem wollte er wissen, warum Callidita hier hing. Auf ihren Namen, den er mehrmals in normaler Lautstärke sprach, reagierte sie nicht verbal, sondern sie seufzte nur und drehte sich um.
Von einem Geistesblitz überwältigt flüsterte er Fellini ins Ohr: „Guten Flug, mein Freund.“ Ohne Umschweife warf er das Tier die kurze Strecke zum Sofa hinüber, wo es auf seinem Frauchen landete, die sofort aufschreckte. Fellini sprang auf die Rückenlehne, hinunter auf den Boden und rannte wie der Blitz ins Schlafzimmer.
Im ersten Moment war Hermine desorientiert, doch dann wurde ihr klar, wo sie lag und auch, dass sie nicht allein war.
„Severus? Was war eben los?“, fragte sie verdattert.
„Ihr Kniesel! Er jagte in einem Anfall von Größenwahn durchs Zimmer und nahm während seines Rückweges die Abkürzung über die Couch, also auch über Sie.“
Sie legte die Stirn in Falten und warf ihm einen misstrauischen Blick zu. „So etwas macht er nicht. Wenn ich schlafe, dann ist er ruhig.“
„Dann habe ich vielleicht ein wenig nachgeholfen.“ Er schmunzelte. „Wie sieht es aus, sind Sie auf dem Posten? Oder möchten Sie sich noch etwas ausruhen? In diesem Fall lassen wir den heutigen Tag ausfallen.“
Sie presste die Lippen zusammen. „Sie wecken mich, indem sie meine Katze auf mich werfen und dann fragen Sie, ob ich weiterschlafen möchte?“ Sie behielt die Frage für sich, ob in seinem Oberstübchen womöglich etwas falsch gepolt wäre.
„Also möchten Sie sich ausruhen?“, wollte er mit unschuldigem Gesichtsausdruck wissen.
Sie schwang ihre Beine vom Polster und setzte sich normal hin. „Ehrlich gesagt haben Sie mich jetzt wach geredet. Was wollen wir heute machen?“
„Für Ihre Prüfung lernen.“ Hermine schluckte kräftig, was ihm natürlich nicht entging. „Und besonders die Dinge nochmals durchgehen, bei denen Sie Unsicherheit verspüren. Ihre Beurteilung habe ich übrigens fertig. Ich möchte, dass Sie sie lesen und mir Bescheid geben, sollte Ihnen etwas nicht gefallen.“
Das, was Remus ihr gesagt hatte, ging ihr unerwartet durch den Kopf und das war der Grund, warum sie sich Severus genau ansah. Sie wollte ihn mit anderen Augen betrachten, doch dafür musste sie all die Erinnerungen, die sie mit ihm verband – viele davon waren nicht sehr schön –, außen vorlassen. Das forderte eine Menge Vorstellungskraft.
„Was starren Sie so?“, fragte er plötzlich, weswegen sie ihren Kopf schüttelte, um wieder im Hier und Jetzt zu landen.
„Ich habe nicht gestarrt“, rechtfertigte sie sich, doch sie wusste, dass sie es getan haben musste. Er lächelte schief. Die Fältchen um seine Augen herum zeigten aber deutlich, dass er amüsiert war.
„Wenn Sie möchten, könnte ich ein Gemälde von mir anfertigen lassen“, sein schiefes Lächeln wurde gerade, „das Sie dann gegen das austauschen können, welches momentan über Ihrem Kamin hängt.“
Hermines Blick wanderte hinüber zum Kamin und zu Calliditas Gemälde, der hellwach war und sehr andächtig jedes Wort verfolgt hatte.
„Nein danke, Severus.“ Sie erhob sich und holte ihre Tasche, während sie so ernst wie möglich erklärte: „Ich bevorzuge das Original, denn ich habe gehört, dass die Gestaltung von magischen Gemälden so schwer sein soll, dass Abstriche in Bezug auf den Charakter gemacht werden müssen. Man würde bei einem Gemälde von Ihnen Schwierigkeiten haben, das gesamte Spektrum Ihres Sarkasmus' einzufangen und darauf möchte ich nun wirklich nicht verzichten.“ Sie schenkte ihm ein überspitztes Lächeln.
Er legte sich eine Hand aufs Herz, bevor er freundlich spottete: „Oh, das haben Sie wirklich nett gesagt.“
danke für deine Rückmeldung. Es gibt in der Geschichte eher die auktoriale Erzählweise. Extrem selten wird aus Sicht eines Charakters geschrieben. Deswegen wundert es mich ein kleines bisschen, dass man da durcheinanderkommt ;) Wenn du noch einmal über so eine Szene stolperst, kannst du sie mir gern als Beispiel nennen, auch per PN. Dein konkretes Beispiel mit Lucius ist mir beim zweiten Lesen auch aufgefallen. Wortwiederholungen dieser Art halten sich künftig auf jeden Fall in Grenzen.
Harry und Ginny als Paar musste einfach sein. Die beiden kann ich mir schwer getrennt vorstellen. Bei Draco war es etwas schwieriger. Seine Beziehung mit Susan stand ja anfangs nicht unter einem guten Stern. Hermine und Ron … Ich hab nichts gegen die beiden, wirklich nicht. Weder in den Bücher noch in den Filmen. Die Entscheidung, die beiden auseinanderzubringen, kam eher spontan. Habe mit meinem Beta viel drüber diskutiert. Hermine und Severus: Dazu sei nur gesagt, dass weder ich noch mein Beta ein Fan von dem Paar sind. Die Pärchen, das wirst du aber längst gemerkt haben, sind einfach nur da, machen aber nicht den Hauptplot aus.
Harrys Antrag ist eigentlich alles anders als romantisch ;) Aber da sieht man schön, dass die beiden längst wissen, dass sie zusammengehören. Bei Ron ist das eher so … Schwer zu beschreiben. Wenn Männer eine Beziehung gerade hinter sich haben, stürzen sie sich schneller in eine neue. Habe ich oft genug beobachtet. Vielleicht deshalb der Schnellschuss mit Angelina. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es für Menschen, die sich aus Kindertagen schon gut kennen, entweder völlig einfach oder verdammt schwer ist, sich zu einem Paar zu entwickeln, wie bei Angelina und Fred oder eben Hermine und Ron. Harry und Ginny zeigen das Gegenteil – bei ihnen gibt es keine Probleme, aber sie waren in der Schule auch nicht unbeschwert zusammen. Ob der neue Prof – du meinst sicher Prof. Svelte – wirklich besser ist, zeigt sich noch ;)
Sirius macht eine der schwersten Zeiten durch, gerade weil ihm so viele Jahre fehlen. Eigentlich müsste er eine Therapie machen, aber ich glaube, so was gibt es in der Zaubererwelt gar nicht ;) Aber Recht hast du: Menschen können sich ändern. In der Geschichte tun sie es auch, aber nie von heute auf morgen. Das wäre unglaubwürdig. Gerade Sirius benötigt Freude, um im Leben klarzukommen und er hat sie: Remus, Harry, Anne.
Bei welchem Kapitel bist du jetzt?
Liebe Grüße
Muggelchen
169 Gespenstisches
Lucius stöhnte. Sein Beistand war noch vor Mittag zurückgekommen, um ihn mit Fragen zu löchern
„Wegen der Verstecke der flüchtigen Todesser: Sind Sie etwa Geheimniswahrer?“
Im ersten Moment biss sich Lucius auf die Zunge, doch eine Antwort wollte er nicht schuldig bleiben. „Nein, so viel hat Voldemort zu diesem Zeitpunkt nicht mehr von mir gehalten, dass er mir solch wichtige Aufgaben anvertraut hätte.“
„Wer ist es dann?“ Lucius schwieg. „Mit so einer Information...“
Unterbrechend hielt er seinem Beistand vor Augen: „Mit so einer Information ist meine Familie nicht mehr sicher!“
„Niemand wird Ihnen etwas antun können.“
„Nicht? Woher wollen Sie das wissen?“ Lucius war nicht zu überzeugen.
„Das Ministerium würde Sicherheitsvorkehrungen treffen und...“
Erneut unterbrach Lucius: „Die vom Ministerium würden sich um meine Sicherheit einen feuchten Kehricht kümmern!“
„Aber wenn Sie nicht einmal Geheimniswahrer sind, warum haben Sie dann so eine große Sorge? Niemand könnte es gerade Ihnen anlasten, sollte man die Lestrange-Brüder gefangen nehmen. Es muss ja niemand erfahren, wer uns den Geheimniswahrer genannt hat.“
Für einen Augenblick überlegte Lucius, wie er aus dieser Misere herauskommen könnte. Am liebsten wäre es ihm, wenn das Ministerium jeden inhaftierten Todesser unter Veritaserum fragen würde, wer der Geheimniswahrer wäre, denn in diesem Fall würde niemand vermuten, er hätte Macnair verpfiffen. Es würde vielleicht reichen, wenn er die richtige Person nannte und dazu auch eine falsche. In Askaban, das wusste er aus eigener Erfahrung, unterhielten sich die Gefangenen, auch wenn sie sich nicht sehen konnten. Es würde die Runde machen, sollte man nicht nur Macnair befragen, sondern auch jemand anderes. Man würde vermuten, das Ministerium tappte im Dunkeln und versuchte nur sein Glück.
„Versuchen Sie es bei Goyle und bei Macnair.“ Sid notierte sich die Namen, die er später an einen zuständigen Sachbearbeiter weitergeben wollte, der diese Informationen überprüfen würde.
„Ich bin sicher“, Sid verwendete seine besonnene Stimme, „dass man sich sorgfältig um die Sicherheitsverwahrung der Brüder kümmern wird, sollte man Sie in die Finger bekommen.“
Lucius' erster Kommentar war ein Schnaufen. „Und inwiefern glauben Sie, dass diese Information mir Hafterlasse bescheren wird?“
„Nun, ich möchte lediglich vorbeugen. Es wäre möglich, dass man es Ihnen negativ auslegen könnte, dem Ministerium keine weiteren hilfreichen Auskünfte gegeben zu haben. Sollte das geschehen, werde ich mit entsprechenden Protokollen nachweisen, dass man Sie nicht mehr aufgesucht hat, ergo Sie auch keine Aussagen mehr machen konnten. Ihre durchaus vorhandene Bereitschaft belege ich dann mit der Aussage, die Sie heute gemacht haben.“
Lucius' Lippen formten ein arrogantes Lächeln: „Sie denken wohl an alles.“
„Selbstverständlich!“
Von Gelassenheit eingenommen nahm Lucius in aller Ruhe sein Frühstück mit seinem Beistand ein, doch ein persönliches Gespräch kam nicht zustande. Sid legte viel wert darauf, seine Arbeit von seinem Privatleben zu trennen, so dass Lucius rein gar nichts über ihn erfuhr.
„Wegen der Presse, Mr. Malfoy.“ Lucius hörte aufmerksam zu. „Ich denke, es wäre an der Zeit, die Öffentlichkeit auf Ihren Fall aufmerksam zu machen und zwar auf meine Weise.“
„Welche Weise wäre das?“
„Ich müsste weit ausholen“, wollte sich Sid herausreden.
„Ich hab Zeit!“
„Nun, wie beginne ich?“ Sid füllte seinen Kaffee nach, während er die Zeit nutzte, den bisher nur in Gedanken geschmiedeten Plan in Worte zu fassen. „Gezielte Informationsstreuung! Zunächst – und das ist das Wichtigste – müssen wir uns für eine Tageszeitung entscheiden. Der Tagesprophet fällt schon einmal weg.“
„Warum? Die haben die größte Auflage.“
„Genau deswegen. Der Tagesprophet ist zu groß. Die interessiert nicht Ihre Geschichte, sondern nur die Verkaufszahlen ihres eigenen Blattes. Außerdem lassen die sich schwer beeinflussen, wenn man nicht gerade zufällig Minister ist. Nein, ein kleines Blatt sollte es sein, dass sich zudem Mühe mit einem Artikel geben wird, damit sie exklusiv weitere Artikel verfassen dürfen.“
Sid nahm einen Schluck von seinem Kaffee, während Lucius über die Idee nachdachte, doch vollständig wollte sich ihm die Idee nicht erschließen.
„Aber warum nur ein kleines Blatt?“
„Ganz einfach. Damit der Eindruck erweckt wird, Sie wollten kein Aufsehen erregen.“
„Das werde ich auch nicht, denn kaum jemand wird von Einzelheiten meiner Verhandlung erfahren, wenn wir Pressemitteilungen exklusiv an ein unpopuläres Blatt herausgeben!“ Lucius klang sehr erbost, denn er verstand nicht, was Sid vorhatte.
„Mr. Malfoy, allein Ihr Name wird dafür sorgen, dass man dieses kleine Blatt kaufen wird und zwar in einer Auflage, die ansonsten nur der Tagesprophet verzeichnen kann. Das wiederum heißt, dass der Verleger enormen Gewinn machen wird, aber einzig und allein, wenn wir ihm weiterhin Informationen für eine Berichterstattung geben und das tun wir selbstverständlich nur, wenn uns der erste Artikel gefallen hat.“
„Ah, ich verstehe. Eine Hand wäscht die andere. Die kleine Zeitung verdient sich mit ihren Reportagen über mich eine goldene Nase und wir können damit rechnen, dass man wenigstens neutral über mich berichtet. Mein Bild in der Öffentlichkeit würde demzufolge nicht leiden, wie es sicherlich der Fall wäre, würden sich die Hyänen des Tagespropheten auf mich stürzen.“
„Ganz genau, Mr. Malfoy.“
„Haben Sie eine Zeitung im Auge?“
Sid schüttelte den Kopf. „Noch nicht, aber beim nächsten Mal werde ich die Journalisten genauer betrachten. Mir fällt bestimmt jemand auf, der geeignet wäre und von unserem Exklusivangebot hingerissen wäre.“
Schwester Marie räumte das Gedeck ab und derweil entging Lucius nicht, dass sein Beistand bei Maries Anblick in höchste Verzückung geraten war, denn die glänzenden Augen und das glückselige Lächeln allein sprach schon Bände.
„Mr. Malfoy, kann ich Sie kurz unter vier Augen sprechen?“, fragte Marie, der es unangenehm zu sein schien, dass sie die beiden Männer womöglich stören würde.
„Aber natürlich.“
Er folgte ihr in eine Ecke des Zimmers. Sie strahlte über das ganze Gesicht, was Lucius ansteckte. Es war ihr anzusehen, dass sie sich über etwas freute und sie sich mitteilen wollte.
„Ich dachte“, flüsterte sie, „es würde Sie interessieren, dass sie endlich aufgewacht ist.“ Zuerst musste Lucius nachdenken, wen Marie meinen könnte, denn seine Gedanken schwirrten noch immer um den Plan mit der Presse, doch dann hatte er verstanden.
„Tatsächlich? Das ist wundervoll, Marie!“ Über die Genesung von Miss Parkinson, seiner damals bevorzugten Schwiegertochter, freute er sich sehr.
„Ich dachte mir, dass Sie das gern wissen würden.“
„Ich danke Ihnen für diese gute Nachricht.“ Sie wollte gerade gehen, da hielt er sie auf. „Weiß man denn nun, was diesen Zustand ausgelöst hat? War es das, was ich vermutete?“ Sie nickte und im gleichen Moment wich die Freude in ihrem Gesicht dem Ekel vor „Schlafes Bruder“.
„Ja, Ihr Hinweis war sehr hilfreich. Es war Ihr Bekannter Professor Snape, der ein Gegenmittel gefunden hat.“
Überrascht wiederholte er: „Professor Snape?“
Wortlos bejahte Marie. „Er ist gerade hier, zusammen mit einer Dame.“
„Wirklich?“ Es erstaunte ihn weniger, dass Severus sich hier im Mungos aufhielt. Vielmehr irritierte ihn, dass er in Begleitung einer Dame sein sollte. „Ich nehme an, ich darf keinen Besuch empfangen oder?“
„Ich bedaure, Mr. Malfoy, aber ich könnte ihm etwas ausrichten.“
„Nein Marie, lassen Sie es gut sein. Ich danke Ihnen nochmals für die Nachricht, besonders weil ich weiß, dass Sie mich nicht hätten unterrichten müssen.“
Nachdem Marie wieder nach draußen gegangen war, setzte sich Lucius zurück an den Tisch. Sein Beistand lächelte noch immer, während er mit abwesendem Blick aus dem Fenster schaute. Auch Lucius war in Gedanken, denn er fragte sich, ob die Dame, die Severus begleitet hatte, womöglich Narzissa wäre, doch die hätte ihn sicherlich besuchen wollen. Noch immer erlaubte er ihr nicht, ihn im Krankenhaus zu besuchen. Er wollte nicht, dass seine Frau der Presse in die Arme lief und es gehörte sich nicht für eine Dame ihres gesellschaftlichen Ansehens, mit einem Inhaftierten Kontakt zu pflegen, selbst wenn es sich dabei um ihren Gatten handelte. Die Sehnsucht nach ihr wurde mit jedem Brief größer. Er würde es nicht ertragen, noch sehr viel länger von ihr getrennt zu sein.
„Ich hätte gut Lust“, begann Lucius mit schmieriger Stimme, „dem Gamot bei der nächsten Verhandlung meine Meinung zu sagen.“
„Oh, davon rate ich Ihnen ab!“ Lucius' fragende Mimik nahm Sid als Anlass zu erklären: „Wenn ich derjenige bin, der dem Zaubergamot hart zusetzt, dann kann man das mir übel nehmen. Sie sollten weiterhin freundlich bleiben und immer nett antworten, wenn ich das nicht für Sie erledigen kann. Man könnte es Ihnen ansonsten als mangelnde Kooperation auslegen, sollten Sie versteckte Beleidigungen von sich geben.“ Sid grinste fies. „Es ist ja nicht Ihre Schuld, Mr. Malfoy, dass ich Ihr Beistand geworden bin. Mit mir muss das Gamot auskommen, dabei ist völlig egal, ob man eine persönliche Abneigung gegen mich hegt oder nicht.“
„Was sollte schon geschehen, wenn ich mir hier und da eine Zweideutigkeit erlaube?“
Lucius wurde von Sid gemustert, was ihm Unbehagen bereitete. Sein Gegenüber haderte damit, eine Erklärung zu geben, doch dann lehnte sich Sid nach vorn.
„Sind Sie sich überhaupt darüber bewusst, warum man Ihnen noch einen Aufenthalt im Krankenhaus gewährt?“
„Wegen meiner Augen!“
„Mit denen Sie wieder ganz gut sehen können, nicht wahr?“ Mit einer erhobenen Hand vereitelte Sid eine mögliche Antwort, noch bevor Lucius überhaupt Luft holen konnte, um etwas zu erwidern. „Sie müssen einmal die Woche zur Nachbehandlung. Ein einziges Mal die Woche! Den Rest würden Sie normalerweise in Askaban verbringen.“
Lucius' Augenbrauen schnellten nach oben. „Warum bin ich dann noch hier? Verstehen Sie mich nicht falsch. Es ist ja nicht so, dass ich mich nach einer Zelle sehne, aber es wundert mich.“
„Den Unterlagen konnte ich entnehmen, dass die ehemalige Miss Bones entschieden hat, Sie sollten 'bis auf Weiteres' im Mungos bleiben. Jedenfalls ist das der handschriftliche Vermerk von ihr, der in Ihren Unterlagen zu finden ist und zwar der letzte, bevor Miss Bones die Zeit des Mutter-Kind-Schutzes angetreten hat. Bisher hat niemand daran gerüttelt, nicht einmal Mr. Shacklebolt, der Ihren Fall übernommen hat.“
Einen Moment lang ließ Lucius diese Information von seinen grauen Zellen verarbeiten, bevor er das Wort an Sid richtete.
„Was genau wollen Sie mir damit sagen?“
Diesmal war es Sid, dessen Augenbrauen, wenn auch wesentlich langsamer und somit überheblich wirkend, den Weg zum Haaransatz suchten, bevor er den Kopf schräg legte und Lucius deutlich machte: „Dass Sie, Mr. Malfoy, nur noch hier im Mungos verweilen, weil es die Anweisung Ihrer Schwiegertochter ist, die rein zufällig den Posten der stellvertretenden Leiterin der Abteilung für magische Strafverfolgung innehat.“
Auf der gleichen Station, nur einige Türen weiter, herrschte reges Treiben, nachdem Hermine schon vor einer halben Stunde Schwester Marie Bescheid gegeben hatte, dass die Patientin erwacht sei. Von der Schwester darüber informiert eilten Heiler und Professoren ins Krankenzimmer, scheuchten im gleichen Augenblick Severus, Hermine, Blaise und dessen Tochter hinaus, die nun vor der Tür im Flur standen und nicht so recht wussten, ob sie noch für eventuelle Fragen bleiben sollten oder bereits gehen konnten.
„Frechheit“, murmelte Severus enttäuscht und er hoffte, einer der Heiler würde ihn hören, doch er wurde vollkommen ignoriert. Er hatte vermutet, dass einer der Professoren sich zumindest nach dem Vorgang des Erwachens von Miss Parkinson erkundigen wollte, aber niemand verlangte Informationen, weil sich alle um das Bett der jungen Dame scharten und sie mit Fragen bombardierten und sie gleichzeitig untersuchten. Andererseits, dachte Severus, würde Miss Parkinson alles erklären können, denn Mr. Zabini hatte zuvor versichert, dass ihr Geist trotz des scheintoten Körpers sehr rege alles um sich herum hatte wahrnehmen können.
„Vielen Dank, Professor Snape.“ Mr. Zabini reichte ihm die Hand, die Severus nur sehr kurz schüttelte. „Ich werde...“ Die Gespräche der vielen Menschen, die sich im Krankenzimmer und davor aufhielten, waren sehr laut, so dass Blaise die beiden einige Schritte von dem Trubel wegführte. Berenice hatte er an die Hand genommen.
Nun musste er nicht die Stimme erheben, um seinem ehemaligen Professor, den er weiterhin respektvoll mit Titel ansprach, seinen Dank auszusprechen.
„Ich weiß gar nicht, wie ich mich dafür erkenntlich zeigen kann, Professor Snape.“ Blaise schaute zu Hermine hinüber. „Und wie ich dir danken kann.“
„Halten Sie mich einfach über die Genesung auf dem Laufenden. Mich interessieren mögliche Folgeschäden der jahrelangen Vergiftung.“ Berenice schien nichts von dem zu verstehen, doch Blaise riss wegen Severus' Worten erschrocken die Augen auf. Der Tränkemeister schien die Sorge seines Gesprächspartners nicht zu bemerken und schürte sie nur noch mehr, indem er Beispiele nannte. „Besonders Gedächtnisschäden, Schäden der inneren Organe, Auffälligkeiten in der Motorik oder sogar...“
Er stoppte sich selbst, weil er eine Hand an seinem Unterarm fühlte. Hermine hatte ihn berührt und sie nutzte die erhoffte Sprechpause, die nun eingetreten war.
„Sie malen den Teufel an die Wand.“ An ihren damaligen Mitschüler gerichtet versicherte sie: „Nichts von dem muss eintreffen, Blaise.“ Nach ihren Worten schaute Severus den jungen Mann an, der verunsichert und besorgt zur Tür des Krankenzimmers hinüberschaute. Ihm war klar geworden, dass seine Worte harsch und gefühllos geklungen haben mussten.
„Verzeihen Sie, Mr. Zabini. Es war nicht meine Absicht, mich so brüsk auszudrücken und Ihnen damit Unbehagen zu bereiten.“
Blaise schaute den Tränkemeister an, als würde er über etwas nachdenken, bevor er nickte. „Ist schon gut, Sir. Ich werde Sie über den Genesungsvorgang informieren. Mit ein wenig Hoffnung wird Miss Parkinson Sie persönlich darüber in Kenntnis setzen können.“
Ganz vergessen war Berenice, die nun auf ihre Weise Anerkennung zeigte. Heftig atmend, als würde sie die Gestalt des schwarz gekleideten Mannes einschüchtern, sagte sie leise: „Danke, dass du meine Mama wach gemacht hast.“ Severus hob eine Augenbraue und blickte an seiner langen Hakennase entlang auf das kleine Mädchen herab, die dem Drang nicht nachgab, sich hinter ihrem Vater zu verstecken, obwohl ihre Füße wie von selbst einen Schritt zurück machten.
„Gern geschehen“, erwiderte Severus sachlich distanziert, doch trotzdem strahlte das Mädchen mit den rosigen Wangen.
Durch den Kamin in Severus' Büro angekommen wollte Hermine gerade etwas sagen, das sie sehr beschäftigte, da klopfte Albus an die Tür, der zufällig zum richtigen Zeitpunkt nach seinem Zaubertränkelehrer sehen wollte.
„Ah, Severus.“ Der Direktor nickte ihm grüßend zu, bevor er seine Aufmerksamkeit auch der Dame im Zimmer schenkte. „Hermine, sein Sie gegrüßt.“ Erneut blickte er Severus an und zwar mit einem strengen Blick. „Wenn ich kurz mit dir reden dürfte.“
„Ich muss zum Unterricht, Albus“, hielt Severus dagegen, doch der Direktor schüttelte den Kopf.
„Erst auf ein Wort.“
Der Ernst der Lage blieb Hermine nicht verborgen, weswegen sie sich höflichkeitshalber verabschiedete. Nachdem sie gegangen war, blickte Albus seinen jungen Freund vorwitzig an, obwohl er auch ein wenig enttäuscht war.
„Deine Schüler standen heute vor verschlossenen Türen“, sagte Albus, ohne es direkt nach einem Vorwurf klingen zu lassen. „Es ist ein Glück, dass zwei Schüler die Situation eigenverantwortlich gemeistert haben. Minerva fand sie alle mucksmäuschenstill in der Bibliothek, wo sich jeder von ihnen mit dem nächsten Kapitel von Arsenius Bunsens 'Zaubertränke und Zauberbräue' beschäftigte. Sie hat den beiden Schülern je zehn Punkte für ihr eifriges Engagement gegeben.“ Severus überlegte, wer von seinen Erstklässlern die Muße haben könnte, vor allem aber die Fähigkeit besitzen würde, diesen Sack Flöhe ohne Probleme zu hüten.
„Miss Clavick und Mr. Korrelian?“
„Oh, du scheinst deine Schüler gut zu kennen.“ Albus legte eine Hand auf Severus' Schulter und lächelte dabei.
„Miss Clavick ist ein siebengescheiter Naseweis und Mr. Korrelian verfügt trotz seines schmächtigen Erscheinungsbildes über ein ungeahntes Durchsetzungsvermögen.“
Albus nickte. „Beide zusammen hatten die Klasse sehr gut in Griff, Severus. Aber ich bin nicht hier, um von der Selbständigkeit deiner Schüler zu schwärmen. Ich bin hier, um dir eine Rüge zu erteilen. Du kannst nicht einfach fernbleiben, ohne jemandem Bescheid zu geben. Du hast Pflichten, mein Junge.“ Aufgrund der Anrede fühlte sich Severus für den Bruchteil einer Sekunde dreißig Jahre jünger.
„Es tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat, aber ich hatte einen triftigen Grund für meine Abwesenheit. Es ist etwas Wichtiges dazwischengekommen.“ In Albus Augen blitzte etwas auf, das Severus nicht zu deuten wagte.
„Darf ich die ernst gemeinte Frage stellen, ob dieses Etwas, das so wichtig war, nicht vielleicht auch in Zukunft einen größeren Stellenwert einnehmen könnte?“
Skeptisch verengten sich Severus' Augenlider. „Was genau meinst du damit?“
„Nun, das Lehren hat dir nie sonderlich gelegen, jedenfalls nicht, wenn sich mehr Schüler als nur einer in deiner Obhut befanden. Für mich ist klar, worin deine Interessen liegen, aber dir selbst scheinbar noch nicht?“
Severus' Herz setzte einen Schlag aus, weil er ahnte, dass Albus ihn loswerden wollte.
„Ich will dich nicht loswerden“, versicherte der Direktor, als hätte er aus Severus' Mimik dessen Bedenken herausgelesen. „Ich möchte nur, was ich seit Anfang an wollte, nämlich dass du dir Gedanken darüber machst, wie für dich eine Zukunft aussehen könnte.“
Sein erstes Gespräch nach dem überraschenden Auftauchen des Totgeglaubten war Severus noch gut in Erinnerung. Albus hatte damals gesagt:
„Severus, wie wäre es, wenn du wieder als Lehrer hier anfängst, wie in alten Zeiten? Wenn es dir gefällt kannst du hier bleiben, so lange du möchtest. Darüber hinaus wirst du genügend Zeit und Muße finden, deinen künftigen Lebensweg zu ergründen. Für das Schmieden von Zukunftsplänen bist du jung genug, mein Guter!“
„Ich habe noch keine Zukunftspläne geschmiedet, Albus.“ Ein wenig hatte Severus so geklungen, als hätte er eben gebeichtet, die Hausaufgaben vergessen zu haben.
„Den richtigen Weg hast du längst eingeschlagen, nur musst du dir über diese Leidenschaft auch noch bewusst werden.“
„Ich...“ Severus verstummte, weil er eine Anspielung in Albus' Worten verspürte, die sich ihm nicht verständlich offenbaren wollte, aber vielleicht war es er selbst gewesen, der das Wort „diese“ so bedeutsam betont vernommen hatte, so dass dieses Wort implizierte, es gäbe noch andere Leidenschaften.
„Remus hat deine jetzige Klasse übernommen. Du kannst ihn natürlich ablösen, aber ich empfehle, dass du mit der nächsten Unterrichtsstunde beginnst.“
Erschrocken wollte Severus wissen: „Braut er etwa Tränke mit meinen Schülern?“
„Keine Sorge, er hatte immerhin ein E in seinem UTZ.“
„Ich lös' ihn ab!“ Severus' Protest wurde von Albus mit einer leicht erhobenen Hand gebrochen.
„Ach, lass ihn. Es sind nicht einmal mehr dreißig Minuten, bis es zur Pause läutet. Ruh' dich ein wenig aus. Vielleicht denkst du ja über das nach, was ich dir ans Herz gelegt habe oder aber auch über das, was dein Herz dir für die Zukunft nahelegt.“ Severus machte nach diesem Ratschlag den Eindruck, als würde er den Hogwarts-Express auf sich zurasen sehen, weswegen Albus die mögliche Zweideutigkeit beseitigte und deutlicher wurde. „Ich liebe die Arbeit mit Kindern, das war immer meine größte berufliche Erfüllung. Was tust du gern?“
Eine Antwort erwartete Albus nicht, denn er verabschiedete sich bereits und ließ ihn mit dieser Frage allein. Eines war Severus schon sehr früh klar geworden, nämlich dass ihn die Kinder anderer Menschen herzlich wenig interessierten. Jede Klasse in jedem Jahrgang war ähnlich. Immer gab es einen Rebellen, einen Spaßvogel, einen Schlaukopf, einen Unruhestifter, einen Tollpatsch, einen komischen Kauz und einen heißen Feger – jedenfalls nannte man die Mitschülerinnen mit enormer Anziehungskraft auf das andere Geschlecht zu seiner Zeit noch so. Er war es müde, immer und immer wieder den gleichen Lehrplan vor Augen zu haben und diesen jedes Jahr aufs Neue vermitteln zu müssen. Der Bildungsplan hatte sich in all den Jahren genauso wenig verändert wie sein Berufsleben und nach dem Sieg über Voldemort war zudem die „Nebentätigkeit“ weggefallen, doch trotzdem konnte er sich nicht dazu entschließen, die Kündigung einzureichen, denn das würde seinem Lebensweg ein offenes Ende bescheren – eines, dass in keinster Weise vorhersehbar wäre. Würde er hier bleiben, dann wüsste er zumindest, was ihn erwartete, doch außerhalb Hogwarts wäre sein gesamtes Umfeld ein anderes. Die Menschen, mit denen er Umgang hätte, wären andere. Hier in der Schule hatte er seinen festen Kollegenkreis, der sich nur selten änderte.
Mit einem Male musste Severus an Professor Binns denken und er erschrak, als sich ihm das mögliche Bild zeigte, eines Tages selbst im Schlaf zu versterben und es nicht zu begreifen. Als Geist für immer und ewig Schüler unterrichten zu müssen versetzte Severus einen so großen Schrecken, dass er sich zu guter Letzt fest vornahm, sich über seinen künftigen Lebensweg Gedanken zu machen.
Im vierten Stock zerbrach sich Hermine den Kopf über ihre Zukunft. Schon sehr bald würde sie beim Ministerium vorstellig werden, um ihre Prüfung abzulegen. Sie war froh gewesen, dass Severus ihr das Angebot gemacht hatte, mit ihm danach noch forschen zu können, doch dann wäre einiges anders. Sie würde kein Gehalt mehr von ihm bekommen, müsste also selbst arbeiten. Zudem war Hogwarts keine Herberge – für Mittellose schon gar nicht. Hermine müsste sich zusätzlich um eine neue Bleibe kümmern.
Als Erstes, das nahm sie sich fest vor, würde sie nach ihrer bestandenen Prüfung zur Tränkemeisterin beim Personalbeauftragten des Mungos vorsprechen. Ein Beruf als Heilerin wäre interessant und sie hätte auch weiterhin mit Zaubertränken zu tun. Die Einwürfe von Albus und Severus hatten sie zu Neujahr und auch noch danach zweifeln lassen, ob diese Entscheidung die richtige wäre, doch es war ihr Leben – sie musste für sich selbst entscheiden.
Weil Corvinus in seinem Gemälde schlief, verhielt sich Hermine in ihrem eigenen Wohnzimmer sehr still. Durch den Schlafmangel, die herrschende Ruhe und das gemütlich warme Feuer im Kamin spürte auch sie die Müdigkeit am ganzen Körper, so dass sie sich auf dem Sofa hinlegte, um ein wenig die Augen zu schließen. Mit ihren Gedanken war sie bei Pansy und sie hoffte, sehr bald eine positive Nachricht von Blaise zu erhalten. Dann wäre dieser belastende Abschnitt ihn ihrem Leben erledigt und sie hätte wieder Zeit für all die anderen Projekte, die sie vernachlässigen musste. Im dösigen Zustand ging sie – mehr unbewusst als bewusst – nochmals einige Punkte der Berechnung für das Gegengift durch. Aufgrund voranschreitender Schläfrigkeit kam sie anhand nicht nachvollziehbarer Gedankengänge von biologischer Zellteilung auf Energie liefernde Kernfusion. Beim Gedanken an Stromschwankungen schlief sie ein.
Zum Mittagessen erschien Hermine nicht in der großen Halle. Remus glaubte, er wäre Schuld daran, weil er sie in eine unangenehme Situation gebracht hatte und sie vermutlich davon ausging, das könnte sich in Severus' Anwesenheit wiederholen, obwohl sie wissen sollte, dass er so etwas nie tun würde.
„Severus?“ Der Genannte schenkte Remus seine Aufmerksamkeit. „Ich glaube, dein Vorführkessel hat sich unter meiner Aufsicht ein wenig, ähm, verflüssigt“, gestand Remus mit einem verlegenen Lächeln.
„Wieso überrascht mich das nicht?“ Severus seufzte. „Der Kessel gehörte der Schule. Es wäre freundlich, wenn Sie Albus darüber unterrichten würden, damit ich einen Ersatz bekomme.“
„Natürlich werde ich das!“, versicherte Remus. Gleich im Anschluss fragte er unschuldig: „Gilt das auch für Arbeitstische?“
Severus war stutzig geworden. „Was ist denn mit dem geschehen?“
„Na ja“, druckste Remus herum. „Ein paar Tropfen von dem flüssigen Metall sind möglicherweise auf die Arbeitsfläche gefallen. Anders kann ich mir die recht großen“, er zeigte ein Loch, indem er Daumen und Zeigefinger zusammenführte, „Löcher auf der Tischplatte nicht erklären.“
Bewegungslos starrte Severus seinen Kollegen an, der sich unter seinem Blick beschämt zu winden begann.
„Tun Sie mir einen Gefallen, Lupin: Sollten Sie nochmals, aus welchen Gründen auch immer, eine meiner Zaubertränkeklassen übernehmen, dann bitte ich Sie inständig, sich an die Theorie zu halten!“ Remus nickte peinlich berührt. „Wissen Sie denn wenigstens, warum der Kessel geschmolzen ist?“ Severus legte immer Wert darauf, dass seine Schüler ihrer Fehler erkannten.
„Ich glaube, ich habe linksherum gerührt.“
„Linksherum?“, wiederholte er verdattert, denn in den nächsten Wochen hatte er keinen einzigen Trank auf dem Lehrplan, bei dem man linksherum rühren müsste. „Links...? Wie haben Sie ein E geschafft, wenn ich fragen darf?“
„Ich habe seit meinem UTZ nicht mehr großartig gebraut“, rechtfertigte sich Remus. „Trankzutaten sind teuer.“
„Sie kochen doch wohl regelmäßig?“ Remus nickte. „Wo ist da der Unterschied?“
„Zwischen Kochen und Tränkebrauen? Das kann ich dir sagen, Severus. Wenn ich beim Kochen eine Zutat später hinzufüge, weil ich sie vergessen habe, dann explodiert oder schmilzt trotzdem nichts! Kochen hat mit Tränkebrauen überhaupt nichts gemeinsam.“
Severus winkte ab. „Ist wahrscheinlich auch besser so, sonst hätte ich nämlich große Bedenken, sollte ich in Zukunft erneut in eine Situation geraten, in der ich mich von Ihnen bekochen lassen muss.“
Zu 14 Uhr betrat er sein Labor und es überraschte ihn, Hermine nicht vorzufinden. Auch fünfzehn Minuten später war sie noch nicht gekommen. Es war nicht der Ärger über ihr Zu-Spät-Kommen, sondern ein Anflug von Sorge, denn sie war sehr selten unpünktlich.
Sein Weg führte ihn in den vierten Stock, wo er an ihre Tür klopfte. Eine Aufforderung zum Eintreten blieb aus, weswegen er mit dem Passwort eintrat, welches sie ihm damals gegeben hatte. Er fand sie auf dem Sofa vor. Sie schlief fest, was kein Wunder war. Er selbst war müde und würde sich gern hinlegen. Ihre schlafende Gestalt betrachtete er einen Moment. Die Ruhe, die von ihr ausstrahlte, besänftigte ihn. Der Rhythmus ihrer Atmung war ihm vertraut. In Aberdeen, als er nachts aufgewacht war, hatte er sich von der Gleichmäßigkeit ihrer Atemzüge erneut in den Schlaf wiegen lassen.
Der schwarze Kniesel, dessen weiße Tupfen aufgrund des dicht gewachsenen Fells kaum noch zu sehen waren, strich ihm unerwartet um die Beine. Severus bückte sich und kraulte das Tier am Kopf, doch weil ihm die gebeugte Haltung zu unbequem war, nahm er Fellini auf den Arm. Kaum hatte er sich wieder aufgerichtet, fiel sein Blick auf das Gemälde über dem Kamin. Callidita beobachtete ihn aufmerksam. Ohne den gemalten Mann aus den Augen zu lassen, näherte er sich ihm, während er den Kater auf seinem Arm streichelte. Callidita hob arrogant eine Augenbraue und wandte demonstrativ sein Gesicht ab, um Severus deutlich zu machen, was er von ihm hielt. Ein missbilligendes Schnaufen war Severus' Kommentar zu Calliditas kindischem Verhalten. Warum Hermine dieses Gemälde hier überhaupt aufgehängt hatte, war ihm ein Rätsel.
Er ging wieder zurück zur Sitzgruppe und stellte sich ganz in die Nähe des Sofas. Gern würde er mit Hermine ein paar Worte wechseln, besonders wegen des bevorstehenden Prüfungstermins beim Ministerium. Er wollte ihr noch einige Tipps mit auf den Weg geben, wollte ihr auf seine undurchsichtige Art Mut zusprechen, doch vor allem wollte er wissen, warum Callidita hier hing. Auf ihren Namen, den er mehrmals in normaler Lautstärke sprach, reagierte sie nicht verbal, sondern sie seufzte nur und drehte sich um.
Von einem Geistesblitz überwältigt flüsterte er Fellini ins Ohr: „Guten Flug, mein Freund.“ Ohne Umschweife warf er das Tier die kurze Strecke zum Sofa hinüber, wo es auf seinem Frauchen landete, die sofort aufschreckte. Fellini sprang auf die Rückenlehne, hinunter auf den Boden und rannte wie der Blitz ins Schlafzimmer.
Im ersten Moment war Hermine desorientiert, doch dann wurde ihr klar, wo sie lag und auch, dass sie nicht allein war.
„Severus? Was war eben los?“, fragte sie verdattert.
„Ihr Kniesel! Er jagte in einem Anfall von Größenwahn durchs Zimmer und nahm während seines Rückweges die Abkürzung über die Couch, also auch über Sie.“
Sie legte die Stirn in Falten und warf ihm einen misstrauischen Blick zu. „So etwas macht er nicht. Wenn ich schlafe, dann ist er ruhig.“
„Dann habe ich vielleicht ein wenig nachgeholfen.“ Er schmunzelte. „Wie sieht es aus, sind Sie auf dem Posten? Oder möchten Sie sich noch etwas ausruhen? In diesem Fall lassen wir den heutigen Tag ausfallen.“
Sie presste die Lippen zusammen. „Sie wecken mich, indem sie meine Katze auf mich werfen und dann fragen Sie, ob ich weiterschlafen möchte?“ Sie behielt die Frage für sich, ob in seinem Oberstübchen womöglich etwas falsch gepolt wäre.
„Also möchten Sie sich ausruhen?“, wollte er mit unschuldigem Gesichtsausdruck wissen.
Sie schwang ihre Beine vom Polster und setzte sich normal hin. „Ehrlich gesagt haben Sie mich jetzt wach geredet. Was wollen wir heute machen?“
„Für Ihre Prüfung lernen.“ Hermine schluckte kräftig, was ihm natürlich nicht entging. „Und besonders die Dinge nochmals durchgehen, bei denen Sie Unsicherheit verspüren. Ihre Beurteilung habe ich übrigens fertig. Ich möchte, dass Sie sie lesen und mir Bescheid geben, sollte Ihnen etwas nicht gefallen.“
Das, was Remus ihr gesagt hatte, ging ihr unerwartet durch den Kopf und das war der Grund, warum sie sich Severus genau ansah. Sie wollte ihn mit anderen Augen betrachten, doch dafür musste sie all die Erinnerungen, die sie mit ihm verband – viele davon waren nicht sehr schön –, außen vorlassen. Das forderte eine Menge Vorstellungskraft.
„Was starren Sie so?“, fragte er plötzlich, weswegen sie ihren Kopf schüttelte, um wieder im Hier und Jetzt zu landen.
„Ich habe nicht gestarrt“, rechtfertigte sie sich, doch sie wusste, dass sie es getan haben musste. Er lächelte schief. Die Fältchen um seine Augen herum zeigten aber deutlich, dass er amüsiert war.
„Wenn Sie möchten, könnte ich ein Gemälde von mir anfertigen lassen“, sein schiefes Lächeln wurde gerade, „das Sie dann gegen das austauschen können, welches momentan über Ihrem Kamin hängt.“
Hermines Blick wanderte hinüber zum Kamin und zu Calliditas Gemälde, der hellwach war und sehr andächtig jedes Wort verfolgt hatte.
„Nein danke, Severus.“ Sie erhob sich und holte ihre Tasche, während sie so ernst wie möglich erklärte: „Ich bevorzuge das Original, denn ich habe gehört, dass die Gestaltung von magischen Gemälden so schwer sein soll, dass Abstriche in Bezug auf den Charakter gemacht werden müssen. Man würde bei einem Gemälde von Ihnen Schwierigkeiten haben, das gesamte Spektrum Ihres Sarkasmus' einzufangen und darauf möchte ich nun wirklich nicht verzichten.“ Sie schenkte ihm ein überspitztes Lächeln.
Er legte sich eine Hand aufs Herz, bevor er freundlich spottete: „Oh, das haben Sie wirklich nett gesagt.“
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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- Wohnort: Gemälde im 1. Stock
Teil 2 von Kapitel 169
Neckerei und Freude blitzten in ihren Augen auf, als sie ihn anschaute und über seine Bemerkung schmunzelte. Mit einem Male verschwand jedoch ihre fröhliche Stimmung, erst aus den Augen, dann komplett aus ihrem Wesen, bevor sie den Blickkontakt nicht mehr halten konnte und auf ihre Tasche schaute, die sie, als hätte sie sie jetzt erst bemerkt, an ihrem Griff nahm und sich über die Schulter schwang. Nun formte sich ein höfliches Lächeln auf ihren Lippen – kein freundliches, sondern nur ein paar hochgezogene Mundwinkel, die Behaglichkeit simulieren sollten. Ihre Augen blieben dabei bitterernst. Severus kannte sie lang genug, um solche Feinheiten zu bemerken. Er fühlte sich sogar, obwohl er nicht wusste warum, an ihrer düsteren Stimmung schuldig.
„Ich hab da noch ein Tränkebuch, aus dem ich etwas probieren möchte“, sagte sie gehemmt, bevor sie zu ihrem Schrank ging und eine der unteren Türen öffnete.
Nur kurz erhaschte Severus einen Blick auf einen der vielen Titel, den er ungläubig vorlas: „'Tanz mit einer Todesfee'?“ Gleich daneben stand noch eines. „'Wanderungen mit Werwölfen'? Sagen Sie, Hermine, besitzen Sie diese Bücher für den Fall, dass Sie von einem leichten Verwirrungszauber getroffen wurden und trotz des benebelten Verstandes dem Verlangen erliegen, ein Buch lesen zu wollen?“
„Die Bücher sind gut“, murmelte Hermine, die den gefundenen Tränke-Band hinauszog und in ihre Tasche steckte.
„Die Bücher stammen von einem Schwindler!“
„Sie sind trotzdem gut geschrieben und informativ. Sie sind in ihrer Thematik einzigartig und waren nicht umsonst für viele Wochen auf Platz eins der Verkaufslisten“, verteidigte sie ihre kleine Sammlung von Gilderoy Lockhart-Büchern, die sie seit ihrer Schulzeit besaß.
Den Weg zum Labor schwiegen sie sich an. Erst drinnen kam wieder ein Gespräch zustande.
„Wieso Bücher von einem Scharlatan?“
Sie rollte mit den Augen. „Wissen Sie, Severus, dass Gilderoy Lockhart und Sie eine ganze Menge...“
„Wagen Sie es ja nicht, diesen Satz zu vollenden. Ich möchte nicht, dass mein Name und der dieses Hochstaplers gemeinsam in einem Satz genannt werden, es sei denn, Sie möchten explizit darauf hinweisen, dass uns überhaupt keine Ähnlichkeiten verbinden“, warnte er vorsichtshalber und auch nicht sehr ernst. Sie schmunzelte nur, äußerte sich jedoch nicht, weswegen er nachfragte: „Was wollten Sie denn sagen?“
„Ich wollte durchaus sagen, dass Sie beide viel gemeinsam haben.“
„Sie beleidigen mich mit dieser Behauptung, darüber sind Sie sich hoffentlich im Klaren?“
„Wie man es nimmt. Lockhart ist ein Hochstapler, daran kann man nicht rütteln, aber bedenken Sie doch mal, wie lange er alle an der Nase herumgeführt hat. Das waren über zehn Jahre! Die ganze Zeit über hat er alle hinters Licht geführt.“
„Und Bücher geschrieben“, vervollständigte Severus, der eine Ahnung hatte, auf was sie hinaus wollte.
„Die Dinge, die in den Büchern stehen, sind wahnsinnig interessant und auch spannend. Es sind nur nicht seine eigenen Erlebnisse. Er hat es sich erzählen lassen, aber schreiben kann er fabelhaft.“
„Jetzt nicht mehr“, verbesserte Severus gehässig, denn dank des Tagespropheten erfuhr man ab und an von den Genesungsfortschritten des einstigen Bestsellerautoren.
„Wenn Rons Zauberstab nicht angeknackst gewesen wäre“, Hermine blickte ihn an, „dann hätte Lockhart es wieder geschafft. Zum Glück ist Harry und Ron nichts passiert, aber es hätte auch anders kommen können. Lockhart hätte diesmal zwar keinen Erfahrungsbericht gestohlen, sondern sich im Fall der Kammer des Schreckens einfach etwas ausgedacht, aber selbst die erfundene Geschichte hätte sich sicherlich gut verkauft.“ Es war die kleine Pause, die ihn irritierte, bevor sie anfügte: „Er hat jahrelang eine Maske getragen. Nicht einmal seine engsten Vertrauten wussten von seinen Machenschaften.“
Severus schluckte hörbar, denn spätestens jetzt war ihm klar, welche Gemeinsamkeiten sie meinte. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als das Thema zu wechseln.
„Möchten Sie gleich mit dem Brauen beginnen oder wollen Sie vorab lieber Ihre Bewertung lesen?“
„Brauen wir erst etwas. Ich würde gern das Gegenmittel für den Amortentia herstellen“, sagte sie, ohne ihn dabei anzusehen.
„Wieso gerade diesen Trank?“
„Wegen des Eis der Aschwinderin. Ich habe mich nur einmal im Mungos damit befassen dürfen, aber auch nicht so lange, wie ich es mir gewünscht habe.“
„Dann brauen wir lieber direkt den Amortentia, wenn es Ihnen nur um das Ei geht. Wäre von den Zutaten her auch wesentlich preiswerter als das Gegenmittel.“
Den Blick starr auf ihre abgestellte Tasche gerichtet hob sie die Augenbrauen, als würde sie nachdenken, bevor sie einen Blick riskierte. Das Herz rutschte ihr in die Hose, als sie bemerkte, dass er sie eindringlich anschaute, ohne einen Hehl daraus zu machen.
„Ja gut“, sagte sie so schnell, dass ihre Zustimmung alles andere als locker wirkte. Ihr ganzer Körper war verkrampft und sie wusste weder, wie sie das ändern konnte noch kannte sie den Grund für ihr gehemmtes Verhalten. „Gut“, wiederholte sie, um zu hören, ob sie noch immer so stocksteif klang. Sie selbst konnte an ihrer Stimme erkennen, dass sie sich nach wie vor verlegen anhörte. Wenn sie selbst das schon bemerkte, war es ihm bestimmt nicht entgangen. Aufgrund ihrer eigenen Beobachtung nickte sie zaghaft, um ihrer Erkenntnis in Gedanken zuzustimmen.
„Geht es Ihnen heute nicht besonders? Unter Umständen wäre es besser gewesen, einen freien Tag einzulegen, damit Sie den verlorenen Schlaf vergangener Nacht aufholen können.“
„Nein nein, alles in Ordnung. Wenn ich mich jetzt schlafen lege, dann bin ich nachts hellwach.“ Sie lächelte, versuchte es zumindest, doch scheiterte an ihren eigenen Gedanken, denn sie wusste genau, dass es unecht aussehen musste. „Fangen wir an.“
Hermine holte bereits Schneidebrett und Zutaten, doch Severus zögert. Er schien über etwas nachzudenken und weil sie nicht wie sonst Hand-in-Hand arbeiteten, hielt Hermine inne und schaute zu ihm hinüber. Sein Blick war auf nichts fokussiert, er war völlig abwesend.
„Severus?“
Bei seinem Namen schreckte er hoch. Bevor sie eine Chance bekam, ihn auf seine Nachdenklichkeit anzusprechen, fragte er: „Wie sind Sie und Callidita drauf gekommen?“
„Wie bitte?“
„Auf den Splitter? Wie ist Ihnen diese Idee gekommen?“
Hermine erinnerte sich gut an ihr Gespräch mit dem Gemälde. „Ich weiß nicht, ob ich Ihnen davon erzählen soll. Sie könnten über mich lachen.“ Verschämt betrachtete sie das Schneidebrett.
„Weshalb sollte ich über Sie lachen, wo Sie doch die Lösung präsentieren konnten, wie man Miss Parkinson helfen kann? Erzählen Sie es mir“, forderte er mit bedächtiger Stimme.
Sie zögerte, doch letztendlich teilte sie sich mit. „Wir haben über Märchen gesprochen. Berenice hat auf der Hochzeit von Draco und Susan doch herumerzählt, ihre Mutter hätte sich wie Dornröschen gestochen und wäre in einen tiefen Schlaf gefallen.“ Hermine setzte sich auf einen der Hocker. „Mir ist nicht Dornröschen durch den Kopf gegangen, sondern Schneewittchen.“ Hier zog Severus die Augenbrauen hoch, weswegen sie erklärte: „Der vergiftete Kamm! Schneewittchen war so lange scheintot, bis die Zwerge den Kamm aus ihrem Haar genommen haben. Vorher hat er durch eine winzige Wunde in der Kopfhaut das Gift abgegeben.“
Sie machte eine Handbewegung in Severus' Richtung.
„Sie hatten Harry einmal ein Buch geschenkt, das ich mir von ihm ausgeliehen habe. Sie wissen schon, 'Muggel-Märchen und ihr historischer Hintergrund'. Die 'böse Stiefmutter' in dem Märchen soll eine berüchtigte Zaubertränkemeisterin gewesen sein, hat mit magischen Spiegeln hantiert und so weiter. Die Theorie in dem Buch besagt, dass das Gift auf dem Kamm verdünntes Basiliskengift gewesen sein könnte. Callidita sagte, dass Basiliskengift selbst keinesfalls 'tödlich' wäre, eine zu große Menge aber die Nervenbahnen so sehr anregen würde, dass man wie bei einem Cruciatus daran zugrunde gehen kann. Eine kleine Menge hingegen bewirkt das Gegenteil, die Nerven werden eher gelähmt als stimuliert. Das ist ein so faszinierendes Gebiet, Severus.“
Severus bemerkte ein begeistertes Leuchten in ihren Augen, dass ihn wiederum faszinierte.
„Callidita bedauert es sehr, nicht zu wissen, was sein Original noch alles über diese magischen Wesen herausgefunden hat. Es gibt da bestimmt noch eine Menge zu entdecken.“
„Ich werde Ihnen keinen Basilisk schenken, Hermine“, warf Severus nüchtern, aber dennoch scherzend ein, was ein Lächeln auf ihre Lippen zauberte.
„Ich will gar keinen haben, aber das Thema bleibt interessant für mich. Durch die Tierversuche, die Callidita gemacht hat, konnte er die Menge bestimmen, die einen Körper weder in eine Totenstarre versetzt noch die Nerven überanstrengt. Die Menge, die Sie in dem Gegenmittel verarbeitet haben, Severus, war genau richtig. Damit wurde Pansys Nervensystem leicht stimuliert, sozusagen wiedererweckt.“ Hermine fuhr mit ihren Fingern am Rand des Schneidebretts entlang. „Vielleicht, dachte ich mir, ist Bellatrix auch über das Märchen 'Schneewittchen' gestolpert und hat sich in dieser Richtung informiert? Sie hat 'Schlafes Bruder' Basiliskengift untergemischt, damit die Menschen immer wieder erwachen und auch immer wieder in ihren todesähnlichen Schlaf fallen. Sie hat uns damit die Lösung präsentiert. Man musste nur noch die Giftquelle entfernen und Pansys Nervensystem etwas stimulieren.“
„Ich denke nicht“, warf Severus kopfschüttelnd ein, „dass sich Bellatrix Lestrange mit Muggelmärchen abgegeben hat.“
„Aber verstehen Sie denn nicht, Severus? Es sind zwar Geschichten, die die Muggel schriftlich festgehalten, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass die meisten Märchen einen echten Kern haben. Warum sonst handeln sie von bösen Zauberern, Kobolden, Zwergen, kinderfressenden Hexen, verzauberten Gegenständen, Spiegeln, Tränken...“
Er stoppte sie mit einer Geste seiner Hand. „Ich denke, ich habe Ihren Standpunkt begriffen, Hermine.“
Sie grinste. „Viele Märchen sind nicht gerade nett. Man könnte meinen, die Muggel haben auf diese Weise ihre Ängste in Bezug auf unsere Welt verarbeitet.“
„Wahrscheinlich gab es damals noch keine Gesetze zum Schutz der magischen Welt. Hätte man damals schon Vergissmichzauber angewandt, würde es vielleicht gar keine Märchen geben.“
„Was sehr schade wäre.“ Ihre Gesichtszüge wurden ernster. „Selbst Ihr Fall erinnert mich an ein Märchen.“
„Tatsächlich?“ Deutlich hörbar hatte er soeben nach seinem Schutzschild gegriffen, denn allein dieses eine Wort war getränkt mit dem üblichen sarkastischem Unterton.
„Ja, tatsächlich“, wagte sie leise zu wiederholen, doch sie behielt ihre Gedanken für sich und er fragte nicht nach.
Es freute sie, dass sie nun wieder im Einklang miteinander arbeiten, Zutaten an den Tisch holten, in Büchern blätterten und den Amortentia nach Anweisung zu brauen begannen.
Als Remus im vierten Stock mit einem Buch unterm Arm sein Zimmer verließ und nebenan bei Hermine klopfte, öffnete niemand, doch er hatte vorhergesehen, dass sie bestimmt mit Severus arbeiten würde. Es war sowieso seine Aufgabe, um die er sich allein kümmern sollte, dachte er. Das Buch verstaute er in seinem dicken Winterumhang, bevor er den Weg zu den Gewächshäusern antrat. Er war früh dran und hoffte, sich vor seiner Verabredung mit Pomona vielleicht noch ein wenig mit Neville unterhalten zu können.
Der Schnee lag mindestens zehn Zentimeter hoch. Vereinzelt fielen einige dünne Flocken zu Boden und kündigten zaghaft den nächsten Schneeschauer an. In Gewächshaus Nummer vier war Licht zu sehen. Jetzt schon, am frühen Nachmittag, war es bereits sehr duster geworden. Die Gegend wirkte freudlos, aber das Innere des Gewächshauses entschädigte für die trübe Winterstimmung, denn hier blühte das Leben. Remus nahm einen tiefen Zug. Blumenduft und Erde waren die dominierenden Gerüche, die man hier wahrnehmen konnte.
„Oh, hallo Remus“, grüßte Neville fröhlich.
„Hallo!“ Sich die vielen Blumen betrachtend zauberte sich ein breites Lächeln auf Remus' Gesicht, während er sich Neville näherte.
„Pomona...“
Remus unterbrach: „Ja, ich weiß, ich bin eine halbe Stunde zu früh.“
Wortlos nickte Neville, bevor er zurückhaltend fragte: „Sagen Sie...“ Er verbesserte. „Sag mal, willst du mit ihr über diesen Gespenstischen Steinregen sprechen?“
„Ja, damit liegst du richtig.“
„Darf ich fragen, warum?“
Nevilles Neugierde störte Remus nicht. „Hermine hat mich darum gebeten, alles Mögliche darüber in Erfahrung zu bringen. Ich möchte versuchen, ein paar von den Fruchtkapseln aufzutreiben, nachdem zwei Händler uns schon eine Absage erteilt haben.“
„Es gibt da einen Händler in Frankreich.“ Neville verzog das Gesicht. „Der hat zwar Wucherpreise und ist ein Armleuchter, aber er bekommt so gut wie alles.“
„Ja, mit dem hatte Fleur schon das 'Vergnügen'.“
„Wirklich? Ich würde keine Frau zu dem schicken, wenn du verstehst, was ich meine.“
Summend stimmte Remus zu und betrachtete dabei Neville bei der Arbeit, die diesmal nichts mit Erde oder Dünger zu tun hatte. Der junge Kräuterkundelehrling saß an einem Tisch und betrachtete sich etwas durch ein Mikroskop. Links neben ihm lag ein aufgeschlagenes, alt aussehendes Buch und auf der rechten Seite ein Blatt Pergament, auf dem er sich Notizen machte. Remus fragte erst gar nicht, mit was sich Neville beschäftigte, denn er befürchtete, dass er wenig davon verstehen würde, doch Neville erzählte von sich aus und benutzte einfachste Worte.
„Ich habe eine neue Orchideenart gezüchtet und notiere mir die Auffälligkeiten der Samen.“
„Oh wirklich? Was für welche hast du gezüchtet?“
Neville blickte auf und zeigte zu einer Ecke, in welcher hoch wachsende Orchideen mit auffällig dicken Sprossteilen wuchsen. „Die produzieren viel mehr und viel größere Pseudobulben, das sind diese Verdickungen ganz unten. Die Pflanze nutzt sie als Wasserspeicher und auch als Nährstoffdepot. Die Flüssigkeit in den Sprossteilen beinhaltet aber auch Stoffe, die die Blume abgibt, um die Nährstoffe zu verarbeiten und genau diese pflanzeneigenen Stoffe werden in Zaubertränken verwendet. Man bekommt sie nicht anders, kann sie zum Beispiel nicht aus der Pflanze herauspressen, weil die Orchidee sie herstellen muss.“
„Und je größer diese Sprossteile, desto mehr Stoffe gibt die Pflanze ab.“
Neville lächelte. „Ja, richtig. Man muss weniger anpflanzen und bekommt die Zutat konzentrierter.“
Nach ein wenig Smalltalk betrat die pummelige Kräuterkundelehrerin Gewächshaus Nummer vier.
„Hallo Remus, Sie sind pünktlich wie immer“, grüßte sie gut gelaunt. „Und ich kann Sie wirklich nicht davon abbringen?“
Das Gespräch verfolgte Neville mit Interesse, denn es machte ihn neugierig, wovon sich Remus nicht abbringen lassen wollte.
„Ich muss es tun, ich hab es versprochen.“
Ein Nicken ihrerseits zeigte ihre Zustimmung, bevor sie das Wort an Neville richtete: „Lust auf ein kleines Abenteuer?“
„Äh...“
Zum Glück unterbrach Remus seine noch nicht zurechtgelegte Antwort, denn er zog das Buch aus seinem Umhang und reichte es Pomona.
„Es war sehr hilfreich, vielen Dank nochmals. Sagen Sie, warum kenne ich den Namen der Autorin?“, wollte Remus wissen.
Pomona grinste, wodurch ihre roten Wangen noch pausbäckiger wurden. „Phyllida Spore? Sie haben in Ihrer Schulzeit mit Sicherheit ein Buch von dieser Botanikerin in den Händen gehalten!“
„Ein Lehrbuch für Kräuterkunde?“
„Falsch! Severus kennt es bestimmt auswendig. 'Tausend magische Kräuter und Pilze', ein Lehrbuch für Zaubertränke ab der ersten Klasse.“ Pomona nahm sich ihren Flickenhut vom Kopf und legte die zerzausten Haare frei, die sie mit einem Zauberspruch in Ordnung brachte, bevor sie den Hut wieder aufsetzte.
Remus erinnerte sich. „Ja, daher kenne ich den Namen. Dass gerade Phyllida Spore ein schwarzmagisches Buch verfasst hätte ich nie gedacht.“
„Warum nicht? Es verdirbt ja nicht und ist nicht gefährlich, es klärt nur auf. Die gute Phyllida war schon immer dafür, Wissen mit anderen zu teilen, aber das Ministerium sah das anders. Bevor ich aber abschweife, sollten wir losgehen, wenn Sie heute noch die Fruchtkapseln des Gespenstischen Steinregens sammeln möchten.“
Die ganze Zeit hatte Neville still zugehört, aber erst jetzt wusste er, was die Einladung zum Abenteuer beinhaltete. Als Angst würde er sein Gefühl nicht bezeichnen, aber ganz wohl war ihm bei der Sache trotzdem nicht.
„Sie suchen nach dem Gespenstischen Steinregen? Warum?“ Die Augen des Schülers waren ganz groß geworden.
„Sie müssen ja nicht mitkommen, Neville. Ich dachte nur, es würde Sie interessieren. So eine Pflanze sieht man nicht alle Tage.“
„Ich weiß wirklich nicht...“
„Ach“, winkte die rundliche Frau ab. „Ziehen Sie sich schon an und kommen Sie mit, sonst werden Sie es in zehn Jahren bereuen, diese Gelegenheit nicht beim Schopf gepackt zu haben.
Pomona hatte einen Behälter aus dickem Glas auf den Tisch gestellt, den Remus sich genau betrachtete. Auffällig war an diesem an ein Einweckglas erinnernde Gefäß, dass ein Gitter aus Draht eingearbeitet war, fast wie ein Zaun im Glas.
Sie schien seinen fragenden Gesichtsausdruck bemerkt zu haben, denn Pomona erklärte: „Da kommen die Kapseln rein und falls das Glas aus welchen Gründen auch immer brechen sollte, dann können die Fruchtkapseln nicht davonrollen und sich irgendwo einnisten.“
„Einnisten?“
„Sie befallen steinernen Grund und gedeihen auf diese Weise. Für Gebäude wäre es nur gefährlich, sollte es dort stockdunkel sein, denn sie mögen kein Licht.“ Sie drehte sich um und schaute zu Neville, der sich nicht gerade begeistert seinen Schal um den Hals schlang. „Fertig, Neville?“ Er atmete einmal tief durch und nickte verunsichert. „Na dann, auf geht’s!“
Auf den Weg zu den Toren von Hogwarts unterhielten sich die drei, wobei es Pomona war, die offensichtlich genoss, auch mal mit jemand anderen als Neville über Kräuter und Pflanzen reden zu können.
„Sie stellen mit den Kapseln aber nichts Dummes an oder, Remus?“
„Nein, im Gegenteil. Wir versuchen, etwas Dummes wieder rückgängig zu machen.“
Ihre Neugier konnte sie nicht zurückhalten. „Was für eine Dummheit? Es wird doch wohl niemand, den ich kenne, einen Trank mit diesen Kapseln gebraut haben?“ Remus' Schweigen und der betretene Gesichtsausdruck war Pomona Antwort genug, so dass sie seufzen musste. Unerwartet und ernst, als würde sie vor einer unsichtbaren Zuhörerschaft eine Rede halten, sagte sie: „Es gibt Tränke, die eine Menge Unheil anrichten können. Den schlimmen Auswirkungen kann man häufig mit einem Trank entgegenwirken, die die gleichen oder ähnliche Zutaten enthalten wie der ursprüngliche Trank, doch das ist kniffelig, besonders wenn es sich um bösartige Pflanzen handelt. Manche Zutaten muss man daher mit Pflanzen ersetzen, die genau das Gegenteil von der im ersten Trank verwendeten Zutat bewirkt.“
„Gibt es eine Pflanze, die das Gegenstück zum Gespenstischen Steinregen darstellt?“
Weil sie mit dieser Frage gerechnet zu haben schien, antwortete sie sehr schnell: „Keine, von der ich weiß.“ Durch Remus' Seufzer dazu überredet fügte sie noch hinzu: „Was nicht heißt, dass es keine geben könnte. Ich kenne nur keine.“
Der eingeschlagene Weg kam Remus mittlerweile bekannt vor sowie die Höhle, die er sehen konnte. Es war die gleiche Höhle, in der die Muggel Granaten gelagert hatten, nur dass er sich ihr diesmal von der anderen Seite des Flusses näherte. Von hier aus konnte man die Höhle gut sehen und besser betreten. Seine Bedenken behielt er jedoch nicht für sich.
„Ich weiß nicht, ob wir gerade in dieser Höhle suchen sollten.“
Pomona winkte ab. „Sie wurde freigegeben, ich habe mich erkundigt. Sowieso erstaunlich, dass der Eingang überhaupt gefunden wurde, wo ich doch den großen Busch davorgezaubert habe.“
„Das waren Sie?“, fragte Remus verdutzt, denn er hatte zusammen mit Hermine den Busch entfernt, nachdem der Sohn der Sabberhexe ihnen den Eingang gezeigt hatte. Pomona nickte lediglich und ging als Erste hinein, aber nicht, bevor sie mit einem Lumos für etwas Licht sorgte. Auch Neville und Remus ließen die Spitzen ihrer Zauberstäbe wie eine helle Taschenlampe leuchten.
Den ersten großen Raum der Höhle, aus dem die Kisten abtransportiert worden waren, hatten sie bereits hinter sich gelassen. Pomona schien sich hier auszukennen, denn sie ging zielstrebig den Gang entlang, bog links ab, kletterte einige Felsen hinauf und stieg durch eine Öffnung – Neville und Remus immer hinterher. Nach einer Weile hörte man Geräusche, als würde sich jemand hier aufhalten, weswegen Neville erschrocken zusammenfuhr.
„Keine Sorge“, beruhigte Pomona. „Wir kommen der gesuchten Pflanze langsam näher.“ Ein wenig aus der Puste geraten drehte sie sich um. „Ich möchte, dass Sie beide gut darauf achten, wohin sie treten, wenn wir in den nächsten Raum hineingehen. Berühren Sie nichts, besonders nicht die Wände. Wenn etwas auf Sie zugerollt kommt, dann weichen Sie aus.“ Sie wollte gerade weitergehen, da fiel ihr noch etwas ein. „Ach ja, achten Sie bitte auf Ihren Kopf!“
Neville blickte Remus mit weit aufgerissenen Augen an, weswegen er dem jungen Mann anbot: „Ich gehe vor.“
„Gut...“ Mehr konnte Neville nicht sagen.
Die Geräusche wurden lauter. Manchmal klang es, als würde jemand einen Stein mit dem Fuß wegtreten, ein anderes Mal so, als hätte man einen Stein geworfen.
An einer rundlichen Öffnung wartete Pomona auf die beiden, bevor sie bat: „Einmal Nox bitte. Sie müssen sich das ansehen, bevor wir die Kapseln sammeln.“
„Aber dann ist es ja völlig dunkel!“
„Ja Neville, das ist auch der Sinn der Sache“, scherzte sie. „Hier sind wir sicher, kein Grund sich Sorgen zu machen.“
„Nox“, hörte man zwei Männerstimmen nacheinander sagen und schon waren die drei von Schwärze umgeben.
Immer wieder hörte man die Geräusche von sich reibenden Steinen oder von fallenden und rollenden. Als sich ihre Augen endlich an die vollkommene Dunkelheit gewöhnt hatten, trauten sie ihren Augen kaum. Der Raum hinter der Öffnung schien zu leben. Ein feuriges Rot zog sich glimmend und verzweigt wie pulsierende Adern an den Wänden und der Decke entlang. Manchmal glühte es an einer Seite des Raumes mehr, doch es wechselte sich ständig ab. Die sich gabelnden Adern verästelten an anderer Stelle wieder. Manche waren dicker, andere so dünn und fein wie Kapillargefäße.
„Gespenstisch!“, sagte Remus fasziniert und zugleich auch eingeschüchtert.
„Damit wäre erklärt, warum die Pflanze so heißt“, witzelte Pomona.
Neville war die Bedeutung des zweitens Namens der Pflanze natürlich nicht entgangen. „Und 'Steinregen', weil es sich so anhört, als würden Steine zu Boden fallen.“
„Oh, es hört sich nicht nur so an“, versicherte Pomona, die gleich darauf ihren Stab zum Leuchten brachte. „Deswegen sollen Sie bitte auf Ihren Kopf aufpassen. Diese Pflanze kann mit Leichtigkeit Dinge zersetzen oder spalten. Der Stein ist für sie wie weiche Erde. Um sich an der Decke halten zu können, fräsen die beweglichen Abzweigungen Scharten in den Stein, damit sie sich dort einnisten können. Oft spaltet sich der Stein durch die Einwirkung und fällt zu Boden.“
„Die beweglichen Abzweigungen?“, wiederholte Remus verblüfft.
„Manche Zweige sind beweglich, können umhertasten, aber wie alle Kletterpflanzen, zu denen der Gespenstische Steinregen gehört, hangeln sie sich nur an den Gegenständen empor oder eben an den Wänden und der Decke. Sie brauchen nicht zu befürchten, dass die Zweige wie die Tentakel eines Oktopus umherfühlen, das tun sie nicht.“ Pomona schaute über ihre Schulter. „Gehen wir hinein? Neville, Sie stellen den Behälter bitte geöffnet in die Mitte.“
Die drei gingen in die hohe Höhle hinein und erst jetzt wurde ihnen bewusst, wie groß diese Pflanze war, denn der gesamte Raum war mit den roten pulsierenden Ästen verwachsen.
„Ist das nur eine oder sind das mehrere?“, fragte Remus, der nicht sehen konnte, ob eine Pflanze irgendwo endete, denn die roten Adern gingen ineinander über.
Pomona drehte sich einmal langsam im Kreis und schien zu zählen, bevor sie sagte: „Ich schätze, es sind fünf, aber genau kann ich es nicht sagen, weil eine Pflanze auch mehr als nur einen Blütenkopf haben kann.“
Sie zeigte auf einen dieser Blütenköpfe, deren Blätter herzförmig waren und wie aus Leder gefertigt wirkten, wenn da nicht diese vielen feinen Äderchen wären.
„Dieses Leuchten...“
Remus brauchte gar keine Frage zu formulieren, denn Pomona hatte Gefallen daran, ihm und Neville das Phänomen zu erklären: „Biolumineszenz! Höher entwickelte Pflanzen haben diese Fähigkeit nicht, von allein Licht entwickeln zu können, jedenfalls weiß man von keiner. Der Steinregen selbst kann kein Licht erzeugen, aber seine Symbionten.“ Sie deutete auf eine der dicken Adern. „Die rote Flüssigkeit, die durch diese feine Membran fließt, sind Bakterien, die ihre Energie durch Licht abgeben.“
Man hörte von oben ein splitterndes Geräusch und kurz darauf landete neben Neville ein Felsbrocken so groß wie ein Klatscher.
„Wir sollten uns beeilen und das holen, was Sie haben möchte: Fruchtkapseln“, schlug Pomona vor, der Nevilles bleiches Gesicht nicht entgangen war.
An einer der Blüten, die so groß wie Hagrids Kopf war, machte Pomona Halt und zeigte mit ihrem Stab auf einen Auswuchs, der wie ein faltenwerfender Sack fast bis zum Boden reichte.
„Hier drinnen befinden sich die Fruchtkapseln. Der Sack hat schon fast den Boden erreicht. Sollte er weiter wachsen und schwerer werden, würde er unten aufkommen und aufplatzen. Die Kapseln würden wie ein aufgezogenes Spielzeug über den Boden rollen, um sich eine Nische in der Steinwand zu suchen, wo sie aufbrechen würden, um ihre kleinen Tentakel auszuwerfen.“ Sie drehte sich zu Neville, der an dem Glasbehälter stand und empfahl ihm: „Ein paar Schritte weg von dem Glas bitte.“ Er parierte sofort. An Remus gewandt sagte sie: „Ich mache oben ein Schnitt und entnehme die Kapseln aus dem Sack. Sie achten darauf, dass keine herausspringen.“
Während sie den Schnitt machte, erzählte sie, obwohl sie weiterhin ihre Augen konzentriert auf den Sack richtete: „Man wusste lange Zeit nicht, ob es sich beim Gespenstischen Steinregen um ein Tier oder eine Pflanze handeln würde, denn für eine Pflanze ist sie sehr lebendig, für ein Tier sehr träge. Sie kann sogar kleine Tiere 'fressen', wie Fledermäuse, wenn die zu dicht herankommen, aber es waren die Bakterien, die die Beute zersetzt haben. Eine bestimmte Theorie bekommt immer mehr Zuspruch, nämlich dass diese Pflanze eine magische Variante der Pfeifenblume sein würde, die man in der Muggelwelt antreffen kann. Durch die Symbiose mit den Bakterien ist der Gespenstische Steinregen...“
Sie hielt inne, weil sie per Levitation nun eine der faustgroßen Fruchtkapseln aus dem Sack gefischt hatte. Die Kapsel war nass und schleimig. An ihr hingen grüne Fäden hinunter, durch die die Kapsel wahrscheinlich im Innern des Sacks Halt gefunden hatten. Konzentriert beförderte Pomona die Frucht in das Glas und schloss sofort den Deckel, was sehr vorausschauend von ihr war, denn das Ding begann zu hüpfen.
„Die sind höchstens eine Stunde beweglich. Brauchen Sie mehr, Remus?“
Man einigte sich auf insgesamt drei Kapseln. Das sollte für Hermine genügen, dachte er.
Nachdem die drei die letzte Zutat für den Ewigen See gesammelt hatten, fügte Hermine die letzte Zutat für den Amortentia in den Kessel. Die perlig glänzende Substanz im Kessel begann so farbenfroh wie ein Regenbogen zu glitzern. Spiralförmig erhob sich Dampf und Hermine, die um die betörende Wirkung des Dampfes aus Büchern wusste, machte vorsichtshalber einen Schritt zurück.
„Es ist vollbracht, Hermine. Nun haben Sie auch einmal mit dem Ei einer Aschwinderin gearbeitet. Ich werde das Ihrer Beurteilung hinzufügen.“ Severus kam einen Schritt näher heran und schlug vor: „Nehmen Sie ruhig eine Nase voll. Das schadet nicht.“
Sie winkte ab. „Lieber nicht, schon der Duft soll verführerisch sein.“
„Der Trank selbst ist verwerflich, nicht sein Duft.“
Um es ihr zu demonstrieren, ging er direkt zum Kessel, stützte sich mit einer Hand auf dem Tisch ab und beugte sich nach vorn. Hermine beobachtet, wie die spiralförmig aufsteigenden Schwaden sichtbar von Severus' großer Nase eingeatmet wurden. Sie gesellte sich zu ihm, um ihn besser betrachten zu können. Seine Augen waren geschlossen, seine Atmung hatte sich verlangsamt. Wenn er einatmete, dann tat er es langsam.
„Nach was riecht es?“, fragte sie unschuldig.
Er öffnete erst ein Auge, dann das andere und blickte sie verklärt an. „Der Geruch erinnert mich an die Küche meines elterlichen Hauses, wenn meine Mutter darin kochte.“ Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. „Atmen Sie ein, Hermine, und sagen Sie mir, woran Sie denken müssen.“
Sie riss sich zusammen und nahm seinen Platz ein, beugte sich vor und atmete die Schwaden ein. Auch ihre Atmung wurde langsamer, die Atemzüge tiefer. Ein wohliges Gefühl breitete sich in ihr aus und sie verlor sich in ihren Gedanken und ihren Träumen. Erst seine Stimme erweckte sie.
„Nach was duftet es bei Ihnen?“, wollte er wissen. Sein Blick war noch immer ein wenig entrückt.
„Nach dem Garten, in dem ich früher gespielt habe. Ich kann sogar die Kaninchenställe riechen.“ Sie fragte sich, ob sie wirklich gelallt hatte oder ob ihr Verstand ihr das nur vorgegaukelt hatte. „Kommt es mir nur so vor oder gehorcht mir meine Zunge nicht?“
Er schmunzelte. „Artikulation ist in Bezug auf den Amortentia nicht vorgesehen, auch nicht, wenn man nur seinen Duft einatmet, aber keine Sorge, die Wirkung lässt bald nach.“
Eine ganze Weile schaute sie ihren Professor an und der blickte zurück, doch keinem von beiden war die Situation unangenehm. Sie ahnte, dass sie einen genauso selbstvergessenen Gesichtsausdruck aufweisen musste wie er, nur fand sie, dass er ihm gut stand. Severus sah zum ersten Mal so aus, als würde er sich wirklich wohl fühlen, aber das war auch die Tücke, die von dem Duft des Amortentia ausging.
„An welches Märchen erinnert Sie mein Fall?“, fragte er völlig unerwartet. Erstaunt zog sie ihre Augenbrauen in die Höhe, zumindest hoffte sie, dass es so war, denn spüren konnte sie es nicht, so eingenommen hatte sie der Duft.
„Sie sind Kay“, erwiderte sie mit schwerer Zunge.
„Wer?“
„Kay, der Junge aus dem Märchen 'Die Schneekönigin'!“
Er blinzelte ein paar Mal, aber sehr langsam und sie hatte den Verdacht, Severus würde den Faden verloren haben, denn noch immer schaute er duselig drein, was sie einen Moment an Luna erinnerte und als sie die Überlegung verfolgte, ob Luna möglicherweise jeden Morgen den Duft vom Amortentia einatmen würde, um für den Tag in Stimmung zu sein, da bemerkte sie nicht, dass sie selbst es war, deren Gedanken abdrifteten.
„Warum erinnere ich Sie an diesen Jungen?“
„An wen?“, fragte Hermine, die sich eben noch Luna vorgestellt hatte, die mit ihrem Kopf über einem Kessel hing.
„Kay.“
„Ach ja.“ Hermine stutzte. „Hatten wir das Thema nicht schon abgehandelt?“ Sie war der festen Überzeugung, sie hätten längst drüber geredet.
Er musste lächeln – wahrhaftig und unverfälscht wegen ihrer Frage lächeln. „In Ihren Gedanken vielleicht, aber auch nur dort.“
„Kennen Sie das Märchen?“ Er schüttelte den Kopf, weswegen sie es in Stichpunkten wiedergab. „Da war dieser magische Spiegel, der alles verzerrt darstellte. Das Schöne war hässlich, das Gute wirkte böse. Eines Tages zerbrach der Spiegel und die Teile fielen zur Erde, verstreuten sich auf der ganzen Welt. Kay wurde von zwei Splittern getroffen. Der eine traf sein Auge und er konnte keine schönen Dinge mehr erkennen. Der zweite Splitter – und das erinnert mich an Sie – traf ihn mitten ins Herz. An dem Tag...“
Entweder ließ die Wirkung des Duftes nach oder das Thema hatte sie schlagartig ernüchtert. Severus' Blick war nun wieder so klar wie ihr Verstand und er forderte wortlos die Fortführung ihrer Schilderung, die sie ihm gab.
„An dem Tag hat sich sein Herz in Eis verwandelt.“
Neckerei und Freude blitzten in ihren Augen auf, als sie ihn anschaute und über seine Bemerkung schmunzelte. Mit einem Male verschwand jedoch ihre fröhliche Stimmung, erst aus den Augen, dann komplett aus ihrem Wesen, bevor sie den Blickkontakt nicht mehr halten konnte und auf ihre Tasche schaute, die sie, als hätte sie sie jetzt erst bemerkt, an ihrem Griff nahm und sich über die Schulter schwang. Nun formte sich ein höfliches Lächeln auf ihren Lippen – kein freundliches, sondern nur ein paar hochgezogene Mundwinkel, die Behaglichkeit simulieren sollten. Ihre Augen blieben dabei bitterernst. Severus kannte sie lang genug, um solche Feinheiten zu bemerken. Er fühlte sich sogar, obwohl er nicht wusste warum, an ihrer düsteren Stimmung schuldig.
„Ich hab da noch ein Tränkebuch, aus dem ich etwas probieren möchte“, sagte sie gehemmt, bevor sie zu ihrem Schrank ging und eine der unteren Türen öffnete.
Nur kurz erhaschte Severus einen Blick auf einen der vielen Titel, den er ungläubig vorlas: „'Tanz mit einer Todesfee'?“ Gleich daneben stand noch eines. „'Wanderungen mit Werwölfen'? Sagen Sie, Hermine, besitzen Sie diese Bücher für den Fall, dass Sie von einem leichten Verwirrungszauber getroffen wurden und trotz des benebelten Verstandes dem Verlangen erliegen, ein Buch lesen zu wollen?“
„Die Bücher sind gut“, murmelte Hermine, die den gefundenen Tränke-Band hinauszog und in ihre Tasche steckte.
„Die Bücher stammen von einem Schwindler!“
„Sie sind trotzdem gut geschrieben und informativ. Sie sind in ihrer Thematik einzigartig und waren nicht umsonst für viele Wochen auf Platz eins der Verkaufslisten“, verteidigte sie ihre kleine Sammlung von Gilderoy Lockhart-Büchern, die sie seit ihrer Schulzeit besaß.
Den Weg zum Labor schwiegen sie sich an. Erst drinnen kam wieder ein Gespräch zustande.
„Wieso Bücher von einem Scharlatan?“
Sie rollte mit den Augen. „Wissen Sie, Severus, dass Gilderoy Lockhart und Sie eine ganze Menge...“
„Wagen Sie es ja nicht, diesen Satz zu vollenden. Ich möchte nicht, dass mein Name und der dieses Hochstaplers gemeinsam in einem Satz genannt werden, es sei denn, Sie möchten explizit darauf hinweisen, dass uns überhaupt keine Ähnlichkeiten verbinden“, warnte er vorsichtshalber und auch nicht sehr ernst. Sie schmunzelte nur, äußerte sich jedoch nicht, weswegen er nachfragte: „Was wollten Sie denn sagen?“
„Ich wollte durchaus sagen, dass Sie beide viel gemeinsam haben.“
„Sie beleidigen mich mit dieser Behauptung, darüber sind Sie sich hoffentlich im Klaren?“
„Wie man es nimmt. Lockhart ist ein Hochstapler, daran kann man nicht rütteln, aber bedenken Sie doch mal, wie lange er alle an der Nase herumgeführt hat. Das waren über zehn Jahre! Die ganze Zeit über hat er alle hinters Licht geführt.“
„Und Bücher geschrieben“, vervollständigte Severus, der eine Ahnung hatte, auf was sie hinaus wollte.
„Die Dinge, die in den Büchern stehen, sind wahnsinnig interessant und auch spannend. Es sind nur nicht seine eigenen Erlebnisse. Er hat es sich erzählen lassen, aber schreiben kann er fabelhaft.“
„Jetzt nicht mehr“, verbesserte Severus gehässig, denn dank des Tagespropheten erfuhr man ab und an von den Genesungsfortschritten des einstigen Bestsellerautoren.
„Wenn Rons Zauberstab nicht angeknackst gewesen wäre“, Hermine blickte ihn an, „dann hätte Lockhart es wieder geschafft. Zum Glück ist Harry und Ron nichts passiert, aber es hätte auch anders kommen können. Lockhart hätte diesmal zwar keinen Erfahrungsbericht gestohlen, sondern sich im Fall der Kammer des Schreckens einfach etwas ausgedacht, aber selbst die erfundene Geschichte hätte sich sicherlich gut verkauft.“ Es war die kleine Pause, die ihn irritierte, bevor sie anfügte: „Er hat jahrelang eine Maske getragen. Nicht einmal seine engsten Vertrauten wussten von seinen Machenschaften.“
Severus schluckte hörbar, denn spätestens jetzt war ihm klar, welche Gemeinsamkeiten sie meinte. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als das Thema zu wechseln.
„Möchten Sie gleich mit dem Brauen beginnen oder wollen Sie vorab lieber Ihre Bewertung lesen?“
„Brauen wir erst etwas. Ich würde gern das Gegenmittel für den Amortentia herstellen“, sagte sie, ohne ihn dabei anzusehen.
„Wieso gerade diesen Trank?“
„Wegen des Eis der Aschwinderin. Ich habe mich nur einmal im Mungos damit befassen dürfen, aber auch nicht so lange, wie ich es mir gewünscht habe.“
„Dann brauen wir lieber direkt den Amortentia, wenn es Ihnen nur um das Ei geht. Wäre von den Zutaten her auch wesentlich preiswerter als das Gegenmittel.“
Den Blick starr auf ihre abgestellte Tasche gerichtet hob sie die Augenbrauen, als würde sie nachdenken, bevor sie einen Blick riskierte. Das Herz rutschte ihr in die Hose, als sie bemerkte, dass er sie eindringlich anschaute, ohne einen Hehl daraus zu machen.
„Ja gut“, sagte sie so schnell, dass ihre Zustimmung alles andere als locker wirkte. Ihr ganzer Körper war verkrampft und sie wusste weder, wie sie das ändern konnte noch kannte sie den Grund für ihr gehemmtes Verhalten. „Gut“, wiederholte sie, um zu hören, ob sie noch immer so stocksteif klang. Sie selbst konnte an ihrer Stimme erkennen, dass sie sich nach wie vor verlegen anhörte. Wenn sie selbst das schon bemerkte, war es ihm bestimmt nicht entgangen. Aufgrund ihrer eigenen Beobachtung nickte sie zaghaft, um ihrer Erkenntnis in Gedanken zuzustimmen.
„Geht es Ihnen heute nicht besonders? Unter Umständen wäre es besser gewesen, einen freien Tag einzulegen, damit Sie den verlorenen Schlaf vergangener Nacht aufholen können.“
„Nein nein, alles in Ordnung. Wenn ich mich jetzt schlafen lege, dann bin ich nachts hellwach.“ Sie lächelte, versuchte es zumindest, doch scheiterte an ihren eigenen Gedanken, denn sie wusste genau, dass es unecht aussehen musste. „Fangen wir an.“
Hermine holte bereits Schneidebrett und Zutaten, doch Severus zögert. Er schien über etwas nachzudenken und weil sie nicht wie sonst Hand-in-Hand arbeiteten, hielt Hermine inne und schaute zu ihm hinüber. Sein Blick war auf nichts fokussiert, er war völlig abwesend.
„Severus?“
Bei seinem Namen schreckte er hoch. Bevor sie eine Chance bekam, ihn auf seine Nachdenklichkeit anzusprechen, fragte er: „Wie sind Sie und Callidita drauf gekommen?“
„Wie bitte?“
„Auf den Splitter? Wie ist Ihnen diese Idee gekommen?“
Hermine erinnerte sich gut an ihr Gespräch mit dem Gemälde. „Ich weiß nicht, ob ich Ihnen davon erzählen soll. Sie könnten über mich lachen.“ Verschämt betrachtete sie das Schneidebrett.
„Weshalb sollte ich über Sie lachen, wo Sie doch die Lösung präsentieren konnten, wie man Miss Parkinson helfen kann? Erzählen Sie es mir“, forderte er mit bedächtiger Stimme.
Sie zögerte, doch letztendlich teilte sie sich mit. „Wir haben über Märchen gesprochen. Berenice hat auf der Hochzeit von Draco und Susan doch herumerzählt, ihre Mutter hätte sich wie Dornröschen gestochen und wäre in einen tiefen Schlaf gefallen.“ Hermine setzte sich auf einen der Hocker. „Mir ist nicht Dornröschen durch den Kopf gegangen, sondern Schneewittchen.“ Hier zog Severus die Augenbrauen hoch, weswegen sie erklärte: „Der vergiftete Kamm! Schneewittchen war so lange scheintot, bis die Zwerge den Kamm aus ihrem Haar genommen haben. Vorher hat er durch eine winzige Wunde in der Kopfhaut das Gift abgegeben.“
Sie machte eine Handbewegung in Severus' Richtung.
„Sie hatten Harry einmal ein Buch geschenkt, das ich mir von ihm ausgeliehen habe. Sie wissen schon, 'Muggel-Märchen und ihr historischer Hintergrund'. Die 'böse Stiefmutter' in dem Märchen soll eine berüchtigte Zaubertränkemeisterin gewesen sein, hat mit magischen Spiegeln hantiert und so weiter. Die Theorie in dem Buch besagt, dass das Gift auf dem Kamm verdünntes Basiliskengift gewesen sein könnte. Callidita sagte, dass Basiliskengift selbst keinesfalls 'tödlich' wäre, eine zu große Menge aber die Nervenbahnen so sehr anregen würde, dass man wie bei einem Cruciatus daran zugrunde gehen kann. Eine kleine Menge hingegen bewirkt das Gegenteil, die Nerven werden eher gelähmt als stimuliert. Das ist ein so faszinierendes Gebiet, Severus.“
Severus bemerkte ein begeistertes Leuchten in ihren Augen, dass ihn wiederum faszinierte.
„Callidita bedauert es sehr, nicht zu wissen, was sein Original noch alles über diese magischen Wesen herausgefunden hat. Es gibt da bestimmt noch eine Menge zu entdecken.“
„Ich werde Ihnen keinen Basilisk schenken, Hermine“, warf Severus nüchtern, aber dennoch scherzend ein, was ein Lächeln auf ihre Lippen zauberte.
„Ich will gar keinen haben, aber das Thema bleibt interessant für mich. Durch die Tierversuche, die Callidita gemacht hat, konnte er die Menge bestimmen, die einen Körper weder in eine Totenstarre versetzt noch die Nerven überanstrengt. Die Menge, die Sie in dem Gegenmittel verarbeitet haben, Severus, war genau richtig. Damit wurde Pansys Nervensystem leicht stimuliert, sozusagen wiedererweckt.“ Hermine fuhr mit ihren Fingern am Rand des Schneidebretts entlang. „Vielleicht, dachte ich mir, ist Bellatrix auch über das Märchen 'Schneewittchen' gestolpert und hat sich in dieser Richtung informiert? Sie hat 'Schlafes Bruder' Basiliskengift untergemischt, damit die Menschen immer wieder erwachen und auch immer wieder in ihren todesähnlichen Schlaf fallen. Sie hat uns damit die Lösung präsentiert. Man musste nur noch die Giftquelle entfernen und Pansys Nervensystem etwas stimulieren.“
„Ich denke nicht“, warf Severus kopfschüttelnd ein, „dass sich Bellatrix Lestrange mit Muggelmärchen abgegeben hat.“
„Aber verstehen Sie denn nicht, Severus? Es sind zwar Geschichten, die die Muggel schriftlich festgehalten, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass die meisten Märchen einen echten Kern haben. Warum sonst handeln sie von bösen Zauberern, Kobolden, Zwergen, kinderfressenden Hexen, verzauberten Gegenständen, Spiegeln, Tränken...“
Er stoppte sie mit einer Geste seiner Hand. „Ich denke, ich habe Ihren Standpunkt begriffen, Hermine.“
Sie grinste. „Viele Märchen sind nicht gerade nett. Man könnte meinen, die Muggel haben auf diese Weise ihre Ängste in Bezug auf unsere Welt verarbeitet.“
„Wahrscheinlich gab es damals noch keine Gesetze zum Schutz der magischen Welt. Hätte man damals schon Vergissmichzauber angewandt, würde es vielleicht gar keine Märchen geben.“
„Was sehr schade wäre.“ Ihre Gesichtszüge wurden ernster. „Selbst Ihr Fall erinnert mich an ein Märchen.“
„Tatsächlich?“ Deutlich hörbar hatte er soeben nach seinem Schutzschild gegriffen, denn allein dieses eine Wort war getränkt mit dem üblichen sarkastischem Unterton.
„Ja, tatsächlich“, wagte sie leise zu wiederholen, doch sie behielt ihre Gedanken für sich und er fragte nicht nach.
Es freute sie, dass sie nun wieder im Einklang miteinander arbeiten, Zutaten an den Tisch holten, in Büchern blätterten und den Amortentia nach Anweisung zu brauen begannen.
Als Remus im vierten Stock mit einem Buch unterm Arm sein Zimmer verließ und nebenan bei Hermine klopfte, öffnete niemand, doch er hatte vorhergesehen, dass sie bestimmt mit Severus arbeiten würde. Es war sowieso seine Aufgabe, um die er sich allein kümmern sollte, dachte er. Das Buch verstaute er in seinem dicken Winterumhang, bevor er den Weg zu den Gewächshäusern antrat. Er war früh dran und hoffte, sich vor seiner Verabredung mit Pomona vielleicht noch ein wenig mit Neville unterhalten zu können.
Der Schnee lag mindestens zehn Zentimeter hoch. Vereinzelt fielen einige dünne Flocken zu Boden und kündigten zaghaft den nächsten Schneeschauer an. In Gewächshaus Nummer vier war Licht zu sehen. Jetzt schon, am frühen Nachmittag, war es bereits sehr duster geworden. Die Gegend wirkte freudlos, aber das Innere des Gewächshauses entschädigte für die trübe Winterstimmung, denn hier blühte das Leben. Remus nahm einen tiefen Zug. Blumenduft und Erde waren die dominierenden Gerüche, die man hier wahrnehmen konnte.
„Oh, hallo Remus“, grüßte Neville fröhlich.
„Hallo!“ Sich die vielen Blumen betrachtend zauberte sich ein breites Lächeln auf Remus' Gesicht, während er sich Neville näherte.
„Pomona...“
Remus unterbrach: „Ja, ich weiß, ich bin eine halbe Stunde zu früh.“
Wortlos nickte Neville, bevor er zurückhaltend fragte: „Sagen Sie...“ Er verbesserte. „Sag mal, willst du mit ihr über diesen Gespenstischen Steinregen sprechen?“
„Ja, damit liegst du richtig.“
„Darf ich fragen, warum?“
Nevilles Neugierde störte Remus nicht. „Hermine hat mich darum gebeten, alles Mögliche darüber in Erfahrung zu bringen. Ich möchte versuchen, ein paar von den Fruchtkapseln aufzutreiben, nachdem zwei Händler uns schon eine Absage erteilt haben.“
„Es gibt da einen Händler in Frankreich.“ Neville verzog das Gesicht. „Der hat zwar Wucherpreise und ist ein Armleuchter, aber er bekommt so gut wie alles.“
„Ja, mit dem hatte Fleur schon das 'Vergnügen'.“
„Wirklich? Ich würde keine Frau zu dem schicken, wenn du verstehst, was ich meine.“
Summend stimmte Remus zu und betrachtete dabei Neville bei der Arbeit, die diesmal nichts mit Erde oder Dünger zu tun hatte. Der junge Kräuterkundelehrling saß an einem Tisch und betrachtete sich etwas durch ein Mikroskop. Links neben ihm lag ein aufgeschlagenes, alt aussehendes Buch und auf der rechten Seite ein Blatt Pergament, auf dem er sich Notizen machte. Remus fragte erst gar nicht, mit was sich Neville beschäftigte, denn er befürchtete, dass er wenig davon verstehen würde, doch Neville erzählte von sich aus und benutzte einfachste Worte.
„Ich habe eine neue Orchideenart gezüchtet und notiere mir die Auffälligkeiten der Samen.“
„Oh wirklich? Was für welche hast du gezüchtet?“
Neville blickte auf und zeigte zu einer Ecke, in welcher hoch wachsende Orchideen mit auffällig dicken Sprossteilen wuchsen. „Die produzieren viel mehr und viel größere Pseudobulben, das sind diese Verdickungen ganz unten. Die Pflanze nutzt sie als Wasserspeicher und auch als Nährstoffdepot. Die Flüssigkeit in den Sprossteilen beinhaltet aber auch Stoffe, die die Blume abgibt, um die Nährstoffe zu verarbeiten und genau diese pflanzeneigenen Stoffe werden in Zaubertränken verwendet. Man bekommt sie nicht anders, kann sie zum Beispiel nicht aus der Pflanze herauspressen, weil die Orchidee sie herstellen muss.“
„Und je größer diese Sprossteile, desto mehr Stoffe gibt die Pflanze ab.“
Neville lächelte. „Ja, richtig. Man muss weniger anpflanzen und bekommt die Zutat konzentrierter.“
Nach ein wenig Smalltalk betrat die pummelige Kräuterkundelehrerin Gewächshaus Nummer vier.
„Hallo Remus, Sie sind pünktlich wie immer“, grüßte sie gut gelaunt. „Und ich kann Sie wirklich nicht davon abbringen?“
Das Gespräch verfolgte Neville mit Interesse, denn es machte ihn neugierig, wovon sich Remus nicht abbringen lassen wollte.
„Ich muss es tun, ich hab es versprochen.“
Ein Nicken ihrerseits zeigte ihre Zustimmung, bevor sie das Wort an Neville richtete: „Lust auf ein kleines Abenteuer?“
„Äh...“
Zum Glück unterbrach Remus seine noch nicht zurechtgelegte Antwort, denn er zog das Buch aus seinem Umhang und reichte es Pomona.
„Es war sehr hilfreich, vielen Dank nochmals. Sagen Sie, warum kenne ich den Namen der Autorin?“, wollte Remus wissen.
Pomona grinste, wodurch ihre roten Wangen noch pausbäckiger wurden. „Phyllida Spore? Sie haben in Ihrer Schulzeit mit Sicherheit ein Buch von dieser Botanikerin in den Händen gehalten!“
„Ein Lehrbuch für Kräuterkunde?“
„Falsch! Severus kennt es bestimmt auswendig. 'Tausend magische Kräuter und Pilze', ein Lehrbuch für Zaubertränke ab der ersten Klasse.“ Pomona nahm sich ihren Flickenhut vom Kopf und legte die zerzausten Haare frei, die sie mit einem Zauberspruch in Ordnung brachte, bevor sie den Hut wieder aufsetzte.
Remus erinnerte sich. „Ja, daher kenne ich den Namen. Dass gerade Phyllida Spore ein schwarzmagisches Buch verfasst hätte ich nie gedacht.“
„Warum nicht? Es verdirbt ja nicht und ist nicht gefährlich, es klärt nur auf. Die gute Phyllida war schon immer dafür, Wissen mit anderen zu teilen, aber das Ministerium sah das anders. Bevor ich aber abschweife, sollten wir losgehen, wenn Sie heute noch die Fruchtkapseln des Gespenstischen Steinregens sammeln möchten.“
Die ganze Zeit hatte Neville still zugehört, aber erst jetzt wusste er, was die Einladung zum Abenteuer beinhaltete. Als Angst würde er sein Gefühl nicht bezeichnen, aber ganz wohl war ihm bei der Sache trotzdem nicht.
„Sie suchen nach dem Gespenstischen Steinregen? Warum?“ Die Augen des Schülers waren ganz groß geworden.
„Sie müssen ja nicht mitkommen, Neville. Ich dachte nur, es würde Sie interessieren. So eine Pflanze sieht man nicht alle Tage.“
„Ich weiß wirklich nicht...“
„Ach“, winkte die rundliche Frau ab. „Ziehen Sie sich schon an und kommen Sie mit, sonst werden Sie es in zehn Jahren bereuen, diese Gelegenheit nicht beim Schopf gepackt zu haben.
Pomona hatte einen Behälter aus dickem Glas auf den Tisch gestellt, den Remus sich genau betrachtete. Auffällig war an diesem an ein Einweckglas erinnernde Gefäß, dass ein Gitter aus Draht eingearbeitet war, fast wie ein Zaun im Glas.
Sie schien seinen fragenden Gesichtsausdruck bemerkt zu haben, denn Pomona erklärte: „Da kommen die Kapseln rein und falls das Glas aus welchen Gründen auch immer brechen sollte, dann können die Fruchtkapseln nicht davonrollen und sich irgendwo einnisten.“
„Einnisten?“
„Sie befallen steinernen Grund und gedeihen auf diese Weise. Für Gebäude wäre es nur gefährlich, sollte es dort stockdunkel sein, denn sie mögen kein Licht.“ Sie drehte sich um und schaute zu Neville, der sich nicht gerade begeistert seinen Schal um den Hals schlang. „Fertig, Neville?“ Er atmete einmal tief durch und nickte verunsichert. „Na dann, auf geht’s!“
Auf den Weg zu den Toren von Hogwarts unterhielten sich die drei, wobei es Pomona war, die offensichtlich genoss, auch mal mit jemand anderen als Neville über Kräuter und Pflanzen reden zu können.
„Sie stellen mit den Kapseln aber nichts Dummes an oder, Remus?“
„Nein, im Gegenteil. Wir versuchen, etwas Dummes wieder rückgängig zu machen.“
Ihre Neugier konnte sie nicht zurückhalten. „Was für eine Dummheit? Es wird doch wohl niemand, den ich kenne, einen Trank mit diesen Kapseln gebraut haben?“ Remus' Schweigen und der betretene Gesichtsausdruck war Pomona Antwort genug, so dass sie seufzen musste. Unerwartet und ernst, als würde sie vor einer unsichtbaren Zuhörerschaft eine Rede halten, sagte sie: „Es gibt Tränke, die eine Menge Unheil anrichten können. Den schlimmen Auswirkungen kann man häufig mit einem Trank entgegenwirken, die die gleichen oder ähnliche Zutaten enthalten wie der ursprüngliche Trank, doch das ist kniffelig, besonders wenn es sich um bösartige Pflanzen handelt. Manche Zutaten muss man daher mit Pflanzen ersetzen, die genau das Gegenteil von der im ersten Trank verwendeten Zutat bewirkt.“
„Gibt es eine Pflanze, die das Gegenstück zum Gespenstischen Steinregen darstellt?“
Weil sie mit dieser Frage gerechnet zu haben schien, antwortete sie sehr schnell: „Keine, von der ich weiß.“ Durch Remus' Seufzer dazu überredet fügte sie noch hinzu: „Was nicht heißt, dass es keine geben könnte. Ich kenne nur keine.“
Der eingeschlagene Weg kam Remus mittlerweile bekannt vor sowie die Höhle, die er sehen konnte. Es war die gleiche Höhle, in der die Muggel Granaten gelagert hatten, nur dass er sich ihr diesmal von der anderen Seite des Flusses näherte. Von hier aus konnte man die Höhle gut sehen und besser betreten. Seine Bedenken behielt er jedoch nicht für sich.
„Ich weiß nicht, ob wir gerade in dieser Höhle suchen sollten.“
Pomona winkte ab. „Sie wurde freigegeben, ich habe mich erkundigt. Sowieso erstaunlich, dass der Eingang überhaupt gefunden wurde, wo ich doch den großen Busch davorgezaubert habe.“
„Das waren Sie?“, fragte Remus verdutzt, denn er hatte zusammen mit Hermine den Busch entfernt, nachdem der Sohn der Sabberhexe ihnen den Eingang gezeigt hatte. Pomona nickte lediglich und ging als Erste hinein, aber nicht, bevor sie mit einem Lumos für etwas Licht sorgte. Auch Neville und Remus ließen die Spitzen ihrer Zauberstäbe wie eine helle Taschenlampe leuchten.
Den ersten großen Raum der Höhle, aus dem die Kisten abtransportiert worden waren, hatten sie bereits hinter sich gelassen. Pomona schien sich hier auszukennen, denn sie ging zielstrebig den Gang entlang, bog links ab, kletterte einige Felsen hinauf und stieg durch eine Öffnung – Neville und Remus immer hinterher. Nach einer Weile hörte man Geräusche, als würde sich jemand hier aufhalten, weswegen Neville erschrocken zusammenfuhr.
„Keine Sorge“, beruhigte Pomona. „Wir kommen der gesuchten Pflanze langsam näher.“ Ein wenig aus der Puste geraten drehte sie sich um. „Ich möchte, dass Sie beide gut darauf achten, wohin sie treten, wenn wir in den nächsten Raum hineingehen. Berühren Sie nichts, besonders nicht die Wände. Wenn etwas auf Sie zugerollt kommt, dann weichen Sie aus.“ Sie wollte gerade weitergehen, da fiel ihr noch etwas ein. „Ach ja, achten Sie bitte auf Ihren Kopf!“
Neville blickte Remus mit weit aufgerissenen Augen an, weswegen er dem jungen Mann anbot: „Ich gehe vor.“
„Gut...“ Mehr konnte Neville nicht sagen.
Die Geräusche wurden lauter. Manchmal klang es, als würde jemand einen Stein mit dem Fuß wegtreten, ein anderes Mal so, als hätte man einen Stein geworfen.
An einer rundlichen Öffnung wartete Pomona auf die beiden, bevor sie bat: „Einmal Nox bitte. Sie müssen sich das ansehen, bevor wir die Kapseln sammeln.“
„Aber dann ist es ja völlig dunkel!“
„Ja Neville, das ist auch der Sinn der Sache“, scherzte sie. „Hier sind wir sicher, kein Grund sich Sorgen zu machen.“
„Nox“, hörte man zwei Männerstimmen nacheinander sagen und schon waren die drei von Schwärze umgeben.
Immer wieder hörte man die Geräusche von sich reibenden Steinen oder von fallenden und rollenden. Als sich ihre Augen endlich an die vollkommene Dunkelheit gewöhnt hatten, trauten sie ihren Augen kaum. Der Raum hinter der Öffnung schien zu leben. Ein feuriges Rot zog sich glimmend und verzweigt wie pulsierende Adern an den Wänden und der Decke entlang. Manchmal glühte es an einer Seite des Raumes mehr, doch es wechselte sich ständig ab. Die sich gabelnden Adern verästelten an anderer Stelle wieder. Manche waren dicker, andere so dünn und fein wie Kapillargefäße.
„Gespenstisch!“, sagte Remus fasziniert und zugleich auch eingeschüchtert.
„Damit wäre erklärt, warum die Pflanze so heißt“, witzelte Pomona.
Neville war die Bedeutung des zweitens Namens der Pflanze natürlich nicht entgangen. „Und 'Steinregen', weil es sich so anhört, als würden Steine zu Boden fallen.“
„Oh, es hört sich nicht nur so an“, versicherte Pomona, die gleich darauf ihren Stab zum Leuchten brachte. „Deswegen sollen Sie bitte auf Ihren Kopf aufpassen. Diese Pflanze kann mit Leichtigkeit Dinge zersetzen oder spalten. Der Stein ist für sie wie weiche Erde. Um sich an der Decke halten zu können, fräsen die beweglichen Abzweigungen Scharten in den Stein, damit sie sich dort einnisten können. Oft spaltet sich der Stein durch die Einwirkung und fällt zu Boden.“
„Die beweglichen Abzweigungen?“, wiederholte Remus verblüfft.
„Manche Zweige sind beweglich, können umhertasten, aber wie alle Kletterpflanzen, zu denen der Gespenstische Steinregen gehört, hangeln sie sich nur an den Gegenständen empor oder eben an den Wänden und der Decke. Sie brauchen nicht zu befürchten, dass die Zweige wie die Tentakel eines Oktopus umherfühlen, das tun sie nicht.“ Pomona schaute über ihre Schulter. „Gehen wir hinein? Neville, Sie stellen den Behälter bitte geöffnet in die Mitte.“
Die drei gingen in die hohe Höhle hinein und erst jetzt wurde ihnen bewusst, wie groß diese Pflanze war, denn der gesamte Raum war mit den roten pulsierenden Ästen verwachsen.
„Ist das nur eine oder sind das mehrere?“, fragte Remus, der nicht sehen konnte, ob eine Pflanze irgendwo endete, denn die roten Adern gingen ineinander über.
Pomona drehte sich einmal langsam im Kreis und schien zu zählen, bevor sie sagte: „Ich schätze, es sind fünf, aber genau kann ich es nicht sagen, weil eine Pflanze auch mehr als nur einen Blütenkopf haben kann.“
Sie zeigte auf einen dieser Blütenköpfe, deren Blätter herzförmig waren und wie aus Leder gefertigt wirkten, wenn da nicht diese vielen feinen Äderchen wären.
„Dieses Leuchten...“
Remus brauchte gar keine Frage zu formulieren, denn Pomona hatte Gefallen daran, ihm und Neville das Phänomen zu erklären: „Biolumineszenz! Höher entwickelte Pflanzen haben diese Fähigkeit nicht, von allein Licht entwickeln zu können, jedenfalls weiß man von keiner. Der Steinregen selbst kann kein Licht erzeugen, aber seine Symbionten.“ Sie deutete auf eine der dicken Adern. „Die rote Flüssigkeit, die durch diese feine Membran fließt, sind Bakterien, die ihre Energie durch Licht abgeben.“
Man hörte von oben ein splitterndes Geräusch und kurz darauf landete neben Neville ein Felsbrocken so groß wie ein Klatscher.
„Wir sollten uns beeilen und das holen, was Sie haben möchte: Fruchtkapseln“, schlug Pomona vor, der Nevilles bleiches Gesicht nicht entgangen war.
An einer der Blüten, die so groß wie Hagrids Kopf war, machte Pomona Halt und zeigte mit ihrem Stab auf einen Auswuchs, der wie ein faltenwerfender Sack fast bis zum Boden reichte.
„Hier drinnen befinden sich die Fruchtkapseln. Der Sack hat schon fast den Boden erreicht. Sollte er weiter wachsen und schwerer werden, würde er unten aufkommen und aufplatzen. Die Kapseln würden wie ein aufgezogenes Spielzeug über den Boden rollen, um sich eine Nische in der Steinwand zu suchen, wo sie aufbrechen würden, um ihre kleinen Tentakel auszuwerfen.“ Sie drehte sich zu Neville, der an dem Glasbehälter stand und empfahl ihm: „Ein paar Schritte weg von dem Glas bitte.“ Er parierte sofort. An Remus gewandt sagte sie: „Ich mache oben ein Schnitt und entnehme die Kapseln aus dem Sack. Sie achten darauf, dass keine herausspringen.“
Während sie den Schnitt machte, erzählte sie, obwohl sie weiterhin ihre Augen konzentriert auf den Sack richtete: „Man wusste lange Zeit nicht, ob es sich beim Gespenstischen Steinregen um ein Tier oder eine Pflanze handeln würde, denn für eine Pflanze ist sie sehr lebendig, für ein Tier sehr träge. Sie kann sogar kleine Tiere 'fressen', wie Fledermäuse, wenn die zu dicht herankommen, aber es waren die Bakterien, die die Beute zersetzt haben. Eine bestimmte Theorie bekommt immer mehr Zuspruch, nämlich dass diese Pflanze eine magische Variante der Pfeifenblume sein würde, die man in der Muggelwelt antreffen kann. Durch die Symbiose mit den Bakterien ist der Gespenstische Steinregen...“
Sie hielt inne, weil sie per Levitation nun eine der faustgroßen Fruchtkapseln aus dem Sack gefischt hatte. Die Kapsel war nass und schleimig. An ihr hingen grüne Fäden hinunter, durch die die Kapsel wahrscheinlich im Innern des Sacks Halt gefunden hatten. Konzentriert beförderte Pomona die Frucht in das Glas und schloss sofort den Deckel, was sehr vorausschauend von ihr war, denn das Ding begann zu hüpfen.
„Die sind höchstens eine Stunde beweglich. Brauchen Sie mehr, Remus?“
Man einigte sich auf insgesamt drei Kapseln. Das sollte für Hermine genügen, dachte er.
Nachdem die drei die letzte Zutat für den Ewigen See gesammelt hatten, fügte Hermine die letzte Zutat für den Amortentia in den Kessel. Die perlig glänzende Substanz im Kessel begann so farbenfroh wie ein Regenbogen zu glitzern. Spiralförmig erhob sich Dampf und Hermine, die um die betörende Wirkung des Dampfes aus Büchern wusste, machte vorsichtshalber einen Schritt zurück.
„Es ist vollbracht, Hermine. Nun haben Sie auch einmal mit dem Ei einer Aschwinderin gearbeitet. Ich werde das Ihrer Beurteilung hinzufügen.“ Severus kam einen Schritt näher heran und schlug vor: „Nehmen Sie ruhig eine Nase voll. Das schadet nicht.“
Sie winkte ab. „Lieber nicht, schon der Duft soll verführerisch sein.“
„Der Trank selbst ist verwerflich, nicht sein Duft.“
Um es ihr zu demonstrieren, ging er direkt zum Kessel, stützte sich mit einer Hand auf dem Tisch ab und beugte sich nach vorn. Hermine beobachtet, wie die spiralförmig aufsteigenden Schwaden sichtbar von Severus' großer Nase eingeatmet wurden. Sie gesellte sich zu ihm, um ihn besser betrachten zu können. Seine Augen waren geschlossen, seine Atmung hatte sich verlangsamt. Wenn er einatmete, dann tat er es langsam.
„Nach was riecht es?“, fragte sie unschuldig.
Er öffnete erst ein Auge, dann das andere und blickte sie verklärt an. „Der Geruch erinnert mich an die Küche meines elterlichen Hauses, wenn meine Mutter darin kochte.“ Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. „Atmen Sie ein, Hermine, und sagen Sie mir, woran Sie denken müssen.“
Sie riss sich zusammen und nahm seinen Platz ein, beugte sich vor und atmete die Schwaden ein. Auch ihre Atmung wurde langsamer, die Atemzüge tiefer. Ein wohliges Gefühl breitete sich in ihr aus und sie verlor sich in ihren Gedanken und ihren Träumen. Erst seine Stimme erweckte sie.
„Nach was duftet es bei Ihnen?“, wollte er wissen. Sein Blick war noch immer ein wenig entrückt.
„Nach dem Garten, in dem ich früher gespielt habe. Ich kann sogar die Kaninchenställe riechen.“ Sie fragte sich, ob sie wirklich gelallt hatte oder ob ihr Verstand ihr das nur vorgegaukelt hatte. „Kommt es mir nur so vor oder gehorcht mir meine Zunge nicht?“
Er schmunzelte. „Artikulation ist in Bezug auf den Amortentia nicht vorgesehen, auch nicht, wenn man nur seinen Duft einatmet, aber keine Sorge, die Wirkung lässt bald nach.“
Eine ganze Weile schaute sie ihren Professor an und der blickte zurück, doch keinem von beiden war die Situation unangenehm. Sie ahnte, dass sie einen genauso selbstvergessenen Gesichtsausdruck aufweisen musste wie er, nur fand sie, dass er ihm gut stand. Severus sah zum ersten Mal so aus, als würde er sich wirklich wohl fühlen, aber das war auch die Tücke, die von dem Duft des Amortentia ausging.
„An welches Märchen erinnert Sie mein Fall?“, fragte er völlig unerwartet. Erstaunt zog sie ihre Augenbrauen in die Höhe, zumindest hoffte sie, dass es so war, denn spüren konnte sie es nicht, so eingenommen hatte sie der Duft.
„Sie sind Kay“, erwiderte sie mit schwerer Zunge.
„Wer?“
„Kay, der Junge aus dem Märchen 'Die Schneekönigin'!“
Er blinzelte ein paar Mal, aber sehr langsam und sie hatte den Verdacht, Severus würde den Faden verloren haben, denn noch immer schaute er duselig drein, was sie einen Moment an Luna erinnerte und als sie die Überlegung verfolgte, ob Luna möglicherweise jeden Morgen den Duft vom Amortentia einatmen würde, um für den Tag in Stimmung zu sein, da bemerkte sie nicht, dass sie selbst es war, deren Gedanken abdrifteten.
„Warum erinnere ich Sie an diesen Jungen?“
„An wen?“, fragte Hermine, die sich eben noch Luna vorgestellt hatte, die mit ihrem Kopf über einem Kessel hing.
„Kay.“
„Ach ja.“ Hermine stutzte. „Hatten wir das Thema nicht schon abgehandelt?“ Sie war der festen Überzeugung, sie hätten längst drüber geredet.
Er musste lächeln – wahrhaftig und unverfälscht wegen ihrer Frage lächeln. „In Ihren Gedanken vielleicht, aber auch nur dort.“
„Kennen Sie das Märchen?“ Er schüttelte den Kopf, weswegen sie es in Stichpunkten wiedergab. „Da war dieser magische Spiegel, der alles verzerrt darstellte. Das Schöne war hässlich, das Gute wirkte böse. Eines Tages zerbrach der Spiegel und die Teile fielen zur Erde, verstreuten sich auf der ganzen Welt. Kay wurde von zwei Splittern getroffen. Der eine traf sein Auge und er konnte keine schönen Dinge mehr erkennen. Der zweite Splitter – und das erinnert mich an Sie – traf ihn mitten ins Herz. An dem Tag...“
Entweder ließ die Wirkung des Duftes nach oder das Thema hatte sie schlagartig ernüchtert. Severus' Blick war nun wieder so klar wie ihr Verstand und er forderte wortlos die Fortführung ihrer Schilderung, die sie ihm gab.
„An dem Tag hat sich sein Herz in Eis verwandelt.“
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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Re: Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit (169)
Das mit der Perspektive ist schwer zu erklären. Es ist zwar auktorial, aber irgendwie doch ein bisschen aus der Perspektive eines Charakters.. Wenn ich eine passende Stelle finde kann ich die ja mal posten und ansonsten vergiss einfach was ich gesagt habe, dann liegt es daran, dass ich ein leicht zu verwirrender Mensch bin 
115, hab also noch ein paar vor mir. ;)

115, hab also noch ein paar vor mir. ;)
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Hallo Sonea Ginevra Inava,
das wäre nett, wenn du so eine Stelle posten könntest, falls du nochmal über eine stolperst. Verwirren möchte ich die Leser natürlich nicht :)
Liebe Grüße
Muggelchen
170 Prüfungen
'An dem Tag hat sich sein Herz in Eis verwandelt', wiederholte Severus in Gedanken und es musste auf ihn zutreffen, denn dieser harte Vergleich berührte ihn nicht im Geringsten. Was ihm jedoch zusetzte, war Hermines unglücklicher Blick.
„Entschuldigen Sie, Severus. Ich wollte wirklich nicht so taktlos klingen. Das war wohl der Amortentia.“ Die Sorgenfalten auf ihrer Stirn verschwanden auch nicht, als sie ein falsches Lächeln aufsetzte.
„Tun Sie mir einen Gefallen“, begann er distanziert, „und nehmen Sie sich die Angelegenheit nicht so zu Herzen.“
Ob er mit „Angelegenheit“ nur den vorangegangenen Vergleich zwischen ihm und Kay meinte oder sogar sein ganz persönliches Schicksal, war nicht deutlich herauszuhören. Anstatt sich verbal zu äußern nickte sie nur.
„Gut, dann würde ich vorschlagen, wir kümmern uns um Ihre Beurteilung. Wir gehen sie gemeinsam durch. Wenn etwas unklar sein sollte, dann erkläre ich es gern. Die Arten der Umschreibung bestimmter Eigenschaften ist nicht für jedermann sofort ersichtlich.“
„Was wird aus dem Amortentia?“ Sie blickte auf den Kessel mit seinem regenbogenfarbenen Inhalt.
„Sie möchten doch wohl keinen Schluck nehmen?“, scherzte er. Ihr erschrockener Gesichtsausdruck belustigte ihn. „Wir könnten den Trank heute beim Abendessen gegen die Karaffe mit Kürbissaft austauschen.“
„Aber Severus!“, mahnte sie kopfschüttelnd.
„Das war doch nicht ernst gemeint.“ Mit Hilfe seines Zauberstabs und einem gepflegten Evanesco verschwand der Amortentia. „Möchten Sie im Büro...?“
Sie fiel ihm ins Wort. „Wir können die Beurteilung auch in Ihrem Wohnzimmer lesen.“
Die Beurteilung umfasste nicht wenige Seiten, weswegen sich Hermine ungefragt die Schuhe auszog, um gemütlich auf seinem Sofa Platz nehmen zu können – mit einer Wade auf dem Polster. Er hatte alles in dem Schreiben erwähnt, was sie in den letzten Monaten zusammen gebraut oder gelernt hatten.
„Ist das eigentlich eine Art Zeugnis?“ Sie wusste nur, dass sie beim Ministerium eine Bescheinigung benötigen würde, dass ein Zaubertränkemeister sie für die Prüfung vorschlug.
„In gewisser Weise ist es das, wenn auch ein sehr ausführliches, das muss ich zugeben. Mag daran liegen, dass Professor Slughorn sich bei mir weniger Mühe gegeben hat.“
Sein Ehrgeiz war deutlich herauszuhören. „Und Sie wollen es besser machen als er?“ Bei der Frage grinste sie keck.
„Ich habe die Beurteilung so formuliert, wie ich sie für angemessen halte. Sollte es Ihnen nicht zusagen...“
„Nein, das meine ich nicht. Ich bin nur sehr überrascht“, gab sie ehrlich zu.
„Warum überrascht? Sie wussten, dass ich Sie und Ihre Fähigkeiten schriftlich bewerten werde.“
Sie schüttelte sachte den Kopf. „Dass Sie mich so gut bewerten, meine ich. Das hätte ich nicht gedacht.“
„Ich versichere Ihnen, dass ich die Beurteilung rein objektiv gestaltet habe und etwaige persönliche...“ Er formulierte um. „Ich habe Wert darauf gelegt, dass der Text frei von Vorurteilen gestaltet ist, also sachlich und nüchtern.“
„Severus, ich wollte damit keinesfalls andeuten, dass Sie mich unter Umständen besser bewerten als ich bin, nur weil Sie mich vielleicht gern haben... ich meine, gern hier haben, um Sie herum, genauer gesagt im Labor, meine ich. Wir sind...“, sie geriet gänzlich ins Stocken, „...Team! Ein tolles Team zusammen.“
„Lesen Sie weiter“, empfahl er beschwörend, damit die Situation nicht auch noch für ihn unangenehm werden könnte.
Seiner Aufforderung kam sie liebend gern nach, bevor sie sich vollends zum Trottel machte. Sie las eine ganze Weile. Seine Handschrift war ihr vertraut. Sie war eng und winzig, einige Buchstaben waren auffallend eckig, aber insgesamt war die Schrift außergewöhnlich sauber. Er saß ihr die ganze Zeit gegenüber am Couchtisch und beschrieb ein Pergament. Nach einer Weile traute sie sich, etwas zu fragen.
„Warum haben Sie eingebracht, dass ich selbständig einen Trank entwickelt habe?“
„Weil das Eindruck schinden wird. Ich bin mir sicher, dass ein oder zwei Ihrer Prüfer mit der ’Körperschaft der Zaubertränkemeister’ vertraut sind. Junge Menschen, die sich der Forschung verschreiben, werden mit anderen Augen betrachtet. In dieser Hinsicht empfehle ich, auf Fragen bezüglich der Entwicklung Ihres Trankes nur ausweichend oder knapp zu antworten.“
Sie nickte und nahm sich den Ratschlag zu Herzen. Auf der nächsten Seite fiel ihr wieder etwas auf, weshalb sie ihn beim Schreiben störte.
„Warum betonen Sie an manchen Stellen so speziell, was meine Aufgaben bei bestimmten Tränken und Brauvorgängen gewesen waren?“
„Weil ein 'wir' einen unselbständigen und unsicheren Lehrling aus Ihnen machen könnte, der nichts ohne seinen Meister zustande bringt. Ich sagte bereits, dass man bei der Bewertung fürs Ministerium auf seine Formulierung achten muss. Würde ich schreiben, 'wir' hätten den Adlerauge gebraut, könnte man es so auslegen, als hätten Sie nur daneben gestanden und zugesehen.“
„Ach so.“ Sie las weiter. „Sie haben sogar geschrieben, ich würde regelmäßig den Wolfsbanntrank brauen, der auch von einem Betroffenen eingenommen wird.“
„Das entspricht doch der Wahrheit! Den Examinatoren halte ich damit vor Augen, warum ich Sie bereits nach so kurzer Zeit für die Prüfung vorschlage. Somit wird man gar nicht erst wagen, Sie ins Kreuzfeuer zu nehmen. Sie brauen nicht nur, Hermine: Ihre Tränke sind tadellos und finden bereits Verwendung auf einem Gebiet, auf dem man sich keine Fehler erlauben darf.“
Als sie sich die Beurteilung weiter durchlas, wurde ihr erst bewusst, wie viel sie in der kurzen Zeit mit ihm zusammen gemacht hatte, trotzdem sie häufig an eigenen Projekten gearbeitet hatten. In Gedanken rechnete sie nach, wie lange sie schon bei ihm war. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Das Angebot, sie als seine Meisterschülerin aufzunehmen, machte er am Tag vor der Wiedereröffnung der Schule, das war Mitte März letzten Jahres gewesen. Wären da nicht einige ärgerliche Dinge vorgefallen, hätte sie nicht erst im Mai zugesagt. Mit Severus hatte sie aber schon viel früher zu tun.
Seine Handschrift erinnerte sie an den Brief, den er ihr wegen Harrys Problem geschickt hatte und der von Ron bitterböse beantwortet worden war. Den Brief hatte er ihr sehr bald nach Voldemorts Tod geschickt, nachdem Harry das erste Mal ein Problem mit seiner Wahrnehmung hatte.
Sie blickte auf und schaute gedankenverloren zum Hund hinüber, der in seinem Körbchen lag und schlief, während sie die Vergangenheit auseinander nahm.
Sein Brief war noch vor der Verleihung des Merlinordens gekommen und die war am achten Januar gewesen. Die Erinnerung kam plötzlich wieder, ohne dass sie sich anstrengen musste. Es war vor Weihnachten gewesen, als Harry im Fuchsbau plötzlich niemanden mehr sehen konnte. Weihnachten vor zwei Jahren. Hermine hatte mit Severus während ihres letzten Ausbildungsjahres im Mungos bereits vier Monate lang wegen Harrys Problem recherchiert, bevor er ihr sein Angebot gemacht hatte. Unterschrieben hatte sie jedoch erst im September, vor ihrem Geburtstag. Gültig war der Ausbildungsvertrag erst ab Oktober, weil ihr Vertrag im Mungos noch bis Ende September gelaufen war. Nach bestandener Heilerprüfung hatte sie zwei Monate Urlaub genommen, August und September, und da war sie auch schon bei ihm regelmäßig aufgekreuzt.
Hermine stutzte. Für die Prüfer wäre sie offiziell nur vier Monate bei Severus gewesen, obwohl sie mit ihm jetzt schon insgesamt über ein Jahr zusammen arbeitete. Anfangs nur wegen Harry und aufgrund ihrer Verpflichtungen im Mungos auch nur nachmittags, ab August war sie inoffiziell schon seine Schülerin.
Zahlen und Monate schwirrten ihr durch den Kopf.
„Hermine?“ Seine Stimme erschreckte sie, so tief war sie in Gedanken versunken.
„Ja?“
„Was haben Sie? Sind Sie doch zu müde? Wir können aufhören. Es ist schon sechs durch. Wir haben sogar das Abendessen verpasst.“
„Nein, ich bin nicht müde.“ Ihr Magen knurrte, was er mit einer hochgezogenen Augenbraue zur Kenntnis nahm. „Aber Hunger habe ich.“
„Ich werde etwas ordern. Haben Sie einen besonderen Wunsch?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, einfach etwas vom Abendessen, das es in der großen Halle gab.“ Es machte sie nervös, dass er sich nicht rührte, sondern sie neugierig betrachtete, weswegen sie ihr nachdenkliches Verhalten erklären wollte. „Ich habe nur überlegt, wie lange wir insgesamt schon zusammen arbeiten.“
„Etwas über vierzehn Monate“, antwortete er wie aus der Pistole geschossen.
Er reichte ihr drei Pergamente mit dem Hinweis, dass dies die letzten Seiten ihrer Beurteilung darstellen würde. Es war eine Ausführung über die Arbeit mit Basiliskengift; Pansys Fall und Hermines Verdienst am Erwachen der Patientin.
Die nächsten Tage verliefen ruhig. Severus gestaltete die Arbeit angenehm und forderte sie ständig, aber keinesfalls störend dazu auf, ihm Fragen zu stellen und je öfter sie ihre Beurteilung las, desto mehr Fragen stellte sie allgemein über Dinge, die sie in ihrer Prüfung erwarten würde, bis der große Tag letztendlich kam. Hermine hatte niemandem Bescheid gegeben, weil sie sich damit nur unter Druck setzen würde. Es reichte ihr, dass Severus von ihrem Prüfungstermin wusste. Allein die Angst, ihn enttäuschen zu können, sollte sie durchfallen, war unerträglich.
Am Frühstückstisch fragte Harry seinen älteren Kollegen: „Wo ist Hermine?“
Severus war sich so sicher, dass sie bestehen würde, aber er wusste auch, dass sie den Prüfungstermin für sich behalten wollte, weswegen er erwiderte: „Seit sechs Uhr in der Früh im Ministerium.“
„Wieso denn das?“
„Weil sie Dinge zu erledigen hat.“
Auch Remus hatte das gehört und er wollte wissen: „Was denn für Dinge?“
„Was geht Sie das an, Lupin?“
Harry hatte eine Ahnung und sprach es an. „Dann ist heute Abend wohl Party angesagt, wie?“ Severus schenkte ihm einen fragenden Blick. „Na, falls Hermine die Prüfung besteht.“
„Glauben Sie, ich lasse mich mit Ihrer plumpen Art aushorchen?“, fragte der Tränkemeister entgeistert.
„Oh“, war Harrys einziger Kommentar, bevor er sich verlegen seiner Tasse widmete.
Hermine hatte heute wenig gefrühstückt. Ihre Kehle war wie zugeschnürt und sie hoffte, dass sie bei der mündlichen Prüfung nachher fähig war, überhaupt ein Wort herauszubekommen, bestenfalls noch die richtige Antwort.
Eine Stunde lang hatte sie in einem menschenleeren kalten Gang vor einer Tür gesessen und gewartet. Das war die längste Stunde ihres Lebens. In einer Mappe hatte sie die Beurteilung, die Kopie ihres Ausbildungsvertrages bei Severus und ihr Abschlusszeugnis vom Mungos dabei. Anstatt sich zu beruhigen, schlug ihr Herz immer schneller, bis die Tür sich schließlich öffnete. Entweder hatten die Prüfer schon die ganze Zeit lang in dem Raum gewartet, dachte sie, oder sie waren über das Flohnetzwerk in das Zimmer gelangt. An ihr vorbei ist in der einen Stunde jedenfalls kein einziger Mensch gekommen.
„Miss Granger?“ Ein rundlicher Mann von kleiner Statur war herausgetreten. Hermine war so sehr bei der Sache, dass sie aufsprang und sich wie in der Schule voll und ganz dem Lehrer unterordnete. Der Mann lächelte freundlich. „Mein Name ist Georgi Popovich.“ Er reichte ihr die Hand, die sie schüttelte. „Ich werde Sie mit drei weiteren Kollegen mündlich prüfen.“ Sie nickte, aber bekam kein Wort heraus, weil ihr Herz sich irgendwo im Hals befand. „Aufgeregt?“ Seine gutherzigen Augen beruhigten sie.
„Ein bisschen“, gab sie kleinlaut zu.
„Niemand wird Sie auseinander nehmen, Miss Granger. Wenn Sie bitte eintreten würden?“
Aus Höflichkeit hielt er ihr die Tür auf. Der dahinterliegende Raum wirkte wie eine Mischung aus Klassenzimmer und Gerichtssaal. Zwei weitere Männer und eine Frau befanden sich hier und unterhielten sich gelassen. Sie saßen hinter einem erhöhten langen Tisch, vor dem ein einzelner Stuhl stand, auf dem sie sehr wahrscheinlich Platz nehmen sollte. Mr. Popovich erlangte die Aufmerksamkeit seiner Kollegen, die erst ihn, dann sie betrachteten.
„Guten Morgen, Miss Granger“, grüßten die drei nacheinander und natürlich grüßte sie zurück. Die Dame hielt die Hand auf und fragte, während ihr Blick auf die Mappe in Hermines Händen gerichtet war: „Darf ich?“
„Selbstverständlich.“
Die Dame begann sofort zu lesen, während die anderen Herren mit ein wenig Smalltalk zunächst für eine angenehm entspannte Stimmung sorgten.
„Sie haben Ihre Ausbildung bei Professor Snape absolviert?“
Über die Frage wunderte sie sich, denn das war allein schon dem Antrag zur Prüfung zu entnehmen, den Severus ausgefüllt hatte. Dann wurde ihr bewusst, dass man sich nur ein wenig unterhalten wollte, weswegen sie nickte.
„War er Ihre erste Wahl?“, fragte einer der Herren.
„Nein, Sir. Ich wollte ursprünglich bei Barnaby Belby beginnen, aber er musste aus gesundheitlichen Gründen ablehnen.“
„Oh, Barnaby Belby“, sagte der große Mann mit dem aufgeplusterten schwarzen Bart. „Ich kannte ihn sehr gut. Es war ein Schock, von seinem Tod zu hören.“
„Mr. Belby hat mir zwei Tränkemeister empfohlen“, sagte Hermine. „Einer davon war Professor Slughorn.“
Hier blickte die Dame von Hermines Unterlagen auf. „Bei Professor Slughorn habe ich meine Ausbildung gemacht. Warum haben Sie sich für Professor Snape entschieden, wenn ich fragen darf?“
'Ja, warum?', fragte sich Hermine selbst.
Zum Glück überbrückte Professor Popovich ihre ausbleibende Antwort, denn er scherzte: „Na ja, Professor Slughorn ist ja auch nicht mehr der Jüngste. Ich weiß gar nicht, ob er überhaupt noch Schüler annimmt.“ Er blickte den unscheinbar wirkenden Professor mit der Knubbelnase neben sich an, der daraufhin mit den Schultern zuckte. „Aber die Qualität beider Professoren ist die gleiche“, versicherte Popovich, „immerhin hat Professor Snape wiederum seine Ausbildung bei Professor Slughorn bestritten.“
Daran konnte sich Hermine erinnern, denn Severus hatte ihr davon erzählt. Ihre Unterlagen wurden von der Frau an die Kollegen weitergereicht und jeder verschaffte sich einen Überblick, las die Beurteilung, die Severus ihr gegeben hatte und auch die vom Mungos, während die anderen Fragen stellten.
„Ist es wahr, dass Sie nur vier Monate mit Professor Snape gearbeitet haben?“, fragte der mit dem üppigen Bart. „Das ist ungewöhnlich, dass er Sie jetzt schon zur Prüfung anmeldet.“
„Ja, das kann ich erklären. Eigentlich arbeiten wir schon seit insgesamt vierzehn Monaten zusammen, aber ohne Vertrag. Anfangs haben wir viel zusammen recherchiert. Das musste alles nachmittags stattfinden, denn vorher war ich noch im Mungos beschäftigt“, erklärte Hermine.
Popovich schaute Respekt zollend auf. „Sie sind immer nach Ihrer Ausbildung zur Heilerin zu Professor Snape gegangen?“ Sie nickte, weswegen er nochmals in den mitgebrachten Unterlagen blätterte. Er fand das, was er gesucht hatte, las still ein paar Zeilen und sagte dann: „Und trotzdem haben Sie beim Mungos Ihre Prüfung nicht nur mit einem 'Ohnegleichen' abgeschlossen, sondern mit einem 'Phänomenal'. Miss Granger, Sie scheinen ein Naturtalent zu sein.“
Hermine musste lächeln, weil sie sich an einen Moment erinnerte, indem Severus zu Lupin gesagt hatte, sie wäre durchaus ein Naturtalent, aber im Reden. „Danke, Sir.“
„Und was lese ich hier?“ Popovich deutete mit dem Finger auf eine bestimmte Stelle. „Die Bestnote haben Sie aufgrund einer Abschlussarbeit über die geschmackliche Veränderung des Wolfsbanntrankes erhalten?“
Er blickte fragend auf, weswegen Hermine diesmal nicht nur nickte, sondern ein paar Worte verlor, damit man sie nicht für unhöflich hielt.
„Ja, Sir. Ich habe mich dafür einer Methode bedient, die in der Muggelwelt Gang und Gebe ist.“
„Aromastoffe!“, las Popovich laut vor.
Der Bärtige winkte ab. „Solange es sich nur um eine theoretische Arbeit handelt, sollten wir das nicht in die Prüfung einfließen lassen.“
Popovich hielt dagegen. „Nein, mein lieber Macfayden, laut des Berichts von Professor Snape wird dieser veränderte Wolfsbanntrank bereits seit einigen Monaten erfolgreich verwendet, ohne dass die Wirkung des Trankes gelitten hat.“ Er blickte Hermine an und wollte eine Bestätigung. „Das ist doch korrekt, Miss Granger?“
„Das ist korrekt, ja. Ein lieber Freund von mir nimmt ihn regelmäßig seit Monaten ein und konnte keine negativen Veränderungen feststellen.“
„Sie haben den Trank gebraut?“, fragte der rundliche Herr. „Das war von Professor Snape aber sehr verantwortungslos.“
Sie verteidigte Severus. „Oh nein, er war ja immer dabei. Ich habe den Trank gebraut und er hat zugesehen. Wäre mir ein Fehler unterlaufen, dann wäre er sofort eingeschritten.“
Sie erwähnte nicht die ein oder zwei Gelegenheiten, wo sie den Trank tatsächlich ganz allein herstellt hatte. Die Dame am Ende des Tisches öffnete nun eine eigene Akte und las darin, bevor sie das Wort an Hermine richtete.
„Ich sehe, dass Sie kürzlich beim Ministerium ein Patent im Bereich 'Tränke' angemeldet haben.“
Die Prüfer waren äußerst informiert, dachte Hermine. Sie erinnerte sich an das, was Severus gesagt hatte, nämlich nur knappe Antworten in Bezug auf ihr Projekt zu geben. „Ja M´am, ich stelle den Trank in Zukunft bei der ’Körperschaft der Zaubertränkemeister’ vor.“
„Wirklich?“ Popovich schien begeistert. Ihn mochte Hermine bisher am meisten. Er hatte ungefähr Severus' Alter. „Dann werden wir Ihren Vortrag eventuell schon im Februar hören dürfen?“ Er blinzelte ihr ermutigend zu.
Sie nickte, gab aber zu Bedenken: „Selbstverständlich nur unter der Voraussetzung, dass ich die Prüfung bestehe.“
Der rundliche Prüfer hatte als Letzter Hermines Unterlagen gelesen. Ihn interessierte eine Sache besonders.
„Während Ihrer Ausbildung sind Sie mit äußerst seltenen Zutaten in Berührung gekommen.“ Er schaute nochmals nach. „Mit dem Ei eines Chinesischen Drachens zum Beispiel.“ Hermine bestätigte wortlos. „Wie hat die Schale gerochen?“, wollte er plötzlich wissen.
„Nach Zitronensäure und Schwefel. Man konnte auch etwas verbranntes Horn wahrnehmen.“
Plötzlich machten sich alle ein paar Notizen, bevor die Dame fragte: „Warum konnte man Zitronensäure riechen?“
Als sie den Tag, an dem sie mit Severus den Trank gebraut hatte, Revue passieren ließ, stellte sie fest, dass er ihr damals beiläufig genau dieselben Fragen gestellt hatte, fast als hätte er sie bereits seit Anfang an auf den heutigen Prüfungstag vorbereiten wollen.
„Diese Drachenart frisst Zitronengras en masse, was sich geruchlich nicht nur in einem Ei niederschlägt, sondern zum Beispiel auch im...“ Sie stockte und überlegte, ob diese Information nicht zu viel des Guten wäre, doch Severus hatte ihr bereits beigebracht, dass nicht beendete Sätze unhöflich waren. „Auch im Kot der Drachen.“
„Sie haben mit der Eierschale welchen Trank zubereitet?“, fragte der Prüfer mit dem flauschigen Bart, auch wenn es im Bericht stehen musste.
„Den 'Adlerauge', einen alten asiatischen Trank, der damals Anwendung bei den Wachen der Chinesischen Mauer gefunden hat, um Feinde in der Umgebung besser sehen zu können.“
Popovich lächelte bei Hermines genauer Ausführung freundlich, bevor er fragte: „Haben Sie den Trank getestet?“
„Ja, Professor Snape und ich haben ihn abends an uns ausprobiert.“ Sie geriet ins Schwärmen. „Wir konnten die Krater des Mondes erkennen, mit bloßem Auge. Das war unbeschreiblich!“
„Wieso haben Sie bei dem Adlerauge mit goldenen Löffeln gearbeitet und nicht, wie oft üblich, mit silbernen?“
Dass die mündliche Prüfung bereits voll im Gange war, hatte Hermine gar nicht begriffen, denn ihr kam es viel mehr wie eine interessante Unterhaltung unter Zaubertränkemeistern vor.
„Na, weil Silber mit den extrem schwefelhaltigen Eiweißen des Dracheneis, das noch an der Haut der Eierschale haftete, reagieren würde. Unmengen an Schwefelwasserstoff würden freigesetzt werden. Zusammen mit dem Silber vom Löffel entsteht auch noch Silbersulfid, was dem Trank einen metallischen Geschmack verleiht und somit unbrauchbar machen würde und den teuren Löffel gleich noch mit dazu.“
„Warum aber einen goldenen Löffel?“
„Ein goldener Löffel reagiert magisch mit dem feuerfesten Kessel aus den Panzern der Feuerkrabbe. Dem Löffel passiert rein gar nichts, er ist gegen chemische Reaktionen jeder Art magisch geschützt.“
Wieder notierten sich die vier Prüfer etwas, blätterten ab und an in ihren Unterlagen und notierten erneut etwas.
„Hier steht“, fragte der rundliche Mann mit Knubbelnase, „dass Sie auch mit dem magischen Apographon gearbeitet hätten?“
Hermine stutzte, denn sie verstand nicht, was der Mann meinte. Schnell übersetzte sie „Apographon“ und kam auf „Nachschrift“ oder „Kopie“.
„Sie meinen das Papier?“, fragte sie, während sie ihre Unsicherheit überspielte.
„Ja, das magische Papier für die Fernverständigung.“
„Das haben mein Professor und ich zusammen hergestellt“, bestätigte sie nickend, fügte aber noch schnell hinzu, „und es hat funktioniert.“
„Dann haben Sie sogar mit magischen Wasserhyazinthen und mit Dracheneidotter gearbeitet?“
„Das ist richtig, ja.“
Hermine erzählte ein paar Einzelheiten dieser Arbeit und konzentrierte sich auf die kniffligen Momente, die sie gemeistert hatte.
Es war schon eine Stunde vergangen und Hermine kam jetzt erst richtig in Fahrt. Während sie weiterhin den Prüfern Frage und Antwort stand, betraten Professor Trelawney, Draco und Ginny die Eingangshalle des Ministeriums. Alle drei hielten ein Pergament mit der Einladung zur „Prophezeiungssichtung“ in der Hand. Draco und Ginny waren für ihren Termin vom Unterricht befreit worden.
„Gehen wir zur Information rüber. Die werden wissen, wo wir hingehen müssen“, schlug Draco vor und die beiden Damen folgten ihm. Trelawney schien sehr unsicher zu sein. Sie schaute sich mehrmals hektisch um, als würde sie etwas Schlimmes erwarten. Ginny bemerkte das Verhalten ihrer Lehrerin und sprach es an.
„Sie verlassen Hogwarts nicht sehr häufig oder, Professor Trelawney?“
Durch dicke Brillengläser beguckte sie sich ihre junge Schülerin, bevor sie den Kopf schüttelte. „Nein, ich, ähm... Nicht sehr oft, nein.“
Selbst als Hogwarts während des Krieges für die Schüler geschlossen war, waren Minerva und Sibyll mit wenigen Hauselfen dort geblieben, um sich um die Schule zu kümmern. Sibyll war nach ihrer Prophezeiung in Bezug auf Harry und Voldemort von Albus eingestellt worden, der ihr die Stelle als Lehrerin für Wahrsagen angeboten hatte, damit sie nicht um ihr Leben fürchten musste, doch selbst in der Zeit nach dem Krieg hatte sie sich aus purer Gewohnheit nicht einen einzigen Schritt von Hogwarts entfernt; war selten aus dem Turmzimmer hinuntergekommen. Heute musste sie jedoch die sichere Schule verlassen, um der Prophezeiungssichtung beizuwohnen und sie fühlte sich nicht wohl dabei.
Draco hatte an der Information alles erledigt. Den beiden Frauen sagte er: „Wir sollen einen Stock tiefer gehen und dann an der hintersten Tür warten, direkt an der Treppe, die zu den Gerichtsräumen führt. Es wird jemand von der Mysteriumsabteilung kommen.“
„Herrje, wir werden doch nicht etwa mit einem der Unsäglichen reden müssen oder?“, vermutete Ginny.
Jetzt fielen Draco wieder die Worte von Susan ein, die ihm gesagt hatte, die Typen seien etwas „seltsam“. „Vermutlich schon, gehen wir“, bestätigte er daher.
Im neunten Stock gingen sie den fensterlosen Gang entlang und fanden an dessen Ende die unbeschriftete Eingangstür, an der sie warteten, doch nicht sehr lange. Sie öffnete sich von selbst, so dass sie eintreten konnten.
Die drei fanden sich in einem runden Raum wieder, der gänzlich in schwarz ausgestattet war. Man würde die Hand vor Augen nicht sehen, würden nicht die Kerzen einen bläulichen Schein von sich geben. Der Raum verbreitete bereits die passende Stimmung für die Mysteriumsabteilung, denn es war gruselig. Besonders Ginny hatte mit den Gefühlen zu kämpfen, die in ihr aufkamen. Die Erinnerung an den Kampf mit den Todessern. Sie atmete heftig durch den Mund ein und aus, weswegen Draco ihr eine Hand auf die Schulter legte.
Unzählige Türen befanden sich ringsherum, die alle vollkommen identisch aussahen. An keiner waren Klinken oder Knaufe befestigt. Draco ließ seinen Blick schweifen, drehte sich dabei einmal im Kreis.
„Ich wüsste nicht, durch welche wir wieder herauskommen würden, wenn die eine Tür nicht noch offen stehen würde“, gab er offen zu.
In diesem Moment schloss sich die Tür, durch die sie eingetreten waren, wie von Geisterhand und kaum hörte man, dass sie ins Schloss gefallen war, begann die runde Wand mit den vielen Türen zu rotieren.
Draco schnaufte. „Spätestens jetzt weiß ich definitiv nicht mehr, welche wir nehmen müssten.“
„Man wird uns nachher bestimmt hinausbegleiten“, hoffte Ginny, deren Herz aufgrund gewisser Erinnerungen immer schneller schlug.
Mit einem Male hörte die Wand auf, sich zu drehen und eine Tür öffnete sich ganz langsam. Sie gab dabei kein Geräusch von sich. Ein Mann war im Türrahmen zu sehen, der stocksteif dastand und dessen durchgestreckte Arme sich in Höhe des Schrittes an den Händen hielten. Sein Haar war wirr, eine Augenbraue zuckte manchmal.
„Willkommen“, hauchte er geheimnisvoll, so dass die Stimmung von einer Sekunde zur anderen noch viel unheimlicher wurde als sie eh schon war, aber nicht für Draco.
Er fragte in normaler Lautstärke frei von der Leber weg: „Sind Sie ein Unsäglicher?“
Die drei näherten sich langsam dem Herrn, der noch nicht geantwortet hatte. Ginny fiel sofort auf, dass ein Auge des Mannes sich scheinbar selbständig und langsam in eine Richtung bewegte, während das andere auf die Gäste fixiert blieb. Wenn er blinzelte, schauten beide Augen für einen kurzen Moment wieder geradeaus, bis das eine Auge wieder im Alleingang auf Erkundungstour ging und in eine Richtung abdriftete.
„Wir von der Mysteriumsabteilung“, begann der Mann mit leiser Stimme, „bevorzugen die Bezeichnung 'Verschwiegene'. 'Unsäglich' ist ein unpassender Begriff, es sei denn“, er blickte Draco eindringlich an, während sein Auge wieder vom Kurs abkam, „man hielte uns für töricht oder gar peinlich?“ Zum Ende hin war der Mann so leise geworden, dass man ihn kaum noch hören konnte, was ein wenig bedrohlich wirkte.
„Nein, Sir“, versicherte Draco vorsichtig, obwohl er unter anderen Umständen eventuell bejaht hätte.
Der Mann hielt seine Hand ausgestreckt. Nach nur wenigen Sekunden des Zögerns reichten alle drei ihm die Einladungen, die sie vom Ministerium erhalten hatten. Der Verschwiegene studierte die Pergamente, nickte dann einmal und forderte: „Folgen Sie mir!“
Ihr Weg führte sie durch schwarz geflieste Gänge. Einer sah aus wie der andere, was sicherlich Absicht war, damit ein Eindringling die Orientierung schnell verlieren würde, wenn er die Eingangshalle der Mysteriumsabteilung hinter sich gelassen hatte.
„Und macht Ihnen Ihre Arbeit Spaß?“, fragte Draco den namenlosen Mann, um die Stille zu durchbrechen. Der antwortete nicht, schenkte ihm nicht einmal einen Blick. Ginny kommentierte das Verhalten des Verschwiegenen mit einem Schulterzucken.
Während sie den langen Flur entlanggingen, hörte man einzig das Klacken der Schuhe und das Geklimper von Trelawneys unzähligen Perlenketten.
An einer Tür, die als solche auf den ersten Blick nicht zu erkennen war, hielt der Mann. Er blinzelte mehrmals krampfhaft, als wären seine Gesichtsmuskeln einem Tic erlegen, bevor er sagte: „Hier wird Sie GeHa in Empfang nehmen.“ Der Mann öffnete die Tür und ließ die drei hinein, bevor er verschwand. Die Wände waren mit hohen Regalen versehen, in denen vereinzelt Glaskugeln lagerten – ungenutzte Glaskugeln, denn keine von ihnen leuchtete.
Ein dürrer Mann, dessen Alter man auf das von Dumbledore schätzen könnte – wenn nicht sogar noch älter –, stand ebenso stocksteif da wie schon der andere Herr zuvor, bevor er bedächtig erklärte: „Sie müssen TroFi entschuldigen, falls er ein wenig harsch gewesen sein sollte. Wir sind Publikumsverkehr nicht gewohnt. Prophezeiungen sind nicht sehr häufig.“
„Mr. Geha...“, begann Draco, doch der Mann verbesserte.
„Nein, nicht 'Mister'. In der Mysteriumsabteilung gibt es Personen, die ausschließlich mit ihrem Namenskürzel angesprochen werden, um die Identität zu wahren. Ich bin nur GeHa. Für die beiden Damen und Sie werde ich nie mehr sein, Mr. Malfoy.“
GeHa betrachtete Ginny und Sibyll und bei Letzterer begannen seine Augen zu leuchten.
„Miss Trelawney!“, grüßte er überschwänglich. „Es ist mir eine große Ehre, Sie einmal persönlich kennen lernen zu dürfen. Ich habe bereits Ihre Ururgroßmutter gekannt und auch sehr bewundert. Sie war eine begabte Seherin!“
„Oh, das ist nett von Ihnen.“ Wie ein schüchternes Schulmädchen blickte Sibyll zu Boden, während ihre Wangen ganz rot wurden.
„Und wie ich dem Formular entnehmen konnte, haben Sie kürzlich eine Prophezeiung gemacht.“ Sibyll nickte, auch wenn sie davon nichts mehr wusste. „Das sind schon zwei, Miss Trelawney. Ich gratuliere.“
Ginny und Draco wussten, dass eine ihrer Prophezeiungen niemals dem Ministerium gemeldet worden war und zwar die über Wurmschwanz, der als Diener seinem Meister zur Macht verhelfen würde. Harry hatte erst später davon berichtet und all seine Freunde hielten den Mund, denn er hatte eine rechtswidrige Handlung begangen, indem er diese Vorhersage für sich behalten hatte.
„Wenn Sie drei mir bitte folgen würden?“ GeHa wies den Weg, doch der war nicht weit: durch eine Tür hindurch, einmal links und gleich die nächste Tür.
Drinnen stand einzig und allein ein Denkarium, das für solche Zwecke genutzt wurde. Ginny erinnerte sich noch daran, dass Ron mit seiner Anfrage bei ihrem Vater abgeblitzt war, weil er das Denkarium wegen Snapes Traum von Harry nutzen lassen wollte.
„Ich werde die beiden Erinnerungen entnehmen und mir ansehen.“ Er machte eine einladende Geste in Richtung Denkarium, während er Ginny anblickte. „Ladies first.“ Ginny zauderte, näherte sich aber dem Becken. „Wurde Ihnen schon einmal eine Erinnerung entnommen?“, wollte GeHa wissen. Sie schüttelte ängstlich den Kopf. „Es tut nicht weh“, versicherte er, „Sie müssen nur an die Prophezeiung denken.“
Kaum hatte er diesen Satz gesagt, musste sie automatisch an den Moment im Klassenzimmer von Professor Trelawney denken. GeHa schien das zu wissen und führte daher seinen Stab an ihre Schläfe. Sie spürte kaum etwas, ein leichtes Ziehen höchstens, aber es war nicht unangenehm.
„Da haben wir auch schon die Erste.“ Den silbernen Faden, der von seinem Zauberstab wabernd hinunterhing, ließ er behutsam in das Becken gleiten, bevor er auch schon seine Nase eintauchte. Die nicht einmal dreißig Sekunden waren schnell vorüber.
„Jetzt Mr. Malfoy.“ Die Stimme des älteren Verschwiegenen war liebevoll großväterlich gewesen, ganz anders als die von TroFi, dem Herrn, der sie hergeführt hatte. „Wenn Sie bitte an die Prophezeiung denken würden?“ Auch Draco ging es nicht anders, denn wenn auch nur unterbewusst, so musste man bei bestimmten Worten an konkrete Dinge denken und Prophezeiungen hatte Draco bisher nur eine miterlebt, also dachte er sofort an die.
Nachdem GeHa auch die Erinnerung von Draco gesichtet hatte, wandte er sich an Ginny.
„Miss Weasley, Sie können Ihre Erinnerung sofort zurückhaben. Die von Mr. Malfoy ist deutlicher und ich werde eine Kopie machen, die aufbewahrt werden wird.“
„Oh bitte“, warf Professor Trelawney ein, „dürfte ich sie wohl sehen? Mein Geist ist in Momenten der spirituellen Empfänglichkeit immer recht nebelhaft.“
„Aber selbstverständlich“, hauchte GeHa so Respekt zollend, als würde es sich bei Trelawney um jemanden handeln, der größeren Einfluss hätte als der Minister persönlich. „Ich kann Sie gut verstehen. Nie würde ich es wagen, Ihnen diesen Wunsch abzuschlagen.“ Er deutete auf das Becken. „Nur die Nase eintauchen und schon geht es los.“
Den Moment, als Trelawney ins Becken eintauchte, nutzte Draco, um GeHa eine Frage zu stellen.
„Sagen Sie, wie wird man ein Verschwiegener?“
GeHa erstarrte, was sehr seltsam war, doch Susan hatte ihn bereits vorgewarnt. Der ältere Herr schaute Draco die ganze Zeit an, ohne auch nur einmal zu blinzeln, als wäre er aus Stein gemeißelt. Erst als Professor Trelawney auftauchte, regte er sich wieder.
„Ungeheuerlich!“, sagte die Lehrerin. „Endlich durfte ich mal erleben, wie meine Wahrsagekunst aussieht.“
„Es freut mich, Ihnen einen Gefallen erwiesen zu haben.“ Er holte eine Glaskugel, die sehr unspektakulär aussah. An alle drei gewandt sagte er: „Wenn Sie bitte Ihre Zauberstäbe hochhalten würden. Ich werde ein Doppel der Erinnerung von Mr. Malfoy in diese Kristallkugel geben und Sie mit Ihrer Signatur für andere unantastbar machen. Leider konnte man der Prophezeiung nicht entnehmen, wen die Vorhersage betrifft. Nur Sie drei werden Zugriff auf diesen Behälter haben, obwohl ich davon ausgehe, dass heute der letzte Tag sein wird, an dem Sie die hier“, er hob die Glaskugel, „sehen werden.“
Nachdem durch einen für Draco nicht nachvollziehbar magischen Vorgang seine Erinnerung in die Kugel kopiert worden war, bekamen auch er seine Erinnerung wieder zurück. Von dem sehr schmucklosen Ritual, wie eine Prophezeiung in die Glaskugel gelangte, war besonders Draco sehr ernüchtert, was er auch zum Ausdruck brachte.
„Das war's?“ Sie waren nicht einmal eine Viertelstunde hier und sollten schon wieder gehen, was Draco vollkommen desillusioniert hatte. GeHa blickte Draco mit der gleichen versteinerten Miene an wie schon zuvor, doch dann bewegte sich die Lippen des alten Mannes.
„Sind Sie etwa enttäuscht?“ Schamlos nickte Draco. „Wie wäre es dann mit einem Rundgang durch einige Räume der Mysteriumsabteilung?“ Dracos Augen begannen zu glänzen, denn so etwas war nicht jedem gestattet.
„Gern!“ Sein Enthusiasmus war nicht zu überhören.
„Natürlich“, GeHa legte den Kopf schräg, „müsste ich Ihnen danach die Erinnerung an die kleine Führung nehmen.“
„Was?“
„Sie haben schon verstanden. Sie dürfen sich alles ansehen und mir Ihre Fragen stellen, aber am Ende der kleinen Tour werde ich Ihre Erinnerung daran löschen.“
Draco antwortete nicht, sondern blickte den alten Mann nachdenklich an, was Ginny nicht entging.
„Sag mal, Draco, du überlegst doch nicht wirklich ernsthaft...“
„Warum nicht?“, fiel er ihr ins Wort.
„Weil es keinen Sinn macht! Du wirst dich an nichts mehr erinnern können. Nur im Augenblick der Führung selbst, aber danach“, sie machte eine Geste mit ihren Händen, als würde ihr Kopf explodieren, „ist nichts mehr da drin!“
„Mr. Malfoy“, Trelawney hatte sich eingeschaltet, „ich halte das für keinen guten Gedanken.“
„Aber ich kann das doch nicht abschlagen!“
„Du hast wohl den Verstand verloren!“, schimpfte Ginny. „Denk doch mal daran, was dabei schiefgehen könnte!“
Das wiederum wollte GeHa nicht auf sich sitzen lassen. „Meine liebe Miss Weasley, ich bin nicht nur ein ausgebildeter Vergissmich, sondern ich habe die Kunst der gezielten Gedankenbeseitigung perfektioniert. Mr. Malfoy würde von seinen Erinnerungen lediglich den Zeitpunkt des Rundgangs vermissen und nicht mehr. Selbst die im Anschluss normalerweise auftretenden Verwirrungszustände werden nicht eintreten.“
„Draco“, flehte Ginny. „Tu's nicht!“
„Ich bin erwachsen und außerdem“, er blickte zu dem Verschwiegenen, „vertraue ich GeHa.“
„Haben Sie sich entschlossen, ja?“, fragte der alte Mann lächelnd, weswegen Draco nickte. „Gut, meine Damen, Sie können warten oder sich von TroFi zurück zur Eingangshalle führen lassen.“
„Wir warten hier!“, bestimmte Ginny und Professor Trelawney wagte es nicht zu widersprechen.
In einem anderen Stockwerk des Ministerium war Hermine endlich klargeworden, dass die mündliche Prüfung bereits lief.
„Wo würden Sie Affodillwurzeln aufbewahren?“, fragte Popovich.
„Am besten in einer Holzkiste, damit sie atmen können“, antwortete sie richtig.
„Und Phönixtränen?“, wollte der Bärtige wissen.
„In luftdichten Glasbehältern. Licht schadet nicht, aber sie könnten verdunsten und dafür sind sie viel zu wertvoll.“
Die Prüfer notierten sich nach jeder gegebenen Antwort etwas auf ihrem Pergament. Die Dame schaute unmerklich auf ihre Uhr.
„Ich würde sagen, wir machen eine Stunde Pause.“ An Hermine gewandt empfahl sie: „Die Kantine hier ist äußerst schmackhaft, falls Sie dorthin gehen möchten. Ansonsten treffen wir uns in einer Stunde für die praktische Prüfung im Nebenraum.“
Hermine nickte und schaute auf die Uhr, damit sie nachher nicht zu spät kommen würde. Die Prüfer wünschten einen guten Appetit und verließen mit ihr zusammen das Zimmer. Eine Minute später fand sich Hermine allein auf dem Flur. Sie schloss die Augen und atmete einmal tief durch. Sie hatte kein gutes Gefühl, aber auch kein schlechtes. Die Prüfer ließen nicht im Geringsten durchblicken, ob ihre Antworten korrekt oder miserabel waren und genau deswegen war sie ruhelos. Am liebsten würde sie sich hier auf die Bank setzen und vor der Tür warten, doch das wäre falsch. In ihrem inneren Ohr hörte sie Severus' Stimme, der ihr zu einer Mahlzeit riet, wenn auch zu einer leichten. Nur deshalb fuhr sie mit dem Fahrstuhl hinunter zur Kantine.
Ein Salat mit Hähnchenstreifen sollte genügen, andererseits könnte der ihrem aufgebrachten Magen schon Schwierigkeiten bereiten. An einem der unzähligen Tische in der noch nicht gut besuchten Kantine ließ sie sich nieder, um mit der Gabel in ihrem Salat zu stochern, anstatt ihn zu essen. Den ersten Bissen quälte sie sich gerade hinunter, als sie hinter sich eine vertraute Stimme hörte.
„Hermine, was machst du denn hier?“
„Tonks?“ Hermine lächelte. Ihre Prüfungsangst war in dem Moment verschwunden, als sie das fröhliche Gesicht ihrer Freundin sah. „Ich habe heute meine Prüfung zur Zaubertränkemeisterin!“
„Ist nicht wahr!“ Ihr Tablett stellte sie auf dem Tisch ab, bevor sie sich neben Hermine setzte und forderte: „Erzähl! Wie läuft es bisher?“
„Der mündliche Teil ist, so wie ich es verstanden habe, schon gelaufen. Ich habe leider keine Ahnung, was die Prüfer denken. Vielleicht habe ich mir einen Fehler erlaubt und es nicht einmal gemerkt?“
„Ach Blödsinn.“ Tonks winkte ab. „Das machen die nur, um dich zu verunsichern. Glaub mir: Meine Prüfung zur Aurorin war die Hölle! Ich war danach am Boden zerstört, bis plötzlich die Nachricht kam, dass ich mit Bestnoten bestanden habe. Das machen die gern.“
„Was?“
„Dich verunsichern! Damit testen sie, wie du dich in Stresssituationen machst“, erklärte Tonks.
„Aber ich muss später keine Todesser jagen, ich braue nur Tränke!“
„Was gefährlich sein kann, wenn ich mir das vor Augen halte, was Remus mir kürzlich erzählt hat. Er hat tatsächlich einen Kessel zum Schmelzen gebracht, kannst du dir das vorstellen?“ Tonks schüttelte ungläubig den Kopf. Ihre eigene Note in Zaubertränke war damals „Ohnegleichen“ gewesen, was für die Ausbildung zur Aurorin ausschlaggebend war.
„Die praktische Prüfung ist nachher dran.“ Ihre Worte klangen sehr bedrückt, doch Tonks wollte sie aufheitern.
„Mach dir keine Sorgen, Hermine. Stell dir einfach vor, du bist in Hogwarts – in deiner vertrauten Umgebung. Dann klappt alles wie am Schnürchen!“
„Das wird das Beste sein.“ Hermine nahm sich vor, Tonks' Ratschlag in die Tat umzusetzen.
Eine weitere Stimme, die Hermine sehr bekannt war, richtete das Wort an die beiden Frauen, die sich an ihrer Mahlzeit gütlich taten.
„Hermine“, hauchte eine verträumte Stimme. „Und Tonks, was für eine Überraschung! Bei Tonks überrascht es eigentlich nicht, sie arbeitet ja hier und ist bestimmt öfters in der Kantine“, Luna verlor fast den Faden, „aber du, Hermine. Was machst du im Ministerium? Kommst sicher nicht wegen des leckeren Essens.“
Die jungen Damen begrüßten sich sehr herzlich, indem sie sich drückten, womit sie bei dem einen oder anderen Gast Aufmerksamkeit erlangten.
„Ich könnte das Gleiche fragen, Luna?“ Hermine schob ihr Tablett von sich weg und genoss die Abwechslung, von ihren beiden Freundinnen auf andere Gedanken gebracht zu werden.
„Ihr wisst, dass ich für die Muggelpost schreibe.“ Nachdem Tonks und Hermine genickt hatte, erzählte Luna, die sich nebenbei einen Strohhalm aus einem Behälter auf dem Tisch nahm und ihn beim Reden verbog: „Mr. Malfoys Verhandlung. Ich habe ihn schon ein paar Mal gesehen, er hat mir sogar eine Frage beantwortet.“
Tonks ahnte etwas. „Du versuchst, ein Interview mit ihm zu bekommen!“
Luna blinzelte und währenddessen formten ihre vollen Lippen ein warmes Lächeln, bei dem Neville sicherlich dahingeschmolzen wäre. „Ich bin sehr zuversichtlich“, sagte sie mit einer Gelassenheit, von der Hermine sich gern ein Stück abschneiden würde. „Was machst du hier, Hermine?“
Sie klärte Luna über den Verlauf der Prüfung auf. Die Blonde ließ sie nicht einen Moment aus den Augen und doch hatte Hermine das Gefühl, dass Luna zwar nicht durch sie hindurch, aber in sie hineinsehen würde. Lunas schmale Finger zerrten und drehten ununterbrochen an dem Strohhalm, knickten und formten ihn.
„Und in einer halben Stunde beginnt die praktische Prüfung“, beendete Hermine ihre Ausführung, doch sie konnte sich nicht verkneifen, noch leise etwas hinzuzufügen. „Ich hab Angst.“
„Warum? Du kannst doch alles.“ Lunas Worte in Gottes Gehör, dachte Hermine.
„Trotzdem...“ Hermine ließ es bleiben, ihren Ängsten auf den Grund gehen zu wollen, denn das würde sie nur noch mehr aufwühlen. Stattdessen seufzte sie.
Für einen Moment verschwand Luna, doch sie kam gleich mit drei Schalen grünem Wackelpudding zurück zum Tisch. Sie reichte Tonks und Hermine je eine davon und blickte verträumt auf die Masse in ihrem eigenen Schälchen.
„Süßes macht alles wieder gut, nicht wahr?“
Bei Lunas vereinfachter und doch so wahrer Erklärung lächelte Hermine. „Ja, das stimmt.“
„Ach, hier...“ Luna griff nach dem verformten Strohhalm und hielt ihn Hermine unter die Nase. „Ein Glücksbringer.“
Hermine nahm den Gegenstand in die Hand und betrachtete ihn sich. „Das sieht ja aus wie ein kleines Herz!“
„Ja, das sind die Herzen deiner Freunde. Musst es nahe am eigenen tragen, dann kann heute nichts schiefgehen.“
So wie Luna es sagte, war es eine Tatsache und Hermine glaubte gern daran, weswegen sie sich den herzförmigen Strohhalm in die Innentasche ihres Umhangs steckte. Dorthin, wo Severus seinen neuen Stab trug. Sie plauderten noch gemütlich und aßen dabei ihren grünen Wackelpudding.
In der Mysteriumsabteilung hatte Draco gerade einen ekelhaften Raum hinter sich gelassen. Einige Schreibpulte waren noch das Normalste dort gewesen, aber das Bassin aus Glas ganz in der Mitte, mit den in dunkelgrüner Plörre schwimmenden Gehirnen, war ihm wirklich zuwider.
„Das sah aus wie grüner Wackelpudding“, murmelte Draco, doch GeHa hatte ihn gehört.
„Glauben Sie mir: Es sieht nur so aus, es schmeckt nicht so!“
„Ich hatte nicht vor zu kosten“, versicherte Draco, der sich selbst mit etwas Humor seine Beklemmungen nehmen wollte. „Was tun diese Gehirne?“
„Das möchten Sie nicht wissen, Mr. Malfoy.“
GeHa öffnete eine weitere Tür, die in einen kahlen, aber zumindest zweifarbigen Raum führte, denn Wand und Boden waren weiß, nur die Wände waren schwarz. In der Mitte befand sich eine Art übergroße Kiste mit einer offen stehenden Tür. Darin konnte man einen einsamen Stuhl sehen, sonst nichts. Die Kiste war innen wie außen pechschwarz. Plötzlich schwankte GeHa und schien nach vorn zu fallen, doch Draco hielt ihn aufrecht.
„Alles in Ordnung, Sir?“ Wenn GeHa hier sterben würde, wäre Draco verloren. Den Weg würde er nicht mehr allein zurückfinden, aber viel schlimmer war, dass er in diesem Fall auch nicht dazu in der Lage wäre, Hilfe holen zu können.
„Es geht schon, junger Mann. Das war die Aufregung, Professor Trelawney einmal persönlich gegenüberstehen zu dürfen.“ Er richtete sich wieder auf. „Und wie sieht es mit Ihnen aus, Mr. Malfoy? Bereit für eine 'Reise der besonderen Art'?“
Unweigerlich musste Draco zu dem schwarzen Kasten mit dem Stuhl im Innern blicken.
„Eine Minute? Was meinen Sie?“, drängte GeHa. Zusammen gingen sie einige Schritte näher an den Kasten heran. Vorsichtig spähte Draco in den dunklen Raum hinein. Bis auf den Stuhl war er leer.
„Was wird mich da drinnen erwarten?“
„Jeden erwartet etwas anderes“, antwortete GeHa gelassen, aber vor allem ungenau.
Draco deutete unsicher in den kleinen Raum hinein. „Waren Sie schon einmal hier drin?“
„Selbstverständlich! Das ist nämlich mein eigenes Projekt. Kommen Sie, es wird nichts Schlimmes passieren. Bei Ihnen bin ich mir da ganz sicher.“
„Ich weiß nicht...“
„Warum zögern Sie? Selbst wenn es unerträglich werden würde, dann wird auch diese Erinnerung nicht lange die Ihre bleiben, also keine Angst.“
Draco fühlte sich provoziert. „Ich hab keine Angst! Ich weiß nur nicht, was mich da drinnen erwartet. Warum ist es stockdunkel? Was wird passieren? Wenigstens ungefähr müssen Sie mir doch was sagen können.“
„Haben Sie ein reines Gewissen, Mr. Malfoy?“, fragte GeHa plötzlich sehr ernst.
„Ja, Sir.“ Seine schnelle Antwort überraschte ihn selbst, aber es stimmte. All die Dinge, die ihm früher noch zu schaffen gemacht hatten, waren geklärt. Er hatte mit Dumbledore über die Nacht auf dem Turm gesprochen, hat sich mit Harry versöhnt, konnte zwischenzeitlich sogar über die familiäre Abstammung anderer hinwegsehen. Er hatte, wenn er sich selbst bewerten müsste, ein reines Gewissen.
„Warum vergeuden Sie dann die Zeit?“
Für einen Moment beäugte Draco die schwarze Kiste, die selbst bei Menschen, die nicht unter Angststörungen litten, Klaustrophobie aufkommen lassen konnte. Es war eine Herausforderung. Die Mysteriumsabteilung war so geheim und ihre Wunderlichkeiten so gut behütet, dass er es als seine einzige Chance ansah, einmal in seinem Leben etwas tun zu können, von dem er wusste – zumindest jetzt noch –, dass es einzigartig war.
„Was muss ich tun, wenn ich drin bin?“
GeHa sprach sehr gemächlich. „Sie müssen sich nur hinsetzen, Mr. Malfoy. Ich werde die Tür schließen und Sie für eine Minute allein lassen.“
„Hört sich nicht schwer an. Also dann...“
Draco betrat den Raum, dessen Luft merklich schwerer wirkte, keinesfalls aber unangenehm.
„Ich schließe dann die Tür“, Draco setzte sich bereits, „und geraten Sie nicht in Panik.“
Die Tür war zu. Aufgrund der letzten Worte war Draco kurz davor, in Panik auszubrechen, doch dann übermannte ihn die schwere Luft in dem kleinen Raum. Sie drang nicht nur durch seine Nase ein, sondern durch seine Haut, selbst durch die Kleidung hindurch. Obwohl es dunkel war, schloss Draco die Augen. So fühlte er sich wohler, als in unendliche Schwärze starren zu müssen. Sein Herz begann zu rasen, seine Atmung wurde immer schneller. Diese schwere Luft – es mag auch etwas anderes gewesen sein – war nun vollständig in seinem Körper und ging auf Tuchfühlung mit einem bestimmten Organ in seinem Brustkorb.
Draußen vor der schwarzen Kammer wartete GeHa, der seinen Blick auf eine Sanduhr gerichtet hatte. Nachdem das letzte Korn gefallen war, öffnete er die Tür. Der Stuhl in dem Raum war leer, denn Draco saß daneben auf dem Boden und presste seinen bebenden Körper an die Wand.
„Mr. Malfoy?“ GeHa klang nicht ein bisschen besorgt, er wollte nur auf sich aufmerksam machen. Zitternd wandte Draco seinen Kopf. Erst da sah der Verschwiegene, dass das Gesicht des jungen Mannes verweint war; die Augen waren noch immer feucht und die Nase lief. Ansonsten schien es ihm gut zu gehen. Mit großväterlich besonnener Stimme bat er: „Kommen Sie bitte heraus.“
Draco kroch auf allen Vieren aus der Kiste heraus. Erst draußen ließ die Schwere des schwarzen Raumes von ihm ab und er vermochte aufzustehen. Noch immer war er etwas wackelig auf den Beinen. Diesmal sorgte GeHa dafür, dass er nicht umkippte.
„Geht es wieder?“ Draco nickte. Ein paar Male musste er tief durchatmen. Sprechen konnte er noch immer nicht, aber er fühlte sich auch nicht schlecht. Er war nur sehr angetan von dem, was ihm widerfahren war. Der Ältere lächelte und drückte seine Schulter.
„Was war das?“, fragte Draco endlich, auch wenn seine Stimme nur ein Flüstern war.
„Oh, ich denke, Sie wissen ganz genau, was in diesem Raum geschehen ist!“
„Aber das ist nicht möglich...“
„Nicht? Oder wollen Sie sich nur nicht zugestehen, dass sich das, was Sie eben am eigenen Leib erfahren haben, auch tatsächlich abgespielt hat?“ Nachdem Draco ein paar Schritte gegangen war, erläuterte GeHa, der bereits eine weitere Tür ansteuert: „Es kann für einen Menschen ein überwältigend schönes oder aber auch ein zerstörendes Erlebnis sein, einen Blick in das eigene Herz zu werfen.“ Der Verschwiegene hielt die Tür auf, die in einen weiteren Raum führte und fragte nicht sehr ernst: „Oder waren Sie nur darüber überrascht, wie viel Güte Sie innehaben?“
Draco lächelte.
Hermines Lächeln verblasste, als sie mit einem Male ein Blackout hatte. Sie konnte sich an nichts mehr erinnern. Die Prüfer hatten den Namen eines Trankes an die Tafel geschrieben, den sie eigenhändig und ohne jegliche Hilfe zubereiten sollte, doch keine der Zutaten fiel ihr ein. Die Schrift auf den vielen Gläschen in der Vitrine verschwamm vor ihren Augen, so dass Hermine sie schließen musste. Jetzt war alles aus, dachte sie resignierend.
„Miss Granger? Geht es Ihnen gut?“, fragte Popovich besorgt.
„Ja, nur einen Moment bitte. Mein Kopf will gerade nicht so wie ich möchte.“
Sie hörte jemanden gutmütig lachen, vielleicht waren es auch zwei, so genau nahm sie nichts mehr wahr. Mit ihren Nerven am Ende fasste sie sich ans Herz und da fühlte sie plötzlich Lunas Glücksbringer, die Herzen ihrer Freunde. Noch mit geschlossenen Augen stellte sich Hermine vor, dass hinter ihr keine Prüfer standen, sondern Tonks und Luna, Ron und Neville. Sie spürte Remus' warmen Blick auf sich, fühlte Severus' hochgezogene Augenbraue und Harrys freches Schmunzeln. All ihre Freunde wollten zusehen, wie sie einen Trank brauen würde und einzig Severus hätte ein Auge dafür, ob sie es auch richtig anstellte.
Als Hermine die Augen öffnete, konnte sie die Beschriftung auf den vielen Fläschchen klar und deutlich erkennen. Ein Stein fiel ihr vom Herzen, als sie sich wieder an die Zutaten, die sie für den geforderten Trank benötigte, erinnern konnte. Sie begann damit, die Vitrinentüren zu öffnen, um die Zutaten an den Arbeitstisch zu bringen.
Nachdem sie alles in der Nähe des Kessels aufgestellt hatte, öffnete sie nacheinander die Holzdosen, Glasflaschen und Steingefäße, um an ihrem Inhalt zu riechen, was sie sich schon im Mungos angenommen hatte. Bei einer Zutat stutzte sie. Es roch nach einer Baumpilzart, als sie das Gefäß mit den Holzspänen in den Händen hielt. Vielleicht bildete sie sich das nur ein? Sie roch nochmals und der Duft war eindeutig jodartig. Sie blickte zu den Prüfern mit ihren Klemmbrettern hinüber, von denen sie aufmerksam beobachtet wurde.
„Entschuldigen Sie, aber die 'Magische Birke' ist offensichtlich zusammen mit einem Birnenstäubling zu Spänen verarbeitet worden. Die Zutat ist verunreinigt.“ Sie hob das Gläschen.
„Ist sie das?“, fragte die Dame, bevor sich alle vier Notizen machten. Hermine rutschte das Herz in die Hose. „Sehen Sie bitte in dem Schrank unter der Vitrine nach, da sollten neue Zutaten zu finden sein.“
Wie vermutet fand sich hier ein volles und noch versiegeltes Glas mit dem Holz der Magischen Birke. Hermine öffnete es und roch – kein Jod.
„Gut, dann fange ich mal an.“
das wäre nett, wenn du so eine Stelle posten könntest, falls du nochmal über eine stolperst. Verwirren möchte ich die Leser natürlich nicht :)
Liebe Grüße
Muggelchen
170 Prüfungen
'An dem Tag hat sich sein Herz in Eis verwandelt', wiederholte Severus in Gedanken und es musste auf ihn zutreffen, denn dieser harte Vergleich berührte ihn nicht im Geringsten. Was ihm jedoch zusetzte, war Hermines unglücklicher Blick.
„Entschuldigen Sie, Severus. Ich wollte wirklich nicht so taktlos klingen. Das war wohl der Amortentia.“ Die Sorgenfalten auf ihrer Stirn verschwanden auch nicht, als sie ein falsches Lächeln aufsetzte.
„Tun Sie mir einen Gefallen“, begann er distanziert, „und nehmen Sie sich die Angelegenheit nicht so zu Herzen.“
Ob er mit „Angelegenheit“ nur den vorangegangenen Vergleich zwischen ihm und Kay meinte oder sogar sein ganz persönliches Schicksal, war nicht deutlich herauszuhören. Anstatt sich verbal zu äußern nickte sie nur.
„Gut, dann würde ich vorschlagen, wir kümmern uns um Ihre Beurteilung. Wir gehen sie gemeinsam durch. Wenn etwas unklar sein sollte, dann erkläre ich es gern. Die Arten der Umschreibung bestimmter Eigenschaften ist nicht für jedermann sofort ersichtlich.“
„Was wird aus dem Amortentia?“ Sie blickte auf den Kessel mit seinem regenbogenfarbenen Inhalt.
„Sie möchten doch wohl keinen Schluck nehmen?“, scherzte er. Ihr erschrockener Gesichtsausdruck belustigte ihn. „Wir könnten den Trank heute beim Abendessen gegen die Karaffe mit Kürbissaft austauschen.“
„Aber Severus!“, mahnte sie kopfschüttelnd.
„Das war doch nicht ernst gemeint.“ Mit Hilfe seines Zauberstabs und einem gepflegten Evanesco verschwand der Amortentia. „Möchten Sie im Büro...?“
Sie fiel ihm ins Wort. „Wir können die Beurteilung auch in Ihrem Wohnzimmer lesen.“
Die Beurteilung umfasste nicht wenige Seiten, weswegen sich Hermine ungefragt die Schuhe auszog, um gemütlich auf seinem Sofa Platz nehmen zu können – mit einer Wade auf dem Polster. Er hatte alles in dem Schreiben erwähnt, was sie in den letzten Monaten zusammen gebraut oder gelernt hatten.
„Ist das eigentlich eine Art Zeugnis?“ Sie wusste nur, dass sie beim Ministerium eine Bescheinigung benötigen würde, dass ein Zaubertränkemeister sie für die Prüfung vorschlug.
„In gewisser Weise ist es das, wenn auch ein sehr ausführliches, das muss ich zugeben. Mag daran liegen, dass Professor Slughorn sich bei mir weniger Mühe gegeben hat.“
Sein Ehrgeiz war deutlich herauszuhören. „Und Sie wollen es besser machen als er?“ Bei der Frage grinste sie keck.
„Ich habe die Beurteilung so formuliert, wie ich sie für angemessen halte. Sollte es Ihnen nicht zusagen...“
„Nein, das meine ich nicht. Ich bin nur sehr überrascht“, gab sie ehrlich zu.
„Warum überrascht? Sie wussten, dass ich Sie und Ihre Fähigkeiten schriftlich bewerten werde.“
Sie schüttelte sachte den Kopf. „Dass Sie mich so gut bewerten, meine ich. Das hätte ich nicht gedacht.“
„Ich versichere Ihnen, dass ich die Beurteilung rein objektiv gestaltet habe und etwaige persönliche...“ Er formulierte um. „Ich habe Wert darauf gelegt, dass der Text frei von Vorurteilen gestaltet ist, also sachlich und nüchtern.“
„Severus, ich wollte damit keinesfalls andeuten, dass Sie mich unter Umständen besser bewerten als ich bin, nur weil Sie mich vielleicht gern haben... ich meine, gern hier haben, um Sie herum, genauer gesagt im Labor, meine ich. Wir sind...“, sie geriet gänzlich ins Stocken, „...Team! Ein tolles Team zusammen.“
„Lesen Sie weiter“, empfahl er beschwörend, damit die Situation nicht auch noch für ihn unangenehm werden könnte.
Seiner Aufforderung kam sie liebend gern nach, bevor sie sich vollends zum Trottel machte. Sie las eine ganze Weile. Seine Handschrift war ihr vertraut. Sie war eng und winzig, einige Buchstaben waren auffallend eckig, aber insgesamt war die Schrift außergewöhnlich sauber. Er saß ihr die ganze Zeit gegenüber am Couchtisch und beschrieb ein Pergament. Nach einer Weile traute sie sich, etwas zu fragen.
„Warum haben Sie eingebracht, dass ich selbständig einen Trank entwickelt habe?“
„Weil das Eindruck schinden wird. Ich bin mir sicher, dass ein oder zwei Ihrer Prüfer mit der ’Körperschaft der Zaubertränkemeister’ vertraut sind. Junge Menschen, die sich der Forschung verschreiben, werden mit anderen Augen betrachtet. In dieser Hinsicht empfehle ich, auf Fragen bezüglich der Entwicklung Ihres Trankes nur ausweichend oder knapp zu antworten.“
Sie nickte und nahm sich den Ratschlag zu Herzen. Auf der nächsten Seite fiel ihr wieder etwas auf, weshalb sie ihn beim Schreiben störte.
„Warum betonen Sie an manchen Stellen so speziell, was meine Aufgaben bei bestimmten Tränken und Brauvorgängen gewesen waren?“
„Weil ein 'wir' einen unselbständigen und unsicheren Lehrling aus Ihnen machen könnte, der nichts ohne seinen Meister zustande bringt. Ich sagte bereits, dass man bei der Bewertung fürs Ministerium auf seine Formulierung achten muss. Würde ich schreiben, 'wir' hätten den Adlerauge gebraut, könnte man es so auslegen, als hätten Sie nur daneben gestanden und zugesehen.“
„Ach so.“ Sie las weiter. „Sie haben sogar geschrieben, ich würde regelmäßig den Wolfsbanntrank brauen, der auch von einem Betroffenen eingenommen wird.“
„Das entspricht doch der Wahrheit! Den Examinatoren halte ich damit vor Augen, warum ich Sie bereits nach so kurzer Zeit für die Prüfung vorschlage. Somit wird man gar nicht erst wagen, Sie ins Kreuzfeuer zu nehmen. Sie brauen nicht nur, Hermine: Ihre Tränke sind tadellos und finden bereits Verwendung auf einem Gebiet, auf dem man sich keine Fehler erlauben darf.“
Als sie sich die Beurteilung weiter durchlas, wurde ihr erst bewusst, wie viel sie in der kurzen Zeit mit ihm zusammen gemacht hatte, trotzdem sie häufig an eigenen Projekten gearbeitet hatten. In Gedanken rechnete sie nach, wie lange sie schon bei ihm war. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Das Angebot, sie als seine Meisterschülerin aufzunehmen, machte er am Tag vor der Wiedereröffnung der Schule, das war Mitte März letzten Jahres gewesen. Wären da nicht einige ärgerliche Dinge vorgefallen, hätte sie nicht erst im Mai zugesagt. Mit Severus hatte sie aber schon viel früher zu tun.
Seine Handschrift erinnerte sie an den Brief, den er ihr wegen Harrys Problem geschickt hatte und der von Ron bitterböse beantwortet worden war. Den Brief hatte er ihr sehr bald nach Voldemorts Tod geschickt, nachdem Harry das erste Mal ein Problem mit seiner Wahrnehmung hatte.
Sie blickte auf und schaute gedankenverloren zum Hund hinüber, der in seinem Körbchen lag und schlief, während sie die Vergangenheit auseinander nahm.
Sein Brief war noch vor der Verleihung des Merlinordens gekommen und die war am achten Januar gewesen. Die Erinnerung kam plötzlich wieder, ohne dass sie sich anstrengen musste. Es war vor Weihnachten gewesen, als Harry im Fuchsbau plötzlich niemanden mehr sehen konnte. Weihnachten vor zwei Jahren. Hermine hatte mit Severus während ihres letzten Ausbildungsjahres im Mungos bereits vier Monate lang wegen Harrys Problem recherchiert, bevor er ihr sein Angebot gemacht hatte. Unterschrieben hatte sie jedoch erst im September, vor ihrem Geburtstag. Gültig war der Ausbildungsvertrag erst ab Oktober, weil ihr Vertrag im Mungos noch bis Ende September gelaufen war. Nach bestandener Heilerprüfung hatte sie zwei Monate Urlaub genommen, August und September, und da war sie auch schon bei ihm regelmäßig aufgekreuzt.
Hermine stutzte. Für die Prüfer wäre sie offiziell nur vier Monate bei Severus gewesen, obwohl sie mit ihm jetzt schon insgesamt über ein Jahr zusammen arbeitete. Anfangs nur wegen Harry und aufgrund ihrer Verpflichtungen im Mungos auch nur nachmittags, ab August war sie inoffiziell schon seine Schülerin.
Zahlen und Monate schwirrten ihr durch den Kopf.
„Hermine?“ Seine Stimme erschreckte sie, so tief war sie in Gedanken versunken.
„Ja?“
„Was haben Sie? Sind Sie doch zu müde? Wir können aufhören. Es ist schon sechs durch. Wir haben sogar das Abendessen verpasst.“
„Nein, ich bin nicht müde.“ Ihr Magen knurrte, was er mit einer hochgezogenen Augenbraue zur Kenntnis nahm. „Aber Hunger habe ich.“
„Ich werde etwas ordern. Haben Sie einen besonderen Wunsch?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, einfach etwas vom Abendessen, das es in der großen Halle gab.“ Es machte sie nervös, dass er sich nicht rührte, sondern sie neugierig betrachtete, weswegen sie ihr nachdenkliches Verhalten erklären wollte. „Ich habe nur überlegt, wie lange wir insgesamt schon zusammen arbeiten.“
„Etwas über vierzehn Monate“, antwortete er wie aus der Pistole geschossen.
Er reichte ihr drei Pergamente mit dem Hinweis, dass dies die letzten Seiten ihrer Beurteilung darstellen würde. Es war eine Ausführung über die Arbeit mit Basiliskengift; Pansys Fall und Hermines Verdienst am Erwachen der Patientin.
Die nächsten Tage verliefen ruhig. Severus gestaltete die Arbeit angenehm und forderte sie ständig, aber keinesfalls störend dazu auf, ihm Fragen zu stellen und je öfter sie ihre Beurteilung las, desto mehr Fragen stellte sie allgemein über Dinge, die sie in ihrer Prüfung erwarten würde, bis der große Tag letztendlich kam. Hermine hatte niemandem Bescheid gegeben, weil sie sich damit nur unter Druck setzen würde. Es reichte ihr, dass Severus von ihrem Prüfungstermin wusste. Allein die Angst, ihn enttäuschen zu können, sollte sie durchfallen, war unerträglich.
Am Frühstückstisch fragte Harry seinen älteren Kollegen: „Wo ist Hermine?“
Severus war sich so sicher, dass sie bestehen würde, aber er wusste auch, dass sie den Prüfungstermin für sich behalten wollte, weswegen er erwiderte: „Seit sechs Uhr in der Früh im Ministerium.“
„Wieso denn das?“
„Weil sie Dinge zu erledigen hat.“
Auch Remus hatte das gehört und er wollte wissen: „Was denn für Dinge?“
„Was geht Sie das an, Lupin?“
Harry hatte eine Ahnung und sprach es an. „Dann ist heute Abend wohl Party angesagt, wie?“ Severus schenkte ihm einen fragenden Blick. „Na, falls Hermine die Prüfung besteht.“
„Glauben Sie, ich lasse mich mit Ihrer plumpen Art aushorchen?“, fragte der Tränkemeister entgeistert.
„Oh“, war Harrys einziger Kommentar, bevor er sich verlegen seiner Tasse widmete.
Hermine hatte heute wenig gefrühstückt. Ihre Kehle war wie zugeschnürt und sie hoffte, dass sie bei der mündlichen Prüfung nachher fähig war, überhaupt ein Wort herauszubekommen, bestenfalls noch die richtige Antwort.
Eine Stunde lang hatte sie in einem menschenleeren kalten Gang vor einer Tür gesessen und gewartet. Das war die längste Stunde ihres Lebens. In einer Mappe hatte sie die Beurteilung, die Kopie ihres Ausbildungsvertrages bei Severus und ihr Abschlusszeugnis vom Mungos dabei. Anstatt sich zu beruhigen, schlug ihr Herz immer schneller, bis die Tür sich schließlich öffnete. Entweder hatten die Prüfer schon die ganze Zeit lang in dem Raum gewartet, dachte sie, oder sie waren über das Flohnetzwerk in das Zimmer gelangt. An ihr vorbei ist in der einen Stunde jedenfalls kein einziger Mensch gekommen.
„Miss Granger?“ Ein rundlicher Mann von kleiner Statur war herausgetreten. Hermine war so sehr bei der Sache, dass sie aufsprang und sich wie in der Schule voll und ganz dem Lehrer unterordnete. Der Mann lächelte freundlich. „Mein Name ist Georgi Popovich.“ Er reichte ihr die Hand, die sie schüttelte. „Ich werde Sie mit drei weiteren Kollegen mündlich prüfen.“ Sie nickte, aber bekam kein Wort heraus, weil ihr Herz sich irgendwo im Hals befand. „Aufgeregt?“ Seine gutherzigen Augen beruhigten sie.
„Ein bisschen“, gab sie kleinlaut zu.
„Niemand wird Sie auseinander nehmen, Miss Granger. Wenn Sie bitte eintreten würden?“
Aus Höflichkeit hielt er ihr die Tür auf. Der dahinterliegende Raum wirkte wie eine Mischung aus Klassenzimmer und Gerichtssaal. Zwei weitere Männer und eine Frau befanden sich hier und unterhielten sich gelassen. Sie saßen hinter einem erhöhten langen Tisch, vor dem ein einzelner Stuhl stand, auf dem sie sehr wahrscheinlich Platz nehmen sollte. Mr. Popovich erlangte die Aufmerksamkeit seiner Kollegen, die erst ihn, dann sie betrachteten.
„Guten Morgen, Miss Granger“, grüßten die drei nacheinander und natürlich grüßte sie zurück. Die Dame hielt die Hand auf und fragte, während ihr Blick auf die Mappe in Hermines Händen gerichtet war: „Darf ich?“
„Selbstverständlich.“
Die Dame begann sofort zu lesen, während die anderen Herren mit ein wenig Smalltalk zunächst für eine angenehm entspannte Stimmung sorgten.
„Sie haben Ihre Ausbildung bei Professor Snape absolviert?“
Über die Frage wunderte sie sich, denn das war allein schon dem Antrag zur Prüfung zu entnehmen, den Severus ausgefüllt hatte. Dann wurde ihr bewusst, dass man sich nur ein wenig unterhalten wollte, weswegen sie nickte.
„War er Ihre erste Wahl?“, fragte einer der Herren.
„Nein, Sir. Ich wollte ursprünglich bei Barnaby Belby beginnen, aber er musste aus gesundheitlichen Gründen ablehnen.“
„Oh, Barnaby Belby“, sagte der große Mann mit dem aufgeplusterten schwarzen Bart. „Ich kannte ihn sehr gut. Es war ein Schock, von seinem Tod zu hören.“
„Mr. Belby hat mir zwei Tränkemeister empfohlen“, sagte Hermine. „Einer davon war Professor Slughorn.“
Hier blickte die Dame von Hermines Unterlagen auf. „Bei Professor Slughorn habe ich meine Ausbildung gemacht. Warum haben Sie sich für Professor Snape entschieden, wenn ich fragen darf?“
'Ja, warum?', fragte sich Hermine selbst.
Zum Glück überbrückte Professor Popovich ihre ausbleibende Antwort, denn er scherzte: „Na ja, Professor Slughorn ist ja auch nicht mehr der Jüngste. Ich weiß gar nicht, ob er überhaupt noch Schüler annimmt.“ Er blickte den unscheinbar wirkenden Professor mit der Knubbelnase neben sich an, der daraufhin mit den Schultern zuckte. „Aber die Qualität beider Professoren ist die gleiche“, versicherte Popovich, „immerhin hat Professor Snape wiederum seine Ausbildung bei Professor Slughorn bestritten.“
Daran konnte sich Hermine erinnern, denn Severus hatte ihr davon erzählt. Ihre Unterlagen wurden von der Frau an die Kollegen weitergereicht und jeder verschaffte sich einen Überblick, las die Beurteilung, die Severus ihr gegeben hatte und auch die vom Mungos, während die anderen Fragen stellten.
„Ist es wahr, dass Sie nur vier Monate mit Professor Snape gearbeitet haben?“, fragte der mit dem üppigen Bart. „Das ist ungewöhnlich, dass er Sie jetzt schon zur Prüfung anmeldet.“
„Ja, das kann ich erklären. Eigentlich arbeiten wir schon seit insgesamt vierzehn Monaten zusammen, aber ohne Vertrag. Anfangs haben wir viel zusammen recherchiert. Das musste alles nachmittags stattfinden, denn vorher war ich noch im Mungos beschäftigt“, erklärte Hermine.
Popovich schaute Respekt zollend auf. „Sie sind immer nach Ihrer Ausbildung zur Heilerin zu Professor Snape gegangen?“ Sie nickte, weswegen er nochmals in den mitgebrachten Unterlagen blätterte. Er fand das, was er gesucht hatte, las still ein paar Zeilen und sagte dann: „Und trotzdem haben Sie beim Mungos Ihre Prüfung nicht nur mit einem 'Ohnegleichen' abgeschlossen, sondern mit einem 'Phänomenal'. Miss Granger, Sie scheinen ein Naturtalent zu sein.“
Hermine musste lächeln, weil sie sich an einen Moment erinnerte, indem Severus zu Lupin gesagt hatte, sie wäre durchaus ein Naturtalent, aber im Reden. „Danke, Sir.“
„Und was lese ich hier?“ Popovich deutete mit dem Finger auf eine bestimmte Stelle. „Die Bestnote haben Sie aufgrund einer Abschlussarbeit über die geschmackliche Veränderung des Wolfsbanntrankes erhalten?“
Er blickte fragend auf, weswegen Hermine diesmal nicht nur nickte, sondern ein paar Worte verlor, damit man sie nicht für unhöflich hielt.
„Ja, Sir. Ich habe mich dafür einer Methode bedient, die in der Muggelwelt Gang und Gebe ist.“
„Aromastoffe!“, las Popovich laut vor.
Der Bärtige winkte ab. „Solange es sich nur um eine theoretische Arbeit handelt, sollten wir das nicht in die Prüfung einfließen lassen.“
Popovich hielt dagegen. „Nein, mein lieber Macfayden, laut des Berichts von Professor Snape wird dieser veränderte Wolfsbanntrank bereits seit einigen Monaten erfolgreich verwendet, ohne dass die Wirkung des Trankes gelitten hat.“ Er blickte Hermine an und wollte eine Bestätigung. „Das ist doch korrekt, Miss Granger?“
„Das ist korrekt, ja. Ein lieber Freund von mir nimmt ihn regelmäßig seit Monaten ein und konnte keine negativen Veränderungen feststellen.“
„Sie haben den Trank gebraut?“, fragte der rundliche Herr. „Das war von Professor Snape aber sehr verantwortungslos.“
Sie verteidigte Severus. „Oh nein, er war ja immer dabei. Ich habe den Trank gebraut und er hat zugesehen. Wäre mir ein Fehler unterlaufen, dann wäre er sofort eingeschritten.“
Sie erwähnte nicht die ein oder zwei Gelegenheiten, wo sie den Trank tatsächlich ganz allein herstellt hatte. Die Dame am Ende des Tisches öffnete nun eine eigene Akte und las darin, bevor sie das Wort an Hermine richtete.
„Ich sehe, dass Sie kürzlich beim Ministerium ein Patent im Bereich 'Tränke' angemeldet haben.“
Die Prüfer waren äußerst informiert, dachte Hermine. Sie erinnerte sich an das, was Severus gesagt hatte, nämlich nur knappe Antworten in Bezug auf ihr Projekt zu geben. „Ja M´am, ich stelle den Trank in Zukunft bei der ’Körperschaft der Zaubertränkemeister’ vor.“
„Wirklich?“ Popovich schien begeistert. Ihn mochte Hermine bisher am meisten. Er hatte ungefähr Severus' Alter. „Dann werden wir Ihren Vortrag eventuell schon im Februar hören dürfen?“ Er blinzelte ihr ermutigend zu.
Sie nickte, gab aber zu Bedenken: „Selbstverständlich nur unter der Voraussetzung, dass ich die Prüfung bestehe.“
Der rundliche Prüfer hatte als Letzter Hermines Unterlagen gelesen. Ihn interessierte eine Sache besonders.
„Während Ihrer Ausbildung sind Sie mit äußerst seltenen Zutaten in Berührung gekommen.“ Er schaute nochmals nach. „Mit dem Ei eines Chinesischen Drachens zum Beispiel.“ Hermine bestätigte wortlos. „Wie hat die Schale gerochen?“, wollte er plötzlich wissen.
„Nach Zitronensäure und Schwefel. Man konnte auch etwas verbranntes Horn wahrnehmen.“
Plötzlich machten sich alle ein paar Notizen, bevor die Dame fragte: „Warum konnte man Zitronensäure riechen?“
Als sie den Tag, an dem sie mit Severus den Trank gebraut hatte, Revue passieren ließ, stellte sie fest, dass er ihr damals beiläufig genau dieselben Fragen gestellt hatte, fast als hätte er sie bereits seit Anfang an auf den heutigen Prüfungstag vorbereiten wollen.
„Diese Drachenart frisst Zitronengras en masse, was sich geruchlich nicht nur in einem Ei niederschlägt, sondern zum Beispiel auch im...“ Sie stockte und überlegte, ob diese Information nicht zu viel des Guten wäre, doch Severus hatte ihr bereits beigebracht, dass nicht beendete Sätze unhöflich waren. „Auch im Kot der Drachen.“
„Sie haben mit der Eierschale welchen Trank zubereitet?“, fragte der Prüfer mit dem flauschigen Bart, auch wenn es im Bericht stehen musste.
„Den 'Adlerauge', einen alten asiatischen Trank, der damals Anwendung bei den Wachen der Chinesischen Mauer gefunden hat, um Feinde in der Umgebung besser sehen zu können.“
Popovich lächelte bei Hermines genauer Ausführung freundlich, bevor er fragte: „Haben Sie den Trank getestet?“
„Ja, Professor Snape und ich haben ihn abends an uns ausprobiert.“ Sie geriet ins Schwärmen. „Wir konnten die Krater des Mondes erkennen, mit bloßem Auge. Das war unbeschreiblich!“
„Wieso haben Sie bei dem Adlerauge mit goldenen Löffeln gearbeitet und nicht, wie oft üblich, mit silbernen?“
Dass die mündliche Prüfung bereits voll im Gange war, hatte Hermine gar nicht begriffen, denn ihr kam es viel mehr wie eine interessante Unterhaltung unter Zaubertränkemeistern vor.
„Na, weil Silber mit den extrem schwefelhaltigen Eiweißen des Dracheneis, das noch an der Haut der Eierschale haftete, reagieren würde. Unmengen an Schwefelwasserstoff würden freigesetzt werden. Zusammen mit dem Silber vom Löffel entsteht auch noch Silbersulfid, was dem Trank einen metallischen Geschmack verleiht und somit unbrauchbar machen würde und den teuren Löffel gleich noch mit dazu.“
„Warum aber einen goldenen Löffel?“
„Ein goldener Löffel reagiert magisch mit dem feuerfesten Kessel aus den Panzern der Feuerkrabbe. Dem Löffel passiert rein gar nichts, er ist gegen chemische Reaktionen jeder Art magisch geschützt.“
Wieder notierten sich die vier Prüfer etwas, blätterten ab und an in ihren Unterlagen und notierten erneut etwas.
„Hier steht“, fragte der rundliche Mann mit Knubbelnase, „dass Sie auch mit dem magischen Apographon gearbeitet hätten?“
Hermine stutzte, denn sie verstand nicht, was der Mann meinte. Schnell übersetzte sie „Apographon“ und kam auf „Nachschrift“ oder „Kopie“.
„Sie meinen das Papier?“, fragte sie, während sie ihre Unsicherheit überspielte.
„Ja, das magische Papier für die Fernverständigung.“
„Das haben mein Professor und ich zusammen hergestellt“, bestätigte sie nickend, fügte aber noch schnell hinzu, „und es hat funktioniert.“
„Dann haben Sie sogar mit magischen Wasserhyazinthen und mit Dracheneidotter gearbeitet?“
„Das ist richtig, ja.“
Hermine erzählte ein paar Einzelheiten dieser Arbeit und konzentrierte sich auf die kniffligen Momente, die sie gemeistert hatte.
Es war schon eine Stunde vergangen und Hermine kam jetzt erst richtig in Fahrt. Während sie weiterhin den Prüfern Frage und Antwort stand, betraten Professor Trelawney, Draco und Ginny die Eingangshalle des Ministeriums. Alle drei hielten ein Pergament mit der Einladung zur „Prophezeiungssichtung“ in der Hand. Draco und Ginny waren für ihren Termin vom Unterricht befreit worden.
„Gehen wir zur Information rüber. Die werden wissen, wo wir hingehen müssen“, schlug Draco vor und die beiden Damen folgten ihm. Trelawney schien sehr unsicher zu sein. Sie schaute sich mehrmals hektisch um, als würde sie etwas Schlimmes erwarten. Ginny bemerkte das Verhalten ihrer Lehrerin und sprach es an.
„Sie verlassen Hogwarts nicht sehr häufig oder, Professor Trelawney?“
Durch dicke Brillengläser beguckte sie sich ihre junge Schülerin, bevor sie den Kopf schüttelte. „Nein, ich, ähm... Nicht sehr oft, nein.“
Selbst als Hogwarts während des Krieges für die Schüler geschlossen war, waren Minerva und Sibyll mit wenigen Hauselfen dort geblieben, um sich um die Schule zu kümmern. Sibyll war nach ihrer Prophezeiung in Bezug auf Harry und Voldemort von Albus eingestellt worden, der ihr die Stelle als Lehrerin für Wahrsagen angeboten hatte, damit sie nicht um ihr Leben fürchten musste, doch selbst in der Zeit nach dem Krieg hatte sie sich aus purer Gewohnheit nicht einen einzigen Schritt von Hogwarts entfernt; war selten aus dem Turmzimmer hinuntergekommen. Heute musste sie jedoch die sichere Schule verlassen, um der Prophezeiungssichtung beizuwohnen und sie fühlte sich nicht wohl dabei.
Draco hatte an der Information alles erledigt. Den beiden Frauen sagte er: „Wir sollen einen Stock tiefer gehen und dann an der hintersten Tür warten, direkt an der Treppe, die zu den Gerichtsräumen führt. Es wird jemand von der Mysteriumsabteilung kommen.“
„Herrje, wir werden doch nicht etwa mit einem der Unsäglichen reden müssen oder?“, vermutete Ginny.
Jetzt fielen Draco wieder die Worte von Susan ein, die ihm gesagt hatte, die Typen seien etwas „seltsam“. „Vermutlich schon, gehen wir“, bestätigte er daher.
Im neunten Stock gingen sie den fensterlosen Gang entlang und fanden an dessen Ende die unbeschriftete Eingangstür, an der sie warteten, doch nicht sehr lange. Sie öffnete sich von selbst, so dass sie eintreten konnten.
Die drei fanden sich in einem runden Raum wieder, der gänzlich in schwarz ausgestattet war. Man würde die Hand vor Augen nicht sehen, würden nicht die Kerzen einen bläulichen Schein von sich geben. Der Raum verbreitete bereits die passende Stimmung für die Mysteriumsabteilung, denn es war gruselig. Besonders Ginny hatte mit den Gefühlen zu kämpfen, die in ihr aufkamen. Die Erinnerung an den Kampf mit den Todessern. Sie atmete heftig durch den Mund ein und aus, weswegen Draco ihr eine Hand auf die Schulter legte.
Unzählige Türen befanden sich ringsherum, die alle vollkommen identisch aussahen. An keiner waren Klinken oder Knaufe befestigt. Draco ließ seinen Blick schweifen, drehte sich dabei einmal im Kreis.
„Ich wüsste nicht, durch welche wir wieder herauskommen würden, wenn die eine Tür nicht noch offen stehen würde“, gab er offen zu.
In diesem Moment schloss sich die Tür, durch die sie eingetreten waren, wie von Geisterhand und kaum hörte man, dass sie ins Schloss gefallen war, begann die runde Wand mit den vielen Türen zu rotieren.
Draco schnaufte. „Spätestens jetzt weiß ich definitiv nicht mehr, welche wir nehmen müssten.“
„Man wird uns nachher bestimmt hinausbegleiten“, hoffte Ginny, deren Herz aufgrund gewisser Erinnerungen immer schneller schlug.
Mit einem Male hörte die Wand auf, sich zu drehen und eine Tür öffnete sich ganz langsam. Sie gab dabei kein Geräusch von sich. Ein Mann war im Türrahmen zu sehen, der stocksteif dastand und dessen durchgestreckte Arme sich in Höhe des Schrittes an den Händen hielten. Sein Haar war wirr, eine Augenbraue zuckte manchmal.
„Willkommen“, hauchte er geheimnisvoll, so dass die Stimmung von einer Sekunde zur anderen noch viel unheimlicher wurde als sie eh schon war, aber nicht für Draco.
Er fragte in normaler Lautstärke frei von der Leber weg: „Sind Sie ein Unsäglicher?“
Die drei näherten sich langsam dem Herrn, der noch nicht geantwortet hatte. Ginny fiel sofort auf, dass ein Auge des Mannes sich scheinbar selbständig und langsam in eine Richtung bewegte, während das andere auf die Gäste fixiert blieb. Wenn er blinzelte, schauten beide Augen für einen kurzen Moment wieder geradeaus, bis das eine Auge wieder im Alleingang auf Erkundungstour ging und in eine Richtung abdriftete.
„Wir von der Mysteriumsabteilung“, begann der Mann mit leiser Stimme, „bevorzugen die Bezeichnung 'Verschwiegene'. 'Unsäglich' ist ein unpassender Begriff, es sei denn“, er blickte Draco eindringlich an, während sein Auge wieder vom Kurs abkam, „man hielte uns für töricht oder gar peinlich?“ Zum Ende hin war der Mann so leise geworden, dass man ihn kaum noch hören konnte, was ein wenig bedrohlich wirkte.
„Nein, Sir“, versicherte Draco vorsichtig, obwohl er unter anderen Umständen eventuell bejaht hätte.
Der Mann hielt seine Hand ausgestreckt. Nach nur wenigen Sekunden des Zögerns reichten alle drei ihm die Einladungen, die sie vom Ministerium erhalten hatten. Der Verschwiegene studierte die Pergamente, nickte dann einmal und forderte: „Folgen Sie mir!“
Ihr Weg führte sie durch schwarz geflieste Gänge. Einer sah aus wie der andere, was sicherlich Absicht war, damit ein Eindringling die Orientierung schnell verlieren würde, wenn er die Eingangshalle der Mysteriumsabteilung hinter sich gelassen hatte.
„Und macht Ihnen Ihre Arbeit Spaß?“, fragte Draco den namenlosen Mann, um die Stille zu durchbrechen. Der antwortete nicht, schenkte ihm nicht einmal einen Blick. Ginny kommentierte das Verhalten des Verschwiegenen mit einem Schulterzucken.
Während sie den langen Flur entlanggingen, hörte man einzig das Klacken der Schuhe und das Geklimper von Trelawneys unzähligen Perlenketten.
An einer Tür, die als solche auf den ersten Blick nicht zu erkennen war, hielt der Mann. Er blinzelte mehrmals krampfhaft, als wären seine Gesichtsmuskeln einem Tic erlegen, bevor er sagte: „Hier wird Sie GeHa in Empfang nehmen.“ Der Mann öffnete die Tür und ließ die drei hinein, bevor er verschwand. Die Wände waren mit hohen Regalen versehen, in denen vereinzelt Glaskugeln lagerten – ungenutzte Glaskugeln, denn keine von ihnen leuchtete.
Ein dürrer Mann, dessen Alter man auf das von Dumbledore schätzen könnte – wenn nicht sogar noch älter –, stand ebenso stocksteif da wie schon der andere Herr zuvor, bevor er bedächtig erklärte: „Sie müssen TroFi entschuldigen, falls er ein wenig harsch gewesen sein sollte. Wir sind Publikumsverkehr nicht gewohnt. Prophezeiungen sind nicht sehr häufig.“
„Mr. Geha...“, begann Draco, doch der Mann verbesserte.
„Nein, nicht 'Mister'. In der Mysteriumsabteilung gibt es Personen, die ausschließlich mit ihrem Namenskürzel angesprochen werden, um die Identität zu wahren. Ich bin nur GeHa. Für die beiden Damen und Sie werde ich nie mehr sein, Mr. Malfoy.“
GeHa betrachtete Ginny und Sibyll und bei Letzterer begannen seine Augen zu leuchten.
„Miss Trelawney!“, grüßte er überschwänglich. „Es ist mir eine große Ehre, Sie einmal persönlich kennen lernen zu dürfen. Ich habe bereits Ihre Ururgroßmutter gekannt und auch sehr bewundert. Sie war eine begabte Seherin!“
„Oh, das ist nett von Ihnen.“ Wie ein schüchternes Schulmädchen blickte Sibyll zu Boden, während ihre Wangen ganz rot wurden.
„Und wie ich dem Formular entnehmen konnte, haben Sie kürzlich eine Prophezeiung gemacht.“ Sibyll nickte, auch wenn sie davon nichts mehr wusste. „Das sind schon zwei, Miss Trelawney. Ich gratuliere.“
Ginny und Draco wussten, dass eine ihrer Prophezeiungen niemals dem Ministerium gemeldet worden war und zwar die über Wurmschwanz, der als Diener seinem Meister zur Macht verhelfen würde. Harry hatte erst später davon berichtet und all seine Freunde hielten den Mund, denn er hatte eine rechtswidrige Handlung begangen, indem er diese Vorhersage für sich behalten hatte.
„Wenn Sie drei mir bitte folgen würden?“ GeHa wies den Weg, doch der war nicht weit: durch eine Tür hindurch, einmal links und gleich die nächste Tür.
Drinnen stand einzig und allein ein Denkarium, das für solche Zwecke genutzt wurde. Ginny erinnerte sich noch daran, dass Ron mit seiner Anfrage bei ihrem Vater abgeblitzt war, weil er das Denkarium wegen Snapes Traum von Harry nutzen lassen wollte.
„Ich werde die beiden Erinnerungen entnehmen und mir ansehen.“ Er machte eine einladende Geste in Richtung Denkarium, während er Ginny anblickte. „Ladies first.“ Ginny zauderte, näherte sich aber dem Becken. „Wurde Ihnen schon einmal eine Erinnerung entnommen?“, wollte GeHa wissen. Sie schüttelte ängstlich den Kopf. „Es tut nicht weh“, versicherte er, „Sie müssen nur an die Prophezeiung denken.“
Kaum hatte er diesen Satz gesagt, musste sie automatisch an den Moment im Klassenzimmer von Professor Trelawney denken. GeHa schien das zu wissen und führte daher seinen Stab an ihre Schläfe. Sie spürte kaum etwas, ein leichtes Ziehen höchstens, aber es war nicht unangenehm.
„Da haben wir auch schon die Erste.“ Den silbernen Faden, der von seinem Zauberstab wabernd hinunterhing, ließ er behutsam in das Becken gleiten, bevor er auch schon seine Nase eintauchte. Die nicht einmal dreißig Sekunden waren schnell vorüber.
„Jetzt Mr. Malfoy.“ Die Stimme des älteren Verschwiegenen war liebevoll großväterlich gewesen, ganz anders als die von TroFi, dem Herrn, der sie hergeführt hatte. „Wenn Sie bitte an die Prophezeiung denken würden?“ Auch Draco ging es nicht anders, denn wenn auch nur unterbewusst, so musste man bei bestimmten Worten an konkrete Dinge denken und Prophezeiungen hatte Draco bisher nur eine miterlebt, also dachte er sofort an die.
Nachdem GeHa auch die Erinnerung von Draco gesichtet hatte, wandte er sich an Ginny.
„Miss Weasley, Sie können Ihre Erinnerung sofort zurückhaben. Die von Mr. Malfoy ist deutlicher und ich werde eine Kopie machen, die aufbewahrt werden wird.“
„Oh bitte“, warf Professor Trelawney ein, „dürfte ich sie wohl sehen? Mein Geist ist in Momenten der spirituellen Empfänglichkeit immer recht nebelhaft.“
„Aber selbstverständlich“, hauchte GeHa so Respekt zollend, als würde es sich bei Trelawney um jemanden handeln, der größeren Einfluss hätte als der Minister persönlich. „Ich kann Sie gut verstehen. Nie würde ich es wagen, Ihnen diesen Wunsch abzuschlagen.“ Er deutete auf das Becken. „Nur die Nase eintauchen und schon geht es los.“
Den Moment, als Trelawney ins Becken eintauchte, nutzte Draco, um GeHa eine Frage zu stellen.
„Sagen Sie, wie wird man ein Verschwiegener?“
GeHa erstarrte, was sehr seltsam war, doch Susan hatte ihn bereits vorgewarnt. Der ältere Herr schaute Draco die ganze Zeit an, ohne auch nur einmal zu blinzeln, als wäre er aus Stein gemeißelt. Erst als Professor Trelawney auftauchte, regte er sich wieder.
„Ungeheuerlich!“, sagte die Lehrerin. „Endlich durfte ich mal erleben, wie meine Wahrsagekunst aussieht.“
„Es freut mich, Ihnen einen Gefallen erwiesen zu haben.“ Er holte eine Glaskugel, die sehr unspektakulär aussah. An alle drei gewandt sagte er: „Wenn Sie bitte Ihre Zauberstäbe hochhalten würden. Ich werde ein Doppel der Erinnerung von Mr. Malfoy in diese Kristallkugel geben und Sie mit Ihrer Signatur für andere unantastbar machen. Leider konnte man der Prophezeiung nicht entnehmen, wen die Vorhersage betrifft. Nur Sie drei werden Zugriff auf diesen Behälter haben, obwohl ich davon ausgehe, dass heute der letzte Tag sein wird, an dem Sie die hier“, er hob die Glaskugel, „sehen werden.“
Nachdem durch einen für Draco nicht nachvollziehbar magischen Vorgang seine Erinnerung in die Kugel kopiert worden war, bekamen auch er seine Erinnerung wieder zurück. Von dem sehr schmucklosen Ritual, wie eine Prophezeiung in die Glaskugel gelangte, war besonders Draco sehr ernüchtert, was er auch zum Ausdruck brachte.
„Das war's?“ Sie waren nicht einmal eine Viertelstunde hier und sollten schon wieder gehen, was Draco vollkommen desillusioniert hatte. GeHa blickte Draco mit der gleichen versteinerten Miene an wie schon zuvor, doch dann bewegte sich die Lippen des alten Mannes.
„Sind Sie etwa enttäuscht?“ Schamlos nickte Draco. „Wie wäre es dann mit einem Rundgang durch einige Räume der Mysteriumsabteilung?“ Dracos Augen begannen zu glänzen, denn so etwas war nicht jedem gestattet.
„Gern!“ Sein Enthusiasmus war nicht zu überhören.
„Natürlich“, GeHa legte den Kopf schräg, „müsste ich Ihnen danach die Erinnerung an die kleine Führung nehmen.“
„Was?“
„Sie haben schon verstanden. Sie dürfen sich alles ansehen und mir Ihre Fragen stellen, aber am Ende der kleinen Tour werde ich Ihre Erinnerung daran löschen.“
Draco antwortete nicht, sondern blickte den alten Mann nachdenklich an, was Ginny nicht entging.
„Sag mal, Draco, du überlegst doch nicht wirklich ernsthaft...“
„Warum nicht?“, fiel er ihr ins Wort.
„Weil es keinen Sinn macht! Du wirst dich an nichts mehr erinnern können. Nur im Augenblick der Führung selbst, aber danach“, sie machte eine Geste mit ihren Händen, als würde ihr Kopf explodieren, „ist nichts mehr da drin!“
„Mr. Malfoy“, Trelawney hatte sich eingeschaltet, „ich halte das für keinen guten Gedanken.“
„Aber ich kann das doch nicht abschlagen!“
„Du hast wohl den Verstand verloren!“, schimpfte Ginny. „Denk doch mal daran, was dabei schiefgehen könnte!“
Das wiederum wollte GeHa nicht auf sich sitzen lassen. „Meine liebe Miss Weasley, ich bin nicht nur ein ausgebildeter Vergissmich, sondern ich habe die Kunst der gezielten Gedankenbeseitigung perfektioniert. Mr. Malfoy würde von seinen Erinnerungen lediglich den Zeitpunkt des Rundgangs vermissen und nicht mehr. Selbst die im Anschluss normalerweise auftretenden Verwirrungszustände werden nicht eintreten.“
„Draco“, flehte Ginny. „Tu's nicht!“
„Ich bin erwachsen und außerdem“, er blickte zu dem Verschwiegenen, „vertraue ich GeHa.“
„Haben Sie sich entschlossen, ja?“, fragte der alte Mann lächelnd, weswegen Draco nickte. „Gut, meine Damen, Sie können warten oder sich von TroFi zurück zur Eingangshalle führen lassen.“
„Wir warten hier!“, bestimmte Ginny und Professor Trelawney wagte es nicht zu widersprechen.
In einem anderen Stockwerk des Ministerium war Hermine endlich klargeworden, dass die mündliche Prüfung bereits lief.
„Wo würden Sie Affodillwurzeln aufbewahren?“, fragte Popovich.
„Am besten in einer Holzkiste, damit sie atmen können“, antwortete sie richtig.
„Und Phönixtränen?“, wollte der Bärtige wissen.
„In luftdichten Glasbehältern. Licht schadet nicht, aber sie könnten verdunsten und dafür sind sie viel zu wertvoll.“
Die Prüfer notierten sich nach jeder gegebenen Antwort etwas auf ihrem Pergament. Die Dame schaute unmerklich auf ihre Uhr.
„Ich würde sagen, wir machen eine Stunde Pause.“ An Hermine gewandt empfahl sie: „Die Kantine hier ist äußerst schmackhaft, falls Sie dorthin gehen möchten. Ansonsten treffen wir uns in einer Stunde für die praktische Prüfung im Nebenraum.“
Hermine nickte und schaute auf die Uhr, damit sie nachher nicht zu spät kommen würde. Die Prüfer wünschten einen guten Appetit und verließen mit ihr zusammen das Zimmer. Eine Minute später fand sich Hermine allein auf dem Flur. Sie schloss die Augen und atmete einmal tief durch. Sie hatte kein gutes Gefühl, aber auch kein schlechtes. Die Prüfer ließen nicht im Geringsten durchblicken, ob ihre Antworten korrekt oder miserabel waren und genau deswegen war sie ruhelos. Am liebsten würde sie sich hier auf die Bank setzen und vor der Tür warten, doch das wäre falsch. In ihrem inneren Ohr hörte sie Severus' Stimme, der ihr zu einer Mahlzeit riet, wenn auch zu einer leichten. Nur deshalb fuhr sie mit dem Fahrstuhl hinunter zur Kantine.
Ein Salat mit Hähnchenstreifen sollte genügen, andererseits könnte der ihrem aufgebrachten Magen schon Schwierigkeiten bereiten. An einem der unzähligen Tische in der noch nicht gut besuchten Kantine ließ sie sich nieder, um mit der Gabel in ihrem Salat zu stochern, anstatt ihn zu essen. Den ersten Bissen quälte sie sich gerade hinunter, als sie hinter sich eine vertraute Stimme hörte.
„Hermine, was machst du denn hier?“
„Tonks?“ Hermine lächelte. Ihre Prüfungsangst war in dem Moment verschwunden, als sie das fröhliche Gesicht ihrer Freundin sah. „Ich habe heute meine Prüfung zur Zaubertränkemeisterin!“
„Ist nicht wahr!“ Ihr Tablett stellte sie auf dem Tisch ab, bevor sie sich neben Hermine setzte und forderte: „Erzähl! Wie läuft es bisher?“
„Der mündliche Teil ist, so wie ich es verstanden habe, schon gelaufen. Ich habe leider keine Ahnung, was die Prüfer denken. Vielleicht habe ich mir einen Fehler erlaubt und es nicht einmal gemerkt?“
„Ach Blödsinn.“ Tonks winkte ab. „Das machen die nur, um dich zu verunsichern. Glaub mir: Meine Prüfung zur Aurorin war die Hölle! Ich war danach am Boden zerstört, bis plötzlich die Nachricht kam, dass ich mit Bestnoten bestanden habe. Das machen die gern.“
„Was?“
„Dich verunsichern! Damit testen sie, wie du dich in Stresssituationen machst“, erklärte Tonks.
„Aber ich muss später keine Todesser jagen, ich braue nur Tränke!“
„Was gefährlich sein kann, wenn ich mir das vor Augen halte, was Remus mir kürzlich erzählt hat. Er hat tatsächlich einen Kessel zum Schmelzen gebracht, kannst du dir das vorstellen?“ Tonks schüttelte ungläubig den Kopf. Ihre eigene Note in Zaubertränke war damals „Ohnegleichen“ gewesen, was für die Ausbildung zur Aurorin ausschlaggebend war.
„Die praktische Prüfung ist nachher dran.“ Ihre Worte klangen sehr bedrückt, doch Tonks wollte sie aufheitern.
„Mach dir keine Sorgen, Hermine. Stell dir einfach vor, du bist in Hogwarts – in deiner vertrauten Umgebung. Dann klappt alles wie am Schnürchen!“
„Das wird das Beste sein.“ Hermine nahm sich vor, Tonks' Ratschlag in die Tat umzusetzen.
Eine weitere Stimme, die Hermine sehr bekannt war, richtete das Wort an die beiden Frauen, die sich an ihrer Mahlzeit gütlich taten.
„Hermine“, hauchte eine verträumte Stimme. „Und Tonks, was für eine Überraschung! Bei Tonks überrascht es eigentlich nicht, sie arbeitet ja hier und ist bestimmt öfters in der Kantine“, Luna verlor fast den Faden, „aber du, Hermine. Was machst du im Ministerium? Kommst sicher nicht wegen des leckeren Essens.“
Die jungen Damen begrüßten sich sehr herzlich, indem sie sich drückten, womit sie bei dem einen oder anderen Gast Aufmerksamkeit erlangten.
„Ich könnte das Gleiche fragen, Luna?“ Hermine schob ihr Tablett von sich weg und genoss die Abwechslung, von ihren beiden Freundinnen auf andere Gedanken gebracht zu werden.
„Ihr wisst, dass ich für die Muggelpost schreibe.“ Nachdem Tonks und Hermine genickt hatte, erzählte Luna, die sich nebenbei einen Strohhalm aus einem Behälter auf dem Tisch nahm und ihn beim Reden verbog: „Mr. Malfoys Verhandlung. Ich habe ihn schon ein paar Mal gesehen, er hat mir sogar eine Frage beantwortet.“
Tonks ahnte etwas. „Du versuchst, ein Interview mit ihm zu bekommen!“
Luna blinzelte und währenddessen formten ihre vollen Lippen ein warmes Lächeln, bei dem Neville sicherlich dahingeschmolzen wäre. „Ich bin sehr zuversichtlich“, sagte sie mit einer Gelassenheit, von der Hermine sich gern ein Stück abschneiden würde. „Was machst du hier, Hermine?“
Sie klärte Luna über den Verlauf der Prüfung auf. Die Blonde ließ sie nicht einen Moment aus den Augen und doch hatte Hermine das Gefühl, dass Luna zwar nicht durch sie hindurch, aber in sie hineinsehen würde. Lunas schmale Finger zerrten und drehten ununterbrochen an dem Strohhalm, knickten und formten ihn.
„Und in einer halben Stunde beginnt die praktische Prüfung“, beendete Hermine ihre Ausführung, doch sie konnte sich nicht verkneifen, noch leise etwas hinzuzufügen. „Ich hab Angst.“
„Warum? Du kannst doch alles.“ Lunas Worte in Gottes Gehör, dachte Hermine.
„Trotzdem...“ Hermine ließ es bleiben, ihren Ängsten auf den Grund gehen zu wollen, denn das würde sie nur noch mehr aufwühlen. Stattdessen seufzte sie.
Für einen Moment verschwand Luna, doch sie kam gleich mit drei Schalen grünem Wackelpudding zurück zum Tisch. Sie reichte Tonks und Hermine je eine davon und blickte verträumt auf die Masse in ihrem eigenen Schälchen.
„Süßes macht alles wieder gut, nicht wahr?“
Bei Lunas vereinfachter und doch so wahrer Erklärung lächelte Hermine. „Ja, das stimmt.“
„Ach, hier...“ Luna griff nach dem verformten Strohhalm und hielt ihn Hermine unter die Nase. „Ein Glücksbringer.“
Hermine nahm den Gegenstand in die Hand und betrachtete ihn sich. „Das sieht ja aus wie ein kleines Herz!“
„Ja, das sind die Herzen deiner Freunde. Musst es nahe am eigenen tragen, dann kann heute nichts schiefgehen.“
So wie Luna es sagte, war es eine Tatsache und Hermine glaubte gern daran, weswegen sie sich den herzförmigen Strohhalm in die Innentasche ihres Umhangs steckte. Dorthin, wo Severus seinen neuen Stab trug. Sie plauderten noch gemütlich und aßen dabei ihren grünen Wackelpudding.
In der Mysteriumsabteilung hatte Draco gerade einen ekelhaften Raum hinter sich gelassen. Einige Schreibpulte waren noch das Normalste dort gewesen, aber das Bassin aus Glas ganz in der Mitte, mit den in dunkelgrüner Plörre schwimmenden Gehirnen, war ihm wirklich zuwider.
„Das sah aus wie grüner Wackelpudding“, murmelte Draco, doch GeHa hatte ihn gehört.
„Glauben Sie mir: Es sieht nur so aus, es schmeckt nicht so!“
„Ich hatte nicht vor zu kosten“, versicherte Draco, der sich selbst mit etwas Humor seine Beklemmungen nehmen wollte. „Was tun diese Gehirne?“
„Das möchten Sie nicht wissen, Mr. Malfoy.“
GeHa öffnete eine weitere Tür, die in einen kahlen, aber zumindest zweifarbigen Raum führte, denn Wand und Boden waren weiß, nur die Wände waren schwarz. In der Mitte befand sich eine Art übergroße Kiste mit einer offen stehenden Tür. Darin konnte man einen einsamen Stuhl sehen, sonst nichts. Die Kiste war innen wie außen pechschwarz. Plötzlich schwankte GeHa und schien nach vorn zu fallen, doch Draco hielt ihn aufrecht.
„Alles in Ordnung, Sir?“ Wenn GeHa hier sterben würde, wäre Draco verloren. Den Weg würde er nicht mehr allein zurückfinden, aber viel schlimmer war, dass er in diesem Fall auch nicht dazu in der Lage wäre, Hilfe holen zu können.
„Es geht schon, junger Mann. Das war die Aufregung, Professor Trelawney einmal persönlich gegenüberstehen zu dürfen.“ Er richtete sich wieder auf. „Und wie sieht es mit Ihnen aus, Mr. Malfoy? Bereit für eine 'Reise der besonderen Art'?“
Unweigerlich musste Draco zu dem schwarzen Kasten mit dem Stuhl im Innern blicken.
„Eine Minute? Was meinen Sie?“, drängte GeHa. Zusammen gingen sie einige Schritte näher an den Kasten heran. Vorsichtig spähte Draco in den dunklen Raum hinein. Bis auf den Stuhl war er leer.
„Was wird mich da drinnen erwarten?“
„Jeden erwartet etwas anderes“, antwortete GeHa gelassen, aber vor allem ungenau.
Draco deutete unsicher in den kleinen Raum hinein. „Waren Sie schon einmal hier drin?“
„Selbstverständlich! Das ist nämlich mein eigenes Projekt. Kommen Sie, es wird nichts Schlimmes passieren. Bei Ihnen bin ich mir da ganz sicher.“
„Ich weiß nicht...“
„Warum zögern Sie? Selbst wenn es unerträglich werden würde, dann wird auch diese Erinnerung nicht lange die Ihre bleiben, also keine Angst.“
Draco fühlte sich provoziert. „Ich hab keine Angst! Ich weiß nur nicht, was mich da drinnen erwartet. Warum ist es stockdunkel? Was wird passieren? Wenigstens ungefähr müssen Sie mir doch was sagen können.“
„Haben Sie ein reines Gewissen, Mr. Malfoy?“, fragte GeHa plötzlich sehr ernst.
„Ja, Sir.“ Seine schnelle Antwort überraschte ihn selbst, aber es stimmte. All die Dinge, die ihm früher noch zu schaffen gemacht hatten, waren geklärt. Er hatte mit Dumbledore über die Nacht auf dem Turm gesprochen, hat sich mit Harry versöhnt, konnte zwischenzeitlich sogar über die familiäre Abstammung anderer hinwegsehen. Er hatte, wenn er sich selbst bewerten müsste, ein reines Gewissen.
„Warum vergeuden Sie dann die Zeit?“
Für einen Moment beäugte Draco die schwarze Kiste, die selbst bei Menschen, die nicht unter Angststörungen litten, Klaustrophobie aufkommen lassen konnte. Es war eine Herausforderung. Die Mysteriumsabteilung war so geheim und ihre Wunderlichkeiten so gut behütet, dass er es als seine einzige Chance ansah, einmal in seinem Leben etwas tun zu können, von dem er wusste – zumindest jetzt noch –, dass es einzigartig war.
„Was muss ich tun, wenn ich drin bin?“
GeHa sprach sehr gemächlich. „Sie müssen sich nur hinsetzen, Mr. Malfoy. Ich werde die Tür schließen und Sie für eine Minute allein lassen.“
„Hört sich nicht schwer an. Also dann...“
Draco betrat den Raum, dessen Luft merklich schwerer wirkte, keinesfalls aber unangenehm.
„Ich schließe dann die Tür“, Draco setzte sich bereits, „und geraten Sie nicht in Panik.“
Die Tür war zu. Aufgrund der letzten Worte war Draco kurz davor, in Panik auszubrechen, doch dann übermannte ihn die schwere Luft in dem kleinen Raum. Sie drang nicht nur durch seine Nase ein, sondern durch seine Haut, selbst durch die Kleidung hindurch. Obwohl es dunkel war, schloss Draco die Augen. So fühlte er sich wohler, als in unendliche Schwärze starren zu müssen. Sein Herz begann zu rasen, seine Atmung wurde immer schneller. Diese schwere Luft – es mag auch etwas anderes gewesen sein – war nun vollständig in seinem Körper und ging auf Tuchfühlung mit einem bestimmten Organ in seinem Brustkorb.
Draußen vor der schwarzen Kammer wartete GeHa, der seinen Blick auf eine Sanduhr gerichtet hatte. Nachdem das letzte Korn gefallen war, öffnete er die Tür. Der Stuhl in dem Raum war leer, denn Draco saß daneben auf dem Boden und presste seinen bebenden Körper an die Wand.
„Mr. Malfoy?“ GeHa klang nicht ein bisschen besorgt, er wollte nur auf sich aufmerksam machen. Zitternd wandte Draco seinen Kopf. Erst da sah der Verschwiegene, dass das Gesicht des jungen Mannes verweint war; die Augen waren noch immer feucht und die Nase lief. Ansonsten schien es ihm gut zu gehen. Mit großväterlich besonnener Stimme bat er: „Kommen Sie bitte heraus.“
Draco kroch auf allen Vieren aus der Kiste heraus. Erst draußen ließ die Schwere des schwarzen Raumes von ihm ab und er vermochte aufzustehen. Noch immer war er etwas wackelig auf den Beinen. Diesmal sorgte GeHa dafür, dass er nicht umkippte.
„Geht es wieder?“ Draco nickte. Ein paar Male musste er tief durchatmen. Sprechen konnte er noch immer nicht, aber er fühlte sich auch nicht schlecht. Er war nur sehr angetan von dem, was ihm widerfahren war. Der Ältere lächelte und drückte seine Schulter.
„Was war das?“, fragte Draco endlich, auch wenn seine Stimme nur ein Flüstern war.
„Oh, ich denke, Sie wissen ganz genau, was in diesem Raum geschehen ist!“
„Aber das ist nicht möglich...“
„Nicht? Oder wollen Sie sich nur nicht zugestehen, dass sich das, was Sie eben am eigenen Leib erfahren haben, auch tatsächlich abgespielt hat?“ Nachdem Draco ein paar Schritte gegangen war, erläuterte GeHa, der bereits eine weitere Tür ansteuert: „Es kann für einen Menschen ein überwältigend schönes oder aber auch ein zerstörendes Erlebnis sein, einen Blick in das eigene Herz zu werfen.“ Der Verschwiegene hielt die Tür auf, die in einen weiteren Raum führte und fragte nicht sehr ernst: „Oder waren Sie nur darüber überrascht, wie viel Güte Sie innehaben?“
Draco lächelte.
Hermines Lächeln verblasste, als sie mit einem Male ein Blackout hatte. Sie konnte sich an nichts mehr erinnern. Die Prüfer hatten den Namen eines Trankes an die Tafel geschrieben, den sie eigenhändig und ohne jegliche Hilfe zubereiten sollte, doch keine der Zutaten fiel ihr ein. Die Schrift auf den vielen Gläschen in der Vitrine verschwamm vor ihren Augen, so dass Hermine sie schließen musste. Jetzt war alles aus, dachte sie resignierend.
„Miss Granger? Geht es Ihnen gut?“, fragte Popovich besorgt.
„Ja, nur einen Moment bitte. Mein Kopf will gerade nicht so wie ich möchte.“
Sie hörte jemanden gutmütig lachen, vielleicht waren es auch zwei, so genau nahm sie nichts mehr wahr. Mit ihren Nerven am Ende fasste sie sich ans Herz und da fühlte sie plötzlich Lunas Glücksbringer, die Herzen ihrer Freunde. Noch mit geschlossenen Augen stellte sich Hermine vor, dass hinter ihr keine Prüfer standen, sondern Tonks und Luna, Ron und Neville. Sie spürte Remus' warmen Blick auf sich, fühlte Severus' hochgezogene Augenbraue und Harrys freches Schmunzeln. All ihre Freunde wollten zusehen, wie sie einen Trank brauen würde und einzig Severus hätte ein Auge dafür, ob sie es auch richtig anstellte.
Als Hermine die Augen öffnete, konnte sie die Beschriftung auf den vielen Fläschchen klar und deutlich erkennen. Ein Stein fiel ihr vom Herzen, als sie sich wieder an die Zutaten, die sie für den geforderten Trank benötigte, erinnern konnte. Sie begann damit, die Vitrinentüren zu öffnen, um die Zutaten an den Arbeitstisch zu bringen.
Nachdem sie alles in der Nähe des Kessels aufgestellt hatte, öffnete sie nacheinander die Holzdosen, Glasflaschen und Steingefäße, um an ihrem Inhalt zu riechen, was sie sich schon im Mungos angenommen hatte. Bei einer Zutat stutzte sie. Es roch nach einer Baumpilzart, als sie das Gefäß mit den Holzspänen in den Händen hielt. Vielleicht bildete sie sich das nur ein? Sie roch nochmals und der Duft war eindeutig jodartig. Sie blickte zu den Prüfern mit ihren Klemmbrettern hinüber, von denen sie aufmerksam beobachtet wurde.
„Entschuldigen Sie, aber die 'Magische Birke' ist offensichtlich zusammen mit einem Birnenstäubling zu Spänen verarbeitet worden. Die Zutat ist verunreinigt.“ Sie hob das Gläschen.
„Ist sie das?“, fragte die Dame, bevor sich alle vier Notizen machten. Hermine rutschte das Herz in die Hose. „Sehen Sie bitte in dem Schrank unter der Vitrine nach, da sollten neue Zutaten zu finden sein.“
Wie vermutet fand sich hier ein volles und noch versiegeltes Glas mit dem Holz der Magischen Birke. Hermine öffnete es und roch – kein Jod.
„Gut, dann fange ich mal an.“
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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Rest von Kapitel 170
In Hogwarts erhielt Remus nach der letzten Unterrichtsstunde des Tages von Tonks einen Ruf über den Kamin. Gleich darauf eile er ins Erdgeschoss, um bei Harry vorbeizuschauen.
„Remus, komm rein“, grüßte ihn Harry, der einen sehr munteren Nicholas im Arm hielt.
„Hallo, ihr zwei.“ Remus' Stimme war kindisch hoch und galt natürlich nur dem kleinen Jungen, der fröhlich zu glucksen begann, als Remus ihn an der Wange streichelte.
„Kannst du ihn mal kurz nehmen?“ Harry drückte Remus das Baby bereits in den Arm. „Es gab ein kleines Malheur im Kinderbettchen, das ich mal schnell wegmachen muss.“
Als Harry aus dem Schlafzimmer wieder zurückkam, musste er beim Anblick von Remus, der sich den Zeigefinger von Nicholas greifen ließ, lächeln.
„Steht dir!“, sagte Harry in Bezug auf das Kind und nickte dabei ernsthaft, um seine eigenen Worte nochmals zu bestätigen.
„Harry, rate mal, was ich eben von Tonks erfahren habe!“
„Ich bin nicht gut in so was. Keine Ahnung.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ist sie schwanger?“
Remus blickte völlig verständnislos drein. „Wie kommst du denn auf die Idee?“
Wegen des entgeisterten Gesichtsausdrucks musste Harry auflachen. „Ich sagte doch, ich bin nicht gut in solchen 'Rate mal, was...'-Spielchen. Sag's mir einfach.“
„Hermine ist im Ministerium, weil sie ihre Prüfung macht!“
„Und Severus hat nichts verraten, dieser Hund!“, scherzte Harry.
Hier musste Remus lachen. Er nahm Platz und setzte den Jungen gemütlich auf seinen Schoß, bevor er Harry anblickte und mit fröhlich aufleuchtenden Augen fragte: „Wollen wir eine Überraschungsparty für sie geben?“
„Ich weiß nicht. Wenn Hermine niemandem Bescheid gegeben hat, dann möchte sie auch nicht, dass WIR davon wissen oder?“
„Du kennst sie doch: Prüfungsangst! Sie hat keinem was gesagt, weil sie sich damit selbst unter Druck setzen würde.“ Remus streichelte dem Jungen in seinem Arm über den Kopf mit den flauschig schwarzen Haaren. „Ich bin davon überzeugt, dass sie beim ersten Mal bestehen wird.“
„Wir alle sind davon überzeugt, nur sie selbst nicht“, warf Harry ein. „Ich würde vorschlagen, ich sage Ron Bescheid und noch ein paar anderen und dann treffen wir uns im Ministerium in der Eingangshalle, um sie abzuholen. Gehen wir essen?“
„Gebongt“, war Remus' ungewohnt jugendliche Antwort.
Es klopfte und Neville leistete ihnen Gesellschaft.
„Luna hat mich eben angefloht. Hermine ist im Ministerium und...“
„Macht ihre Prüfung zur Zaubertränkemeisterin!“, vervollständigte Harry.
„Ach, euch hat sie Bescheid gegeben?“ Er klang enttäuscht.
Remus verneinte. „Hat sie nicht, aber Tonks hat mit ihr und Luna in der Kantine gesessen.“
Ein zufriedenes Lächeln legte sich auf Nevilles Lippen. „Dann veranstalten wir was für sie? Eine kleine Gratulationsfeier zur bestandenen Prüfung!“
An Harry gewandt hielt Remus ihm erneut vor Augen: „Siehst du: Jeder weiß, dass sie bestehen wird!“
Wegen Nevilles Frage antwortete Harry. „Wir würden Hermine zum Essen ausführen. Die Prüfung soll zwischen sechs und halb sieben vorbei sein.“
„Prima, dann hat Luna auch schon Feierabend. Wem sagen wir alles Bescheid?“
Harry überlegte kurz, während aufstand und etwas holte. „Ich würde was Kleines machen, mit dir und Luna, Remus und Tonks, Ron und Angelina und natürlich mir und Ginny. Eventuell noch Draco, aber der wird zu Susan gehen wollen.“
Mit einem Fläschchen Milch in der Hand ging Harry auf Remus zu, während Neville zu Bedenken gab: „Severus darf nicht fehlen.“
„Natürlich lade ich ihn ein“, versicherte Harry. „Ich habe ihn nur nicht aufgezählt, weil er sehr wahrscheinlich absagen wird.“
Neville runzelte die Stirn. „Seine Schülerin besteht die Prüfung und ihn soll das nicht interessieren?“ Er zog beide Augenbrauen in die Höhe und imitierte damit unbewusst den Mann, über den er gerade sprach. „Wenn er nicht mitkommt, dann ist er ein Mistkerl!“
„Neville“, vorwurfsvoll schüttelte Harry den Kopf, konnte sich das Grinsen aber nicht verkneifen, „das ist man von dir ja gar nicht gewohnt!“
Wortlos reichte Harry die Flasche für Nicholas an Remus weiter, der ihn daraufhin mit fragendem Gesichtsausdruck anblickte, die Flasche jedoch entgegennahm. Harry legte auch vorsorglich ein Lätzchen um Nicholas' Hals. Im ersten Moment war Remus sprachlos, doch er gab dem Kleinen die Flasche und beobachtete ihn dabei die ganze Zeit aus nächster Nähe, während die anderen beiden weiter ihre Pläne schmiedeten.
Remus ließ seinen Blick über das kleine Köpfchen schweifen, das in seiner Armbeuge ruhte. Die schmalen rosafarbenen Lippen saugten anfangs gierig, aber immer häufiger legte das Baby eine Pause ein und seufzte angestrengt, bevor es sich noch weitere Schlucke genehmigte und dabei einzudösen drohte. Einmal fanden die noch blauen Augen die hellbraunen von Remus und das war der Moment, in welchem sich sein Herz zusammenzog. Tonks und ihm fehlte genau das, was Harry und Ginny hatten. Er selbst merkte es gar nicht, aber plötzlich musste er die Nase hochziehen.
„Remus?“
Harrys besorgte Stimme ließ ihn aufblicken, doch er sah ihn nur wie durch dicke Glasscheiben, weswegen er sich verlegen die Augen mit seinem Ärmel trocknete. „'tschuldigung.“
Mit schlechtem Gewissen sagte Harry: „Tut mir Leid, ich hätte dich fragen sollen.“
„Nein, schon gut. Es war schön.“ Er rang sich ein Lächeln ab. „Er hat sogar fast alles geschafft.“
Nochmals zog Remus die Nase hoch, weswegen er den Jungen ohne weiteren Kommentar wieder an Harry gab, damit er sich sein Taschentuch aus der Innentasche ziehen konnte. Nachdem er sich kurz die Nase geputzt hatte, reichte er Harry die Flasche mit dem kleinen Rest Milch.
Die Prüfer nahmen Hermine gerade das Glasstandgefäß mit dem fertigen und von ihr abgefüllten Trank entgegen.
„Danke, Miss Granger. Wenn Sie sich noch eine Stunde im Ministerium die Zeit vertreiben möchten, dann erfahren Sie das Ergebnis der Prüfung noch heute. Ansonsten schicken wir es per Eule.“
„Ich bin in der Kantine und warte. Wo soll ich mich nachher melden?“, fragte sie.
„Kommen Sie, ich zeig Ihnen mein Büro“, sagte Popovich.
Hermine verabschiedete sich von den anderen Prüfern und ließ sich von Popovich zu seinem Büro führen, das nicht weit entfernt war.
„Um halb sieben können Sie bei mir vorbeischauen, Miss Granger.“ Sie nickte, schaute ihn aber mit großen Augen an, weswegen er lächelnd empfahl: „An Ihrer Stelle würde ich mir keine Gedanken machen.“
„Gut!“, entwich es ihr erleichtert. Das war wenigstens eine Aussage, die sie als positiv werten würde.
Sie machte sich auf den Weg in die Kantine, wo nur noch drei Mitarbeiter des Ministeriums saßen.
Wenige Stockwerke entfernt endete der Verhandlungstag von Lucius Malfoy. Noch immer war er nicht unter dem Einfluss von Veritaserum befragt worden, weil Sid ständig Einwürfe machte, die die Verhandlung hinauszögerten, weswegen es heute auch so lange gedauert hatte.
Noch im Verhandlungszimmer sitzend lächelte Lucius arrogant. „Sie sind gerissen, Mr. Duvall, wenn ich das mal so sagen darf.“
„Meinen Sie damit, dass der erste Anklagepunkt schon einmal erledigt ist? Es wird nur noch das Strafmaß dafür verhandelt, aber immerhin nach dem Minderjährigenstrafgesetz. Sie haben also kaum etwas zu befürchten.“
Lucius nickte, warf jedoch ein: „Besonders gefallen hat mir, als sie dem Gamot verständlich gemacht haben, dass ein Imperiusfluch, unter dem man selbst gestanden haben könnte, gar nicht nachweisbar ist, nicht einmal mit Wahrheitsserum oder Erinnerungen. Solange die Ankläger keine Methode gefunden haben, mir das Gegenteil zu beweisen...“
Sid vervollständigte den Satz: „...wird man Ihren Fall so handhaben müssen, wie alle anderen Fälle in der Vergangenheit auch.“
„In diesem Punkt also ein klarer Freispruch.“ Das letzte Wort hatte Lucius sich auf der Zunge zergehen lassen.
„Wir müssen abwarten“, mahnte Sid, „was das Gamot noch im Schilde führt. Es gibt ja noch andere Anklagepunkte. Es wäre möglich, dass man Ihnen ein Bein stellen möchte.“
Das, dachte Lucius, könnte man nur, wenn Rosalind offenbaren sollte, dass sie von Lucius erpresst werden würde und sie würde es nicht wagen.
„Mr. Malfoy, wegen der Presse...“ Lucius horchte auf. „Wir sollten jetzt wirklich eine Entscheidung treffen und zwar heute.“
„In dieser Hinsicht vertraue ich Ihnen, Mr. Duvall. Suchen Sie sich eine Zeitung aus, wenn wir gleich den Raum verlassen.“
Im Ministerium waren um diese Uhrzeit die meisten Angestellten bereits gegangen, nur die mit den gewichtigen Posten verweilten noch hier, weswegen die Gänge wie ausgestorben wirkten, nur nicht der, den Sid und Lucius mit ihren vier Wärtern betraten.
„Mr. Malfoy!“ Die Reporter schrien durcheinander, kaum hatte sich die Tür geöffnet. Wie wild machten sie Fotos und kamen so dicht an ihn heran, dass die Wärter den Blonden abschirmen mussten. Als sich Lucius den Gang hinunterführen ließ, bemerkte er weiter vorn eine junge blonde Frau, die sich verträumt eine der steinernen Figuren betrachtete, die die Flure des Ministeriums zierten.
„Mr. Duvall?“ Sid drängte sich durch eine Lücke zwischen den vier Wächtern hindurch und lieh Lucius sein Ohr. „Dort vorn, die junge Frau. Nehmen Sie die!“
„Warum die?“, fragte Sid skeptisch.
„Weil sie weder aufdringlich ist noch unhöflich.“
Sid musterte die Blonde, die nun, als die aufgebrachte Menschentraube sich ihr langsam näherte, ihren Blick auf dem Häftling ruhen ließ. „Sie kommt mir bekannt vor“, sagte sein Beistand.
„Oh ja, das glaube ich gern. Sie hatte die Frage mit den Blumen gestellt.“
„Ja, ich erinnere mich. Sie scheint ein wenig verträumt.“ Sid wägte ab: „Vielleicht lässt sie sich leicht manipulieren.“
„Aber nicht so, dass es ihr womöglich auffällt!“ Um nichts in der Welt wollte Lucius, dass man ihm die Beeinflussung der Presse nachsagen würde.
„Keine Sorge, wenn ich das Gamot beeinflussen kann, wird mir das bei einer kleinen Journalistin sicherlich auch gelingen. Bis dann, Mr. Malfoy.“
Lucius sah Sid nach, der sich der blonden Frau näherte und mit ihr zu reden begann. Die anderen Journalisten hefteten sich weiterhin an seine Fersen, ohne zu erkennen, was sein Beistand mit der Frau zu bereden hatte.
In der Mysteriumsabteilung war Draco an einer Tür stehengeblieben, die ihn anzuziehen schien. Als er eine Hand auf die schwarze Oberfläche legte, da wurde sie von einer Wärme umhüllt, die durch die Tür dringen musste. Von dieser Wärme verzaubert schloss er seine Augen, als er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter spürte.
„Was sich dahinter verbirgt“, begann GeHa, „ist gleichermaßen gefährlich und wunderschön.“ Viel sanfter sprach der Verschwiegene: „Lassen Sie davon ab. Zu viel hiervon ist nicht gut.“
„Was ist das?“
„Selbst ich weiß nur ein wenig von Erzählungen, denn der Raum ist nicht zu öffnen.“
„Nicht zu öffnen?“ Draco blickte sich nochmals die Tür an. „Aber was hat das für einen Sinn? Ein Raum, den man nicht betreten kann. Wie soll man an das herankommen, was sich dahinter verbirgt?“
„Oh, es sind Mitarbeiter in diesem Raum. Die Tür wird sich eines Tages von alleine öffnen, wenn sie das“, er räusperte sich, „Problem behoben haben.“
„Die können nicht raus? Aber wie können die da drin auf sich selbst gestellt überleben?“
„Sie leben von Luft... Nein, Mr. Malfoy, kommen Sie. Wir waren schon viel zu lang unterwegs. Die beiden Damen haben wir genug warten lassen.“ GeHa legte eine Hand auf Dracos Rücken, um ihn mit einem sanften Druck zum Gehen zu bewegen. „Die letzte Ruhestätte der Venus“, murmelte der Verschwiegene, bevor sie zurück in den Raum kamen, in dem Ginny und Professor Trelawney warteten.
„Draco, ist alles in Ordnung?“, fragte seine Mitschülerin sofort.
„Kein Wort, Mr. Malfoy! Ich werde Ihnen die Erinnerung nehmen und dann wird TroFi Sie alle hinausbegleiten. Es ist schon sehr spät.“
GeHa zückte seinen Zauberstab und in diesem Moment bereute Draco, die Führung gemacht zu haben, denn nun müsste er alles vergessen. Die Erinnerung an den großen schwarzen Kasten in dem schwarzweißen Raum würde er von allem am liebsten behalten, doch er glaubte nicht, dass GeHa mit sich handeln lassen würde. Unbewusst legte Draco eine Hand auf sein Herz und ballte sie langsam zur Faust, als würde er jetzt bereits etwas missen; das Gefühl, sein eigenes Herz zu kennen. GeHa beobachtete seine Bewegung und ahmte sie sogar nach. Zu spät bemerkte Draco, dass der alte Verschwiegene nicht die Geste imitierte, sondern sich aus Schmerz an die Brust griff und gleich darauf zu taumeln begann, wie schon einmal während der Führung.
„Um Himmels Willen!“ Draco umfasste GeHa, dessen Gesicht vor Schmerz verzerrt war, damit der nicht zusammensacken würde. „Ruft diesen anderen Typen rein!“
Sibyll näherte sich Draco und dem Verschwiegenen, während Ginny die Türen nacheinander öffnete und nach TroFi rief. Sie kniete sich nieder und zog ihren Zauberstab. Die Lehrerin war völlig gelassen und leistete erste Hilfe, wie sie es vor zig Jahrzehnten einmal gelernt haben musste, doch ihr war nicht ein wichtiger Zauberspruch entfallen. GeHas Gesichtszüge entspannten sich wieder, die Atmung wurde ruhiger. Schon war TroFi an der Seite seines Kollegen.
„Dein Herz?“
GeHa nickte. „Es geht schon wieder.“
„Von wegen.“ Sich einmal die Gäste beschauend fragte er GeHa: „Ist ein Vergissmich notwendig?“ Draco schloss die Augen, doch er riss sie sofort wieder auf, als er den alten Mann überraschenderweise verneinen hörte. Ein letzter Blick in GeHas Augen verriet ihm, dass der Alte durchaus ganz bei Sinnen war.
TroFi richtete das Wort an die Gäste: „Gehen Sie durch die offene Tür. Draußen wartete jemand, der Sie hinausführen wird.“
„Gut“, sagte Ginny aufgeregt.
Bevor Draco ging, kniete er sich nieder und sagte zum Verschwiegenen, der nun am Boden gegen TroFi gelehnt saß: „Ich hoffe, es geht Ihnen bald besser. Alles Gute.“
Er verkniff sich das „Danke“, denn dann würde der andere Verschwiegene vielleicht hellhörig werden.
In Hogwarts erhielt Remus nach der letzten Unterrichtsstunde des Tages von Tonks einen Ruf über den Kamin. Gleich darauf eile er ins Erdgeschoss, um bei Harry vorbeizuschauen.
„Remus, komm rein“, grüßte ihn Harry, der einen sehr munteren Nicholas im Arm hielt.
„Hallo, ihr zwei.“ Remus' Stimme war kindisch hoch und galt natürlich nur dem kleinen Jungen, der fröhlich zu glucksen begann, als Remus ihn an der Wange streichelte.
„Kannst du ihn mal kurz nehmen?“ Harry drückte Remus das Baby bereits in den Arm. „Es gab ein kleines Malheur im Kinderbettchen, das ich mal schnell wegmachen muss.“
Als Harry aus dem Schlafzimmer wieder zurückkam, musste er beim Anblick von Remus, der sich den Zeigefinger von Nicholas greifen ließ, lächeln.
„Steht dir!“, sagte Harry in Bezug auf das Kind und nickte dabei ernsthaft, um seine eigenen Worte nochmals zu bestätigen.
„Harry, rate mal, was ich eben von Tonks erfahren habe!“
„Ich bin nicht gut in so was. Keine Ahnung.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ist sie schwanger?“
Remus blickte völlig verständnislos drein. „Wie kommst du denn auf die Idee?“
Wegen des entgeisterten Gesichtsausdrucks musste Harry auflachen. „Ich sagte doch, ich bin nicht gut in solchen 'Rate mal, was...'-Spielchen. Sag's mir einfach.“
„Hermine ist im Ministerium, weil sie ihre Prüfung macht!“
„Und Severus hat nichts verraten, dieser Hund!“, scherzte Harry.
Hier musste Remus lachen. Er nahm Platz und setzte den Jungen gemütlich auf seinen Schoß, bevor er Harry anblickte und mit fröhlich aufleuchtenden Augen fragte: „Wollen wir eine Überraschungsparty für sie geben?“
„Ich weiß nicht. Wenn Hermine niemandem Bescheid gegeben hat, dann möchte sie auch nicht, dass WIR davon wissen oder?“
„Du kennst sie doch: Prüfungsangst! Sie hat keinem was gesagt, weil sie sich damit selbst unter Druck setzen würde.“ Remus streichelte dem Jungen in seinem Arm über den Kopf mit den flauschig schwarzen Haaren. „Ich bin davon überzeugt, dass sie beim ersten Mal bestehen wird.“
„Wir alle sind davon überzeugt, nur sie selbst nicht“, warf Harry ein. „Ich würde vorschlagen, ich sage Ron Bescheid und noch ein paar anderen und dann treffen wir uns im Ministerium in der Eingangshalle, um sie abzuholen. Gehen wir essen?“
„Gebongt“, war Remus' ungewohnt jugendliche Antwort.
Es klopfte und Neville leistete ihnen Gesellschaft.
„Luna hat mich eben angefloht. Hermine ist im Ministerium und...“
„Macht ihre Prüfung zur Zaubertränkemeisterin!“, vervollständigte Harry.
„Ach, euch hat sie Bescheid gegeben?“ Er klang enttäuscht.
Remus verneinte. „Hat sie nicht, aber Tonks hat mit ihr und Luna in der Kantine gesessen.“
Ein zufriedenes Lächeln legte sich auf Nevilles Lippen. „Dann veranstalten wir was für sie? Eine kleine Gratulationsfeier zur bestandenen Prüfung!“
An Harry gewandt hielt Remus ihm erneut vor Augen: „Siehst du: Jeder weiß, dass sie bestehen wird!“
Wegen Nevilles Frage antwortete Harry. „Wir würden Hermine zum Essen ausführen. Die Prüfung soll zwischen sechs und halb sieben vorbei sein.“
„Prima, dann hat Luna auch schon Feierabend. Wem sagen wir alles Bescheid?“
Harry überlegte kurz, während aufstand und etwas holte. „Ich würde was Kleines machen, mit dir und Luna, Remus und Tonks, Ron und Angelina und natürlich mir und Ginny. Eventuell noch Draco, aber der wird zu Susan gehen wollen.“
Mit einem Fläschchen Milch in der Hand ging Harry auf Remus zu, während Neville zu Bedenken gab: „Severus darf nicht fehlen.“
„Natürlich lade ich ihn ein“, versicherte Harry. „Ich habe ihn nur nicht aufgezählt, weil er sehr wahrscheinlich absagen wird.“
Neville runzelte die Stirn. „Seine Schülerin besteht die Prüfung und ihn soll das nicht interessieren?“ Er zog beide Augenbrauen in die Höhe und imitierte damit unbewusst den Mann, über den er gerade sprach. „Wenn er nicht mitkommt, dann ist er ein Mistkerl!“
„Neville“, vorwurfsvoll schüttelte Harry den Kopf, konnte sich das Grinsen aber nicht verkneifen, „das ist man von dir ja gar nicht gewohnt!“
Wortlos reichte Harry die Flasche für Nicholas an Remus weiter, der ihn daraufhin mit fragendem Gesichtsausdruck anblickte, die Flasche jedoch entgegennahm. Harry legte auch vorsorglich ein Lätzchen um Nicholas' Hals. Im ersten Moment war Remus sprachlos, doch er gab dem Kleinen die Flasche und beobachtete ihn dabei die ganze Zeit aus nächster Nähe, während die anderen beiden weiter ihre Pläne schmiedeten.
Remus ließ seinen Blick über das kleine Köpfchen schweifen, das in seiner Armbeuge ruhte. Die schmalen rosafarbenen Lippen saugten anfangs gierig, aber immer häufiger legte das Baby eine Pause ein und seufzte angestrengt, bevor es sich noch weitere Schlucke genehmigte und dabei einzudösen drohte. Einmal fanden die noch blauen Augen die hellbraunen von Remus und das war der Moment, in welchem sich sein Herz zusammenzog. Tonks und ihm fehlte genau das, was Harry und Ginny hatten. Er selbst merkte es gar nicht, aber plötzlich musste er die Nase hochziehen.
„Remus?“
Harrys besorgte Stimme ließ ihn aufblicken, doch er sah ihn nur wie durch dicke Glasscheiben, weswegen er sich verlegen die Augen mit seinem Ärmel trocknete. „'tschuldigung.“
Mit schlechtem Gewissen sagte Harry: „Tut mir Leid, ich hätte dich fragen sollen.“
„Nein, schon gut. Es war schön.“ Er rang sich ein Lächeln ab. „Er hat sogar fast alles geschafft.“
Nochmals zog Remus die Nase hoch, weswegen er den Jungen ohne weiteren Kommentar wieder an Harry gab, damit er sich sein Taschentuch aus der Innentasche ziehen konnte. Nachdem er sich kurz die Nase geputzt hatte, reichte er Harry die Flasche mit dem kleinen Rest Milch.
Die Prüfer nahmen Hermine gerade das Glasstandgefäß mit dem fertigen und von ihr abgefüllten Trank entgegen.
„Danke, Miss Granger. Wenn Sie sich noch eine Stunde im Ministerium die Zeit vertreiben möchten, dann erfahren Sie das Ergebnis der Prüfung noch heute. Ansonsten schicken wir es per Eule.“
„Ich bin in der Kantine und warte. Wo soll ich mich nachher melden?“, fragte sie.
„Kommen Sie, ich zeig Ihnen mein Büro“, sagte Popovich.
Hermine verabschiedete sich von den anderen Prüfern und ließ sich von Popovich zu seinem Büro führen, das nicht weit entfernt war.
„Um halb sieben können Sie bei mir vorbeischauen, Miss Granger.“ Sie nickte, schaute ihn aber mit großen Augen an, weswegen er lächelnd empfahl: „An Ihrer Stelle würde ich mir keine Gedanken machen.“
„Gut!“, entwich es ihr erleichtert. Das war wenigstens eine Aussage, die sie als positiv werten würde.
Sie machte sich auf den Weg in die Kantine, wo nur noch drei Mitarbeiter des Ministeriums saßen.
Wenige Stockwerke entfernt endete der Verhandlungstag von Lucius Malfoy. Noch immer war er nicht unter dem Einfluss von Veritaserum befragt worden, weil Sid ständig Einwürfe machte, die die Verhandlung hinauszögerten, weswegen es heute auch so lange gedauert hatte.
Noch im Verhandlungszimmer sitzend lächelte Lucius arrogant. „Sie sind gerissen, Mr. Duvall, wenn ich das mal so sagen darf.“
„Meinen Sie damit, dass der erste Anklagepunkt schon einmal erledigt ist? Es wird nur noch das Strafmaß dafür verhandelt, aber immerhin nach dem Minderjährigenstrafgesetz. Sie haben also kaum etwas zu befürchten.“
Lucius nickte, warf jedoch ein: „Besonders gefallen hat mir, als sie dem Gamot verständlich gemacht haben, dass ein Imperiusfluch, unter dem man selbst gestanden haben könnte, gar nicht nachweisbar ist, nicht einmal mit Wahrheitsserum oder Erinnerungen. Solange die Ankläger keine Methode gefunden haben, mir das Gegenteil zu beweisen...“
Sid vervollständigte den Satz: „...wird man Ihren Fall so handhaben müssen, wie alle anderen Fälle in der Vergangenheit auch.“
„In diesem Punkt also ein klarer Freispruch.“ Das letzte Wort hatte Lucius sich auf der Zunge zergehen lassen.
„Wir müssen abwarten“, mahnte Sid, „was das Gamot noch im Schilde führt. Es gibt ja noch andere Anklagepunkte. Es wäre möglich, dass man Ihnen ein Bein stellen möchte.“
Das, dachte Lucius, könnte man nur, wenn Rosalind offenbaren sollte, dass sie von Lucius erpresst werden würde und sie würde es nicht wagen.
„Mr. Malfoy, wegen der Presse...“ Lucius horchte auf. „Wir sollten jetzt wirklich eine Entscheidung treffen und zwar heute.“
„In dieser Hinsicht vertraue ich Ihnen, Mr. Duvall. Suchen Sie sich eine Zeitung aus, wenn wir gleich den Raum verlassen.“
Im Ministerium waren um diese Uhrzeit die meisten Angestellten bereits gegangen, nur die mit den gewichtigen Posten verweilten noch hier, weswegen die Gänge wie ausgestorben wirkten, nur nicht der, den Sid und Lucius mit ihren vier Wärtern betraten.
„Mr. Malfoy!“ Die Reporter schrien durcheinander, kaum hatte sich die Tür geöffnet. Wie wild machten sie Fotos und kamen so dicht an ihn heran, dass die Wärter den Blonden abschirmen mussten. Als sich Lucius den Gang hinunterführen ließ, bemerkte er weiter vorn eine junge blonde Frau, die sich verträumt eine der steinernen Figuren betrachtete, die die Flure des Ministeriums zierten.
„Mr. Duvall?“ Sid drängte sich durch eine Lücke zwischen den vier Wächtern hindurch und lieh Lucius sein Ohr. „Dort vorn, die junge Frau. Nehmen Sie die!“
„Warum die?“, fragte Sid skeptisch.
„Weil sie weder aufdringlich ist noch unhöflich.“
Sid musterte die Blonde, die nun, als die aufgebrachte Menschentraube sich ihr langsam näherte, ihren Blick auf dem Häftling ruhen ließ. „Sie kommt mir bekannt vor“, sagte sein Beistand.
„Oh ja, das glaube ich gern. Sie hatte die Frage mit den Blumen gestellt.“
„Ja, ich erinnere mich. Sie scheint ein wenig verträumt.“ Sid wägte ab: „Vielleicht lässt sie sich leicht manipulieren.“
„Aber nicht so, dass es ihr womöglich auffällt!“ Um nichts in der Welt wollte Lucius, dass man ihm die Beeinflussung der Presse nachsagen würde.
„Keine Sorge, wenn ich das Gamot beeinflussen kann, wird mir das bei einer kleinen Journalistin sicherlich auch gelingen. Bis dann, Mr. Malfoy.“
Lucius sah Sid nach, der sich der blonden Frau näherte und mit ihr zu reden begann. Die anderen Journalisten hefteten sich weiterhin an seine Fersen, ohne zu erkennen, was sein Beistand mit der Frau zu bereden hatte.
In der Mysteriumsabteilung war Draco an einer Tür stehengeblieben, die ihn anzuziehen schien. Als er eine Hand auf die schwarze Oberfläche legte, da wurde sie von einer Wärme umhüllt, die durch die Tür dringen musste. Von dieser Wärme verzaubert schloss er seine Augen, als er plötzlich eine Hand auf seiner Schulter spürte.
„Was sich dahinter verbirgt“, begann GeHa, „ist gleichermaßen gefährlich und wunderschön.“ Viel sanfter sprach der Verschwiegene: „Lassen Sie davon ab. Zu viel hiervon ist nicht gut.“
„Was ist das?“
„Selbst ich weiß nur ein wenig von Erzählungen, denn der Raum ist nicht zu öffnen.“
„Nicht zu öffnen?“ Draco blickte sich nochmals die Tür an. „Aber was hat das für einen Sinn? Ein Raum, den man nicht betreten kann. Wie soll man an das herankommen, was sich dahinter verbirgt?“
„Oh, es sind Mitarbeiter in diesem Raum. Die Tür wird sich eines Tages von alleine öffnen, wenn sie das“, er räusperte sich, „Problem behoben haben.“
„Die können nicht raus? Aber wie können die da drin auf sich selbst gestellt überleben?“
„Sie leben von Luft... Nein, Mr. Malfoy, kommen Sie. Wir waren schon viel zu lang unterwegs. Die beiden Damen haben wir genug warten lassen.“ GeHa legte eine Hand auf Dracos Rücken, um ihn mit einem sanften Druck zum Gehen zu bewegen. „Die letzte Ruhestätte der Venus“, murmelte der Verschwiegene, bevor sie zurück in den Raum kamen, in dem Ginny und Professor Trelawney warteten.
„Draco, ist alles in Ordnung?“, fragte seine Mitschülerin sofort.
„Kein Wort, Mr. Malfoy! Ich werde Ihnen die Erinnerung nehmen und dann wird TroFi Sie alle hinausbegleiten. Es ist schon sehr spät.“
GeHa zückte seinen Zauberstab und in diesem Moment bereute Draco, die Führung gemacht zu haben, denn nun müsste er alles vergessen. Die Erinnerung an den großen schwarzen Kasten in dem schwarzweißen Raum würde er von allem am liebsten behalten, doch er glaubte nicht, dass GeHa mit sich handeln lassen würde. Unbewusst legte Draco eine Hand auf sein Herz und ballte sie langsam zur Faust, als würde er jetzt bereits etwas missen; das Gefühl, sein eigenes Herz zu kennen. GeHa beobachtete seine Bewegung und ahmte sie sogar nach. Zu spät bemerkte Draco, dass der alte Verschwiegene nicht die Geste imitierte, sondern sich aus Schmerz an die Brust griff und gleich darauf zu taumeln begann, wie schon einmal während der Führung.
„Um Himmels Willen!“ Draco umfasste GeHa, dessen Gesicht vor Schmerz verzerrt war, damit der nicht zusammensacken würde. „Ruft diesen anderen Typen rein!“
Sibyll näherte sich Draco und dem Verschwiegenen, während Ginny die Türen nacheinander öffnete und nach TroFi rief. Sie kniete sich nieder und zog ihren Zauberstab. Die Lehrerin war völlig gelassen und leistete erste Hilfe, wie sie es vor zig Jahrzehnten einmal gelernt haben musste, doch ihr war nicht ein wichtiger Zauberspruch entfallen. GeHas Gesichtszüge entspannten sich wieder, die Atmung wurde ruhiger. Schon war TroFi an der Seite seines Kollegen.
„Dein Herz?“
GeHa nickte. „Es geht schon wieder.“
„Von wegen.“ Sich einmal die Gäste beschauend fragte er GeHa: „Ist ein Vergissmich notwendig?“ Draco schloss die Augen, doch er riss sie sofort wieder auf, als er den alten Mann überraschenderweise verneinen hörte. Ein letzter Blick in GeHas Augen verriet ihm, dass der Alte durchaus ganz bei Sinnen war.
TroFi richtete das Wort an die Gäste: „Gehen Sie durch die offene Tür. Draußen wartete jemand, der Sie hinausführen wird.“
„Gut“, sagte Ginny aufgeregt.
Bevor Draco ging, kniete er sich nieder und sagte zum Verschwiegenen, der nun am Boden gegen TroFi gelehnt saß: „Ich hoffe, es geht Ihnen bald besser. Alles Gute.“
Er verkniff sich das „Danke“, denn dann würde der andere Verschwiegene vielleicht hellhörig werden.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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- Sonea Ginevra Inava
- Drache
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- Registriert: 23.11.2010 12:04
Re: Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit (170)
Hab jetzt endlich geschafft bis hierhin zu lesen. Naja, eigentlich habe ich das schon vor einigen Tagen. Die Geschichte mag ich immer noch, da gibt es also nicht viel zu zu sagen. Hab jetzt aber noch keine Stelle herausgesucht, wo diese "Perspektivwechsel" vewirren, werds aber machen sobald ich wieder genug Zeit habe. ;)
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Tom Hiddleston
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- Eule
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Hallo Sonea Ginevra Inava,
erst einmal gratuliere ich herzlich. Du scheinst recht fix zu lesen. :) Es ist schön zu wissen, dass dir die Geschichte noch immer gefällt.
Ich vermute, dass dir so ein Perspektivwechsel nicht mehr unterkommen wird. In den 3 ½ Jahren, die ich für diese FF gebraucht habe, habe ich einiges dazu gelernt. Es kann durchaus sein, dass noch ganz zu Beginn so ein verwirrender Wechsel vorkam. Vielleicht fällts mir selbst auf, wenn ich die Geschichte noch einmal lese.
Liebe Grüße und viel Spaß beim Lesen
Muggelchen
171 Höhen und Tiefen
„Treten Sie ein“, hörte sie Popovich sagen, nachdem Hermine zur abgemachten Zeit an seine Tür geklopft hatte.
Drinnen bot er ihr einen Stuhl an. Ein heiteres Lächeln zierte sein Gesicht, was ihr ein wenig die Furcht nahm, aber dennoch war sie sehr angespannt.
„Sie haben bestanden!“, sagte er kurz und knapp.
Noch konnte sich Hermine nicht freuen und sie fragte beschwörend: „Aber mit welchen Noten?“
Popovich musste auflachen. „In der Regel freuen sich die neuen Zaubertränkemeister, dass sie überhaupt bestanden haben.“ Er nahm ein Pergament in die Hand und überflog es. „Überall Bestnoten, Miss Granger.“
Auf die Stelle, von der der Stein eben abgefallen war, legte sie ihre Hand und sie atmete einmal tief durch. Sie hatte ihren Meister geschafft und auch noch mit Bestnoten.
„Es gab da einen kleinen Streitpunkt, aber wir Prüfer konnten uns einigen.“
„Was denn für einen Streitpunkt?“, fragte sie klopfenden Herzens, obwohl jetzt nichts mehr schiefgehen konnte.
„Ihre schriftliche Berechnung, die Sie parallel zum gebrauten Trank erstellt haben, ist nicht gerade eine, die man in der Schule lernt“, erörterte Popovich. „Macfayden und ich konnten die anderen beiden jedoch davon überzeugen, dass der Rechenweg nicht Inhalt der Bewertung ist, sondern das Ergebnis, das dabei herauskommt.“
„Ich hab mir das im Mungos angewöhnt, eine Aufgabe mit verschiedenen Rechenwegen zu lösen.“
„Solange das gewünschte Ergebnis dabei herauskommt, sehe ich kein Problem, Miss Granger. Ich vermute, aber das bleibt bitte unter uns, dass die beiden Kollegen diesen Weg einfach nicht nachvollziehen konnten.“
Popovich musste schadenfroh schmunzeln. Er reichte ihr einige Unterlagen.
„Dort finden Sie Ihre ausführliche Bewertung und natürlich die unterschriebene Urkunde. Außerdem wäre es nett von Ihnen, wenn Sie Professor Snape den Umschlag überreichen, den Sie in der Mappe finden werden. Ich habe mir zudem gestattet, Ihnen einige Informationsbroschüren bezüglich beruflicher Laufbahnen beizulegen.“
„Danke, Mr. Popovich.“
Mit festem Händedruck gratulierte er ihr persönlich, bevor er sie zur Tür begleitete.
„Ach, wären Sie doch so freundlich, Professor Snape meinen persönlichen Gruß zu übermitteln?“ Verwundert blickte sie Popovich an, der von sich aus erklärte: „Er ist ein ehemaliger Schulkamerad von mir. Nicht dass wir Freunde gewesen wären, nein, das nicht.“ Popovich ließ es so klingen, als wäre es unmöglich gewesen, sich damals mit Severus anzufreunden. „Wir waren nicht einmal im gleichen Haus, aber unser gemeinsames Interesse an Zaubertränken hat uns verbunden.“
„In welchem Haus waren Sie?“, fragte Hermine neugierig.
„Ravenclaw.“
„Er hat nie von Ihnen gesprochen.“
„Spricht er überhaupt viel?“, hielt Popovich schmunzelnd dagegen. „Grüßen Sie ihn von mir. Ich würde es begrüßen, wenn er sich eines weiteren Schülers annehmen würde. Offenbar sind seine pädagogischen Fähigkeiten doch nicht so miserabel, wie man es sich erzählt.“
Hermine verkniff sich einen Kommentar und bedankte sich erneut, bevor sie sich auf den Weg zur Eingangshalle des Ministeriums machte.
Kaum noch jemand befand sich hier. Von dem Trubel im Ministerium war am frühen Abend nicht mehr viel zu merken. Natürlich gab es noch Menschen, die an der Information standen und sich über etwas erkundigten, aber alles war übersichtlich. Bevor sie einen der Kamine nutzen konnte, wurde sie von jemandem abgefangen.
„Tonks? Gibt es etwas Bestimmtes?“
„Ja, gibt es.“ Die Aurorin lächelte schalkhaft, weswegen Hermine etwas ahnte.
„Ihr habt doch nichts geplant oder?“
„Komm einfach mit, wirst es nicht bereuen!“ Weil Hermine sich nicht vom Fleck bewegte, drohte Tonks scherzend: „Ich könnte dich auch festnehmen und abführen, das weißt du, oder?“
Hermine grinste. „Ich komme auch freiwillig mit.“
Es irritierte Hermine, dass Tonks sie an eine Telefonzelle führte, denn mit der würde man hochfahren, bis man ein heruntergekommenes Viertel im Zentrum von London erreicht hatte.
Gerade wollte Hermine den Mund öffnen, das sagte Tonks: „Frag nicht, lass dich überraschen!“
Auf der Straße angekommen öffnete Tonks ihr die Tür, bevor sie sich umsah, um sich zu vergewissern, dass auch niemand schaute. Unerwartet wurde Hermine an der Schulter gepackt, bevor Tonks apparierte und sie dabei mitnahm.
Sie fanden sich in einer dunklen Gasse wieder, in denen überfüllte Müllcontainer die Luft verpesteten. Die anliegende Straße war sehr belebt. Tonks nahm Hermine an die Hand. Sie mussten nur eine Straßenecke weitergehen, da bemerkte Hermine das Schild über dem Lokal, das Tonks ansteuerte.
„Das ist nicht dein Ernst?“ Hermine grinste, als sie den Namen des Restaurants vorlas: „'Hexentreff'? Und das mitten in London ...“
„Wird von einem Squib geführt. Sind aber auch Muggel anwesend, also nicht den Zauberstab ziehen!“
Die gemütliche Atmosphäre schlug Hermine sofort entgegen, nachdem sie eingetreten war. Das Lokal war sehr gut besucht, aber kaum einer der Gäste, die sich fröhlich unterhielten, schenkte den beiden Damen Beachtung. Ein Kellner trat an Tonks heran.
„Ein Tisch für zwei?“, fragte er.
„Nein, die Reservierung auf den Namen 'Potter'.“
Der Kellner nickte. „Folgen Sie mir bitte.“
Vorbei an turtelnden Pärchen, ernst diskutierenden Geschäftsmännern und ausgelassenen Gästen führte der Kellner sie bis ganz nach hinten zu einem offenen Durchgang, hinter dem sich ein kleinerer Raum befand. Hier hielten sich zwei Gruppen auf. An den Tischen rechts saß offensichtlich eine kleine Hochzeitsgesellschaft oder der Rest davon. An den beiden zusammengestellten Tischen links erblickte Hermine die fröhlichen Gesichter von Ginny, Harry, Remus, Neville, Luna, Ron und Angelina. Jedem stand ein breites Lächeln im Gesicht und Hermine spürte, dass sich ihre Freunde die Gratulation gerade noch so verkneifen konnten, um sie erst einmal zu begrüßen, womit Harry den Anfang machte.
„Hermine!“ Er stand auf und ging zu ihr hinüber. „Lass dich drücken.“ Seinen Worten folgten Taten. „Ich gratuliere dir ganz herzlich zur bestandenen Prüfung.“
Nacheinander, damit es nicht unübersichtlich wurde, erhoben sich ihre Freunde, um Harrys Beispiel zu folgen. Selbst von Angelina wurde Hermine geherzt, auch wenn die Freundin von Ron bei der innigen Umarmung, die er ihr gleich im Anschluss zukommen ließ, verlegen woanders hinschaute.
Bisher hatte sich Hermine noch nicht setzen können und denken konnte sie bei dieser Überraschung schon gar nicht. Als ihr Gehirn endlich bewusst registrierte, wer sich alles für heute Abend zusammengefunden hatte, spürte sie eine Welle der Enttäuschung. Luna klopfte sanft auf das Polster des leeren Stuhles, der neben ihrem eigenen stand, damit Hermine sich setzen würde.
Ginny, die ihr gegenüber saß, verkündete: „Draco wäre gekommen, wirklich gern sogar, aber er ist heute ein wenig durch den Wind.“ Hermine nickte nur betrübt, sagte jedoch nichts.
In diesem Zusammenhang erläuterte Harry: „Susan wäre natürlich auch gekommen, aber sie ist ja noch im Mutter-Kind-Schutz, darf das Haus nicht verlassen.“ Wieder nickte sie bekümmert.
„Ich hab Albus vorhin noch getroffen“, warf Remus ein, „kurz bevor ich losgegangen bin. Er lässt schön grüßen, will dir aber noch persönlich gratulieren.“ Ein Lächeln, viel zu kurz und unecht, huschte über Hermines Lippen, die gleich darauf zu zittern begannen, was jeder bemerkte.
Um die Tischecke herum rutschte Ron näher an Hermine heran und legte ihr einen Arm um die Schulter. Als sie aufblickte, sagte Ron, um für sie und die anderen Situation ein wenig aufzulockern: „Das ist völlig normal. Das ist nur die Hermin'sche Stressentladung. Ist gleich wieder vorbei.“
Sie lachte auf, zog gleich darauf die Nase hoch und trocknete sich prophylaktisch die Augen, damit keine Träne fallen würde. Gemischte Gefühle übermannten sie. Die Erleichterung, die Prüfung bestanden zu haben. Die Freude, dass ihre Freunde diesen Moment mit ihr feiern wollten. Die Ernüchterung, dass besonders einer fehlte, dem ihr erfolgreicher Abschluss zumindest ein kleines bisschen etwas bedeuten sollte. Ron gab ihr Halt, wofür sie dankbar war. Enttäuschungen waren immer besser zu ertragen, wenn man einen Freund an der Seite hatte.
Plötzlich stutzte Ron. „Oder bist du etwa durchgefallen?“
Sie schüttelte den Kopf und musste lächeln. „Nein, ich hab bestanden. Ich finde es interessant, dass mich das keiner von euch gefragt hat, bevor ihr mir gratuliert.“
„Weil wir dich eben kennen“, antwortete Luna gelassen.
Den Abend über ließ sich Hermine so gut es ging nicht anmerken, dass Severus' Abwesenheit sie verletzte. Sie hatte herausgehört, dass Harry, Remus und Neville den heutigen Abend kurzfristig geplant hatten und sie hoffte, dass sie sein Fortbleiben den dreien in die Schuhe schieben konnte. Sie fragte gar nicht erst nach, ob jemand für heute abgesagt hätte, denn das würde sie noch tiefer treffen als davon auszugehen, er wäre gar nicht gefragt worden. Diese nicht gestellte Frage beantwortete bedauerlicherweise Remus aus einem Gespräch heraus.
„Severus sagte, er hätte für heute etwas anderes geplant.“
Hermine schnaufte, als sie diesen Satz vernahm, woraufhin jeder sie anblickte. Mit beträchtlich gehässigem Unterton sagte sie: „Ja, wahrscheinlich muss er die schleimigen Dinger in seinen Gläsern neu anordnen.“
Niemand kommentierte ihre bissige Aussage, um nicht selbst zum Ziel ihrer Angriffslaune zu werden.
Gar nicht angriffslustig war Draco, der in Malfoy Manor auf der ausladenden Couch im grünen Salon saß, seinen Tee einnahm und kaum ein Wort von sich gab, höchstens wenn man ihn ansprach. Er war noch immer ganz mitgenommen von dem Gefühl, einen Blick in sein eigenes Herz geworfen zu haben. So gern würde er mit Susan darüber reden, doch er wollte weder GeHa noch sie in eine missliche Lage bringen. Es wäre GeHas Pflicht gewesen, seine Erinnerungen zu löschen und sollte er Susan von seiner Erfahrung berichten, dann würde sie zwischen den Stühlen stehen, weil sie eventuell melden müsste, dass die Geheimhaltung in der Mysteriumsabteilung zu wünschen übrig ließ.
„Draco“, seufzte sie. „Wenn du mir nicht sagst, was los ist, dann kann ich dir nicht helfen.“ Mit dem schlummernden Charles im Arm setzte sie sich neben ihn und nahm seine Hand.
„Ich bin kein schlechter Mensch“, sagte er völlig unverhofft.
Sie wusste im ersten Moment nicht, was sie darauf sagen sollte. „Darüber machst du dir Gedanken? Hat das jemand zu dir gesagt?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein, ich hab es immer geglaubt.“
Ihr Daumen strich über seinen Handrücken. Mit dieser kleinen Geste sagte sie ihm, dass er falsch gelegen hatte und sie das früher gewusst hatte als er. Um das Thema zu wechseln sprach Susan etwas an, was ihr schon länger auf dem Herzen lag.
„Deine Mutter ...“
„Was ist mit ihr?“, fragte er besorgt.
Sie blickte ihm in die Augen und sagte leise, damit Narzissa sie nicht hören könnte, sollte die zufällig den Salon betreten: „Sie weint sehr oft.“ Wortlos bat er sie darum fortzufahren, was sie auch tat. „Manchmal, besonders abends, sehe ich sie in der Bibliothek. Sie hat immer ein Taschentuch in der Hand. Sie hält sich zurück, aber ich höre sie schluchzen.“
Die Schilderung drückte ihm aufs eigene Gemüt. „Sie vermisst Vater“, flüsterte er und er machte sich nicht einmal die Mühe, seine eigene Traurigkeit zu verbergen. „Sie haben oft vor dem Zu-Bett-Gehen gemeinsam in der Bibliothek gelesen.“
Susan nickte verständnisvoll. „Er wird ja nicht für immer fortbleiben, das habe ich ihr auch schon gesagt. Selbst wenn er die Höchststrafe bekommen sollte, wären das in seinem Fall nur sieben Jahre.“
„'Nur' sieben Jahre“, wiederholte er monoton. „Charles wäre dann sieben Jahre alt, wir wären sieben Jahre verheiratet.“ Er seufzte. „Es verändert sich so viel im Leben. Ich wünschte, er könnte daran teilnehmen.“
„Na ja“, begann sie gelassen. „Ich habe gehört, sein Beistand wäre ein Sophist.“ Sie lächelte ihn an. „Ein echter Fuchs.“
„Oh“, machte Draco amüsiert. „Dann passen die beiden ja bestens zusammen. Hast du schon etwas über die Verhandlung erfahren?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nicht viel. Der Beistand ist beim Gamot wohl nicht sehr beliebt, das habe ich als Erstes gehört. Die Verhandlung dauert länger als geplant. Morgen steht sehr wahrscheinlich ein Artikel in der Muggelpost.“ Draco zog beide Augenbrauen in die Höhe, weswegen Susan versicherte: „Ja wirklich! Ich hab nämlich gehört, dass der Beistand heute erstmalig ein Interview gegeben hat – exklusiv für die Muggelpost.“
„Wieso denn bitteschön die Muggelpost? Weiß mein Vater davon?“
Er konnte sich nicht vorstellen, dass sein Vater die Zustimmung gegeben haben soll, gerade einer Zeitung ein Interview zu geben, die größtenteils von Muggelfreunden gekauft wurde.
„Wenn es nicht sogar seine Idee gewesen war! Du weißt, dass die öffentliche Meinung sehr wichtig ist. Viele werden sich die gleiche Frage stellen wie du. Warum die Muggelpost? Warum nicht lieber den Tagespropheten? Macht es deinen Vater nicht vielleicht sogar für jemanden, der ihn nie persönlich kennen gelernt hat, ein wenig sympathischer? Manche könnten hineininterpretieren, dass Lucius Malfoy jahrelang ein falsches Gesicht zeigen musste. Es wurden schon genügend Einzelschicksale in den Zeitungen beschrieben. Schicksale, die zeigten, dass Menschen sich nur aus Angst um ihre Familien mit Voldemort verbündeten.“
„Und du meinst, man könnte glauben, bei meinem Vater wäre es genauso gewesen?“
„Für die Menschen, die nur objektiv alle Informationen aus den Zeitungen zusammentragen und sich daraus ein Urteil bilden, könnte es so aussehen. Vergiss nicht, dass durch die Presse ging, wie er sich widerstandslos ergeben hat und das noch, bevor Voldemort besiegt wurde. Von seiner Erblindung stand in der Presse, was bei einigen vielleicht sogar Mitleid ausgelöst haben könnte. Dein Vater war früher ein angesehener Mann, der sich öffentlich nie etwas zu Schulden kommen ließ. Im Gegenteil. Jeder weiß, dass er einer der großzügigsten Spender war, wenn es um das Mungos ging. Er hatte mal einen guten Ruf als Wohltäter. Das haben einige noch im Hinterkopf. Und dann bist da noch du. Es wurde über uns geschrieben, über Harry und Dumbledore, die auf unserer Hochzeit waren. Du hast damit angefangen, den Namen Malfoy von Schmutz zu befreien und neu anzufangen. Wenn das nicht die Öffentlichkeit wachgerüttelt hat, dann hoffentlich deinen Vater.“
Draco wägte ab. „Aber man könnte auch zu dem Schluss kommen, dass dieses öffentliche Gesicht von damals sein falsches gewesen war.“
Sie zog beide Augenbrauen in die Höhe. „Die, die ihn kennen, wünschen ihm die sieben Jahre Haft.“
„Und du?“, fragte er neugierig und auch ein wenig ängstlich.
Für einige Minuten antwortete sie nicht, weswegen er glaubte, sie würde sich dazu nicht äußern wollen, doch dann, ganz leise, gab sie zu: „Ich habe Angst davor, mit ihm in einem Haus zu leben.“
Besorgt wollte er wissen: „Wovor genau? Davor, dass er dir etwas antun könnte?“ Er deutete mit einer Kopfbewegung auf Charles, der ihn ihrem Arm schlief. „Oder ihm? Oder hast du einfach nur davor Angst, dass mein Vater eklig zu uns ist?“
Susan lachte leise. „Das wird er sein, mit Sicherheit. Er hat mir klar und deutlich zu verstehen gegeben, was er von mir hält.“
„Das werde ich ihm austreiben, Susan. Und Mutter wird es nicht soweit kommen lassen, dass er Zeit findet, die Atmosphäre zu vergiften.“
„Sei dir da nicht so sicher. Ein Mann in seinem Alter lässt sich nicht so einfach umerziehen.“
Draco seufzte. „Dann werde ich ihm Zuckerbrot und Peitsche geben, je nachdem, wie er sich verhält. Aber erst einmal warten wir in Ruhe ab, wie seine Verhandlung verläuft.“ Mit einer ausgestreckten Hand strich er dem schlafenden Charles über die Wange. „Ich werde mit Mutter reden. Wenn sie mit mir nicht reden will, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als Andromeda mit einzubeziehen. Ich möchte nicht, dass meine Mutter so viel Kummer hat. Sie braucht Abwechslung.“
„Wir könnten jemanden einstellen!“, schlug Susan sofort vor.
Mit in Falten gelegte Stirn wiederholte er: „Jemanden einstellen? Aber wozu?“
„Wenn ich wieder arbeiten gehe, dann brauchen wir jemanden für Charles.“
„Nein, Susan. Meine Mutter ist hier und würde sich liebend gern um ihn kümmern. Außerdem bin ich nur noch bis Ende Juni in Hogwarts, nicht mal mehr ein halbes Jahr. Ich werde mich um ihn kümmern.“
„Du? Hast du gar nicht vor, dir eine Arbeit zu suchen?“
„Ich ...“ Draco hielt inne, denn er konnte nicht antworten, weil er darüber noch nicht nachgedacht hatte. „Ich weiß nicht. Ich habe nicht einmal bestimmte Vorstellungen. Vielleicht ...“
„Vielleicht was?“, drängelte sie.
„Vielleicht steige ich ins Quidditch-Geschäft ein? Mache was mit Rennbesen oder den Bällen. Schnatze herzustellen ist schwer, das könnte mich interessieren.“
Sie lächelte plötzlich breit und steckte ihn damit an.
„Was ist?“, forderte er mit glänzenden Augen.
„Ich finde schön“, begann sie sanft, „dass du dir Gedanken machst, was du später mal machen könntest. Weißt du, ich bin nur durch Zufall ins Ministerium gekommen, natürlich auch durch meine Tante, weil jeder sie kannte.“ Sie seufzte. „Durch die DA hatte ich viel mit Kingsley zu tun. Du weißt schon. Kingsley Shacklebolt.“ Draco nickte. „Wir haben uns gut verstanden. Er hat immer wieder gesagt, dass ich die Dinge so beleuchte wie meine Tante es getan hat. Irgendwann hat er gefragt, ob ich nicht mal ins Ministerium kommen möchte, um mal reinzuschnuppern. Ein Praktikum. Solche Leute wie mich, sagte er, würde sie brauchen. Ich war da und mir hat es gefallen. Man hat mir einen tiefen Einblick gestattet und ich habe dort meine Ausbildung begonnen.“ Sie blickte gedankenverloren auf die Flammen im Kamin. „Eines Tages brach Chaos aus, als es einen Bombenanschlag im Ministerium gegeben hat. Der Minister hatte ihn überlebt, aber eine Menge Angestellter sind gestorben. Viele, wirklich viele.“
Als würde sie derer Gedenken, die ihr Leben an diesem Tag verloren hatten, setzte sie eine Schweigeminute ein.
„Ab diesem Zeitpunkt habe ich sozusagen im Ministerium gelebt, habe dort geschlafen und bis spät in die Nacht hinein die Arbeit von mindestens zwanzig Leuten übernommen – und mich zusätzlich um meine Aufgabe in der DA gekümmert. Ich glaube, durch die viele Arbeit habe ich den Krieg einfach ausgeblendet, habe nicht mehr großartig drüber nachgedacht, weil ich mich damit nicht beschäftigen wollte. Ich wollte nur, dass es endlich vorbei ist und habe alles gegeben, was in meiner Macht stand. Der damalige Minister hat mich wegen meines Ehrgeizes und meines Enthusiasmus befördert. Das war kurz bevor ihn der nächste Anschlag ...“ Sie schluckte. „Er ist gestorben.“
Charles begann zu quengeln, weswegen Draco ihn ihr abnahm und wiegte. Er hörte ihr weiterhin zu, denn dieses Mal war es ihre Zeit, über die Vergangenheit zu reden.
„Kingsley, ich und eine Handvoll vertrauenswürdiger Mitarbeiter hatten arge Mühe, das Chaos im Ministerium einzudämpfen. Es musste alles wieder zum Laufen gebracht werden, auch ohne Minister. Dawlish ...“ Sie grinste. „Ich kann ihn nicht ausstehen, aber der Mann ist Gold wert. Er hat seine Ohren überall und hat damit angefangen, die Mitarbeiter zu entlarven, die mit Voldemort unter einer Decke steckten. Das Problem war, dass wir damit immer weniger im Ministerium wurden, aber das war notwendig. Es durften keine Informationen mehr nach draußen gelangen. Zwei, drei Wochen, nachdem der Minister umgekommen war, war der Krieg zu Ende.“ Sie atmete erleichtert aus. „Snape und du, ihr beide wart mein erster Fall nach Kriegsende. Der erste, normale Fall! Ich werde nie vergessen, wie Kingsley und ich euch verhört haben.“
„Das werde ich allerdings auch nicht vergessen“, gestand Draco, der damals Angst gehabt hatte, in Askaban zu landen. „Ich hätte auch nie gedacht, wie wir beide eines Tages enden könnten.“ Seine Augen lächelten mehr als seine Lippen.
„Ich habe mich damals darum gerissen, mit dabei sein zu dürfen. Eigentlich war es die Aufgabe von Kingsley und Dawlish, aber Kingsley hat mich als Zeuge der Befragung gewählt. Ich war zu dem Zeitpunkt immerhin schon stellvertretenden Leiterin der Abteilung für magische Strafverfolgung. Dawlish hat zwar versucht, bei eurem Verhör anwesend zu sein, aber wir haben ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht.“
Nur vage konnte sich Draco daran erinnern, dass ein Mann ins Büro gestürmt kam, der von Kingsley wieder des Zimmers verwiesen wurde.
„Ich bin froh“, hauchte Draco, während er Charles betrachtete, der seine kleinen Fäustchen ballte. „Froh, dass alles so gekommen ist.“
Ihre Antwort war ein Kuss auf seine Wange.
Draußen vor dem „Hexentreff“ verabschiedete sich Ron mit einem Kuss auf die Wange als Letzter von Hermine, bevor jeder seiner Wege ging. Harry, Ginny, Neville, Remus und Hermine gingen geschlossen zur nächsten Gasse, um vor die Tore Hogwarts' zu apparieren. Dort angekommen unterbrach Harry das Schweigen, welches Hermine momentan perfekt beherrschte.
„War doch eine schöne Überraschung oder?“, wollte er zaghaft wissen. Sie nickte lediglich, während sie über das Gelände bis zum Eingang des Schlosses liefen.
Mit einem Mut, den man selten von Neville zu sehen kam, sagte er scheinbar zusammenhanglos: „Pomona würde nicht nur auf einer Feier für mich erscheinen, sie würde sie sehr wahrscheinlich sogar selbst organisieren.“
„Neville!“ Remus blickte ihn vorwurfsvoll an.
„Was denn?“, verteidigte er sich. „Snape war immer ein Mistkerl. Ich dachte eigentlich, das hätte sich geändert.“
„Das ist eben nicht sein Ding“, warf Harry ein.
Hermine griff ein, bevor die Unterhaltung noch weiter fortgeführt werden konnte. Ihr Gesicht war bereits sehr ernst, aber ihre durch die Zähne gezischten Worten unterstrichen ihre Stimmung nur noch.
„Ist doch sowieso egal. Jetzt ist ja alles vorbei. Wir haben nichts mehr miteinander zu tun!“
„Nicht?“, fragte Neville verwirrt nach. „Und wozu der Gespenstische Steinregen?“
Abrupt blieb Hermine stehen. Mit großen Augen blickte sie Neville an und als diese Information bei ihr gesackt war, schaute sie zu Remus hinüber und zwar durch verengte Augenlider. Remus wusste gar nicht, was er sagen oder tun sollte. Er hatte Neville gegenüber niemals etwas über Severus' Problem erwähnt.
„Leute, ich bin nicht blöd“, stellte der Kräuterkundeschüler klar. „Nachdem du“, er schaute zu Remus, „die Bücher wieder zurückgebracht hast, habe ich die Stellen über die Pflanze gelesen, die du gesucht hat. Ganz scheußlich, was da stand. Von Charlie weiß ich, dass Harry ihm Knucker-Schuppen geschenkt hat.“
Völlig verdattert fragte Harry: „Wieso hast du denn Kontakt zu Charlie?“
„Na, weil einige Drachen bestimmte Pflanzen aufspüren können. Pomona hat Kontakte zu einigen Drachenreservaten und ich habe den Kontakt zu Charlie geknüpft.“ Er lächelte verlegen. „Schon für später, wenn ich einmal selbstständig arbeite.“ Neville schaute zu Hermine hinüber, doch die hatte ihre Augen auf den Boden gerichtet. „Es gibt nicht viele Tränke, in denen diese beiden Zutaten vorkommen. Ich denke, dass Hermines Pastillen bei Severus nicht gut wirken können, wenn das passiert ist, was ich mir ... in der letzten Zeit zusammengereimt habe.“
Darüber erschrocken wollte Hermine wissen: „Weiß Pomona davon?“
Neville zuckte mit den Schultern, als sie Hogwarts erreicht und die Eingangshalle betraten. „Sie hat den Ewigen See in einem Buch gefunden und gesagt, dass damals für diesen Trank der Steinregen und die Schuppen verwendet wurden. Sie hat ihre Schilderungen allgemein gehalten, hat über damalige Experimente von Heilern gesprochen. Ich weiß nicht, ob sie was ahnt, aber ehrlich gesagt: Sie ist schlauer als ich.“
„Verdammt!“, schimpfte Hermine mit sich selbst. „Neville“, sie klang sehr flehend, „das muss unter uns bleiben!“
Sie blieb nach ein paar Schritten in der Eingangshalle stehen und sagte einen Moment später abschließend: „Sonst kann ich mir genauso gut eine Zielscheibe auf die Brust malen, durch Hogwarts rennen und rufen 'Severus ist ein Stinkstiefel'.“
Eine ölige Stimme bescherte allen eine Gänsehaut, als Severus, der lautlos aus einem Gang getreten war, Hermine hilfsbereit anbot: „Dürfte ich Ihnen dafür vielleicht den Pinsel und einen Eimer rote Farbe reichen?“
Nachdem sich Neville von dem kleinen Schock erholt hatte, suchte er nach einem Grund, sich zu verabschieden. „Ich bin dann mal auf meinem Zimmer. Gute Nacht.“ Schon war er verschwunden. Harry schaute unmerklich auf die Uhr. Es war erst kurz vor zehn.
„Und?“ Mit diesem einen Wort hatte Severus die volle Aufmerksamkeit der vier Verbleibenden erhalten. „Haben Sie schön gefeiert?“
Man konnte sehen, dass sich Hermine in die Innenseite der Wange biss, bevor sie bissig antwortete: „Ich hatte einen wunderbaren Abend!“
„Sehr schön, dann würde ich Ihnen gern etwas überreichen. Wenn Sie mir folgen würden?“
Severus ging bereits vor zu den Treppen, aber Hermine ließ ihn warten, startete sogar noch eine kleine Unterhaltung mit Remus, Ginny und Harry, die alles daransetzten, das Gespräch so kurz wie nur möglich zu halten.
Weil Ginny Harry an die Hand nahm und sich beide mit der Ausrede davonstahlen, sich um Nicholas kümmern zu müssen, obwohl Wobbel es dem Kleinen an nichts fehlen lassen würde, standen nur noch Hermine und Remus in der Eingangshalle. Remus schaute in Severus' Richtung. Der wartete geduldig am Treppenabsatz, blickte dabei nicht einmal zu den beiden hinüber.
„Ich gehe jetzt besser“, sagte er scheu zu Hermine. „Es sei denn, du möchtest, dass ich dabei bin?“
„Mir wäre noch nach einer Partie Schach, wenn du Lust hast“, schlug sie vor.
„In Ordnung, ich warte dann vor deiner Tür.“
„Du kannst auch drinnen warten. Das Passwort ist 'scientia'.“
Endlich näherten sich Hermine und Remus dem Wartenden und als Hermine die Treppe nach unten in die Kerker nehmen wollte, sagte Severus: „Nein, bei Ihnen. Ich habe mir erlaubt, von den Hauselfen etwas auf Ihr Zimmer bringen zu lassen.“
Skeptisch zog sie eine Augenbraue hinauf. „Gut.“
Im vierten Stock verabschiedete sich Remus unerwartet, um auf sein Zimmer zu gehen, ließ Hermine aber die Möglichkeit offen, bei ihm zu klopfen, wenn ihr nachher noch nach einem Schachspiel wäre.
In ihrem Zimmer machte Hermine ganz große Augen, denn auf ihrem Tisch standen einige Dinge. Sie blickte Severus fragend an, der sich gerade äußern wollte, dann aber zu dem Gemälde von Callidita schaute.
„Wäre es wohl möglich, unter vier Augen ...? Gemalte zählen auch!“
Sie stutzte und wägte einen Moment ab, ob sie Callidita wirklich ins Schlafzimmer bringen sollte, aber ihr war jetzt nicht danach zumute, sich mit Severus anzulegen. Sie gab nach.
Als sie zurückkam, hatte Severus noch nicht Platz genommen, doch er bückte sich gerade, um Fellini zu kraulen. Sofort richtete er sich auf, nachdem er sie bemerkt hatte.
„Warum waren Sie nicht da?“, fragte sie niedergeschlagen.
„Ich dachte, Lupin hätte es Ihnen erzählt? Ich habe für heute etwas anderes geplant.“
„Oh doch, das hat er gesagt.“ Sie schnaufte, um ihren Unmut Luft zu machen.
Ohne auf ihre Stimmung einzugehen informierte er sie über etwas sehr Interessantes: „Ich habe heute eine Eule von Mr. Zabini erhalten. Er spricht auch Sie an, weswegen Sie den Brief lesen sollten.“
Aus seiner Innentasche zog er ein gefaltetes Pergament, das Hermine entgegennahm, bevor sie es aufmerksam las.
„Oh, Pansy kann noch nicht laufen?“
Er schüttelte den Kopf. „Die Muskeln sind verkümmert. Sie wird einige Zeit mit ein paar gezielten Leibesübungen verbringen müssen, bevor sie unbeschwert am Leben teilnehmen kann. Mr. Zabini schrieb bereits, dass er sich privat um Heiler bemüht, damit er Miss Parkinson mit nachhause nehmen kann.“
„Das wäre auch besser für ihre Genesung“, stimmte sie zu, bevor sie ihm den Brief zurückgab. „Wenigstens ist sie nun ansprechbar.“
Sie betrachtete die vielen Dinge auf dem Tisch. Einige davon kannte sie, weil sie mit ihnen gearbeitet hatte.
„Severus? Wozu das alles?“ Sie deutete allgemein auf die Gegenstände, als letztes auf den Kessel, der aus den Panzern einer Feuerkrabbe hergestellt worden war.
„Das dürfen Sie als Geschenk betrachten.“
„Aber ...“
Sie betrachtete sich die Objekte genauer. Da waren Goldlöffel, auch welche aus Silber, drei Mörser aus Bronze, Messing und Holz, neu aussehende Gefäße aus Glas, ein paar Bücher und, was sie sehr erstaunte, die Basiliskenschuppen, in deren Besitz Severus noch war.
„Nach Ihrer Ausbildung und der bestandenen Prüfung ...“ Er legte eine Pause ein und blickte sie intensiv an, weil er eine Bestätigung dafür erwartete, dass er sich nicht geirrt hatte. Mit einem Nicken ließ sie ihn wissen, dass sie ihren Meister gemacht hatte. Er fuhr fort. „... möchte ich Ihnen für Ihren beruflichen Werdegang mit einer kleinen Grundausstattung unter die Arme greifen.“
„Ein Feuerkrabben-Kessel zählt nicht zur Grundausstattung“, warf sie irritiert ein. „Severus, Sie können mir nicht so teure Dinge überlassen!“
„Ich kann. Wozu soll der Kessel weitere 23 Jahre ungenutzt in meinem Schrank stehen? Bevor wir gemeinsam damit gearbeitet haben, habe ich ihn nur ein einziges Mal in Gebrauch gehabt. Das war kurz nachdem ich ihn geschenkt bekommen habe. Sie werden sicherlich mehr Verwendung dafür finden als ich.“
„Und der goldene Kessel? Das ist zu viel des Guten!“
„Ich habe noch einen, der höchstens als Anschauungsobjekt für Siebtklässler herhalten kann. Ich benutze sie selten.“
Es hatte ihr die Sprache verschlagen. Viele dieser Arbeitsmaterialien waren sehr kostenintensiv. Sie hätte sich später selbst um die Anschaffung kümmern müssen.
Noch immer war Hermine fassungslos. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll ...“
„Wie wäre es mit 'danke'?“
Mit einem Lächeln auf den Lippen wiederholte sie seinen Vorschlag. Von einem ihrer Schränke holte er etwas, bevor er sich zu ihr gesellte.
„Außerdem dachte ich, wäre bei so einer Gelegenheit ein gesitteter Umtrunk angemessen.“ Er hielt ihr eine Flasche entgegen. „Sie mögen Wein?“
„Ja, sehr gern sogar.“
Während er die Flasche vorsichtig auf altmodische Weise mit einem Korkenzieher öffnete, erzählte er: „Ich habe mich vorhin mit Albus unterhalten. Er möchte Sie morgen gern gegen 13 Uhr in seinem Büro sprechen.“
Mit einem Male gingen ihr viele Dinge durch den Kopf. Sie müsste Hogwarts verlassen und sich eine Wohnung suchen. Auch einen Job und ...
„Er wird Sie sicherlich nicht sofort vor die Tür setzen“, sagte er beruhigend, als hätte er ihre Sorge gespürt. „Und Ihnen auch keine Rechnung für Kost und Logis ausstellen.“ Der Korken hatte sich mit einem lauten Plop aus dem Flaschenhals gelöst, so dass Severus einschenken konnte. „Ich nehme an, weil Albus das gern macht, dass er Sie fragen möchte, wie Sie Ihre berufliche Zukunft sehen, was auch mich in gewisser Weise interessiert.“
Hermine nahm ihr Weinglas entgegen. „Ich mache das, was ich ganz zu Anfang schon wollte. Ich bewerbe mich im Mungos als Heilerin.“ Er kommentierte nicht verbal, nur mit einem nasalen Laut. „Was?“, fragte sie missbilligend.
„Woran liegt Ihnen mehr, Hermine? An der Forschung oder daran, Menschen mit einem Wutsch Ihres Stabes oder einem Trank zu helfen?“
„Das hält sich die Waage.“
„Dann werden Sie im Mungos auf die Forschung verzichten müssen“, stellte er klar.
„Wieso? Dort gibt es auch eine Forschungsabteilung!“, hielt sie energisch dagegen.
Er setzte sich mit seinem Glas in der Hand direkt neben sie auf die Couch und musterte sie einen Augenblick. Verlegen schaute sie weg. Ihr Blick fiel auf die Flasche Wein.
„Warum ist da ein Einhornkopf drauf?“, lenkte sie ab. Sie griff nach der Weinflasche und schaute sie sich genauer an. „'182 von 300'? Das ist doch nicht etwa der Nesselwein, den Harry damals ...“
„Genau derselbe!“
„Den hat er Ihnen geschenkt, Severus. Den hätten Sie für eine besondere Gelegenheit aufbewahren sollen.“
Kaum hatten die Worte ihren Mund verlassen, war sie sich bewusst darüber, dass Severus den Wein für genau so eine Situation aufbewahrt hatte – für heute.
„Zurück zum Mungos“, sagte er. „Natürlich gibt es dort eine Forschungsabteilung. Wenn eine reiche Dame der Meinung ist, man müsste eine neue Creme gegen Falten entwickeln“, er verzog das Gesicht, „dann gibt sie dem Mungos Geld, damit daran geforscht wird.“ Gelangweilt fand eine Augenbraue den Weg nach oben. „Es handelt sich um pure Auftragsforschung, Hermine. Sie werden keine Möglichkeit finden, Ihre eigenen Ideen dort einzubringen. Das halten Sie sich bitte vor Augen, wenn Sie sich dort um eine Stelle bewerben.“
„Oh.“
Mehr brachte sie nicht heraus, denn der Gedanke war sehr ernüchternd, Anti-Faltencremes entwickeln zu müssen. Vielleicht beschäftigte sie aber noch immer die Tatsache, dass er den guten Wein angebrochen hatte.
„Ich werde mich trotzdem erst dort bewerben, damit ich etwas Geld verdienen kann. Ich will mich nicht unüberlegt in ein berufliches Abenteuer begeben.“ Sie wüsste gar nicht, wie sie sich allein über Wasser halten könnte.
„In ein berufliches Abenteuer kann man sich auch überlegt stürzen.“
Von seinen Aussagen fühlte sie sich bedrängt. „Was soll ich denn sonst machen?“
„Was würden Sie denn gern machen?“
Hermine stöhnte. Er sollte ruhig hören, dass seine Fragerei ihr auf die Nerven ging. Um den Spieß umzudrehen, begann sie wieder ein anderes Thema und sie hoffte, dass sie diesmal bei diesem Spielchen gewinnen würde.
„Ich soll Sie schön grüßen!“, sagte sie, woraufhin sie einen fragenden Blick erntete. „Von einem Mr. Popovich. Georgi Popovich.“
„Ah“, machte er, unterließ es jedoch, sie zu erleuchten.
„Kommen Sie schon. Sagen Sie mir, wer das ist“, drängelte sie freundlich.
„Ein damaliger Mitschüler, aber das wird er Ihnen sicherlich gesagt haben.“ Sie nickte, blickte ihn derweil fordernd an, was ihn zum Reden animierte. „Wir saßen ab der fünften Klasse häufig zusammen, wenn wir mit einem Partner Tränke brauen mussten.“
„Er war ein Ravenclaw, hat er jedenfalls gesagt.“ Er nickte. „Meine Güte, muss ich Ihnen wirklich alles aus der Nase ziehen?“ Sie grinste schelmisch, bevor sie weitere Fragen stellte. „War er ein Freund?“
„Ich möchte ihn nicht als solchen bezeichnen, nein. Wir teilten eine gemeinsame Vorliebe und verstanden uns ausschließlich auf dieser Ebene bestens.“
„Das glaube ich Ihnen gern, Severus. Ist ja bei uns nicht anders. Obwohl, ein wenig anders ist es schon, finde ich zumindest.“ Sie warf ihm ein unsicheres Lächeln zu und war erleichtert, dass er ihre Ausführung nicht auseinander pflückte oder gar verneinte. „Ich soll Sie auf jeden Fall schön grüßen. Es schien so, als würde er viel von Ihnen halten.“
„Seine Arbeit ist auch nicht zu verachten. Manchmal lese etwas über seine Forschung in Fachmagazinen. Er ist sehr hartnäckig, wofür er meinen Respekt hat.“
„Ach, ist das so? Und wenn ich hartnäckig bin, dann ist es 'unverschämt' oder 'aufdringlich'?“
Er schnaufte amüsiert. „Es ist Ihre gesamte Wesensart, die aufdringlich ist, nicht Ihre Hartnäckigkeit allein.“
Mit seinem Weinglas stieß er an das ihre, um auf die bestandene Prüfung zu trinken.
„Die Stelle in Japan ist übrigens noch immer zu haben“, sagte er nebenher.
„Nein danke! Es ist nett gemeint, aber ich hab fürs Erste genug vom Lernen.“ Sie stieß ihn keck mit dem Ellenbogen an, bevor sie ihm vorhielt: „Oder wollen Sie mich noch immer loswerden?“
„Ich bin Sie längst los, schon vergessen? Sie bekommen noch bis Ende Januar Ihr Gehalt, aber rein vertraglich haben wir nichts mehr miteinander zu tun“, stellte er nüchtern klar.
Ihr Glas stellte sie vorsichtig auf dem Tisch ab. Dass sich ihr Leben nach der Ausbildung wieder verändern würde, war ihr klar gewesen. Es war nur alles so schnell gegangen. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, dass er gedankenverloren in die Gegend starrte.
Leise, fast flüsternd, sagte sie: „Sie brauchen nicht zu glauben, dass ich mich nicht mehr kümmern werde.“ Seinen Kopf hatte er so schnell gedreht, dass eine Strähne beinahe in seinem Weinglas gelandet wäre, welches er in der Nähe des Mundes hielt. „Ich werde schon eine Lösung finden!“
„Machen Sie sich lieber Gedanken um Ihre berufliche Laufbahn und nicht um etwas, das keiner Aufmerksamkeit bedarf“, zischte er wütend.
„Ich hab jetzt auch den Gespenstischen Steinregen bekommen und ...“
Sie verstummte, als er sein Weinglas auf dem Tisch abstellte und aufstand. Seine Hände verschränkte er hinter dem Rücken, bevor er an seiner Hakennase zu ihr herabsah.
„Ich empfehle mich dann. Gute Nacht.“
Ihr leises Seufzen hörte er nicht. „Severus, bleiben Sie hier.“
Aufgebracht, aber nicht mehr in der Stimmung, den Raum zu verlassen, wetterte er: „Was Sie in Ihrer Freizeit außerhalb Hogwarts anstellen ist mir völlig gleich. Wagen Sie es nur nicht, innerhalb dieser Schule mit Pflanzen zu experimentieren, an denen sich damals schon Heiler die Zähne ausgebissen haben. Und schon gar nicht sollten Sie sich trauen, heulend zu mir gelaufen zu kommen, wenn Ihnen irgendwelche Gliedmaßen abhanden gekommen sind!“
„Man hat mich mehrmals gewarnt, Severus. Glauben Sie, ich wäre so dumm, eine mir unbekannte Pflanze einfach anzufassen?“
„Sie sind ja auch so dumm gewesen, sich dieses Unkraut zu besorgen!“
„Und weil ich von nichts eine Ahnung habe, habe ich heute auch meine Prüfung mit Bestnoten bestanden, richtig?“
Es klopfte und Hermine ahnte schon etwas, weswegen sie ihr Gesicht verzog, als wäre sie sich eben eines Fehlers bewusst geworden. Sie öffnete die Tür und es war, wie sie es vorhergesehen hatte, Remus, der schmunzelnd am Türrahmen stand und sich köstlich zu amüsieren schien.
„Komm doch rein“, bat Hermine. „Ich hätte Bescheid sagen sollen wegen dem Schach. Ich glaube nicht ...“
„Ich bin nicht wegen der Partie hier, Hermine. Eher, um euch beide“, er warf Severus eine Blick zu, „daran zu erinnern, ein wenig Rücksicht auf andere zu nehmen.“ Er bemerkte die vielen Gegenstände auf dem Tisch und sagte dann erstaunt: „Ist das Wein?“
Bevor Remus zugreifen konnte, sagte Severus bestimmend: „Wein, den ich diesmal nicht mit Ihnen teilen möchte. Dafür ist er einfach zu kostbar.“
„Seien Sie nicht so, Severus, das ist Remus gegenüber unhöflich.“
Während Hermine ein Glas holte, um Remus einen Schluck einzuschenken, betrachtete der neben den vielen Geschenken auf den Tisch auch seinen Kollegen.
„Und? Zufrieden mit Hermines Leistung?“, fragte er den Tränkemeister.
„Wie soll ich das verstehen?“
„Du hast die ausgebildet und sie hat bestanden.“
„Natürlich hat sie das, daran habe ich nie gezweifelt.“
Severus brummte missgelaunt, als Hermine Remus ein Glas von dem Nesselwein reichte. Die beiden stießen, wie schon im Lokal, nochmals miteinander an.
„Auf dich, Hermine. Was hast du denn jetzt mit deinem Meister in der Tasche vor?“
„Jetzt fang du auch noch an“, murmelte sie gereizt, denn vorhin war sie solchen Fragen geschickt ausgewichen.
Nicht zurückhalten konnte sich Severus, der mit hörbarer Unzufriedenheit verriet: „Sie will sich im Mungos bewerben.“
Erstaunt schaute Remus die junge Tränkemeisterin an. „Wieso denn das? Hast du früher nicht immer davon geschwärmt, eines Tages eine ...“
„Das waren Träume, Remus! Ein Wunschdenken, um den Krieg zu überstehen, um mir eine Zukunft vorzugaukeln, die ich nicht einmal mit Sicherheit haben würde. Das muss sich nicht zwangsweise erfüllen.“
„Aber es wäre doch schön, wenn ...“
Severus unterbrach Remus und fragte, weil Hermine ihm sowieso nicht antworten würde: „Wovon hat sie früher geschwärmt?“
„Von ...“
„Remus!“, fuhr sie ihn an. „Ich bin für so etwas zu jung, habe keine Erfahrung!“
„Wovon?“, wiederholte Severus mit Nachdruck.
„Das soll vielleicht besser Hermine beantworten, wenn Sie es möchte, heißt das“, wandte sich Remus geschickt heraus. Um sie aber zu retten, fragte er sie: „Hast du Severus von Luna erzählt?“
„Ich glaube nicht, dass ihn das interessieren wird.“
„Oh, ich denke schon“, sagte Remus selbstsicher und er ließ sich auch nicht von Severus' rollenden Augen irritieren. „Sie hat erzählt, dass Malfoys Beistand, ein gewisser Mr. Duvall, sie angesprochen hätte. Er möchte, dass Luna exklusiv in der Muggelpost über die Verhandlung berichtet?“
„Mr. Duvall?“, wiederholte Severus nachdenklich.
„Kennst du ihn?“
Er hob und senkte die Schultern einmal langsam, bevor er gewissenhaft antwortete: „Karkaroff hat mal von einem seiner ehemaligen Schüler gesprochen, der Duvall hieß. Ich glaube, der Vorname war Sid.“
Remus hob einen Zeigefinger: „Das ist unser Mann! Und genau dieser Sid scheint zu glauben, Luna um den kleinen Finger wickeln zu können.“
„Ich kann nicht ganz folgen“, gestand Severus.
„Ist doch klar: Malfoy will seinen Namen in der Öffentlichkeit reinwaschen und braucht dazu die Presse. Er hat aus unerfindlichen Gründen Luna gewählt und die“, Remus setzte eine kleine Pause ein, um den Spannungsbogen zu steigern, „macht sich jetzt daran, etwas über diesen Sid Duvall in Erfahrung zu bringen.“
„Und wenn der Mann eine reine Weste hat?“, gab Hermine zu bedenken.
„Dann hat er eben eine.“ Remus zuckte mit den Schultern. „Die Hauptsache ist, dass Luna eine gigantische Story an der Angel hat und wenn sie noch etwas mehr daraus machen kann, umso besser!“
erst einmal gratuliere ich herzlich. Du scheinst recht fix zu lesen. :) Es ist schön zu wissen, dass dir die Geschichte noch immer gefällt.
Ich vermute, dass dir so ein Perspektivwechsel nicht mehr unterkommen wird. In den 3 ½ Jahren, die ich für diese FF gebraucht habe, habe ich einiges dazu gelernt. Es kann durchaus sein, dass noch ganz zu Beginn so ein verwirrender Wechsel vorkam. Vielleicht fällts mir selbst auf, wenn ich die Geschichte noch einmal lese.
Liebe Grüße und viel Spaß beim Lesen
Muggelchen
171 Höhen und Tiefen
„Treten Sie ein“, hörte sie Popovich sagen, nachdem Hermine zur abgemachten Zeit an seine Tür geklopft hatte.
Drinnen bot er ihr einen Stuhl an. Ein heiteres Lächeln zierte sein Gesicht, was ihr ein wenig die Furcht nahm, aber dennoch war sie sehr angespannt.
„Sie haben bestanden!“, sagte er kurz und knapp.
Noch konnte sich Hermine nicht freuen und sie fragte beschwörend: „Aber mit welchen Noten?“
Popovich musste auflachen. „In der Regel freuen sich die neuen Zaubertränkemeister, dass sie überhaupt bestanden haben.“ Er nahm ein Pergament in die Hand und überflog es. „Überall Bestnoten, Miss Granger.“
Auf die Stelle, von der der Stein eben abgefallen war, legte sie ihre Hand und sie atmete einmal tief durch. Sie hatte ihren Meister geschafft und auch noch mit Bestnoten.
„Es gab da einen kleinen Streitpunkt, aber wir Prüfer konnten uns einigen.“
„Was denn für einen Streitpunkt?“, fragte sie klopfenden Herzens, obwohl jetzt nichts mehr schiefgehen konnte.
„Ihre schriftliche Berechnung, die Sie parallel zum gebrauten Trank erstellt haben, ist nicht gerade eine, die man in der Schule lernt“, erörterte Popovich. „Macfayden und ich konnten die anderen beiden jedoch davon überzeugen, dass der Rechenweg nicht Inhalt der Bewertung ist, sondern das Ergebnis, das dabei herauskommt.“
„Ich hab mir das im Mungos angewöhnt, eine Aufgabe mit verschiedenen Rechenwegen zu lösen.“
„Solange das gewünschte Ergebnis dabei herauskommt, sehe ich kein Problem, Miss Granger. Ich vermute, aber das bleibt bitte unter uns, dass die beiden Kollegen diesen Weg einfach nicht nachvollziehen konnten.“
Popovich musste schadenfroh schmunzeln. Er reichte ihr einige Unterlagen.
„Dort finden Sie Ihre ausführliche Bewertung und natürlich die unterschriebene Urkunde. Außerdem wäre es nett von Ihnen, wenn Sie Professor Snape den Umschlag überreichen, den Sie in der Mappe finden werden. Ich habe mir zudem gestattet, Ihnen einige Informationsbroschüren bezüglich beruflicher Laufbahnen beizulegen.“
„Danke, Mr. Popovich.“
Mit festem Händedruck gratulierte er ihr persönlich, bevor er sie zur Tür begleitete.
„Ach, wären Sie doch so freundlich, Professor Snape meinen persönlichen Gruß zu übermitteln?“ Verwundert blickte sie Popovich an, der von sich aus erklärte: „Er ist ein ehemaliger Schulkamerad von mir. Nicht dass wir Freunde gewesen wären, nein, das nicht.“ Popovich ließ es so klingen, als wäre es unmöglich gewesen, sich damals mit Severus anzufreunden. „Wir waren nicht einmal im gleichen Haus, aber unser gemeinsames Interesse an Zaubertränken hat uns verbunden.“
„In welchem Haus waren Sie?“, fragte Hermine neugierig.
„Ravenclaw.“
„Er hat nie von Ihnen gesprochen.“
„Spricht er überhaupt viel?“, hielt Popovich schmunzelnd dagegen. „Grüßen Sie ihn von mir. Ich würde es begrüßen, wenn er sich eines weiteren Schülers annehmen würde. Offenbar sind seine pädagogischen Fähigkeiten doch nicht so miserabel, wie man es sich erzählt.“
Hermine verkniff sich einen Kommentar und bedankte sich erneut, bevor sie sich auf den Weg zur Eingangshalle des Ministeriums machte.
Kaum noch jemand befand sich hier. Von dem Trubel im Ministerium war am frühen Abend nicht mehr viel zu merken. Natürlich gab es noch Menschen, die an der Information standen und sich über etwas erkundigten, aber alles war übersichtlich. Bevor sie einen der Kamine nutzen konnte, wurde sie von jemandem abgefangen.
„Tonks? Gibt es etwas Bestimmtes?“
„Ja, gibt es.“ Die Aurorin lächelte schalkhaft, weswegen Hermine etwas ahnte.
„Ihr habt doch nichts geplant oder?“
„Komm einfach mit, wirst es nicht bereuen!“ Weil Hermine sich nicht vom Fleck bewegte, drohte Tonks scherzend: „Ich könnte dich auch festnehmen und abführen, das weißt du, oder?“
Hermine grinste. „Ich komme auch freiwillig mit.“
Es irritierte Hermine, dass Tonks sie an eine Telefonzelle führte, denn mit der würde man hochfahren, bis man ein heruntergekommenes Viertel im Zentrum von London erreicht hatte.
Gerade wollte Hermine den Mund öffnen, das sagte Tonks: „Frag nicht, lass dich überraschen!“
Auf der Straße angekommen öffnete Tonks ihr die Tür, bevor sie sich umsah, um sich zu vergewissern, dass auch niemand schaute. Unerwartet wurde Hermine an der Schulter gepackt, bevor Tonks apparierte und sie dabei mitnahm.
Sie fanden sich in einer dunklen Gasse wieder, in denen überfüllte Müllcontainer die Luft verpesteten. Die anliegende Straße war sehr belebt. Tonks nahm Hermine an die Hand. Sie mussten nur eine Straßenecke weitergehen, da bemerkte Hermine das Schild über dem Lokal, das Tonks ansteuerte.
„Das ist nicht dein Ernst?“ Hermine grinste, als sie den Namen des Restaurants vorlas: „'Hexentreff'? Und das mitten in London ...“
„Wird von einem Squib geführt. Sind aber auch Muggel anwesend, also nicht den Zauberstab ziehen!“
Die gemütliche Atmosphäre schlug Hermine sofort entgegen, nachdem sie eingetreten war. Das Lokal war sehr gut besucht, aber kaum einer der Gäste, die sich fröhlich unterhielten, schenkte den beiden Damen Beachtung. Ein Kellner trat an Tonks heran.
„Ein Tisch für zwei?“, fragte er.
„Nein, die Reservierung auf den Namen 'Potter'.“
Der Kellner nickte. „Folgen Sie mir bitte.“
Vorbei an turtelnden Pärchen, ernst diskutierenden Geschäftsmännern und ausgelassenen Gästen führte der Kellner sie bis ganz nach hinten zu einem offenen Durchgang, hinter dem sich ein kleinerer Raum befand. Hier hielten sich zwei Gruppen auf. An den Tischen rechts saß offensichtlich eine kleine Hochzeitsgesellschaft oder der Rest davon. An den beiden zusammengestellten Tischen links erblickte Hermine die fröhlichen Gesichter von Ginny, Harry, Remus, Neville, Luna, Ron und Angelina. Jedem stand ein breites Lächeln im Gesicht und Hermine spürte, dass sich ihre Freunde die Gratulation gerade noch so verkneifen konnten, um sie erst einmal zu begrüßen, womit Harry den Anfang machte.
„Hermine!“ Er stand auf und ging zu ihr hinüber. „Lass dich drücken.“ Seinen Worten folgten Taten. „Ich gratuliere dir ganz herzlich zur bestandenen Prüfung.“
Nacheinander, damit es nicht unübersichtlich wurde, erhoben sich ihre Freunde, um Harrys Beispiel zu folgen. Selbst von Angelina wurde Hermine geherzt, auch wenn die Freundin von Ron bei der innigen Umarmung, die er ihr gleich im Anschluss zukommen ließ, verlegen woanders hinschaute.
Bisher hatte sich Hermine noch nicht setzen können und denken konnte sie bei dieser Überraschung schon gar nicht. Als ihr Gehirn endlich bewusst registrierte, wer sich alles für heute Abend zusammengefunden hatte, spürte sie eine Welle der Enttäuschung. Luna klopfte sanft auf das Polster des leeren Stuhles, der neben ihrem eigenen stand, damit Hermine sich setzen würde.
Ginny, die ihr gegenüber saß, verkündete: „Draco wäre gekommen, wirklich gern sogar, aber er ist heute ein wenig durch den Wind.“ Hermine nickte nur betrübt, sagte jedoch nichts.
In diesem Zusammenhang erläuterte Harry: „Susan wäre natürlich auch gekommen, aber sie ist ja noch im Mutter-Kind-Schutz, darf das Haus nicht verlassen.“ Wieder nickte sie bekümmert.
„Ich hab Albus vorhin noch getroffen“, warf Remus ein, „kurz bevor ich losgegangen bin. Er lässt schön grüßen, will dir aber noch persönlich gratulieren.“ Ein Lächeln, viel zu kurz und unecht, huschte über Hermines Lippen, die gleich darauf zu zittern begannen, was jeder bemerkte.
Um die Tischecke herum rutschte Ron näher an Hermine heran und legte ihr einen Arm um die Schulter. Als sie aufblickte, sagte Ron, um für sie und die anderen Situation ein wenig aufzulockern: „Das ist völlig normal. Das ist nur die Hermin'sche Stressentladung. Ist gleich wieder vorbei.“
Sie lachte auf, zog gleich darauf die Nase hoch und trocknete sich prophylaktisch die Augen, damit keine Träne fallen würde. Gemischte Gefühle übermannten sie. Die Erleichterung, die Prüfung bestanden zu haben. Die Freude, dass ihre Freunde diesen Moment mit ihr feiern wollten. Die Ernüchterung, dass besonders einer fehlte, dem ihr erfolgreicher Abschluss zumindest ein kleines bisschen etwas bedeuten sollte. Ron gab ihr Halt, wofür sie dankbar war. Enttäuschungen waren immer besser zu ertragen, wenn man einen Freund an der Seite hatte.
Plötzlich stutzte Ron. „Oder bist du etwa durchgefallen?“
Sie schüttelte den Kopf und musste lächeln. „Nein, ich hab bestanden. Ich finde es interessant, dass mich das keiner von euch gefragt hat, bevor ihr mir gratuliert.“
„Weil wir dich eben kennen“, antwortete Luna gelassen.
Den Abend über ließ sich Hermine so gut es ging nicht anmerken, dass Severus' Abwesenheit sie verletzte. Sie hatte herausgehört, dass Harry, Remus und Neville den heutigen Abend kurzfristig geplant hatten und sie hoffte, dass sie sein Fortbleiben den dreien in die Schuhe schieben konnte. Sie fragte gar nicht erst nach, ob jemand für heute abgesagt hätte, denn das würde sie noch tiefer treffen als davon auszugehen, er wäre gar nicht gefragt worden. Diese nicht gestellte Frage beantwortete bedauerlicherweise Remus aus einem Gespräch heraus.
„Severus sagte, er hätte für heute etwas anderes geplant.“
Hermine schnaufte, als sie diesen Satz vernahm, woraufhin jeder sie anblickte. Mit beträchtlich gehässigem Unterton sagte sie: „Ja, wahrscheinlich muss er die schleimigen Dinger in seinen Gläsern neu anordnen.“
Niemand kommentierte ihre bissige Aussage, um nicht selbst zum Ziel ihrer Angriffslaune zu werden.
Gar nicht angriffslustig war Draco, der in Malfoy Manor auf der ausladenden Couch im grünen Salon saß, seinen Tee einnahm und kaum ein Wort von sich gab, höchstens wenn man ihn ansprach. Er war noch immer ganz mitgenommen von dem Gefühl, einen Blick in sein eigenes Herz geworfen zu haben. So gern würde er mit Susan darüber reden, doch er wollte weder GeHa noch sie in eine missliche Lage bringen. Es wäre GeHas Pflicht gewesen, seine Erinnerungen zu löschen und sollte er Susan von seiner Erfahrung berichten, dann würde sie zwischen den Stühlen stehen, weil sie eventuell melden müsste, dass die Geheimhaltung in der Mysteriumsabteilung zu wünschen übrig ließ.
„Draco“, seufzte sie. „Wenn du mir nicht sagst, was los ist, dann kann ich dir nicht helfen.“ Mit dem schlummernden Charles im Arm setzte sie sich neben ihn und nahm seine Hand.
„Ich bin kein schlechter Mensch“, sagte er völlig unverhofft.
Sie wusste im ersten Moment nicht, was sie darauf sagen sollte. „Darüber machst du dir Gedanken? Hat das jemand zu dir gesagt?“
Er schüttelte den Kopf. „Nein, ich hab es immer geglaubt.“
Ihr Daumen strich über seinen Handrücken. Mit dieser kleinen Geste sagte sie ihm, dass er falsch gelegen hatte und sie das früher gewusst hatte als er. Um das Thema zu wechseln sprach Susan etwas an, was ihr schon länger auf dem Herzen lag.
„Deine Mutter ...“
„Was ist mit ihr?“, fragte er besorgt.
Sie blickte ihm in die Augen und sagte leise, damit Narzissa sie nicht hören könnte, sollte die zufällig den Salon betreten: „Sie weint sehr oft.“ Wortlos bat er sie darum fortzufahren, was sie auch tat. „Manchmal, besonders abends, sehe ich sie in der Bibliothek. Sie hat immer ein Taschentuch in der Hand. Sie hält sich zurück, aber ich höre sie schluchzen.“
Die Schilderung drückte ihm aufs eigene Gemüt. „Sie vermisst Vater“, flüsterte er und er machte sich nicht einmal die Mühe, seine eigene Traurigkeit zu verbergen. „Sie haben oft vor dem Zu-Bett-Gehen gemeinsam in der Bibliothek gelesen.“
Susan nickte verständnisvoll. „Er wird ja nicht für immer fortbleiben, das habe ich ihr auch schon gesagt. Selbst wenn er die Höchststrafe bekommen sollte, wären das in seinem Fall nur sieben Jahre.“
„'Nur' sieben Jahre“, wiederholte er monoton. „Charles wäre dann sieben Jahre alt, wir wären sieben Jahre verheiratet.“ Er seufzte. „Es verändert sich so viel im Leben. Ich wünschte, er könnte daran teilnehmen.“
„Na ja“, begann sie gelassen. „Ich habe gehört, sein Beistand wäre ein Sophist.“ Sie lächelte ihn an. „Ein echter Fuchs.“
„Oh“, machte Draco amüsiert. „Dann passen die beiden ja bestens zusammen. Hast du schon etwas über die Verhandlung erfahren?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nicht viel. Der Beistand ist beim Gamot wohl nicht sehr beliebt, das habe ich als Erstes gehört. Die Verhandlung dauert länger als geplant. Morgen steht sehr wahrscheinlich ein Artikel in der Muggelpost.“ Draco zog beide Augenbrauen in die Höhe, weswegen Susan versicherte: „Ja wirklich! Ich hab nämlich gehört, dass der Beistand heute erstmalig ein Interview gegeben hat – exklusiv für die Muggelpost.“
„Wieso denn bitteschön die Muggelpost? Weiß mein Vater davon?“
Er konnte sich nicht vorstellen, dass sein Vater die Zustimmung gegeben haben soll, gerade einer Zeitung ein Interview zu geben, die größtenteils von Muggelfreunden gekauft wurde.
„Wenn es nicht sogar seine Idee gewesen war! Du weißt, dass die öffentliche Meinung sehr wichtig ist. Viele werden sich die gleiche Frage stellen wie du. Warum die Muggelpost? Warum nicht lieber den Tagespropheten? Macht es deinen Vater nicht vielleicht sogar für jemanden, der ihn nie persönlich kennen gelernt hat, ein wenig sympathischer? Manche könnten hineininterpretieren, dass Lucius Malfoy jahrelang ein falsches Gesicht zeigen musste. Es wurden schon genügend Einzelschicksale in den Zeitungen beschrieben. Schicksale, die zeigten, dass Menschen sich nur aus Angst um ihre Familien mit Voldemort verbündeten.“
„Und du meinst, man könnte glauben, bei meinem Vater wäre es genauso gewesen?“
„Für die Menschen, die nur objektiv alle Informationen aus den Zeitungen zusammentragen und sich daraus ein Urteil bilden, könnte es so aussehen. Vergiss nicht, dass durch die Presse ging, wie er sich widerstandslos ergeben hat und das noch, bevor Voldemort besiegt wurde. Von seiner Erblindung stand in der Presse, was bei einigen vielleicht sogar Mitleid ausgelöst haben könnte. Dein Vater war früher ein angesehener Mann, der sich öffentlich nie etwas zu Schulden kommen ließ. Im Gegenteil. Jeder weiß, dass er einer der großzügigsten Spender war, wenn es um das Mungos ging. Er hatte mal einen guten Ruf als Wohltäter. Das haben einige noch im Hinterkopf. Und dann bist da noch du. Es wurde über uns geschrieben, über Harry und Dumbledore, die auf unserer Hochzeit waren. Du hast damit angefangen, den Namen Malfoy von Schmutz zu befreien und neu anzufangen. Wenn das nicht die Öffentlichkeit wachgerüttelt hat, dann hoffentlich deinen Vater.“
Draco wägte ab. „Aber man könnte auch zu dem Schluss kommen, dass dieses öffentliche Gesicht von damals sein falsches gewesen war.“
Sie zog beide Augenbrauen in die Höhe. „Die, die ihn kennen, wünschen ihm die sieben Jahre Haft.“
„Und du?“, fragte er neugierig und auch ein wenig ängstlich.
Für einige Minuten antwortete sie nicht, weswegen er glaubte, sie würde sich dazu nicht äußern wollen, doch dann, ganz leise, gab sie zu: „Ich habe Angst davor, mit ihm in einem Haus zu leben.“
Besorgt wollte er wissen: „Wovor genau? Davor, dass er dir etwas antun könnte?“ Er deutete mit einer Kopfbewegung auf Charles, der ihn ihrem Arm schlief. „Oder ihm? Oder hast du einfach nur davor Angst, dass mein Vater eklig zu uns ist?“
Susan lachte leise. „Das wird er sein, mit Sicherheit. Er hat mir klar und deutlich zu verstehen gegeben, was er von mir hält.“
„Das werde ich ihm austreiben, Susan. Und Mutter wird es nicht soweit kommen lassen, dass er Zeit findet, die Atmosphäre zu vergiften.“
„Sei dir da nicht so sicher. Ein Mann in seinem Alter lässt sich nicht so einfach umerziehen.“
Draco seufzte. „Dann werde ich ihm Zuckerbrot und Peitsche geben, je nachdem, wie er sich verhält. Aber erst einmal warten wir in Ruhe ab, wie seine Verhandlung verläuft.“ Mit einer ausgestreckten Hand strich er dem schlafenden Charles über die Wange. „Ich werde mit Mutter reden. Wenn sie mit mir nicht reden will, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als Andromeda mit einzubeziehen. Ich möchte nicht, dass meine Mutter so viel Kummer hat. Sie braucht Abwechslung.“
„Wir könnten jemanden einstellen!“, schlug Susan sofort vor.
Mit in Falten gelegte Stirn wiederholte er: „Jemanden einstellen? Aber wozu?“
„Wenn ich wieder arbeiten gehe, dann brauchen wir jemanden für Charles.“
„Nein, Susan. Meine Mutter ist hier und würde sich liebend gern um ihn kümmern. Außerdem bin ich nur noch bis Ende Juni in Hogwarts, nicht mal mehr ein halbes Jahr. Ich werde mich um ihn kümmern.“
„Du? Hast du gar nicht vor, dir eine Arbeit zu suchen?“
„Ich ...“ Draco hielt inne, denn er konnte nicht antworten, weil er darüber noch nicht nachgedacht hatte. „Ich weiß nicht. Ich habe nicht einmal bestimmte Vorstellungen. Vielleicht ...“
„Vielleicht was?“, drängelte sie.
„Vielleicht steige ich ins Quidditch-Geschäft ein? Mache was mit Rennbesen oder den Bällen. Schnatze herzustellen ist schwer, das könnte mich interessieren.“
Sie lächelte plötzlich breit und steckte ihn damit an.
„Was ist?“, forderte er mit glänzenden Augen.
„Ich finde schön“, begann sie sanft, „dass du dir Gedanken machst, was du später mal machen könntest. Weißt du, ich bin nur durch Zufall ins Ministerium gekommen, natürlich auch durch meine Tante, weil jeder sie kannte.“ Sie seufzte. „Durch die DA hatte ich viel mit Kingsley zu tun. Du weißt schon. Kingsley Shacklebolt.“ Draco nickte. „Wir haben uns gut verstanden. Er hat immer wieder gesagt, dass ich die Dinge so beleuchte wie meine Tante es getan hat. Irgendwann hat er gefragt, ob ich nicht mal ins Ministerium kommen möchte, um mal reinzuschnuppern. Ein Praktikum. Solche Leute wie mich, sagte er, würde sie brauchen. Ich war da und mir hat es gefallen. Man hat mir einen tiefen Einblick gestattet und ich habe dort meine Ausbildung begonnen.“ Sie blickte gedankenverloren auf die Flammen im Kamin. „Eines Tages brach Chaos aus, als es einen Bombenanschlag im Ministerium gegeben hat. Der Minister hatte ihn überlebt, aber eine Menge Angestellter sind gestorben. Viele, wirklich viele.“
Als würde sie derer Gedenken, die ihr Leben an diesem Tag verloren hatten, setzte sie eine Schweigeminute ein.
„Ab diesem Zeitpunkt habe ich sozusagen im Ministerium gelebt, habe dort geschlafen und bis spät in die Nacht hinein die Arbeit von mindestens zwanzig Leuten übernommen – und mich zusätzlich um meine Aufgabe in der DA gekümmert. Ich glaube, durch die viele Arbeit habe ich den Krieg einfach ausgeblendet, habe nicht mehr großartig drüber nachgedacht, weil ich mich damit nicht beschäftigen wollte. Ich wollte nur, dass es endlich vorbei ist und habe alles gegeben, was in meiner Macht stand. Der damalige Minister hat mich wegen meines Ehrgeizes und meines Enthusiasmus befördert. Das war kurz bevor ihn der nächste Anschlag ...“ Sie schluckte. „Er ist gestorben.“
Charles begann zu quengeln, weswegen Draco ihn ihr abnahm und wiegte. Er hörte ihr weiterhin zu, denn dieses Mal war es ihre Zeit, über die Vergangenheit zu reden.
„Kingsley, ich und eine Handvoll vertrauenswürdiger Mitarbeiter hatten arge Mühe, das Chaos im Ministerium einzudämpfen. Es musste alles wieder zum Laufen gebracht werden, auch ohne Minister. Dawlish ...“ Sie grinste. „Ich kann ihn nicht ausstehen, aber der Mann ist Gold wert. Er hat seine Ohren überall und hat damit angefangen, die Mitarbeiter zu entlarven, die mit Voldemort unter einer Decke steckten. Das Problem war, dass wir damit immer weniger im Ministerium wurden, aber das war notwendig. Es durften keine Informationen mehr nach draußen gelangen. Zwei, drei Wochen, nachdem der Minister umgekommen war, war der Krieg zu Ende.“ Sie atmete erleichtert aus. „Snape und du, ihr beide wart mein erster Fall nach Kriegsende. Der erste, normale Fall! Ich werde nie vergessen, wie Kingsley und ich euch verhört haben.“
„Das werde ich allerdings auch nicht vergessen“, gestand Draco, der damals Angst gehabt hatte, in Askaban zu landen. „Ich hätte auch nie gedacht, wie wir beide eines Tages enden könnten.“ Seine Augen lächelten mehr als seine Lippen.
„Ich habe mich damals darum gerissen, mit dabei sein zu dürfen. Eigentlich war es die Aufgabe von Kingsley und Dawlish, aber Kingsley hat mich als Zeuge der Befragung gewählt. Ich war zu dem Zeitpunkt immerhin schon stellvertretenden Leiterin der Abteilung für magische Strafverfolgung. Dawlish hat zwar versucht, bei eurem Verhör anwesend zu sein, aber wir haben ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht.“
Nur vage konnte sich Draco daran erinnern, dass ein Mann ins Büro gestürmt kam, der von Kingsley wieder des Zimmers verwiesen wurde.
„Ich bin froh“, hauchte Draco, während er Charles betrachtete, der seine kleinen Fäustchen ballte. „Froh, dass alles so gekommen ist.“
Ihre Antwort war ein Kuss auf seine Wange.
Draußen vor dem „Hexentreff“ verabschiedete sich Ron mit einem Kuss auf die Wange als Letzter von Hermine, bevor jeder seiner Wege ging. Harry, Ginny, Neville, Remus und Hermine gingen geschlossen zur nächsten Gasse, um vor die Tore Hogwarts' zu apparieren. Dort angekommen unterbrach Harry das Schweigen, welches Hermine momentan perfekt beherrschte.
„War doch eine schöne Überraschung oder?“, wollte er zaghaft wissen. Sie nickte lediglich, während sie über das Gelände bis zum Eingang des Schlosses liefen.
Mit einem Mut, den man selten von Neville zu sehen kam, sagte er scheinbar zusammenhanglos: „Pomona würde nicht nur auf einer Feier für mich erscheinen, sie würde sie sehr wahrscheinlich sogar selbst organisieren.“
„Neville!“ Remus blickte ihn vorwurfsvoll an.
„Was denn?“, verteidigte er sich. „Snape war immer ein Mistkerl. Ich dachte eigentlich, das hätte sich geändert.“
„Das ist eben nicht sein Ding“, warf Harry ein.
Hermine griff ein, bevor die Unterhaltung noch weiter fortgeführt werden konnte. Ihr Gesicht war bereits sehr ernst, aber ihre durch die Zähne gezischten Worten unterstrichen ihre Stimmung nur noch.
„Ist doch sowieso egal. Jetzt ist ja alles vorbei. Wir haben nichts mehr miteinander zu tun!“
„Nicht?“, fragte Neville verwirrt nach. „Und wozu der Gespenstische Steinregen?“
Abrupt blieb Hermine stehen. Mit großen Augen blickte sie Neville an und als diese Information bei ihr gesackt war, schaute sie zu Remus hinüber und zwar durch verengte Augenlider. Remus wusste gar nicht, was er sagen oder tun sollte. Er hatte Neville gegenüber niemals etwas über Severus' Problem erwähnt.
„Leute, ich bin nicht blöd“, stellte der Kräuterkundeschüler klar. „Nachdem du“, er schaute zu Remus, „die Bücher wieder zurückgebracht hast, habe ich die Stellen über die Pflanze gelesen, die du gesucht hat. Ganz scheußlich, was da stand. Von Charlie weiß ich, dass Harry ihm Knucker-Schuppen geschenkt hat.“
Völlig verdattert fragte Harry: „Wieso hast du denn Kontakt zu Charlie?“
„Na, weil einige Drachen bestimmte Pflanzen aufspüren können. Pomona hat Kontakte zu einigen Drachenreservaten und ich habe den Kontakt zu Charlie geknüpft.“ Er lächelte verlegen. „Schon für später, wenn ich einmal selbstständig arbeite.“ Neville schaute zu Hermine hinüber, doch die hatte ihre Augen auf den Boden gerichtet. „Es gibt nicht viele Tränke, in denen diese beiden Zutaten vorkommen. Ich denke, dass Hermines Pastillen bei Severus nicht gut wirken können, wenn das passiert ist, was ich mir ... in der letzten Zeit zusammengereimt habe.“
Darüber erschrocken wollte Hermine wissen: „Weiß Pomona davon?“
Neville zuckte mit den Schultern, als sie Hogwarts erreicht und die Eingangshalle betraten. „Sie hat den Ewigen See in einem Buch gefunden und gesagt, dass damals für diesen Trank der Steinregen und die Schuppen verwendet wurden. Sie hat ihre Schilderungen allgemein gehalten, hat über damalige Experimente von Heilern gesprochen. Ich weiß nicht, ob sie was ahnt, aber ehrlich gesagt: Sie ist schlauer als ich.“
„Verdammt!“, schimpfte Hermine mit sich selbst. „Neville“, sie klang sehr flehend, „das muss unter uns bleiben!“
Sie blieb nach ein paar Schritten in der Eingangshalle stehen und sagte einen Moment später abschließend: „Sonst kann ich mir genauso gut eine Zielscheibe auf die Brust malen, durch Hogwarts rennen und rufen 'Severus ist ein Stinkstiefel'.“
Eine ölige Stimme bescherte allen eine Gänsehaut, als Severus, der lautlos aus einem Gang getreten war, Hermine hilfsbereit anbot: „Dürfte ich Ihnen dafür vielleicht den Pinsel und einen Eimer rote Farbe reichen?“
Nachdem sich Neville von dem kleinen Schock erholt hatte, suchte er nach einem Grund, sich zu verabschieden. „Ich bin dann mal auf meinem Zimmer. Gute Nacht.“ Schon war er verschwunden. Harry schaute unmerklich auf die Uhr. Es war erst kurz vor zehn.
„Und?“ Mit diesem einen Wort hatte Severus die volle Aufmerksamkeit der vier Verbleibenden erhalten. „Haben Sie schön gefeiert?“
Man konnte sehen, dass sich Hermine in die Innenseite der Wange biss, bevor sie bissig antwortete: „Ich hatte einen wunderbaren Abend!“
„Sehr schön, dann würde ich Ihnen gern etwas überreichen. Wenn Sie mir folgen würden?“
Severus ging bereits vor zu den Treppen, aber Hermine ließ ihn warten, startete sogar noch eine kleine Unterhaltung mit Remus, Ginny und Harry, die alles daransetzten, das Gespräch so kurz wie nur möglich zu halten.
Weil Ginny Harry an die Hand nahm und sich beide mit der Ausrede davonstahlen, sich um Nicholas kümmern zu müssen, obwohl Wobbel es dem Kleinen an nichts fehlen lassen würde, standen nur noch Hermine und Remus in der Eingangshalle. Remus schaute in Severus' Richtung. Der wartete geduldig am Treppenabsatz, blickte dabei nicht einmal zu den beiden hinüber.
„Ich gehe jetzt besser“, sagte er scheu zu Hermine. „Es sei denn, du möchtest, dass ich dabei bin?“
„Mir wäre noch nach einer Partie Schach, wenn du Lust hast“, schlug sie vor.
„In Ordnung, ich warte dann vor deiner Tür.“
„Du kannst auch drinnen warten. Das Passwort ist 'scientia'.“
Endlich näherten sich Hermine und Remus dem Wartenden und als Hermine die Treppe nach unten in die Kerker nehmen wollte, sagte Severus: „Nein, bei Ihnen. Ich habe mir erlaubt, von den Hauselfen etwas auf Ihr Zimmer bringen zu lassen.“
Skeptisch zog sie eine Augenbraue hinauf. „Gut.“
Im vierten Stock verabschiedete sich Remus unerwartet, um auf sein Zimmer zu gehen, ließ Hermine aber die Möglichkeit offen, bei ihm zu klopfen, wenn ihr nachher noch nach einem Schachspiel wäre.
In ihrem Zimmer machte Hermine ganz große Augen, denn auf ihrem Tisch standen einige Dinge. Sie blickte Severus fragend an, der sich gerade äußern wollte, dann aber zu dem Gemälde von Callidita schaute.
„Wäre es wohl möglich, unter vier Augen ...? Gemalte zählen auch!“
Sie stutzte und wägte einen Moment ab, ob sie Callidita wirklich ins Schlafzimmer bringen sollte, aber ihr war jetzt nicht danach zumute, sich mit Severus anzulegen. Sie gab nach.
Als sie zurückkam, hatte Severus noch nicht Platz genommen, doch er bückte sich gerade, um Fellini zu kraulen. Sofort richtete er sich auf, nachdem er sie bemerkt hatte.
„Warum waren Sie nicht da?“, fragte sie niedergeschlagen.
„Ich dachte, Lupin hätte es Ihnen erzählt? Ich habe für heute etwas anderes geplant.“
„Oh doch, das hat er gesagt.“ Sie schnaufte, um ihren Unmut Luft zu machen.
Ohne auf ihre Stimmung einzugehen informierte er sie über etwas sehr Interessantes: „Ich habe heute eine Eule von Mr. Zabini erhalten. Er spricht auch Sie an, weswegen Sie den Brief lesen sollten.“
Aus seiner Innentasche zog er ein gefaltetes Pergament, das Hermine entgegennahm, bevor sie es aufmerksam las.
„Oh, Pansy kann noch nicht laufen?“
Er schüttelte den Kopf. „Die Muskeln sind verkümmert. Sie wird einige Zeit mit ein paar gezielten Leibesübungen verbringen müssen, bevor sie unbeschwert am Leben teilnehmen kann. Mr. Zabini schrieb bereits, dass er sich privat um Heiler bemüht, damit er Miss Parkinson mit nachhause nehmen kann.“
„Das wäre auch besser für ihre Genesung“, stimmte sie zu, bevor sie ihm den Brief zurückgab. „Wenigstens ist sie nun ansprechbar.“
Sie betrachtete die vielen Dinge auf dem Tisch. Einige davon kannte sie, weil sie mit ihnen gearbeitet hatte.
„Severus? Wozu das alles?“ Sie deutete allgemein auf die Gegenstände, als letztes auf den Kessel, der aus den Panzern einer Feuerkrabbe hergestellt worden war.
„Das dürfen Sie als Geschenk betrachten.“
„Aber ...“
Sie betrachtete sich die Objekte genauer. Da waren Goldlöffel, auch welche aus Silber, drei Mörser aus Bronze, Messing und Holz, neu aussehende Gefäße aus Glas, ein paar Bücher und, was sie sehr erstaunte, die Basiliskenschuppen, in deren Besitz Severus noch war.
„Nach Ihrer Ausbildung und der bestandenen Prüfung ...“ Er legte eine Pause ein und blickte sie intensiv an, weil er eine Bestätigung dafür erwartete, dass er sich nicht geirrt hatte. Mit einem Nicken ließ sie ihn wissen, dass sie ihren Meister gemacht hatte. Er fuhr fort. „... möchte ich Ihnen für Ihren beruflichen Werdegang mit einer kleinen Grundausstattung unter die Arme greifen.“
„Ein Feuerkrabben-Kessel zählt nicht zur Grundausstattung“, warf sie irritiert ein. „Severus, Sie können mir nicht so teure Dinge überlassen!“
„Ich kann. Wozu soll der Kessel weitere 23 Jahre ungenutzt in meinem Schrank stehen? Bevor wir gemeinsam damit gearbeitet haben, habe ich ihn nur ein einziges Mal in Gebrauch gehabt. Das war kurz nachdem ich ihn geschenkt bekommen habe. Sie werden sicherlich mehr Verwendung dafür finden als ich.“
„Und der goldene Kessel? Das ist zu viel des Guten!“
„Ich habe noch einen, der höchstens als Anschauungsobjekt für Siebtklässler herhalten kann. Ich benutze sie selten.“
Es hatte ihr die Sprache verschlagen. Viele dieser Arbeitsmaterialien waren sehr kostenintensiv. Sie hätte sich später selbst um die Anschaffung kümmern müssen.
Noch immer war Hermine fassungslos. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll ...“
„Wie wäre es mit 'danke'?“
Mit einem Lächeln auf den Lippen wiederholte sie seinen Vorschlag. Von einem ihrer Schränke holte er etwas, bevor er sich zu ihr gesellte.
„Außerdem dachte ich, wäre bei so einer Gelegenheit ein gesitteter Umtrunk angemessen.“ Er hielt ihr eine Flasche entgegen. „Sie mögen Wein?“
„Ja, sehr gern sogar.“
Während er die Flasche vorsichtig auf altmodische Weise mit einem Korkenzieher öffnete, erzählte er: „Ich habe mich vorhin mit Albus unterhalten. Er möchte Sie morgen gern gegen 13 Uhr in seinem Büro sprechen.“
Mit einem Male gingen ihr viele Dinge durch den Kopf. Sie müsste Hogwarts verlassen und sich eine Wohnung suchen. Auch einen Job und ...
„Er wird Sie sicherlich nicht sofort vor die Tür setzen“, sagte er beruhigend, als hätte er ihre Sorge gespürt. „Und Ihnen auch keine Rechnung für Kost und Logis ausstellen.“ Der Korken hatte sich mit einem lauten Plop aus dem Flaschenhals gelöst, so dass Severus einschenken konnte. „Ich nehme an, weil Albus das gern macht, dass er Sie fragen möchte, wie Sie Ihre berufliche Zukunft sehen, was auch mich in gewisser Weise interessiert.“
Hermine nahm ihr Weinglas entgegen. „Ich mache das, was ich ganz zu Anfang schon wollte. Ich bewerbe mich im Mungos als Heilerin.“ Er kommentierte nicht verbal, nur mit einem nasalen Laut. „Was?“, fragte sie missbilligend.
„Woran liegt Ihnen mehr, Hermine? An der Forschung oder daran, Menschen mit einem Wutsch Ihres Stabes oder einem Trank zu helfen?“
„Das hält sich die Waage.“
„Dann werden Sie im Mungos auf die Forschung verzichten müssen“, stellte er klar.
„Wieso? Dort gibt es auch eine Forschungsabteilung!“, hielt sie energisch dagegen.
Er setzte sich mit seinem Glas in der Hand direkt neben sie auf die Couch und musterte sie einen Augenblick. Verlegen schaute sie weg. Ihr Blick fiel auf die Flasche Wein.
„Warum ist da ein Einhornkopf drauf?“, lenkte sie ab. Sie griff nach der Weinflasche und schaute sie sich genauer an. „'182 von 300'? Das ist doch nicht etwa der Nesselwein, den Harry damals ...“
„Genau derselbe!“
„Den hat er Ihnen geschenkt, Severus. Den hätten Sie für eine besondere Gelegenheit aufbewahren sollen.“
Kaum hatten die Worte ihren Mund verlassen, war sie sich bewusst darüber, dass Severus den Wein für genau so eine Situation aufbewahrt hatte – für heute.
„Zurück zum Mungos“, sagte er. „Natürlich gibt es dort eine Forschungsabteilung. Wenn eine reiche Dame der Meinung ist, man müsste eine neue Creme gegen Falten entwickeln“, er verzog das Gesicht, „dann gibt sie dem Mungos Geld, damit daran geforscht wird.“ Gelangweilt fand eine Augenbraue den Weg nach oben. „Es handelt sich um pure Auftragsforschung, Hermine. Sie werden keine Möglichkeit finden, Ihre eigenen Ideen dort einzubringen. Das halten Sie sich bitte vor Augen, wenn Sie sich dort um eine Stelle bewerben.“
„Oh.“
Mehr brachte sie nicht heraus, denn der Gedanke war sehr ernüchternd, Anti-Faltencremes entwickeln zu müssen. Vielleicht beschäftigte sie aber noch immer die Tatsache, dass er den guten Wein angebrochen hatte.
„Ich werde mich trotzdem erst dort bewerben, damit ich etwas Geld verdienen kann. Ich will mich nicht unüberlegt in ein berufliches Abenteuer begeben.“ Sie wüsste gar nicht, wie sie sich allein über Wasser halten könnte.
„In ein berufliches Abenteuer kann man sich auch überlegt stürzen.“
Von seinen Aussagen fühlte sie sich bedrängt. „Was soll ich denn sonst machen?“
„Was würden Sie denn gern machen?“
Hermine stöhnte. Er sollte ruhig hören, dass seine Fragerei ihr auf die Nerven ging. Um den Spieß umzudrehen, begann sie wieder ein anderes Thema und sie hoffte, dass sie diesmal bei diesem Spielchen gewinnen würde.
„Ich soll Sie schön grüßen!“, sagte sie, woraufhin sie einen fragenden Blick erntete. „Von einem Mr. Popovich. Georgi Popovich.“
„Ah“, machte er, unterließ es jedoch, sie zu erleuchten.
„Kommen Sie schon. Sagen Sie mir, wer das ist“, drängelte sie freundlich.
„Ein damaliger Mitschüler, aber das wird er Ihnen sicherlich gesagt haben.“ Sie nickte, blickte ihn derweil fordernd an, was ihn zum Reden animierte. „Wir saßen ab der fünften Klasse häufig zusammen, wenn wir mit einem Partner Tränke brauen mussten.“
„Er war ein Ravenclaw, hat er jedenfalls gesagt.“ Er nickte. „Meine Güte, muss ich Ihnen wirklich alles aus der Nase ziehen?“ Sie grinste schelmisch, bevor sie weitere Fragen stellte. „War er ein Freund?“
„Ich möchte ihn nicht als solchen bezeichnen, nein. Wir teilten eine gemeinsame Vorliebe und verstanden uns ausschließlich auf dieser Ebene bestens.“
„Das glaube ich Ihnen gern, Severus. Ist ja bei uns nicht anders. Obwohl, ein wenig anders ist es schon, finde ich zumindest.“ Sie warf ihm ein unsicheres Lächeln zu und war erleichtert, dass er ihre Ausführung nicht auseinander pflückte oder gar verneinte. „Ich soll Sie auf jeden Fall schön grüßen. Es schien so, als würde er viel von Ihnen halten.“
„Seine Arbeit ist auch nicht zu verachten. Manchmal lese etwas über seine Forschung in Fachmagazinen. Er ist sehr hartnäckig, wofür er meinen Respekt hat.“
„Ach, ist das so? Und wenn ich hartnäckig bin, dann ist es 'unverschämt' oder 'aufdringlich'?“
Er schnaufte amüsiert. „Es ist Ihre gesamte Wesensart, die aufdringlich ist, nicht Ihre Hartnäckigkeit allein.“
Mit seinem Weinglas stieß er an das ihre, um auf die bestandene Prüfung zu trinken.
„Die Stelle in Japan ist übrigens noch immer zu haben“, sagte er nebenher.
„Nein danke! Es ist nett gemeint, aber ich hab fürs Erste genug vom Lernen.“ Sie stieß ihn keck mit dem Ellenbogen an, bevor sie ihm vorhielt: „Oder wollen Sie mich noch immer loswerden?“
„Ich bin Sie längst los, schon vergessen? Sie bekommen noch bis Ende Januar Ihr Gehalt, aber rein vertraglich haben wir nichts mehr miteinander zu tun“, stellte er nüchtern klar.
Ihr Glas stellte sie vorsichtig auf dem Tisch ab. Dass sich ihr Leben nach der Ausbildung wieder verändern würde, war ihr klar gewesen. Es war nur alles so schnell gegangen. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, dass er gedankenverloren in die Gegend starrte.
Leise, fast flüsternd, sagte sie: „Sie brauchen nicht zu glauben, dass ich mich nicht mehr kümmern werde.“ Seinen Kopf hatte er so schnell gedreht, dass eine Strähne beinahe in seinem Weinglas gelandet wäre, welches er in der Nähe des Mundes hielt. „Ich werde schon eine Lösung finden!“
„Machen Sie sich lieber Gedanken um Ihre berufliche Laufbahn und nicht um etwas, das keiner Aufmerksamkeit bedarf“, zischte er wütend.
„Ich hab jetzt auch den Gespenstischen Steinregen bekommen und ...“
Sie verstummte, als er sein Weinglas auf dem Tisch abstellte und aufstand. Seine Hände verschränkte er hinter dem Rücken, bevor er an seiner Hakennase zu ihr herabsah.
„Ich empfehle mich dann. Gute Nacht.“
Ihr leises Seufzen hörte er nicht. „Severus, bleiben Sie hier.“
Aufgebracht, aber nicht mehr in der Stimmung, den Raum zu verlassen, wetterte er: „Was Sie in Ihrer Freizeit außerhalb Hogwarts anstellen ist mir völlig gleich. Wagen Sie es nur nicht, innerhalb dieser Schule mit Pflanzen zu experimentieren, an denen sich damals schon Heiler die Zähne ausgebissen haben. Und schon gar nicht sollten Sie sich trauen, heulend zu mir gelaufen zu kommen, wenn Ihnen irgendwelche Gliedmaßen abhanden gekommen sind!“
„Man hat mich mehrmals gewarnt, Severus. Glauben Sie, ich wäre so dumm, eine mir unbekannte Pflanze einfach anzufassen?“
„Sie sind ja auch so dumm gewesen, sich dieses Unkraut zu besorgen!“
„Und weil ich von nichts eine Ahnung habe, habe ich heute auch meine Prüfung mit Bestnoten bestanden, richtig?“
Es klopfte und Hermine ahnte schon etwas, weswegen sie ihr Gesicht verzog, als wäre sie sich eben eines Fehlers bewusst geworden. Sie öffnete die Tür und es war, wie sie es vorhergesehen hatte, Remus, der schmunzelnd am Türrahmen stand und sich köstlich zu amüsieren schien.
„Komm doch rein“, bat Hermine. „Ich hätte Bescheid sagen sollen wegen dem Schach. Ich glaube nicht ...“
„Ich bin nicht wegen der Partie hier, Hermine. Eher, um euch beide“, er warf Severus eine Blick zu, „daran zu erinnern, ein wenig Rücksicht auf andere zu nehmen.“ Er bemerkte die vielen Gegenstände auf dem Tisch und sagte dann erstaunt: „Ist das Wein?“
Bevor Remus zugreifen konnte, sagte Severus bestimmend: „Wein, den ich diesmal nicht mit Ihnen teilen möchte. Dafür ist er einfach zu kostbar.“
„Seien Sie nicht so, Severus, das ist Remus gegenüber unhöflich.“
Während Hermine ein Glas holte, um Remus einen Schluck einzuschenken, betrachtete der neben den vielen Geschenken auf den Tisch auch seinen Kollegen.
„Und? Zufrieden mit Hermines Leistung?“, fragte er den Tränkemeister.
„Wie soll ich das verstehen?“
„Du hast die ausgebildet und sie hat bestanden.“
„Natürlich hat sie das, daran habe ich nie gezweifelt.“
Severus brummte missgelaunt, als Hermine Remus ein Glas von dem Nesselwein reichte. Die beiden stießen, wie schon im Lokal, nochmals miteinander an.
„Auf dich, Hermine. Was hast du denn jetzt mit deinem Meister in der Tasche vor?“
„Jetzt fang du auch noch an“, murmelte sie gereizt, denn vorhin war sie solchen Fragen geschickt ausgewichen.
Nicht zurückhalten konnte sich Severus, der mit hörbarer Unzufriedenheit verriet: „Sie will sich im Mungos bewerben.“
Erstaunt schaute Remus die junge Tränkemeisterin an. „Wieso denn das? Hast du früher nicht immer davon geschwärmt, eines Tages eine ...“
„Das waren Träume, Remus! Ein Wunschdenken, um den Krieg zu überstehen, um mir eine Zukunft vorzugaukeln, die ich nicht einmal mit Sicherheit haben würde. Das muss sich nicht zwangsweise erfüllen.“
„Aber es wäre doch schön, wenn ...“
Severus unterbrach Remus und fragte, weil Hermine ihm sowieso nicht antworten würde: „Wovon hat sie früher geschwärmt?“
„Von ...“
„Remus!“, fuhr sie ihn an. „Ich bin für so etwas zu jung, habe keine Erfahrung!“
„Wovon?“, wiederholte Severus mit Nachdruck.
„Das soll vielleicht besser Hermine beantworten, wenn Sie es möchte, heißt das“, wandte sich Remus geschickt heraus. Um sie aber zu retten, fragte er sie: „Hast du Severus von Luna erzählt?“
„Ich glaube nicht, dass ihn das interessieren wird.“
„Oh, ich denke schon“, sagte Remus selbstsicher und er ließ sich auch nicht von Severus' rollenden Augen irritieren. „Sie hat erzählt, dass Malfoys Beistand, ein gewisser Mr. Duvall, sie angesprochen hätte. Er möchte, dass Luna exklusiv in der Muggelpost über die Verhandlung berichtet?“
„Mr. Duvall?“, wiederholte Severus nachdenklich.
„Kennst du ihn?“
Er hob und senkte die Schultern einmal langsam, bevor er gewissenhaft antwortete: „Karkaroff hat mal von einem seiner ehemaligen Schüler gesprochen, der Duvall hieß. Ich glaube, der Vorname war Sid.“
Remus hob einen Zeigefinger: „Das ist unser Mann! Und genau dieser Sid scheint zu glauben, Luna um den kleinen Finger wickeln zu können.“
„Ich kann nicht ganz folgen“, gestand Severus.
„Ist doch klar: Malfoy will seinen Namen in der Öffentlichkeit reinwaschen und braucht dazu die Presse. Er hat aus unerfindlichen Gründen Luna gewählt und die“, Remus setzte eine kleine Pause ein, um den Spannungsbogen zu steigern, „macht sich jetzt daran, etwas über diesen Sid Duvall in Erfahrung zu bringen.“
„Und wenn der Mann eine reine Weste hat?“, gab Hermine zu bedenken.
„Dann hat er eben eine.“ Remus zuckte mit den Schultern. „Die Hauptsache ist, dass Luna eine gigantische Story an der Angel hat und wenn sie noch etwas mehr daraus machen kann, umso besser!“
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Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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Teil 2 von 171
Im Erdgeschoss gab Harry gerade Nicholas die Flasche, als er Ginny fragte: „Was meinst du, was Hermine jetzt machen wird?“
Ginny, die über ihren Hausaufgaben saß, legte den Kopf schräg und schrieb etwas, während sie abwesend antwortete: „Ich weiß nicht. Sie redet immer vom Mungos.“
„Sie wäre sicher eine klasse Heilerin. Meinst du nicht?“
Viel zu spät fragte sie: „Was?“
„Hörst du mir überhaupt zu?“
Die Feder zur Seite legend erklärte sie: „Nein, ich versuche eigentlich, meine Hausaufgaben zu machen, die der Lehrer morgen schon haben will.“
„Für welches Fach?“
„Verteidigung.“ Sie grinste. „Ist ein ziemlich strenger Lehrer.“
Harry lächelte und schüttelte den Kopf. „Nein, das glaube ich nicht. Der ist bestimmt ganz nett.“
„Ist er, wenn er die Hausaufgaben bekommt, die er in der ersten Unterrichtsstunde erwartet.“
„Ich kann dir ja helfen, Ginny“, bot er zuvorkommen an.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, das sieht er bestimmt nicht so gern. Außerdem brauche ich keine Hilfe. Ich weiß alles, muss es nur noch zu Papier bringen.“
Nach einer ganzen Weile, Nicholas' Fläschchen war fast leer, richtete er erneut das Wort an sie.
„Ginny?“ Als sie aufblickte, fragte er: „Und du weißt wirklich nicht, was Draco in der Mysteriumsabteilung erlebt hat?“
„Nein, er hat es nicht erzählt, aber er sah sehr mitgenommen aus. Er wollte zu Susan und Trelawney hat ihn nicht aufgehalten. Der Unterricht war um die Uhrzeit sowieso vorbei.“ Sie wurde hellhörig. „Warum fragst du?“
„Ich weiß nicht genau. Als wir damals durch die vielen Räume irrten, da waren schon seltsame Dinge dabei.“ Wortlos stimmte sie ihm zu. „Ich frage mich, was dort für Geheimnisse lagern.“
„Oh, das habe ich Dad schon ein paar Mal gefragt, nachdem er Minister wurde. Er weiß es nicht. Selbst er braucht eine Sondergenehmigung von der Mysteriumsabteilung, sollte er sie besuchen wollen. Die arbeiten für sich und solange dort nichts geschieht, ist das auch völlig in Ordnung. Dad meinte, dort würde man Dinge erforschen, die weit über das Verständnis des menschlichen Gehirn hinausgehen.“
Harry hob eine Augenbraue. „Das würde doch aber bedeuten, dass die Unsäglichen nichts von dem Verstehen, was sie da tun!“
„Sie möchten, dass man sie 'Verschwiegene' nennt.“ Ginnys Information nahm Harry unkommentiert zur Kenntnis. „Dieser GeHa war schon seltsam, aber TroFi, der hat wirklich den Vogel abgeschossen. Sein eines Auge ist immer auf Alleingang gewesen.“
Ginny versuchte, TroFis wanderndes Auge nachzuahmen und schielte dabei, weswegen Harry anfangen musste zu lachen, womit er sie wiederum ansteckte.
„Wirklich, das hättest du sehen müssen, Harry. Der Mann war wirklich ganz schräg drauf, hat auch immer so geflüstert. Ganz mysteriös.“
„Er macht seinem Arbeitsplatz wohl alle Ehre, wie es aussieht. Deine Mum hat heute übrigens die Gästeliste von mir bekommen. Sie hat ja keine Ruhe gegeben. Ich bin gespannt, was sie für unsere Hochzeit organisiert.“
„Ich mach mir da keine Sorgen. Sie wird das schon machen. Ich bin froh, dass es mit dem 26. Juni geklappt hat. Da sind alle Prüfungen schon vorbei und die Woche darauf sind es nur noch drei Schultage. Kein Lehrer wird da noch was machen.“ Gerade wollte Harry etwas einwerfen, da verbesserte sie: „Außer Snape! Das macht der nur aus reiner Schikane.“
„Vielleicht will er euch noch etwas mit auf den Weg geben?“, sagte Harry so ernst wie möglich, doch seine lachenden Augen verrieten ihn.
„Von wegen. Der gibt uns Montag und Dienstag bestimmt noch Hausaufgaben auf, die er dann am Mittwoch, dem letzten Tag, in rote Tinte getaucht zurückgibt.“
Endlich war Nicholas fertig. Er schlummerte bereits, doch bevor er ganz einschlafen konnte, gab sich Harry alle Mühe, ihm ein Bäuerchen zu entlocken. Danach durfte er in Harrys Armbeuge einschlafen.
„So, fertig!“ Ginny packte ihre Schulsachen für den nächsten Tag zusammen und setzte sich danach zu Harry auf die Couch. Als sie Nicholas betrachtete, sagte sie: „Nächsten Monat probieren wir mal etwas Brei.“
Gemeinsam hatten sie den Jungen schlafen gelegt. Sie beobachteten ihn noch eine Weile, hielten dabei Händchen.
„Heute“, begann Harry zögernd, „stand was Komisches in der Zeitung.“
„Ach ja? In welcher?“, fragte sie neugierig.
„Im Tagspropheten.“
„Die schreiben immer komische Sachen. Was war's denn?“
„Es wird ein Zauberer vermisst. Es war hier ganz in der Nähe und er ist einfach verschwunden.“
Ginny wusste, was Harry damit andeutete. Es könnte sich um Hopkins' Werk handeln.
In Hogsmeade öffnete Rosmerta gerade zwei Herren die Tür. Das Lokal hatte sie wegen des Besuchs heute geschlossen.
Höflich, auch wenn er sie normalerweise viel persönlicher ansprach, grüßte Kingsley nickend: „Madam Rosmerta. Das ist mein Kollege Dawlish.“ Sie ließ die beiden hinein und schloss die Tür hinter ihnen. „Sie haben einen Mann als vermisst gemeldet?“
„Ja, das ist richtig. Es war einer meiner Gäste, ein Tourist.“ Aufgrund ihrer Worte machte Dawlish ein ungläubiges Gesicht. „Wir haben wenige Besucher, aber wir haben sie“, versicherte Rosmerta. „Die Heulende Hütte ist ein kleiner Touristenmagnet und außerdem kommen viele Zauberer und Hexen hierher, die an der Geschichte unseres Dorfes interessiert sind. Es gibt in unserem Land kein anderes, in dem kein einziger Muggel wohnt.“
„Der Gast, was können Sie über ihn sagen?“, fragte Kingsley, der sich das gespenstisch ruhige Gasthaus ansah.
„Es war ein älterer Herr, der hier einen Zwischenstopp eingelegt hat. Seit drei Tagen war er nicht mehr hier.“
Dawlish schnaufte. „Vielleicht hat er nur die Zeche geprellt?“
„Nein, Sir, ganz bestimmt nicht. Ich war bei ihm im Zimmer, um nachzusehen, ob er vielleicht Hilfe braucht oder etwas hinterlassen hat. All seine Sachen sind noch da, unter anderem eine Menge Galleonen. Dem Mann muss etwas zugestoßen sein!“ Sie sorgte sich um den Herrn, der um die 120 Jahre alt sein musste. Er war sehr freundlich zu ihr gewesen.
„Zeigen Sie uns bitte sein Zimmer?“
Sie folgten Rosmerta in den ersten Stock. Das bewohnt wirkende Zimmer machte den Eindruck, als würde jeden Moment der Gast zurückkommen. Kingsley und Dawlish suchten nach Papieren und dem Zauberstab – nach etwas, was die Identität des Verschwundenen bestätigen könnte.
„Hier ist nichts“, murmelte Dawlish.
„Madam Rosmerta, wir würden gern eine Kopie von dem Gästebucheintrag machen. Das ist das Einzige, das wir von Ihrem Gast haben.“ Sie nickte. Ihr Gesicht war sehr ernst, als sie nach draußen auf den Flur gingen. Rosmerta schien das Schlimmste zu befürchten. „Hatte der Herr irgendwelche Kontakte zu den Dorfbewohnern?“
„Ja schon, aber Sie glauben doch nicht ...“ Sie schüttelte erbost den Kopf. „Nein, wirklich nicht. Niemand hier würde so etwas tun! Ich kenne alle persönlich.“
Unerwartet öffnete sich die Tür. Eine ältere Dame schaute durch den Spalt.
„Mr. Priscum?“
„Nein, das hier sind Auroren, die kümmern sich um Mr. Priscums Verschwinden. Gehen Sie ruhig wieder schlafen. Tut mir Leid, falls wir Sie geweckt haben sollten.“
Doch die alte Dame ließ sich nicht abschütteln. „Er ist verschwunden? Dabei habe ich ihn noch neulich erst gesehen“, sagte sie so tatterig wie sie aussah. „Von meinem Fenster aus.“ Die Dame hustete stark. Noch immer erholte sie sich von einer Erkältung.
Kingsley horchte auf. „Sie haben den Mann gesehen?“
„Hätte ich gewusst, dass er vermisst wird, hätte ich das schon früher gesagt.“ Während sie nickte, flatterten ihre schlohweißen Haare auf und ab. „Vor drei Tagen, gegen Mittag rum“, sie öffnete ihre Zimmertür und zeigte aus dem Fenster, „habe ich ihn dort unten gesehen.“
„Darf ich mal schauen?“ Kingsley betrat das Zimmer der alten Dame und ging aufs Fenster zu. Von hier aus hatte er einen guten Blick auf das Haus der Sabberhexe, das man in der Ferne sehen konnte.
„Und Sie sind sich sicher, dass das Mr. Priscum gewesen war, den Sie gesehen haben?“
„Selbstverständlich, er hatte mir noch zugewunken, als er mich am Fenster gesehen hat, bevor er in den Laden gegangen ist. Dann kamen zwei Männer.“
„Was für Männer?“, fragte Kingsley alarmiert.
„Die beiden standen dort.“ Sie zeigte auf eine Gasse neben dem Laden. „Sah aus, als würden sie auf jemanden warten. Haben sich die Gegend und die Leute angeschaut. Als Mr. Priscum wieder herauskam, haben die beiden Männer ihn angesprochen. Sie sind zu dritt weggegangen.“
„Konnten Sie die Männer erkennen?“, wollte Dawlish wissen.
„Nein, ich kann nicht mehr sehr gut sehen. Sie können meine Erinnerung daran trotzdem haben, wenn Ihnen das weiterhilft.“
Dawlish nahm die Erinnerung, während Kingsley bereits mit Rosmerta nach unten ging. Sein Kollege kam wenige Minuten später nach.
„Wir werden die Sachen von Mr. Priscum morgen abholen lassen“, sagte Kingsley, woraufhin Rosmerta nickte. Bevor sie die Tür öffneten, hörte man draußen ein lautes Plop. Gleich darauf stolperte Tonks durch die Tür.
„Entschuldige bitte, Kingsley. Ich ...“
„Du hast pünktlich Feierabend gemacht. Dein gutes Recht“, winkte er ab. Vorhin hatte er sich nicht mehr rechtzeitig erreichen können, was der Grund dafür war, dass er Dawlish als Begleiter wählte.
„Ich habe deine Eule noch bekommen. Ein Vermisster?“, fragte sie neugierig.
Dawlish und Kingsley verabschiedeten sich zunächst von Rosmerta, damit sie das Lokal schließen konnte.
„Gehen Sie schon vor, Dawlish. Fangen Sie mit dem Bericht an und schauen Sie, ob Mr. Priscum Familienangehörige hat, die wir kontaktieren können.“
Dawlish nickte Kingsley zu und verschwand mit einem leisen Plop, so dass Tonks fragen konnte: „Hopkins?“
„Wenn ja“, begann er nachdenklich, „dann haben wir ein Problem.“ Ihr Freund und Vorgesetzter wirkte so nachdenklich, dass sie nicht anders konnte, als ihm eine Hand auf die Schulter zu legen. Sie musste sich dafür etwas strecken. Ihn belastete etwas. Sein zaghaftes Lächeln verriet es ihr.
Seine flüsternde Stimme offenbarte. „Ich werde hingehen.“
„Was? King, wohin willst du gehen?“ Sie fragte genauso leise, denn sie ahnte, dass er entgegen seiner Einstellung, sich an die Regeln zu halten, diesmal etwas auf eigene Faust tun wollte.
„Ich werde mir die Pläne von Hopkins' Festung besorgen.“ Er atmete einmal tief durch. „Und dann werde ich hingehen!“
„Das kannst du nicht ...“
Mit einer Geste seiner Hand unterbrach er sie. „Anklopfen werde ich dort nicht, Tonks. Wie in Malfoy Manor werde ich mit Tarnung unterwegs sein. Ich muss wissen, was dort vor sich geht. Vielleicht haben sie den Zauberer entführt. Wollen wir warten, bis man die Leiche eines alten Mannes findet, dessen Zauberstab spurlos verschwunden ist?“ Verständnisvoll schüttelte sie den Kopf. „Siehst du? Ich muss dort hingehen.“
„Ich komme mit, King. Zähl auf mich!“
„Damit du auch gekündigt wirst, wenn das rauskommt?“ Er hob fordernd eine Augenbraue. Seine junge Kollegin wollte er wirklich nicht in Schwierigkeiten bringen.
„Wer sollte schon dahinterkommen?“
„Dawlish zum Beispiel!“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, wenn wir den Grundriss der Festung nicht gleich heute Nacht stehlen, sondern nächste Woche, dann wird das nicht auf uns zurückfallen.“
„Er ist gerissen. Dawlish kann gut kombinieren. Er weiß, dass Hopkins mir ein Dorn im Auge ist.“
Tonks stieß ihn mit dem Ellenbogen an. „Wozu gibt es Vervielfältigungszauber?“
Am nächsten Tag wartete Severus nach dem Unterricht vergeblich in seinem Labor auf Hermine. Er entschloss sich dazu, ihr einen Besuch abzustatten, nahm dafür die Präsentationsmappe mit, die sie für ihre Rede vor der Körperschaft bereits erstellt hatten. Sie war noch unvollständig.
Er klopfte nicht, sondern trat gleich ein. Mitten im Wohnzimmer stand Hermine wie eingefroren, als sie von ihm überrascht wurde. Beide Hände hielten den unteren Stoff ihrer Bluse und es sah für ihn so aus, als hätte sie sich eben erst etwas übergezogen. Sie bestätigte indirekt seine Vermutung.
„Gut für Sie, dass Sie nicht eine Minute früher gekommen sind. Hätte unangenehm werden können.“
„Ich dachte ...“ Er schluckte. „Warum sind Sie nicht gekommen?“
Hermine legte eine Hand an ihre Hüfte. „Ich dachte, der Ausbildungsvertrag hat sich erledigt?“
Den Kopf schräg legend befingerte Severus die Mappe in seiner Hand. „Wenn Sie keine Hilfe mehr benötigen ...“
Erst als sie die Mappe bemerkte, ging ihr ein Licht auf. „Ach so, das meinen Sie. Tut mir wirklich Leid, Severus, aber ich habe ein Vorstellungsgespräch.“
„Schon?“ Seine Verwunderung konnte man nicht überhören, aber sie konnte noch etwas anderes vernehmen, was sie jedoch nicht zu deuten vermochte.
„Ja, schon“, bestätigte sie fröhlich. „Ich habe heute früh das Mungos angefloht und mich nur nach freien Stellen erkundigt, da lud man mich sofort ein. Ich muss auch gleich los.“
Seine Gesichtszüge wurden hart und er klang sehr abgeklärt, als er sagte: „Selbstverständlich. Ich will Sie nicht aufhalten, aber erwarten Sie von mir nicht, dass ich Ihnen Glück wünsche.“ Ihr böser Blick traf ihn nicht. „Sie wären woanders besser aufgehoben. Warum warten Sie nicht bis Februar, wenn Sie der Körperschaft ...“
„Ich kann nicht bis Februar auf der faulen Haut liegen!“, unterbrach sie. „Wovon soll ich denn leben?“
Die Mappe warf er mit Schwung auf den Tisch. „Sie könnten dort Kontakte knüpfen! Kommt Ihnen denn gar nicht in den Sinn, dass Sie auf dem Treffen der ’Körperschaft der Zaubertränkemeister’ auch viele Tränkemeister kennen lernen werden? Das sollte eigentlich der Name der Veranstaltung erahnen lassen!“
„Werden Sie doch nicht gleich grantig“, nörgelte sie.
„Sie wollen einfach nicht verstehen, auf was ich hinaus möchte! Ihnen werden dort alle Türen offen stehen, aber nein, Sie wollen wohl lieber Cremes für ältere Damen entwickeln. Spätestens wenn Sie für die Gatten dieser Damen die Wirkung von potenzsteigernden Mitteln verbessern sollen, werden Sie die Nase gestrichen voll haben.“
„Oh, wie gut gelaunt Sie doch heute sind.“ Ihre Lippen zogen eine glatte Linie. „Habe ich irgendwas im Mungos unterschrieben? Nein, hab ich nicht! Ich will dieses Gespräch und nachher komme ich gern vorbei und wir reden über meine Auftritt im Februar.“
„Dann verschwenden Sie eben Ihre Zeit. Solange ich die nicht mehr bezahlen muss, ist mir das gleich.“
Ein Schnaufen konnte sie nicht unterdrücken, bevor sie ihm ins Gedächtnis rief: „Sie bezahlen mich noch bis Ende Januar, schon vergessen?“
Für eine Augenblick starrten sich beide an. Ihm lagen einige böse Bemerkungen auf der Zunge, doch die schluckte er hinunter. Sie hingegen wartete darauf, dass einsichtig war und sie ihre Entscheidungen selbst treffen ließ.
„Dann bis nachher“, verabschiedete er sich steif, war aber noch immer höflich genug, um ihr einmal zuzunicken.
Hermine flohte direkt zum Mungos. Im Erdgeschoss befanden sich neben der Abteilung für Utensilien-Unglücke auch die Büros der Personalverwaltung. Mr. Invidia erwartete sie in Zimmer 18. Ein Blick auf ihre Uhr verriet ihr, dass sie pünktlich war.
„Miss Granger?“, fragte der Herr in seinem dunkelblauen Zauberumhang.
„Die bin ich. Guten Tag, Mr. Invidia. Ich bin etwas erstaunt, dass ich sofort eingeladen worden bin.“ Das Reden fiel ihr wieder wesentlich leichter, jetzt nachdem sie ihren Meister in der Tasche hatte.
„Es hat mich erstaunt“, er reichte ihr die Hand, „dass Sie Ihre Prüfung zur Zaubertränkemeisterin erst gestern bestanden haben und sich dann gleich bei uns nach freien Stellen erkundigen. Das wollte ich mir persönlich ansehen. Setzen Sie sich doch bitte.“ Er deutete einladend auf einen Stuhl. „Die Unterlagen haben Sie dabei?“
„Natürlich, hier.“
„Ich habe mir auch Ihre Unterlagen aus unserem Hause kommen lassen. Ein 'Phänomenal' haben Sie erhalten. Ich kann mir gar nicht erklären, warum mir das entgangen ist.“
Aufmerksam stöberte er in ihren Unterlagen. Er betrachtete zunächst die erst gestern erhaltene Beurteilung der Prüfer, gleich darauf die lange Beurteilung von Severus. Hier und da summte er nachdenklich, doch Hermine war sich ihrer Sache sicher. Mit solchen Noten, wie Severus es eben schon gesagt hatte, würden ihr sämtliche Türen offen stehen. Mr. Invidia summte nochmals und erst jetzt machte sich Hermine langsam Gedanken.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte sie besorgt.
Ohne zu antworten wollte er wissen: „Als was genau würden Sie hier arbeiten wollen, Miss Granger?“
„Hauptsächlich als Heilerin, aber auch in der Forschungsabteilung. Beides liegt mir.“
Er nickte. „Ich verstehe, dass Sie Abwechslung am Arbeitsplatz bevorzugen. Wenn Sie sich eine Abteilung aussuchen dürften, welche würde das wohl werden?“
Sie überlegte nicht lang. „'Vergiftungen durch Zaubertränke und magische Pflanzen' oder auch 'Fluchschäden und Zauberunfälle'. Diese beiden Abteilungen haben mir während der Ausbildung schon sehr gut gefallen.“
„Ich will ehrlich sein, Miss Granger. Wir suchen händeringend eine Abteilungsleiterin für die Janus Thickey-Station. Seit dem Krieg musste diese Abteilung mehrmals ausgebaut werden. Die Arbeit dort ist allerdings nicht sehr fordernd.“
„Aber Sie haben doch vorhin über den Kamin gesagt, dass Sie auf jeden Fall einen Heiler für die Abteilung 'Verletzungen durch Tierwesen' suchen“, erinnerte sie ihn. Sie selbst war mittlerweile unsicher geworden.
„Für diese Stelle kommen Sie nicht Frage.“
Ihre Kehle schnürte sich zusammen, doch sie konnte noch eine Frage stellen: „Warum?“
Langsam nahm er die Beurteilung von Severus in die Hand. Seine Augen huschten über einige Stellen, einige las er vor.
„Chinesisches Drachenei, Wasserhyazinthen, Basiliskengift ...“ Er seufzte. „Ich kann Sie nicht einstellen. Sie sind überqualifiziert!“
Im ersten Moment war sie geschockt, dann erbost. „Wie bitte? Das kann unmöglich Ihr Ernst sein!“
„Das ist mein Ernst. Es tut mir Leid, dass ich Ihnen Hoffnung gemacht habe. Das“, er zeigte auf all ihre Bewertungen, „konnte ich ja nicht ahnen.“
„Mir ist ganz gleich, ob ich überqualifiziert sein soll. Ich bin arbeitswillig und werde alle Aufgaben zu Ihrer vollsten Zufrieden...“
„Miss Granger, ich glaub Ihnen das ja alles, aber ich kann Sie nicht einstellen.“
Vor Zorn und vor Enttäuschung begannen ihre Lippen zu beben, so dass sie sie zusammenpresste. Ganz ordentlich legte er ihre Unterlagen zurück in die Mappe, bevor er aufstand, um sie ihr zu bringen. Für ihn war die Sache erledigt, nicht aber für Hermine.
„Ich verstehe das nicht! Sie suchen mindestens zwei Heiler und mich nehmen Sie nicht, weil ich zu gut bin? Wo ist da die Logik? Ich bin jung, habe keine Kinder ...“ Sie verschluckte sich, weil sie so schnell und aufgebracht sprach.
Mr. Invidia nutzte diese Gelegenheit, um das Wort zu ergreifen. „Sie werden im Handumdrehen etwas anderes finden.“
„Ich dachte eigentlich“, spottete sie, „dass man mich hier bereits mit Kusshand nehmen wird, aber nein, da werde ich einfach weggeschickt.“
„Miss Granger, ich kann Ihre Enttäuschung verstehen.“
„So? Können Sie das?“ Jetzt wurde sie zickig. „Sie haben gut reden, Sie haben ja einen Job!“ Ein verachtendes Schnaufen ihrerseits machte Severus alle Ehre. „Wo ist da der Sinn? Was genau ist bitte 'überqualifiziert'?“
Nicht mehr so freundlich wie zuvor ging Mr. Invidia bereits zur Tür, während er distanziert erklärte: „'Überqualifiziert' im Sinne von 'Sie haben bessere Qualifikationen als jeder angestellte Heiler und Professor', der hier im Mungos beschäftigt ist.“
„DAS ist der Grund?“ Sie schüttelte ungläubig den Kopf. „Haben Sie Angst, dass ich in ein, zwei Jahren bereits Direktorin des Krankenhauses sein werde?“ Er antwortete nicht, sondern hielt ihr zwischenzeitlich höflich die Tür auf. Sie hingegen wetterte weiter. „Oder haben Sie Angst, ich bin so schlau, dass ich die ganzen Fehler aufdecke, die hier in der vergangenen Zeit vertuscht worden sind?“
„So, jetzt haben Sie den Bogen überspannt!“ Er drückte ihr die Unterlagen in die Hand und schob sie durch die Tür hinaus. „Auf Wiedersehen!“
Das Geräusch einer ins Schloss geworfenen Tür hallte noch einen Moment im langen Gang nach. Hermine atmete so aufgeregt, dass sich alles in ihrem Kopf drehte.
„Ich fasse es nicht“, murmelte sie zornig. „Das kann nicht wahr sein!“
Auf ihrem Rückweg trat sie mit voller Wucht gegen einen Papierkorb, der laut scheppernd über den Boden rollte und seinen Inhalt verteilte. Am liebsten würde sie nochmal dagegentreten, denn es war ein erleichterndes Gefühl, aber einige Leute, die ihr seltsame Blicke zuwarfen, hielten sie davon ab.
Im Erdgeschoss gab Harry gerade Nicholas die Flasche, als er Ginny fragte: „Was meinst du, was Hermine jetzt machen wird?“
Ginny, die über ihren Hausaufgaben saß, legte den Kopf schräg und schrieb etwas, während sie abwesend antwortete: „Ich weiß nicht. Sie redet immer vom Mungos.“
„Sie wäre sicher eine klasse Heilerin. Meinst du nicht?“
Viel zu spät fragte sie: „Was?“
„Hörst du mir überhaupt zu?“
Die Feder zur Seite legend erklärte sie: „Nein, ich versuche eigentlich, meine Hausaufgaben zu machen, die der Lehrer morgen schon haben will.“
„Für welches Fach?“
„Verteidigung.“ Sie grinste. „Ist ein ziemlich strenger Lehrer.“
Harry lächelte und schüttelte den Kopf. „Nein, das glaube ich nicht. Der ist bestimmt ganz nett.“
„Ist er, wenn er die Hausaufgaben bekommt, die er in der ersten Unterrichtsstunde erwartet.“
„Ich kann dir ja helfen, Ginny“, bot er zuvorkommen an.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, das sieht er bestimmt nicht so gern. Außerdem brauche ich keine Hilfe. Ich weiß alles, muss es nur noch zu Papier bringen.“
Nach einer ganzen Weile, Nicholas' Fläschchen war fast leer, richtete er erneut das Wort an sie.
„Ginny?“ Als sie aufblickte, fragte er: „Und du weißt wirklich nicht, was Draco in der Mysteriumsabteilung erlebt hat?“
„Nein, er hat es nicht erzählt, aber er sah sehr mitgenommen aus. Er wollte zu Susan und Trelawney hat ihn nicht aufgehalten. Der Unterricht war um die Uhrzeit sowieso vorbei.“ Sie wurde hellhörig. „Warum fragst du?“
„Ich weiß nicht genau. Als wir damals durch die vielen Räume irrten, da waren schon seltsame Dinge dabei.“ Wortlos stimmte sie ihm zu. „Ich frage mich, was dort für Geheimnisse lagern.“
„Oh, das habe ich Dad schon ein paar Mal gefragt, nachdem er Minister wurde. Er weiß es nicht. Selbst er braucht eine Sondergenehmigung von der Mysteriumsabteilung, sollte er sie besuchen wollen. Die arbeiten für sich und solange dort nichts geschieht, ist das auch völlig in Ordnung. Dad meinte, dort würde man Dinge erforschen, die weit über das Verständnis des menschlichen Gehirn hinausgehen.“
Harry hob eine Augenbraue. „Das würde doch aber bedeuten, dass die Unsäglichen nichts von dem Verstehen, was sie da tun!“
„Sie möchten, dass man sie 'Verschwiegene' nennt.“ Ginnys Information nahm Harry unkommentiert zur Kenntnis. „Dieser GeHa war schon seltsam, aber TroFi, der hat wirklich den Vogel abgeschossen. Sein eines Auge ist immer auf Alleingang gewesen.“
Ginny versuchte, TroFis wanderndes Auge nachzuahmen und schielte dabei, weswegen Harry anfangen musste zu lachen, womit er sie wiederum ansteckte.
„Wirklich, das hättest du sehen müssen, Harry. Der Mann war wirklich ganz schräg drauf, hat auch immer so geflüstert. Ganz mysteriös.“
„Er macht seinem Arbeitsplatz wohl alle Ehre, wie es aussieht. Deine Mum hat heute übrigens die Gästeliste von mir bekommen. Sie hat ja keine Ruhe gegeben. Ich bin gespannt, was sie für unsere Hochzeit organisiert.“
„Ich mach mir da keine Sorgen. Sie wird das schon machen. Ich bin froh, dass es mit dem 26. Juni geklappt hat. Da sind alle Prüfungen schon vorbei und die Woche darauf sind es nur noch drei Schultage. Kein Lehrer wird da noch was machen.“ Gerade wollte Harry etwas einwerfen, da verbesserte sie: „Außer Snape! Das macht der nur aus reiner Schikane.“
„Vielleicht will er euch noch etwas mit auf den Weg geben?“, sagte Harry so ernst wie möglich, doch seine lachenden Augen verrieten ihn.
„Von wegen. Der gibt uns Montag und Dienstag bestimmt noch Hausaufgaben auf, die er dann am Mittwoch, dem letzten Tag, in rote Tinte getaucht zurückgibt.“
Endlich war Nicholas fertig. Er schlummerte bereits, doch bevor er ganz einschlafen konnte, gab sich Harry alle Mühe, ihm ein Bäuerchen zu entlocken. Danach durfte er in Harrys Armbeuge einschlafen.
„So, fertig!“ Ginny packte ihre Schulsachen für den nächsten Tag zusammen und setzte sich danach zu Harry auf die Couch. Als sie Nicholas betrachtete, sagte sie: „Nächsten Monat probieren wir mal etwas Brei.“
Gemeinsam hatten sie den Jungen schlafen gelegt. Sie beobachteten ihn noch eine Weile, hielten dabei Händchen.
„Heute“, begann Harry zögernd, „stand was Komisches in der Zeitung.“
„Ach ja? In welcher?“, fragte sie neugierig.
„Im Tagspropheten.“
„Die schreiben immer komische Sachen. Was war's denn?“
„Es wird ein Zauberer vermisst. Es war hier ganz in der Nähe und er ist einfach verschwunden.“
Ginny wusste, was Harry damit andeutete. Es könnte sich um Hopkins' Werk handeln.
In Hogsmeade öffnete Rosmerta gerade zwei Herren die Tür. Das Lokal hatte sie wegen des Besuchs heute geschlossen.
Höflich, auch wenn er sie normalerweise viel persönlicher ansprach, grüßte Kingsley nickend: „Madam Rosmerta. Das ist mein Kollege Dawlish.“ Sie ließ die beiden hinein und schloss die Tür hinter ihnen. „Sie haben einen Mann als vermisst gemeldet?“
„Ja, das ist richtig. Es war einer meiner Gäste, ein Tourist.“ Aufgrund ihrer Worte machte Dawlish ein ungläubiges Gesicht. „Wir haben wenige Besucher, aber wir haben sie“, versicherte Rosmerta. „Die Heulende Hütte ist ein kleiner Touristenmagnet und außerdem kommen viele Zauberer und Hexen hierher, die an der Geschichte unseres Dorfes interessiert sind. Es gibt in unserem Land kein anderes, in dem kein einziger Muggel wohnt.“
„Der Gast, was können Sie über ihn sagen?“, fragte Kingsley, der sich das gespenstisch ruhige Gasthaus ansah.
„Es war ein älterer Herr, der hier einen Zwischenstopp eingelegt hat. Seit drei Tagen war er nicht mehr hier.“
Dawlish schnaufte. „Vielleicht hat er nur die Zeche geprellt?“
„Nein, Sir, ganz bestimmt nicht. Ich war bei ihm im Zimmer, um nachzusehen, ob er vielleicht Hilfe braucht oder etwas hinterlassen hat. All seine Sachen sind noch da, unter anderem eine Menge Galleonen. Dem Mann muss etwas zugestoßen sein!“ Sie sorgte sich um den Herrn, der um die 120 Jahre alt sein musste. Er war sehr freundlich zu ihr gewesen.
„Zeigen Sie uns bitte sein Zimmer?“
Sie folgten Rosmerta in den ersten Stock. Das bewohnt wirkende Zimmer machte den Eindruck, als würde jeden Moment der Gast zurückkommen. Kingsley und Dawlish suchten nach Papieren und dem Zauberstab – nach etwas, was die Identität des Verschwundenen bestätigen könnte.
„Hier ist nichts“, murmelte Dawlish.
„Madam Rosmerta, wir würden gern eine Kopie von dem Gästebucheintrag machen. Das ist das Einzige, das wir von Ihrem Gast haben.“ Sie nickte. Ihr Gesicht war sehr ernst, als sie nach draußen auf den Flur gingen. Rosmerta schien das Schlimmste zu befürchten. „Hatte der Herr irgendwelche Kontakte zu den Dorfbewohnern?“
„Ja schon, aber Sie glauben doch nicht ...“ Sie schüttelte erbost den Kopf. „Nein, wirklich nicht. Niemand hier würde so etwas tun! Ich kenne alle persönlich.“
Unerwartet öffnete sich die Tür. Eine ältere Dame schaute durch den Spalt.
„Mr. Priscum?“
„Nein, das hier sind Auroren, die kümmern sich um Mr. Priscums Verschwinden. Gehen Sie ruhig wieder schlafen. Tut mir Leid, falls wir Sie geweckt haben sollten.“
Doch die alte Dame ließ sich nicht abschütteln. „Er ist verschwunden? Dabei habe ich ihn noch neulich erst gesehen“, sagte sie so tatterig wie sie aussah. „Von meinem Fenster aus.“ Die Dame hustete stark. Noch immer erholte sie sich von einer Erkältung.
Kingsley horchte auf. „Sie haben den Mann gesehen?“
„Hätte ich gewusst, dass er vermisst wird, hätte ich das schon früher gesagt.“ Während sie nickte, flatterten ihre schlohweißen Haare auf und ab. „Vor drei Tagen, gegen Mittag rum“, sie öffnete ihre Zimmertür und zeigte aus dem Fenster, „habe ich ihn dort unten gesehen.“
„Darf ich mal schauen?“ Kingsley betrat das Zimmer der alten Dame und ging aufs Fenster zu. Von hier aus hatte er einen guten Blick auf das Haus der Sabberhexe, das man in der Ferne sehen konnte.
„Und Sie sind sich sicher, dass das Mr. Priscum gewesen war, den Sie gesehen haben?“
„Selbstverständlich, er hatte mir noch zugewunken, als er mich am Fenster gesehen hat, bevor er in den Laden gegangen ist. Dann kamen zwei Männer.“
„Was für Männer?“, fragte Kingsley alarmiert.
„Die beiden standen dort.“ Sie zeigte auf eine Gasse neben dem Laden. „Sah aus, als würden sie auf jemanden warten. Haben sich die Gegend und die Leute angeschaut. Als Mr. Priscum wieder herauskam, haben die beiden Männer ihn angesprochen. Sie sind zu dritt weggegangen.“
„Konnten Sie die Männer erkennen?“, wollte Dawlish wissen.
„Nein, ich kann nicht mehr sehr gut sehen. Sie können meine Erinnerung daran trotzdem haben, wenn Ihnen das weiterhilft.“
Dawlish nahm die Erinnerung, während Kingsley bereits mit Rosmerta nach unten ging. Sein Kollege kam wenige Minuten später nach.
„Wir werden die Sachen von Mr. Priscum morgen abholen lassen“, sagte Kingsley, woraufhin Rosmerta nickte. Bevor sie die Tür öffneten, hörte man draußen ein lautes Plop. Gleich darauf stolperte Tonks durch die Tür.
„Entschuldige bitte, Kingsley. Ich ...“
„Du hast pünktlich Feierabend gemacht. Dein gutes Recht“, winkte er ab. Vorhin hatte er sich nicht mehr rechtzeitig erreichen können, was der Grund dafür war, dass er Dawlish als Begleiter wählte.
„Ich habe deine Eule noch bekommen. Ein Vermisster?“, fragte sie neugierig.
Dawlish und Kingsley verabschiedeten sich zunächst von Rosmerta, damit sie das Lokal schließen konnte.
„Gehen Sie schon vor, Dawlish. Fangen Sie mit dem Bericht an und schauen Sie, ob Mr. Priscum Familienangehörige hat, die wir kontaktieren können.“
Dawlish nickte Kingsley zu und verschwand mit einem leisen Plop, so dass Tonks fragen konnte: „Hopkins?“
„Wenn ja“, begann er nachdenklich, „dann haben wir ein Problem.“ Ihr Freund und Vorgesetzter wirkte so nachdenklich, dass sie nicht anders konnte, als ihm eine Hand auf die Schulter zu legen. Sie musste sich dafür etwas strecken. Ihn belastete etwas. Sein zaghaftes Lächeln verriet es ihr.
Seine flüsternde Stimme offenbarte. „Ich werde hingehen.“
„Was? King, wohin willst du gehen?“ Sie fragte genauso leise, denn sie ahnte, dass er entgegen seiner Einstellung, sich an die Regeln zu halten, diesmal etwas auf eigene Faust tun wollte.
„Ich werde mir die Pläne von Hopkins' Festung besorgen.“ Er atmete einmal tief durch. „Und dann werde ich hingehen!“
„Das kannst du nicht ...“
Mit einer Geste seiner Hand unterbrach er sie. „Anklopfen werde ich dort nicht, Tonks. Wie in Malfoy Manor werde ich mit Tarnung unterwegs sein. Ich muss wissen, was dort vor sich geht. Vielleicht haben sie den Zauberer entführt. Wollen wir warten, bis man die Leiche eines alten Mannes findet, dessen Zauberstab spurlos verschwunden ist?“ Verständnisvoll schüttelte sie den Kopf. „Siehst du? Ich muss dort hingehen.“
„Ich komme mit, King. Zähl auf mich!“
„Damit du auch gekündigt wirst, wenn das rauskommt?“ Er hob fordernd eine Augenbraue. Seine junge Kollegin wollte er wirklich nicht in Schwierigkeiten bringen.
„Wer sollte schon dahinterkommen?“
„Dawlish zum Beispiel!“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, wenn wir den Grundriss der Festung nicht gleich heute Nacht stehlen, sondern nächste Woche, dann wird das nicht auf uns zurückfallen.“
„Er ist gerissen. Dawlish kann gut kombinieren. Er weiß, dass Hopkins mir ein Dorn im Auge ist.“
Tonks stieß ihn mit dem Ellenbogen an. „Wozu gibt es Vervielfältigungszauber?“
Am nächsten Tag wartete Severus nach dem Unterricht vergeblich in seinem Labor auf Hermine. Er entschloss sich dazu, ihr einen Besuch abzustatten, nahm dafür die Präsentationsmappe mit, die sie für ihre Rede vor der Körperschaft bereits erstellt hatten. Sie war noch unvollständig.
Er klopfte nicht, sondern trat gleich ein. Mitten im Wohnzimmer stand Hermine wie eingefroren, als sie von ihm überrascht wurde. Beide Hände hielten den unteren Stoff ihrer Bluse und es sah für ihn so aus, als hätte sie sich eben erst etwas übergezogen. Sie bestätigte indirekt seine Vermutung.
„Gut für Sie, dass Sie nicht eine Minute früher gekommen sind. Hätte unangenehm werden können.“
„Ich dachte ...“ Er schluckte. „Warum sind Sie nicht gekommen?“
Hermine legte eine Hand an ihre Hüfte. „Ich dachte, der Ausbildungsvertrag hat sich erledigt?“
Den Kopf schräg legend befingerte Severus die Mappe in seiner Hand. „Wenn Sie keine Hilfe mehr benötigen ...“
Erst als sie die Mappe bemerkte, ging ihr ein Licht auf. „Ach so, das meinen Sie. Tut mir wirklich Leid, Severus, aber ich habe ein Vorstellungsgespräch.“
„Schon?“ Seine Verwunderung konnte man nicht überhören, aber sie konnte noch etwas anderes vernehmen, was sie jedoch nicht zu deuten vermochte.
„Ja, schon“, bestätigte sie fröhlich. „Ich habe heute früh das Mungos angefloht und mich nur nach freien Stellen erkundigt, da lud man mich sofort ein. Ich muss auch gleich los.“
Seine Gesichtszüge wurden hart und er klang sehr abgeklärt, als er sagte: „Selbstverständlich. Ich will Sie nicht aufhalten, aber erwarten Sie von mir nicht, dass ich Ihnen Glück wünsche.“ Ihr böser Blick traf ihn nicht. „Sie wären woanders besser aufgehoben. Warum warten Sie nicht bis Februar, wenn Sie der Körperschaft ...“
„Ich kann nicht bis Februar auf der faulen Haut liegen!“, unterbrach sie. „Wovon soll ich denn leben?“
Die Mappe warf er mit Schwung auf den Tisch. „Sie könnten dort Kontakte knüpfen! Kommt Ihnen denn gar nicht in den Sinn, dass Sie auf dem Treffen der ’Körperschaft der Zaubertränkemeister’ auch viele Tränkemeister kennen lernen werden? Das sollte eigentlich der Name der Veranstaltung erahnen lassen!“
„Werden Sie doch nicht gleich grantig“, nörgelte sie.
„Sie wollen einfach nicht verstehen, auf was ich hinaus möchte! Ihnen werden dort alle Türen offen stehen, aber nein, Sie wollen wohl lieber Cremes für ältere Damen entwickeln. Spätestens wenn Sie für die Gatten dieser Damen die Wirkung von potenzsteigernden Mitteln verbessern sollen, werden Sie die Nase gestrichen voll haben.“
„Oh, wie gut gelaunt Sie doch heute sind.“ Ihre Lippen zogen eine glatte Linie. „Habe ich irgendwas im Mungos unterschrieben? Nein, hab ich nicht! Ich will dieses Gespräch und nachher komme ich gern vorbei und wir reden über meine Auftritt im Februar.“
„Dann verschwenden Sie eben Ihre Zeit. Solange ich die nicht mehr bezahlen muss, ist mir das gleich.“
Ein Schnaufen konnte sie nicht unterdrücken, bevor sie ihm ins Gedächtnis rief: „Sie bezahlen mich noch bis Ende Januar, schon vergessen?“
Für eine Augenblick starrten sich beide an. Ihm lagen einige böse Bemerkungen auf der Zunge, doch die schluckte er hinunter. Sie hingegen wartete darauf, dass einsichtig war und sie ihre Entscheidungen selbst treffen ließ.
„Dann bis nachher“, verabschiedete er sich steif, war aber noch immer höflich genug, um ihr einmal zuzunicken.
Hermine flohte direkt zum Mungos. Im Erdgeschoss befanden sich neben der Abteilung für Utensilien-Unglücke auch die Büros der Personalverwaltung. Mr. Invidia erwartete sie in Zimmer 18. Ein Blick auf ihre Uhr verriet ihr, dass sie pünktlich war.
„Miss Granger?“, fragte der Herr in seinem dunkelblauen Zauberumhang.
„Die bin ich. Guten Tag, Mr. Invidia. Ich bin etwas erstaunt, dass ich sofort eingeladen worden bin.“ Das Reden fiel ihr wieder wesentlich leichter, jetzt nachdem sie ihren Meister in der Tasche hatte.
„Es hat mich erstaunt“, er reichte ihr die Hand, „dass Sie Ihre Prüfung zur Zaubertränkemeisterin erst gestern bestanden haben und sich dann gleich bei uns nach freien Stellen erkundigen. Das wollte ich mir persönlich ansehen. Setzen Sie sich doch bitte.“ Er deutete einladend auf einen Stuhl. „Die Unterlagen haben Sie dabei?“
„Natürlich, hier.“
„Ich habe mir auch Ihre Unterlagen aus unserem Hause kommen lassen. Ein 'Phänomenal' haben Sie erhalten. Ich kann mir gar nicht erklären, warum mir das entgangen ist.“
Aufmerksam stöberte er in ihren Unterlagen. Er betrachtete zunächst die erst gestern erhaltene Beurteilung der Prüfer, gleich darauf die lange Beurteilung von Severus. Hier und da summte er nachdenklich, doch Hermine war sich ihrer Sache sicher. Mit solchen Noten, wie Severus es eben schon gesagt hatte, würden ihr sämtliche Türen offen stehen. Mr. Invidia summte nochmals und erst jetzt machte sich Hermine langsam Gedanken.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte sie besorgt.
Ohne zu antworten wollte er wissen: „Als was genau würden Sie hier arbeiten wollen, Miss Granger?“
„Hauptsächlich als Heilerin, aber auch in der Forschungsabteilung. Beides liegt mir.“
Er nickte. „Ich verstehe, dass Sie Abwechslung am Arbeitsplatz bevorzugen. Wenn Sie sich eine Abteilung aussuchen dürften, welche würde das wohl werden?“
Sie überlegte nicht lang. „'Vergiftungen durch Zaubertränke und magische Pflanzen' oder auch 'Fluchschäden und Zauberunfälle'. Diese beiden Abteilungen haben mir während der Ausbildung schon sehr gut gefallen.“
„Ich will ehrlich sein, Miss Granger. Wir suchen händeringend eine Abteilungsleiterin für die Janus Thickey-Station. Seit dem Krieg musste diese Abteilung mehrmals ausgebaut werden. Die Arbeit dort ist allerdings nicht sehr fordernd.“
„Aber Sie haben doch vorhin über den Kamin gesagt, dass Sie auf jeden Fall einen Heiler für die Abteilung 'Verletzungen durch Tierwesen' suchen“, erinnerte sie ihn. Sie selbst war mittlerweile unsicher geworden.
„Für diese Stelle kommen Sie nicht Frage.“
Ihre Kehle schnürte sich zusammen, doch sie konnte noch eine Frage stellen: „Warum?“
Langsam nahm er die Beurteilung von Severus in die Hand. Seine Augen huschten über einige Stellen, einige las er vor.
„Chinesisches Drachenei, Wasserhyazinthen, Basiliskengift ...“ Er seufzte. „Ich kann Sie nicht einstellen. Sie sind überqualifiziert!“
Im ersten Moment war sie geschockt, dann erbost. „Wie bitte? Das kann unmöglich Ihr Ernst sein!“
„Das ist mein Ernst. Es tut mir Leid, dass ich Ihnen Hoffnung gemacht habe. Das“, er zeigte auf all ihre Bewertungen, „konnte ich ja nicht ahnen.“
„Mir ist ganz gleich, ob ich überqualifiziert sein soll. Ich bin arbeitswillig und werde alle Aufgaben zu Ihrer vollsten Zufrieden...“
„Miss Granger, ich glaub Ihnen das ja alles, aber ich kann Sie nicht einstellen.“
Vor Zorn und vor Enttäuschung begannen ihre Lippen zu beben, so dass sie sie zusammenpresste. Ganz ordentlich legte er ihre Unterlagen zurück in die Mappe, bevor er aufstand, um sie ihr zu bringen. Für ihn war die Sache erledigt, nicht aber für Hermine.
„Ich verstehe das nicht! Sie suchen mindestens zwei Heiler und mich nehmen Sie nicht, weil ich zu gut bin? Wo ist da die Logik? Ich bin jung, habe keine Kinder ...“ Sie verschluckte sich, weil sie so schnell und aufgebracht sprach.
Mr. Invidia nutzte diese Gelegenheit, um das Wort zu ergreifen. „Sie werden im Handumdrehen etwas anderes finden.“
„Ich dachte eigentlich“, spottete sie, „dass man mich hier bereits mit Kusshand nehmen wird, aber nein, da werde ich einfach weggeschickt.“
„Miss Granger, ich kann Ihre Enttäuschung verstehen.“
„So? Können Sie das?“ Jetzt wurde sie zickig. „Sie haben gut reden, Sie haben ja einen Job!“ Ein verachtendes Schnaufen ihrerseits machte Severus alle Ehre. „Wo ist da der Sinn? Was genau ist bitte 'überqualifiziert'?“
Nicht mehr so freundlich wie zuvor ging Mr. Invidia bereits zur Tür, während er distanziert erklärte: „'Überqualifiziert' im Sinne von 'Sie haben bessere Qualifikationen als jeder angestellte Heiler und Professor', der hier im Mungos beschäftigt ist.“
„DAS ist der Grund?“ Sie schüttelte ungläubig den Kopf. „Haben Sie Angst, dass ich in ein, zwei Jahren bereits Direktorin des Krankenhauses sein werde?“ Er antwortete nicht, sondern hielt ihr zwischenzeitlich höflich die Tür auf. Sie hingegen wetterte weiter. „Oder haben Sie Angst, ich bin so schlau, dass ich die ganzen Fehler aufdecke, die hier in der vergangenen Zeit vertuscht worden sind?“
„So, jetzt haben Sie den Bogen überspannt!“ Er drückte ihr die Unterlagen in die Hand und schob sie durch die Tür hinaus. „Auf Wiedersehen!“
Das Geräusch einer ins Schloss geworfenen Tür hallte noch einen Moment im langen Gang nach. Hermine atmete so aufgeregt, dass sich alles in ihrem Kopf drehte.
„Ich fasse es nicht“, murmelte sie zornig. „Das kann nicht wahr sein!“
Auf ihrem Rückweg trat sie mit voller Wucht gegen einen Papierkorb, der laut scheppernd über den Boden rollte und seinen Inhalt verteilte. Am liebsten würde sie nochmal dagegentreten, denn es war ein erleichterndes Gefühl, aber einige Leute, die ihr seltsame Blicke zuwarfen, hielten sie davon ab.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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- Sonea Ginevra Inava
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- Registriert: 23.11.2010 12:04
Re: Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit (171)
Ja kann auch sein, dass das eher zu den Anfängen gehörte. Klar verändert sich innerhalb von 3 Jahren auch der Schriebstil. Wie gesagt, wenn ich ein bisschen mehr Zeit habe, werde ich einfach noch mal schauen, ob ich was finde. ;)
Schönes Kapitel, war ja klar, dass Hermine so gut besteht. Ich kann es durchaus verstehen, dass sie erst einmal im Mungos arbeiten will um überhaupt einen Job zu haben & Geld zu verdienen, aber das ist ja wohl nix geworden. Ich geh mal davon aus, dass sie letztlich die Apotheke der alten Frau in der Winkelgasse übernehmen wird (Wofür sonst die Anmerkung, dass dort dieses Schild hängt. ;) Ich bin mal gespannt wie lange es dauert, bis sie wieder darauf kommt. ;~)
Schönes Kapitel, war ja klar, dass Hermine so gut besteht. Ich kann es durchaus verstehen, dass sie erst einmal im Mungos arbeiten will um überhaupt einen Job zu haben & Geld zu verdienen, aber das ist ja wohl nix geworden. Ich geh mal davon aus, dass sie letztlich die Apotheke der alten Frau in der Winkelgasse übernehmen wird (Wofür sonst die Anmerkung, dass dort dieses Schild hängt. ;) Ich bin mal gespannt wie lange es dauert, bis sie wieder darauf kommt. ;~)
Every villain is a hero in his own mind.
Tom Hiddleston
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- Eule
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Hallo Sonea Ginevra Inava,
es verwundert wirklich nicht, dass Hermine bei der Prüfung so gut abgeschnitten hat. Man müsste denken, das Mungos würde sie mit Kusshand nehmen, aber Pustekuchen. Natürlich deprimiert es sie, abgelehnt zu werden, nur weil sie zu gut ist. Mit deine Ahnung liegst du ganz richtig. Warum sonst wurde die Apotheke wohl erwähnt ;)
Vielen Dank für deine Review und viel Spaß beim Lesen,
Muggelchen
172 Empathie
Enttäuschung war ein viel zu sanfter Begriff, um das zu erfassen, was Hermine gerade fühlte. Es war wie ein großes Gefühl, das sich aus mehreren zusammensetzte – so stark, dass es beinahe unerträglich war. Neben der Enttäuschung, vom Mungos abgelehnt worden zu sein, waren die Zweifel am eigenen Können wieder da. Nicht einmal die Noten der bestandenen Prüfung konnten sie beschwichtigen. Noch immer fragte sie sich, wie man zu gut für etwas sein konnte. Das Mungos hätte von ihrer Mitarbeit profitiert. Traurig wurde sie, als sich die Vermutung in ihr ausbreitete, Mr. Invidia hätte sie womöglich nicht leiden können und ihre Bewerbung deswegen abgelehnt. Vielleicht hatte er sie unsympathische gefunden? Ähnlich am Boden zerstört hatte sie sich gefühlt, als sie in der ersten Klasse hören musste, dass Ron sie nicht ausstehen konnte, sich über ihre Art und ihre Klugheit lustig gemacht hatte und ihre Intelligenz dafür verantwortlich machte, dass sie keine Freunde hatte. Das zu hören hatte wehgetan; die Erinnerung daran schmerzte noch heute, schmerzte in diesem Augenblick.
Blind vor Tränen kämpfte sie sich einen Weg nach draußen, rempelte in ihrer Wut versehentlich Menschen an, deren hinterhergerufene maßregelnden Worte sie nur noch mehr kränkten. Hermine hatte Schiffbruch erlitten. Sie brauchte jetzt dringend einen Rettungsring.
In seinem Büro in den Kerkern wartete Severus geduldig, bis Hermine von ihrem Vorstellungsgespräch zurückkommen würde. Als er sich umschaute, bemerkte er wie schon einige Male zuvor, dass seine Räume ihre Trostlosigkeit verloren hatten. Er betrachtete den kleinen Schreibpult, an dem sie immer saß, wenn sie gemeinsam arbeiteten. Sein Blick schweifte hinüber zum Bücherregal, aus welchem sie sich Rat holte, wenn sie ihn nicht stören wollte. Selbst Reagenzgläser und Phiolen hatten einen Hauch Lebendigkeit bekommen, denn bei allem, das er in den eigenen vier Wänden betrachtete, sah er vor seinem inneren Auge auch sie. Nahezu jeden Gegenstand und jedes Möbelstück konnte er in Gedanken mit ihr verbinden und erneut fragte er sich, wie diese Verknüpfung von Objekten und Vorstellungen auf ihn wirken könnte, wenn sie demnächst ihrer eigenen Wege gehen würde. Schon jetzt empfand er das dumpfe Gefühl vergangener Geselligkeit, als er sich vorstellte, sie nie wieder hier zu sehen. Ihr Fortbleiben würde ihm eine lieb gewonnene Gewohnheit entziehen.
Aus seinen Gedanken wurde er erst gerissen, als es klopfte, doch es war nicht sie, sondern Albus, der ihn aufsuchte.
„Severus, ist Hermine bei dir?“
„Nein, sie hat einen Termin im Mungos“, erwiderte er sehr sachlich.
„Ah“, machte der Direktor, um damit seine Verwunderung zum Ausdruck zu bringen. „Würdest du ihr bitte sagen, dass ich sie gern sprechen möchte? Wenn es sich heute nicht einrichten lässt, dann vielleicht morgen?“
„Ich werde ihr Bescheid geben.“
Albus nickte und wie Severus es geahnt hatte, wechselte er das Thema, damit der lange Weg von einem der höchsten Türme Hogwarts bis nach unten in die Kerker sich auch lohnen würde.
„Nächsten Monat findet die Jahrestagung der ’Körperschaft der Zaubertränkemeister’ statt.“
„Das ist mir bekannt.“
Die Augen des Direktors lächelten freundlich, ahmten derweil einen funkelnde Sternenhimmel nach. „Dann gehst du auch hin? Es freut mich, dass du wieder Zeit für solche Gelegenheiten findest.“
„Zu Voldemorts Zeiten hätte ich mit meiner Anwesenheit die Versammlung gefährdet. Darüber hinaus wäre ich sicherlich kein gern gesehener Gast gewesen.“
Auf was Severus hinaus wollte, verstand Albus nur zu gut. Damals wusste zwar nur eine Handvoll Leute, dass er ein Todesser war – die meisten von ihnen waren Ministeriumsangestellte –, doch in einigen Kreisen hatte sich diese Information als Gerücht gefestigt.
„Wirst du etwas vorstellen, Severus?“
Skeptisch stellte der Tränkemeister die Gegenfrage: „Wirst du etwa ebenfalls dort sein?“
„Aber natürlich! Du weißt, dass Zaubertränke auch mein Steckenpferd sind.“
Severus nickte und lächelte dabei Respekt zollend. „'Die zwölf Anwendungen von Drachenblut'. Wie konnte ich das vergessen?“
„Nun“, begann Albus und für Severus klang es so, als würde sich der Direktor auf eine ausgedehnte Unterhaltung einstimmen. „Ich hatte lange nicht mehr die Muße, die Neuerungen der Tränkewelt zu verfolgen. Eine meine früheren Leidenschaften war die Forschung gewesen.“
„Warum gehst du zur Versammlung? Stellst du deine dreizehnte Anwendungsmöglichkeit für Drachenblut vor?“, scherzte Severus.
Amüsiert legte Albus ihm eine Hand auf die Schulter. Mit dieser Geste konnte der Direktor noch heute dafür sorgen, dass Severus sich wie ein Jungspund fühlte. Die Hand drückte freundschaftlich zu.
„Severus, ich habe längst Platz gemacht für die neuste Generation kluger Köpfe. Meine Ideen sind versiegt, genauso wie die große Leidenschaft, mich selbst der Forschung zu widmen.“ Die Hand klopfte zweimal auf seine Schulter, bevor sie sich entfernte. „Was ist mit deiner Forschung? Mr. Sanguini schien die letzten Male recht erleichtert.“
„Albus!“ Der vorwurfsvolle Klang in Severus' Stimme war nicht zu überhören, doch Albus lachte nur.
„Dein Geheimnis ist bei mir sicher, Severus.“ Mit Blut zu forschen war in der Zaubererwelt nicht erlaubt, weil gerade mit dieser Zutat viel Übles angestellt werden konnte.
Um von Sanguini abzulenken sagte Severus: „Hermine wird etwas vorstellen.“
„Das dachte ich mir.“ Albus nickte, als würde ihn diese Information tatsächlich nicht überraschen. „Sie ist klug und hegt eine Leidenschaft für die Forschung wie einst ich selbst und wie du.“
Einen Moment lang wartete Severus vergebens auf eine Frage, so dass er selbst eine stellte: „Willst du gar nicht wissen, um was es sich handelt?“
„Nein, Neugierde ist etwas für die Jugend, wenn ich auch gestehen muss, dass ich mich manchmal noch sehr jung fühle. Ich werde es im Februar erfahren.“
Diesen Moment wählte Severus, um das Thema zu wechseln.
„Neugierde“, wiederholte er bedeutungsschwanger. „War es auch deine Neugier gewesen, warum du auf die Idee gekommen bist, Vorlosts Ring anzuziehen?“
Albus erstarrte, jedoch nicht, weil ihm das Thema unangenehm war, sondern weil er nachzudenken schien, wie er sich äußern wollte. Eine ganze Weile verbrachte Albus damit, seine Gedanken zu ordnen, setzte sich in der Zeit auf einen Stuhl, während Severus unverdrossen wartete.
„Weiß du, Severus, es war weniger die Neugier gewesen. Ich ahnte, was geschehen würde. Den Ring zog ich an, damit ich selbst für mein dahingehendes Leben verantwortlich gemacht werden konnte. Weder Harry, der mir das Gift in der Höhle zu trinken gab, noch du, den ich um meine Erlösung bat, sollte sich die Bürde meines Todes auf die eigenen Schultern laden. Ich wäre an dem schwarzen Fluch gestorben, mit dem der Ring mein Leben verdorben hat.“
„Du hast an mein Mitleid appelliert, dass ich exklusiv für dich hege“, flüsterte Severus.
„Den Fluch konntest du nicht aufhalten, mein Freund, seine Auswirkung aber hinauszögern. Ich war zu diesem Zeitpunkt längst verloren.“
Die Worte seines Mentors überdachte Severus genau, bevor er leise fragte: „Wie genau, Albus?“
Der Direktor wollte sich nicht mehr in Schweigen hüllen. „Das Elixier des Lebens, Severus. Ich bewahrte den Stein der Weisen jahrelang ganz in meiner Nähe. Seine Essenz trug ich in einem Fläschchen bei mir. Den Trank, den ich aus dem Stein gewonnen hatte, nahm ich an dem Abend ein, an dem ich mit Harry nach Hogwarts zurückkehrte und das Dunkle Mal über dem Schloss schweben sah. Ich wusste, es würde der Abend sein, an dem du dein Versprechen mir gegenüber einlösen würdest.“
„Dich zu töten.“
„Ja“, hauchte Albus. „Der Avada traf mich und ich stürzte... stürzte tief.“ Er seufzte.
Die Aufprall war schmerzhaft gewesen. Albus' Körper wollte damals sterben. So viele innere Verletzungen, unzählige Knochenbrüche. Der Tod hatte ihn geküsst und ihn innig umarmt, um ihn behutsam auf die andere Seite zu bringen. Der Weg allen Fleisches hatte vor ihm gelegen, doch das Elixier schlug einen anderen ein. Der fast tote Leib, dessen Herz viel zu selten schlug, wurde von dem, was der Stein der Weisen hervorbringen konnte, an Lebens gefesselt.
„Als ich aufgebahrt auf dem Marmor lag“, Albus suchte Severus' braune Augen, „da erst spürte ich wieder meinen eigenen Herzschlag. Dieses Leben in mir fühlte auch mein Gefährte und er kam, um mich zu holen. Unerkannt von den Trauernden trug er mich mit Leichtigkeit fort – an einen Ort, an dem die Kraft des Elixiers sich all meiner Versehrtheit annehmen konnte. Es heilte meine Wunden, heilte den Tod.“ Albus entwicht ein Seufzer. „Es war langwierig und schmerzhaft.“
„Die Geburt ist ein schmerzhafter Prozess“, philosophierte Severus.
Zustimmend nickte Albus, fügte jedoch hinzu: „Sowie auch Wachstum von Qualen begleitet wird.“
Es gefiel Severus nicht, dass Albus das Thema auf ihn bezog. „Wachstum“ und „Qualen“ waren Gefühle, die ihn nach dem Tod Voldemorts peinigten. Er selbst war der Meinung, dass bei ihm nichts zu retten war. Zwar glaubte er nicht daran, sich einer sehr privaten Unterhaltung entziehen zu können, doch wenigstens wollte er es versuchen. Das war der Grund, warum er erneut das Thema wechselte.
„Mit Black hast du es ganz genauso getan.“
Langsam schüttelte Albus den Kopf. „Oh nein, das war ungleich schwieriger gewesen. Erst sehr spät habe ich mit dem Gedanken gespielt, Sirius verschwinden zu lassen. Harry begann mittlerweile eigenständig zu handeln und war deswegen schon einmal den Todessern in die Arme gelaufen, wie du selbst weißt. Es war seine Sorge um Sirius gewesen, die ihn unvorsichtig werden ließ.“ Selten hörte man, wie sich Albus' Alter auch in dessen Stimme niederschlug. Das vollbrachten nur Momente, die an Ernst kaum zu übertreffen waren. Albus räusperte sich, bevor er seine damaligen Pläne offenlegte. „Es durfte nicht noch einmal geschehen. Harry durfte sich nicht wegen Sirius in Gefahr bringen, also griff ich ein.“
„Hat Black sofort zugestimmt?“, wollte Severus wissen.
„Er war skeptisch, das kann ich dir versichern, aber er vertraute mir über alle Maßen. Ich gab ihm das Elixier des Lebens, bevor er mit den anderen ins Ministerium gegangen war, erwähnte jedoch nicht, um was es sich handeln würde.“ Albus drehte sich auf seinem Stuhl, damit er Severus besser sehen konnte. „Glaub mir, Severus, ich habe ja nicht geahnt, dass Sirius durch den Torbogen fallen würde.“
Severus konnte Beunruhigung in Albus' Stimme ausmachen und ein Echo der Furcht, die Situation damals nicht mehr im Griff gehabt zu haben. Der Schleier war nie Teil des Plans gewesen.
„Aber Black ist hindurchgefallen“, sagte Severus, um Albus zum Weiterreden zu motivieren.
„Ja“, der Direktor nickte, „das ist er.“ Verlegen rückte er seine Halbmondbrille gerade. „Noch nie ist jemand aus dem Schleier zurückgekommen, Severus. Niemals.“
„Warum? Was verbirgt sich dahinter?“
Möglicherweise würde sich ihm gleich eines der Geheimnisse der Mysteriumsabteilung offenbaren, doch Severus hatte vergeblich gehofft, denn Albus erwiderte: „Kaum einer weiß es. Nur dass es kein Zurück gibt, ist eine Tatsache. Ich persönlich denke, aber das muss nicht der Wahrheit entsprechen, dass dieser Schleier ein Weg in die andere Welt ist. Ein Zurückkommen ist nicht möglich, weil man stirbt, wenn man hindurchgeht.“
„Doch Black konnte nicht sterben“, warf Severus ein. „Durch das Elixier fand er keinen Frieden und musste solange dort verweilen, bis man ihn herausholen konnte.“
„Du kombinierst noch immer fantastisch, Severus“, lobte der Direktor mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.
„Erkläre mir bitte, Albus, wie du 'Orpheus' Black einen Rückfahrtschein aus der Unterwelt besorgen konntest.“
Albus blickte auf seine Hände, die auf dem Schoß verweilten. „Den Kopf habe ich mir zerbrochen. Ich befürchtete, ich wäre Schuld daran, dass er bis in alle Ewigkeit als einziger Lebender im Totenreich umherwandeln müsste.“ Plötzlich blickte Albus auf, seine Augen waren wieder lebendig. „Was doch ein wenig Spiel mit Raum und Zeit bewirken kann. Der Gedanke kam mir gleich nach meinem eigenen 'Tod'. Das Verschwindekabinett! Es selbst ist ein Meisterwerk der Raumkrümmung. Ich musste es jedoch erst verstehen, bevor ich damit den Versuch wagen durfte, Sirius zurückzuholen.“ Albus lächelte verschmitzt. „Wer versteht von solchen Dingen am meisten? Wer ist verschwiegener als jemand, der tagein, tagaus von Mysteriösem umgeben ist und es heimlich ergründet?“ Gerade wollte Severus eine Frage stellen, da hob Albus eine Hand. „Nein, frage nicht, darauf werde ich keine Antwort geben.“
Severus holte tief Luft. „Ich brauch einen Drink. Möchtest du auch etwas, Albus?“
„Ich nehme einen schönen heißen Tee mit einem Schuss Rum.“
Genau das gleiche Getränk nahm gerade Mr. Granger von seiner Frau entgegen, um sich aufzuwärmen. Der Weg mit dem Bus bis nachhause war anstrengend gewesen, denn durch einen Unfall mussten die Fahrgäste umsteigen, einige Straßen weiter laufen und auf Ersatzverkehr warten, doch der kam nicht. Taxis waren keine zu sehen, also hatte er den Heimweg zu Fuß angetreten. Bei den winterlichen Temperaturen war ihm die Kälte bis in die Knochen gekrochen.
„Danke Schatz, das habe ich jetzt dringend nötig.“ Er kam nicht dazu, einen Schluck zu nehmen, denn es klingelte an der Haustür und zeitgleich machte der Wecker in der Küche auf den fertigen Braten aufmerksam.
„Gehst du bitte zur Tür, Josh? Ich muss in die Küche.“ Joshua nickte, gab Jane einen Kuss auf die Wange und ging schlürfenden Ganges, denn seine Glieder waren noch ganz steif, zur Haustür. Durch den Spion an der Tür erspähte er seine Tochter, woraufhin er freudig die Tür öffnete.
„Hermine, meine Liebe, komm...“ Hermines Vater verstummte auf der Stelle, als er ihre verweinten Augen sah. „Ist etwas Schlimmes geschehen?“, wollte er wissen, während er sie bereits an die väterliche Brust presste. Sie zog die Nase hoch, doch seine Umarmung spendete so viel Trost, dass ihr nach Weinen nicht mehr zumute war.
„Kann ich einen Augenblick hier bleiben?“ Seiner Tochter hatte er selten etwas abschlagen können.
„Aber natürlich, auch zwei Augenblicke, wenn du magst“, scherzte er, um sie aufzuheitern. „Deine Mutter hat gerade das Essen fertig. Du nimmst doch sicher einen Teller.“
Ein Essen mit ihren Eltern, ganz so wie früher, wäre etwas, das sie aufmuntern könnte. Sie ließ sich von ihrem Vater ins Wohnzimmer führen, wo ihre Mutter gerade zwei Schalen auf dem Esstisch abstellte.
„Es fehlt noch ein Gedeck.“ Aufgrund seiner Worte drehte sich seine Frau um und begann sofort zu lächeln, als sie ihre Tochter bemerkte.
„Mein Liebes!“ Ihre Mutter herzte sie noch mehr als ihr Vater. Hermine war auf einen Schlag wieder ein Kind. „Setz dich doch, ich hole noch einen Teller. Möchtest du etwas Wein haben? Dein Vater hat den guten Roten aus dem Keller geholt.“
„Ja gern. Kann ich dir helfen, Mama?“
„Nein, es ist ja alles fertig angerichtet, bis auf dein Gedeck. Setzt euch doch schon.“ Jane schaute ihren Ehemann an und bat: „Machst du etwas Musik an?“
Hermine fühlte sich wie Zuhause, obwohl das Haus ihrer Eltern schon lange nicht mehr ihr eigenes Heim war. Während ihre Mutter in der Küche war, bemerkte sie, wie ihr Vater sie besorgt betrachtete.
„Dad, es ist alles in Ordnung“, wollte sie ihm weismachen und wenn sie die Situation – was ihr schwerfiel – mit Abstand betrachtete, war die Ablehnung vom Mungos tatsächlich kein Beinbruch.
„Minchen, Minchen“, er schüttelte den Kopf, „du hast geweint, das sehe ich und du sagst, es wäre alles in Ordnung. Das soll ich glauben?“
„Was sollst du glauben?“ Hermine Mutter war gerade wieder hereingekommen und stellte einen der schönen Teller mit der rosafarbenen Iris am Rand vor ihrer Tochter ab. Dazu das schwere Besteck mit goldenem Muster am Griff. Kindheitserinnerungen.
„Unsere Tochter wird schon noch sagen, was ihr auf dem Herzen liegt“, sagte ihr Vater lächelnd, weil er sie nicht drängen wollte, doch neugierig war er; das hatte Hermine von ihm geerbt.
Ihre Mutter tat das Essen auf und fragte nebenbei: „Warst du gerade in der Nähe oder warum der überraschende Besuch?“
„Ich wollte einfach herkommen“, sagte Hermine niedergeschlagen. „Hier geht es mir immer gut.“
In diesem Moment überlegte ihr Vater, ob sie vielleicht mit ihrem Professor aneinandergeraten sein könnte, doch dann fiel ihm die Eule ein, die sie ihnen geschickt hatte.
„Wir haben dir noch gar nicht gratuliert, Minchen.“ Er stand extra nochmal von seinem Platz auf, um sie zu drücken. „Gratulation zur bestandenen Prüfung! Die war gestern, richtig?“
„Richtig.“
Auch ihre Mutter umarmte sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange, bevor sie ihr ein Glas Rotwein reichte. „Dann lasst uns anstoßen. Auf dich, Hermine! Jetzt stehen dir alle Türen offen.“
Hermine hob ihr Glas, doch aufgrund der Worte konnte sie es nicht verhindern, aus einem Reflex heraus so schnell Luft zu holen, dass sie Mühe hatte, ihre Tränen zu unterdrücken. Ihre Mutter stand noch bei ihr und legte einen Arm um sie.
„Ist mit der Prüfung etwas nicht in Ordnung?“, fragte ihr Vater vom Stuhl gegenüber.
„Nein, es ist alles so, wie ich es im Brief geschrieben habe. Mit Bravour bestanden.“
„Und das ist ein Grund, nun so ein Trübsal zu blasen?“
Schnell hatte sich Hermine beruhigt. „Nicht alle Türen stehen mir offen, Dad. Einige haben sich mir verschlossen, weil ich 'zu gut' bin.“ Am Ende hatte man deutlich den Sarkasmus gehört, den sie sich im Laufe des letzten Jahres angenommen hatte.
„Wieso 'zu gut'? Wer hat das gesagt?“
„Der Mann, bei dem ich eben ein Vorstellungsgespräch hatte“, erklärte sie, blickte derweil auf das dampfende, saftige Fleisch auf ihrem Teller.
„Dann versuch es im Mungos. Du hast doch dort deine Ausbildung gemacht. Die kennen dich und würden dich sicherlich sofort...“
Sie unterbrach den gut gemeinten Ratschlag ihres Vaters. „Das war der Personalchef vom Mungos, mit dem ich gesprochen habe.“
„Dann“, er zog erstaunt beide Augenbrauen in die Höhe, „sollte man den Knilch feuern. Er scheint keine Ahnung von seinem Job zu haben. Ich würde erst einmal sagen, wie fangen mit dem Essen an, bevor es kalt wird.“
Während des Essens erzählte ihr Vater eine Geschichte, die sie schon unzählige Male gehört hatte und doch machte es ihr Spaß, seinen Schilderungen zu lauschen. Er konnte witzig erzählen und außerdem hatte er diese Geschichte gewählt, um ihr zu zeigen, dass es ihm damals ähnlich ergangen war wie ihr.
„Am Ende musste ich selbst eine Praxis eröffnen, weil keine Zahnklinik mich einstellen wollte“, sagte er während des Desserts, „und dann habe ich deine Mutter eingestellt.“ Hermine musste lächeln. Ihre Mutter hatte damals eine Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten absolviert, hatte nicht einmal studiert. „Deine Mutter war ein so kluger Kopf, dass ich ihr das Studium finanziert habe.“ Jetzt lächelte auch ihre Mutter, als sie in Erinnerungen schwelgte. „Das war eine meiner besten Entscheidungen im Leben. Sie hatte Bedenken“, ihr Vater legte seine Hand auf die ihrer Mutter, „aber ich habe ihr gesagt, sie kann mir später einmal alles zurückbezahlen.“
„Und er hat auch versichert“, warf ihre Mutter ein, „dass er keine 'Gegenleistungen' erwarten würde.“
Daraufhin mussten Hermine und ihr Vater herzlich lachen, bevor er mit vorgetäuscht nachdenklicher Miene in Erinnerung rief: „Dabei fällt mir ein, dass du noch immer nichts zurückbezahlt hast.“
Sie schlug ihm spielerisch auf dem Arm. „Weil du mich vom Fleck weg geheiratet hast!“
„Ja richtig!“, betätigte er, als wäre es ihm erst jetzt wieder eingefallen. „Den leeren Fleck vermiete ich heute übrigens an einen Gartenzwerg“, er zeigte zum Fenster, „gleich vorn im Vorgarten.“
Die heitere Stimmung hatte Hermine wieder fröhlich gemacht, aber sobald sie daran dachte, zurück nach Hogwarts gehen zu müssen, da wurde sie wieder traurig. Ihre Eltern schafften es erneut, sie von der heutigen Niederlage abzulenken.
Als sie im Wohnzimmer saßen und Scrabble spielten, vergaß Hermine das demütigende Erlebnis mit Mr. Invidia komplett. Sie ordnete ihre sieben Buchstaben neu an und dachte erstaunt, wenn sie noch ein zweites „E“ hätte, dann könnte sie „Severus“ legen, aber Namen waren sowieso nicht erlaubt, weshalb sie das Grußwort „Servus“ legte und wegen des Buchstabens „V“ und dem roten Feld, über das das Wort verlief, viele Punkte machte.
„Spatz, wie soll man dort noch anlegen? Gibt es eine Mehrzahl von 'Servus'?“, fragte ihr Vater scherzend, woraufhin ihre Mutter ihm leutselig in den Bauch pikste.
An Hermine gewandt fragte sie: „Wie wäre es, wenn du dich auch selbstständig machst, so wie dein Vater es getan hat?“
„Ich...“ Hermine war verblüfft. Ihre Eltern hielten entweder nur so viel von ihr, weil sie ihre Tochter war oder aber sie glaubten wirklich, dass sie die Fähigkeiten dazu besitzen würde.
„Ja, Minchen“, stimmte ihr Vater ein, „dein alter Wunsch mit der Apotheke vielleicht?“
„Dad, ich hab schon mehrmals gesagt, dass das nur eine nicht ernst zu nehmende Vorstellung während des Krieges war, die ich offen vor allen geträumt habe.“
„Du hast diese 'nicht ernst zu nehmende Vorstellung' aber sehr prächtig über einige Jahre ausgeschmückt, zumindest in Gedanken. Für eine ganze Weile glaubte ich, dass das wirklich deine spätere Wahl wäre, wenn du im Mungos mal fertig bist. Jetzt bist du fertig und es heißt plötzlich, du hättest es nie so gemeint.“
„Dad“, nörgelte Hermine. „Ich habe kein Geld, um mir sofort etwas Eigenes aufzubauen.“
„Wozu hast du Eltern? Als Zahnarzt verdient man nicht schlecht, wenn man eine Menge privat versicherter Patienten hat“, konterte ihr Vater und sie ahnte, dass eine Unterhaltung mit ihm nicht leicht werden würde. Er fand immer plausible Gegenargumente, um ihre Aussagen zu entkräften. „Du kannst uns später alles zurückzahlen“, fügte er grinsend hinzu.
Hermine lachte. „Ja sicher, so wir Mama dir alles zurückgezahlt hat?“
Er schüttelte den Kopf, konnte das Grinsen aber nicht loswerden. „Nein, ich lerne aus meinen...“
„Sag jetzt nichts Falsches, Joshua!“, warnte Hermines Mutter witzig gemeint.
Hermine dachte über das nächste Wort nach, das sie legen wollte und murmelte derweil: „Da ist eine Apotheke in der Winkelgasse, die zum Verkauf steht. Ich weiß nicht, ob sie noch zu haben ist.“
„Wie lange hat die Apotheke auf?“, wollte ihr Vater wissen.
„Ich denke, so bis sechs. Die meisten Läden dort schließen zeitig.“
„Na dann“, er stand auf, „zieht euch mal die Mäntel über.“ Seine Frau und auch seine Tochter schauten ihn irritiert an, weswegen er deutlicher wurde. „Wir gehen in die Winkelgasse!“
Die Familie Granger war in Aufbruchstimmung. Sie holten ihre Taschen, zogen sich ihre Mützen über und machten sich auf den Weg zur beliebten Einkaufsstraße der magischen Welt.
In den Kerkern machte man es sich im Gegensatz sehr gemütlich. Albus und Severus hatten das Büro verlassen und waren ein paar Türen weiter ins private Wohnzimmer des Zaubertränkemeisters gegangen. Der weiße Hund ließ sich erst vom Direktor tätscheln, bevor er zu seinem Schrank hinüberging und eines der Spielzeuge herausholte, das er Albus vor die Füße legte.
„Nicht, Harry“, maßregelte Severus seinen Hund, doch Albus winkte ab und nahm das quietschende Gummispielzeug vom Boden. Er warf es noch nicht, sondern blickte zu Severus hinüber.
„Dein erster Freund“, sagte er gutmütig, als er zum Hund deutete und auf die Zeit nach dem Sieg über Voldemort Bezug nahm.
„Ich weiß bis heute nicht, wie ein Welpe in den Verbotenen Wald kommen konnte.“ Skeptisch blickte er Albus an. „Oder war das eine deiner Ideen?“
„Nein“, versicherte Albus. „Von Firenze habe ich erfahren, dass das Wandernde Volk arglos eine Abkürzung durch unseren Wald nehmen wollte. Sie wurden von etwas Dunklem überrascht und sind geflohen, haben den Kleinen unbeabsichtigt zurückgelassen.“ Albus blickte zum Hund hinüber, der sich unter Severus' Pflege prächtig entwickelt hat. „Firenze hätte sich seiner angenommen, aber dann bist du auf der Bildfläche aufgetaucht.“
„Dann war es Zufall?“
„Glaubst du an Zufälle, Severus?“, stellte Albus als Gegenfrage.
Gelangweilt die Schultern einmal hebend erwiderte er: „Es war Zufall, dass Black durch den Schleier gefallen war.“
„Ja, das war es. Aber es war gut, dass er komplett verschwunden ist. Hätte man ihn gefangen genommen und gequält, wäre ihm durch das Elixier der Tod verwehrt geblieben. Ein perfektes Geschenk für jene unter den Todessern, die sich an der Qual eines Menschen erquicken konnten. Es war so besser, wie es am Ende gekommen ist.“
„Bis auf das Lestrange-Gesindel hat zum Glück niemand Freude an der Folter gefunden. Die anderen Todesser gaben sich damit zufrieden, die 'Unwürdigen', wie sie die Muggel und Andersdenkenden bezeichnet haben, schnell des Lebens zu berauben.“
Albus blickte auf und betrachtete seinen Freund, der sich unter seinen wachen Augen unwohl fühlte. Einen Moment später gab Albus preis, über was er nachgedacht hatte.
„Es ist beruhigend, dass du über diese Zeit sprechen kannst, Severus.“
„Ich kann darüber sprechen, weil es mir nicht zusetzt.“
Erneut fand die Hand des Direktors den Weg zu Severus' Schulter. „Du weißt was geschieht, wenn man den Schmerz vor sich herschiebt. Solange wie du hat ihn noch niemand betäubt. Solltest du ihn eines Tages spüren – und ich bin gewiss, dass dieser Zeitpunkt kommen wird –, dann wird der Schmerz nur noch schlimmer werden. Mach dich darauf gefasst.“
Das, was Severus vermeiden wollte, hatte Albus wieder einmal pfeilschnell zur Sprache gebracht. Er wollte nicht über die Vergangenheit sprechen – über das, was er nur mit Albus geteilt hatte, doch der war anderer Meinung.
„Siehst du es denn nicht, Severus?“
„Nein“, log es. „Es wird sich gar nichts ändern. Und ich werde nichts tun, damit sich mein Zustand verschlimmert!“ Am Ende war Severus sehr deutlich und bestimmend geworden, doch Albus hatte sich von solch abweisendem Tonfall nie beeindrucken lassen.
„Du solltest es im Hinterkopf behalten, mein Freund, sonst könnte es dich übermannen und du wärst hilflos dem ausgeliefert, was ich nie zustande bringen konnte.“
„Mir ist nicht zu helfen!“
„Du willst dir nicht helfen lassen“, verbesserte Albus und seine Augen glitzerten dabei freundlich. „Weil du Angst hast vor dem Schmerz. Aber sag mir, hat das nicht längst begonnen? Fühlst du ihn nicht schon?“
Innerlich stimmte Severus zu. Er fühlte die Veränderung und er tat alles Mögliche, um ihr Einhalt zu gebieten. Selbst ohne Worte schien Albus zu verstehen.
„Ich sagte vorhin schon, dass Wachstum von Qualen begleitet wird. Ist das der Grund, warum du dich so sträubst? Du selbst hast jahrelang nach einem Weg gesucht, alles rückgängig zu machen und nun, wo andere das für dich übernommen haben, da legst du ihnen Steine in den Weg?“ Albus seufzte und nahm einen Schluck aus seiner Tasse. „Du selbst brauchst nichts zu tun. Betrachte es wie einen Samen, der nicht durch eigene Kraft den gefrorenen Boden durchbrechen muss, denn es sind die Hände anderer, die ihm Gutes tun und ihn pflegen. Lass ihn einfach gedeihen, Severus.“
„Wie soll etwas ohne Erde und Licht wachsen?“, giftete der Tränkemeister missgelaunt.
Albus überlegte nicht, sondern antwortete sofort: „Indem du fremden Boden zulässt und dich nicht in der Dunkelheit verkriechst.“ Die Tasse stellte Albus auf dem Tisch ab, bevor er beide Hände Severus Schultern legte und mit erschreckendem Ernst sagte: „Wäre ich nicht an das Versprechen gebunden, das ich dir gab, wäre ich längst ein festes Mitglied jener, die sich wegen deines Schicksals zusammengeschlossen haben.“
Durch verengte Augenlider blickte Severus seinen alten Freund an, bevor er leise zischte: „Ich werde dich nicht von deinem Versprechen entbinden.“
Albus lachte auf. „Ich glaube nicht, dass ich jetzt noch eine große Hilfe sein würde. Die anderen machen ihre Aufgabe sehr gut und sie werden nicht aufgeben, egal wie schwer du es ihnen machst.“
„Es wird alles im Sande verlaufen“, hielt Severus dagegen, denn er vermutete, dass mit Hermines neuem Lebensweg sich auch ihre Prioritäten ändern würden.
„Ich denke das nicht, Severus. Es war Harry, der angefangen hat und er wird es sein, der es beenden wird, auch wenn andere Menschen ihren Beitrag zur Lösung gegeben haben.“ Albus blickte auf die Uhr. Es war schon spät. Er hatte gehofft, Hermine würde während seines Gesprächs mit Severus eintreffen, doch sie war noch immer fort. „Hermine soll morgen zu mir kommen. Richte ihr das bitte aus, wenn sie zurück ist.“
Auch Severus blickte zur Uhr und es kam ihm seltsam vor, dass sie noch immer nicht zurück war. Ein Vorstellungsgespräch würde keine zweieinhalb Stunden dauern, dachte er. Es sei denn, sie hätte etwas unterschrieben, was er nicht hoffte.
Den Direktor begleitete er hinauf bis ins Erdgeschoss und während Albus noch weitere Stufen aufstieg, steuerte Severus das Zimmer von Harry an.
„Guten Abend“, grüßte Harry und bat ihn herein.
Auf dem Tisch bemerkte Severus zwei Tabletts, die Harry von Elfen hatte bringen lassen. Wie es aussah, hatte er nicht vor, mit seiner Verlobten in der großen Halle zu speisen. Harry schaute einmal zu Ginny hinüber, die auf der Couch saß und still wartete, bevor er seinen Kollegen ansprach, der ein wenig gedankenverloren schien.
„Was kann ich für Sie tun?“
„Wissen Sie, wo Hermine sich aufhält?“
„Sie hat ein Vorstellungsgespräch im Mungos. Ich dachte, das hätte sie Ihnen erzählt.“
„Hat sie“, bestätigte Severus. „Der Termin war bereits um 15:30 Uhr.“
Erst jetzt schaute Harry auf die Uhr. Es war fast sechs.
„Haben Sie in ihrem Zimmer nachgeschaut?“
Auf die Idee hätte Severus auch selbst kommen können. Er schüttelte den Kopf, gab seine Nachlässigkeit jedoch nicht zu, sondern forderte: „Wenn Sie sie treffen sollten, teilen Sie ihr bitte mit, dass sie sich bei mir melden soll.“
„Sie machen sich doch nicht etwa Sorgen?“, feixte Harry, woraufhin er mit einem bösen Blick gestraft wurde.
„Nicht ich suche sie“, stellte Severus klar. „Ich habe eine Nachricht von Albus, der sie eigentlich heute schon sprechen wollte.“
„Oh, in Ordnung. Sollte ich sie sehen, dann sage ich ihr, dass sie sich bei Albus melden soll.“
„Nein, bei mir!“, verbesserte Severus.
Harry machte ein Gesicht, aus dem man gut ablesen konnte, dass ihm etwas nicht ganz klar war. „Hermine soll sich also bei Ihnen melden, weil Albus mit ihr sprechen möchte?“, wiederholte er ungläubig.
„Ah, haben Sie es doch endlich begriffen.“
Das nächste Ziel war der vierte Stock. Höflich klopfte Severus an Hermines Tür, doch es schien niemand Zuhause zu sein. Mit dem Passwort verschaffte er sich Einlass. Der Kniesel begrüßte ihn stürmisch, so dass Severus ihn auf den Arm nahm und kraulte, während er sich im Wohnzimmer umsah. Wie schon einmal stellte er sich an die Balkontür, um nach draußen zu sehen. Die Sonne war längst untergegangen. Dunkelgraue Wolken zogen schnell über den Himmel und ließen dem aufsteigenden Mond keine Chance, sich einmal in voller Größe zu zeigen. Plötzlich fühlte sich Severus beobachtet. Abrupt drehte er sich um und starrte in die gemalten Augen von Calliditas. Severus grüßte den Mann nicht. Sein Höflichkeit erfuhren nur wenige Menschen, an tote Dinge verschwendete er sie schon gar nicht.
„Wo ist Miss Granger?“ Calliditas Augenbrauen wanderten gelangweilt in die Höhe. Er antwortete dem Tränkemeister nicht. „Dämliches Portrait“, murmelte Severus, bevor er dem Kniesel vorsichtshalber etwas zu Fressen gab und gleich im Anschluss Hermines leeren Räume verließ.
Im Flur blieb Severus stehen. Er könnte, so dachte er, bei Remus nachfragen. Seine Überlegung wurde ihm abgenommen, als der Kollege für die Pflege magischer Geschöpfe aus seinem Zimmer trat. Überrascht blieb dieser stehen, doch das stets freundliche Wesen nahm den Werwolf sofort wieder ein – das milde Lächeln formte sich von ganz allein. Severus bemühte sich, kein Gesicht zu ziehen.
„Hallo Severus, wolltest du mich besuchen? Komm doch rein.“
„Ich... Nein, ich hatte lediglich in Erwägung gezogen, mich bei Ihnen nach dem Verbleib von Hermine zu erkundigen, falls sie sich bei Ihnen gemeldet haben sollte.“
Remus beäugte sein Gegenüber ungläubig. „Ich habe sie seit heute Morgen nicht gesehen.“
„Ah“, machte Severus und beschied sich damit, Remus zu ignorieren und seinen eigenen Gedanken nachzugehen.
„Severus?“ Er hätte es erwarten müssen, dass Remus seine Überlegungen unterbrechen würde. „Warum suchst du sie?“
„Ich suche sie nicht. Albus hatte sich nach ihr erkundigt. Es ist bedenklich, dass sie noch nicht aus dem Mungos zurück ist.“ Bevor Lupin Genaueres erfragen konnte, erklärte Severus bereits: „Sie hatte ein Vorstellungsgespräch.“
„Oh gut.“ Remus schien erleichtert. „Im ersten Moment habe ich doch tatsächlich geglaubt, ihr wäre etwas geschehen.“
Mit Severus eine Unterhaltung zu führen war oftmals unangenehm, weil er wenig sagte. Remus meisterte solche Situationen jedoch mindestens genauso prächtig wie Hermine, denn er konnte gut reden.
„Würdest du trotzdem kurz zu mir kommen? Ich habe da ein kleines Problem, über das ich eigentlich mit Hermine sprechen wollte.“
„Um was handelt es sich?“ Severus machte keine Anstalten, Remus in dessen Zimmer zu folgen.
„Es geht um eine Trankzutat, die ich für sie aufbewahre. Ich fand bisher noch keine Zeit, sie ihr zu geben, geschweige denn, ihr davon zu erzählen.“ Hermine war wegen ihrer Prüfung beschäftigt gewesen. „Ich komme mit der Zutat nicht klar.“
Neugierig machte Severus einen Schritt auf Remus zu, der ihn wortlos aufforderte, ihm in seine Räume zu folgen.
„Es ist“, begann Remus peinlich berührt, „offenbar eine sehr aggressive Zutat. Der Behälter hat schon einige Sprünge. Ich möchte nicht, dass etwas geschieht.“
„Was...?“
Seine Frage wurde ihm durch Remus' Handlung abgeschnitten, denn der hatte das Ende eines Tuches ergriffen, das er wie ein Zauberkünstler aus der Muggelwelt mit einer einzigen, schnellen Handbewegung wegzog. Darunter befand sich ein durchsichtiges Behältnis, in welchem ein Netz aus Draht eingearbeitet war. In diesem großen Glas, welches sichtbare Risse aufwies, wirbelten in der Luft drei Fruchtkapseln umher, deren Anblick Severus einen Schrecken einjagte.
„Was zum Teufel denken Sie sich dabei, solche Dinge in die Schule zu bringen?“, zischte er.
Der Gefahr, die von diesen Kapseln ausging, war sich Remus nicht bewusst, aber Severus' rügender Tonfall sprach Bände. „Ich wollte nur... Für Hermine...“, stotterte er.
„Diese Pflanze“, Severus deutete mit ausgestrecktem Finger auf das Glas, „könnte ganz Hogwarts zum Einsturz bringen!“ Sollten die Kapseln ausbrechen, würden sie sich an die steinernen Wände haften und sich in sie einfressen; das Mauerwerk mit ihren Fangarmen marode machen. „Ich rate Ihnen dringend, diese Kapseln wieder dort hinzubringen, wo Sie sie in Ihrer unglaublichen Naivität hergeholt haben.“
„Aber...“
„Kein 'Aber', Lupin! Wenn Sie nicht dafür sorgen, dass diese alles verzehrenden Pflanzenteile auf der Stelle verschwinden, dann werde ich mich dieser Angelegenheit annehmen.“
Severus zog seinen Zauberstab und konzentrierte sich darauf, die Kapseln dieses kompliziert aufgebauten Organismus' verschwinden zu lassen, denn das war ein schwieriges Unterfangen. Er richtete seinen Stab auf das Glas und sagte: „Evanesco!“
Das Glas samt seines Inhalts war von einer Sekunde zur anderen nicht mehr da.
„Severus!“ Kopfschüttelnd blickte Remus auf die nun leere Stelle auf dem Tisch, auf dem er die mit Pomona und Neville gepflückten Fruchtkapseln des Gespenstischen Steinregens abgestellt hatte. „Wie kannst du nur?“, warf er dem Zaubertränkelehrer vorsichtig vor. „Das wurde noch gebraucht!“
„Wurde es nicht! Sie brauchen es nicht und ganz besonders nicht Hermine. Sollte ich noch einmal, Lupin, nur noch ein einziges Mal davon Kenntnis erlangen, dass Sie wiederholt dieses gefährliche Gewächs in die Schule gebracht haben, dann schwöre ich, werde ich dafür sorgen, dass Sie gefeuert werden!“
Auf der Stelle war Remus mundtot. Er wagte es nicht, auch nur ein Wort der Rechtfertigung über die Lippen zu bringen oder gar die Situation zu erklären. Bedröppelt schaute er zu Boden und versuchte zu ergründen, in welche Gefahr er die Schüler gebracht haben könnte.
„Sie haben keine Ahnung, nicht wahr?“ Remus blickte auf, schüttelte dann den Kopf. „Sie wissen nicht einmal, was diese Pflanze anrichten könnte. Wer hat Ihnen geholfen? Pomona?“ Eingeschüchtert nickte Remus. Er wollte wirklich nicht, dass seine Kollegin Ärger bekommen würde. Aufmerksam lauschte er, als Severus laut vermutete: „Theoretisch wird sie viel darüber wissen. Ich bin mir jedoch sicher, dass keiner in diesem Schloss jemals mit einer Pflanze, die so verheerende Folgen nach sich ziehen kann, gearbeitet hat.“
„Keiner, außer dir.“ Die Worte waren kaum über die Lippen gekommen, da verfluchte sich Remus für sein plötzlich so vorlautes Mundwerk.
Die Gewissheit, dass Remus mehr zu wissen schien als er gedacht hatte, machte Severus sprachlos. Mit konstant festigender Erkenntnis darüber entgleisten ihm wie in Zeitlupe die Gesichtszüge. Severus wurde kreidebleich, was nur eine winzige Veränderung der normalen Nuance seiner Hautfarbe darstellte, aber dennoch war es für Remus ersichtlich.
Von seiner Neugier getrieben hielt Remus nicht zurück und suchte das Gespräch.
„Warum hast du das getan?“ Das Wörtchen 'das' stand für so viel Unheil und Verwerfliches, dass Remus es nicht deutlicher umschreiben wollte. Nach dem Gesichtsausdruck zu urteilen wusste Severus nur zu gut, was mit 'das' gemeint war. Der Tränkemeister antwortete nicht. Weiterhin war er dem Schrecken erlegen, mit seiner Vergangenheit Mittelpunkt des Gesprächs zu sein. Es wäre angebracht, sich langsam heranzutasten, dachte Remus, weswegen er ganz leise mutmaßte: „War es wegen Lily?“
Für einen kurzen Moment waren Severus Augen größer geworden, doch er blieb eine Antwort schuldig. Da keine Anschuldigung kam, keine Vorhaltung und nicht einmal ein böser Kommentar, war für Remus die Sache klar.
„Ich habe ihren Tod auch schwer verkraftet“, gestand er leise und mit bebender Stimme. Damals, als Harry in Hogsmeade niemanden bis auf die beiden Männer sehen konnte, hatte er bereits versucht, mit Severus über Lilys Tod zu sprechen, was der vehement abgeschmettert hatte. Dem Angebot, einmal mit ihm darüber zu reden, war Severus noch nicht nachgekommen. Dabei war es ihm ein Bedürfnis, mal mit jemand anderem als Sirius darüber zu sprechen. Severus war nicht bereit, weil allein der Gedanke an Lilys Ableben ihm noch heute schwer zusetzte – das konnte man ihm ansehen. Der Schmerz war so tief in Severus verwurzelt, dass nichts ihn herausreißen konnte, nicht einmal der „Ewige See“. Severus' sichtbare Qualen erinnerten ihn an seine eigene Trauerzeit. Nach alledem, was er von Harry und Hermine wusste, hatte Severus den Trank genommen, um seine Gefühle abzutöten.
„Es hat mich völlig aus der Bahn geworfen“, begann Remus mit zittriger Stimme, „als ich von James' und Lilys Tod erfahren habe.“ Severus war wie versteinert, in seiner Regungslosigkeit vollkommen ohnmächtig, den Raum zu verlassen, um vor dem Thema zu fliehen, wie er es in der Regel handhabte. „Sirius war in Askaban, Peter war vermeintlich tot. Ich hatte niemanden zum Reden.“
Endlich fand Severus seine Stimme wieder, auch wenn sie seine Gefühlslage verriet. „Sie hatten Ihre Eltern.“
Remus' mildes Lächeln war beinahe verblasst, als er ungläubig Luft durch die Nase stieß, bevor er verbesserte: „Nein, hatte ich nicht, nicht mehr zu dem Zeitpunkt.“ Er wagte es, Severus in die Augen zu blicken, als er erklärte: „Meine Eltern sind zweieinhalb Monate vor James und Lily umgebracht worden – von Todessern, weil sie sich geweigert haben, sich Voldemort anzuschließen.“
Severus konnte sich gut an Remus' Eltern erinnern, denn sie waren fast die Einzigen, die ihren bereits fünfzehnjährigen Sohn noch nach King's Cross begleitet hatten, auch wenn dem das unangenehm war. Es waren liebevolle Eltern gewesen; ein Vater, der seinen Stolz auf den eigenen Sohn für jedermann offen zeigte, was damals für ihn allein schon Grund genug war, Remus zu beneiden.
„Ich war es nicht“, versicherte Severus unerwartet, weil er nicht wollte, dass sein Gegenüber auch nur einen Moment lang denken könnte, er hätte etwas mit dem Tod seiner Eltern zu tun.
Remus schüttelte langsam den Kopf. „Nein, das dachte ich auch nie.“ Plötzlich, mit einem Hauch aufflammender Vergeltungssucht in den Augen, fragte Remus: „Weißt du, wer es war?“
Den Kopf schüttelnd verneinte Severus. „Es war nur eine Handvoll Todesser gewesen, die damals von Haus zu Haus gingen.“
„Es ist vielleicht besser so, dass ich es nicht weiß. Sonst würde ich noch in Askaban landen, weil ich mich in Selbstjustiz geübt habe.“ Remus holte tief Luft. „Ich habe ihren Tod schon nicht verkraftet und dann noch der von...“ Er schluckte. „Alkohol war mein Trost und“, er schürzte die Lippen und fügte sehr leise hinzu, „dann und wann etwas Billywig-Gift.“
Es war herauszuhören, dass Remus noch nie jemandem von seiner damaligen Vorliebe für die einzige Droge der Zaubererwelt erzählt hatte. Nicht nur Jugendliche der Magischen Welt hatten damit Probleme, auch einige Erwachsene.
„Zum Glück nicht lange, Albus hat mir rechtzeitig den Kopf gewaschen“, offenbarte Remus verschämt.
„Albus ist sehr verständnisvoll“, lobte Severus den alten Mann in Abwesenheit.
Remus nickte. „Gerade deswegen frage ich mich ernsthaft, warum er dich nicht davon abgehalten hat. Er wusste doch offensichtlich, was du vorhattest.“
Vor nicht einmal einer halben Stunde hatte Albus das damals gegebene Versprechen angesprochen. Das Versprechen, niemals mit jemanden darüber zu reden, was Severus getan hatte. Sein Herz schlug höher, als er der Vermutung erlag, Albus hätte sein Wort womöglich doch gebrochen.
Als hätte Remus seine Gedanken vernommen, beteuerte der: „Er hat nichts gesagt und das wird er auch nicht.“ Flüchtig deutete Remus auf die Stelle, wo vorhin noch das Glas mit den Fruchtkapseln stand. „Du kannst dir denken, warum ich das besorgt habe.“
Die Gelegenheit, den Raum zu verlassen und Remus zu ignorieren, packte Severus nicht beim Schopf. Stattdessen schwieg er, wurde indessen von der Neugier getrieben, mehr darüber zu erfahren, was Hermine und die anderen bisher herausgefunden haben mochten.
Für Remus war es ein gutes Zeichen, dass sein Kollege bisher nicht gegangen war. Mit dessen Verschwiegenheit konnte er leben. Er reichte aus, wenn Severus erfahren würde, was man in Bezug auf sein Problem bereits für Wege eingeschlagen hatte.
„Ich kenne mich mit Verlust aus“, sagte Remus, „mit Trauer und mit Verzweiflung.“ Er wartete gar nicht erst darauf, ob Severus etwas sagen würde, deswegen stellte er auch keine Fragen mehr, sondern schilderte die Situation aus seiner Sicht. „Es war für dich unerträglich. Du konntest dem Schmerz nicht entkommen.“ Remus wagte, seine Spekulation gänzlich offenzulegen. „Es war nicht ihr Tod allein, den du nicht verkraftest hast, nicht wahr? Es war die Schuld, die dir zugesetzt hat. Du hast dich dafür verantwortlich gemacht, weil du Voldemort die Hälfte der Prophezeiung genannt hast.“
Remus hatte nicht einmal raten müssen, denn als sie das Thema Lily vor einiger Zeit kurz angeschnitten hatten, hatte Severus genau das verlauten lassen. Seine Worte waren gewesen „Sie können sich gar nicht vorstellen, Lupin, was ich alles aus freien Stücken gegeben hätte, wenn ich damit das Schicksal einer bestimmten Person hätte abwenden können.“. Das Schicksal der Potters war besiegelt, nachdem Voldemort gewusst hatte, dass Lily schwanger war, was er nur durch Peter erfahren haben konnte. Der bis dato nicht für voll genommenen Vorhersage von Trelawney hatte der Dunkle Lord unerwartet viel Wichtigkeit beigemessen.
„Es war nur Zufall, Severus, dass es Lily gewesen war, die Voldemorts Aufmerksamkeit erlangt hatte. Alice hätte genauso gut sein Opfer werden können.“
Den richtigen Nerv schien Remus getroffen zu haben, denn der begann bereits an Severus' Augenlid zu zucken.
„Lilys Tod war das einschneidenste Erlebnis deines Lebens, richtig?“ Auf die Fragen erwartete Remus keine Antworten und Severus gab auch keine. „Spätestens ab dem Zeitpunkt hast du die Seiten gewechselt, wenn nicht sogar schon vorher, als du das erste Mal erkannt hast, dass Voldemort die Prophezeiung ernst nimmt.“ Remus betrachtete Severus, der wie gebannt auf weitere Worte wartete. „Die Frage ist nur, warum du den Ewigen See genommen hast? Ich denke, hättest du damit nicht den Großteil deiner Seele genommen und weggeworfen, dann wäre dein Leben in Gefahr gewesen.“
„Halt den Mund“, zischte Severus, doch er klang bei Weitem nicht so bedrohlich, wie er es sich erhofft hatte.
„Dann habe ich Recht? Es war kein Selbstmordversuch an deinem Körper, stattdessen an deiner Seele!“
Ein wenig hatte Remus Angst, den Bogen überspannt zu haben, doch Severus tat nichts, rein gar nichts. Er stand nur da und starrte ihn durch braune Augen an. Weder verließ er das Zimmer noch unternahm er den Versuch, diese Vermutung richtigzustellen. Remus konnte sich nicht genau vorstellen, wie sein Gegenüber sich in diesem Moment fühlen musste. Vielleicht war es Severus unangenehm, dass sein alter Feind diese Schwäche ohne Umschweife angesprochen hatte. Andererseits könnte es für Severus auch einen erleichternden Moment darstellen, dass endlich jemand das zum Ausdruck gebracht hatte, was er niemals von sich aus zugegeben hätte.
Mit ruhiger Stimme, die er automatisch verwendete, wenn er in seinen Worten Verständnis mitklingen lassen wollte, sagte Remus: „Ich glaube nicht, dass alles verloren ist. Harry glaubt es auch nicht und Hermine hat nicht eine Sekunde lang einen Gedanken daran verschwendet, dass es aussichtslos wäre, eine Lösung zu finden.“ Remus legte den Kopf schräg. „Ich frage mich nur, warum du so mauerst. Ist es, weil du befürchtest, du müsstest nach all den Jahren die gleichen Qualen erleiden, wenn du wieder eine vollständige Seele hast, mit der du fühlen kannst?“ Seinen eigenen Worten nickte Remus beipflichtend zu. „Ja, das wird es sein und weißt du was? Ich verstehe das. Wenn ich mich in dich hineinversetze, was unter diesen Umständen sehr schwierig für mich ist, dann würde ich genau das fürchten. Nach all den Jahren noch einmal diesen Verlust zu spüren würde mich an den Rand des Wahnsinns treiben. Heute ist aber einiges anders als damals.“ Er blickte Severus direkt in die Augen. „Heute habe ich Freunde, die mir helfen würden, all das zu ertragen.“
Für Severus war es unvorstellbar, einen Schmerz bewältigen zu können, nur weil ihm jemand zur Seite stehen würde. Zudem war es ihm unverständlich, warum gerade Remus ihn durchschaut hatte. Empathie war ein Fremdwort für Severus, doch offensichtlich gab es Menschen, die so empfindsam waren, dass sie das Gefühlsleben anderer begreifen konnten. Ein Rätsel war ihm, wie Freunde das Gefühl von Verlust erträglich machen könnten, besonders aber, ob er selbst Freunde hatte, die zu so einem Trost überhaupt in der Lage wären. Die Option, den Raum zu verlassen, hielt sich Severus für später offen. Jetzt war ihm wichtiger, ein wenig Stärke zu zeigen und sich an dem Gespräch zu beteiligen.
„In keinem der Bücher, die ich zu Rate gezogen habe – und das waren viele –, stand geschrieben, dass es einen Trank geben würde, der die Wirkung des Ewigen Sees rückgängig machen könnte. Ich werde keine Zeit mehr damit verschwenden, mich einer Suche zu widmen, die ins Nichts führen wird.“
„Du brauchst dich nicht aktiv zu beteiligen, Severus. Lass das andere machen, aber wenn jemand Fragen haben sollte, dann würde es dir nicht wehtun, Antworten zu geben. Es sei denn, es ist tatsächlich so wie ich denke, nämlich dass du der Konsequenz einer Heilung nicht ausgesetzt sein möchtest und du deshalb so ablehnend reagierst.“
„Weil es keine Heilung gibt!“
„Oh ja, man dachte auch lange Zeit, man könnte nichts für Werwölfe tun, bis Damocles Belby den Wolfsbanntrank entwickelt hat“, hielt Remus dagegen. „Dein Fall ist einzigartig, das wird niemand bestreiten, aber das heißt nicht, dass es nicht etwas dagegen gibt. Wie soll auch in den Büchern stehen, dass es einen Gegentrank für den Ewigen See gibt, wenn es niemand bisher für notwendig gehalten hat, einen zu entdecken?“
es verwundert wirklich nicht, dass Hermine bei der Prüfung so gut abgeschnitten hat. Man müsste denken, das Mungos würde sie mit Kusshand nehmen, aber Pustekuchen. Natürlich deprimiert es sie, abgelehnt zu werden, nur weil sie zu gut ist. Mit deine Ahnung liegst du ganz richtig. Warum sonst wurde die Apotheke wohl erwähnt ;)
Vielen Dank für deine Review und viel Spaß beim Lesen,
Muggelchen
172 Empathie
Enttäuschung war ein viel zu sanfter Begriff, um das zu erfassen, was Hermine gerade fühlte. Es war wie ein großes Gefühl, das sich aus mehreren zusammensetzte – so stark, dass es beinahe unerträglich war. Neben der Enttäuschung, vom Mungos abgelehnt worden zu sein, waren die Zweifel am eigenen Können wieder da. Nicht einmal die Noten der bestandenen Prüfung konnten sie beschwichtigen. Noch immer fragte sie sich, wie man zu gut für etwas sein konnte. Das Mungos hätte von ihrer Mitarbeit profitiert. Traurig wurde sie, als sich die Vermutung in ihr ausbreitete, Mr. Invidia hätte sie womöglich nicht leiden können und ihre Bewerbung deswegen abgelehnt. Vielleicht hatte er sie unsympathische gefunden? Ähnlich am Boden zerstört hatte sie sich gefühlt, als sie in der ersten Klasse hören musste, dass Ron sie nicht ausstehen konnte, sich über ihre Art und ihre Klugheit lustig gemacht hatte und ihre Intelligenz dafür verantwortlich machte, dass sie keine Freunde hatte. Das zu hören hatte wehgetan; die Erinnerung daran schmerzte noch heute, schmerzte in diesem Augenblick.
Blind vor Tränen kämpfte sie sich einen Weg nach draußen, rempelte in ihrer Wut versehentlich Menschen an, deren hinterhergerufene maßregelnden Worte sie nur noch mehr kränkten. Hermine hatte Schiffbruch erlitten. Sie brauchte jetzt dringend einen Rettungsring.
In seinem Büro in den Kerkern wartete Severus geduldig, bis Hermine von ihrem Vorstellungsgespräch zurückkommen würde. Als er sich umschaute, bemerkte er wie schon einige Male zuvor, dass seine Räume ihre Trostlosigkeit verloren hatten. Er betrachtete den kleinen Schreibpult, an dem sie immer saß, wenn sie gemeinsam arbeiteten. Sein Blick schweifte hinüber zum Bücherregal, aus welchem sie sich Rat holte, wenn sie ihn nicht stören wollte. Selbst Reagenzgläser und Phiolen hatten einen Hauch Lebendigkeit bekommen, denn bei allem, das er in den eigenen vier Wänden betrachtete, sah er vor seinem inneren Auge auch sie. Nahezu jeden Gegenstand und jedes Möbelstück konnte er in Gedanken mit ihr verbinden und erneut fragte er sich, wie diese Verknüpfung von Objekten und Vorstellungen auf ihn wirken könnte, wenn sie demnächst ihrer eigenen Wege gehen würde. Schon jetzt empfand er das dumpfe Gefühl vergangener Geselligkeit, als er sich vorstellte, sie nie wieder hier zu sehen. Ihr Fortbleiben würde ihm eine lieb gewonnene Gewohnheit entziehen.
Aus seinen Gedanken wurde er erst gerissen, als es klopfte, doch es war nicht sie, sondern Albus, der ihn aufsuchte.
„Severus, ist Hermine bei dir?“
„Nein, sie hat einen Termin im Mungos“, erwiderte er sehr sachlich.
„Ah“, machte der Direktor, um damit seine Verwunderung zum Ausdruck zu bringen. „Würdest du ihr bitte sagen, dass ich sie gern sprechen möchte? Wenn es sich heute nicht einrichten lässt, dann vielleicht morgen?“
„Ich werde ihr Bescheid geben.“
Albus nickte und wie Severus es geahnt hatte, wechselte er das Thema, damit der lange Weg von einem der höchsten Türme Hogwarts bis nach unten in die Kerker sich auch lohnen würde.
„Nächsten Monat findet die Jahrestagung der ’Körperschaft der Zaubertränkemeister’ statt.“
„Das ist mir bekannt.“
Die Augen des Direktors lächelten freundlich, ahmten derweil einen funkelnde Sternenhimmel nach. „Dann gehst du auch hin? Es freut mich, dass du wieder Zeit für solche Gelegenheiten findest.“
„Zu Voldemorts Zeiten hätte ich mit meiner Anwesenheit die Versammlung gefährdet. Darüber hinaus wäre ich sicherlich kein gern gesehener Gast gewesen.“
Auf was Severus hinaus wollte, verstand Albus nur zu gut. Damals wusste zwar nur eine Handvoll Leute, dass er ein Todesser war – die meisten von ihnen waren Ministeriumsangestellte –, doch in einigen Kreisen hatte sich diese Information als Gerücht gefestigt.
„Wirst du etwas vorstellen, Severus?“
Skeptisch stellte der Tränkemeister die Gegenfrage: „Wirst du etwa ebenfalls dort sein?“
„Aber natürlich! Du weißt, dass Zaubertränke auch mein Steckenpferd sind.“
Severus nickte und lächelte dabei Respekt zollend. „'Die zwölf Anwendungen von Drachenblut'. Wie konnte ich das vergessen?“
„Nun“, begann Albus und für Severus klang es so, als würde sich der Direktor auf eine ausgedehnte Unterhaltung einstimmen. „Ich hatte lange nicht mehr die Muße, die Neuerungen der Tränkewelt zu verfolgen. Eine meine früheren Leidenschaften war die Forschung gewesen.“
„Warum gehst du zur Versammlung? Stellst du deine dreizehnte Anwendungsmöglichkeit für Drachenblut vor?“, scherzte Severus.
Amüsiert legte Albus ihm eine Hand auf die Schulter. Mit dieser Geste konnte der Direktor noch heute dafür sorgen, dass Severus sich wie ein Jungspund fühlte. Die Hand drückte freundschaftlich zu.
„Severus, ich habe längst Platz gemacht für die neuste Generation kluger Köpfe. Meine Ideen sind versiegt, genauso wie die große Leidenschaft, mich selbst der Forschung zu widmen.“ Die Hand klopfte zweimal auf seine Schulter, bevor sie sich entfernte. „Was ist mit deiner Forschung? Mr. Sanguini schien die letzten Male recht erleichtert.“
„Albus!“ Der vorwurfsvolle Klang in Severus' Stimme war nicht zu überhören, doch Albus lachte nur.
„Dein Geheimnis ist bei mir sicher, Severus.“ Mit Blut zu forschen war in der Zaubererwelt nicht erlaubt, weil gerade mit dieser Zutat viel Übles angestellt werden konnte.
Um von Sanguini abzulenken sagte Severus: „Hermine wird etwas vorstellen.“
„Das dachte ich mir.“ Albus nickte, als würde ihn diese Information tatsächlich nicht überraschen. „Sie ist klug und hegt eine Leidenschaft für die Forschung wie einst ich selbst und wie du.“
Einen Moment lang wartete Severus vergebens auf eine Frage, so dass er selbst eine stellte: „Willst du gar nicht wissen, um was es sich handelt?“
„Nein, Neugierde ist etwas für die Jugend, wenn ich auch gestehen muss, dass ich mich manchmal noch sehr jung fühle. Ich werde es im Februar erfahren.“
Diesen Moment wählte Severus, um das Thema zu wechseln.
„Neugierde“, wiederholte er bedeutungsschwanger. „War es auch deine Neugier gewesen, warum du auf die Idee gekommen bist, Vorlosts Ring anzuziehen?“
Albus erstarrte, jedoch nicht, weil ihm das Thema unangenehm war, sondern weil er nachzudenken schien, wie er sich äußern wollte. Eine ganze Weile verbrachte Albus damit, seine Gedanken zu ordnen, setzte sich in der Zeit auf einen Stuhl, während Severus unverdrossen wartete.
„Weiß du, Severus, es war weniger die Neugier gewesen. Ich ahnte, was geschehen würde. Den Ring zog ich an, damit ich selbst für mein dahingehendes Leben verantwortlich gemacht werden konnte. Weder Harry, der mir das Gift in der Höhle zu trinken gab, noch du, den ich um meine Erlösung bat, sollte sich die Bürde meines Todes auf die eigenen Schultern laden. Ich wäre an dem schwarzen Fluch gestorben, mit dem der Ring mein Leben verdorben hat.“
„Du hast an mein Mitleid appelliert, dass ich exklusiv für dich hege“, flüsterte Severus.
„Den Fluch konntest du nicht aufhalten, mein Freund, seine Auswirkung aber hinauszögern. Ich war zu diesem Zeitpunkt längst verloren.“
Die Worte seines Mentors überdachte Severus genau, bevor er leise fragte: „Wie genau, Albus?“
Der Direktor wollte sich nicht mehr in Schweigen hüllen. „Das Elixier des Lebens, Severus. Ich bewahrte den Stein der Weisen jahrelang ganz in meiner Nähe. Seine Essenz trug ich in einem Fläschchen bei mir. Den Trank, den ich aus dem Stein gewonnen hatte, nahm ich an dem Abend ein, an dem ich mit Harry nach Hogwarts zurückkehrte und das Dunkle Mal über dem Schloss schweben sah. Ich wusste, es würde der Abend sein, an dem du dein Versprechen mir gegenüber einlösen würdest.“
„Dich zu töten.“
„Ja“, hauchte Albus. „Der Avada traf mich und ich stürzte... stürzte tief.“ Er seufzte.
Die Aufprall war schmerzhaft gewesen. Albus' Körper wollte damals sterben. So viele innere Verletzungen, unzählige Knochenbrüche. Der Tod hatte ihn geküsst und ihn innig umarmt, um ihn behutsam auf die andere Seite zu bringen. Der Weg allen Fleisches hatte vor ihm gelegen, doch das Elixier schlug einen anderen ein. Der fast tote Leib, dessen Herz viel zu selten schlug, wurde von dem, was der Stein der Weisen hervorbringen konnte, an Lebens gefesselt.
„Als ich aufgebahrt auf dem Marmor lag“, Albus suchte Severus' braune Augen, „da erst spürte ich wieder meinen eigenen Herzschlag. Dieses Leben in mir fühlte auch mein Gefährte und er kam, um mich zu holen. Unerkannt von den Trauernden trug er mich mit Leichtigkeit fort – an einen Ort, an dem die Kraft des Elixiers sich all meiner Versehrtheit annehmen konnte. Es heilte meine Wunden, heilte den Tod.“ Albus entwicht ein Seufzer. „Es war langwierig und schmerzhaft.“
„Die Geburt ist ein schmerzhafter Prozess“, philosophierte Severus.
Zustimmend nickte Albus, fügte jedoch hinzu: „Sowie auch Wachstum von Qualen begleitet wird.“
Es gefiel Severus nicht, dass Albus das Thema auf ihn bezog. „Wachstum“ und „Qualen“ waren Gefühle, die ihn nach dem Tod Voldemorts peinigten. Er selbst war der Meinung, dass bei ihm nichts zu retten war. Zwar glaubte er nicht daran, sich einer sehr privaten Unterhaltung entziehen zu können, doch wenigstens wollte er es versuchen. Das war der Grund, warum er erneut das Thema wechselte.
„Mit Black hast du es ganz genauso getan.“
Langsam schüttelte Albus den Kopf. „Oh nein, das war ungleich schwieriger gewesen. Erst sehr spät habe ich mit dem Gedanken gespielt, Sirius verschwinden zu lassen. Harry begann mittlerweile eigenständig zu handeln und war deswegen schon einmal den Todessern in die Arme gelaufen, wie du selbst weißt. Es war seine Sorge um Sirius gewesen, die ihn unvorsichtig werden ließ.“ Selten hörte man, wie sich Albus' Alter auch in dessen Stimme niederschlug. Das vollbrachten nur Momente, die an Ernst kaum zu übertreffen waren. Albus räusperte sich, bevor er seine damaligen Pläne offenlegte. „Es durfte nicht noch einmal geschehen. Harry durfte sich nicht wegen Sirius in Gefahr bringen, also griff ich ein.“
„Hat Black sofort zugestimmt?“, wollte Severus wissen.
„Er war skeptisch, das kann ich dir versichern, aber er vertraute mir über alle Maßen. Ich gab ihm das Elixier des Lebens, bevor er mit den anderen ins Ministerium gegangen war, erwähnte jedoch nicht, um was es sich handeln würde.“ Albus drehte sich auf seinem Stuhl, damit er Severus besser sehen konnte. „Glaub mir, Severus, ich habe ja nicht geahnt, dass Sirius durch den Torbogen fallen würde.“
Severus konnte Beunruhigung in Albus' Stimme ausmachen und ein Echo der Furcht, die Situation damals nicht mehr im Griff gehabt zu haben. Der Schleier war nie Teil des Plans gewesen.
„Aber Black ist hindurchgefallen“, sagte Severus, um Albus zum Weiterreden zu motivieren.
„Ja“, der Direktor nickte, „das ist er.“ Verlegen rückte er seine Halbmondbrille gerade. „Noch nie ist jemand aus dem Schleier zurückgekommen, Severus. Niemals.“
„Warum? Was verbirgt sich dahinter?“
Möglicherweise würde sich ihm gleich eines der Geheimnisse der Mysteriumsabteilung offenbaren, doch Severus hatte vergeblich gehofft, denn Albus erwiderte: „Kaum einer weiß es. Nur dass es kein Zurück gibt, ist eine Tatsache. Ich persönlich denke, aber das muss nicht der Wahrheit entsprechen, dass dieser Schleier ein Weg in die andere Welt ist. Ein Zurückkommen ist nicht möglich, weil man stirbt, wenn man hindurchgeht.“
„Doch Black konnte nicht sterben“, warf Severus ein. „Durch das Elixier fand er keinen Frieden und musste solange dort verweilen, bis man ihn herausholen konnte.“
„Du kombinierst noch immer fantastisch, Severus“, lobte der Direktor mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.
„Erkläre mir bitte, Albus, wie du 'Orpheus' Black einen Rückfahrtschein aus der Unterwelt besorgen konntest.“
Albus blickte auf seine Hände, die auf dem Schoß verweilten. „Den Kopf habe ich mir zerbrochen. Ich befürchtete, ich wäre Schuld daran, dass er bis in alle Ewigkeit als einziger Lebender im Totenreich umherwandeln müsste.“ Plötzlich blickte Albus auf, seine Augen waren wieder lebendig. „Was doch ein wenig Spiel mit Raum und Zeit bewirken kann. Der Gedanke kam mir gleich nach meinem eigenen 'Tod'. Das Verschwindekabinett! Es selbst ist ein Meisterwerk der Raumkrümmung. Ich musste es jedoch erst verstehen, bevor ich damit den Versuch wagen durfte, Sirius zurückzuholen.“ Albus lächelte verschmitzt. „Wer versteht von solchen Dingen am meisten? Wer ist verschwiegener als jemand, der tagein, tagaus von Mysteriösem umgeben ist und es heimlich ergründet?“ Gerade wollte Severus eine Frage stellen, da hob Albus eine Hand. „Nein, frage nicht, darauf werde ich keine Antwort geben.“
Severus holte tief Luft. „Ich brauch einen Drink. Möchtest du auch etwas, Albus?“
„Ich nehme einen schönen heißen Tee mit einem Schuss Rum.“
Genau das gleiche Getränk nahm gerade Mr. Granger von seiner Frau entgegen, um sich aufzuwärmen. Der Weg mit dem Bus bis nachhause war anstrengend gewesen, denn durch einen Unfall mussten die Fahrgäste umsteigen, einige Straßen weiter laufen und auf Ersatzverkehr warten, doch der kam nicht. Taxis waren keine zu sehen, also hatte er den Heimweg zu Fuß angetreten. Bei den winterlichen Temperaturen war ihm die Kälte bis in die Knochen gekrochen.
„Danke Schatz, das habe ich jetzt dringend nötig.“ Er kam nicht dazu, einen Schluck zu nehmen, denn es klingelte an der Haustür und zeitgleich machte der Wecker in der Küche auf den fertigen Braten aufmerksam.
„Gehst du bitte zur Tür, Josh? Ich muss in die Küche.“ Joshua nickte, gab Jane einen Kuss auf die Wange und ging schlürfenden Ganges, denn seine Glieder waren noch ganz steif, zur Haustür. Durch den Spion an der Tür erspähte er seine Tochter, woraufhin er freudig die Tür öffnete.
„Hermine, meine Liebe, komm...“ Hermines Vater verstummte auf der Stelle, als er ihre verweinten Augen sah. „Ist etwas Schlimmes geschehen?“, wollte er wissen, während er sie bereits an die väterliche Brust presste. Sie zog die Nase hoch, doch seine Umarmung spendete so viel Trost, dass ihr nach Weinen nicht mehr zumute war.
„Kann ich einen Augenblick hier bleiben?“ Seiner Tochter hatte er selten etwas abschlagen können.
„Aber natürlich, auch zwei Augenblicke, wenn du magst“, scherzte er, um sie aufzuheitern. „Deine Mutter hat gerade das Essen fertig. Du nimmst doch sicher einen Teller.“
Ein Essen mit ihren Eltern, ganz so wie früher, wäre etwas, das sie aufmuntern könnte. Sie ließ sich von ihrem Vater ins Wohnzimmer führen, wo ihre Mutter gerade zwei Schalen auf dem Esstisch abstellte.
„Es fehlt noch ein Gedeck.“ Aufgrund seiner Worte drehte sich seine Frau um und begann sofort zu lächeln, als sie ihre Tochter bemerkte.
„Mein Liebes!“ Ihre Mutter herzte sie noch mehr als ihr Vater. Hermine war auf einen Schlag wieder ein Kind. „Setz dich doch, ich hole noch einen Teller. Möchtest du etwas Wein haben? Dein Vater hat den guten Roten aus dem Keller geholt.“
„Ja gern. Kann ich dir helfen, Mama?“
„Nein, es ist ja alles fertig angerichtet, bis auf dein Gedeck. Setzt euch doch schon.“ Jane schaute ihren Ehemann an und bat: „Machst du etwas Musik an?“
Hermine fühlte sich wie Zuhause, obwohl das Haus ihrer Eltern schon lange nicht mehr ihr eigenes Heim war. Während ihre Mutter in der Küche war, bemerkte sie, wie ihr Vater sie besorgt betrachtete.
„Dad, es ist alles in Ordnung“, wollte sie ihm weismachen und wenn sie die Situation – was ihr schwerfiel – mit Abstand betrachtete, war die Ablehnung vom Mungos tatsächlich kein Beinbruch.
„Minchen, Minchen“, er schüttelte den Kopf, „du hast geweint, das sehe ich und du sagst, es wäre alles in Ordnung. Das soll ich glauben?“
„Was sollst du glauben?“ Hermine Mutter war gerade wieder hereingekommen und stellte einen der schönen Teller mit der rosafarbenen Iris am Rand vor ihrer Tochter ab. Dazu das schwere Besteck mit goldenem Muster am Griff. Kindheitserinnerungen.
„Unsere Tochter wird schon noch sagen, was ihr auf dem Herzen liegt“, sagte ihr Vater lächelnd, weil er sie nicht drängen wollte, doch neugierig war er; das hatte Hermine von ihm geerbt.
Ihre Mutter tat das Essen auf und fragte nebenbei: „Warst du gerade in der Nähe oder warum der überraschende Besuch?“
„Ich wollte einfach herkommen“, sagte Hermine niedergeschlagen. „Hier geht es mir immer gut.“
In diesem Moment überlegte ihr Vater, ob sie vielleicht mit ihrem Professor aneinandergeraten sein könnte, doch dann fiel ihm die Eule ein, die sie ihnen geschickt hatte.
„Wir haben dir noch gar nicht gratuliert, Minchen.“ Er stand extra nochmal von seinem Platz auf, um sie zu drücken. „Gratulation zur bestandenen Prüfung! Die war gestern, richtig?“
„Richtig.“
Auch ihre Mutter umarmte sie und gab ihr einen Kuss auf die Wange, bevor sie ihr ein Glas Rotwein reichte. „Dann lasst uns anstoßen. Auf dich, Hermine! Jetzt stehen dir alle Türen offen.“
Hermine hob ihr Glas, doch aufgrund der Worte konnte sie es nicht verhindern, aus einem Reflex heraus so schnell Luft zu holen, dass sie Mühe hatte, ihre Tränen zu unterdrücken. Ihre Mutter stand noch bei ihr und legte einen Arm um sie.
„Ist mit der Prüfung etwas nicht in Ordnung?“, fragte ihr Vater vom Stuhl gegenüber.
„Nein, es ist alles so, wie ich es im Brief geschrieben habe. Mit Bravour bestanden.“
„Und das ist ein Grund, nun so ein Trübsal zu blasen?“
Schnell hatte sich Hermine beruhigt. „Nicht alle Türen stehen mir offen, Dad. Einige haben sich mir verschlossen, weil ich 'zu gut' bin.“ Am Ende hatte man deutlich den Sarkasmus gehört, den sie sich im Laufe des letzten Jahres angenommen hatte.
„Wieso 'zu gut'? Wer hat das gesagt?“
„Der Mann, bei dem ich eben ein Vorstellungsgespräch hatte“, erklärte sie, blickte derweil auf das dampfende, saftige Fleisch auf ihrem Teller.
„Dann versuch es im Mungos. Du hast doch dort deine Ausbildung gemacht. Die kennen dich und würden dich sicherlich sofort...“
Sie unterbrach den gut gemeinten Ratschlag ihres Vaters. „Das war der Personalchef vom Mungos, mit dem ich gesprochen habe.“
„Dann“, er zog erstaunt beide Augenbrauen in die Höhe, „sollte man den Knilch feuern. Er scheint keine Ahnung von seinem Job zu haben. Ich würde erst einmal sagen, wie fangen mit dem Essen an, bevor es kalt wird.“
Während des Essens erzählte ihr Vater eine Geschichte, die sie schon unzählige Male gehört hatte und doch machte es ihr Spaß, seinen Schilderungen zu lauschen. Er konnte witzig erzählen und außerdem hatte er diese Geschichte gewählt, um ihr zu zeigen, dass es ihm damals ähnlich ergangen war wie ihr.
„Am Ende musste ich selbst eine Praxis eröffnen, weil keine Zahnklinik mich einstellen wollte“, sagte er während des Desserts, „und dann habe ich deine Mutter eingestellt.“ Hermine musste lächeln. Ihre Mutter hatte damals eine Ausbildung zur zahnmedizinischen Fachangestellten absolviert, hatte nicht einmal studiert. „Deine Mutter war ein so kluger Kopf, dass ich ihr das Studium finanziert habe.“ Jetzt lächelte auch ihre Mutter, als sie in Erinnerungen schwelgte. „Das war eine meiner besten Entscheidungen im Leben. Sie hatte Bedenken“, ihr Vater legte seine Hand auf die ihrer Mutter, „aber ich habe ihr gesagt, sie kann mir später einmal alles zurückbezahlen.“
„Und er hat auch versichert“, warf ihre Mutter ein, „dass er keine 'Gegenleistungen' erwarten würde.“
Daraufhin mussten Hermine und ihr Vater herzlich lachen, bevor er mit vorgetäuscht nachdenklicher Miene in Erinnerung rief: „Dabei fällt mir ein, dass du noch immer nichts zurückbezahlt hast.“
Sie schlug ihm spielerisch auf dem Arm. „Weil du mich vom Fleck weg geheiratet hast!“
„Ja richtig!“, betätigte er, als wäre es ihm erst jetzt wieder eingefallen. „Den leeren Fleck vermiete ich heute übrigens an einen Gartenzwerg“, er zeigte zum Fenster, „gleich vorn im Vorgarten.“
Die heitere Stimmung hatte Hermine wieder fröhlich gemacht, aber sobald sie daran dachte, zurück nach Hogwarts gehen zu müssen, da wurde sie wieder traurig. Ihre Eltern schafften es erneut, sie von der heutigen Niederlage abzulenken.
Als sie im Wohnzimmer saßen und Scrabble spielten, vergaß Hermine das demütigende Erlebnis mit Mr. Invidia komplett. Sie ordnete ihre sieben Buchstaben neu an und dachte erstaunt, wenn sie noch ein zweites „E“ hätte, dann könnte sie „Severus“ legen, aber Namen waren sowieso nicht erlaubt, weshalb sie das Grußwort „Servus“ legte und wegen des Buchstabens „V“ und dem roten Feld, über das das Wort verlief, viele Punkte machte.
„Spatz, wie soll man dort noch anlegen? Gibt es eine Mehrzahl von 'Servus'?“, fragte ihr Vater scherzend, woraufhin ihre Mutter ihm leutselig in den Bauch pikste.
An Hermine gewandt fragte sie: „Wie wäre es, wenn du dich auch selbstständig machst, so wie dein Vater es getan hat?“
„Ich...“ Hermine war verblüfft. Ihre Eltern hielten entweder nur so viel von ihr, weil sie ihre Tochter war oder aber sie glaubten wirklich, dass sie die Fähigkeiten dazu besitzen würde.
„Ja, Minchen“, stimmte ihr Vater ein, „dein alter Wunsch mit der Apotheke vielleicht?“
„Dad, ich hab schon mehrmals gesagt, dass das nur eine nicht ernst zu nehmende Vorstellung während des Krieges war, die ich offen vor allen geträumt habe.“
„Du hast diese 'nicht ernst zu nehmende Vorstellung' aber sehr prächtig über einige Jahre ausgeschmückt, zumindest in Gedanken. Für eine ganze Weile glaubte ich, dass das wirklich deine spätere Wahl wäre, wenn du im Mungos mal fertig bist. Jetzt bist du fertig und es heißt plötzlich, du hättest es nie so gemeint.“
„Dad“, nörgelte Hermine. „Ich habe kein Geld, um mir sofort etwas Eigenes aufzubauen.“
„Wozu hast du Eltern? Als Zahnarzt verdient man nicht schlecht, wenn man eine Menge privat versicherter Patienten hat“, konterte ihr Vater und sie ahnte, dass eine Unterhaltung mit ihm nicht leicht werden würde. Er fand immer plausible Gegenargumente, um ihre Aussagen zu entkräften. „Du kannst uns später alles zurückzahlen“, fügte er grinsend hinzu.
Hermine lachte. „Ja sicher, so wir Mama dir alles zurückgezahlt hat?“
Er schüttelte den Kopf, konnte das Grinsen aber nicht loswerden. „Nein, ich lerne aus meinen...“
„Sag jetzt nichts Falsches, Joshua!“, warnte Hermines Mutter witzig gemeint.
Hermine dachte über das nächste Wort nach, das sie legen wollte und murmelte derweil: „Da ist eine Apotheke in der Winkelgasse, die zum Verkauf steht. Ich weiß nicht, ob sie noch zu haben ist.“
„Wie lange hat die Apotheke auf?“, wollte ihr Vater wissen.
„Ich denke, so bis sechs. Die meisten Läden dort schließen zeitig.“
„Na dann“, er stand auf, „zieht euch mal die Mäntel über.“ Seine Frau und auch seine Tochter schauten ihn irritiert an, weswegen er deutlicher wurde. „Wir gehen in die Winkelgasse!“
Die Familie Granger war in Aufbruchstimmung. Sie holten ihre Taschen, zogen sich ihre Mützen über und machten sich auf den Weg zur beliebten Einkaufsstraße der magischen Welt.
In den Kerkern machte man es sich im Gegensatz sehr gemütlich. Albus und Severus hatten das Büro verlassen und waren ein paar Türen weiter ins private Wohnzimmer des Zaubertränkemeisters gegangen. Der weiße Hund ließ sich erst vom Direktor tätscheln, bevor er zu seinem Schrank hinüberging und eines der Spielzeuge herausholte, das er Albus vor die Füße legte.
„Nicht, Harry“, maßregelte Severus seinen Hund, doch Albus winkte ab und nahm das quietschende Gummispielzeug vom Boden. Er warf es noch nicht, sondern blickte zu Severus hinüber.
„Dein erster Freund“, sagte er gutmütig, als er zum Hund deutete und auf die Zeit nach dem Sieg über Voldemort Bezug nahm.
„Ich weiß bis heute nicht, wie ein Welpe in den Verbotenen Wald kommen konnte.“ Skeptisch blickte er Albus an. „Oder war das eine deiner Ideen?“
„Nein“, versicherte Albus. „Von Firenze habe ich erfahren, dass das Wandernde Volk arglos eine Abkürzung durch unseren Wald nehmen wollte. Sie wurden von etwas Dunklem überrascht und sind geflohen, haben den Kleinen unbeabsichtigt zurückgelassen.“ Albus blickte zum Hund hinüber, der sich unter Severus' Pflege prächtig entwickelt hat. „Firenze hätte sich seiner angenommen, aber dann bist du auf der Bildfläche aufgetaucht.“
„Dann war es Zufall?“
„Glaubst du an Zufälle, Severus?“, stellte Albus als Gegenfrage.
Gelangweilt die Schultern einmal hebend erwiderte er: „Es war Zufall, dass Black durch den Schleier gefallen war.“
„Ja, das war es. Aber es war gut, dass er komplett verschwunden ist. Hätte man ihn gefangen genommen und gequält, wäre ihm durch das Elixier der Tod verwehrt geblieben. Ein perfektes Geschenk für jene unter den Todessern, die sich an der Qual eines Menschen erquicken konnten. Es war so besser, wie es am Ende gekommen ist.“
„Bis auf das Lestrange-Gesindel hat zum Glück niemand Freude an der Folter gefunden. Die anderen Todesser gaben sich damit zufrieden, die 'Unwürdigen', wie sie die Muggel und Andersdenkenden bezeichnet haben, schnell des Lebens zu berauben.“
Albus blickte auf und betrachtete seinen Freund, der sich unter seinen wachen Augen unwohl fühlte. Einen Moment später gab Albus preis, über was er nachgedacht hatte.
„Es ist beruhigend, dass du über diese Zeit sprechen kannst, Severus.“
„Ich kann darüber sprechen, weil es mir nicht zusetzt.“
Erneut fand die Hand des Direktors den Weg zu Severus' Schulter. „Du weißt was geschieht, wenn man den Schmerz vor sich herschiebt. Solange wie du hat ihn noch niemand betäubt. Solltest du ihn eines Tages spüren – und ich bin gewiss, dass dieser Zeitpunkt kommen wird –, dann wird der Schmerz nur noch schlimmer werden. Mach dich darauf gefasst.“
Das, was Severus vermeiden wollte, hatte Albus wieder einmal pfeilschnell zur Sprache gebracht. Er wollte nicht über die Vergangenheit sprechen – über das, was er nur mit Albus geteilt hatte, doch der war anderer Meinung.
„Siehst du es denn nicht, Severus?“
„Nein“, log es. „Es wird sich gar nichts ändern. Und ich werde nichts tun, damit sich mein Zustand verschlimmert!“ Am Ende war Severus sehr deutlich und bestimmend geworden, doch Albus hatte sich von solch abweisendem Tonfall nie beeindrucken lassen.
„Du solltest es im Hinterkopf behalten, mein Freund, sonst könnte es dich übermannen und du wärst hilflos dem ausgeliefert, was ich nie zustande bringen konnte.“
„Mir ist nicht zu helfen!“
„Du willst dir nicht helfen lassen“, verbesserte Albus und seine Augen glitzerten dabei freundlich. „Weil du Angst hast vor dem Schmerz. Aber sag mir, hat das nicht längst begonnen? Fühlst du ihn nicht schon?“
Innerlich stimmte Severus zu. Er fühlte die Veränderung und er tat alles Mögliche, um ihr Einhalt zu gebieten. Selbst ohne Worte schien Albus zu verstehen.
„Ich sagte vorhin schon, dass Wachstum von Qualen begleitet wird. Ist das der Grund, warum du dich so sträubst? Du selbst hast jahrelang nach einem Weg gesucht, alles rückgängig zu machen und nun, wo andere das für dich übernommen haben, da legst du ihnen Steine in den Weg?“ Albus seufzte und nahm einen Schluck aus seiner Tasse. „Du selbst brauchst nichts zu tun. Betrachte es wie einen Samen, der nicht durch eigene Kraft den gefrorenen Boden durchbrechen muss, denn es sind die Hände anderer, die ihm Gutes tun und ihn pflegen. Lass ihn einfach gedeihen, Severus.“
„Wie soll etwas ohne Erde und Licht wachsen?“, giftete der Tränkemeister missgelaunt.
Albus überlegte nicht, sondern antwortete sofort: „Indem du fremden Boden zulässt und dich nicht in der Dunkelheit verkriechst.“ Die Tasse stellte Albus auf dem Tisch ab, bevor er beide Hände Severus Schultern legte und mit erschreckendem Ernst sagte: „Wäre ich nicht an das Versprechen gebunden, das ich dir gab, wäre ich längst ein festes Mitglied jener, die sich wegen deines Schicksals zusammengeschlossen haben.“
Durch verengte Augenlider blickte Severus seinen alten Freund an, bevor er leise zischte: „Ich werde dich nicht von deinem Versprechen entbinden.“
Albus lachte auf. „Ich glaube nicht, dass ich jetzt noch eine große Hilfe sein würde. Die anderen machen ihre Aufgabe sehr gut und sie werden nicht aufgeben, egal wie schwer du es ihnen machst.“
„Es wird alles im Sande verlaufen“, hielt Severus dagegen, denn er vermutete, dass mit Hermines neuem Lebensweg sich auch ihre Prioritäten ändern würden.
„Ich denke das nicht, Severus. Es war Harry, der angefangen hat und er wird es sein, der es beenden wird, auch wenn andere Menschen ihren Beitrag zur Lösung gegeben haben.“ Albus blickte auf die Uhr. Es war schon spät. Er hatte gehofft, Hermine würde während seines Gesprächs mit Severus eintreffen, doch sie war noch immer fort. „Hermine soll morgen zu mir kommen. Richte ihr das bitte aus, wenn sie zurück ist.“
Auch Severus blickte zur Uhr und es kam ihm seltsam vor, dass sie noch immer nicht zurück war. Ein Vorstellungsgespräch würde keine zweieinhalb Stunden dauern, dachte er. Es sei denn, sie hätte etwas unterschrieben, was er nicht hoffte.
Den Direktor begleitete er hinauf bis ins Erdgeschoss und während Albus noch weitere Stufen aufstieg, steuerte Severus das Zimmer von Harry an.
„Guten Abend“, grüßte Harry und bat ihn herein.
Auf dem Tisch bemerkte Severus zwei Tabletts, die Harry von Elfen hatte bringen lassen. Wie es aussah, hatte er nicht vor, mit seiner Verlobten in der großen Halle zu speisen. Harry schaute einmal zu Ginny hinüber, die auf der Couch saß und still wartete, bevor er seinen Kollegen ansprach, der ein wenig gedankenverloren schien.
„Was kann ich für Sie tun?“
„Wissen Sie, wo Hermine sich aufhält?“
„Sie hat ein Vorstellungsgespräch im Mungos. Ich dachte, das hätte sie Ihnen erzählt.“
„Hat sie“, bestätigte Severus. „Der Termin war bereits um 15:30 Uhr.“
Erst jetzt schaute Harry auf die Uhr. Es war fast sechs.
„Haben Sie in ihrem Zimmer nachgeschaut?“
Auf die Idee hätte Severus auch selbst kommen können. Er schüttelte den Kopf, gab seine Nachlässigkeit jedoch nicht zu, sondern forderte: „Wenn Sie sie treffen sollten, teilen Sie ihr bitte mit, dass sie sich bei mir melden soll.“
„Sie machen sich doch nicht etwa Sorgen?“, feixte Harry, woraufhin er mit einem bösen Blick gestraft wurde.
„Nicht ich suche sie“, stellte Severus klar. „Ich habe eine Nachricht von Albus, der sie eigentlich heute schon sprechen wollte.“
„Oh, in Ordnung. Sollte ich sie sehen, dann sage ich ihr, dass sie sich bei Albus melden soll.“
„Nein, bei mir!“, verbesserte Severus.
Harry machte ein Gesicht, aus dem man gut ablesen konnte, dass ihm etwas nicht ganz klar war. „Hermine soll sich also bei Ihnen melden, weil Albus mit ihr sprechen möchte?“, wiederholte er ungläubig.
„Ah, haben Sie es doch endlich begriffen.“
Das nächste Ziel war der vierte Stock. Höflich klopfte Severus an Hermines Tür, doch es schien niemand Zuhause zu sein. Mit dem Passwort verschaffte er sich Einlass. Der Kniesel begrüßte ihn stürmisch, so dass Severus ihn auf den Arm nahm und kraulte, während er sich im Wohnzimmer umsah. Wie schon einmal stellte er sich an die Balkontür, um nach draußen zu sehen. Die Sonne war längst untergegangen. Dunkelgraue Wolken zogen schnell über den Himmel und ließen dem aufsteigenden Mond keine Chance, sich einmal in voller Größe zu zeigen. Plötzlich fühlte sich Severus beobachtet. Abrupt drehte er sich um und starrte in die gemalten Augen von Calliditas. Severus grüßte den Mann nicht. Sein Höflichkeit erfuhren nur wenige Menschen, an tote Dinge verschwendete er sie schon gar nicht.
„Wo ist Miss Granger?“ Calliditas Augenbrauen wanderten gelangweilt in die Höhe. Er antwortete dem Tränkemeister nicht. „Dämliches Portrait“, murmelte Severus, bevor er dem Kniesel vorsichtshalber etwas zu Fressen gab und gleich im Anschluss Hermines leeren Räume verließ.
Im Flur blieb Severus stehen. Er könnte, so dachte er, bei Remus nachfragen. Seine Überlegung wurde ihm abgenommen, als der Kollege für die Pflege magischer Geschöpfe aus seinem Zimmer trat. Überrascht blieb dieser stehen, doch das stets freundliche Wesen nahm den Werwolf sofort wieder ein – das milde Lächeln formte sich von ganz allein. Severus bemühte sich, kein Gesicht zu ziehen.
„Hallo Severus, wolltest du mich besuchen? Komm doch rein.“
„Ich... Nein, ich hatte lediglich in Erwägung gezogen, mich bei Ihnen nach dem Verbleib von Hermine zu erkundigen, falls sie sich bei Ihnen gemeldet haben sollte.“
Remus beäugte sein Gegenüber ungläubig. „Ich habe sie seit heute Morgen nicht gesehen.“
„Ah“, machte Severus und beschied sich damit, Remus zu ignorieren und seinen eigenen Gedanken nachzugehen.
„Severus?“ Er hätte es erwarten müssen, dass Remus seine Überlegungen unterbrechen würde. „Warum suchst du sie?“
„Ich suche sie nicht. Albus hatte sich nach ihr erkundigt. Es ist bedenklich, dass sie noch nicht aus dem Mungos zurück ist.“ Bevor Lupin Genaueres erfragen konnte, erklärte Severus bereits: „Sie hatte ein Vorstellungsgespräch.“
„Oh gut.“ Remus schien erleichtert. „Im ersten Moment habe ich doch tatsächlich geglaubt, ihr wäre etwas geschehen.“
Mit Severus eine Unterhaltung zu führen war oftmals unangenehm, weil er wenig sagte. Remus meisterte solche Situationen jedoch mindestens genauso prächtig wie Hermine, denn er konnte gut reden.
„Würdest du trotzdem kurz zu mir kommen? Ich habe da ein kleines Problem, über das ich eigentlich mit Hermine sprechen wollte.“
„Um was handelt es sich?“ Severus machte keine Anstalten, Remus in dessen Zimmer zu folgen.
„Es geht um eine Trankzutat, die ich für sie aufbewahre. Ich fand bisher noch keine Zeit, sie ihr zu geben, geschweige denn, ihr davon zu erzählen.“ Hermine war wegen ihrer Prüfung beschäftigt gewesen. „Ich komme mit der Zutat nicht klar.“
Neugierig machte Severus einen Schritt auf Remus zu, der ihn wortlos aufforderte, ihm in seine Räume zu folgen.
„Es ist“, begann Remus peinlich berührt, „offenbar eine sehr aggressive Zutat. Der Behälter hat schon einige Sprünge. Ich möchte nicht, dass etwas geschieht.“
„Was...?“
Seine Frage wurde ihm durch Remus' Handlung abgeschnitten, denn der hatte das Ende eines Tuches ergriffen, das er wie ein Zauberkünstler aus der Muggelwelt mit einer einzigen, schnellen Handbewegung wegzog. Darunter befand sich ein durchsichtiges Behältnis, in welchem ein Netz aus Draht eingearbeitet war. In diesem großen Glas, welches sichtbare Risse aufwies, wirbelten in der Luft drei Fruchtkapseln umher, deren Anblick Severus einen Schrecken einjagte.
„Was zum Teufel denken Sie sich dabei, solche Dinge in die Schule zu bringen?“, zischte er.
Der Gefahr, die von diesen Kapseln ausging, war sich Remus nicht bewusst, aber Severus' rügender Tonfall sprach Bände. „Ich wollte nur... Für Hermine...“, stotterte er.
„Diese Pflanze“, Severus deutete mit ausgestrecktem Finger auf das Glas, „könnte ganz Hogwarts zum Einsturz bringen!“ Sollten die Kapseln ausbrechen, würden sie sich an die steinernen Wände haften und sich in sie einfressen; das Mauerwerk mit ihren Fangarmen marode machen. „Ich rate Ihnen dringend, diese Kapseln wieder dort hinzubringen, wo Sie sie in Ihrer unglaublichen Naivität hergeholt haben.“
„Aber...“
„Kein 'Aber', Lupin! Wenn Sie nicht dafür sorgen, dass diese alles verzehrenden Pflanzenteile auf der Stelle verschwinden, dann werde ich mich dieser Angelegenheit annehmen.“
Severus zog seinen Zauberstab und konzentrierte sich darauf, die Kapseln dieses kompliziert aufgebauten Organismus' verschwinden zu lassen, denn das war ein schwieriges Unterfangen. Er richtete seinen Stab auf das Glas und sagte: „Evanesco!“
Das Glas samt seines Inhalts war von einer Sekunde zur anderen nicht mehr da.
„Severus!“ Kopfschüttelnd blickte Remus auf die nun leere Stelle auf dem Tisch, auf dem er die mit Pomona und Neville gepflückten Fruchtkapseln des Gespenstischen Steinregens abgestellt hatte. „Wie kannst du nur?“, warf er dem Zaubertränkelehrer vorsichtig vor. „Das wurde noch gebraucht!“
„Wurde es nicht! Sie brauchen es nicht und ganz besonders nicht Hermine. Sollte ich noch einmal, Lupin, nur noch ein einziges Mal davon Kenntnis erlangen, dass Sie wiederholt dieses gefährliche Gewächs in die Schule gebracht haben, dann schwöre ich, werde ich dafür sorgen, dass Sie gefeuert werden!“
Auf der Stelle war Remus mundtot. Er wagte es nicht, auch nur ein Wort der Rechtfertigung über die Lippen zu bringen oder gar die Situation zu erklären. Bedröppelt schaute er zu Boden und versuchte zu ergründen, in welche Gefahr er die Schüler gebracht haben könnte.
„Sie haben keine Ahnung, nicht wahr?“ Remus blickte auf, schüttelte dann den Kopf. „Sie wissen nicht einmal, was diese Pflanze anrichten könnte. Wer hat Ihnen geholfen? Pomona?“ Eingeschüchtert nickte Remus. Er wollte wirklich nicht, dass seine Kollegin Ärger bekommen würde. Aufmerksam lauschte er, als Severus laut vermutete: „Theoretisch wird sie viel darüber wissen. Ich bin mir jedoch sicher, dass keiner in diesem Schloss jemals mit einer Pflanze, die so verheerende Folgen nach sich ziehen kann, gearbeitet hat.“
„Keiner, außer dir.“ Die Worte waren kaum über die Lippen gekommen, da verfluchte sich Remus für sein plötzlich so vorlautes Mundwerk.
Die Gewissheit, dass Remus mehr zu wissen schien als er gedacht hatte, machte Severus sprachlos. Mit konstant festigender Erkenntnis darüber entgleisten ihm wie in Zeitlupe die Gesichtszüge. Severus wurde kreidebleich, was nur eine winzige Veränderung der normalen Nuance seiner Hautfarbe darstellte, aber dennoch war es für Remus ersichtlich.
Von seiner Neugier getrieben hielt Remus nicht zurück und suchte das Gespräch.
„Warum hast du das getan?“ Das Wörtchen 'das' stand für so viel Unheil und Verwerfliches, dass Remus es nicht deutlicher umschreiben wollte. Nach dem Gesichtsausdruck zu urteilen wusste Severus nur zu gut, was mit 'das' gemeint war. Der Tränkemeister antwortete nicht. Weiterhin war er dem Schrecken erlegen, mit seiner Vergangenheit Mittelpunkt des Gesprächs zu sein. Es wäre angebracht, sich langsam heranzutasten, dachte Remus, weswegen er ganz leise mutmaßte: „War es wegen Lily?“
Für einen kurzen Moment waren Severus Augen größer geworden, doch er blieb eine Antwort schuldig. Da keine Anschuldigung kam, keine Vorhaltung und nicht einmal ein böser Kommentar, war für Remus die Sache klar.
„Ich habe ihren Tod auch schwer verkraftet“, gestand er leise und mit bebender Stimme. Damals, als Harry in Hogsmeade niemanden bis auf die beiden Männer sehen konnte, hatte er bereits versucht, mit Severus über Lilys Tod zu sprechen, was der vehement abgeschmettert hatte. Dem Angebot, einmal mit ihm darüber zu reden, war Severus noch nicht nachgekommen. Dabei war es ihm ein Bedürfnis, mal mit jemand anderem als Sirius darüber zu sprechen. Severus war nicht bereit, weil allein der Gedanke an Lilys Ableben ihm noch heute schwer zusetzte – das konnte man ihm ansehen. Der Schmerz war so tief in Severus verwurzelt, dass nichts ihn herausreißen konnte, nicht einmal der „Ewige See“. Severus' sichtbare Qualen erinnerten ihn an seine eigene Trauerzeit. Nach alledem, was er von Harry und Hermine wusste, hatte Severus den Trank genommen, um seine Gefühle abzutöten.
„Es hat mich völlig aus der Bahn geworfen“, begann Remus mit zittriger Stimme, „als ich von James' und Lilys Tod erfahren habe.“ Severus war wie versteinert, in seiner Regungslosigkeit vollkommen ohnmächtig, den Raum zu verlassen, um vor dem Thema zu fliehen, wie er es in der Regel handhabte. „Sirius war in Askaban, Peter war vermeintlich tot. Ich hatte niemanden zum Reden.“
Endlich fand Severus seine Stimme wieder, auch wenn sie seine Gefühlslage verriet. „Sie hatten Ihre Eltern.“
Remus' mildes Lächeln war beinahe verblasst, als er ungläubig Luft durch die Nase stieß, bevor er verbesserte: „Nein, hatte ich nicht, nicht mehr zu dem Zeitpunkt.“ Er wagte es, Severus in die Augen zu blicken, als er erklärte: „Meine Eltern sind zweieinhalb Monate vor James und Lily umgebracht worden – von Todessern, weil sie sich geweigert haben, sich Voldemort anzuschließen.“
Severus konnte sich gut an Remus' Eltern erinnern, denn sie waren fast die Einzigen, die ihren bereits fünfzehnjährigen Sohn noch nach King's Cross begleitet hatten, auch wenn dem das unangenehm war. Es waren liebevolle Eltern gewesen; ein Vater, der seinen Stolz auf den eigenen Sohn für jedermann offen zeigte, was damals für ihn allein schon Grund genug war, Remus zu beneiden.
„Ich war es nicht“, versicherte Severus unerwartet, weil er nicht wollte, dass sein Gegenüber auch nur einen Moment lang denken könnte, er hätte etwas mit dem Tod seiner Eltern zu tun.
Remus schüttelte langsam den Kopf. „Nein, das dachte ich auch nie.“ Plötzlich, mit einem Hauch aufflammender Vergeltungssucht in den Augen, fragte Remus: „Weißt du, wer es war?“
Den Kopf schüttelnd verneinte Severus. „Es war nur eine Handvoll Todesser gewesen, die damals von Haus zu Haus gingen.“
„Es ist vielleicht besser so, dass ich es nicht weiß. Sonst würde ich noch in Askaban landen, weil ich mich in Selbstjustiz geübt habe.“ Remus holte tief Luft. „Ich habe ihren Tod schon nicht verkraftet und dann noch der von...“ Er schluckte. „Alkohol war mein Trost und“, er schürzte die Lippen und fügte sehr leise hinzu, „dann und wann etwas Billywig-Gift.“
Es war herauszuhören, dass Remus noch nie jemandem von seiner damaligen Vorliebe für die einzige Droge der Zaubererwelt erzählt hatte. Nicht nur Jugendliche der Magischen Welt hatten damit Probleme, auch einige Erwachsene.
„Zum Glück nicht lange, Albus hat mir rechtzeitig den Kopf gewaschen“, offenbarte Remus verschämt.
„Albus ist sehr verständnisvoll“, lobte Severus den alten Mann in Abwesenheit.
Remus nickte. „Gerade deswegen frage ich mich ernsthaft, warum er dich nicht davon abgehalten hat. Er wusste doch offensichtlich, was du vorhattest.“
Vor nicht einmal einer halben Stunde hatte Albus das damals gegebene Versprechen angesprochen. Das Versprechen, niemals mit jemanden darüber zu reden, was Severus getan hatte. Sein Herz schlug höher, als er der Vermutung erlag, Albus hätte sein Wort womöglich doch gebrochen.
Als hätte Remus seine Gedanken vernommen, beteuerte der: „Er hat nichts gesagt und das wird er auch nicht.“ Flüchtig deutete Remus auf die Stelle, wo vorhin noch das Glas mit den Fruchtkapseln stand. „Du kannst dir denken, warum ich das besorgt habe.“
Die Gelegenheit, den Raum zu verlassen und Remus zu ignorieren, packte Severus nicht beim Schopf. Stattdessen schwieg er, wurde indessen von der Neugier getrieben, mehr darüber zu erfahren, was Hermine und die anderen bisher herausgefunden haben mochten.
Für Remus war es ein gutes Zeichen, dass sein Kollege bisher nicht gegangen war. Mit dessen Verschwiegenheit konnte er leben. Er reichte aus, wenn Severus erfahren würde, was man in Bezug auf sein Problem bereits für Wege eingeschlagen hatte.
„Ich kenne mich mit Verlust aus“, sagte Remus, „mit Trauer und mit Verzweiflung.“ Er wartete gar nicht erst darauf, ob Severus etwas sagen würde, deswegen stellte er auch keine Fragen mehr, sondern schilderte die Situation aus seiner Sicht. „Es war für dich unerträglich. Du konntest dem Schmerz nicht entkommen.“ Remus wagte, seine Spekulation gänzlich offenzulegen. „Es war nicht ihr Tod allein, den du nicht verkraftest hast, nicht wahr? Es war die Schuld, die dir zugesetzt hat. Du hast dich dafür verantwortlich gemacht, weil du Voldemort die Hälfte der Prophezeiung genannt hast.“
Remus hatte nicht einmal raten müssen, denn als sie das Thema Lily vor einiger Zeit kurz angeschnitten hatten, hatte Severus genau das verlauten lassen. Seine Worte waren gewesen „Sie können sich gar nicht vorstellen, Lupin, was ich alles aus freien Stücken gegeben hätte, wenn ich damit das Schicksal einer bestimmten Person hätte abwenden können.“. Das Schicksal der Potters war besiegelt, nachdem Voldemort gewusst hatte, dass Lily schwanger war, was er nur durch Peter erfahren haben konnte. Der bis dato nicht für voll genommenen Vorhersage von Trelawney hatte der Dunkle Lord unerwartet viel Wichtigkeit beigemessen.
„Es war nur Zufall, Severus, dass es Lily gewesen war, die Voldemorts Aufmerksamkeit erlangt hatte. Alice hätte genauso gut sein Opfer werden können.“
Den richtigen Nerv schien Remus getroffen zu haben, denn der begann bereits an Severus' Augenlid zu zucken.
„Lilys Tod war das einschneidenste Erlebnis deines Lebens, richtig?“ Auf die Fragen erwartete Remus keine Antworten und Severus gab auch keine. „Spätestens ab dem Zeitpunkt hast du die Seiten gewechselt, wenn nicht sogar schon vorher, als du das erste Mal erkannt hast, dass Voldemort die Prophezeiung ernst nimmt.“ Remus betrachtete Severus, der wie gebannt auf weitere Worte wartete. „Die Frage ist nur, warum du den Ewigen See genommen hast? Ich denke, hättest du damit nicht den Großteil deiner Seele genommen und weggeworfen, dann wäre dein Leben in Gefahr gewesen.“
„Halt den Mund“, zischte Severus, doch er klang bei Weitem nicht so bedrohlich, wie er es sich erhofft hatte.
„Dann habe ich Recht? Es war kein Selbstmordversuch an deinem Körper, stattdessen an deiner Seele!“
Ein wenig hatte Remus Angst, den Bogen überspannt zu haben, doch Severus tat nichts, rein gar nichts. Er stand nur da und starrte ihn durch braune Augen an. Weder verließ er das Zimmer noch unternahm er den Versuch, diese Vermutung richtigzustellen. Remus konnte sich nicht genau vorstellen, wie sein Gegenüber sich in diesem Moment fühlen musste. Vielleicht war es Severus unangenehm, dass sein alter Feind diese Schwäche ohne Umschweife angesprochen hatte. Andererseits könnte es für Severus auch einen erleichternden Moment darstellen, dass endlich jemand das zum Ausdruck gebracht hatte, was er niemals von sich aus zugegeben hätte.
Mit ruhiger Stimme, die er automatisch verwendete, wenn er in seinen Worten Verständnis mitklingen lassen wollte, sagte Remus: „Ich glaube nicht, dass alles verloren ist. Harry glaubt es auch nicht und Hermine hat nicht eine Sekunde lang einen Gedanken daran verschwendet, dass es aussichtslos wäre, eine Lösung zu finden.“ Remus legte den Kopf schräg. „Ich frage mich nur, warum du so mauerst. Ist es, weil du befürchtest, du müsstest nach all den Jahren die gleichen Qualen erleiden, wenn du wieder eine vollständige Seele hast, mit der du fühlen kannst?“ Seinen eigenen Worten nickte Remus beipflichtend zu. „Ja, das wird es sein und weißt du was? Ich verstehe das. Wenn ich mich in dich hineinversetze, was unter diesen Umständen sehr schwierig für mich ist, dann würde ich genau das fürchten. Nach all den Jahren noch einmal diesen Verlust zu spüren würde mich an den Rand des Wahnsinns treiben. Heute ist aber einiges anders als damals.“ Er blickte Severus direkt in die Augen. „Heute habe ich Freunde, die mir helfen würden, all das zu ertragen.“
Für Severus war es unvorstellbar, einen Schmerz bewältigen zu können, nur weil ihm jemand zur Seite stehen würde. Zudem war es ihm unverständlich, warum gerade Remus ihn durchschaut hatte. Empathie war ein Fremdwort für Severus, doch offensichtlich gab es Menschen, die so empfindsam waren, dass sie das Gefühlsleben anderer begreifen konnten. Ein Rätsel war ihm, wie Freunde das Gefühl von Verlust erträglich machen könnten, besonders aber, ob er selbst Freunde hatte, die zu so einem Trost überhaupt in der Lage wären. Die Option, den Raum zu verlassen, hielt sich Severus für später offen. Jetzt war ihm wichtiger, ein wenig Stärke zu zeigen und sich an dem Gespräch zu beteiligen.
„In keinem der Bücher, die ich zu Rate gezogen habe – und das waren viele –, stand geschrieben, dass es einen Trank geben würde, der die Wirkung des Ewigen Sees rückgängig machen könnte. Ich werde keine Zeit mehr damit verschwenden, mich einer Suche zu widmen, die ins Nichts führen wird.“
„Du brauchst dich nicht aktiv zu beteiligen, Severus. Lass das andere machen, aber wenn jemand Fragen haben sollte, dann würde es dir nicht wehtun, Antworten zu geben. Es sei denn, es ist tatsächlich so wie ich denke, nämlich dass du der Konsequenz einer Heilung nicht ausgesetzt sein möchtest und du deshalb so ablehnend reagierst.“
„Weil es keine Heilung gibt!“
„Oh ja, man dachte auch lange Zeit, man könnte nichts für Werwölfe tun, bis Damocles Belby den Wolfsbanntrank entwickelt hat“, hielt Remus dagegen. „Dein Fall ist einzigartig, das wird niemand bestreiten, aber das heißt nicht, dass es nicht etwas dagegen gibt. Wie soll auch in den Büchern stehen, dass es einen Gegentrank für den Ewigen See gibt, wenn es niemand bisher für notwendig gehalten hat, einen zu entdecken?“
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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