Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - BEENDET

Hier könnt ihr eure Fanfictions und Gedichte zu Harry und seiner Welt vorstellen.

Moderator: Modis

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hallo(: mal wieder ein super kapitel! die aufregung bei draco ist verständlich ;) aber mich interessiert am meisten, was denn jetzt mit dem phönix ist.. bestimmt was wichtiges.
schnell das nächste kapitel, bitte :smile:

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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

Hallo Là,

auf die Auflösung, was mit Fawkes los ist, muss man noch ein bisschen warten. Es ist sicher eine kleine Überraschung.

Vielleicht kann jemand dafür sorgen, dass Dracos Aufregung verfliegt. Bei so vielen Menschen, die er zu seinen Gästen zählen kann, ist es nachvollziehbar, dass er Muffensausen hat.

Liebe Grüße,
Muggelchen




148 Bund fürs Leben




Von Narzissa hatten Draco und Hermine gerade erfahren, dass nun alle Gäste angekommen wären und gerade einen Aperitif zu sich nahmen. In einer Viertelstunde sollte beide nach unten kommen.

„Der Beruhigungstrank hat geholfen, aber ich bin noch immer sehr erhitzt“, sagte Draco, als er sich frische Luft mit einer der Menükarten zuwedelte, die man ihm zur Ansicht für den heutigen Tag gegeben hatte und die er bisher völlig ignoriert hatte.
Tief Luft holend forderte Hermine: „Steh mal bitte auf und breite die Arme aus.“

Er war zwar verdutzt über ihren Wunsch, kam ihm jedoch nach. Mit einem Wedeln ihres Zauberstabes hatte sie einen leichten Kühlungszauber über ihn gelegt, den sie damals erlernt hatte, als sie mit Harry und all den anderen während eines Sommers unterwegs gewesen war, um nach den Horkruxen zu suchen.

„Oh ja“, sagte Draco erleichtert, als sich die angenehme Kühle auf seinem ganzen Körper ausbreitete. „Viel besser!“
„Wenn es zu kühl werden sollte, dann einfach mit einem Finite beenden. Um deinen Körper herum herrschen ungefähr 16 Grad Celsius.“
„16 Grad hört sich wunderbar an. Ich glaube, ich lasse den Zauber den ganzen Abend drauf“, erwiderte er dankbar.
Gewissenhaft inspizierte Hermine die Lage. „Gut, du bist vollständig angezogen – und nebenbei: Du siehst großartig aus! Aber wo ist deine Ansteckblume?“
„Die ist hier“, sagte Draco, als er zu einer kleinen Kommode hinüberging. In dem Moment, als er sie in die Hand nahm, erstarrte er. „Oh mein Gott!“, entwich ihm völlig entsetzt klingend.
„WAS? Sag schon, was haben wir vergessen?“ Hermine wurde unruhig.
„Der Brautstrauß!“ Er klang so resignierend, als hätte er sich damit abgefunden, dass die Welt nun untergehen würde. „Und der für die Brautjungfer! Oh Merlin…“ Draco schwankte verdächtig und Hermine war froh, dass sie freiwillig den Erste-Hilfe-Kurs im Mungos gleich dreimal abgelegt hatte.

Es klopfte. Noch immer geschockt über Dracos Aussage, er hätte den Brautstrauß vergessen, öffnete Hermine die Tür und wie erwartet informierte Mrs. Malfoy, dass Draco nun nach unten kommen sollte.

„Mrs. Malfoy, der Brautstrauß…“ Hermines Kehle schnürte sich zusammen und würgte somit den Rest ihres Satzes unverhofft ab.
„Den habe ich kommen lassen. Susan und Belinda haben ihre Sträuße längst“, versicherte Mrs. Malfoy sehr gelassen, bevor sie einen Blick zu ihrem Sohn riskierte. Die Farbe seines Gesichtes ähnelte zwar noch immer dem Sandstein des Kamins, aber er schien mittlerweile ein wenig ruhiger zu sein.
„Belinda?“, fragte Hermine nach, der der Name bekannt vorkam.
Draco erklärte knapp: „Die Tochter einer Kollegin von Susan. Können wir jetzt gehen, bevor ich einen Herzinfarkt bekomme?“ Noch an der Tür hielt Draco kurz inne und sagte leise zu seiner Trauzeugin: „Ich habe das Mitbringsel für dich vergessen.“
Lächelnd konterte sie: „Ich habe euer Hochzeitsgeschenk vergessen.“
„Na, dann sind wir ja quitt. Los geht’s!“ Er klang nicht so enthusiastisch locker wie er wollte.

In der Halle waren keine Gäste mehr anzutreffen, nur noch Personal, das Mr. Bones verpflichtet hatte und darunter waren zwei gut gekleidete Herren, die sich um den reibungslosen Ablauf der Zeremonie kümmerten.

„Ah, Mr. Malfoy“, sagte einer der Herren, während er sich dem Bräutigam näherte. „Wie abgesprochen gehen Sie und Miss Granger durch die Tür bis ganz nach vorn in den Wintergarten, wo der Herr und die Dame vom Ministerium auf sie warten – gehen Sie beide erst los, wenn die Musiker zu spielen begonnen haben.“ Draco nickte und machte dabei ein Gesicht, als hätte er eben Tipps dafür bekommen, wie er am besten den Weg zur Guillotine antreten könnte. Der Mann verließ die beiden wieder.

„Draco“, sagte eine Stimme vorsichtig. Hermine und Draco drehen sich um und erblickten Severus, der zögernd auf sie zukam.
„Severus, warum sitzen Sie noch nicht im grünen Salon?“, fragte Hermine entgeistert.
„Ich war schon drinnen, aber wenn Sie mir erlauben, dann würde ich gern kurz mit meinem Patensohn sprechen.“
Hermine stimmte zu, wies Severus jedoch darauf hin: „Ich denke aber nicht, dass Draco momentan besonders aufnahmefähig ist.“
„Was?“, fragte Draco verwirrt.
„Nur eine Minute“, bat Severus, so dass Hermine nickte und sich ein wenig entfernte, damit die beiden miteinander reden könnten.

Als Hermine sich in der großen Halle umsah, bemerkte sie auf der Treppe Hannah, die über das Geländer schaute und eine stoppende Geste für jemanden machte, den Hermine noch nicht sehen konnte. Es konnte sich nur um Susan handeln, die gleich nach Draco den grünen Salon betreten würde und zwar an der Seite ihres Vaters und ihrer Trauzeugin. Ein junges, schick zurechtgemachtes Mädchen mit einem Korb in der Hand kam die Treppe hinunter und hielt genau bei Hanna, um ebenfalls das Treiben in der Halle zu beobachten. Die sehr junge Dame musste die Brautjungfer sein, dachte Hermine. ’Belinda’, wiederholte sie in Gedanken und wie aus heiterem Himmel fiel ihr ein, woher sie nicht nur den Namen kannte, sondern auch das Mädchen.

„Linda ist hier“, murmelte Hermine erstaunt. Mrs. Malfoy hatte gesagt, die Brautjungfer wäre die Tochter einer Arbeitskollegin von Susan. Sich das Treffen mit Severus’ ehemaliger Partnerin ins Gedächtnis zurückrufend erinnerte sie sich an das Gespräch zwischen den beiden.

„Ich habe gelesen, dass du wieder in Hogwarts arbeitest?“, hatte Linda damals in der Winkelgasse gesagt.
„Ja, ganz recht. Und was machst du?“
„Ich arbeite beim Besenregulations-Kontrollamt“, waren Lindas Worte gewesen.
Severus hatte daraufhin klargestellt: „Beim Ministerium also.“

Susan und Linda mussten sehr gut miteinander auskommen, wenn Lindas Tochter zur Brautjunger bestimmt worden war. Hermine fragte sich nur, ob Severus von diesem Gast wusste; ob vielleicht sogar Remus unter all den Gästen längst seine ehemalige Freundin ausgemacht hatte. Vielleicht war das der Grund, vermutete Hermine still, weswegen Severus den Saal verlassen hatte.

Sie blickte zu Severus und Draco hinüber, die sich noch beide unterhielten. Draco legte eine Hand auf Severus Oberarm und nickte, während er mit der anderen Hand eine beschwichtigende Geste machte. Diesmal nickte Severus und er schien nach dem kurzen Gespräch mit Draco sehr erleichtert. Die beiden trennten sich und Severus ging zurück in den grünen Salon, während Draco auf Hermine zusteuerte.

„Was wollte Severus?“, fragte sie in der Hoffnung, dass er es ihr mitteilen würde.
„Ach, er hat nur gesagt, dass er Susan und mir nach der Zeremonie persönlich gratulieren möchte und nicht vor allen anderen; dass ich nicht sauer sein soll, wenn er mir nachher nicht sofort die Hand schüttelt“, erklärte Draco und er schien wesentlich ruhiger als zuvor.

Als Severus in den grünen Salon zurückgekommen war und sich auf einen der hintersten Stühle in einer leeren Reihe setzte – nahe an der Tür – da spürte er Blicke auf sich. Er betrachtete daraufhin die Gäste, bis er denjenigen fand, der ihn anschaute. Er nickte Harry zu und der nickte zurück.

An Ginny gewandt sagte Harry: „Er ist wieder da. Da habe ich doch wirklich geglaubt, er würde sich aus dem Staub machen.“
„Ich denke nicht, dass er Draco das antun würde, egal wie unangenehm es ihm ist, mit so vielen Leuten in einem Raum zu sein“, sagte Ginny beschwichtigend, als sie Harry plötzlich fragend anblickte. Der tastete seinen Kragen ab, falls der am Hals versehentlich hochgeklappt war, doch Ginny starrte ihn nicht so eindringlich an, weil seine Kleidung nicht sitzen würde. „Sag mal, Harry, sind wir nicht MIT Kind hierher gekommen?“

Nicholas war nirgends zu sehen. Harry holte erschrocken Luft, bevor er weniger ernst in seinen Umhang schaute, diesen schüttelte und sogar unter dem Stuhl nachsah, auf dem er saß, bis Ginny lachen musste und ihn am Arm knuffte.

Auch Harry musste lachen, bevor er flüsternd erklärte, als würde er von einem Mysterium sprechen: „Nicholas ist auf seltsame Weise verschwunden, nachdem deine Mutter uns ganz herzlich begrüßt hatte.“

An Harry vorbeischauend hatte sie sich nach vorn gebeugt, um die Stuhlreihe zu betrachten, auf der alle Weasleys saßen. Ganz weit hinten saß ihre Mutter mit Nicholas auf dem Arm und als Molly ihre Tochter bemerkte, da flüsterte sie dem Baby etwas ins Ohr und zeigte zu Ginny und Harry. Gleich darauf nahm sie Nicholas’ Arm und winkte mit ihm den Eltern zu. Ginny lächelte und winkte zurück.

„Meine Mutter liebt Kinder nun einmal über alles“, sagte Ginny.
„Das brauchst du nun wirklich nicht laut zu sagen.“

Als die Musiker zu spielen begannen, verstummten Harry und Ginny wie auch alle anderen Gäste auf der Stelle.

Draußen vor der Tür zum grünen Salon gerieten Draco und Hermine gleichermaßen in Panik.

„Die Musik! Es geht los, wir müssen jetzt rein“, sagte Draco, dem deutlich anzuhören war, dass er sich lieber einem Basilisken stellen würde, als durch diese Tür zu marschieren.
„Mr. Malfoy, Miss Granger.“ Der Mann, der für den Ablauf der Zeremonie verantwortlich war, näherte sich ihnen erneut. „Wie Sie sicherlich eben gehört haben…“ Der Mann hielt inne und betrachtete Hermine. „Haben Sie keinen Strauß?“
Beide rissen die Augen weit auf und Hermine fragte als Erste entsetzt: „Muss ich einen haben?“
„Nein, müssen Sie nicht. Ich dachte vorhin nur, Sie hätten einen.“ Er zog eine kleine Ansteckblume aus seiner Tasche und hielt sie Hermine ans Kleid – ans linke Schlüsselbein, dann ans rechte, bevor er sagte: „Sie brauchen nichts mehr, Sie sind perfekt so wie Sie sind.“ Hermine errötete. „Noch einen Moment bitte, dann gebe ich Ihnen das Zeichen, dass Sie eintreten können und denken Sie bitte daran, im Takt der Musik zu gehen.“

Verunsichert nickten Draco und Hermine, bevor sie sich gegenseitig anschauten.

„Du bist ganz rot im Gesicht“, sagte Draco nebenbei.
„Oh nein, bitte nicht jetzt.“ Verzweifelt wedelte sie sich mit der flachen Hand ein wenig Luft zu.
„Wenn wir gleich reingehen, kannst du ganz vorn vielleicht einmal stolpern, damit du von mir ablenkst?“
Erbost antwortete sie: „Das werde ich nicht tun!“
„War ja nur eine Frage…“ Er hielt sich den Magen. „Ich glaube, mir wird schlecht.“
„Herrje, tu mir das nicht an!“, bat sie ihn eindringlich.
Der Organisator meldete sich erneut. „Mr. Malfoy, Miss Granger, es kann dann losgehen.“
Noch bevor die Tür geöffnet wurde, flüsterte ihm Hermine gut gemeint zu: „Du darfst nicht auf die Masse sehen, Draco. Nimm dir die Zeit und sieh dir die einzelnen Gesichter an, wenn du nach vorn gehst.“

Zwei Herren öffneten die Tür und auf einen Schlag wurde die Musik, die vorher nur gedämpft durch das Eichenholz hindurchschallte, lauter und wie Hermine fand, auch viel schöner. Die Stuhlreihen mit den Gästen waren noch ein wenig entfernt. Jeder hatte sich zu Draco und Hermine umgedreht und Draco machte den ersten Schritt in den grünen Salon; Hermine folgte ihm dicht und ein wenig seitlich. In dem Moment, als sie den langen Teppich betreten hatte, der etliche Meter nach vorn bis in den Wintergarten reichte, wo die Ministeriumsangestellten auf den Bräutigam warteten, da wusste Hermine plötzlich nicht, was sie mit ihren Händen anfangen sollte. Das Gefühl, dass sie selbst vereinzelte Blicke auf sich zog, verstärkte nur noch ihre eigene Unsicherheit. Sie wünschte sich nichts sehnlicher als einen Blumenstrauß, denn den könnte sie halten; ihre zitternden Hände unter ihm verstecken. Ihre Gedanken kreisten bald nicht mehr um ihre Hände, sondern um ihre Füße und da bemerkte sie, dass sie nicht im Takt mit der Musik ging. Wenn sie es versuchte, dann wirkte ihr Gang holprig, also ließ sie es sein, um nicht doch noch zu stolpern; Draco hielt sich auch nicht an den Takt. Ohren und Füße wollten einfach nicht im Einklang miteinander arbeiten.

Den Rat seiner Trauzeugin hatte Draco beherzigt. Die ihm zugewandten Gesichter überflog er nicht nur mit seinen Augen, sondern er verweilte kurz auf ihnen. Da waren die aufblitzenden Augen von Professor Dumbledore, der sich mit Professor McGonagall ganz weit nach hinten gesetzt hatte und selbst die sonst so strenge Lehrerin hatte ein mildes Lächeln auf den Lippen. Neben Professor Dumbledore saß – und darüber freute sich Draco besonders – Blaise Zabini. Draco lächelte unbekümmert, als er dessen Tochter auf seinem Schoß erblickte. Das Mädchen blinzelte nicht einmal, weil es nichts verpassen wollte. Eine Hochzeit und all der dazugehörige Glanz waren ihr offensichtlich völlig fremd, aber es war nicht zu übersehen, dass sie begeistert war. Neben Blaise konnte er Tracey und Kevin erkennen; ehemalige Klassenkameraden aus seinem Haus.

Nach links blickend sah er sofort einige Gäste in der vorletzten Reihe; alle waren damals in Hufflepuff gewesen. In der fast leeren, letzten Reihe konnte er seinen Patenonkel erkennen, der alle Stühle für sich allein hatte. Severus blickte zwar in seine Richtung, aber er schaute nicht ihn an.

Für Hermines Empfehlung, sich die Gesichter der Gäste anzusehen, war Draco sehr dankbar, denn jeder, dem er in die Augen sah, lächelte ihm zu. Bei keinem Gast hatte er das Gefühl, dass man einen persönlichen Groll gegen ihn hegen würde. Darüber hinaus war dank Hermines Tipp der Weg bis nach vorn auch nicht so langwierig wie er zunächst befürchtet hatte. Sogar diejenigen, von denen er gedacht hatte, dass sie nicht seinetwegen gekommen waren, sondern nur Susan zuliebe, zeigten, dass sie gut gelaunt waren wie Luna und Neville oder die ganzen Weasleys. Vereinzelt blitzte es, wenn die Fotografen Bilder schossen.

Noch an Harry und Ginny vorbeigehend, die sich an den Händen hielten und beide so breit lächelten, dass Draco vermutete, sie würde momentan an ihre eigene Hochzeit denken, blickte er auch schon in das Gesicht seiner Mutter, was ihm vor Augen hielt, dass er sein Ziel fast erreicht hatte, denn die Eltern des Brautpaares saßen ganz vorn. Seine Mutter hielt ein weißes Spitzentaschentuch in den Händen, weil sie zu ahnen schien, dass sie ihre Freudentränen nicht zu unterdrücken vermochte.

Vorn bei den beiden Ministeriumsangestellten angelangt, die die Trauung ähnlich einer standesamtlichen bei den Muggeln durchführen würden, änderte sich wenig später der Rhythmus der Musik. Erneut drehten sich alle Gäste um, auch Draco und Hermine, um erst die Brautjungfer zu bestaunen, die ihre Blumen streute, bevor Susan von ihrem Vater in den Salon geführt wurde, gefolgt von Hannah, die ein wenig seitlich hinter der Braut lief. Ein entzücktes Raunen ging durch die Menge und selbst Hermine entwich ein neidischer Seufzer, denn Susan war in ihrem Brautkleid wunderschön anzusehen; der gut sichtbare Bauch rundete das Gesamtbild nur noch ab und machte Susan noch viel hübscher. Vielleicht, so dachte Hermine, lag das aber auch an dem seligen Lächeln, welches auf dem Gesicht der Braut lag. Es hieß, rief sie sich ins Gedächtnis zurück, dass Schwangere eine natürliche Schönheit ausstrahlen würden; das hatte zumindest ihre Mutter einmal behauptet.

Als Harry die Braut sah, da drückte er Ginnys Hand und sie erwiderte diese Geste.
„Ein wunderschönes Kleid“, schwärmte Ginny flüsternd.

Hermine hingegen ließ ihren Blick nun über die Gäste schweifen und mit einem Male erspähte sie Linda; neben ihr saß deren Sohn. Die Frau schien mehr auf ihre Tochter zu achten, die die Blumen streute, als auf die Braut oder irgendjemand anderen. Ohne den Kopf zu bewegen suchte Hermine den Saal ab und da bemerkte sie Remus, der einmal einen scheuen Blick zu Linda hinüberwarf, bevor er Tonks’ Hand in seine nahm. Ganz hinten, schwer hinter all den Menschen zu erkennen, saß Severus und auch er schien Linda gesehen zu haben, blickte aber an ihr vorbei direkt zu Hermine, was sie nervös machte.

Die Braut war nun von ihrem Vater an Draco überreicht worden und Hermine strengte sich an, mit klarem Kopf den einlullenden Worten der Ministeriumsangestellten zu lauschen, denn immerhin war sie Trauzeugin und musste zumindest das Ja des Brautpaares vernehmen, bevor sie mit ihrer Unterschrift die Ehe bestätigen würde. Es war jedoch alles andere als leicht dem Gesagten folgen zu können. Als Hermine das Wort „Ringe“ vernahm, da geriet sie in Panik und Draco schien das bemerkt zu haben, so dass er die kleine Schachtel aus seiner Innentasche nahm und sie kurz, so dass es niemand anderes sehen konnte, ihr zeigte. Hermine war erleichtert. Ihr war entfallen, dass er die Ringe an sich genommen hatte.

Immer wieder fühlte Hermine Augen auf sich und wenn sie in die Menge schaute, dann bemerkte sie diejenigen, die sie anblickten. Harry und Ginny waren es gewesen, die ihr zulächelten, auch Remus schaute sie einen Moment lang an sowie Ron. Und plötzlich – Hermine wusste nicht, wo die Zeit geblieben war – hatten beide sich auch schon das Jawort gegeben und nach dem Brautpaar wurden erst Hannah, dann Hermine zur magischen Unterschrift gebeten.

Mit den folgenden Eindrücken war Hermine so sehr überfordert, dass sie kaum noch etwas wahrnehmen konnte. Immer wieder blitzte es, was ihr kleine Punkte auf der Netzhaut bescherte. Ihr klarer Verstand kam erst wieder zurück, nachdem die Stuhlreihen von den von Mr. Bones engagierten Herren und Damen in einen großen Tisch in U-Form verwandelt wurden. Die ganzen fröhlichen Menschen um sie herum, die mittlerweile ein wenig Lärm verursachten, machten Hermine indirekt darauf aufmerksam, dass Draco und Susan gerade die Hochzeitstorte anschnitten.

Eine männliche Stimme rief amüsiert: „Es heißt, dass derjenige, der die Hand beim Anschneiden obenauf hat, auch das Sagen in der Ehe haben wird.“
Es war Susans Vater gewesen, dem sie scherzend entgegnete: „Das heißt nur, dass ich Draco führen muss, weil er noch nie eine Torte angeschnitten hat.“ Susans Hand lag über Dracos, als sie das erste Stück zusammen schnitten.

Die Füße taten ihr weh, während Hermine einige Gäste betrachtete, die dem Paar jetzt schon gratulierten. Es waren welche darunter, die bereits die Feier verlassen mussten, aber dafür würden andere, die der Trauung nicht hatten beiwohnen können, im Laufe des Tages noch kommen. Die Anzahl so vieler Menschen konnte Hermine schwer schätzen, aber sie konnte davon ausgehen, dass knapp hundert Personen noch nicht anwesend waren.

Es war Mr. Bones gewesen, der Hermine, die etwas hilflos wirkte, seinen linken Arm anbot, bevor er gut gelaunt sagte: „Laut Sitzordnung werden wir nebeneinander Platz nehmen, Miss Granger.“

Er führte sie nach vorn an den mittleren Tisch, an dem sich auch das Brautpaar niedergelassen hatte. Erstaunt war Hermine darüber, dass gleich neben Susan nicht nur nach alter Tradition die Eltern des Bräutigams saßen – in dem Fall nur Narzissa – sondern neben Narzissa auch Severus. Je näher man dem Brautpaar saß, desto höher war die Wertschätzung, die man demjenigen entgegenbrachte. Sehr unglücklich schien Hannah zu sein, denn sie hatte man direkt neben ihren ehemaligen Lehrer für Zaubertränke gesetzt.

„Wer hat die Sitzordnung erstellt?“, fragte Hermine ein wenig lauter, damit Mr. Bones sie überhaupt hören würde.
„Das war ich“, gab er zu. „Ist etwas damit nicht in Ordnung?“ Er klang besorgt, denn er wusste, dass man darauf achten musste, welche Personen man nebeneinander setzen würde, doch er kannte nicht alle Gäste persönlich; wusste nichts von möglichen Fehden.
„Hannah wird unglücklich sein, wenn sie die ganze Zeit über neben…“ Hermine verstummte, doch Mr. Bones verstand.
„Keine Sorge, nach dem Kaffee und Kuchen wird die Sitzordnung aufgehoben und es wird einige große Tische geben“, beruhigte er.

Neben Draco, wie es sein sollte, saß Mrs. Bones, dann deren Gatte, der gleich neben sich Hermine platzierte und an Hermines anderer Seite nahm ein älterer Zauberer Platz.

„Einen schönen guten Tag, junge Frau. Entzückend sehen Sie aus“, grüßte der Ältere. „Ich bin Susans Großvater.“
„Oh“, machte Hermine erstaunt. Natürlich saßen am Tisch des Brautpaares überwiegend die Familienmitglieder und die Trauzeugen. „Guten Tag, Mr. Bones. Ich bin Miss Granger.“

Während die Torte nun von den Angestellten angeschnitten und an die Gäste gereicht wurde, lehnte sich Hermine nach vorn, damit sie sehen konnte, wer an der anderen Seite des Tisches neben Hannah saß. Von Mr. Bones gut geplant saßen immer Mann und Frau abwechselnd am Tisch; nach Hannah kam die Familie Tonks, natürlich auch Remus als Nymphadoras Verlobter und gleich darauf die Blacks – Dracos Familie. Hermine hingegen saß zwischen einigen Mitgliedern der Familie Bones; Menschen, die sie noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatte. Harry und Ron, die gesamten Weasleys sowie Luna und Neville und andere Freunde saßen hinten in der Nähe der Blacks an dem anderen Tisch gleich über Eck. Dieser und der andere Tisch, der von dem des Brautpaares ausging, waren an beiden Seiten mit Stühlen versehen, so dass die Gäste sich gegenübersaßen. Hermine hingegen hatte kein Gegenüber und sie fühlte sich daher immer ein wenig beobachtet.

Mr. Bones stand auf und schlug mit einem Löffel an sein Wasserglas, damit die Gäste ihm ihre Aufmerksamkeit schenken würden. Er hatte sicherlich lange dafür benötigt, diese Rede vorzubereiten und daher tat es Hermine Leid, dass sie nur die Hälfte mitbekam, obwohl sie direkt neben ihm saß. Draco, so dachte sie, würde es womöglich nicht anders ergehen.

Jetzt, wo Mr. Bones sprach, hatte Draco einen Moment Zeit für sich. Er hatte sich alles so schön zurechtgelegt und geglaubt, dass alles gut werden würde, aber jetzt, wo etwas über 150 Gäste bereits anwesend waren und die anderen noch kommen würden – dass alle den Einladungen gefolgt waren – da bekam er es erneut ein wenig mit der Angst zu tun. Schon vor der Zeremonie hatte er unter Schweißausbrüchen gelitten, die er nur mit Hermines Hilfe in den Griff bekommen hatte, doch nun konnte er kaum noch stillsitzen, als er daran dachte, an diese ganzen Menschen das Wort richten zu müssen. Weglaufen war keine Option, obwohl er das gern getan hatte, denn von Mr. Bones hörte er gerade Wörter wie „Mut“ und „Courage“. Der Tag war noch lange nicht vorbei. Zwar war er verheiratet, aber man erwartete noch einige Dinge von ihm wie seine Rede und er wollte niemanden enttäuschen.

Als Mr. Bones seine Rede beendet hatte, wurde es totenstill im Salon und alle Augen richteten sich auf ihn. Jeder erwartete, dass er etwas sagen würde. Eine Wahl hatte er nicht und so schloss er für einen kurzen Moment die Augen und drückte Susans Hand, bevor er sich erhob.

"Zunächst einmal möchte ich mich im Namen meiner Frau und unseren Familien für euer zahlreiches Erscheinen bedanken. Ich habe wirklich nicht damit gerechnet, dass alle zusagen werden, besonders nicht, weil die gesamte Feier sehr kurzfristig geplant worden war; das geht übrigens voll und ganz auf meine Kappe.“ Man hörte einige gelassen kichern, was selbst Draco zum Lächeln brachte. „Ich bin sehr erfreut euch alle hier zu sehen, was – und da muss ich keinen Hehl draus machen – nicht immer so war.“

Draco schluckte, denn er hatte seinen Gästen gerade verdeutlicht, was jeder eigentlich wissen müsste, nämlich dass er sie früher nicht ausstehen konnte. Es war still und jeder wartete geduldig auf seine Worte.

„Mit den Dingen, auf die weder ich noch meine Familie stolz sind, muss ich leben. Ich kann nur hoffen, dass niemand der Ansicht ist, die heutige Vermählung von Susan und mir wäre ein Fehler gewesen, denn das ist sie nicht. Wenn ich ganz ehrlich bin, dann ist das die erste Entscheidung in meinem Leben, die wirklich richtig war, denn ich fühle nicht einen Hauch von Zweifel in mir.“

Er blickte nach links zu Severus, der die Augen starr auf seine Tasse gerichtet hatte, jedoch jedem Wort gespannt lauschte. Seinen Patenonkel in seiner Rede beim Namen zu nennen würde er nicht wagen, denn Severus würde diese Aufmerksamkeit nicht wollen, aber es gab Dinge, die sich Draco von der Seele reden wollte; die alle Anwesenden hören sollten. Wenn er Severus nicht nennen würde, würde er auch nicht Professor Dumbledore beim Namen nennen.

Seinen Blick von Severus abwendend ließ er ihn über die Gäste schweifen, die ihm an den Lippen hingen, bevor er einmal kurz zu Dumbledore hinüberblickte.

„Die erste helfende Hand, die man mir gereicht hatte, schlug ich in dem Glauben von mir, es würde meine Situation nur noch verschlimmern.“ Sein leerer Magen zog sich zusammen, als er an die Nacht dachte, an der er den Direktor hatte umbringen sollen und der ihm trotz der Mordabsicht noch seine Hilfe angeboten hatte. „Die zweite helfende Hand in der gleichen Nacht konnte ich nicht abwehren, denn sie hat mich einfach gepackt.“ An den Gesichtern konnte Draco erkennen, dass jeder wusste, von wem er sprach, denn viele blickten zu Severus hinüber. „In dieser Hinsicht bin ich auf eine Sache stolz, die mein Vater und meine Mutter für mich getan haben, denn sie hatten mir nach meiner Geburt jemanden an die Seite gestellt, der mich mein Leben lang begleiten sollte.“ Dracos Stimme zeugte von Betroffenheit, als er leise hinzufügte: „Der mir den Weg weisen sollte.“ Daran denkend, dass Severus es gewesen war, der seinen Auftrag auf dem Astronomieturm erledigt hatte, sagte Draco sehr betroffen klingend: „Und wenn ich das alles mit dem geradegerückten Geist, den ich jetzt innehabe, rückblickend betrachte, dann weiß ich, dass in dieser Nacht die Seele eines Kindes gerettet worden war; meine Seele.“

Jemand schluchzte und als Draco nach links schaute, sah er seine Mutter, die ihr Gesicht in ihrem Spitzentaschentuch vergraben hatte und gleich daneben Severus, der nicht wusste, wie er auf eine weinende Frau vor so vielen Menschen reagieren sollte und schließlich eine Hand auf ihren Unterarm legte, um sie zu beruhigen.

Hermine horchte plötzlich auf, bevor sie in ihrer kleinen Handtasche kramte, um ein Notizbuch zu zücken. Während Dracos Rede huschten einige Gedanken durch ihren Kopf, die sie festhalten wollte. Draco hatte die Unversehrtheit seine Seele behalten, weil nicht er es gewesen war, der Albus ermordet hatte. Auch wenn Albus seinen Tod nur vorgetäuscht hatte, so war es doch nicht unmöglich, dass Severus zuvor schon seine Seele durch einen Mord gespalten hatte. Erschrocken hielt Hermine inne. Sie hatte ebenfalls Menschen auf dem Gewissen und sie fragte sich, ob es einen Unterschied machte, aus welchem Grund man jemanden getötet hatte. Sie selbst hatte sich und ihre Freunde verteidigt, aber ihr war nicht klar, ob sie damit ihre eigene Seele gespalten hatte – so gespalten, dass sie damit womöglich einen Horkrux erstellen könnte. Hermines Herz begann zu rasen, als sie die Theorie aufstellte, dass Severus eventuell einen ganz bestimmten Gegenstand suchen könnte: einen Horkrux, in welchem der größte Teil seiner Seele eingeschlossen war. Womöglich, so ahnte sie, war es sogar das, was er zu „reparieren“ versuchte. Sollte sie mit ihrer Vermutung Recht behalten, wäre Severus’ Seele nach der Erschaffung eines Horkruxes für immer instabil. Hermine hielt sich vor lauter Schreck eine Hand vor den Mund, doch als sie hörte, dass Draco erneut das Wort ergriffen hatte, lauschte sie ihm mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend.

„Auf meinen Reisen hatte ich sehr viel Zeit, um über mich und meine Vergangenheit nachzudenken. Ich habe mich häufig gefragt, was für Fehler ich noch begangen hätte, was aus mir geworden wäre, hätte man sich nicht meiner angenommen. Viele denken jetzt wahrscheinlich an Askaban, aber ich glaube nicht, dass ich solange überlebt hätte. Ich wäre sicherlich seit Jahren tot, davon bin ich überzeugt.“ Zum Ende hin war Draco sehr leise geworden und er hatte sehr betroffen geklungen.

„Ich bin dankbar dafür, dass es Menschen gegeben hat, die mir trotz meines Verhaltens und meiner Ansichten eine Chance gegeben haben, die ich meines Erachtens gar nicht verdient habe, denn sonst würde ich nicht hier sein an der Seite meiner frisch angetrauten Ehefrau, die mir so viele schöne Momente geschenkt hat und die ich dafür innig liebe.“ Er schaute neben sich und bemerkte, wie Susan lächelnd, aber dennoch mit ein wenig feuchten Augen zu ihm aufblickte. Er strich ihr mit der Oberfläche seiner Finger zärtlich über die Wange, bevor er ihre Hand nahm und sagte zu ihr mit hörbarer Ernsthaftigkeit: „Am heutigen Tag hat sich mein Leben ein zweites Mal zum Guten gewandt und das verdanke ich dir.“ Er beugte sich vor und gab ihr einen Kuss auf den Mund, woraufhin besonders die Damen schwärmend seufzten.

Draco richtete sich wieder auf, um zu den Gästen zu sprechen. „Es gibt noch Dinge, die ich ansprechen möchte, weil ich auf sie besonders stolz bin. Zum einen spreche ich von Hermine.“ Hermine blickte schockiert auf und fühlte, wie ihre Wangen mit heißem Blut geflutet wurden. „Sie ist in meinen Augen nicht nur eine sehr organisierte Trauzeugin, sondern mittlerweile sehr viel mehr.“ Er blickte sie an und sagte mit einem Lächeln auf den Lippen: „Du hast mir ganz wunderbar beigestanden, mir die Unruhe genommen und mir wertvolle Ratschläge gegeben. Ich würde mich geehrt fühlen, wenn ich dir eines Tages genauso zur Seite stehen dürfte.“

Jetzt war Hermine sicher, dass sie rot wie eine Tomate sein musste, weil alle Gäste sie anblickten und sich jeder ausmalte, wen sie wohl eines Tages ehelichen würde. Trotzdem lächelte sie und nickte freundlich, so dass Draco sich wieder an die Gesellschaft wandte und sagte: „So etwas kann man nicht mit Macht oder Galleonen erlangen, dazu braucht es viel mehr.“ Draco blickte hinüber zu Harry, bevor er sagte: „Einige werden es schon wissen, aber für diejenigen, die noch unbehelligt sind, möchte ich es gern verkünden, weil es mich stolz macht sagen zu dürfen, dass Harry die Patenschaft für unser Kind übernehmen wird.“

Innerlich stöhnte Harry, der er hatte gehofft, sich solange wie nur möglich unauffällig als einer von vielen Gästen bewegen zu können. Draco schien zu ahnen, dass es Harry unangenehm war, in dessen Rede erwähnt zu werden, denn er fuhr alsgleich fort: „Erst jetzt, wo ich mich erwachsen nennen darf, weiß ich, was mir früher gefehlt hat; etwas, um das ich all meine Schulkameraden beneidet habe und das ist Freundschaft. Ich habe an falschen Orten danach gesucht, weil ich nach dem Ausschau gehalten habe, was die ganze Zeit lang, ohne dass ich es erkannt habe, direkt vor mir war.“ Wieder blickte er zu Susan hinunter. „Stattdessen habe ich mich allein gefühlt.“

Mit einem Lächeln auf den Lippen blickte Draco auf die Kinder, die von ihren Eltern mitgebracht worden waren. Auf Belinda, die Brautjungfer und älteste der anwesenden Kinder. Da war die Tochter von Blaise, die der Rede offenbar wenig gefolgt war, die sie hatte mit großen Augen das Stück Kuchen vor sich fixiert, von dem sie heimlich Krümel mit ihren kleinen Fingern stibitzte und da war Nicholas, der im Arm von Mrs. Weasley döste.

„Jetzt“, sagte Draco erleichtert und beschwingt, „wächst eine neue Generation von Zauberern und Hexen heran.“ Er legte einen Arm um Susan und betrachtete voller Vorfreude ihren Bauch. „Und diese Kinder sollten wir nicht mit den Schatten unserer Vergangenheit belasten; sie sollen ihren eigenen Weg finden, auf dem wir sie als Eltern begleiten werden. In diesem Sinne – und weil meine Rede länger als nur fünf Minuten gedauert hat – wünsche ich allen einen guten Appetit.“

Die von Mr. Bones engagierten Servicekräfte hatten während seiner Rede genügend Zeit gehabt, jedem Gast den Kuchen zu servieren und neben Kaffee, Tee und Säften auch jede Menge anderes Gebäck aufzutischen, so dass die zeitliche Aufeinanderabstimmung nicht besser hätte sein können.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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Beitrag von Muggelchen »

149 Schutzherr und Brautstrauß




Zwei Stunden später fragte sich Hermine still, ob sie von ihren Schuhen schon Blasen an den Hacken hätte und ob es auffallen würde, wenn sie diese mit Hilfe ihres Zauberstabes behandeln wollte. Die Toilette aufzusuchen wäre eine gute Gelegenheit, ihre Füße zu betrachten. Einen Augenblick später runzelte sie die Stirn, denn sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie sie an den runden Tisch gekommen war, an dem sie jetzt saß – noch immer zwischen den beiden Mr. Bones’.

Der Vater von Susan erhob sich und richtete das Wort an die Gäste. „Meine verehrten Hochzeitsgäste, ich bin mir sicher, dass sich viele von Ihnen einiges zu sagen haben, weil man sich lange nicht gesehen hat. Ich möchte Ihnen daher im Namen des Brautpaares die Möglichkeit anbieten, sämtliche zugängliche Räume – auch im ersten Stock – nutzen zu können. Getränke werden in jedem Raum serviert. Zum Essen können Sie sich wieder im Salon einfinden. Sie haben sicherlich die Menükarten auf den Tischen hier bemerkt.“ Mr. Bones nahm eine in die Hand und wedelte kurz damit. „Die Speisen werden übrigens per Hand von exzellenten Köchen zubereitet. Um zu bestellen, müssen Sie einfach das gewünschte Mahl mit dem Zauberstab antippen; die Muggel unter uns brauchen nur lange genug mit dem Zeigefinger auf ihre Wahl deuten und schon ist die Bestellung aufgenommen.“ Mr. Bones legte die Menükarte wieder auf den Tisch. „In diesem Sinne wird auch die Tischordnung aufgehoben und zwar“, er grinste breit, „ab jetzt! Es wird im Laufe des Tages selbstverständlich für Unterhaltung gesorgt.“ Er deutete auf eine der Servicekräfte, die er eingestellt hatte und erklärte: „Die Damen und Herren in Weiß sind über alle Abläufe informiert und stehen jeder Zeit mit Rat und Tat zur Verfügung. Sie werden auch darüber unterrichten, wenn ein besonderer Programmpunkt bevorsteht. Besonders für die Kinder hat sich Draco für heute Abend neben dem Feuerwerk eine ganz besondere Überraschung ausgedacht und wir hoffen auf rege Beteiligung der anwesenden Hexen und Zauberer, aber später dazu mehr.“

Hermine stutzte und fragte sich, was sich Draco hätte einfallen lassen können, um Kinder zu erfreuen. Weil der Tisch groß und rund war, saßen ihr gegenüber die Familien Tonks und Black. Narzissa, so dachte sich Hermine, musste bei Anne ebenfalls die Haare gerichtet haben. Sirius flüsterte ihr etwas ins Ohr, woraufhin Anne ihn am Arm knuffte und herzlich zu lachen begann. Neben Sirius saßen Nymphadora und Remus. Er wirkte ein wenig nervös und Hermine ahnte den Grund. Ihre Ahnung wurde bestätigt, als er sich umdrehte, um sich die anderen Tische anzusehen. Er hielt nach Linda Ausschau.

Aus ihren Gedanken wurde Hermine gerissen, als Mr. Bones und seine Gattin sich erhoben, um einen anderen Tisch aufzusuchen. Nun konnte sie dank der freien Plätze Draco sehen, der sie mit zufriedenem Gesichtsausdruck anblickte. Die freien Stühle aufrückend setzte sie sich direkt neben ihn.

„Du kannst jetzt auch“, begann er, „an den anderen Tisch zu Harry und Ron gehen, wenn du möchtest.“
„Ja, später vielleicht. Ich will eigentlich gar nicht aufstehen. Mir tun die Füße weh“, nörgelte sie.
„Da kannst du Susan die Hand reichen. Ich verstehe wirklich nicht, warum Frauen sich Schuhe für einen bestimmten Anlass kaufen, in denen sie sich nicht lange bewegen können.“ Er klang sehr amüsiert, erhielt aufgrund seiner Aussage von Susan aber einen Klaps auf seinen Oberschenkel.
„Ich glaube, ich suche mal das Bad auf“, sagte Hermine und Susan schloss sich ihr an.

Die vier unteren Badezimmer waren in Damen- und Herrentoiletten aufgeteilt worden. In einem der Räume trafen Susan und Hermine auf Ginny, die gerade ihren Jungen wickelte.

„Warum macht das nicht euer Elf?“, fragte Susan etwas irritiert.
„Weil unser Elf hier Gast ist und wir ihn von seinen ’Pflichten’ bei uns befreit haben“, erwiderte Ginny die Nase rümpfend, denn sie war momentan mit den unschöneren Dingen des Mutterseins konfrontiert, weil Nicholas ein wenig Durchfall zu haben schien. Mit einigen Zaubersprüchen und jeder Menge Handfertigkeit war der Kleine im Nu gesäubert und frisch gewickelt.
Unbewusst strich sich Susan über den Bauch und fragte schüchtern: „Hat es wehgetan?“ Den Jungen bereits wieder auf dem Arm nehmend blickte Ginny die Braut an, antwortete jedoch nicht. „Oh“, machte Susan betrübt.
„Mach dir nicht zu viele Gedanken darüber“, empfahl Ginny mit einfühlsamer Stimme. „Es ist völlig egal, wie sehr du leidest; am Ende lohnt es sich. In dem Moment, in welchem du den ersten Schrei hörst, geht es dir wieder blendend.“ Susan war durch diese Worte nur wenig beruhigt und so lenkte Ginny wieder ab und fragte: „Sag mal, Susan, wo könnte ich mich im Laufe des Tages mal zurückziehen, um Nicholas zu stillen?“
Endlich lächelte Susan wieder. „Ich zeigt dir nachher das Kinderzimmer. Welcher Ort wäre passender?“

Zur gleichen Zeit im grünen Salon gesellte sich unerwartet Dean Thomas zu Harry, Ron und einigen anderen seiner alten Klassenkameraden. Er war einer der Gäste, die nicht schon zur Trauung anwesend waren.

„Dean!“, sagte Ron überrascht. „Mensch, wir haben uns ja eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Wie geht’s?“
„Bestens! Und selbst?“
„Kann nicht klagen.“
Nach dem letzten Treffen der vereinten Orden hatte Harry ihn auch nicht mehr gesehen, so dass er wissen wollte, weil es ihn brennend interessierte: „Was hast du so gemacht?“
„Na ja, ich bin mittlerweile fünffacher Onkel, lebe mit meiner Frau in der Muggelwelt und arbeite hier im Ministerium“, zählte er mit einem Lächeln auf den Lippen auf. Dean hatte mehrere Halbgeschwister – alle älter als er – und da war es kein Wunder, so viele Neffen und Nichten zu haben.
Völlig verdattert fragte Ron: „Du bist verheiratet? Seit wann?“
„Seit etwas über einem Jahr; meine alte Flamme aus der Muggelschule“, erwiderte Dean, der sich gleich darauf umblickte. Nachdem er gefunden hatte, was er suchte, deutete er auf eine dunkelhäutige hübsche Frau in einem pfirsichfarbenen Abendkleid. „Da drüben, Lorraine.“ Alle am Tisch drehten ihren Kopf. Besagte Lorraine blickte zu Dean hinüber und winkte, so dass er zurückwinkte.
„Und was hast du jetzt mit Lorraine vor?“, fragte Ron mit einem schelmischen Lächeln. „Willst du deine eigene Fußballmannschaft in die Welt setzen?“
„Vielleicht?“ Dean schmunzelte, bevor er Ron fragte: „Wie sieht es mit dir aus? Noch immer mit Hermine zusammen?“
„Ähm…“
Harry übernahm die Antwort, weil Ron einfach kein Wort herausbrachte. „Nein, sie haben sich Mitte des Jahres getrennt.“
Mit einem erstaunten Gesichtsausdruck fragte Dean: „Ich hoffe aber, im Guten?“
Endlich hatte Ron seine Stimme wiedergefunden. Er klang ein wenig, als würde er der alten Zeit nachtrauern, als er bestätigte: „Ja, im Guten.“
„Und du, Harry? Noch immer Single?“ Dean wusste nur zu gut, dass Harry sich damals von Ginny hatte trennen müssen, um sie nicht in Gefahr zu bringen.

Breit grinsend setzte Harry bereits zur Antwort an, da blickte Dean mit einem Male an ihm vorbei zur Tür. Harry folgte seinem Blick und sah Susan, Ginny und Hermine, die gerade wieder in den Salon gekommen waren. Ginny trug Nicholas auf dem Arm.

„Nein, ist nicht wahr oder?“ Dean war nicht nur überrascht, sondern offensichtlich freute er sich für Harry, nachdem er das Kind auf Ginnys Arm gesehen hatte. „Ich sehe, du hast sofort da angeknüpft, wo du damals aufhören musstest.“
„Ich befürchte, das ist etwas komplizierter“, sagte Harry kleinlaut und Dean schien zu verstehen, denn der Blick in seinen Augen zeugte von Verständnis.
„Ich hab gar nicht erzählt, dass Lorraine ein Kind aus erster Ehe hat“, warf Dean in die Runde und aufgrund dieser Worte musste Harry erleichtert lächeln.

Während Susan sich wieder zu ihrem Mann begab, steuerten Hermine und Ginny auf den Tisch mit Harry zu.

„Dean!“ Die beiden begrüßten ihren ehemaligen Mitschüler, indem sie ihn drückten und sofort ausfragte, wie es ihm gehen würde.
Mit den Augen rollend sagte Ron: „Wenn ihr nicht solange auf der Toilette gewesen wärt, dann müsste er jetzt nicht nochmal alles erzählen.“

Kaum hatte Ginny Platz genommen und Nicholas gemütlich auf ihrem Schoß gesetzt, da kam ein kleines Mädchen angelaufen und es fragte aufgeregt, während es mit dem Finger auf Nicholas zeigte: „Ist das ein Baby?“
Das Mädchen mit den dunklen Locken und den großen braunen Augen streckte bereits eine neugierige Hand nach dem Jungen aus, da hörten alle eine ruhige Stimme sagen: „Berenice, nicht.“
Blaise war an den Tisch herangetreten und wollte gerade in die Runde grüßen, da unterbrach seine Tochter mit Ehrfurcht in der Stimme: „Papa, das ist ein Baby oder?“
Harry stand von seinem Stuhl auf und reichte ihm die Hand. „Hallo Blaise, nimm doch Platz.“ Derweil hatte Ginny dem Mädchen versichert, dass es Recht mit seiner Vermutung hatte.
„Darf ich’s anfassen?“, fragte Berenice. Ginny stimmte zu und Berenice streichelte vorsichtig mit einem Zeigefinger über die winzige Hand von Nicholas.

Mit Blaise am Tisch war die Stimmung nur wenig gedrückt, denn nicht alle wussten vom Schicksal seiner kleinen Familie. Von seiner damals an den Tag gelegten Arroganz war gar nichts mehr zu spüren, so dass selbst Ron gut mit ihm auskam, auch wenn er damals auf alle, die im Slug-Club Mitglied waren, sehr neidisch gewesen war; selbst auf Harry und Hermine.

Nach einiger Zeit traute sich Wobbel an den Tisch seines Herrn und er starrte – das bemerkte nicht nur Hermine – Dean an. Dean hatte einen sehr zufriedenen Gesichtsausdruck inne, als er den Elf bemerkte und er hielt den Augenkontakt, bevor er sagte: „Ein sehr schicker Smoking.“ Über beide Ohren grinsend bedankte sich Wobbel für das Kompliment.
Für alle am Tisch, die den Elf noch nicht kannten, erklärte Harry: „Das ist Wobbel, er kümmert sich halbtags um Nicholas.“
„Hast du ihm die Kleidung geschenkt?“, fragte Dean sehr interessiert.
„Nein, es handelt sich dabei um Arbeitskleidung.“
Mit einer hochgezogenen Augenbraue und einem spitzbübischen Lächeln auf den Lippen konterte Dean: „Ein Smoking als Arbeitskleidung?“
Zu Wort meldete sich der Elf selbst. „Das ist schon in Ordnung, Mr. Thomas, Sir.“

Jetzt stutzte Hermine und sie bemerkte, dass es Luna und Ginny genauso ging, denn das Seltsame war, dass Wobbel ihn mit Nachnamen angesprochen hatte, obwohl der nicht ein einziges Mal bei Tisch gefallen war. Entweder wusste Wobbel Deans Namen von irgendwoher oder die beiden kannten sich.

„Wo arbeitest du nochmal, Dean?“, fragte Hermine so gut es ging unauffällig.
„Im Ministerium“, erwiderte er, während sein Grinsen immer breiter wurde, was Hermine ansteckte.
Ron warf ein: „Ja, aber wo genau dort? Welche Abteilung?“
Zu Wobbel blickend musste Dean einmal schnaufen, weil er sein Lachen unterdrücken wollte, bevor er unschuldig antwortete: „Beim ’Amt für die Neuzuteilung von Hauselfen’, warum?“
Vor lauter Überraschung ließ Harry seine Kuchengabel zu Boden fallen, aber es war so laut im Saal, dass niemand es hörte. An Dean gewandt fragte er, obwohl es sehr wahrscheinlich war: „Du kennst Wobbel?“
Unerwartet antwortete Wobbel. „Ich habe Mr. Thomas einige Male gesehen und mich mit ihm unterhalten, nachdem die Familien, bei denen ich gewesen war, mich zurückgegeben hatten, Sir.“
Aus allen Wolken fallend fragte Harry Dean: „Dann hast du ihn mir geschickt, als ich meinen Antrag ausgefüllt habe?“
„Nicht ganz“, sagte Dean. „Ich bin zusätzlich für jene Fälle verantwortlich, bei denen die Elfen zu uns zurückkommen, wenn die Familien mit ihnen unzufrieden sind. Es gibt für diese Aufgabe keine extra Abteilung, weil es sehr selten vorkommt, aber der gute Wobbel hier“, Dean lächelte den Elf an, „hat es sechsmal geschafft. Wir haben viel miteinander geredet und ehrlich gesagt wollte ich ihn nicht noch einmal zu so einer altmodischen, reichen Familie schicken, also habe ich auf seiner Karteikarte notiert, für wen er vorbestimmt sein soll.“
„Und das war ich“, sagte Harry erstaunt.
„Nicht nur du, Harry. Ich habe mir überlegt, zu wem er passen würde und habe unter anderem auch Hermine, Luna, Neville, Ginny, Dumbledore, McGonagall und sogar Hagrid mit auf die Liste gesetzt. Derjenige auf der Karteikarte, der als Erster einen eigenen Elf beantragt hätte, hätte Wobbel bekommen. Deswegen ging es bei dir auch so schnell, Harry. Da musste nichts mehr geprüft werden.“
„Dann war es völlig gleich, was ich auf dem Antrag alles angekreuzt hätte – ich hätte ihn sowieso bekommen?“
„Ja, die Fragen auf dem Antrag sind für einen Elf nur wichtig, um zu wissen, für welche Aufgaben er überwiegend benötigt wird, aber jeder Elf ist für jede Aufgabe gleichermaßen geeignet“, erklärte Dean.
„Da bin ich wirklich baff“, konnte Harry nur noch sagen.
„Wie gefällt es dir bei Harry?“, fragte Dean den Elf.
Da er in der Vergangenheit von Harry die Erlaubnis erhalten hatte, ehrlich antworten zu dürfen, sagte Wobbel: „Mr. Potter gibt mir viel zu viel Freizeit, Sir.“
Über die Beschwerde nur grinsend äußerte sich Harry nicht, so dass Dean nachfragte: „Was machst du in deiner Freizeit?“

Der Elf spielte verlegen mit seinen langen Fingern und blickte vor sich auf das Wasserglas auf dem Tisch.

„Du musst nicht antworten, wenn du nicht möchtest“, versicherte Harry ihm, doch Wobbel wollte antworten, auch wenn er ein wenig verlegen schien.
„Da ist eine nette Elfe in der Küche. Ich besuche sie häufig“, gestand Wobbel mit leiser Stimme und er rechnete offensichtlich mit einer Schelte, doch die kam nicht. Stattdessen zauberte sich besonders bei den Damen am Tisch ein verzücktes Lächeln aufs Gesicht.

Im Laufe des späten Nachmittags hatten sich verschiedene Gäste zu Harry an den Tisch gesellt, weil sie ihn und die anderen lange nicht gesehen hatte. Einige gratulierten ihm nachträglich noch zum Erhalt des Merlinordens. Andere fragten, wie ihm sein Beruf als Lehrer gefallen würde oder wie er mit Snape als Kollegen auskommen würde. Aus einigen Aussagen konnte Harry heraushören, dass viele nicht frohen Mutes gewesen waren, die Hochzeit zu besuchen, doch als sie gehört hatten, dass nicht nur Dumbledore, sondern auch Harry als Gäste erscheinen würden, da hatten sie ihren Entschluss mit Leichtigkeit fassen können, denn wenn sogar die beiden zu Dracos Hochzeit kommen würden, dann dürfte man selbst keine Zweifel hegen. Außerdem war es Luna gewesen, die überall gestreut hatte, dass Harry Potter der Patenonkel von Susans und Dracos Kind werden würde.

Eine ganze Weile lang saß Berenice ruhig auf ihrem Platz neben ihrem Vater, der mittlerweile sehr gelöst mit seinen ehemaligen Schulkameraden reden konnte, und sie betrachtete still die Menükarte. Als fünf Kellner mit vierundzwanzig Speisen den Raum betraten und auf den Tisch mit Harry zusteuerten, da ahnte Blaise Schlimmes.

„Berenice? Was machst du da mit der Karte?“, fragte er besorgt, obwohl er schon ahnte, was sie getan haben musste.
„Das leuchtet ganz lustig, wenn man den Finger draufhält“, erwiderte sie mit strahlenden Augen.
„Ihre Bestellung“, sagte der Erste der Kellner.
„Ähm…“, machte Blaise, während er sich schon eine Entschuldigung für die Tat seiner Tochter ausdachte, die mit der verzauberten Menükarte gespielt hatte.
Die anderen am Tisch fanden den Vorfall hingegen amüsant und Ginny war diejenige, die ihn beruhigte, indem sie versicherte: „Das werden wir schon alles irgendwie verteilen.“ An den Herrn in Weiß gewandt fragte sie: „Was bringen Sie uns? Ist irgendwas mit Fisch dabei?“
„Zweimal den Lachs“, antwortete der Kellner und Ginny und Hermine hoben die Hand, um die Teller entgegenzunehmen.
„Der Gemüseauflauf?“, fragte der Herr und Luna und Neville hoben gleichzeitig ihre Hand.
Ihr den Vortritt gebend sagte Neville: „Nimm du ihn ruhig.“

Nach und nach verteilten die Servicekräfte das Essen, dass Berenice versehentlich bestellt hatte. Zwei große Teller waren noch übrig, als jeder bereits versorgt war.

„Was ist mit den beiden Grillplatten?“
Ron, der bereits sein duftendes Steak vor sich hatte, sagte zu dem Herrn: „Stellen Sie’s hier hin“, er räumte seine Gläser zur Seite, „das bekomme ich auch noch runter.“
„Wie in alten Zeiten, was?“, scherzte Dean.

Während alle mit dem Essen begannen, fragte Hermine: „Wo ist eigentlich Angelina?“
Ron blickte auf und schaute sich um, bevor er auf einen Tisch deutete. „Da hinten bei Fred und George am Tisch.“ Aufgrund der fragenden Blicke erklärte Ron kleinlaut: „Wir haben uns gestritten. Sie will mit dem Quidditch aufhören, zumindest bei Eintracht Pfützensee. Es gefällt ihr dort nicht.“

Niemand kommentierte seine Worte.

„Wo ist Snape hin? Hat er sich doch verdrückt?“, fragte Ron, bevor er sich über den zweiten Grillteller hermachte, während alle anderen schon lange mit dem Essen fertig waren.

Sich umblickend bemerkte Hermine, dass einige Gäste den grünen Salon verlassen haben mussten, um von dem Angebot, die anderen Räume nutzen zu können, Gebrauch zu machen.

„Ich weiß nicht“, sagte sie ein wenig enttäuscht klingend. „Linda ist auch nicht mehr hier.“
„Wer ist Linda?“, fragte Ron mit vollem Mund.
„Seine ehemalige Freundin.“ Man hörte, wie sich jemand an etwas verschluckte.

Luna schien sehr interessiert und fragte nach Einzelheiten, so dass Hermine preisgab, dass Linda ebenfalls eine ehemalige Freundin von Remus gewesen wäre.

„Remus ist übrigens auch nicht hier“, stellte Hermine fest, denn Tonks saß weiterhin neben Sirius und Anne, schien aber ein wenig unruhig, weil sie sich ständig umblickte und auf ihrem Stuhl hin- und herrückte.
„Vielleicht gehen die beiden sich gerade in diesem Moment an die Gurgel?“, scherzte Ron.
An Hermine gewandt sagte Luna: „Ich würde mir gern mal die anderen Räume ansehen. Ich finde den Salon schon so schön, da möchte ich den Rest auch sehen.“
„Wir können ja mal losziehen! Wer kommt noch mit?“ Berenice hob die Hand, doch ihr Vater verneinte, so dass sie ein ganz trauriges Gesicht machte. „Wir passen auf sie auf, Blaise.“ Er zögerte und schien seine Tochter nur ungern anderen anzuvertrauen. Wie Harry und Hermine ahnten, wäre es das erste Mal, dass er das tun würde.
„Na gut“, stimmte er unsicher zu. An seine Tochter gewandt sagte er: „Stell nichts an und hör auf die beiden!“

Rechts und links an die Hand nehmend ließ sich Berenice durch das Haus führen, bis sie ein Spiel entdeckt hatte, dass sie zum Giggeln brachte, denn sie ergriff die Hände der beiden Frauen ganz fest und sprang beim Gehen in die Luft, so dass Hermine und Luna sie dabei ein wenig nach oben zogen. Den ganzen Weg über bis in den ersten Stock gingen sie auf diese Weise; immer dem springenden Kind ein wenig mehr Schwung gebend.

„Das haben meine Eltern früher mit mir auch gemacht“, sagte Hermine in Erinnerungen schwelgend.
„Ja, meine auch“, bestätigte Luna lächelnd.
„Es sieht alles anders aus“, sagte Berenice, als sie im ersten Stock angekommen waren.
Luna schaute skeptisch, doch Hermine erklärte der Kleinen: „Es ist alles sauber und viel heller als vorher.“
„Gehen wir in mein Zimmer?“
Berenice zerrte die beiden Frauen schon zu der Treppe, die in den zweiten Stock führte, da sagte Hermine: „Nein, lass und hier bleiben und uns die Zimmer ansehen, ja?“

Ein Herr in Weiß trat aus dem Kaminzimmer hinaus, bemerkte die beiden Damen und das Kind und sagte höflich: „Ich möchte auch Sie darüber informieren, dass in etwa fünfzehn Minuten alle Gäste zur großen Terrasse gebeten werden.“
„Gibt es schon das Feuerwerk?“, fragte Luna, denn es war dank der Jahreszeit bereits dunkel draußen.
„Nein, es gibt eine Überraschung, besonders für die Kleinen.“ Der nette Herr schaute zu Berenice und zwinkerte ihr einmal zu, bevor er in eines der anderen Zimmer ging, um die Nachricht zu verbreiten.
„Kommt, wir gehen wieder runter, damit wir gute Plätze zum Zuschauen bekommen“, schlug Luna vor.

Auf der Treppe stießen sie auf Blaise, der seine Tochter für die Überraschung abholen wollte. Er bedankte sich bei den beiden, nahm Berenice auf den Arm und verschwand nach unten. Als sie ihm noch nachschauten, öffnete sich plötzlich eine Tür hinter ihnen, weswegen Luna und Hermine zusammenzuckten. Severus war aus dem Kaminzimmer getreten und hielt kurz inne, als er die beiden erblickte. Verärgert wirkend passierte er sie und stürmte nach unten. Hermine warf Luna einen erstaunten Blick zu, bevor ihr die Gesichtszüge entgleisten, denn hinter Luna trat nun noch jemand anderes aus dem Kaminzimmer.

„Mrs. Harrison“, grüßte Hermine verdattert.
Linda stutzte, bevor sie Hermine wiederzuerkennen schien und fragte: „Die Schülerin von Severus, richtig? Entschuldigen Sie bitte, aber mir ist Ihr Name entfallen.“
Aus einem unerfindlichen Grund ärgerte es Hermine, dass jemand ihren Namen vergessen hatte, denn das wirkte so, als wäre sie keine Person, an die man sich erinnern wollte, weswegen sie ungalant klarstellte: „Miss Granger.“
„Ja, natürlich. Entschuldigen Sie bitte. Kommen Sie auch mit zur Terrasse?“, fragte Linda freundlich.
Luna wollte bereits bejahen, da kam ihr Hermine abweisend zuvor. „Nein, noch nicht.“
„Na dann… Ich gehe nach unten.“

Kaum war Linda die Treppe hinunter verschwunden, da fragte Luna: „War das diese Linda?“
Hermine bestätigte nickend. „Ich frage mich wirklich, was die beiden dort drinnen gemacht haben.“
„Welcher Raum liegt hinter der Tür?“, wollte Luna wissen.
„Das Kaminzimmer, willst du es sehen?“

Ein wenig erbost stieß Hermine die Tür auf und trat ein. Das Feuer im Kamin brannte noch immer und irgendjemand hatte regelmäßig Holz nachgelegt. Ihre Arme vor der Brust verschränkend schlenderte Hermine in dem Zimmer umher und hielt Ausschau nach… Sie wusste es selbst nicht genau. Vielleicht nach eingedrückten Kissen auf der Couch oder nach benutzten Gläsern.

„Hallo“, sagte eine abgeschlagen klingende Stimme. Die beiden Frauen drehten sich um und erblickten Remus, der sich ebenfalls im Kaminzimmer aufhielt und die Schultern hängen ließ. Er lehnte mit dem Gesäß an einem Schrank.
„Remus, wir wussten gar nicht, dass du noch im Zimmer bist.“
Mit einem gequälten Lächeln erklärte er: „Deswegen habe ich ja auch auf mich aufmerksam gemacht.“
„Was ist denn passiert?“, wollte Hermine wissen.
„Ach nichts“, log er und seufzte.
„Das sieht mir aber nicht nach ’nichts’ aus. Severus schien eben sehr verärgert zu sein und kurz nach ihm kam Linda raus.“ Auf ihn zugehend fragte sie: „Habt ihr etwa über damals gesprochen?“
Er antwortete in einem für ihn untypischen sarkastischen Tonfall: „Was denkst denn du?“
„Tut mir Leid“, sagte Hermine kleinlaut. „Kommst du mit uns nach unten auf die Terrasse?“

Man musste nur den anderen Gästen folgen und schon gelangte man zu dem Ort, an welchem der kleine Event für die Kinder stattfinden sollte.

„Da seid ihr ja“, sagte Neville laut, als er Luna und die beiden anderen erblickte. Nachdem sie sich durch die Gästeschar hindurchgekämpft hatten, fragte Neville: „Macht ihr mit?“
„Wobei mitmachen?“
„Bei der Überraschung für die Kinder. Jeder, der möchte, kann seinen gestaltlichen Patronus heraufbeschwören. Die meisten haben das noch nie gesehen und viele der Muggel auch nicht. Macht ihr mit?“ Nevilles Augen glänzten.
Hermine und Luna waren von der Idee begeistert, doch Remus offensichtlich weniger. „Ich werde zusehen.“
Darüber erstaunt fragte Harry: „Aber warum?“
„Weil ich im Moment“, er stockte, „keine glückliche Erinnerung parat habe. Habt ihr Tonks gesehen?“ Er hatte sofort das Thema gewechselt.
„Ja“, Harry zeigte in eine Richtung, in der Tonks mutterseelenallein mit vor der Brust verschränkten Armen an einer Wand lehnte.
„Ich gehe zu ihr. Viel Spaß.“ Schon war Remus verschwunden.

„Was hat er denn?“ Seinen guten Freund hatte er nur so trübsinnig erlebt, wenn es um den unerfüllten Hochzeitswunsch mit Tonks ging.
„Keine Ahnung.“ Hermine wollte nicht spekulieren. „Wann geht es los?“ Sie blickte an Harry vorbei und sah Severus, der ebenfalls allein an der Wand lehnte, jedoch im Schatten, wo man ihn wegen seiner dunklen Kleidung schwer ausmachen konnte. „Ich frag Severus, ob er auch mitmacht.“

Bei ihm angekommen wollte sie gerade grüßen, da giftete er bösartig: „Was wollen Sie?“
Ernüchtert über seine abweisende Art sagte sie die Wahrheit. „Ich wollte fragen, ob Sie auch Ihren Patronus heraufbeschwören möchten?“
„Warum sollte ich mich an diesem Unfug beteiligen?“
„Weil ich gern Ihren Patronus sehen würde, Severus. Kommen Sie“, ihre Stimme war mit einem Male viel weicher, „dann können Sie auch meinen sehen.“
Etwas besänftigt stellte Severus klar: „Ihren werde ich sowieso sehen. Sie machen doch bei Albernheiten dieser Art gern mit.“
„Ja, das stimmt!“ Sie hoffte, ihre Euphorie würde auf ihn überspringen. „Kommen Sie mit? Bitte!“
Ihr letztes Wort war so langgezogen formuliert, dass er es nicht unterlassen konnte zu sagen: „Sie quengeln wie eines dieser verzogenen Bälger.“
Schäkernd konterte sie: „Sie wissen, dass ich viel schlimmer sein kann. Lassen Sie sich nicht so lange bitten.“
„Warum sollte ich?“
„Remus macht leider auch nicht mit. Ich fände es schade, wenn Sie sich auch noch sträuben und genauso wie er nur hier an der Wand lehnen und zusehen.“ Sie hatte keine Ahnung, über was die drei im Kaminzimmer gesprochen hatten. Möglicherweise würde Severus es nicht wollen, sich genauso wie Remus zu verhalten.
„Er macht nicht mit?“, fragte er zaghaft nach, so dass sie den Kopf schüttelte.

Sich von der kühlen Steinwand abstoßend näherte er sich Hermine, um sich vor ihr aufzutürmen, doch seine sonst so bedrohliche Körperhaltung brachte sie nur zum Schmunzeln.

„Ich werde mich dieser Kinderei ergeben und mich daran beteiligen, um bei dem Brautpaar und den Gästen einen guten Eindruck zu hinterlassen“, Hermine wollte sich schon bedanken, doch er war noch nicht fertig, „aber nur, wenn Sie mir versprechen, mich im Laufe des Abends nicht zu einem Tanz aufzufordern und wenn ich gerade schon dabei bin: Sorgen Sie dafür, dass auch keine Ihrer Freundinnen es wagen wird, sich mir in dieser Absicht zu nähern.“
„Das ist Erpressung, Severus.“ Sie klang weniger erbost als erwartet.
„Das ist keine Erpressung, Hermine, das ist ein Handel!“ Ihr die fahle Hand hinhaltend erwartete er, dass sie sie schütteln würde.
Tatsächlich griff Hermine zu, doch während sie seine Hand schüttelte, stellte sie die Bedingung: „Mindestens fünf Minuten müssen Sie Ihren Patronus halten!“ Er wollte seine Hand wegziehen, doch sie hielt sie fest und erklärte: „Das ist die Zeit, die Sie sich mit mir auf der Tanzfläche ersparen!“

Er kniff entrüstet die dünnen Lippen zusammen, doch seine Augen schienen amüsiert.

„Von mir aus auch fünf Minuten.“
„Dann kommen Sie, es fängt gleich an!“

Mit Severus im Schlepptau näherte sich Hermine den anderen Gästen, die sich ebenfalls bereiterklärt hatten, ihren Patronus zur Schau zu stellen. Sie hörten Mr. Bones gerade noch sagen: „…zum Glück ist es dank des Wärmezaubers hier auf der Terrasse nicht allzu frisch. Also, wer möchte den Anfang machen?“

Einige der Gäste waren wieder nach drinnen gegangen, weil sie keinen Gefallen daran fanden, die Patronusgestalten anderer zu sehen, aber das war nicht schlimm, denn so blieb eine übersichtliche Menge an Menschen zurück, von denen mehr als die Hälfte offensichtlich nur zusehen wollte. Die meisten von ihnen waren Muggel, die überhaupt nicht ahnten, was sie erwarten könnte, aber auch einige der Zauberer und Hexen waren geblieben, um sich mit ihren Kindern an dem Spektakel zu ergötzen. Dracos ursprüngliche Idee war es gewesen, die Hochzeit symbolisch mit den glücklichen Momenten der Gäste zu untermalen, doch als er die ganzen Kinder seiner ehemaligen Schulkameraden gesehen hatte, da war ihm klar, dass die Kleinen an diesem Spektakel ihre wahre Freude haben würden.

Mit seinem Hirsch machte Harry den Anfang und ein erstauntes A und O ging durch die Reihe. Die Kinder kamen bei der silbernen Gestalt mit ihrem prächtigen Geweih nicht mehr aus dem Staunen heraus. Mit großen Augen verfolgten sie den Hirsch, den Harry langsam an den entzückten Augen vorbeiziehen ließ. Jeder – bis auf Severus – hatte ein Lächeln auf dem Gesicht. Die kleineren Kinder warfen ihre Arme nach oben, die älteren unter ihnen klatschten zusammen mit den erwachsenen Zuschauern.

Noch während Harry seinen Hirsch über die Terrasse gleiten ließ, ging Hermine einen Schritt auf ihren Freund zu, zückte ihren Stab und erinnerte sich an den glücklichsten Moment in ihrem Leben. Der silberne Nebel, der ihrer Stabspitze entsprang, formte alsgleich einen Otter, der ihr erst sehr lebhaft um die Beine rannte, bevor sie ihn auf die Kinder zulenkte, die beim Anblick des flinken Tiers vergnügt quietschten.

Hinter sich hörte sie Severus nüchtern sagen: „Es musste ja etwas Quirliges sein.“ Hermine musste grinsen, verlor jedoch nicht ihre glückliche Erinnerung. Selbst nicht, als Luna sich ihr anschloss und ein Kaninchen heraufbeschwor.

Aus der Menge hörte man Berenice’ Stimme begeistert rufen: „Da ist Babbelhäschen!“
Luna stutzte und fragte Hermine mit verträumter Stimme: „Woher weiß sie nur, wie ich meinen Patronus genannt habe?“

Das Brautpaar näherte sich ebenfalls der Mitte der Terrasse. Draco fragte leise: „Was ist eigentlich dein Patronus?“
Susan lächelte nur und erwiderte: „Wirst du gleich sehen.“

Es dauerte bei Susan nicht lang, da hatte sich der silberne Nebel in eine Löwin verwandelt, die jedoch wenig angsteinflössend war.

„Aber nicht, dass deine Löwin meinen Hirsch reißt, den brauche ich noch“, sagte Harry scherzend, bevor sein Patronus verschwand, weil er zu sehr abgelenkt war. Mit Ehrfurcht betrachteten die Kinder das große Raubtier, aber als sie bemerkten, dass es sich wie eine normale Hauskatze bewegte, da hatten sie keine Angst mehr. Nevilles Patronus war eine Gazelle, die munter auf und ab hüpfte, manchmal im Zickzack sprang, um Susans Löwin auszuweichen, die mittlerweile auch wieder verblasste.

Bisher hatte Hermine am längsten ihren Patronus aufrechterhalten und sie ließ ihn jetzt mutig auf Severus zulaufen, damit er ihm um die Beine tänzeln würde.

„Ich wäre auch einer verbalen Aufforderung nachgekommen“, sagte Severus mit gleichgültiger Miene, aber es waren seine Augen, die verrieten, dass für ihn die Situation nicht so schlimm war, wie er sie sich vorgestellt haben musste. Er zückte seinen Zauberstab und die silberne Farbe schoss im Überfluss aus der Spitze direkt gen Himmel, damit sie den großen Vogel, der seinen Patronus darstellte, formen konnte.

Der gigantische Vogel streckte seine Flügel aus und erhob sich noch weiter hinauf in die Lüfte. Sämtliche Kinderaugen klebten an dem fliegenden Tier, selbst die der erwachsenen Zuschauer. Immer wieder war ein verzücktes „Oh wie schön“ zu hören, während der silberfarbene Phönix seine Runden am dunklen Himmel drehte.

Mit einem Male fühlte sich Draco in der Zeit zurückversetzt. Damals war er es gewesen, der als Erster gegen die Dementoren seinen Patronus angewandt hatte, während der von Severus sie am Ende alle in die Flucht geschlagen hatte. Eine zarte Hand an seiner riss ihn aus seinen Gedanken und er blickte Susan in die Augen, die ihn aufforderte, nun seinen Schutzherrn preiszugeben.

„Erst wenn Severus fertig ist“, sagte Draco leise. „Sieh dich doch um. Alle starren nach oben.“
Es stimmte, wie Susan feststellte. Selbst Harry folgte mit den Augen jeder Bewegung des mächtigen Phönix’ mit seiner riesigen Flügelspannweite.

Noch immer dicht bei Severus stehend fragte Hermine ihn leise, während auch sie seinem prächtigen Patronus nachsah: „Warum ein Phönix?“ Die Frage schien ihn aus dem Gleichgewicht gebracht zu haben, denn der Vogel verblasste und ein enttäuschtes „Oh“ war von den Kindern zu hören.
„Damit“, zischte Severus leise, „haben Sie sich selbst um die abgemachte Zeit gebracht, Hermine.“

Den Moment hatte Draco genutzt, um seinen Schutzherrn zu beschwören und Berenice rief kindlich vergnügt den Namen des Bären, den sie aus ihrem Märchenbuch kannte. Als Severus die Kinderstimme „Zottel“ rufen hörte, da wandte er sich um und betrachtete den großen Schwarzbären, der Dracos Zauberstab entsprungen war. Berenice war darüber, dass sie am heutigen Abend gleich zwei ihrer literarischen Helden sehen durfte, so aufgebracht, dass sie dem Bären mit ausgestreckten Armen entgegenlief. Nur knapp konnte Draco seinen Patronus anhalten, doch das Mädchen lief weiter. Sie wollte den Bären umarmen und lief mit weiterhin ausgestreckten Armen auf ihn zu und durch ihn hindurch. Sie blieb stehen, drehte sich um und zog ihre Augenbrauen in die Höhe, so dass einige der Gäste lachen mussten, weil es niedlich aussah.

Hermine blickte Severus an und fragte abermals: „Warum ein Phönix?“
Luna, die ein wenig abseits stand, hatte ihre Frage vernommen und sie hörte auch, als Severus die Gegenfrage stellte: „Warum ein Otter?“
Strahlend antwortete Hermine: „Sie haben es selbst gesagt.“ Sie deutete auf sich. „Quirlig.“

Kommentarlos – und damit sie keine weitere Gelegenheit finden würde ihn auszufragen – ließ Severus sie stehen, um wieder nach drinnen zu gehen und während sie ihm nachschaute, näherte sich ihr Luna, die mit entrücktem Blick ebenfalls ihrem ehemaligen Zaubertränkelehrer hinterherschaute und in Bezug auf Hermines Frage laut vermutete: „Vielleicht wegen der Sehnsucht, wie ein Phönix verbrennen zu wollen, um ein neues Leben beginnen zu können?“

Der Abend war schon weiter vorangeschritten. Weil sich besonders die Gäste mit Kindern langsam auf den Heimweg machen wollten, hatte Susan sich dazu entschlossen, jetzt ihren Brautstrauß zu werfen.

„Willst du wieder nicht mitmachen?“, fragte Harry, weil Hermine am Tisch geblieben war, während die anderen Frauen bereits die Mitte des Salons stürmten, um sich gut platzieren zu können.
„Warum sollte ich? Dafür gibt es keinen Grund. Und außerdem wird sicherlich wieder Tonks diejenige sein, die den Strauß fängt“, blaffte Hermine zurück, denn das Thema schien bei ihr ein wunder Punkt zu sein.
„Hermine“, sagte Ron, „nicht raten, WER den Strauß fängt, sondern wie! Ich tippe bei Tonks auf einen doppelten Flickflack mit anschließender Schraube.“

Der Tisch brach in Gelächter aus und sogar Hermine konnte sich nicht halten, als sie sich Rons Ausführung bildhaft vorstellte.

„Ginny sitzt ja auch noch hier am Tisch“, nörgelte Hermine einen Augenblick später.
„Ich brauche eben keinen Brautstrauß zu fangen“, rechtfertigte sich Ginny. „Ich weiß ja, dass wir im Juni heiraten werden.“
„Wir heiraten nur“, begann Harry mit einem Schmunzeln, „wenn du den Strauß fängst oder es zumindest versuchst!“
„Ich höre wohl nicht recht!“ Ginny musste breit grinsen.
„Geht zusammen nach vorn“, bat Harry die beiden Frauen am Tisch. „Und Ginny, ich erwarte mindestens genauso einen Körpereinsatz wie von Tonks!“
Ihm den Jungen überreichend sagte Ginny gut gelaunt: „Ich werde mich auf der nächsten Hochzeit dafür einsetzen, dass die Junggesellen sich mal um den Brautstrauß prügeln sollen!“ An Hermine gewandt sagte sie: „Kommst du mit? Ich will nicht allein.“
Hermine stand zwar auf und folgte Ginny, sagte jedoch: „Allein ist gut… Schau doch mal, wie viele Mädchen und Frauen hier stehen.“ Sie erspähte einige und sagte: „Olympe macht diesmal mit. Herrje, wenn Susan hoch wirft, werden wir alle keine Chance haben!“ Amüsiert kicherte Hermine. „Und hinter uns, da steht Minerva. Sie wartet darauf, dass ihr die Blumen direkt in die Hände fliegen.“ Sie erblickte weiter vorn Luna. „Wenn Luna weiterhin so vor sich hinträumt, wird sie gar nicht mitbekommen, wenn es längst vorbei ist.“
„Um Himmels Willen, Hermine. Du hast dich bei Snape angesteckt… Du leidest an Spottsucht!“, sagte Ginny im ersten Moment ernsthaft, bevor sie lachen musste.
Etwas niedergeschlagen gestand Hermine: „Ich weiß wirklich nicht, was ich hier soll.“
„Den Strauß fangen! Das ist das bunte Ding mit der Schleife in Susans Hand“, munterte Ginny ihre Freundin auf, doch als sie versagte, fügte sie hinzu, „Es ist doch nur eine Tradition.“
„Aber eine blöde.“
Ginny seufzte. „Ich weiß, was du meinst.“ Hermine mit dem Ellenbogen anstoßend sagte sie: „Gleich geht’s los, Susan wirft.“
„Viel Glück, Ginny.“

Susan warf den Strauß und weil sie Linkshänderin war, flogen die Blumen in eine völlig andere Richtung als die meisten es erwartet hatten. Er kam nicht einmal in die Nähe von Ginny und Hermine, sondern flog – über Olympe hinweg – ganz nach hinten, bis er an die Schulter einer wartenden Frau prallte, die ihn sofort mit beiden Händen umfasste.

Totenstille war eingekehrt, was möglicherweise an dem verblüfften Gesichtsausdruck der Fängerin liegen mochte oder gar an der Tatsache, wer den Strauß nun in den Händen hielt.

Mit einem Male war ein fröhliches Pfeifen zu hören, denn Fred und George hatten sich als Erste gefasst. Sie klatschten und pfiffen mit Hilfe ihrer Finger laut und stimmungsmachend, so dass sich die anderen Gäste völlig aufgedreht und euphorisch anschlossen. Sich von der guten Laune mitreißen lassend klatschten und jubelten nun auch die Frauen, denen das Glück verwehrt geblieben war, denn jede von ihnen – selbst Tonks – gönnte es Minerva McGonagall, die es offensichtlich noch immer nicht fassen konnte, den Brautstrauß in ihren Händen halten zu dürfen.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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150 Heiligabend




„Wie bin ich ins Bett gekommen?“, fragte Draco in den Raum hinein, nachdem er sich am nächsten Morgen gestreckt hatte.
Noch immer müde, aber dennoch gut gelaunt antwortete Susan, während sie sich den Schlaf aus den Augen rieb: „Du hast gestern Abend noch mit ein paar der übrigen Gäste Brüderschaft getrunken. Ich vermute“, sie streckte sich ihm entgegen und gab ihm einen Kuss auf die Lippen, „dass du Alkohol einfach nicht so gut verträgst.“
„Ich vertrage Alkohol“, rechtfertigte er sich.
„Das mag sein, aber nach zwölf Gläsern Feuerwhisky würde ich auch nicht mehr wissen, wie ich ins Bett gekommen bin.“
Mit Reue in der Stimme entschuldigte er sich. „Es tut mir Leid, dass der Abend so…“
„Nein Draco, keine Sorge. Es war ein schöner Abschluss.“ Sie gab ihm erneut einen Kuss und strahlte breit. „Und außerdem hast du jetzt zwölf neue Freunde.“
„…an die ich mich leider nicht erinnern kann. Warum habe ich keinen Kater?“ Er legte eine Hand vorsichtig an die Stirn, als würde er erwarten, dass jeden Moment der dumpfe Kopfschmerz beginnen müsste.
„Zaubertrank“, war ihre knappe Antwort gewesen. Sie setzte sich im Bett auf, was wegen ihres runden Bauches eine langwierige Prozedur darstellte, lehnte sich an das Kopfende und fragte: „Was hast du gestern eigentlich so lange mit Ron besprochen? Es sah sehr ernst aus.“
„Ach“, winkte er ab, „er hat mir nur erzählt, dass der Sponsor von seinem Verein jetzt doch abgesprungen ist. Ich habe einiges Internes erfahren.“
„Mmmh“, machte Susan, die diese Information nur zur Kenntnis nahm, denn Quidditch war nicht eines ihrer bevorzugten Gesprächsthemen. „Ich könnte jetzt ein Frühstück vertragen.“
„Ich mach eines“, sagte Draco, sprang vom Bett und zog sich den Morgenmantel über.

Er brauchte nicht bis in die Küche zu gehen, denn nachdem er aus dem Schlafzimmer getreten war, fand er ein Tablett vor, welches seine Mutter auf dem Couchtisch im Wohnzimmer abgestellt und mit einem Zauber versehen haben musste, damit der Kaffee heiß und der Saft kalt bleiben würde. Selbst den Tagespropheten hatte sie gefaltet zwischen die Teller gelegt. Mit dem Tablett in der Hand ging er zurück ins Schlafzimmer.

„Das ging aber schnell“, staunte Susan verdutzt.
„Ich kann zaubern, schon vergessen?“, scherzte er. Gleich im Anschluss teilte er ihr seine Vermutung mit. „Meine Mutter muss es zubereitet haben.“
„Das ist aber lieb.“ Sie half ihm mit dem Tablett, damit er wieder ins Bett steigen konnte. „Frühstück im Bett. Das hatte ich bisher nur, wenn ich krank war.“
„Das wirst du jetzt öfters haben, wenn du möchtest“, versprach er.

Während Draco die Getränke einschenkte, nahm sich Susan den Tagespropheten, was Draco aus den Augenwinkeln beobachtete. Als sein Blick auf die Schlagzeile fiel, drehte er seinen Kopf, um sie richtig lesen zu können und dann sog er erschrocken Luft ein. Die Schlagzeile lautete: „Traumhochzeit bei den Malfoys“. Die Überschrift verschwand und wurde ersetzt durch: „Mit gutem Beispiel voran.“

Ein Kloß bildete sich in Dracos Hals, doch den schluckte er hinunter, bevor er aufgebracht zeterte: „Was fällt denen ein? Ich lasse nicht zu, dass diese Schmierfinken unsere Hochzeit in den Schmutz ziehen!“
„Jetzt bleibt doch mal ganz ruhig, Draco“, sagte sie mit besänftigender Stimme, doch er war bereits aus dem Bett gesprungen, um nun erregt auf und ab zu laufen. „Lass mich den Artikel erst einmal lesen, ja?“, bat sie. „Vielleicht ist der ja ganz nett geworden.“ Er blieb abrupt stehen und blickte sie ungläubig an.
„Das wäre das erste Mal, dass ein Artikel vom Tagespropheten über die Malfoys ’nett’ wäre. Allein schon die Schlagzeile ’Mit gutem Beispiel voran’ regt mich auf.“
„Lass ihn mich lesen! Komm ins Bett und wir frühstücken dabei zusammen.“

Nur widerwillig kam er ihrer Aufforderung nach. Immer wieder warf er einen Blick zur Seite, wo Susan den Artikel las, doch die Schrift war so klein, dass er kein einziges Wort erkennen konnte.

Nachdem sie fertig war, lächelte sie und sagte: „Ein schöner Artikel!“ Weil er sie ungläubig anblickte, versicherte sie ihm: „Wirklich, lies doch selbst.“

Er las ihn und entgegen seiner Vermutung war der Artikel nicht verletzend, wenn auch in Bezug auf andere Reinblüter sehr kritisch. Die zweite Schlagzeile bezog sich nämlich auf jene Familien, die ihr Blut noch immer auf Biegen und Brechen rein halten wollten. Durch die Hochzeit mit Susan distanzierte die Familie Malfoy sich von diesen Leuten.

„Hast du mal gelesen, von wem der Artikel ist?“, fragte Susan vorsichtig. Ganz unten stand der Name des Journalisten – in diesem Falle der Journalistin. Draco wusste nicht, ob er es gutheißen sollte, dass Luna Lovegood seine Hochzeit auch für die Erstellung eines Artikels benutzt hatte. Andererseits hatte sie ihn und seine Familie in ein gutes Licht gerückt.

„Komm, leg den Tagespropheten weg und mach dir keinen Kopf. Morgen wird kein Hahn mehr danach krähen.“ Sie griff nach der Zeitung und warf sie achtlos hinter das Fußende, bevor sie ihn zu sich zog und einen Kuss stahl.

Während Draco und Susan eine kleine Pause während ihres Frühstücks einlegten, schob Lucius den bereits leeren Teller von sich, um sich die Kaffeetasse heranzuholen. Drei Tassen Kaffee zum Frühstück mussten schon sein, aber zur letzten Tasse fehlte etwas, das Marie sonst nie vergessen hatte. Kaum hatte er an die Schwester gedacht kam sie auch schon ins Zimmer, um das Tablett abzuholen.

„Marie, dürfte ich um die Morgenzeitung bitten?“, fragte er galant, ohne ihr unter die Nase zu reiben, dass sie heute sehr vergesslich schien.
„Ähm, ja“, sagte sie verlegen wirkend.

Sie verließ den Raum, um bis auf die eine Tasse das Geschirr wegzubringen, um kurze Zeit später mit dem Tagespropheten zurückzukommen. Sie hatte ihn gefaltet auf den Tisch gelegt, nur um sofort wieder zu verschwinden. Über das Verhalten der Schwester machte er sich keine Gedanken. Er wusste ja, dass sie sich um Miss Parkinson kümmern musste, was in seinen Augen eine grauenvolle und zudem mühselige Arbeit sein musste und womöglich der Grund für Maries flatterhaftes Verhalten war. Gelassen lehnte er sich zurück und warf einen Blick auf die heutige Schlagzeile.

Die Schrift und das Bild schienen ihn mit einem Petrificus Totalus verhext zu haben, denn für lange Zeit konnte er ausschließlich seine Augen bewegen. Der Mund stand ihm offen und die Augen waren weit aufgerissen, die immer wieder den Aufmacher überflogen sowie das Bild, auf welchem ein Bräutigam die Braut küsste; sein Sohn das Halbblut küsste. Das unangenehme Gefühl in seiner Brust ließ langsam nach, als er sich erneut vor Augen hielt, dass niemand ihm für die Taten seines Sohnes das Fell über die Ohren ziehen würde. Trotzdem raste sein Puls, während er den Artikel zu lesen versuchte, was sich als sehr schwer herausstellte, denn in Gedanken stellte er bereits Szenarien vor, die sich abspielen könnten, sollte er seinem Sohn in Zukunft einmal leibhaftig gegenüberstehen.

Einerseits empfand er Wut, weil Draco nichts von alledem, was er ihm im Laufe der Erziehung an Werten zu vermitteln versucht hatte, zu beherzigen schien, doch auf der anderen Seite war er erleichtert, dass die Familie Malfoy nicht mit einem unehelichen Kind gestraft worden war. Auf der nächsten Seite fand Lucius einige bewegte Bilder von der Hochzeitsfeier, die ganz im Stil der Malfoys sehr prächtig gewesen sein musste. Den aufkommenden Stolz darüber unterband er, als er sich den grünen Salon betrachtete, der so anders, aber noch immer heimisch wirkte. Beim Anblick einiger der Gäste empfand er großes Bedauern, dass er selbst nicht anwesend gewesen war.

Mit einem Male verflog all sein Unmut über die Hochzeit, als sein Blick auf Narzissa fiel. Seine Gattin wirkte auf einem der Bilder sehr allein und traurig und er stellte sich vor, wie das Foto zu dem Artikel wohl ausgesehen hätte, wenn er hinter Narzissa gestanden hätte, mit einem Arm um ihre schlanke Hüfte gelegt und mit seinem Mund dich an ihrem Ohr, um ihr zuzuflüstern, dass ihr Anblick eine wahre Augenweide darstellte.

Noch einen Moment lang das Bild von Mrs. Malfoy betrachtend legte Meredith, die mit den Lehrern am Frühstückstisch saß, den Tagespropheten zur Seite. Sie unterhielt sich mit Gordian angeregt darüber, wie schön es gestern gewesen war.

Eine graue Posteule brachte Harry einen Brief, der von den Hauselfen und deren Magie für „äußerst sicher“ eingestuft worden war. Severus, der direkt neben Harry saß, hatte sich heute dazu aufgerafft, gemeinsam mit seinen Kollegen und den verbliebenen Schülern das Frühstück einzunehmen. Ihm gegenüber saß Remus, der weiterhin in Hogwarts bleiben musste, weil Hogsmeade noch immer von Auroren abgeriegelt war.

Vorn auf dem Umschlag erkannte Harry neben der Adresse, die mit einer Schreibmaschine verfasst worden sein musste, sofort eine Briefmarke, was völlig untypisch für die Zaubererwelt war, da man hier nicht frankieren musste. Man bekam beim Postamt einfach keine Eule, wenn man für sie nicht auch zahlen würde. Warum eine Briefmarke, fragte sich Harry. Es konnte sich nur um ein Schreiben aus der Muggelwelt handeln, dachte er, dem plötzlich eine Gänsehaut den Rücken hinunterlief. Die einzigen Menschen, die ihm aus der Muggelwelt schreiben würden, waren seine Verwandten. Es musste ein Brief von den Dursleys sein.

Harry stöhnte genervt, während er weiterhin auf die Briefmarke starrte, so dass Severus hämisch fragte: „Was denn? Haben Sie da etwa Fanpost bekommen, die es auf unerklärliche Weise geschafft hat, sich bis zu Ihnen persönlich durchzukämpfen?“

Für einen Moment starrte Harry seinen Kollegen fassungslos an, doch gleich darauf wurden seine Augen wieder sanfter, als ihm klar wurde, dass Severus wie üblich nur eine seiner sarkastischen Bemerkungen gemacht hatte, mit denen er in der Regel sehr gut umgehen konnte. Es war ihre Art der Kommunikation. Der Mann neben ihm würde immer Severus Snape bleiben, der seine Mitmenschen mit bösartigen Randbemerkungen bedachte, aber irgendwann, wenn man das Glück hatte, den Mann hinter Professor Snape erblicken zu dürfen, dann würde man seine Boshaftigkeit durchschauen können. Severus kommunizierte über seinen Sarkasmus. Trotzdem er stichelnde Bemerkungen von sich gab, ließ einen spüren, dass er im gleichen Moment die Gesellschaft hoch schätzte. Harry hörte aus Severus’ kleinen Beleidigungen immer öfter heraus, dass der es nicht ernst meinte. Remus und Hermine erging es ganz ähnlich wie ihm selbst, rief sich Harry ins Gedächtnis zurück. Beide hatten erkannt, dass hinter Severus’ Böswilligkeiten nur selten der Drang nach Verletzung steckte. Severus war halt so, wie er war. Wenn er jemanden an sich heranlassen wollte, wurde sein Sarkasmus mit der Zeit milder, fast sogar einladend freundlich. Hermine kam mit ihrem Zaubertränkemeister gut aus. Wenn sie gut gelaunt war, benutzte sie Severus’ eigene Art, um sich mit ihm zu unterhalten.

„Nein“, erwiderte Harry, nachdem er endlich seine Gedanken geklärt hatte, „schön wär’s, wenn es nur Fanpost wäre.“ Er strich sich über die Stirn und derweil entging Severus nicht, dass Harry seine Narbe berührte. „Es ist… Ach, ich habe langsam die Nase voll von denen“, nörgelte Harry enttäuscht klingend und er war froh, dass ihm momentan niemand außer Severus Aufmerksamkeit schenkte.
„Was haben Sie? Von wem ist der Brief, wenn nicht von einem ihrer treuen Fans?“, fragte Severus mit verhaltener Stimme, was Harry vor Augen führte, dass Severus ihn nicht ärgern wollte. Der Sarkasmus fehlte.

Es war Harry mit der Zeit aufgefallen, dass es gewisse Abstufungen in Severus’ Äußerungen gab, denen ganz besondere Eigenarten zuzusprechen waren. So sagte Severus manchmal etwas Gemeines, aber er lächelte dabei; nie mit dem Mund, sondern mit den Augen, zumindest seitdem deren Farbe braun war. Über einen hochgezogenen Mundwinkel war sein älterer Kollege sehr selten hinausgekommen, aber die Augen stellten viele von Severus’ Gefühlen zur Schau.

Manchmal, wie eben, fehlte das Augenrollen, dachte Harry, das genervte Kopfschütteln oder das verachtende Schnauben. Die nasale Untermalung der Boshaftigkeit unterzeichnete oftmals Severus’ Vorsatz, jemanden wirklich tief verletzen zu wollen – die Bestätigung, dass er seine Bemerkung hundertprozentig ernst gemeint hatte, was richtig wehtun konnte. Jetzt eben, als Severus seine Verachtung über Harry und seine Fanpost geäußert hatte, da fehlte all das. Severus wollte nur kommunizieren und auf seine Art ein Gespräch beginnen, welche mittlerweile oftmals sehr nett enden konnten, doch so ein Moment war selten. Severus ließ sich nur mit Bedacht auf vertraute Gespräche ein. Harry und Hermine stellten in diesem Sinne die beiden „Neuen“ dar, die Severus auf diese Weise seine Privatsphäre hatte durchbrechen lassen.

„Von den Dursleys“, antwortete Harry nach einer ganzen Weile leise.
Mit einem Hauch Sorge in der Stimme, was Harry sehr wohl aus eigentlich garstigen Bemerkungen heraushören konnte, sagte Severus: „Ich habe von Albus gehört, dass die Dursleys Ihnen niemals – ob Sie es verdient hätten oder nicht, wäre eine andere Sache – viel Respekt entgegengebracht hatten.“
’Okay’, dachte Harry und seufzte, ’das war jetzt doch etwas gemein.“
Doch kaum hatte er zu Ende gedacht, hörte er Severus fragen: „Warum also der Brief?“ Das ehrliche Interesse war herauszuhören, denn Severus hatte zu Anfang durchaus bemerkt, dass ihm dieser Brief zu schaffen machte.

Einmal tief durchatmend erklärte Harry ihm: „Die schicken mir immer...“, er seufzte erneut, nur viel kraftloser. Was er bisher nur Ron und Hermine erzählt hatte, wollte er jetzt auch Severus anvertrauen. „Ich habe ihnen damals von der Schule aus zu Weihnachten einen Brief geschrieben, auch wenn ich sie nicht ausstehen konnte. Ich habe mich wirklich nett ausgedrückt und nur wenig von Hogwarts selbst berichtet, weil ich ja wusste, dass sie da in die Luft gehen würden. Ich habe einfach von mir erzählt, wie es mir hier geht, wie die Menschen heißen, die ich kennen gelernt habe…“
Um aufzuheitern unterbrach Severus wieder etwas spitz und spielte auf die Zeit in der Schule an, in der sich beide abgrundtief verabscheut haben: „Etwa auch von mir?“ Severus schmunzelte, bevor er einen Schluck Kaffee nahm.
„Ja, auch von Ihnen, Severus“, antwortete Harry lächelnd. „Waren nicht immer nette Dinge gewesen, aber ich habe Sie auch als Lehrer erwähnt, nicht aber das Fach, das sie unterrichten. Das hätte ich wiederum nicht erwähnen dürfen. Ich habe meine Weihnachtsgrüße übermittelt und geschrieben, dass ich hoffe, es würde allen gut gehen. Na, wie man das halt so schreibt, ohne jemanden auf den Fuß treten zu wollen. Das wollte ich auch gar nicht. Es war immerhin Weihnachten.“ Harrys Lächeln verblasste nur kurz, aber dann überwand er sich und erzählte: „Sie haben mir auf meinen Brief hin eine Notiz geschickt, auf der stand: ’Wir haben deine Nachricht erhalten und fügen dein Weihnachtsgeschenk bei.’ Anbei lag ein Zettel, auf den sie mit Tesafilm 50 Pence geklebt hatten.“ Jetzt war Severus wirklich schockiert; seine Maske war gefallen, denn er zog die Augenbrauen zusammen und blickte ihn echauffiert an.

Nachdem Harry wegen der Erinnerung daran einmal den Kopf schütteln musste, schilderte er: „Am meisten hat es geschmerzt, dass nicht einmal Tante Petunia wenigstens ’Frohe Weihnachten’ gewünscht hat. Das wäre sogar ein kürzerer Satz gewesen als das, was sie mir geschrieben hatten. Es hat auch wehgetan, dass ihnen ein Geschenk für mich nicht mehr als 50 Pence wert war, aber dass sie nicht einmal zwei Worte geschrieben haben… nicht einmal das!“

Die Erinnerung daran, unerwünscht und ungeliebt zu sein, kam wieder in Harry auf und sie schmerzte ihn. Diese Gedanken an früher beiseite schiebend wollte Harry wieder aufgeheitert wirken und er erklärte seinem älteren Kollegen daher belustigt: „Sie haben mir auch mal ein Papiertaschentusch geschenkt und ein anderes Mal einen Zahnstocher. Eines muss man ihnen lassen: Sie haben zumindest Dinge verschenkt, die man gebrauchen konnte.“
Harry lachte kurz auf, aber Severus hielt seine ernste Miene, als er fragte: „Warum öffnen Sie diese Post, wenn Sie mit solcherlei Dingen rechnen können?“
Mit den Schultern zuckend erwiderte Harry: „Ich weiß nicht. Die Hoffnung, dass eines Tages ein Brief kommen könnte, aus dem ich herauslesen kann, dass sie mich doch ein klein wenig vermissen würden? Sie haben Recht, Severus. Ich sollte das gar nicht mehr öffnen und diese Vergangenheit hinter mir lassen und doch… Was, wenn es etwas Wichtiges ist? Es könnte ja jemand gestorben sein und das hier ist die Einladung zur Beerdigung?“
„Ich an Ihrer statt würde den Brief auf der Stelle verbrennen oder besser noch mit einem Fluch belegen und ihn zurückschicken, so dass Ihre Verwandten niemals wieder auf die Idee kommen, sich Ihnen gegenüber eine solche Frechheit zu erlauben!“ Severus war nicht erfreut und der Rat mit dem Fluch war völlig ernst gemeint.
„Ach, was soll’s. Ich mach ihn auf. Mit was wollen die mir schon denn schon einen Stich versetzen? Ich habe nichts mehr mit ihnen zu tun und mir kann es egal sein, was sie schreiben oder schicken, richtig?“, fragte Harry und riss den Brief auf.

Severus beobachtete, wie Harry den Brief entnahm und entfaltete. Es dauerte nicht lange, da faltete Harry den Brief wieder zusammen. Weil Harry kräftig schlucken musste, fragte Severus besorgt: „Was schreiben sie?“ Es war nicht zu übersehen, dass Harry von dem Brief gekränkter war als von irgendeiner von Severus’ Sticheleien. Harry antwortete nicht, hielt ihm aber den Brief entgegen, den Severus an sich nahm und entfaltete, um sich selbst ein Bild von der wahrscheinlichen Demütigung zu machen.

Links oben stand keine Anrede, aber nach einem freien Platz, wo sie hätte stehen müssten, sah man – wie es sich gehörte –, ein Komma. Die Mitte des Blattes war komplett leer, nur noch ganz unten, wo sich in der Regel die Abschiedsformel befand, standen zwei Worte: „Bleib fern“. Ganz unten klebte eine Freikarte für eine sportliche Veranstaltung in der Muggelwelt – sie war gültig bis Juni dieses Jahres gewesen. Das war Harrys Weihnachtsgruß von seinen Verwandten; von Menschen, die sehr gut zu wissen schienen, wie Sarkasmus in seiner verletzendsten Art anzuwenden war. Sie hatten ihm sehr deutlich gemacht, dass sie ihn verabscheuten. Anstatt Harry jedoch einfach in Ruhe zu lassen und nie mehr Kontakt mit ihm zu suchen, quälten sie ihn mit unnützen Geschenken, die dazu noch aussagten, dass er ihnen völlig egal war.

„Nett oder?“, fragte Harry mit Wehmut in der Stimme. „Geht schon ewig so. Nur vorletztes Jahr, da habe ich ihr Päckchen nicht aufgemacht und gleich verbrannt. Da wollte ich wirklich nichts mit ihnen zu tun haben.“ Harry schüttelte ernüchtert den Kopf. „Ich glaube, es ist mein Cousin, der sich daraus einen Spaß macht. Meine Tante hatte früher nie eine Schreibmaschine benutzt. Vielleicht wissen sie gar nicht, dass ihr Sohn die ’alte Tradition’ mit den Weihnachtsgeschenken an mich fortführt. Er hat mich damals am meisten damit aufgezogen, mich wiederholt gefragt, ob mir ’mein Geschenk’ gefallen hätte. Ich denke er war es, schon wegen der Freikarte für den Boxkampf. Er ist nämlich Boxer.“
„Tatsächlich? Welche Gewichtsklasse?“
„Nilpferd“, entgegnete Harry trocken.

Die Unterhaltung wurde unterbrochen, als Ginny, die zuvor noch Nicholas versorgt hatte, die große Halle betreten und sich neben Harry an den Lehrertisch gesetzt hatte.

„Guten Morgen alle zusammen“, sagte sie freundlich in die Runde. Als sie sich umschaute, sah sie nur Professor Sprout, Meredith und Gordian, Madam Pomfrey, Hagrid und natürlich Harry und Professor Snape. „Wo ist Professor McGonagall?“, wollte Ginny wissen.
„Sie war heute noch nicht hier“, antwortete Professor Sprout mit fröhlichem Gesichtsausdruck. „Geht es um etwas Wichtiges?“
„Nein, ich wollte ihr nur dazu gratulieren, dass sie den Brautstrauß gefangen hat“, sagte Ginny mit einem zufriedenen Lächeln, weil sie sich noch gut daran erinnern konnte, wie ihre Lehrerin für Verwandlung gestern so perplex gewesen war, während der ganze Saal gejubelt hatte.

Während des Frühstücks hörte Harry aufmerksam zu, als sich Meredith und Gordian über spätere Berufe unterhielten. Sich in das Gespräch einmischend fragte Harry: „Was möchten Sie später mal werden, Mr. Foster?“
Wie aus der Pistole geschossen antwortete Gordian: „Auror!“
Harry lächelte, denn den gleichen Wunsch hatte er auch einmal gehabt. „Und Sie, Miss Beerbaum?“
„Ich würde gern Sicherheitstrolle ausbilden.“
Bevor Harry nachfrage konnte, warf Gordian ein: „Das ist doch viel zu gefährlich!“
„Ach und Auror ist etwa kein gefährlicher Beruf?“, konterte sie.

Die kleine Meinungsverschiedenheit erinnerte Harry an das gestrige Gespräch, dass er mit seinem Patenonkel geführt hatte, so dass er sich an Ginny wandte und wissen wollte: „Was möchtest du später eigentlich machen?“
„Ich denke, ich mache es Ron gleich. Ich habe jetzt zwar lange nicht mehr gespielt, aber Quidditch ist definitiv meine Bestimmung“, sagte sie breit lächelnd. Ein wenig skeptisch werdend fragte Ginny gleich im Anschluss: „Warum wolltest du das wissen?“
Er hob und senkte einmal die Schultern, bevor er erwiderte: „Sirius gefällt es nicht, dass Anne arbeiten geht und er meinte, ich sollte noch VOR unserer Hochzeit mit dir das Thema klären.“
„Wieso gefällt es ihm nicht, dass sie arbeiten geht? Sie zähmt keine Trolle und jagt keine Verbrecher – sie stellt harmlose Hüte her!“ Ginny klang gleichermaßen erbost und verblüfft.
„Wie es aussieht“, hörte Harry seinen anderen Tischnachbarn sagen, so dass er Severus anblickte, „fruchtet bei Ihrem Patenonkel die Erziehung, gegen die er sich immer zur Wehr setzen wollte. Soweit ich darüber informiert bin, hat nämlich keine der Damen aus dem Hause Black jemals auch nur einen Finger gekrümmt.“
Die Lippen spitzend sagte Harry nachdenklich: „Vielleicht sollte ich ihm das einfach mal unter die Nase reiben? Er hat sich bisher gegen alles gesträubt, das seine Eltern für richtig gehalten hatten.“
Wieder an Ginny gewandt fragte Harry: „Hast du eigentlich den Tagespropheten schon gelesen?“
„Nein, aber Luna hat mir gestern schon erzählt, dass sie einen Artikel über die Hochzeit schreiben möchte.“
„Warum aber für den Tagespropheten?“, wollte Harry wissen. „Sie hatte doch neulich ein Vorstellungsgespräch bei der Muggelpost.“
„Richtig, aber sie hat dort bisher keine feste Zusage bekommen. Sie ist momentan noch immer freie Journalistin. Den Artikel hat sie extra verfasst, damit die von der Muggelpost sie so schnell wie möglich unter Vertrag nehmen, damit sie nicht noch mehr solcher guten Themen bei der Konkurrenz veröffentlicht.“
Schmunzelnd sagte Harry: „Luna ist raffiniert!“
„Da kannst du Gift drauf nehmen!“

Weder Albus und Minerva noch Hermine hatten sich zum gemeinsamen Frühstück in der großen Halle eingefunden. Harry vermutete, dass Hermine entweder ausschlief oder etwas ausheckte. Remus selbst war zwar zum Frühstück erschienen, beteiligte sich jedoch an keinem Gespräch, was auch an der möglichen Auseinandersetzung liegen konnte, die er vermutlich gestern mit Severus und Linda gehabt hatte, sofern man Hermines Schilderungen deuten konnte. Und als hätte jeder am Tisch seine Gedanken vernehmen können, sagte Pomona freudestrahlend an Severus gerichtet: „Haben Sie gestern auch Linda Harket gesehen, Professor Snape?“
„Sie heißt jetzt mit Nachnamen Harrison“, erwiderte er, womit er indirekt auf die Frage geantwortet hatte.
Poppy, die die ehemalige Schülerein natürlich kannte, fragte erstaunt: „Nein, was Sie nicht sagen, Professor Sprout. Wie geht’s ihr?“

Neben sich bemerkte Harry, dass Severus die Serviette an den Tellerrand legte, obwohl er mit dem Frühstück noch nicht fertig war. Poppys und Pomonas Erinnerungen an den damaligen Unfall am See frischten auf und das Gespräch über die ehemalige Schülerin wurde detaillierter, so dass Severus noch einen Schluck Kaffee zu sich nahm, bevor er sich erhob und die Halle verließ, damit man ihn nicht in ein Gespräch verwickeln konnte, an dem er sich ganz offensichtlich nicht beteiligen wollte.

Mit dem Frühstück war Hermine seit Stunden fertig, denn sie hatte es in ihrem Zimmer eingenommen, während sie vom Balkonfenster aus auf die verschneite Landschaft geschaut hatte, die im Licht der aufgehenden Sonne malerisch verträumt aussah, als wäre sie einer Ansichtskarte entsprungen. Ihr nächster Weg hatte sie in Gewächshaus Nummer vier geführt – eine Stunde, bevor das Frühstück in der großen Halle beginnen würde. Mit Fellini an ihrer Seite hatte sie erst die Orchideen bewundert, die Neville und Pomona für Severus und Poppy gezüchtet hatten. Einige von ihnen waren schon geschnitten worden. Ihre Pflanzen fand Hermine in der von Neville genannten Ecke. Dank seines außergewöhnlichen Düngers war der Liebstöckel über zweieinhalb Meter hoch gewachsen. Nicht die aromatischen Blätter, die als Gewürz in der Muggelküche dienlich waren und auch nicht Wurzel, die in der Pflanzenheilkunde Verwendung fanden, waren das, nach was Hermine Ausschau hielt. Für ihre Pastillen benötigte sie die längliche braune Frucht, die sich Muggel eher selten zunutze machten. Die begehrte Zutat war Dank der guten Pflege größer als üblich, weswegen Hermine nicht alle der fast ein Zentimeter großen Früchte aus ihrem Schutzmantel pulte.

Das Echte Johanniskraut, die Sorte, die Hermine für ihre Pastillen benötigte, war nur zwanzig Zentimeter hoch; damit war es trotzdem höher als wild wachsendes. Sie riss eines der grünen Blätter ab und hielt sie gegen das Licht. Viele helle Punkte waren zu sehen und es wirkte so, als hätte jemand mit einer dünnen Nadel Löcher in das Blatt gepiekt, aber es handelte sich dabei nur um die Öldrüsen der Pflanze; Öl, welches Hermine mit ein paar Zaubersprüchen aus den Blättern schnell zu lösen vermochte. Die anderen handelsüblichen Zutaten, die sie noch benötigte, würde sie mit Sicherheit in Severus’ privaten Vorräten finden. In Windeseile hatte sie Liebstöckel und Johanniskraut geerntet, während Fellini es sich auf der Decke auf dem Tisch gemütlich gemacht hatte.

Mit dem Sack volle kleiner Früchte und den Blättern des Echten Johanniskrauts hatte sich Hermine auf ins Labor gemacht und während in der großen Halle alle frühstückten, köchelte und brodelte es bereits in den Kerkern.

Den ganzen Tag über bis zum späten Nachmittag war Severus nicht ein einziges Mal in sein Labor gekommen. Er hatte es zwar nicht deutlich gesagt, aber Hermine war sich sicher, dass sie ebenfalls über die Feiertage frei hatte, weswegen auch er anderen Dingen nachging. Innerlich hatte sie befürchtet, sie könnten sich in die Quere kommen, weil er an seinem Trank für Vampire weiterforschen wollte, doch sie blieb allein.

Die Zubereitung der Pastillen würde auf Muggelart wesentlich länger dauern, doch dank ihrer Zaubersprüche konnte sie bestimmte Vorgänge beschleunigen wie beispielsweise das „Nachdicken“ des Suds. Den zähen und etwas klebrigen Inhalt des Kessels füllte sie in eine flache Form mit vielen Vertiefungen, aus denen sie später die gehärteten Pastillen herausklopfen würde. Sie sprach einen Zauber, damit die Masse schneller erstarren würde. In der Zwischenzeit brachte sie wieder Ordnung ins Labor, bevor sie die fertigen Pastillen – die Form ergab 200 Stück – in ein Glas füllte und es in ihre Tasche steckte.

Nichts im Labor wies darauf hin, dass sie sich hier aufgehalten hatte, bis auf den sanften Duft, der an Sellerie erinnerte und vom Liebstöckel herrührte.

Am frühen Abend fand sie sich bei Harry und Ginny ein.

„Was denn, bin ich die Erste?“, fragte Hermine erstaunt.
„Es kommt doch nur noch Remus“, erwiderte Harry, der ihr einen Platz anbot.
„Nicht ganz“, warf Ginny ein. „Ron wird nachher auch noch kommen.“
Harry verzog mitleidig das Gesicht. „War der Streit mit Angelina so schlimm?“
„Nein, sie feiern morgen mit ihrer Familie und übermorgen mit unserer und weil sie für heute nichts geplant hatten, geht sie zu Freundinnen ein wenig feiern und Ron kommt zu uns.“ Vom Thema ablenkend erzählte Ginny: „Tonks hat gestern gesagt, sie kommt auf jeden Fall abends noch vorbei, wenn es nicht allzu spät wird. Sie haben einen Sondereinsatz, aber sie ist ja sowieso in der Nähe.“
„In Hogsmeade?“, fragte Harry und Ginny nickte.
Sich umblickend fragte Hermine: „Wo ist euer Elf?“
„Der hat es sich heute in der Küche gemütlich gemacht.“ Harry schmunzelte und ließ seine Augenbrauen auf und ab tanzen.

Nachdem Remus und auch Ron gekommen waren, war die Stimmung sehr ausgelassen. Sie unterhielten sich unter anderem über den Einsatz in Hogsmeade.

„Tonks hat mir erzählt“, begann Remus, „dass der letzte Einsatzleiter der Muggel nicht mehr im Dienst wäre.“
„Wieso denn das nicht?“, fragte Hermine verdutzt.
„Nachdem die Vergissmich ihm die meisten Erinnerungen an den Einsatz genommen hatten, ist er wohl mehr als nur ein wenig verwirrt. Er hat Angstzustände bekommen und ist seit seinem Besuch in Hogsmeade krankgeschrieben.“
Mitfühlend schüttelte Hermine den Kopf. „Ich verstehe nicht, wieso man erst Muggel um Hilfe bittet und sie danach einfach mit einem Obliviate belegt. Zum Glück löschen sie gezielt bestimmte Erinnerungen, sonst würde jeder bei Lockhart im Mungos landen.“
Remus nickte zustimmend. „Kingsley war wohl gar nicht davon angetan. Er ist mit diesem Mann ganz gut ausgekommen. Tonks meinte, dass dieser Geoffreys sehr aufgeschlossen gewesen wäre und bestimmt keine Gefahr für uns dargestellt hätte.“
Nachdem Harry einen Schluck Eierpunsch getrunken hatte, fragte er: „Und was machen die Auroren jetzt noch in Hogsmeade?“
„Arthur versucht mit dem anderen Minister eine Lösung zu finden, denn der möchte keine Sprengstoffexperten mehr zur Verfügung stellen, nachdem man einem seiner besten Männer das angetan hat.“
„Das ist verständlich“, meinte Ron. „Aber man muss meinen Dad auch verstehen. Die Gesetze zum Schutz der Zaubererwelt hat nicht er gemacht, aber muss sich an sie halten, wie jeder andere Minister auch.“
„Ja“, wetterte Hermine, „aber man muss den Leuten nicht gleich so zusetzen, dass sie psychische Schäden davontragen. Ich kann mich noch gut an den Herrn von dem Campingplatz erinnern. Ihr wisst schon, bei der Quidditchweltmeisterschaft. Der hat jedem nach dem Spiel jedem ’Frohe Weinachten’ gewünscht, dabei hatten wir August!“
„Kingsley will da etwas aushandeln“, sagte Remus. „Er möchte einen festen Ansprechpartner, der auch für zukünftige Fälle sein Muggelpartner sein soll. Am liebsten möchte er mit Geoffreys arbeiten, aber ob der seinen alten Job wieder aufnehmen können wird, ist fraglich. Ihr wisst ja, dass jede Abteilung im Ministerium einen Arbeitsbereich eingerichtet hat, der für die gute Beziehung zu Muggeln gedacht ist.“
„Die Jobs sind aber schlecht bezahlt“, warf Ron ein.
„Und nicht gerade sehr angesehen“, fügte Hermine hinzu. „Man müsste diese Aufgabenbereiche mit wirklich vertrauenswürdigen Personen besetzen UND sie zudem gut bezahlen!“
„Arthur arbeitet daran. Er wurde früher ja selbst für Muggelbelange herangezogen und er weiß, wie wenig Achtung die Mitarbeiter bekommen, die sich dafür bereiterklärt haben.“ Remus seufzte, bevor er anfügte: „Manchmal ist es sehr deutlich, dass die Zaubererwelt gar nicht so fortschrittlich ist wie sie es vorgibt.“
Ginny, die gerade Nicholas aus dem Schlafzimmer geholt hatte, sagte zum letzten Thema, das sie verfolgt hatte: „Man kann aber Hogsmeade nicht einfach weiterhin dicht machen, nur weil in der Höhle eventuell noch gefährliche Gegenstände lagern.“

Den Jungen reichte sie unerwartet an Remus, obwohl Ron und Hermine gleichermaßen ihre Arme in stummer Bitte ausgestreckt hatten. Remus platzierte Nicholas vorsichtig auf seinem Arm und es war zu sehen, dass er nicht zum ersten Mal ein Baby hielt.

„Das letzte Kind, dass ich gehalten habe“, Remus blickte Harry an, „warst du gewesen.“ Mit einem seligen Lächeln betrachtete er Harry, bevor sich seine Lippen zusammenpressten und er den Augenkontakt nicht mehr halten konnte, weil – wie Harry vermutete – Erinnerungen an Lily natürlich nicht weit waren.

Nicholas war schon viel aufmerksamer. Er blickte sich interessiert um und griff nach Dingen, die ihm nahe waren. Im Augenblick war es Remus’ kleiner Finger, den er an seinen Mund führte, um daran zu nuckeln.

„Er hat vor ein paar Tagen damit angefangen“, erzählte Ginny. „Als ich ihn neulich gewickelt habe, da hat er sich die frische Windel geschnappt und daran gesaugt. Und vorgestern erst, da wundere ich mich, warum er so still ist, da sehe ich, wie er mit seinen Füßen spielt. Er war hellauf begeistert von seinen Zehen!“
Stolz erzählte Harry: „Er reagiert jetzt auch mehr, wenn man mit ihm spricht; blickt einen ganz gebannt an und versucht alles nachzubrabbeln.“
„Ist das so?“, fragte Remus den Jungen auf seinem Arm. „Sprichst du alles nach?“
Der Kleine ruderte plötzlich mit seinen Armen und sagte völlig selbstvergnügt so etwas wie „Baba“, weswegen alle lachen mussten.

Während die fünf sich die Zeit mit dem Kind, jeder Menge guter Speisen und netten Gesprächen vertrieben, schlich ein lautloser Schatten durch die totenstillen Gänge Hogwarts, der den Weg zum Dachboden einschlagen hatte. Die Abdeckung des Spiegels hatte er – wie schon etliche Male zuvor – mit einem Wink seines Zauberstabes abgenommen.

Mit gramerfüllten Augen blickte Severus auf das Abbild, das Nerhegeb ihm aufs Neue vorführte als wäre es eine Lektion, die sein Betrachter nicht zu begreifen imstande war. ’Es gibt nichts anderes’, schien der Spiegel sagen zu wollen und Severus stimmte ihm innerlich zu. Das Kreuz, dass er zu tragen hatte, krümmte sein eigenes. Severus wirkte mit den hängenden Schultern und der leicht nach vorn gebeugten Haltung wie ein alter Mann, der sein Leben gelebt hatte. Gesprochen hatte er mit Lily seit dem ersten Tag nicht mehr, denn zu unerträglich war es gewesen, keine Antwort zu erhalten. So blickte er sie einfach an und sehnte sich; sehnte sich so sehr, dass die unsichtbare Hand, die sich um sein Herz gelegt hatte und diese Quälerei hervorrief, nur die ihre sein konnte.

In ihrem letzten Brief hatte sie geschrieben, dass Harry die Decke lieben würde. Er würde ständig nach ihr greifen und sich in sie einwickeln. Ob er es gewesen wäre, der die vielen Schutzzauber über das Geschenk gelegt hatte, war eine ihrer Fragen gewesen. Wenn er Lust hätte, könnte er am St. Andrews Day am 30. November zum Essen kommen, hatte sie zögernd vorgefühlt. Im gleichen Atemzug hatte sie wissen wollen, ob das Gerücht wahr sein würde, dass er Todesser geworden wäre.

Es war nie zu einem Treffen gekommen.

So tief in Gedanken versunken erschrak Severus nicht einmal, als er einen leichten Druck an seinem Schienbein verspürte, dann ein Schnurren vernahm. Langsam nach unten schauend erblickte er den schwarzen Halbkniesel. Erschrocken über dessen unerwartete Anwesenheit, denn er ahnte, dass sein Frauchen nicht weit sein konnte, blickte Severus wieder auf und sah im Spiegelbild weit hinter Lily Hermine, die gerade den Raum betreten hatte und sich ihm näherte.

„Was tun Sie hier?“, giftete er sie an, ohne sich umzublicken. Er fühlte sich arg in seiner Privatsphäre gestört. Sie blieb stehen und öffnete den Mund, um etwas zu sagen, da fuhr er ihr über denselben und schimpfte mit erhobener Stimme und einem Tonfall, der keine Widerrede zulassen wollte: „Sie haben hier oben nichts verloren. Verschwinden Sie auf der Stelle und nehmen Sie Ihr Vieh mit!“ Erneut wollte sie etwas sagen, da verlor er all seine Selbstbeherrschung und schrie er: „RAUS!“ Es war nicht zu übersehen, dass sie verwirrt und erschrocken über seine Reaktion war, doch am Ende kam sie seiner Aufforderung nach und ging folgsam durch die Tür nach draußen.

Nachdem er im Spiegel beobachtet hatte, wie die Tür ins Schloss gefallen war, zauberte er, während er ihr in Abwesenheit einige Bösartigkeiten an den Kopf warf, den schweren Stoff wieder über Nerhegeb, um ihn zu verhüllen, als er plötzlich ein lautes Kreischen hörte. Er war Fellini versehentlich auf die Pfote getreten, doch zum Glück nicht mit seinem gesamten Körpergewicht und auch nur kurz. Der Schreck war für das Tier größer gewesen als der Schmerz und wenn Severus ehrlich zu sich selbst war, dann musste er zugeben, wegen des ungewöhnlichen Katzenlauts selbst zusammengefahren zu sein.

„Dummes Tier“, sagte er zornig, bevor er den Kater entgegen seinen harschen Worten behutsam auf den Arm nahm, für einen Moment die Pfote beäugte und anschließend mit ihm den Dachboden verließ.

Bei Harry und Ginny im Erdgeschoss war seit einer Stunde ein besonderes Kartenspiel in Gebrauch, das für Stimmung sorgte.

Die Stirn runzelnd fragte Harry: „Wie war nochmal die Aufgabe?“
„Du sollst eine Pflanze vom Grund des Sees holen und sie zum Ausgangspunkt zurückbringen, um die neue Aufgabe zu erhalten“, erklärte Hermine.
„Und der Ausgangspunkt war die Kirche?“
Die Augen rollend antwortete Hermine lachend: „Wir haben gar keine Kirche im Spiel. Gemeint ist das Gasthaus.“
„Oh“, machte Harry, bevor er in seine Karten blickte. „Eine Wasserpflanze, ja? Dann bin ich ja froh, dass ich Neville in den Händen halte. Der packt das bestimmt.“
„Sei dir da mal nicht so sicher“, warf Remus schmunzelnd ein. „Ich habe Pomona!“
Den Kopf schüttelnd sagte Hermine: „Jetzt hört doch mal auf, eure Karten preiszugeben!“ Sie musste breit grinsen, bevor sie absichtlich überheblich klingend sagte: „Ich habe übrigens mich selbst und ich denke, die Pflanze könnt ihr euch somit aus dem Kopf schlagen.“
„Nur“, sagte Ron mit hochgehobenem Zeigefinger, „wenn du als nächste dran bist. Wen ich habe, verrate ich nicht, aber wie es aussieht, hat jeder von uns eine reelle Chance. Dann ’würfel’ mal, Harry.“

Gerade wollte Harry mit seinem Finger die Glaskugel berühren, die anzeigen würde, wer als nächster am Zug wäre, da pochte es laut und aufgebracht an seiner Tür.

„Das ist bestimmt Tonks!“ Remus warf seine Karten auf den Tisch und ging zur Tür, um sie mit einem freudigen Lächeln auf dem Gesicht zu öffnen, da blickte er in das deutlich wütende Gesicht von Severus, der Hermines Kater auf dem Arm trug. „Hermine? Kommst du mal zur Tür?“, bat Remus.

Während sich Remus wieder setzte, ging Hermine zu Severus hinüber. Sie wollte gerade freundlich grüßen, ihn sogar hineinbeten, da warf er ihr mit bedrohlich zischender Stimme vor: „Ich wiederhole mich sehr ungern, aber wie gerade eben bereits erwähnt haben Sie an gewissen Orten absolut nichts zu suchen, genauso wenig wie Ihr Haustier, dass sich ganz offenbar Ihre schlechten Manieren angenommen hat. Achten Sie gefälligst darauf, dass das Tier in Zukunft nicht mehr überall dort herumstreunt, wo es ihm beliebt, sonst könnte es womöglich sein, dass ich es eines Tages ’versehentlich’ einsperre!“ Er war ihm völlig entgangen, dass seine Aussprache vor lauter Zorn feucht geworden war.

Mit diesen Worten drückte er ihr den schwarzen Kniesel lieblos an die Brust, so dass sie zwei Schritte zurückstolperte, sie das Tier jedoch zu fassen bekommen hatte. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren zog Severus die Tür mit solcher Wucht ins Schloss, dass es laut knallte.

Völlig perplex starrte Hermine auf die geschlossene Tür vor sich, während ihr Kniesel sich in ihrem festen Griff wandte, um hinuntergelassen zu werden. Ihr Herz raste wie wild. Severus’ Auftritt hatte sie sehr erschrocken. So zornig hatte sie ihn letzter Zeit nicht mehr erlebt. Ron hingegen nahm es gelassener, denn er winkte Severus durch die geschlossene Tür hinterher.

„Warum winkst du ihm nach?“, fragte Harry irritiert.
„Ich winke nicht ihm nach, sondern seinem Verstand. Die beiden gehen jetzt offensichtlich getrennte Wege“, erwiderte Ron todernst.
Noch immer völlig verdattert drehte sich Hermine zu den anderen um und stotterte: „Was… Was sollte das? Wieso ’gerade eben’? Ich war doch die ganze Zeit hier!“

Remus und Ginny waren genauso ratlos wie Harry, Ron und Hermine.

„Oh mein…“ Hermine hielt sich eine Hand vor den Mund. „Was, wenn jemand Vielsafttrank genommen hat und nun als ich hier im Schloss herumläuft?“
„Wer sollte so einen Blödsinn verzapfen?“, fragte Ron abwinkend.
Harry legte ihm eine Hand auf die Schulter und sagte: „Jemand wie wir oder schon vergessen, was wir als Schüler so angestellt haben?“
Ginny verneinte. „Es sind nur Meredith und Gordian hier und die werden so einen Unsinn nicht verzapfen, allein deswegen schon nicht, weil Gordian in Slytherin ist.“
„Und einer von den anderen?“, fragte Remus.
Harry schüttelte den Kopf. „Filch macht so etwas nicht, außerdem kann er den Trank gar nicht brauen. Svelte hat seit Ferienbeginn sein Kabuff nicht verlassen, weil er sein Buch überarbeitet und Pomona, Minerva, Albus… Keiner von denen würde solche Späßchen treiben.“
„Vielleicht hat er sich das nur eingebildet?“ Ron machte mit einem Zeigefinder kreisende Bewegungen um seine Schläfe herum.
„Es kann ja auch sein“, beschwichtigte Remus, „dass er nur etwas getrunken hat und nicht mehr ganz…“
„Nein“, unterbrach Hermine, die von allen die Einzige war, die noch immer sehr aufgebracht über die Situation war. „Das hätte ich gerochen, wenn er was getrunken hätte.“
„Wie kannst du dir da so sicher sein?“, fragte Ron.
„Er war so dicht bei mir, dass er mir versehentlich auf die Wange…“
Unterbrechend sagte Ron mit verzogenem Gesicht: „Er hat dich angespuckt? Wäh… Hermine, wasch dir das Gesicht!“
Von seinem Kommentar völlig unbeeindruckt sagte Hermine: „Ich werde mit ihm reden.“
„Aber nicht jetzt!“ Von der Idee war Ron gar nicht begeistert. „Das wird sich nur um ein Missverständnis handeln.“
Harry stimmte ihm auch noch zu. „Hermine, warte bitte, bis er sich beruhigt hat. Rede morgen mit ihm.“

Sie wollte die Angelegenheit sofort geklärt wissen, spielte sogar mit dem Gedanken, Albus einzuweihen, dass es jemanden im Schloss geben würde, der sich als Hermine Granger ausgab.

Nur widerwillig blieb Hermine noch bei Harry. Als Tonks abends um halb zehn gekommen war, verteilte Hermine schon einmal ihre Geschenke, weil sie morgen zu Weihnachten keinen ihrer Freunde sehen würde. Jeder hatte sich tatsächlich über die Gutscheine gefreut, obwohl es Hermine unangenehm war, sich nicht um Geschenke gekümmert zu haben. Natürlich waren nicht alle Gutscheine für das gleiche Geschäft. Ron hatte einen für ein Sportgeschäft bekommen, Remus einen für Bücher, weil er ihre Liebe dafür teilte. Für Harry, Tonks und Ginny… Hermine wusste gar nicht mal mehr, von welchen Läden diese Gutscheine stammten, denn mit ihren Gedanken war sie bei ihrer möglichen Doppelgängerin, die hier in Hogwarts ihr Unwesen zu treiben schien. Als sie den Gutschein für Severus in ihrer Tasche sah, da stand ihr Entschluss fest.

„Ich gehe, seid mir nicht böse.“ Sie ließ sich von Harry zur Tür begleiten. Es war mittlerweile kurz nach elf. „Sag mal, Harry, braucht ihr die eine Flasche Feuerwhisky noch?“ Sie deutete auf eine von dreien, die sie heute bestimmt nicht mehr alle trinken würden.
„Nein, willst du sie haben?“ Er griff nach dem Whisky, hielt aber die Flasche fest, als Hermine danach griff und fragte: „Willst du dir Mut antrinken oder einen mit ihm heben?“
„Beides?“ Sie lächelte gequält. „Ich muss mir keinen Mut antrinken. Ich habe schon genügend von Remus’ Eierpunsch intus. Ein Schluck hiervon“, sie rüttelte an der Flasche, so dass Harry losließ, „und ich bin voll wie eine Haubitze.“
„Sei vorsichtig, ja! Und wenn er noch zu wütend ist, dann komm lieber wieder zu uns.“
„Warum soll er denn auf mich wütend sein? Ich habe doch überhaupt nichts getan und das werde ich ihm klarmachen!“
„Ich sage nur ’Samthandschuhe’, Hermine. Reiz ihn nicht, dann ist mir wohler bei dem Gedanken, dass du ihn jetzt noch besuchst.“

In die Runde winkend wünschte Hermine weiterhin einen schönen Abend, bevor sie die Flasche einpackte und ging.

Die Kerker waren nachts noch viel unheimlicher als am Tage. Ab und an pfiff ein Wind durch die Gänge, der ihr eine Gänsehaut über den Rücken laufen ließ. Beim Gemälde von Salazar angelangt stutzte Hermine, denn der Rahmen war leer und sie fragte sich, ob Salazar womöglich wie viele andere am Heiligabend eine kleine Party besuchen würde. Vorsichtig klopfte sie neben dem Bild an die Holztür und wartete, damit man sie hereinbeten könnte, doch nichts tat sich. Sie klopfte erneut und wieder kam keine Antwort.

Vorsichtig probierte sie, ob die Tür offen war und tatsächlich, nachdem sie die Klinge betätigte hatte, konnte sie eintreten. Drinnen war es stockdunkel. Etwas Weiches stupste sie am Oberschenkel und kurz darauf fiepte es; der Hund.

„Severus?“, fragte sie zaghaft in die Dunkelheit. Den Hund wieder nach drinnen schiebend schloss sie die Tür hinter sich, bevor sie nochmals, diesmal ein wenig lauter, seinen Namen rief. Mit Hilfe ihres Stabes und eines „Incendio“ entfachte sie sämtliche Fackeln und Lampen und sie erschrak, als sie Severus auf der Couch sitzen sah.

Er stöhnte, bevor er matt fragte: „Was wollen Sie?“ Es schien, als hätte er keinerlei Energie mehr in seinem Körper, um auch nur ansatzweise bösartig zu sein.
„Ich dachte, wir könnten zusammen…“ Sie fischte die Flasche aus ihrer Tasche und zeigte sie ihm. Im gleichen Moment fiel ihr die fast leere Flasche auf seinem Couchtisch auf. „Aber wie ich sehe, haben Sie schon ohne mich angefangen.“
„Bitte gehen Sie.“ Er machte sich nicht einmal die Mühe sie anzusehen.
Resignierend nickte sie. „Ich bin gleich wieder weg. Bevor ich zu Albus gehe, möchte ich von Ihnen wissen, wo Sie mich gesehen haben wollen, denn ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, dass ich den ganzen Abend bei Harry und Ginny gewesen bin! Wenn hier im Schloss jemand in meiner Gestalt herumläuft, dann sollte der Direktor davon erfahren, meinen Sie nicht?“

Jetzt blickte Severus auf und seine Augen waren – was sie zum ersten Mal in ihrem Leben sehen konnte – vor Entsetzen ganz weit aufgerissen, was er durch den Alkohol nicht sofort überspielen konnte. Er wandte schnell seinen Blick von ihr ab, griff zur Flasche und schenkte sich den Rest ein, der sich kaum zu trinken lohnte.

„Vielleicht möchten Sie den probieren?“ Hermine kam einige Schritte auf ihn zu und hielt ihm die Flasche mit dem Etikett unter die Nase, das er kurz betrachtete.
„Haben Sie die Putzvorräte von Filch geplündert?“ Grinsend nahm Hermine zur Kenntnis, dass sie offenbar einen Whisky der Sorte erwischt hatte, den Severus höchstens zum Desinfizieren von Toiletten empfehlen würde.
„Tut mir Leid, was anderes habe ich nicht bei mir.“ An jedem anderen Abend hätte Hermine sich ohne vorher zu fragen neben ihn gesetzt, doch heute nicht. Die verschmähte Flasche verstaute sie, bevor sie erneut fragte: „Wo haben Sie mich gesehen? Oder haben Sie es sich womöglich…“ Er warf ihr einen strengen Blick zu und verbat es sich, nicht für voll genommen zu werden. „Wenn Sie vorher schon etwas getrunken haben sollten, könnten Ihre Sinne Ihnen womöglich…“
„Ich wandere nicht alkoholisiert durch die Schule!“
„Das wollte ich damit doch gar nicht zum Ausdruck bringen“, verteidigte sie sich.
„Haben Sie aber.“ Er stöhnte. „Vergessen Sie es!“
„Wo…?“
„Ich sagte“, er stand auf und blickte sie streng an, „dass Sie es vergessen sollen.“

Er ging hinüber zu einem Schrank, um eine neue Flasche Whisky zu holen und zu Hermines Erstaunen auch ein zweites Glas. Er schenkte sich und ihr etwas ein und reichte ihr das Getränk, das sie, noch immer stehend, entgegennahm.

Severus nahm wieder Platz und blickte fragend zu ihr auf. „Warum sitzen Sie nicht längst?“
„Ich wollte nicht aufdringlich sein und daher warten, bis Sie mir einen Platz anbieten.“
Er schnaufte amüsiert, bevor er sagte: „Da können Sie lange warten.“ Mit zusammengepressten Lippen nahm Hermine einfach Platz, so dass er es sich nicht verkneifen konnte, ihr vor Augen zu halten: „Sehen Sie? Sie tun ja doch immer was Sie möchten.“
„Es ist unhöflich, einer Dame keinen Platz anzubieten.“ Er öffnete bereits den Mund, um ihr eine seiner Bemerkungen entgegenzuschleudern, da verbesserte sie schnell: „Einer Frau!“
„Ah, noch schnell selbst vor meinen Worten gerettet.“ Fies grinsend, aber mit einem Schalk im Nacken warf er ihr vor: „Sie benehmen sich in der Regel nicht gerade sehr damenhaft.“

Er hörte ein Geräusch, dass er bei ihr noch nie wahrgenommen hatte. Sie hatte Luft zwischen den Lippen hervorgepresst, was sich wie ein „Pft“ angehört hatte, bevor sie einen Schluck Whisky nahm.

„Wortgewandt wie immer“, scherzte er. „Das war ein eindeutiges Totschlagargument, ich ergebe mich.“
„Ja ja“, begann sie beschwingt, „ich kann Leute in Grund und Boden reden, wenn ich möchte.“
„Das glaube ich ungesehen!“, bestätigte Severus mit gespielt ernster Miene. „Ich nehme an, es muss jedes Mal ein Bergungskommando gerufen werden, um die Leute, die es gewagt haben, mit Ihnen eine Diskussion zu beginnen, wieder aus dem Erdreich zu befreien.“
„Und genau das ist der Grund“, feuerte sie gleich zurück, „warum ich im Mungos unbedingt die Bergungszauber lernen wollte!“

Sie blickte auf und hielt angestrengt jegliches Lächeln aus ihrem Gesicht fern und auch er schien echte Mühe dabei zu haben.

„Ich habe ein Weihnachtsgeschenk für Sie, Severus. Ich weiß ja nicht, ob ich Sie morgen sehen werde.“
Sie kramte in ihrer Tasche, während er sagte: „Das trifft sich gut, ich habe nämlich auch für Sie eins. Ich hoffe, Sie haben mein Geschmack getroffen und es sich nicht leicht gemacht, indem Sie einfach einen Gutschein…“ Sie hielt inne und stopfte das, was sie gerade aus ihrer Tasche ziehen wollte, wieder zurück. „Was denn?“, spottete er. „Tatsächlich ein Gutschein? Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich von Ihnen mit einem Buch gerechnet. Ein Gutschein also… Geben Sie schon her.“ Sie zog den Umschlag hinaus und überreichte ihn. Den Gutschein entnehmend blickte er auf das schwarze Stück festen Papiers mit seiner gelben Schrift, bevor er erstaunt von sich gab: „Von ’Borgin & Burke's’? Ich bin fassungslos. Haben Sie den Laden selbst betreten oder mussten Sie einen Freund vorschicken?“
„Ich war selber drin. So schlimm ist das Geschäft gar nicht mehr. Ich dachte mir, als Sie neulich so ein großes Interesse an der malfoyschen Sammlung schwarzer Relikte gezeigt haben, dass ein Gutschein von Borgin & Burke's die beste Lösung wäre. Ich wollte nicht einfach etwas kaufen, ich kenne mich auf diesem Gebiet zu wenig aus.“ Mit einem entzückten Funkeln in den Augen fragte sie neugierig: „Was haben Sie für mich?“

Severus ging kurz in sein Schlafzimmer und kam mit einigen Papieren in der Hand zurück. Er fragte sich, ob er vorher erklärende Worte fallen lassen sollte, doch er entschied sich dagegen. Er sagte nur, als er die Unterlagen überreichte: „Das eine hängt vom anderen ab.“

Verdutzt, aber dennoch nicht weniger neugierig nahm sie die Papiere entgegen. Das Erste war ein Formular vom Ministerium, welches bereits auf ihren Namen ausgestellt war. Es handelte sich dabei um die Anmeldung zur Zaubertränkemeisterprüfung, mit der sie ihren Titel erlangen würde. Den Rest las sie nicht, sondern sie holte das zweite Papier in den Vordergrund. Ihre Hände begannen zu zittern, als sich ihr offenbarte, dass er sie loswerden wollte und nicht nur das – er wollte sie weit weg schicken. Das zweite Papier war ein Ausbildungsvertrag bei einem selbst ihr namentlich bekannten und in Fachkreisen sehr angesehenen Professor in Japan, der ihres Wissens noch nie eine Auszubildende angenommen hatte. Das stellte also sein Geschenk an sie dar, dachte sie verbittert. Erst die Prüfung und dann eine Ausbildung in einem fernen Land. Sie schaute nochmals auf das Formular des Ministeriums. Der Prüfungstermin war für Freitag, den 16.01. festgelegt. Severus’ Unterschrift fand sich bereits unten rechts wieder; nur sie müsste noch die ihre setzen.

Die Stille, die von ihr ausging, fand Severus beängstigend, doch dann hatte sie sich gefasst. Sie erhob sich von der Couch und sagte sehr ernüchtert, während sie offenbar ihre Lautstärke unter Kontrolle halten musste: „Eines kann ich Ihnen sagen, Severus. Ihr Geschenk macht mich auch fassungslos.“
„Dann“, er klang unsicher, „gefällt es Ihnen?“
„Ich möchte ganz ehrlich sein.“ Sie musste tief ein- und ausatmen, um ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. „Ich finde es armselig, dass Sie nicht einmal dazu imstande sind mir ins Gesicht zu sagen“, ihre Stimme wurde stetig laute, „dass Sie mich nicht ausstehen können und Sie mich nicht weiter unterrichten möchten.“ Sie atmete aufgebracht. „Stattdessen sagen Sie es mir auf diese Weise“, sie hielt ihm die beiden Papiere hin, die sie mit ihrer vor Wut geballten Faust ganz zerknautscht hatte, „und dann auch noch an so einem Tag wie heute!“
Von ihrer Reaktion völlig aus der Bahn geworfen sagte er nur: „Sie überreagieren.“
„Ich über…“ Sie begann zu lachen, bevor sie ihn nachäffen konnte. „Ich überreagiere?“ Sie nahm ihr Glas vom Tisch und leerte den Doppelten auf Ex, bevor sie das Glas fest in die Hand nahm und es gegen die nächste Wand schleuderte, an der es laut zerschellte, so dass der Hund zweimal aufgeregt bellte.

Mit dem Finger auf das entzwei gegangene Glas zeigend sagte sie mit erhobener Stimme: „Jetzt habe ich überreagiert! Möchten Sie mal erleben wie es aussieht, wenn ich so richtig aus der Haut fahre?“
„Ich denke, mit dieser kleinen Demonstration kann ich mir bereits ein gutes Bild davon machen“, erwiderte er so ruhig wie möglich.
„Verdammt nochmal, Sie hätten mir sagen können, dass Sie meiner überdrüssig sind. Und ich meine nicht während solcher Momente, in denen Sie mich nur davon abhalten wollen, mich irgendeiner Gefahr auszusetzen oder auf dem Dachboden herumzustöbern. Seien Sie doch einfach ehrlich und sagen Sie es mir ins Gesicht, dass Sie den Ausbildungsvertrag mit mir beenden möchten, aber tun Sie das in Gottes Namen nicht in Form eines ’Weihnachtsgeschenks’!“

Sie warf ihm die zerknüllten Papiere ins Gesicht, die er erzürnt fing, als sie zu Boden schweben wollten.

„Wenn Sie die Güte hätten und mir die Gelegenheit geben…“
Sie unterbrach harsch: „Die Gelegenheit geben, mich runterzuputzen?“
„Halten Sie Ihren Mund!“ Jetzt war er lauter geworden und ebenfalls aufgestanden. „Entweder Sie nehmen Platz und hören mir zu oder Sie verlassen auf der Stelle meine Räumlichkeiten. Ich habe es nicht nötig, um Ihre Aufmerksamkeit zu betteln!“

Sie hielt ihren Mund, aber sie setzte sich nicht, sondern stemmte demonstrativ ihre Hände in die Hüfte.

„Wie Sie womöglich gelesen haben – was ich allerdings bezweifeln möchte – ist keiner dieser Verträge verbindlich.“ Er zeigte das zusammengeknüllte Papier, bevor er zwei Schritte in Richtung Kamin machte, um sie ins Feuer zu werfen. In dem Moment, als Hermine die Unterlagen in Flammen aufgehen sah, war sie sehr viel ruhiger geworden. Sie wandte ihren Kopf, als Severus erneut zu sprechen begann. „Sie haben so viel von Japan geschwärmt, dass ich dachte…“ Den Satz hatte er nicht beendet.
„Auch wenn ich noch so viel von einem Land schwärme, dann heißt das noch lange nicht, dass ich dort drei Jahre leben möchte!“ Noch immer war ihre Stimme zittrig, doch nicht mehr so laut wie zuvor.
„Ich hielt es für eine gute Idee“, rechtfertigte sich Severus. „Ich hätte so eine Gelegenheit sofort ergriffen, hätte Professor Slughorn mir so ein Angebot unterbreiten können.“ Er blickte zu Boden und wirkte nervös. „Ich hätte gern das Land verlassen. Dann wäre mir und anderen einiges erspart geblieben.“
„Ich möchte in Schottland bleiben“, sagte Hermine kleinlaut.
Beide Augenbrauen in die Höhe ziehend antwortete er: „Niemand zwingt Sie zu gehen.“
„Dann möchten Sie mich nicht loswerden?“
„Nach dem heutigen Erlebnis mit Ihnen…“ Er ging um sie herum und schaute zu den Scherben auf den Boden. Als sie sich ihm zuwandte, sagte er: „Wenn Sie das beseitigen, dürfen Sie bleiben.“

Mit einem Wutsch ihres Zauberstabes waren nicht nur die Scherben, sondern auch die paar Tropfen Whisky auf dem Steinboden verschwunden.

„Für die Zukunft“, begann Severus, als er an ein Schränkchen ging, „möchte ich Sie bitten, ein Geschenk bei Nichtgefallen einfach zurückzugeben.“ Er öffnete eine Schublade und zog einen Gegenstand mit einer Schleife heraus. „Ich hatte im Laufe des Tages eine Elfe gebeten, dies hier“, der Gegenstand entpuppte sich als ein Geschenk, das für ein Buch viel zu länglich war, „unter Ihren Baum zu legen.“ Mit dem Geschenk in der Hand kam er auf Hermine zu und erklärte: „Die Elfe teilte mir jedoch mit, dass der einzige Baum in Ihren Räumlichkeiten ein…“ Er überlegte kurz. „Wie nannte sie es noch? Dass es bei Ihnen nur einen ’Zwergenbaum’ gäbe, unter dem kein Platz wäre.“
„Mein Bonsai-Bäumchen“, erklärte Hermine besänftigt, als sie das Geschenk entgegennahm.
„Die Unterlagen, das Feuer hab sie selig, sollten nur eine Aufmerksamkeit darstellen. Um das wiedergutzumachen und da bereits der neue Tag begonnen hat, fände ich es angebracht, wenn Sie das eigentliche Geschenk gleich öffnen würden“, sagte er höflich.

Sie setzte sich wieder auf die Couch und betrachtete das hellblaue Papier mit seiner dunkelblauen Schleife. Langsam löste sie die Schlaufe, während sie in Gedanken zugeben musste, die Situation falsch verstanden zu haben. Andererseits – und so abwegig war der Gedanke nicht – könnte es aber auch sein, dass er nur die Notbremse gezogen und von seinem eigentlichen Vorhaben abgelassen hatte. Vielleicht hatte er sie wirklich loswerden wollen und es sich im letzten Moment anders überlegt, dachte sie.

Er wartete geduldig, bis sie auch das Papier entfernt hatte, um nun eine dunkelbraune, hölzerne Box im Schoss liegen zu haben. Sie suchte an der länglichen Seite den Verschluss.

„Hier“, sagte er, als er sich nach vorn beugte, nach der Box griff und sie in ihrem Schoss drehte, um eine kleine, versteckte Abriegelung zu offenbaren.

Den Riegel betätigend öffnete sie gleich im Anschluss die kleine Box, bevor ihr Blick auf ein edles Schreibfederset fiel. Die drei weißen Gänsefedern waren von bester Qualität. Ein kleines Tintenfässchen befand sich ebenfalls darin sowie ein Schreibblock.

„Das sind magische Schreibfedern, die Ihre Diktate aufzeichnen können“, erklärte er mit ruhiger Stimme. „Aber nicht nur das…“ Er griff nach dem Schreibblock, öffnete ihn und schilderte: „Wenn Sie die Sätze, die hier stehen, einmalig mit einer der Feder geschrieben haben, dann werden auch die anderen beiden in Zukunft Ihre Handschrift aufweisen. Ich denke, es wäre von Nutzen, wenn Sie während der Arbeit die Hände freihaben möchten.“
Sie seufzte. „Und ich schenke Ihnen nur einen blöden Gutschein.“
„Den ich gut gebrauchen kann“, versicherte er.
„Danke“, hauchte sie gerührt.

Sie wollte sofort ausprobieren, wie die magische Feder in ihrer Handschrift schreiben würde, doch er hielt sie auf, weil er ihre unruhige Hand bemerkte.

„Vielleicht sollten Sie das lieber morgen erledigen. Sie möchten doch nicht, dass die Federn durchweg eine zitternde Handschrift aufweisen, denn das würde geschehen, sollten Sie sie jetzt prägen.“ Er nahm ihr die Feder aus der Hand und packte alles wieder zurück in die Box. Seufzend griff Hermine in ihre Tasche und fischte das Glas mit ihren Pastillen heraus. Sie schraubte den Deckel ab und entnahm zwei, die sie sich sofort in den Mund steckte, so dass Severus verdutzt und ein wenig besorgt über die Menge in dem Glas fragte: „Um Himmels Willen, was nehmen Sie da?“
Den Deckel wieder zuschraubend antwortete sie: „Das sind Stimmungsaufheller. Möchten Sie auch einen?“
„Sie können so etwas nicht wie ein paar Zitronenbonbons anbieten.“
„Die sind eh für Sie, Severus. Ich habe Sie gemacht, erst heute.“ Mit ein wenig Beklommenheit sagte sie: „Hätte ich die Ihnen zu Weihnachten geschenkt, dann wären Sie sicherlich sehr erbost gewesen. So wie ich heute.“ Sie drückte ihm das Glas in die Hand, welches er ohne zu Murren entgegennahm. „Nehmen Sie sie, sie werden helfen. Die haben bisher bei jedem geholfen, auch bei Harry.“ Wortlos starrte er das Glas an. „Eine am Tag reicht. Es sind zwar Pastillen, aber Sie müssen sie nicht lutschen. Sie wirken genauso gut, wenn sie sich im Magen auflösen. Das Lutschen hat aber den Vorteil, dass der Appetit angeregt wird.“
„Dann bitte ich Sie, die Pastillen zu schlucken, Hermine, denn ich habe nichts hier, was ich Ihnen anbieten könnte, ohne die Hauselfen bemühen zu müssen“, erwiderte er trocken, bevor er das Glas auf den Tisch stellte.

„Möchten Sie noch einen Schluck?“ Er nahm die Flasche in die Hand.
„Aber nur einen kleinen“, bejahte sie. „Ich habe tatsächlich überreagiert oder?“
Er winkte ab und spielte die Situation herunter. „Vielleicht ein kleines bisschen.“
„Darf ich es auf den Alkohol schieben?“ Weil er sie fragend anblickte, schilderte sie: „Ich hatte schon Eierpunsch getrunken, in etwa sechs Gläser, und Remus war mit dem Rum nicht gerade sparsam umgegangen.“
Ein Mundwinkel wanderte in die Höhe, doch Hermine konnte das nicht sehen. „Es war zum Teil meine Schuld. Ich hätte zuvor doch einige Worte verlieren sollen.“
„Ich dachte wirklich“, begann Hermine, „dass Sie mich vor die Tür setzen wollen.“
„Sie sind bereit, Hermine. Mit Ihrem Wissen und Ihren Fähigkeiten schaffen Sie Ihren Meister mit Links.“
„Aber ich möchte noch ein paar Projekte ins Leben rufen und mit Ihnen zusammen arbeiten. Ich hab nur einmal in meinem Leben mit seltenen Wasserpflanzen gearbeitet; das wäre etwas, das mich interessieren würde.“ Sie blickte ihn an und fragte unsicher: „Oder ist es das Geld? Bin ich Ihnen zu teuer?“
„Unfug! Außer dem Gehalt kosten Sie mich rein gar nichts. Dank Albus genießen Sie Unterkunft und Verpflegung, die nicht von mir finanziert werden.“
„600 Galleonen sind trotzdem sehr viel“, hielt sie ihm vor Augen. Gleich darauf wollte sie wissen: „Was bekommen Sie eigentlich so als Lehrer?“
„Etwas über 1.300 Galleonen, darüber hinaus sämtliche Arbeitsmittel extra.“
„Und das Drachenei? War das in den Arbeitmitteln mit drin?“
„Nein, für solche ausgefallenen Zutaten muss ich schon selbst aufkommen, aber ich kann Sie beruhigen. Mr. Weasley – Charlie – war mit dem Preis überaus entgegenkommend, nachdem ich ihm erzählt habe, wer meine Schülerin sei.“ Hermine lächelte.

Nach einer ganzen Weile, die sie friedlich beieinander saßen, fragte sie nochmals: „Wo haben Sie mich heute gesehen?“
Severus blickte sie an, als würde er erst nachdenken müssen, während seine Augen ihr Gesicht musterten. „Ich habe Sie nicht gesehen“, sagte er mit müder Stimme, bevor er seinen Blick von ihr abwandte. „Ich hatte Sie nur in der Nähe vermutet, weil Ihr Kniesel mir gefolgt war.“

Hermine glaubte ihm nicht.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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151 Die Hoffnung stirbt zuletzt




Am Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages stand Hermine sehr früh auf, weil sie einen verwirrenden Traum gehabt hatte, an den sie sich nicht mehr erinnern konnte. Sie sah Fellini eine Weile beim Fressen zu, bevor sie davon selbst Appetit bekam – worüber sie schmunzeln musste – und sich auf den Weg in die große Halle machte. An der Tür zur großen Halle wurde sie aufgehalten, denn sie hörte Severus ihren Namen rufen. Direkt im Türrahmen der großen Flügeltür stehend wartete sie, bis er aufgeholt hatte.

„Guten Morgen“, grüßte er zunächst höflich, so dass sie den Gruß erwiderte. „Wegen unseres gestrigen, ähm, Gesprächs“, er wollte Ausdrücke wie „Auseinandersetzung“ vermeiden. „Ich bin heute früh meine persönlichen Vorräte durchgegangen.“ Sie machte ganz große Augen und wartete darauf, was er zu sagen hatte.

In diesem Moment kamen Harry und Ginny Hand in Hand in die große Halle, doch anstatt nur verbal zu grüßen, näherte Harry sich ihr und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Darüber ein wenig irritiert wünschte sie ihm und Ginny einen guten Morgen, bevor sie wieder an Severus wandte, der ebenfalls durch Harrys unerwartetes Verhalten ein wenig konfus schien. Er schüttelte fast unmerklich den Kopf, um seine Gedanken zu ordnen.

„Was ich sagen wollte, ich habe einige Hydrophyten in meinen Beständen ausmachen können.“ Hermine wollte eben ihre Begeisterung kundtun, da betrat Remus die große Halle und auch er ging nicht nur an den beiden vorbei, sondern kam auf sie zu, um ihr, die bereits ihre Augen ganz weit aufgerissen hatte, einen Kuss auf die Wange zu geben. An Severus gerichtet wünschte er beschwingt nicht nur einen guten, sondern einen wunderschönen guten Morgen.

Skeptisch schauten beide Remus hinterher, bevor Severus erneut das Wort an sie richtete und dabei bemerkte, dass sich eine gesunde Röte auf ihren Wangen abgezeichnet hatte. Sie lächelte ihm peinlich berührt zu und schenkte ihm ihre ganze Aufmerksamkeit. „Einige seltene Wasserhyazinthen hatte ich vor Jahren eingelegt. Die sollten mittlerweile ihre Wirkung vervielfacht haben.“

Beide hielten inne, nachdem Gordian und Meredith durch die Tür gekommen waren. Der Schüler wollte schon auf Hermine zugehen, da packte Meredith ihn am Arm und flüsterte: „Schlag dir das aus dem Kopf.“ Er parierte und ließ sich von seiner Freundin bis zum Frühstückstisch führen.

„Hyazinthen also“, wiederholte Hermine mit hochrotem Kopf.
Severus wandte seinen Blick von den beiden Schülern ab und blickte ihr in die Augen. „Wasserhyazinthen, richtig. Ich dachte…“
„Guten Morgen Hermine, Severus.“

Albus und Minerva waren eingetreten und Hermine ahnte schon, was kommen würde, doch entgegen ihrer Vermutung hielt Albus nur kurz ein Schwätzchen über das milde Wetter und sagte, dass es womöglich im Laufe des Tages noch schneien würde. Das Muster seines farbenfrohes Gewands – ganz in Weihnachtsfarben – wollte sich in die Netzhaut brennen, so dass Hermine ihm ins Gesicht blickte, nur um auf seinem Kopf keinen Zaubererhut, sondern ein buntes, kegelförmiges Papphütchen zu erblicken. Albus zeigte zudem auf den riesigen Weihnachtsbaum und teilte Hermine und Severus seine absolute Begeisterung über den Baumschmuck mit. Völlig unerwartet gab der Direktor ihr doch noch einen Kuss auf die Wange, so dass Hermine ihre Fingerspitzen federleicht auf die Stelle legte, die heute bereits so viel Aufmerksamkeit erhalten hatte und ihn fragend anblickte. Frech lächelnd blickte Albus einmal demonstrativ über ihren Kopf, bevor er Minerva an die Hand nahm und sich auf zum Lehrertisch machte.

Den beiden einen Moment lang hinterherschauend blickten sich Hermine und Severus mit in Falten gelegter Stirn an, bevor beide nach oben schauten und dort fanden sie auch den Grund für das vermeintlich seltsame Verhalten der anderen. Ein Mistelzweig hing über Hermines Kopf. Wie abgesprochen weiteten sich ihre Augen gleichermaßen, bevor beide einen Satz in entgegengesetzte Richtung machten.

Einige Schritte voneinander entfernt hatten Severus und Hermine den Weg zum Frühstücktisch eingeschlagen. Die große Halle wirkte sehr festlich und gemütlich, denn sie war mit Misteln, Stechpalmen, Lorbeer und bunten Papiergirlanden geschmückt. Die Verlegenheit überspielend begann Hermine das Gespräch erneut, so dass er sich auf dem Weg nach vorn zu ihr gesellte.

„Was haben Sie mit den Wasserhyazinthen vor?“
„Ich selbst habe nie Verwendung für die Zutaten gefunden, die aus verschiedenen Gewässern stammen“, sagte er, ohne sie dabei auch nur ein einziges Mal anzusehen.
„Haben Sie extra wegen mir nachgeschaut?“
„Nein, ich wollte mich allgemein davon überzeugen, dass mein Gedächtnis mich nicht trügt“, erwiderte er nüchtern.
„Aufgrund unseres Gesprächs“, stellte Hermine als Tatsache dar.
„Ich wollte lediglich einen Überblick über meine Vorräte erhalten.“
„Sie haben also nur nachgesehen, weil Sie sowieso nachsehen wollten?“
„Sie irren sich. Ich muss Ende des Jahres ohnehin eine Inventur machen.“
Belustigt über seine Versuche, die Situation anders zu deuten, sagte sie ehrlich: „Ich würde sehr gern mal einen Trank mit den Hyazinthen brauen.“
„Nun ja, wenn Sie so schon nett bitten.“

Das Frühstück fiel üppig aus und das Essen machte auch noch weiterhin Spaß, nachdem der Hunger längst vertrieben war. Hermine und Severus hatten nebeneinander Platz genommen und saßen somit Harry und Ginny gegenüber. Remus saß ebenfalls neben Hermine.

An Remus gewandt sagte Hermine mit vorwurfsvoller, jedoch gedämpfter Stimme, damit nicht jeder zuhören konnte: „Ihr hättet mir sagen können, dass ich direkt unter einem Mistelzweig stehe!“
„Ich bin doch nicht egoistisch, Hermine. Den Spaß wollte ich anderen auch lassen“, erwiderte er keck.
Die meisten unterhielten sich über die bevorstehende Zeit bei ihren Familien, nur Severus wählte gezwungenermaßen ein anderes Thema und sagte zu Hermine: „Was Sie auch interessieren könnte, Hermine, wäre die eingelegte ’Wasserpest’, die ich ebenfalls für ein Projekt zur Verfügung stellen würde.“
Unaufgefordert sagte der begeisterte Gordian, der über Eck neben seinem Hauslehrer saß: „Die Elodea! Sie zählt zu der Familie der Froschbissgewächse.“
Über diese kleine Störung etwas ungehalten wandte sich Severus an den Schüler und informierte ihn: „Während der Weihnachtsferien werden Sie keine Punkte von mir erhalten, nicht einmal als Geschenk!“
Betreten blickte der Junge auf seinen Teller, bevor er murmelte: „Ja, Sir.“

Alle hatten bereits ihr Frühstück beendet, doch wegen der gemütlichen Stimmung wollte keiner den Tisch verlassen. Albus nutzte die Gelegenheit, um eine gestrenge Miene aufzusetzen, bevor er das Wort an die Anwesenden richtete.

„Ich hatte heute Nacht eine sehr ernste Unterhaltung mit einem Herrn“, sagte er, weswegen am Tisch mit einem Male Ruhe herrschte. Die Seriosität des Direktors hatte jedem ein mulmiges Gefühl beschert. Selbst Minerva war ganz Ohr, während Harry bereits das Schlimmste erwartete.

„Ich wurde darüber unterrichtet“, jeder hielt gespannt den Atem an, „dass es zwei Menschen in diesem Schloss gibt, die nicht eine einzige Socke an den Kamin gehängt haben.“

Severus stöhnte genervt auf und rollte mit den Augen, bevor er zur Kaffeekanne griff, um jedem zu zeigen, dass ihn die Rede des Direktors nicht im Geringsten interessierte. Hermine hielt sich unauffällig eine Hand vor den Mund, weil sie grinsen musste, denn sie war eine von den beiden Personen, die keine Socke an den Kamin gehängt hatte.

Von der kleinen Unterbrechung durch Severus ließ Albus sich nicht ablenken. „Santa Claus hat mir erzählt…“ Nur kurz hielt Albus inne, denn das klingelnde Geräusch des Löffels, mit dem Severus seinen leicht gesüßten Kaffee umrührte, schien ein wenig lauter zu sein als normalerweise. „Der gute Mann hat mir erzählt, dass er in der Regel für diejenigen, die sich nicht den festlichen Traditionen beugen würden, Ruten dalassen würde, aber ich konnte ihn besänftigen und sagte zu ihm ’Sie werden es den beiden sicherlich verzeihen…’“
Diesmal unterbrach Severus, denn er fragte spöttisch: „Sie siezen den Weihnachtsmann?“
„Aber sicher! Ich habe einen Heidenrespekt vor ihm!“, erwiderte Albus mit todernster Miene, woraufhin Severus nur den Kopf schütteln konnte. In die Runde blickend sagte Albus: „Ich bin zugegebenermaßen auch ein kleines bisschen neidisch auf ihn, denn sein Bart ist wesentlich länger als meiner.“

Während Albus mit einer flachen Hand über seinen weißen Bart strich, führte Minerva die ihre vor den Mund und Hermine glaubte zu wissen, dass auch sie ein Grinsen verdecken wollte.

„Wie dem auch sei“, begann Albus, „glücklicherweise konnte ich Santa Claus dazu überreden, die Geschenke für die beiden unter den Weihnachtsbaum hier in der großen Halle abzulegen.“
„Sir, wer sind die beiden?“, fragte Gordian den Direktor neugierig.
Severus zischelte zurechtweisend: „Das geht Sie überhaupt nichts an, Mr. Foster.“
Gordian betrachtete seinen Hauslehrer einen Moment lang, bevor sich an den Direktor wandte und fragte: „Und wer ist der andere?“

Sich nicht mehr zurückhalten könnend begann Pomona fröhlich zu lachen, während Minerva all ihre Kraft dafür aufwandte, ihre Belustigung hinunterzuschlucken, um ihr typisch ernstes Gesicht aufzusetzen. Die Heiterkeit der Kräuterkundelehrerin brachte auch Harry zum Lachen, aber nur, weil sie dabei witzig anzusehen war, denn sie wippte auf ihrem Stuhl auf und ab. Alle anderen versuchten sich zurückzuhalten. Remus hatte sich die ganze Zeit über auf die Unterlippe gebissen und griff nun verlegen nach seiner Tasse Tee, doch als Pomona gerade hörbar nach Luft schnappte, um sich zu beruhigen, da war es um ihn geschehen. Mit seinem ruhigen, brummenden Lachen steckte er Pomona erneut an und er stellte vorsichtshalber gleich wieder seine Tasse ab, bevor ihm noch ein Missgeschick geschehen würde. Als auch noch Meredith schnaufte, sich aber schnell eine Hand über den Mund legte, da hatte Severus genug. Er warf seine Serviette auf den Teller und stand auf, um schnellen Schrittes die große Halle zu verlassen.

Das Lachen am Tisch verstarb auf der Stelle. Pomona schaute ihrem Kollegen hinterher und murmelte etwas in Richtung „alter Griesgram“, was Hermine durchaus vernehmen konnte. Man würde nicht so über ihn reden, dachte sie, wenn die anderen etwas mehr über seinen Zustand wissen würden. Mit seiner Vergangenheit, die voller verletzender Erfahrungen gewesen war, ertrug er es nicht, wenn man ihn auf den Arm nahm, dazu auch noch vor Schülern, auch wenn er die Situation persönlicher genommen hatte als sie gemeint war.

Albus lenkte sofort ab und erzählte lustige Geschichten, während die Frühstücksgesellschaft sich langsam auflöste. Mit Remus, Harry und Ginny verließ Hermine die große Halle.

„Was macht ihr heute? Geht ihr zu Molly und Arthur?“, fragte Hermine.
Nickend bestätigte Harry. „Ja, heute und morgen.“
„Und du, Remus?“
„Wir feiern heute mit Andromeda und Ted. Morgen wird es ’lustig’ – das erste Mal Weihnachten mit den Tonks, Blacks und den Malfoys unter einem Dach. Da bin ich schon gespannt drauf. Ich muss gestehen, ich bin froh, dass Lucius noch in Gewahrsam ist“, erwiderte er. Einen Arm um Hermines Schultern legend fragte er: „Möchtest du heute mitkommen? Ich bin mir sicher, dass Tonks’ Eltern nicht dagegen haben würden.“
„Nein, ich bleib hier. Ich fand Weihnachten in Hogwarts früher immer sehr schön. Mal sehen, wie ich das mit erwachsenen Augen sehen werde.“
„Vergiss nicht“, wollte Remus sie erinnern, „dass unter dem Baum in der großen Halle Geschenke für dich liegen. Offensichtlich hast du nicht nur vergessen, eine Socke an den Kamin zu hängen, sondern auch einen Weihnachtsbaum bei dir aufzustellen.“ Er lächelte ihr milde zu.
„Ich werde nachher schauen, Remus, versprochen!“
„Nimm Severus mit, er wird da auch was finden“, legte Remus ihr nahe.
Den Kopf schüttelnd warf Harry ein: „Ich glaube nicht, dass man ihn dazu bekommen wird, seine Geschenke dort abzuholen. Das letzte Mal habe ich ihm ein Geschenk persönlich vorbeigebracht.“ Harry erinnerte sich an die Flasche Nesselwein, die Severus erst hatte ablehnen wollen. „Ach Hermine, was ich dich fragen wollte…“ Sie blickte ihn aufmerksam an. „Weiß du, ob ein Phönix krank werden kann?“
„Wieso fragst du das, was hat Fawkes denn?“ Sie schien wenig besorgt.
„Du kannst es dir ja mal kurz ansehen“, schlug er vor.

Auch Remus wollte sich ein Bild von Fawkes’ Zustand machen, so dass Harry die Tür aufhielt und alle einließ. Er ging zu dem scharlachroten Vogel mit seinen goldenen Schwanzfedern hinüber und grüßte ihn mit freundlichen Worten, bevor er eine Hand an seinen Bauch legte, um die Verhärtung wiederzufinden.

„Hier“, sagte Harry. Man konnte deutlich sehen, welche Stelle Harry meinte, denn man konnte eine kleine Beule erkennen, so groß wie ein Hühnerei, die er locker mit Zeigefinger und Daumen umrahmt präsentierte.
„Lass mal fühlen“, sagte Hermine und streckte ihre Hand aus, doch Fawkes stieß unerwartet einen zischenden Laut ähnlich einer drohenden Katze aus, bevor er mit seinem Schnabel zustieß. Erschrocken zog sie ihre Hand zurück, doch er hatte sie bereits erwischt.
„FAWKES!“, schimpfte Harry ermahnend.
Ginny nahm die Hand ihrer Freundin. „Zeig mal.“ Jetzt stieß Hermine einen zischenden Laut durch ihre zusammengebissenen Zähne aus, denn der Phönix hatte ihr eine schmerzhafte Wunde zugefügt.
„Ach du meine Güte“, sagte Remus.
Sie zog bereits ihren Stab, doch ihre Hand zitterte, bevor sie resignierend sagte: „Ich kann das nicht bei mir selber.“ Es war eine Sache, das Blut anderer Menschen zu sehen, doch bei ihrem eigenen wurde ihr etwas mulmig.
„Ich bring dich zu Poppy“, sagte Remus, der ihr ein Taschentuch um die Hand wickelte und danach eine Hand auf ihren Rücken legte.
Mit schlechtem Gewissen sagte Harry: „Es tut mir Leid, Hermine. Entschuldige bitte.“
„Du kannst doch nichts für“, sagte sie beschwichtigend. „Rede einfach mal mit Albus drüber, der kennt Fawkes am besten.“

Auf dem Weg zu Poppy vermutete Remus laut: „Vielleicht ist Fawkes ja eine Vogeldame?“
„Du meinst, er… ähm, sie könnte bald ein Ei legen? Ich weiß ja nicht mal, ob Phönixe ein Geschlecht haben oder sich in irgendeiner Weise fortpflanzen und wenn ja, dann braucht es dazu ja wohl in der Regel zwei. Außerdem lag die Beule ein wenig zu weit oben, unterm Brustbein, also eher in der Magengegend. Vielleicht hat er nur irgendwas verschluckt? Er hätte trotzdem nicht gleich auf mich einhacken müssen.“
„Das meinte er bestimmt nicht persönlich, Hermine.“

Kaum hatten sie den Krankenflügel betreten, da kam schon Poppy angelaufen.

„Und ich dachte, ich hätte über die Ferien mal meine Ruhe“, sagte sie trocken. „Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich mit Harry als nächsten Patienten gerechnet.“
„Warum mit Harry?“, wollte Hermine wissen, während sie Poppy bereits ihre Hand zur Begutachtung hinhielt.
„Weil ich ihn kein einziges Mal, seit er wieder in Hogwarts lebt, auf meiner Station gehabt habe. Das ist für ihn sehr ungewöhnlich.“ Poppy schmunzelte, als sie sich daran erinnerte, Harry damals regelmäßig wegen irgendetwas behandelt zu haben. „Das war ein Vogel oder?“, fragte die Heilerin unerwartet.
Ein wenig verdutzt über die korrekte Vermutung antwortete Hermine: „Ja, aber woher…“
„Ich habe vor wenigen Monaten so eine Wunde schon einmal behandelt.“ Poppy wutschte mit ihrem Stab, träufelte danach drei Tropfen Wundheilmittel auf saubere Wunde und klebte ein Pflaster drüber, das sie in etwa vier Stunden, wenn alles verheilt wäre, wieder abnehmen konnte.
„Wer war das gewesen?“
„Das, Hermine, darf ich Ihnen leider nicht sagen.“ Poppy war genauso an die Schweigepflicht gebunden wie jeder andere Heiler auch.

Auf dem Rückweg fragte Remus ein wenig besorgt klingend: „Möchtest du heute nicht doch lieber mit mir zu Tonks’ Eltern gehen?“
„Nein, ich werde hier bleiben. Severus hat da was von Wasserhyazinthen gesagt und ich hoffe, dass wir heute…“
Er unterbracht echauffiert: „Du willst doch heute wohl nicht arbeiten?“
„Das ist doch keine Arbeit, Remus. Das ist Spaß!“
Mit einem beruhigten Schmunzeln nahm er ihr Aussage zur Kenntnis, bevor er sagte: „Wie du willst. Die Einladung steht trotzdem, falls du es dir anders überlegen solltest.“

Während ihre Freunde sich für die jeweilige Familienfeier schick machten, zog sich Hermine warme Kleidung an, um mit Severus’ Hund auszugehen. Sie hatte sich in letzter Zeit sehr rar gemacht, aber da Severus sich nicht beschwert hatte, war Hermine davon ausgegangen, dass Harry mit dem Tier Gassi gegangen sein musste. Zu ihrem Erstaunen traf sie weder Severus noch seinen Hund an, doch sie hatte trotzdem Lust, sich nach dem fürstlichen Frühstück ein wenig die Beine zu vertreten. Sie liebäugelte mit dem Gedanken Hagrid zu besuchen, obwohl es gut möglich war, dass der gar nicht Zuhause anzutreffen wäre; beim Frühstück war er nicht gewesen. Als sie an der Brücke angekommen war, da stutzte sie. Die Fußspuren eines Hundes waren im Schnee zu erkennen und die von Herrenschuhen oder einer Dame mit großen Füßen. Hermine passierte die Brücke.

Von weitem sah sie in der Nähe des Verbotenen Waldes Severus, der stocksteif auf einem Fleck stand und seinen im Schnee tollenden Hund beobachtete. Der Hund rannte mit etwas im Maul zu Severus hinüber. Hermine traute ihren Augen kaum, denn Severus nahm den Gegenstand aus Harrys Schnauze und warf ihn weit von sich, so dass der Hund hinterherhetzte. Sie hatte ihn noch nie mit seinem Hund spielen sehen. Als sie nahe genug bei ihm war, grüßte sie ihn, woraufhin er sich erschrocken umdrehte.

„Ah, zurück vom Frühstück. Hatten Sie noch eine schöne Zeit in der großen Halle, während sich alle über mich mokiert haben?“ Es war nicht zu überhören, dass er sauer war.
„Wir haben gar nicht über Sie geredet.“ Sie kam noch einen Schritt auf ihn zu, während Harry den Stock brachte, doch Severus griff nicht zu. „Sie brauchen sich von mir nicht stören lassen.“ Nur zögerlich griff er nach dem Stock und der Hund ging sofort ein paar Schritte zurück und wartete angespannt, bis das Spiel erneut beginnen würde. „Ich bin übrigens die andere, die keine Socke aufgehängt hat. Und dass ich nicht einmal einen Weihnachtsbaum habe, das wussten Sie ja schon vorher.“ Schmunzelnd erinnerte sie sich daran, wie Severus die Worte der Elfe wiederholt hatte, die ihren Bonsai-Baum „Zwergenbaum“ nannte. Severus äußerte sich nicht, sondern warf den Stock.

„Ihr Kniesel jagt auch Stöcken hinterher“, sagte er beiläufig, während er Harry nachblickte.
„Tatsächlich?“
„Ja, es ist nur bedauerlich, dass er sie nicht zurückbringt. Momentan beschäftigt er sich dem Bewachen eines kleinen Baus. Wahrscheinlich hält irgendein Nager dort seinen Winterschlaf.“ Severus zeigte hinüber zu einem Baum, an dessen Wurzel – das hatte Hermine gar nicht gesehen – ihr Kniesel dicht an den Boden gepresst vor einem winzigen Loch lauerte. Einzig sein zuckender Schwanz deutete darauf hin, dass er lebendig war.
Als Harry mit dem Stock zurückkam, da nahm Hermine ihn entgegen und natürlich fiel Severus das große Pflaster auf, so dass er wissen wollte: „Was haben Sie mit Ihrer Hand gemacht?“
„Das war Fawkes“, sagte sie betrübt, denn es hatte sie viel mehr verletzt, dass der immer so gutmütige Vogel in ihr eine Gefahr gesehen haben musste.
„Was haben Sie getan? Ihn an den Schwanzfedern gezogen?“ Mit großen Augen blickte sie in an, woraufhin er klarstellte: „Ein Phönix lässt sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen.“
„Ich wollte ihn nur anfassen. Harry sagte, er wäre womöglich krank. Remus denkt, in Fawkes könnte sich eventuell ein Ei gebildet haben, weswegen er – oder besser ’sie’ – so aggressiv geworden war.“
Sie anblickend gab Severus seine Meinung darüber preis. „Sollte ein Phönix überhaupt krank werden können – unheilbar krank –, dann wird er sterben und wiedergeboren werden; keine Tragödie also. Die Theorie mit dem Ei halte ich allerdings für Unfug, aber es ist gut zu wissen, mit was ich Lupin in Zukunft auf den Arm nehmen kann. Haben Sie schon mit Albus darüber gesprochen?“
„Nein, aber ich denke, Harry wird das bald machen.“

Den Stock hatte diesmal Hermine geworfen und beide blickten Harry hinterher, der wegen des Schnees nicht so schnell rennen konnte. Severus fragte unerwartet: „Haben Sie sich eine sehr schlimme Wunde zugezogen?“
„Was?“ Doch in dem Moment hatte sie seine Frage in Gedanken bereits wiederholt und antwortete gleich darauf: „Nein, ich hab schon Schlimmeres abbekommen.“ Von Fawkes schweiften ihre Gedanken zum gestrigen Abend, so dass sie mit einem Lächeln auf den Lippen gestand: „Ich mag Ihren Patronus. Der war das absolute Highlight auf der Hochzeit.“
„Es freut mich, dass mein Patronus nicht nur vor schwarzen Flüchen schützen, Dementoren vertreiben und auch Nachrichten übermitteln kann, sondern darüber hinaus auch zur Unterhaltung beiträgt.“

Beide machten sich allmählich auf den Rückweg, während Severus immer wieder den Stock warf, den Harry, der bereits ein wenig außer Atem war, freudig zurückbrachte. Hermine registrierte, was für ein vorsichtiger Mensch ihr Tränkemeister war, denn an der Brücke leinte er Harry an und er machte dem Hund klar, dass jetzt kein Moment war, in welchem gespielt wurde. Mit Leichtigkeit hätte Harry ausrutschen und durch das Geländer hindurch in den Abgrund fallen können, doch Severus hatte vorgesorgt.

„Severus?“ Er drehte seinen Kopf zur Seite und wartete auf ihre Worte. „Kommen Sie mit in die große Halle? Dort liegen Geschenke für uns.“ Sie hatte ein lebendig begeistertes Gesicht aufgesetzt, das viele Erwachsene sich aus ihrer Kindheit bewahrt hatten und welches von ganz allein zur Weihnachtszeit wieder an die Oberfläche kam.
„Wie alt sind Sie?“ Er schüttelte den Kopf. „Was soll ich tun? Fotos von Ihnen machen, wenn Sie über die Geschenke herfallen und Ihnen danach den Kopf tätscheln?“
„Wenn es Ihnen Spaß macht?“ Ihre Freude konnte er nicht zerschlagen. „Für Sie sind auch Geschenke dabei!“
„Ich werde keines annehmen“, erklärte er. „Ich habe für niemanden etwas besorgt.“
„Sie haben mir was geschenkt.“
„Um den Frieden zu bewahren, weil wir noch eine Weile miteinander auskommen müssen.“
Sie summte kurz vor sich hin, was ihm deutlich machte, dass sie seine Aussage weder ernst nahm noch für wahr hielt. „Dann stehen Sie eben an der Tür schmiere“, schlug sie vor. „Ich möchte nämlich nicht, dass irgendjemand zusieht.“
„Sie können die Geschenke auch mitnehmen und bei sich auspacken.“

Er war nicht dazu zu überreden, sie in die große Halle zu begleiten, so dass sich ihre Wege im Erdgeschoss trennten.

Hermine kroch auf dem Boden herum und stöberte unter dem Baum, um alle Geschenke hervorzuholen, was sie natürlich auch mit Hilfe ihres Stabes hätte bewerkstelligen können, doch das wäre nur der halbe Spaß gewesen. Sie fand besonders für sie viele Päckchen, denn jedes Geschenk, das man ihr geschickt hatte, selbst das ihrer Eltern, hatten die Hauselfen aufgrund des fehlenden Baumes in ihren Räumen hier untergebracht. Für Severus fand sie mehr Geschenke als sie vermutet hatte. Alle Weihnachtsgeschenke – auch die für Severus – ließ sie mit Hilfe ihres Zauberstabes hinter sich her schweben, so dass ihr eine nicht gerade kurze Schlange an Paketen und Päckchen folgte, als sie ihren Weg in die Kerker einschlug. Salazar öffnete kommentarlos. Severus stand gerade in der Nähe und blinzelte ungläubig. Er lugte auf den Gang hinaus, auf welchem meterlang Geschenke schwebten.

„Wo ist Ihr Schlitten und die Rentiere?“, fragte er trocken.
„Filch hat sein Veto eingelegt. Ich musste draußen parken“, konterte sie so ernst es ging.
„Meinetwegen, dann treten Sie ein.“ So genervt wie er klang war er bei weitem nicht. Sie trat ein und es dauerte einen Moment, bis er die Tür wieder schließen konnte, denn die Geschenke kamen noch ins Zimmer geflogen. Harry sprang an einem Geschenk nach oben und wollte es unbedingt schnappen. Erst da bemerkte Hermine, dass auch ihr Kniesel hier war, doch sie wusste nicht, ob er ihr gerade eben gefolgt war oder ob er vorhin schon mit Severus mitgegangen war.

Als alle Päckchen auf dem Boden lagen schloss Severus die Tür und fragte: „Warum müssen Sie Ihre Geschenke unbedingt hier auspacken?“
„Damit ich mich nachher aus dem Staub machen kann, während die Entsorgung des Geschenkpapiers an Ihnen hängen bleibt.“ Sie griff nach einem Päckchen, las das Schild und warf es Severus zu, der es gekonnt fing. „Ist für Sie.“

Er kniff die Lippen zusammen und legte das viereckige Geschenk verschmähend auf den Couchtisch, bevor er sich setzte. Sein Augenmerk fiel auf seinen Hund, der gerade das Papier einer länglichen Box zerriss. Er ermahnte ihn mit Worten, doch der Hund horchte nur kurz auf, bevor er sich wieder der zerfledderten, doch noch immer geschlossenen Box widmete.

Hermine griff nach dem Schildchen, warf einen Blick drauf und sagte: „Das steht ’Harry’ drauf.“ Sie kniete sich nieder und hob verwundert den Deckel der Box, bevor sie lachen musste.
„Was haben Sie?“, fragte Severus.
„Jemand hat Harry einen Hundeknochen geschenkt.“ Sie nahm die riesige Leckerei in Form eines Knochens aus der Kiste und hob sie hoch, so dass Harry an ihrem ausgestreckten Arm emporsprang, um an sein Geschenk zu kommen, welches sie ihm auch gleich freiwillig gab. Sie schmunzelte. „Ich würde meinen, dass das eine Idee von Hagrid war.“

Da Severus seine Arme vor der Brust verschränkte, was ein eindeutiges Zeichen für seine ablehnende Haltung war, unterließ sie es, ihm weitere Geschenke mit seinem Namen auf dem Schild zu reichen. Stattdessen öffnete sie eines der ihren, was er interessiert beobachtete.

Mittlerweile saß Hermine gemütlich im Schneidersitz auf dem Boden. Sie zog etwas Gelbes mit schwarzem Muster aus dem ersten Paket und vermutete amüsiert: „Das ist mit Sicherheit von Albus.“ Sie hielt ihm das Oberteil eines Schlafanzuges entgegen und da erkannte er, dass viele schwarze Kniesel auf dem gelben Hintergrund abgebildet waren; einige spielten mit einem Wollknäuel, andere schliefen. Er erinnerte sich daran, sie einmal bei Harry in einem ganz ähnlichen Pyjama gesehen zu haben.
„Wie alt sind Sie nochmal?“, spottete er.
„In Albus’ Augen bin ich wahrscheinlich noch ein Kind, aber das ist in Ordnung. Ich mag das Geschenk.“

Das nächste Päckchen war von Charlie Weasley aus Rumänien.

„Nein!“, sagte sie fasziniert, nachdem sie es geöffnet hatte. Sie zog ein kleines Fläschchen mit gelblich orangefarbenem Inhalt heraus. „Dracheneindotter!“ Sie blickte in das für das Fläschchen viel zu große Päckchen und zog ein Buch heraus. „Und ein Buch über Zaubertränke mit Dracheneidotter!“ Sie strahlte über das ganze Gesicht.
„Zeigen Sie mal“, sagte er plötzlich sehr interessiert, als er sich von der Couch erhob. Das Fläschchen betrachtend und es mit seinem Zauberstab berührend sagte er Respekt zollend: „Und sogar zwei Jahre haltbar, mindestens.“
„Kommen Sie, Severus. Packen Sie Ihre Geschenke aus. Vielleicht ist ja auch eins von Charlie dabei?“, versuchte sie ihn zu animieren.
„Meine Begeisterung über Geschenke hält sich sehr in Grenzen“, sagte er, betrachtete jedoch die vielen Päckchen und suchte nach einem, welches die gleiche Größe hatte wie das von Charlie, doch als er keines fand, setzte er sich einfach wieder auf die Couch.

Während Hermine ihrem Kniesel eine sich selbst bewegende Stoffmaus unter die Nase hielt, an welcher er sofort sein Gesicht rieb, dachte Severus über etwas Tee und Kaffee nach, weswegen er eine Hauselfe aus der Küche rief; er wählte den ersten Namen, der ihm einfiel und sagte in den Raum hinein: „Shibby.“ Auf der Stelle erschien die Elfe. „Wir hätten gern…“
Hermine unterbrach ihn und sagte zur Elfe: „Dich habe ich ja noch nie gesehen.“
„Shibby ist neu. Shibby hat noch vor Halloween ihre Stelle hier angetreten“, erwiderte die Elfe schüchtern, denn sie erinnerte sich offensichtlich noch an Severus, der nicht sehr erfreut darüber gewesen war, dass sie beim ersten Mal den Nerv besessen hatte, sich ihm persönlich vorzustellen.
„Und gefällt es dir hier?“, fragte Hermine freundlich.
Shibby wollte gerade antworten, da kam ihr Severus zuvor. „Hermine, bitte! Ich möchte nur etwas bestellen.“
Sie rollte mit den Augen, sagte jedoch zur Elfe: „Herzlich Willkommen in Hogwarts und frohe Weihnachten, Shibby.“
Bevor die Elfe sich für die netten Worte bedanken konnte, gab Severus seine Bestellung auf: „Wir wünschen etwas Tee und Kaffee, dazu Gebäck und wenn möglich“, seine Stimme wurde ein wenig drohend, „ohne Weihnachtsfirlefanz.“
„Ja, Sir“, sagte die Elfe eingeschüchtert und verschwand.
„Weihnachtsfirlefanz?“, wiederholte sie mit in Falten gelegter Stirn.
„Ja, so ein Schnickschnack wie der Mistelzweig an der Tür zur großen Halle.“ Er grinste selbstzufrieden, als sie wegen der Erinnerung daran errötete.
„Sie halten nicht viel von Weihnachten oder?“
„Mal davon abgesehen“, begann er, „dass die Zauberergesellschaft dieses Muggelfest mit all seinen Details, jedoch ohne den tieferen Sinn, der dahinter steckt, übernommen hat, haben Sie völlig Recht. Ich halte nicht viel davon.“
Hermine ließ die kleine Stoffmaus für Fellini auf dem Boden frei, die sofort im Zickzack vor dem Kniesel flüchtete, da fragte sie Severus: „Haben Sie mit Ihren Eltern früher nie gefeiert?“
„Natürlich habe ich, ich konnte mich ja nicht wehren“, konterte er.
„Sie können mir nicht erzählen, dass Ihnen das Fest als Kind keinen Spaß gemacht hat.“ Er antwortete nicht, weswegen sie davon ausging, dass er früher seine Freude an Weihnachten gehabt haben musste. Sie nahm sich ein weiteres Geschenk und erzählte, während sie die Schlaufe löste: „Als Kind wollte ich immer ein Pferd haben. Ich hab meinem Vater jahrelang damit ihn den Ohren gelegen.“
Er schmunzelte. „In der Zaubererwelt“, begann er, „wollen die Jungen meist einen Drachen haben und die Mädchen ein Einhorn.“
Ein seliges Lächeln legte sich auf ihr Gesicht. „Ich wette, Charlie war einer von denen, die sich immer einen Drachen gewünscht haben.“
„Damit liegen Sie sogar richtig.“ Sie zog ihre Augenbrauen in die Höhe, so dass er erklärte: „Er hat als Schüler keinen Hehl aus seiner Vorliebe zu diesen Tieren gemacht. Sein späterer Berufswunsch hat mich daher nicht überrascht.“ Hermine hatte ganz vergessen, dass Severus damals alle Weasleys unterrichtet hatte.

Mit zwei Geschenken in der Hand näherte sie sich der Couch. Bevor sie sich niederließ, zog sie ihre Stiefel aus, damit sie gemütlich – mit einem angewinkelten Unterschenkel auf dem Sitzpolster – Platz nehmen konnte. Das zweite Geschenk legte sie neben sich und Severus, während sie das erste weiter auspackte und sie die Unterhaltung fortführte.

„Was haben Sie sich als Kind gewünscht?“, fragte sie, ohne ihren Blick von dem Päckchen abzuwenden, welches sie öffnete, doch er antwortete nicht.

Shibby kam mit der Bestellung und stellte das Tablett wortlos auf den Tisch, doch die Elfe nahm sich die Zeit, Hermine ein nettes Lächeln zu schenken, bevor sie wieder verschwand.

Nachdem Hermine eine Tasse Tee entgegengenommen hatte, sagte sie: „Ich habe mir früher eine kleine Schwester gewünscht.“
„Bei Merlin, erinnern Sie mich daran, dass ich demnächst einen Dankesbrief an Ihre Eltern verfassen muss, in dem ich meine Erleichterung zum Ausdruck bringen möchte, dass es nicht dazu gekommen ist.“ Hermine verzog schmollend das Gesicht, doch er versicherte: „Wirklich, zwei von Ihnen und ich hätte Albus meine Kündigung zukommen lassen.“
„Na, so schlimm bin ich doch nun auch wieder nicht“, wiegelte sie ab. „Haben Sie Geschwister?“
„Nein, nicht dass ich wüsste.“ Sie stutzte, doch bevor sie ihren Mund öffnen konnte, kam er ihr zuvor und sagte: „Ich weiß nicht, mit wem sich mein Vater die Zeit vertrieben hat, nachdem meine Mutter…“
Sie verstand ihn auch, ohne dass er den Satz beenden musste.

Eine Weile lang herrschte betretene Stille und beide tranken aus lauter Verlegenheit aus ihren Tassen, da sagte Severus leise, während er nach einem der Kekse griff: „Ich habe mir früher einen Sack Murmeln gewünscht.“ Völlig automatisch hatten Hermines Gesichtsmuskeln entschlossen, eine fröhliche Ausstrahlung an den Tag zu legen, was er bemerkte. „Sie finden es witzig?“, fragte er provozierend.
„Nein“, beteuerte sie. „Murmeln sind toll!“ Sie hatte sich etwas zu enthusiastisch ausgedrückt, doch wenn sie sich zurückerinnerte, war auch sie eine Zeitlang von Murmeln hellauf begeistert gewesen. „Haben Sie sie bekommen?“
„Ja, habe ich. Meine Mutter war allerdings ein wenig enttäuscht gewesen, dass ich mir keine Koboldsteine gewünscht habe.“
„Warum Murmeln?“
„Weil…“ Seine Stimme versagte, so dass er noch einen Schluck Kaffee zu sich nahm. „Weil Lily welche hatte und wir im Sommer auf dem Schulhof damit spielen wollten.“ Er atmete erleichtert durch.
„Und wer war besser?“, wollte Hermine wissen und erntete damit von ihm einen fragenden Gesichtsausdruck. „Ich meine beim Murmelnspielen, wer war besser?“
„Meistens sie. Sie hat sehr viele von meinen erobert.“ Schnell fügte er hinzu: „Die ich selbstverständlich alle zurückgewonnen habe.“
„Hätte ich auch nie angezweifelt. Hat sie Ihnen auch Geschenke gemacht? Zu Weihnachten…“ Er nickte. „Und Sie haben sich drüber gefreut.“ Ein Blick von ihm bestätigte ihre Aussage. Langsam legte sie ihm eines seiner Geschenke auf den Schoß und sagte leise: „Machen Sie’s aufs.“
Er stöhnte. „Von wem ist es?“
„Keine Ahnung, es steht nicht an jedem Päckchen was dran.“

Mit Hilfe seines Zauberstabes löste er ungalant die Schlaufen und entfernte das Papier, nur um einen in Leder gefassten Band dem mit in goldenen Lettern eingestanzten Titel „Die schönsten Gedichte“ in den Händen zu halten.

„Wer zum Teufel schenkt mir einen Gedichtband?“, zeterte er.
„Schauen Sie doch erst einmal nach, ob Sie eine Widmung finden, bevor Sie…“ Sie stoppte sich selbst, bevor sie womöglich die Stimmung zunichte machte.

Den Buchdeckel aufschlagend las er still für sich einen kleinen Text, der lautete:


„Severus,

gern hätte ich selbst in Reimen meinen Gruß verfasst, aber angesichts der Meisterwerke in diesem Buch würde ich meine Dichtkunst nur in ein schlechtes Licht rücken. Kaum etwas kann meine Lebensfreude gebührender widerspiegeln als die Verse der großen Dichter, deren Zeilen ich nicht mehr zu lesen imstande wäre, hätte sich in Ihnen nicht derjenige gefunden, der meinen Geist zu befreien verstand.

Ein frohes Fest wünscht Ihnen
Anne.“


Hermine versuchte hinüberzuschielen, doch er hielt den Buchdeckel leicht hochgeklappt, so dass sie nichts sehen konnte.

„Und? Von wem ist es?“, wollte sie wissen und sie klang dabei sehr fordernd.
„Von einer Dame, der ich aus einer prekären Situation hatte heraushelfen können“, antwortete er nüchtern.

Sie brauchte gar nicht zu überlegen, wer gemeint sein könnte, denn diese Worte hatte Severus bereits einmal benutzt, als sie Linda über den Weg gelaufen waren.

„Von Linda also“, sagte sie pikiert.
„Was?“
„Zeigen Sie mal her. Schreibt Sie Ihnen etwas?“ Hermine griff nach dem Buch, doch sein Griff war fest und er riss es an sich.
„Sie sind äußerst aufdringlich, Hermine. Das ist mein Geschenk und es trägt eine sehr private Widmung, die ich nicht mit jedem teilen…“

Hermine riss ihm das Buch aus der Hand, rutschte auf der Couch von ihm weg und las die Widmung im Buchdeckel.

„Oh“, machte sie ernüchtert. „Das ist ja von Anne.“ Sie blickte auf. „Darf ich mal drin blättern?“
„Sie machen es doch sowieso, selbst wenn ich es Ihnen verbieten würde.“
Schon hatte sie das erste Gedicht aufgeschlagen und las. Sie blätterte weiter und überflog die meist lebensfrohen Texte, bis sie auf Rilkes „Der Schutzengel“ stieß, dessen Anfang sie aus einer Laune heraus laut vorlas:

„Du bist der Vogel, dessen Flügel kamen,
wenn ich erwachte in der Nacht und rief.
Nur mit den Armen rief ich, denn dein Namen
ist wie ein Abgrund, tausend Nächte tief.“

Sie schlug das Buch zu, rutschte auf der Couch wieder an ihn heran und sagte: „Das möchte ich mir gern mal ausleihen, wenn Sie damit fertig sind.“
„Sie werden sich mit Ihrer Neugierde noch irgendwann einmal böse die Finger verbrennen“, murmelte er, während er das Buch an sich nahm und ebenfalls darin herumblätterte.
„Sie haben noch mehr Geschenke“, erinnerte sie ihn.
„Die Sie gern öffnen können, denn es bleibt vor Ihnen ja sowieso nicht verborgen.“

Gemeinsam packte jeder seine Geschenke aus. Severus strengte sich an, so grantig und missgelaunt wie nur möglich zu wirken, doch er zeigte, dass einige Geschenke ihm durchaus gefielen. Charlie hatte ihm ebenfalls eine nicht gerade günstige Zaubertrankzutat geschenkt, natürlich von einem Drachen stammend.

„Darf ich mal Ihre Toilette benutzen?“
„Natürlich.“

Ein einziges Mal hatte sie den kleinen Raum bereits gesehen, doch jetzt war er völlig umgestaltet; viel heller. Als sie mit der Hand über das Waschbecken fuhr und den Marmor fühlte, da lächelte sie über beide Ohren.

„Das ist nicht wahr oder?“, rief sie freudig nach draußen, so dass Severus sich genötigt fühlte, nach dem Rechten zu sehen.
„Was meinen Sie? Ist…“ Er verstummte, als er sein kleines Badezimmer betrachtete und sofort die Veränderung bemerkte.
„Ist das alles…“, sie deutete auf das Waschbecken, die Toilettenschüssel und die Badewanne. „Ist das alles etwa aus Albus’ Grab gemacht worden?“ Er war völlig sprachlos, so dass sie ganz richtig erkannte: „Sie haben das noch gar nicht gesehen?“
„Vor dem Frühstück sah es noch anders aus“, murmelte er.
„Sie haben es ihm wirklich gesagt?“, fragte sie lachend.
„Was? Dass er aus dem riesigen Marmorklotz am See lieber ein Waschbecken für mich meißeln lassen kann? Natürlich habe ich ihm das an den Kopf geworfen, aber dass dieser Verrückte das auch noch…“ Er schüttelte perplex den Kopf und dann geschah etwas, was Hermine seit ihrer Geburtstagsfeier im September nicht mehr gesehen hatte: Severus lachte.

Das Mittagessen in der großen Halle fiel noch üppiger aus als das Frühstück und Hermine konnte von dem köstlichen Truthahn, dem guten Gemüse und besonders von der Nachspeise nicht genug bekommen. Harry, Ginny und Remus feierten bereits mit ihren Familien, so dass am Tisch nur noch Albus, Minerva, Poppy, Pomona und die beiden Schüler Meredith und Gordian in einer netten kleinen Runde zusammensaßen.

Nach dem Essen war Hermine ihrem Tränkemeister erneut in die Kerker gefolgt, so dass er ihr am frühen Abend ein Glas Elfenwein anbot, bevor er fragte: „Haben Sie denn keine Familie, die Sie mit ihrer Suada begeistern können?“
„Nein.“ Hermine zählte im Geiste kurz bis fünf, um sich nicht über seine Bemerkung zu sehr aufzuregen. „Ich meine ja, aber meine Eltern sind bei Verwandten; da wollte ich nicht hin.“
Sie nahm einen Schluck Wein, während er fragte: „Warum?“
„Mein Onkel Eddie trinkt gern“, sagte sie und verzog dabei das Gesicht.
„Und was tun Sie gerade?“ Ein Schmunzeln kroch über seine Lippen.
„Ich meine, er trinkt gern einen über den Durst und dann finde ich ihn unausstehlich.“
„Warum? Redet er Sie dann in Grund und Boden?“
Sie presste beleidigt ihre Lippen zusammen. „Nein, er wird laut und ordinär, na ja, unausstehlich halt.“
„Mein Vater…“ Er überwand sich, nicht immer derjenige zu sein, der Sätze nicht beenden würde. „Mein Vater hat auch gern über den Durst getrunken“, beendete er leise.
Mutig fragte sie: „Wie ist er geworden, wenn er betrunken war?“
Einen Moment zögernd gab sich Severus einen Ruck und antwortete, während er auf sein eigenes Weinglas schaute: „Jedenfalls nicht laut und ordinär. Er ist sehr still geworden.“ Sein Seufzen war kaum zu hören, bevor er vervollständigte: „Still und gewalttätig. Er hat gern das Mobiliar zerschlagen.“ Er nahm einen Schluck Wein, bevor er sagte: „Das ist der Grund, warum ich nie mehr trinke als ich vertrage. Ich will nicht wissen, welche Auswirkungen Alkohol auf mein Wesen hat.“

Hermine fühlte sich, als hätte sie gerade eine Parallelwelt betreten, denn so offen hatte er noch nie mit ihr geredet.

Sich ihm zuwendend fragte sie mit milder Stimme: „War Ihr Vater alkoholsüchtig?“
„Mein Vater ist das, was man umgangssprachlich als ’Quartalssäufer’ bezeichnet.“
„Ist?“, wiederholte sie überrascht.
„Ich habe nie behauptet, er wäre verstorben.“ An seiner Stimme war zu hören, dass er das Gespräch mittlerweile verfluchte.
„Aber…?“ Viele Fragen formten sich in ihrem Kopf. Alle drängten sich zur gleichen Zeit in den Vordergrund – ähnlich wie viele Menschen, die zugleich durch eine Tür gehen wollten und stecken blieben –, so dass keine einzige von ihnen über ihre Lippen kam.
„Schockiert?“
„Nein…“ Zu mehr Worten war sie momentan nicht fähig.
„Hätte ich gewusst, dass ich Sie mit solchen Informationen gezielt mundtot machen kann, hätte ich Ihnen schon viel früher solche Auskünfte gegeben.“ Schelmisch blickte er zu ihr hinüber, so dass sie ein paar Mal blinzelte, bevor der Ernst der Lage sich in Luft auflöste und sie lächeln musste.
„Wo ist er jetzt?“, fragte sie viel entspannter.
„Ich habe ihn in einem Muggelheim untergebracht.“
„Wann?“, wollte sie wissen.
„Das ist schon lange…“ Er fasste sich an die Nasenwurzel und rieb sie, als würde er Kopfschmerzen vertreiben wollen – oder böse Erinnerungen. „Kurz bevor ich meinen linken Unterarm verstümmeln ließ.“
„Haben Sie es getan, damit Voldemort“, sie bemerkte, wie er sich verspannte, „Ihren Vater nicht gegen Sie…“
„Unfug! Ich hab es getan, weil ich mich nicht kümmern konnte. Ich….“ Er blickte auf und wechselte das Thema. „Wie wäre es mit unangenehmen Geschichten aus Ihrem Leben, Hermine?“ Sie ging in sich, bis sie ihn sagen hörte: „Da müssen Sie noch überlegen? Sie haben es wirklicht gut!“ Er musste nicht lange nachdenken, um sich peinliche Ereignisse ins Gedächtnis zurückzurufen.
„Na, das mit den Zähnen kennen Sie ja schon. Von meinem Irrwicht damals in der Schule werden Sie sicherlich auch gehört haben. Wenn ich ehrlich bin“, sie stockte, „dann haben einige meiner unangenehmen Erlebnisse mit Ihnen zu tun, also kennen Sie die alle.“
„Etwas aus Kriegszeiten vielleicht?“ Seine Verbitterung war deutlich zu hören.
„Ich möchte zu Weihnachten nicht über solche Momente reden“, flehte sie leise.

Unangenehme Stille nahm erneut den Raum ein. Den Ellenbogen hatte er auf der Seitenlehne abgelegt, den Kopf stützte er mit seiner Faust. Mit der anderen Hand schwenkte er sein Weinglas.

„Ich kann Weihnachten nicht ausstehen“, hörte sie ihn flüstern.
Gedankenverloren verbesserte sie: „Sie können die Zeit zwischen Halloween und Weihnachten nicht ertragen.“ Es war ihr rausgerutscht. Sie hatte nicht vor, diesem Moment einen so bitteren Beigeschmack zu geben, doch es war zu spät.

Langsam richtete er sich wieder auf und blickte sie mit trüben Augen an. „Haben Sie es endlich herausgefunden, ja?“ Seine Worte waren harsch gewesen, zischend und bedrohlich wie von einer gereizten Kobra.

Sein Weinglas stellte er auf den Tisch, bevor er wie in Zeitlupe näher an sie heranrutschte. Eine Hand packte mit festem Griff die Rückenlehne direkt hinter ihr. Seinen Kopf führte er dicht an den ihren heran, so dass sie seine aufgeregte Atmung an ihrem Gesicht spüren konnte; einige ihrer Haare wurden davon bewegt als würde ein Geist sie berühren. In seinen braunen Augen züngelte das Licht der Fackeln, von denen sie erhellt wurden, doch da war noch mehr, viel mehr. Sie konnte alles sehen; sie konnte IHN sehen und die Verzweiflung, die ihn ihm steckte. Nicht die Bitte, sondern das Verlangen nach Hilfe stand in ihnen geschrieben. In seinem fahlen Gesicht zeichneten sich aus der Nähe betrachtet noch viel mehr Sorgenfalten ab und sie fragte sich, ob der Gram verschwinden würde, sollte sie mit ihren Fingern darüber streichen.

Mit einer unverträglichen Mischung aus Zorn und Hoffnung fragte unerwartet: „Und? Haben Sie herausgefunden, wie man mir helfen kann?“

So voller Zuversicht hatte sie ihn nie erlebt, auch wenn er es lästig fand, einem anderen Menschen so viel von sich preisgegeben zu haben; sie so tief in sein Leben eingelassen zu haben. Sie wollte unbedingt bejahen, wollte sagen, dass sie ihm helfen könnte und dass alles gut werden würde, aber das wäre eine Lüge und so schüttelte sie – nun selbst verzweifelt, weil sie noch immer nichts über die Ursache seines Leidens erfahren hatte – den Kopf und wandte ihren Blick von ihm ab, um nicht an seiner sichtbaren Enttäuschung zugrunde zu gehen.

„Nichts?“, fragte er verstört nach, bevor er sie am Handgelenk packte, so dass sie wieder aufblickte. Ihre Atmung hatte sich beschleunigt. Er wollte es nicht glauben. „Es gibt nichts, rein gar nichts?“ Sie suchte nach Worten, um ihm verständlich zu machen, dass sie noch nicht wusste, warum man ihm überhaupt helfen musste; was damals geschehen war. „Sie sind Heilerin!“ Er hatte ihr ihre Berufsbezeichnung zum Vorwurf gemacht. Seine Enttäuschung konnte er nicht verbergen. „Es muss etwas geben! Vielleicht haben Sie etwas übersehen?“ Wieder ein Hoffnungsschimmer in seinen Augen. Der Druck an ihrem Handgelenk verstärkte sich. „Irgendetwas?“ Nun flehte er.
„Severus…“ An einer der Silben seines Namens war ihre Stimme gebrochen. Hermine haderte mich sich, spielte sogar mit dem Gedanken, Wissen vorzutäuschen, um mehr von ihm zu erfahren, doch in diesem Spiel war sie nicht gut genug; sie war keine Slytherin.

Während sie ihn anblickte, seine strapazierte Geduld erkannte und auch die Hoffnung in seinen Augen, da hörte sie mit einem Male in ihrem Kopf die Worte, die Albus einst an sie gerichtet hatte und seine Worte waren wegweisend für ihr jetziges Verhalten Severus gegenüber. Albus hatte damals gesagt: „Ihnen, Hermine, liegt der Dialog viel mehr. Sie verfügen über zwei sehr ausgeprägte Eigenschaften. Zum einen wäre da Ihre Wortgewandtheit und zum anderen Ihre Aufrichtigkeit. Mit beiden Eigenschaften zusammen können Sie mehr verschlossene Türen öffnen, als mit halbherzigen Auskundschaftungen, die von Ihrem Gewissen vereitelt werden.“

„Ich will Ihnen helfen“, sagte sie mit ungewohnt zarter Stimme. Er nickte im Einvernehmen und hörte weiterhin ihrer ruhigen Stimme gespannt zu, als sie ihm klarmachte: „Aber es gibt Situationen, bei denen ich Ihre Hilfe benötigen werde.“ Seine zitternden Lippen kniff er nur einmal kurz zusammen, bevor er nochmals zustimmend nickte. Sie schluckte aufgeregt. Es war nicht einfach, in so ernsten Momenten die richtigen Worte zu finden. Ein Ausrutscher würde genügen und schon wäre sie wieder um Wochen zurückgeworfen, um aufs Neue um sein Zutrauen kämpfen zu müssen.

„Ich bin Ihre Freundin“, sagte sie so aufrichtig, dass die Wahrheit ihrer Worte nicht anzuzweifeln waren. Seine fehlende Reaktion nutzte sie, um zaghaft nachzufragen: „Richtig?“ Er blinzelte ein paar Mal, nickte jedoch. „Gut“, sagte sie erleichtert und atmete einmal tief durch. Seine Hand, die noch immer ihr Handgelenk umfasste, lockerte ihren kraftvollen Griff. Als sie das bemerkte, legte sie ihre andere Hand auf seine.

„Um helfen zu können, muss ich viel genauer wissen, was im Detail geschehen ist. Ich habe nur unsichere Vermutungen und kann mich schwer aufs Wesentliche konzentrieren.“
Ein Muskel an seinem Augenlid zuckte, bevor er sich seiner Illusionen beraubt fühlte und sich die vernichtende Gewissheit in seinem Gesicht manifestierte; zudem deutlich in seiner Stimme zu hören war, als er sagte: „Sie wissen nichts.“ Dieser ausgesprochene Fakt war für sie und ihn gleichermaßen niederschmetternd.

Er wollte sich abwenden, seine Hand aus ihrer befreien, doch sie hielt fest.

„Ich weiß nichts Genaues, das ist richtig, aber ich habe Vermutungen. Vielleicht ist die richtige längst dabei und ich erkenne sie nur nicht?“ Sie ließ seine Hand nicht los. „Severus, bitte! Ich brauche Hilfe!“
„Wenn es so leicht für mich wäre“, begann er leise, „darüber offen zu reden, meinen Sie nicht, dass ich nach Voldemorts Tod sofort ins Krankenhaus gegangen wäre?“ Er riss seine Hand weg, blieb aber dicht bei ihr sitzen und richtete seinen starren Blick auf das Weinglas vor sich, bevor seine freudlose Stimme durch den Raum wisperte. „Ich hätte zu Poppy gehen können, wäre sogar bei Slughorn vorstellig geworden, aber…“ Er schluckte und beugte sich leicht nach vorn, um die Ellenbogen auf den Knien abzulegen. Seine Augen bedeckte er mit den Händen, bevor er mutlos sagte: „Ich bin mit Dingen in Berührung gekommen, die unwiderruflich Verderben bringen. Auf das Wesen und das Empfinden; auf all das, was einen Menschen ausmacht, darf man nicht einwirken, denn das sind Gebiete, die sich uns noch nicht erschlossen haben. Geheimnisvolle Gebiete, an deren Oberfläche wir bisher nur zaghaft gekratzt haben, ohne auch nur zu ahnen, was sich hinter dem Mysterium verbirgt, das wir schlicht als Seele bezeichnen.“

Ihr Herz pochte so laut, dass sie ihr Blut in den Ohren rauschen hören konnte und ihre Hände zitterten, doch nichtsdestotrotz legte sie eine Hand auf seine Schulter. Er erschrak im ersten Moment, doch wehrte die Hand nicht ab.

„Verstehen Sie, Hermine?“, fragte er ruhig.
Das Beben aus ihrer eigenen Stimme zu verbannen fiel ihr schwer, doch sie musste nicht verbergen, dass seine Worte sie bewegt hatten und so sagte sie hörbar gerührt: „Ich habe so etwas geahnt, Severus.“
„Und trotzdem kümmern Sie sich noch?“, fragte er mit geschwächtem Spott in der Stimme. „Ich habe mit dem Unbekannten gespielt, ohne zu wissen, was ich am Ende für Resultate erzielen werde. Nicht einmal die Natur würde mich noch menschlich nennen und was machen Sie? Sie kümmern sich noch immer.“
„Natürlich“, bestätigte sie den Tränen nahe.
„Das Wort ’natürlich’ bedeutet ’zur Natur gehörend’ und ich, Hermine, finde mich nicht mehr in dieser Klassifizierung wieder. Ich habe die Besonderheiten, die ein menschlichen Wesen ausmachen, mit Füßen getreten und mich ihrer entledigt, so dass selbst Mutter Natur mich nicht einmal mehr als lebensfähig bezeichnen würde.“
Seine Melancholie war für sie schwer zu ertragen, so dass sie ihm wütend vor Augen hielt: „Es ist ja nicht alles weg! Wie sonst könnten Sie noch dazu fähig sein, einen so wunderschönen Patronus zu formen?“
„Das ist nur ein kleiner Teil in mir, den ich nicht auslöschen wollte“, sagte er traurig und Hermine musste in diesem Moment an Lily denken.
„Ich kann Veränderungen an Ihnen ausmachen, Severus“, sagte sie mit Hoffnung in der Stimme. „Es tut sich was! Sie können das nicht einfach ignorieren und aufgeben. Was ist mit Ihrer Augenfarbe?“
„Wenn ich ganz ehrlich bin – nicht nur zu Ihnen, sondern zu mir selbst – dann bin ich fest davon überzeugt, dass das gelegentliche Auflodern dieses kleinen Überbleibsels nicht mehr mit den heißesten Schmelzöfen und den schwersten Hämmern zusammengeschmiedet werden kann und der Grund dafür ist einfach, denn woher den fehlenden Teil nehmen?“
„Ich bin davon überzeugt, dass es andere Möglichkeiten gibt! Sie hatten über 20 Jahre Ruhe, warum verändert sich erst jetzt etwas bei Ihnen? Sie haben Harry diesen Hinweis gegeben, weil Sie tief in Ihrem Innersten wissen, dass es eine Lösung geben kann, auf die nicht Sie selbst, aber womöglich andere kommen.“
„Ihren Enthusiasmus weiß ich zu schätzen, Hermine, denn ich war selbst so voller Hoffnung, doch die Wahrheit ist damit nur doppelt so ernüchternd, denn wie heißt es so schön: ’Hoffnung ist der erste Schritt auf der Straße der Enttäuschung!’. Ein Sprichwort, welches in meinem Fall leider zutreffend ist.“
„Es heißt aber auch“, konterte Hermine bewegt und auch wütend, „’Die Hoffnung stirbt zuletzt.’ und das ist ein Sprichwort, das auf mich zutrifft.“
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Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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Den gestrigen Weihnachtsfeiertag hatte Hermine sich anders vorgestellt. Da Severus sich mit seinem Zustand abgefunden zu haben schien, hatte er sein damals an Harry gerichtetes Hilfegesuch erneut als Belanglosigkeit dargestellt. Severus hatte gesagt, dass er mit seiner Gefühlsbeschränkung leben könnte, weswegen er ihr jegliche Details über die Ursache verweigerte.

Noch vor dem Frühstück in der großen Halle suchte sie Harry auf, der ein wenig müde wirkte.

„Morgen“, grüßte er mit zerzausten Haaren und Schlaf in den Augen.
„Harry, du musst unbedingt mit Severus reden!“ Es war keine Bitte gewesen, sondern ganz klar eine Forderung.
„Herrje, was ist denn jetzt wieder passiert? Hat er dich rausgeschmissen?“
„Nein, aber er wollte mich nach Japan schicken“, antwortete sie, weswegen er ganz große Augen machte.
„Japan?“, wiederholte er ungläubig, als er ihr einen Platz anbot.
„Deswegen bin ich aber nicht hier. Harry, ihm fehlt ganz offensichtlich ein Teil seiner Seele“, sagte leise.
„Die Theorie ist doch aber nicht neu, Mine.“
„Nein, du verstehst nicht. Er hat es mir erzählt!“ Sie fasste sich an die Stirn. Er bemerkte, dass ihre Hand zitterte. „Jedenfalls habe ich heraushören können, was ihm fehlt, denn du brauchst nicht zu glauben, dass er deutlich geworden ist. Er hat mir gesagt, er hätte sich mit Dingen befasst, die man noch nicht einmal ergründet hat.“ Harry blinzelte, hörte aber weiterhin zu, als sie sagte: „Ich glaube, er hat damals einen riesigen Fehler gemacht, aber das Schlimme ist, dass er so sehr davon überzeugt ist, keine Lösung finden zu können, dass er auch mir keine Details geben will.“
„Und weswegen soll ich mit ihm reden?“ Er ahnte bereits, was auf ihn zukommen würde.
„Du sollst ihm sagen, nein, nicht nur ’sagen’, sondern versichern, dass wir alles in unserer Macht stehende tun werden, um…“
Harry unterbrach: „Und wenn es wirklich keinen Ausweg gibt?“
Ihre Gesichtszüge verhärteten sich. „Das ist keine Einstellung die hier als Option gilt! So denke ich einfach nicht.“ Er seufzte. „Harry“, sagte sie viel einfühlsamer, „er hat damals dich um Hilfe gebeten und ich finde, deswegen solltest du mit ihm reden.“
„Und über was genau? Ich meine, soll ich ihn über seinen Fehler ausquetschen oder ihm nur sagen, dass er dich gefälligst zu unterstützen hat, damit du es herausfinden kannst?“
„Er soll erst einmal von seinem hohen Ross steigen und nicht davon ausgehen, dass ich unfähig bin.“
„Hermine, er hat vielleicht schon selbst seit zwanzig Jahren nach einer Möglichkeit gesucht, seinen Fehler rückgängig zu machen und tut mir Leid, wenn ich das sage, aber er ist dir nicht gerade geistig unterlegen. Er wird schon einiges in Betracht gezogen haben, an das du bestimmt nicht einmal am Entferntesten gedacht hast.“
Sie schien erbost. „Sag mal, willst du mir jetzt in den Rücken fallen?“
„Um Gottes Willen, nein! Ich will nur nicht, dass du zu sehr enttäuscht bist, wenn es tatsächlich nichts geben sollte, um“, er suchte nach dem passenden Ausdruck, „seine Seele zu heilen.“
„Das wird nicht passieren.“
„Sicher?“, fragte er zweifelnd nach, denn er wusste noch genau, wie sehr sie am Boden zerstört war, als sie nach einem Todesserangriff zwei Muggeln das Leben nicht retten konnte.
„Sicher, Harry. Ich will nur, dass er kooperiert. Er soll mit mir reden und mir meine Fragen beantworten. Den Rest mache ich allein, bis ich etwas gefunden habe“, sagte sie sehr selbstsicher klingend.
„Und wann soll ich mit ihm reden?“, wollte Harry wissen.
„Heute!“
„Hermine, heute ist der zweite Weihnachtsfeiertag. Wir haben Pläne!“
„Geh doch wegen seinem Hund zu ihm. Ein Gespräch entwickelt sich von ganz allein“, schlug sie vor.
„Sicher, es wird auch gar nicht auffallen, dass ich plötzlich mal wieder zum Gassigehen vorbeikomme.“ Er seufzte erneut. „Ja, von mir aus gehe ich, aber ich wenn ich länger über ein Gespräch nachdenken könnte, würde ich bestimmt mehr Glück haben.“
„Er wird die Zeit ebenfalls nutzen, um sich sämtliche Gegenargumente zurechtzulegen. Allerdings rechnet er mit einem Gespräch mit mir und nicht mit dir! Darauf wird er nicht vorbereitet sein.“
Belustigt fragte er: „Du meinst, er hat sich bisher keine Ausreden durch den Kopf gehen lassen, die auch ich verstehen könnte?“
„Ich meine damit, dass du solche Dinge völlig anders angehst. Ich betrachte es eher von der wissenschaftlichen Seite und argumentiere entsprechend“, erklärte sie.
„Und ich?“
„Das wirst du schon herausfinden, was ich meine.“ Sie lächelte zuversichtlich.
„Na gut, ich gehe gleich“, stimmte er zu. „Was hat er eigentlich zu meinem Weihnachtsgeschenk gesagt?“
„Keine Ahnung, er hat sie nicht alle geöffnet. Er hat nur eines aufgemacht, weil ich ihn dazu gedrängt habe. Was hast du ihm denn geschenkt?“
Er lächelte, während er schilderte: „Colin und Dennis haben Fotos für mich reproduziert. Du weißt schon: ein Foto von einem Foto. Es hat sie etwas Zeit gekostet, damit die Kopien auch beweglich werden, aber sie haben es geschafft. Ich habe für Severus ein Fotoalbum mit Bildern von früher zusammengestellt; Fotos meiner Mutter. Na ja, manchmal ist mein Vater oder Remus und Sirius auch mit drauf, aber das ließ sich nicht vermeiden.“
„Wie bist du denn an all die Bilder gekommen?“, wollte Hermine wissen.
„Die alten Ordensmitglieder, alte Schulfreunde… Du glaubst gar nicht, wie viele Bilder Molly und Arthur von meinen Eltern haben. Minerva hatte einige und Alastor. Nevilles Oma hat für mich auch ihre Alben geplündert.“ Über sein Gesicht hatte sich ein seliges Lächeln gelegt.
„Siehst du, Harry“, sagte sie gerührt, „du gehst das alles mit Gefühl an. Das ist der Unterschied.“

Er hatte sich vorgenommen, nicht nur den Hund als Grund für seinen Besuch vorzuschieben, sondern auch die Frage, wie sein Geschenk gefallen hatte. Nachdem Salazar ihm geöffnet hatte, war allerdings weder Severus noch der Hund anzutreffen, doch er musste nicht lange warten, denn die beiden betraten wenige Minuten nach ihm den Raum.

Verdutzt fragte Harry: „Waren Sie etwa alleine mit dem Hund draußen?“
„Ihre Beobachtungsgabe ist überwältigend“, erwiderte Severus sarkastisch und Harry ahnte jetzt schon, dass er in einem ernsten Gespräch den Kürzeren ziehen würde.
„Und hat’s Spaß gemacht?“, wollte Harry schmunzelnd wissen. Severus antwortete darauf nicht, was einem „Ja“ gleichkam.
„Warum sind Sie hier?“ Ohne seinen Gast anzusehen leinte Severus seinen Hund ab und begab sich zur Couch.
„Ich wollte fragen, ob Ihnen mein Weihnachtsgeschenk gefallen hat.“
„Ich habe es belassen wie es ist. Sie können es wieder mitnehmen.“
„Was?“ Verdutzt blinzelte Harry ein paar Mal. „Nein, es gehört Ihnen.“
„Im Gegenzug haben Sie von mir nichts bekommen und…“
Es war ihm egal, was Severus sagen wollte, so dass er mutig unterbrach: „Es gehört Ihnen und ich erwarte nichts zurück.“ Wegen der vielen Mühe, die sich Harry gemacht hatte, bat er: „Machen Sie es doch bitte auf.“
„Werden Sie etwa erst gehen, wenn ich Ihrem Wunsch nachgekommen bin?“, fragte Severus grantig.
„Ich muss um zehn sowieso weg und wollte nur…“ Er seufzte. „Machen Sie es einfach auf.“
Wie ein verspätetes Echo seufzte diesmal Severus. „Welches ist es?“, fragte er seinen jungen Kollegen, so dass Harry auf ein bestimmtes Geschenk deutete. Mit genervtem Gesichtsausdruck fragte Severus: „Etwa das mit den Weihnachtswichteln?“
„Ich fand das Geschenkpapier für diese Jahreszeit angemessen“, verteidigte sich Harry zaghaft.
Mit den Augen rollend kommentierte Severus: „Ja, für einen Dreijährigen vielleicht.“

Man konnte es mit der Angst zu tun bekommen, wenn man Zeuge dessen wurde, wie grob Severus das Geschenkpapier zerfetzte.

„So, ich hab es ausgepackt. Zufrieden?“, fragte Severus, der das Album in der Hand hielt.
Enttäuscht darüber, dass er Severus Anweisungen geben musste, sagte er verstimmt: „Wollen Sie denn nicht wenigstens einen Blick hineinwerfen?“

Mit zusammengepressten Lippen öffnete Severus das Bilderalbum. Schon beim Betrachten des ersten Fotos verflog die harte Linie, die sein Mund geformt hatte und Harry wusste auch, warum. Als erstes Foto hatte er eines gewählt, auf welchem seine Mutter lachend und winkend auf dem hölzernen Pferd eines Kinderkarussells saß, obwohl sie längst erwachsen war. Neben ihr saß Alice und hinter ihr Frank Longbottom. Laut Nevilles Oma war James derjenige gewesen, der das Bild aufgenommen hatte, was er Severus nur auf Nachfrage offenbaren würde, doch der war von dem Anblick ganz sprachlos. Harry hörte ihn schwer atmen, dann kräftig schlucken, bevor er umblätterte. In Gedanken verfolgte Harry, welche Bilder Severus jetzt sehen musste. Da war das vom Ordenstreffen, welches gemacht worden war, nachdem alle Mitglieder sich an Mollys Eintopf satt gegessen hatten und seine Mutter versuchte, mit Mandarinen zu jonglieren, was ihr nicht ein einziges Mal gelungen war. Das daneben war ein Foto vom gleichen Treffen, nur dass alle Mitglieder sich nebeneinander gestellt hatten, um sich fotografieren zu lassen.

Nach einer ganzen Weile sagte Severus mit bewegter Stimme: „Sie hätten wenigstens Pettigrew weg retuschieren können.“
„Ich wollte nichts verfälschen“, erwiderte Harry ehrlich. „Gefällt’s Ihnen?“
Ohne auf seine Frage einzugehen fragte Severus: „Warum tun Sie das?“
„Was? Ihnen was schenken?“
Verärgert blickte Severus auf, während er zeitgleich das Album zuknallte. „Ich versuche zu vergessen und Sie bohren nach und reißen alte…“ Harry war sich sicher zu wissen, mit welchen Wörtern man diesen Satz vollenden konnte. „Warum tun Sie das?“, fragte Severus erneut, nur viel ungehaltener.
Kleinlaut erklärte Harry: „Ich wollte Ihnen eine Freude machen. Ich weiß ja, dass Sie meine Mutter…“

Severus gestrenger Blick ließ ihn den Satz nicht zu Ende führen.

Er wurde von Severus zwar nicht hinausgebeten, aber er wurde nun ignoriert, so dass Harry selbst den Entschluss fasste, zu Ginny zurückzugehen, doch vorher sagte er noch ein wenig bekümmert: „Es wird nicht funktionieren, Severus.“ Sein Kollege blickte ihn fragend an, was Harry als Anlass sah, genauer zu werden. „Manche Menschen wird man nie vergessen können und dabei ist völlig egal, wie viel Zeit vergeht.“ Dass es ihm mit Cedric und anderen Menschen genauso ging, erwähnte er nicht, aber das musste er auch nicht. Severus schien verstanden zu haben.

Es überraschte Harry ein wenig, dass Hermine noch immer bei ihm war. Sie saß mit Nicholas auf dem Schoß neben Ginny und die beiden unterhielten sich. Als Hermine ihn erblickte, fragte sie sofort: „Wie ist es gelaufen?“
„Schlecht“, war seine trübsinnige Antwort gewesen.
„Hast du es etwa vermasselt?“
„Hey, ich hab gar nichts vermasselt. Das Gespräch ist einfach nicht so gut gelaufen. Mein Geschenk fand er wohl nicht so prickelnd.“ Die Enttäuschung in Harrys Stimme war nicht zu überhören.
„Ich hab dir gesagt“, begann Ginny, „dass du dir nicht so eine Mühe machen sollst. Er weiß so etwas nicht zu schätzen.“
„Nein, das ist es nicht. Ich denke eher, mein Geschenk hat ihm schwer zu schaffen gemacht, deswegen mag er es nicht besonders.“ Er seufzte. „Ich hätte doch einen Gutschein besorgen sollen.“
„Gutscheine kann er nur von Borgin & Burke's gebrauchen“, sagte sie, um ihn ein wenig aufzuheitern. „Soll ich euch mal erzählen, was Albus ihm geschenkt hat?“ Als Harry und Ginny ganz Ohr waren, schilderte sie: „Nachdem wir herausgefunden hatten, dass das Marmorgrab am See ein massiver Stein ist, da hat Severus später zu Albus gesagt, er würde sich ein Marmorwaschbecken wünschen.“
Harrys Schmunzeln war immer größer geworden, bevor er den Kopf schüttelte und sagte: „Das ist jetzt nicht wahr oder? Hat er es getan?“
„Severus hat jetzt eine wunderschöne Badewanne aus weißem Marmor, passend dazu das Waschbecken und die Toilettenschüssel.“ Alle drei mussten auflachen. „Selbst Severus hat lachen müssen.“

Die drei sprachen noch ein wenig über Albus’ schwarzen Humor, bis Hermines Magen zu knurren begann.

„Gehen wir frühstücken?“, fragte Hermine, der noch immer anzumerken war, dass sie sich von Harry mehr versprochen hatte.

Sie reichte ihm den Jungen, als es unerwartet klopfte. Mit Nicholas im Arm öffnete Harry die Tür und war sehr erstaunt darüber, Severus zu anzutreffen.

„Kommen Sie doch rein“, bat er höflich.
Einen Moment lang betrachtete Severus das ruhige Kind in seinem Arm, bevor er ablehnte. „Nein danke, ich wollte nur etwas abgeben. Haben Sie noch eine freie Hand?“ Harry ließ die Türklinke los und zeigte ihm lächelnd die freie Hand. Hinter seinem Rücken zog Severus unerwartet eine Schachtel hervor. Sie war nicht sehr groß, aber schwer, als Harry sie entgegennahm. „Als ’Dankeschön’ für Ihr Geschenk“, sagte Severus gefühlskalt.
„Ich, ähm…“ Harry wusste gar nicht, was er sagen sollte, bis ihm ein einfaches „Danke“ über die Lippen huschte.
„Dann noch frohe Weihnachten“, wünschte sein Kollege, bevor er ihm einmal zunickte und ging.

Nachdem Harry die Tür geschlossen hatte, wurde ihm Nicholas von Ginny aus dem Arm genommen, während sie ihm riet: „Mach das lieber heute Abend auf. Nicht dass du den ganzen Tag über deprimiert bist.“
„Ich glaube nicht“, warf Hermine verteidigend ein, „dass Severus etwas Bösartiges im Sinn hat.“
„Es ist schwer.“ Harry bewegte das Geschenk mit der Hand auf und ab, als würde er das Gewicht schätzen wollen.
„Mach es auf“, verlangte Hermine, doch Ginny hielt dagegen.
Harry hatte genug davon und machte beiden klar: „Ich mach es auf, wann ich möchte. Es ist mein Geschenk!“

Schon begann er, das einfarbige Papier zu entfernen, um die Schachtel öffnen zu können. In ihr befand sich ein Sack, aber sein Augenmerk lag auf den kleinen Fläschchen mit der silberfarbenen Flüssigkeit.

Hermines Augen wurden ganz groß. „Ist das etwa eine Erinnerung?“
„Sieht mir ganz danach aus“, bestätigte er, während er die kleine Flasche herausnahm und betrachtete.
Erneut riet Ginny ihm: „Schau sie dir lieber nicht an.“
„Ich bin viel zu neugierig, Ginny.“
„Was ist in dem Säckchen?“ Hermine deutete auf das Ledersäckchen.
Schachtel und Fläschchen stellte er auf dem Tisch ab, damit er einen Blick in den Sack werfen konnte. Die Entdeckung war ernüchternd. „Es sind Murmeln.“ Er schnaufte belustigt. „Für wie alt hält er mich eigentlich?“
„Ich ahne was“, sagte Hermine, der noch gut im Gedächtnis war, wie Severus von den Spielen mit Lily erzählt hatte. „Die Murmeln gehören bestimmt zur Erinnerung. Sieh sie dir an, Harry.“
„Hermine, er soll sie nicht ansehen, nicht jetzt!“
„Ich hab euch eben schon gesagt, dass ich sie mir ansehen werde, wann ich möchte. Ich will sie jetzt sehen!“ Er griff nach dem Fläschchen und ging zum Denkarium hinüber. Hermine folgte ihm, so dass er an sie gewandt sagte: „Allein!“

Das entkorkte Fläschchen hielt er dich über die Oberfläche des Beckens, bevor er den Inhalt darüber ausschüttete. Sich innerlich stählend atmete er tief durch, bevor er sich nach vorn beugte, damit seine Nasenspitze die Flüssigkeit berühren konnte.

Kaum war Harry in die Erinnerung eingetaucht, fand er sich bei schönstem Sonnenschein auf einem der Schulhöfe in Hogwarts neben Severus stehend wieder, der ihm gerade mal bis zur Brust reichte. Die Gestalt eines Mädchens mit im Wind wehendem Rock und einer weißen Schleife in ihrem roten Haar kam freudestrahlend auf beide zu gerannt und verkündete mit einem klimpernden Sack in der Hand: „Wir können wieder ’Murmeln’ spielen!“
„Mum“, sagte Harry fasziniert, als er das sehr junge Mädchen betrachtete, die sich auf den Boden kniete und in ihren Sack griff.
„Hast du sie zurückgewonnen?“, fragte der junge Severus.
„Nein, meine Mutter hat sie mir geschickt. Gegen die aus Ravenclaw spiele ich nicht mehr.“ Lily rutschte näher an Severus heran und flüsterte ihm ins Ohr: „Ich glaube, die schummelt!“
Der junge Severus musste grinsen, während er fragte: „Woher willst du wissen, dass ich beim Spielen nicht auch schummle?“
Lächelnd und von ihrer Meinung überzeugt erwiderte Lily: „Nein, das tust du nicht.“ Ihn auf nette Weise auf den Arm nehmend sagte sie noch: „Dann würdest du ja viel öfter gewinnen.“
„Wir haben nur noch fünf Minuten, der Unterricht fängt gleich an“, informierte Severus, der sich trotzdem niederkniete.

Erst jetzt bemerkte Harry die kleine Kuhle und die mit einem Stock gezogene Linie im Sandboden; das Spielfeld. Als er sich umblickte fiel ihm auf, dass Lily und Severus in einer verborgenen Ecke spielten, in der man die beiden nicht sofort sehen würde.

„Ich hab neue Farben“, sagte seine Mutter. Harry ging um die beiden herum, so dass er direkt auf dem Spielfeld stand, bevor auch er in die Hocke ging. „Hier, die sind neu“, sagte Lily und zeigte Severus einige grüne, blaue und schwarze Murmeln, die sie in ihren kleinen Händen hielt.
„Ich mag die grünen“, kommentierte Severus knapp, bevor er ihr schüchtern in die Augen blickte.
„Ich mag die schwarzen“, konterte sie, bevor sie flüsternd anfügte, „die haben nämlich ein Geheimnis.“
„Haben sie?“
„Ja, sieh her.“ Sie nahm eine der schwarzen aus ihrer Hand und hielt sie direkt gegen die Sonne. „Siehst du? Die sind nicht schwarz, es sieht nur so aus. Mein Papa hat mal gesagt, es gibt gar kein Schwarz; es fehlt nur das Licht.“

Harry liebte seine Mutter. Sie war genauso gutherzig wie die Menschen um ihn herum, ein genauso guter Freund wie Hermine und Ron. Mit ihrer freundlichen Art schenkte sie Severus ein wenig von ihrer unbekümmerten Kindheit, um das zu ersetzen, was der in seinem Leben bereits hatte einbüßen müssen. Lily war der bedeutendste Dreh- und Angelpunkt in Severus’ Leben, der alles im Gleichgewicht gehalten hatte; davon war Harry überzeugt.

Es war ungewohnt für ihn, Severus so freimütig lächeln zu sehen, aber es war auch ungewohnt, ihn so jung zu erleben. Bisher hatte er ihn in einer anderen Erinnerung im Alter von fünfzehn Jahren gesehen, doch hier waren beide eindeutig Erstklässler. Während seine Mutter so sorgenfrei schien, konnte Harry bei Severus bereits einen für Kinder ungewöhnlichen Ernst ausmachen, der ihn wesentlich älter wirken ließ.

Die beiden spielten noch einen Moment zusammen und seine Mutter gewann. Gleich darauf, weil die Zeit knapp wurde, stellte Lily für die nächste Pause noch neue Regeln für das Spiel auf, indem sie sagte: „Wenn du die grünen so magst, dann machen wir sie zu den Murmeln mit der höchsten Punktezahl. Zwanzig für die grünen, fünfzehn für die ’schwarzen’ und alle anderen zehn Punkte.“
„Ich habe keine grünen“, sagte Severus enttäuscht klingend. Lily öffnete ihren Murmelsack und suchte einige heraus, bis sie fünf zusammenhatte, die sie ihm gab.
„Welche willst du von mir?“, fragte er.
„Keine, die gebe ich dir so.“

Die Glocke ertönte und die Pause fand ein Ende; die Erinnerung ebenfalls.

„Und?“, fragte Ginny aufgebracht, als sie Harrys bewegten Gesichtsausdruck bemerkte. „Was war es? Was Schlimmes?“
„Nein“, wiegelte er mit dem Hauch eines Lächelns auf den Lippen ab, bevor er sich dem Tisch näherte. Er nahm den Sack, öffnete ihn und suchte nach etwas Bestimmten, bis er tatsächlich die grünen Murmeln fand, die Lily in der Erinnerung gerade Severus geschenkt hatte. Er seufzte zufrieden, bevor er die Murmeln über seine Finger wieder in den Sack rollen ließ und für einen Augenblick über das eben Gesehene nachdachte.

„Wir müssen uns fertigmachen, Ginny, sonst kommen wir zu spät zu deinen Eltern.“ An Harrys Tonfall deutete nichts auf eine Verstimmung hin. Im Gegenteil, denn er hörte sich sehr glücklich an.
„Ich bin längst fertig.“
„Na dann...“ Hermine anblickend wollte er wissen: „Möchtest du mitkommen? Charlie ist auch da.“
„Nein danke, ich bleib hier“, erwiderte sie, obwohl sie ein wenig mit sich haderte. „Sag mal, Harry, war es eine Erinnerung an deine Mutter?“ Er nickte, so dass sie lächelte und laut vermutete: „Mit Severus zusammen beim Murmelnspielen?“
„Woher weißt du das?“
„Ich hab es nur geahnt. Ein wenig unterhalten wir uns schon miteinander, wenn er nicht sofort wieder auf unnahbar macht.“
„Was hast du heute so vor?“ Harry fühlte sich schuldig bei dem Gedanken, dass Hermine kein anständiges Weihnachtsfest im Kreise ihrer Familie, zumindest ihrer Freunde feiern konnte.
„Ach, ich weiß nicht. Severus hat mir erzählt, dass er magische Wasserhyazinthen hätte. Entweder brauen wir einen Trank oder wir bewerfen uns damit.“
Ginny rollte mit den Augen, bevor sie wenig überzeugt sagte: „Hört sich beides lustig an. Hermine, wirklich…“ Sie holte einmal tief Luft. „Du kannst jederzeit vorbeikommen, wenn dir hier zu langweilig wird.“
„Danke, das weiß ich doch. Dann grüßt mir ja alle schön!“, sagte Hermine winkend, bevor sie die beiden verließ.

Das Frühstück in der großen Halle ließ Hermine ausfallen, denn sie war in einem Gang auf Remus gestoßen, mit dem sie sich prächtig unterhielt. Er würde sich in einigen Minuten mit Tonks treffen, um zu Andromeda und Ted zu gehen und er fragte nochmals, ob sie nicht mitkommen wollte. Sie lehnte ab, aber dank Remus war sie nun in bester Laune, nachdem sie sich von ihm verabschiedet hatte und nach Severus suchte. Seine Räume waren leer, weswegen sie ins Büro eintrat. Hinter einer Tür hörte sie Anzeichen dafür, dass er nebenan sein musste.

Kaum hatte sie das Labor betreten, fragte er sie: „Sind Sie mit der Herstellung von Papier vertraut?“
„Äh“, machte sie. Er hatte sie völlig überrumpelt. „Nur theoretisch“, erwiderte sie unsicher.
„Ah, Sie haben also darüber gelesen wie über so vieles?“, wollte er wissen, weswegen sie nickte. „Sie kennen aber die Fachbegriffe?“
„Ich würde sagen ja“, antwortete sie skeptisch.
„Wir könnten“, begann er, als er auf ein aufgeschlagenes Buch deutete, „Papier für die schnelle Fernkommunikation herstellen, damit Sie einmal mit magischen Wasserhyazinthen gearbeitet haben.“ Erstaunt zog sie beide Augenbrauen in die Höhe, denn so ganz wusste sie nicht, über was er sprach. „Wenn Sie ein oder zwei Tropfen des Dracheneidotters entbehren könnten…“
„Ja natürlich, aber eine Sache möchte ich vorher noch wissen. Wegen unseres Gesprächs gestern“, er verzog das Gesicht, „Sie werden einfach so tun, als hätte es nie stattgefunden oder?“
„Ja“, war die knappe Antwort, aber immerhin war er ehrlich gewesen.
Sie seufzte, bevor sie die Angelegenheit auf sich beruhen ließ und fragte: „Was genau für Papier soll das sein?“ Die Überschrift in dem aufgeschlagenen Buch sagte ihr nichts.
„Noch nie davon gehört? Nun ja, seit das Flohnetzwerk Einzug in fast alle Häuser gefunden hat, wird es sehr selten benutzt; der Produktionsaufwand ist einfach zu groß. Das Interessante ist die Arbeitsmethode selbst, denn es geht hauptsächlich um die Herstellung eines Objekts, welches mit Hilfe von Trankzutaten und Zaubersprüchen seine Einzigartigkeit erhalten soll. Es wird ein großes Blatt Papier hergestellt, welches – wenn alles korrekt vonstatten gegangen ist – bis zu eintausend Mal verwendet werden kann, aber nicht nur das. Wenn Sie ein Schreiben verfassen, dann kann derjenige, der im Besitz der anderen Hälfte des Blattes ist, den Brief sofort lesen, denn die Schrift materialisiert sich auf ihm. Funktioniert theoretisch ganz ähnlich wie die Verbindung zwischen Küche und großer Halle. Der Zauberspruch, der die Mahlzeiten aus der Küche hinaufschickt, ist ebenfalls in der Herstellung des Papiers enthalten, nur dass es sich um die Schrift handelt, die hinüber zu seinem Pendant geschickt wird und nicht um ein Kürbistörtchen. Interesse?“

Hermine hatte ganz genau zugehört und sie hatte großes Interesse, weswegen sie heftig nickte.

„Gut, dann würde ich sagen, haben wir für das neue Jahr bereits unser Projekt …“
Sie unterbrach: „Für das neue Jahr erst? Das ist noch eine Woche hin!“
„Worüber ich mir selbstverständlich im Klaren bin. Sie haben Ferien, Hermine.“ Sie machte ein Gesicht, als hätte man ihr den Kniesel weggenommen. „Oder möchten Sie etwa…?“
„Heute? Ja sicher!“, fuhr sie ihm begeistert über den Mund.
Er wies sie darauf hin: „Es würde einige Tage in Anspruch nehmen.“
„Kein Problem, fangen wir gleich an oder frühstücken wir vorher? Ich habe irgendwie Appetit auf Kürbistörtchen bekommen.“

Zwischen Weihnachten und Neujahr arbeiteten einige Menschen, wie beispielsweise Severus und Hermine, freiwillig miteinander, während andere arbeiten gehen mussten, wie die Vorsitzende des Zaubergamots Rosalind Baltimore, die auf dem Stuhl in ihrem Büro wie auf glühenden Kohlen saß. Es war gerade ein Rundschreiben angekommen. Eine neue ministeriumsinterne Anweisung war auf ihrem Schreibtisch gelandet, die ihr und jedem anderen Mitarbeiter deutlich machte, dass ein vor etlichen Monaten gemachter Vorschlag nun in die Tat umgesetzt worden war. Rosalind las die Anweisung wieder und wieder. Ab und an seufzte sie.

„Hätte das nicht noch warten können?“, fragte leise in den Raum hinein. „Verdammt!“ Sie legte eine Hand über ihre Augen, bevor sie die Anweisung nochmal las und dort stand geschrieben:

„Laut des Vorschlags Nr. 1138 sollen inhaftierten Personen eine Verhandlung erhalten. Allen Inhaftierten soll ab sofort vor, während und auch nach der Verhandlung ein Beistand gewährt werden, der in rechtlichen Dingen unterstützend zur Hand gehen soll, um jeden Fall zur Zufriedenheit des Ministeriums und des Angeklagten zu klären. Die Gründe entnehmen Sie bitte erwähntem Vorschlags-Rundschreiben.“

Rosalind brauchte keinen Blick in die Nr. 1138 zu werfen, denn sie war eine von denen gewesen, die diesen Vorschlag ausgearbeitet hatte. Es gab in Askaban einfach zu viele Zauberer und Hexen, die damals ohne triftigen Grund inhaftiert worden waren; Unschuldige. Der Vorschlag war angenommen worden und würde denen zugute kommen, die einst ohne eine Verhandlung nach Askaban gebracht worden waren. Doch auch Menschen wie Lucius Malfoy würden von dieser neuen Anordnung profitieren und das war es, was Rosalind zu schaffen machte. Sie musste für Malfoy einen Beistand bestimmen und sie überlegte, welchen Dummen sie dafür finden könnte.

Einen Tag später fand sich ein Mann Ende dreißig im Mungos ein. Er trug einen schmalen Aktenkoffer und einen schicken Anzug. Geduldig wartete er, bis der Sicherheitsmann eine Schwester geholt hatte, die ihn zu Mr. Malfoy begleiten würde.

„Mr. Malfoy“, sagte der junge Mann grüßend, der die Hand ausstreckte, die von einem verdutzten Lucius ergriffen wurde. „Mein Name ist Sid Duvall, ich bin ab jetzt Ihr rechtlicher Beistand.“
„So“, sagte Lucius lang gezogen und skeptisch. „Sind Sie das.“
„Ja, Mr. Malfoy“, versicherte der Herr mit den rabenschwarzen Haaren und stechend blauen Augen.
„Sind Sie reinblütig?“, fragte Lucius unverhofft.
„Ja Sir, aber warum…?“
„Ich wollte nur sehen, ob man mir womöglich einen Beistand gewährt, der einen Groll gegen meine Herkunft hegen könnte.“ Es war für Lucius eine Leichtigkeit, sich in eine Opferrolle zu begeben. „Dann waren Sie sicherlich in Slytherin?“ Erwartungsvoll hob Lucius eine Augenbraue.
„Nein, Sir“, antwortete Mr. Duvall.
„Dann wenigstens in Ravenclaw“, wollte Lucius wissen. Die anderen beiden Häuser würde er nicht einmal erwähnen.
„Es tut mir Leid, Sie enttäuschen zu müssen, Mr. Malfoy, aber ich habe Hogwarts nicht besucht.“
„Nicht?“ Lucius’ Augenbraue wanderte ernüchtert wieder an ihren Platz und er fragte sich, ob Rosalind es wagen würde, ihm eine ungebildete Person an die Seite zu stellen.
„Nein, Sir. Ich war in Durmstrang“, antwortete der junge Mann, der erwartungsvoll auf eine positive Reaktion seines Mandanten hoffte.
„Durmstrang!“ Lucius klang erfreut und ein zufriedenes Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. „Kommen Sie, Mr. Duvall, setzen Sie sich doch bitte.“ Nachdem auch Lucius Platz genommen hatte, fragte er Mr. Duvall: „Wie alt sind Sie?“
„Siebenunddreißig Jahre, Sir“, antwortete Mr. Duvall freundlich.
„Dann waren Sie in der Schule, als Igor Karkaroff dort Direktor war!“
„Ja, Mr. Malfoy. Ich weiß, dass Sie ihn ebenfalls kannten und ich nehme an, aus der Zeit…“
„Oh, wir kannten und schon vorher, Mr. Duvall. Nicht erst seit Voldemort.“ Lucius hatte es auf den Punkt gebracht, so dass Mr. Duvall seinen Aktenkoffer öffnete und verlegen in seinen Papieren blätterte.

Den jungen Mann vor sich beäugend fragte Lucius nach einer Weile: „Seit wann bekommt jemand wie ich einen Beistand?“
„Den bekommt ab gestern jeder Inhaftierte.“
„Ab gestern schon, warum sind Sie dann erst heute hier?“
„Weil ich mich erst in Ihre Akte einlesen musste, Mr. Malfoy.“ Mr. Duvall zog eine nicht gerade dünne Mappe heraus.
„Sie haben nur einen Tag benötigt, sich das alles durchzulesen? Ich bin erstaunt. Ich war davon ausgegangen, es würde wesentlich länger dauern“, scherzte Lucius. „Dann sind Sie hier, um mich auf meine Verhandlung vorzubereiten?“
„Unter anderem ja. Ich möchte mit Ihnen alle Vorwürfe persönlich durchgehen, damit ich Sie anständig verteidigen kann.“
Misstrauisch fragte Lucius seinen Beistand: „Wollen Sie mich denn verteidigen?“
„Ich muss…“
„Aber wollen Sie auch? Ansonsten verzichte ich nämlich gern, sollten Sie nur halbherzig bei der Sache sein.“
Mr. Duvall atmete tief durch, bevor er mit leiser Stimme erklärte: „Wie ich schon sagte, muss ich Sie verteidigen. Bisher habe ich jeden Auftrag in verschiedensten Bereichen zur vollster Zufriedenheit erledigt, falls Sie das beruhigen sollte.“
Mit bedrohlich säuselnder Stimme erklärte Lucius: „Es könnte mich beruhigen, Mr. Duvall, doch das Ministerium ist Ihr Auftraggeber, wenn Sie verstehen, was ich meine. Insofern habe ich Bedenken, dass Sie mir wirklich ’beistehen’ würden.“
„Wie wäre es“, schlug Mr. Duvall vor, „wenn wir erst einmal beginnen? Sollte Ihnen die Zusammenarbeit mit mir nicht zusagen, könnten Sie einen anderen Beistand fordern oder sich vor dem Gamot selbst verteidigen.“
„Vielleicht ziehe ich das sogar in Betracht.“ Sich zurück an den Stuhl lehnend forderte Lucius den jungen Mann auf: „Dann unterrichten Sie mich doch bitte darüber, wie die Anklagepunkte lauten.“

Mr. Duvall nickte und zog ein Blatt aus den Unterlagen, welches er Lucius reichte. In diesem Moment kam Marie ins Zimmer und servierte etwas Kaffee und Gebäck.

„Danke“, sagte Lucius lächelnd. An Mr. Duvall gerichtet stellte er vor: „Das ist Schwester Marie, der Sonnenschein des gesamten Krankenhauses.“ Marie errötete, grüßte jedoch Mr. Duvall, der sich von seinem Stuhl erhoben hatte, ihr die Hand entgegenhielt und sich selbst mit Namen vorstellte.

Nachdem sie das Zimmer verlassen hatte, verblasste das Lächeln auf Mr. Duvalls Gesicht nur sehr langsam, was Lucius beobachtete.

„Zu den Anklagepunkten, Mr. Malfoy, gibt es natürlich eine Sache, die Sie in ein sehr negatives Licht rückt. Das wäre die Tatsache Ihrer Zugehörigkeit zu den Todessern. Sie tragen das dunkle Mal“, sagte Mr. Duvall recht gelassen.
„Ich kenne drei Menschen“, konterte Lucius, „die ebenfalls das dunkle Mal tragen und vom Ministerium trotzdem auf freien Fuß gelassen wurden. Den einen kennen Sie ja bereits, denn ich spreche von Karkaroff, der ja leider verstorben ist. Der zweite ist Severus Snape, ein guter Freund von mir, der trotz seiner Vergangenheit wieder Kinder unterrichten darf.“ Den dritten nannte er vorläufig nicht.
„Mr. Snape hat als Agent für Professor Dumbledore Informationen über Voldemorts Pläne ausgekundschaftet…“
Lucius unterbrach: „Was ich auch getan hätte, wäre ich nicht an eine Familie gebunden gewesen, um die ich mir hätte Sorgen machen müssen.“
Mr. Duvall blinzelte ein paar Mal, bevor er Lucius direkt in die Augen sah und fragte: „Wie alt waren Sie gewesen, als Sie das dunkle Mal angenommen haben?“
„Ich war jünger als mein Sohn, ich war gerade erst fünfzehn geworden. Ich bin mir sicher, dass das vor Dumbledore nicht geheim geblieben war und er es sicherlich bestätigen würde“, antwortete Lucius gelassen und auch ehrlich.
„Sie waren noch minderjährig?“, fragte Mr. Duvall völlig erstaunt nach.
„Wie ich bereits sagte, ja“, bestätigte Lucius.
„Fünfzehn“, wiederholte Mr. Duvall gedankenverloren.
„Strapazieren Sie meine Geduld nicht.“
„Aber wissen Sie nicht, dass sich das positiv auf die Verhandlung auswirken könnte, weil somit einige Anklagepunkte abgeschwächt werden könnten?“
„Nein, aber ich bin sicher, dass Sie es mir erklären werden. Zunächst will ich die Anklagepunkte einmal durchgehen, wenn Sie gestatten“, sagte Lucius ein wenig irritiert, bevor er sich dem Blatt zuwandte, welches Mr. Duvall ihm vorhin gegeben hatte.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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153 Anklagepunkte




Den Schneesturm von seinem Fenster im Krankenzimmer aus betrachtend lehnte sich Lucius zurück und dachte über mögliche Antworten nach, die er vor dem Zaubergamot in fast vierzehn Tagen geben könnte. Er malte sich aus, welche Fragen man ihm stellen könnte; welche Fragen Rosalind zu stellen wagen würde. Bisher hatte man ihn über einiges im Unklaren gelassen, zum Beispiel ob die Verhandlung öffentlich sein würde, ob sogar Presse anwesend wäre oder ob er Häftlingskleidung tragen müsste.

Seufzend nahm er einen Schluck von dem Kaffee, den Marie ihm vorhin gebracht hatte, während er die Punkte las, die sein Beistand Mr. Duvall dagelassen hatte. Der junge Mann hatte zwar Durmstrang besucht, aber Ministeriumsangestellte waren Lucius momentan ein wenig suspekt.

Der erste Punkt der Anklageschrift lautete „Mitglied einer gesetzeswidrigen Organisation“. Das Wort „Todesser“ hätte man nicht unbedingt in Klammern dahinter setzen müssen, dachte Lucius schmunzelnd, denn jeder wüsste längst, dass er ein Anhänger Voldemorts gewesen war.

Amüsiert war er über den zweiten Punkt, den man schlichtweg „Erpressung“ genannt hatte. Damals waren es die Schulräte gewesen, denen er den Zauberstab auf die Brust gesetzt hatte, damit sie dafür stimmen würden, Dumbledore als Direktor abzusetzen. Dieses Unterfangen war ein wenig danebengegangen, denn leider hatte er nur mit der Anwendung schlimmer Flüche drohen können. Richtig etwas in der Hand hatte er gegen die anderen Schulräte nicht gehabt; bei den Mitgliedern des Zaubergamots, die seine Verhandlung führen würden, sah das schon ganz anders aus, dachte Lucius selbstgerecht lächelnd. Selbst wenn es ans Licht kommen sollte, dass er einige Menschen erneut erpresst hatte, so würde er damit immerhin eine nicht unerhebliche Anzahl der ach so angesehen Ministeriumsmitglieder gleich noch mit in den Abgrund reißen. Wenn ein Malfoy schon untergehen würde, fand er, dann mit Pauken und Trompeten.

„Besitz schwarzmagischer Gegenstände“ machte den dritten Anklagepunkt aus. Dass man immer noch auf Riddles Tagebuch herumritt, betrachtete er mit einem gelassenen Kopfschütteln. Man kreidete ihm nicht nur den Besitz an, sondern auch die Gefährdung der Insassen einer Lehranstalt mit diesem schwarzmagischen Gegenstand. Gestorben war damals glücklicherweise niemand und eine simple Versteinerung hinterließ keine bleibenden körperlichen Schäden. Lucius atmete erleichtert auf.

Beim vierten Punkt musste er herzlich lachen, denn eine „Störung der Öffentlichen Ordnung“ in Zusammenhang mit dem Verstoß gegen das Gesetz zum Schutz der Muggel – er erinnerte sich daran, wie sehr er Arthur damals dafür verachtet hatte, so ein muggelfreundliches Gesetz entworfen zu haben – und dem Verstoß gegen das Gesetz zum Schutz der Zaubererwelt legte man ihm zur Last. Es handelte sich dabei um den Muggel, der den Campingplatz während der Quidditch-Weltmeisterschaft geführt hatte. Das war jetzt fast schon zehn Jahre her, erinnerte er sich, dass er und ein paar andere Todesser mit Mr. Roberts und dessen Familie ein wenig Spaß gehabt hatten. Ein Levicorpus-Zauber sorgte nun wirklich nicht für unheilbare Gebrechen, nicht einmal bei Muggeln.

Die Unverzeihlichen, die er damals nachweislich angewandt hatte, könnten ihm allerdings zum Verhängnis werden, wenn das Zaubergamot ihm nicht glauben sollte, dass er zu dem Zeitpunkt, als er Sturgis Podmore mit einem Imperius dazu genötigt hatte, in die Mysteriumsabteilung einzubrechen, unter genau demselben Fluch gestanden hatte. Soweit Lucius darüber informiert war, hatte man Podmore nach sechs Monaten Haft wieder aus Askaban entlassen. Anders sah es bei Broderick Bode aus. Lucius hatte damals arge Mühe gehabt, Bode seinem Imperius zu unterwerfen, weil der Mann sich viel zu gut hatte wehren können. Nachdem Bode jedoch endlich die Prophezeiung in die Hand genommen hatte, war er verrückt geworden. Im Mungos hatte er sich unerwartet erholt und war sogar wieder dabei sprechen zu lernen, als Jugson auf die Idee gekommen war, dem Patienten eine Topfpflanze und beste Wünsche zur Erholung zu schicken. Natürlich würde das Zaubergamot ihm die Schuld für den Mord durch die Teufelsschlinge geben, doch er hatte damit nichts zu tun. Dieser fünfte Anklagepunkt könnte ihm das Leben schwer machen, dachte Lucius seufzend, doch andererseits würde man Veritaserum einsetzen, um bestimmte Punkte hinreichend klären zu können, was er wiederum als Vorteil sah.

Zu Punkt fünf gehörte noch „Einbruch und versuchter Raub“ in Zusammenhang mit Körperverletzung. Allerdings hatten sich Potter und seine kleinen Freunde – Lucius schnaufte verachtend, als er sich die Situation ins Gedächtnis zurückrief – es ihm unvorhergesehen erschwert, die Prophezeiung zu stehlen. Seit diesem misslungenen Auftrag hatte Lucius unter Voldemort leiden müssen und seiner Meinung nach war allein Potter daran schuld.

Den letzten Anklagepunkt strich Lucius in Gedanken bereits, denn gegen den Ausbruch aus Askaban hatte er sich nicht wehren können. Die anderen Todesser hatten ihn einfach mitgenommen; hätte er sich gesträubt, hätten sie ihn sofort getötet. Das dem Gamot klarzumachen sollte ein Kinderspiel sein.

Sehr viel mehr hatte sich Lucius im Laufe seines Lebens nicht zu Schulden kommen lassen, aber die Anklagepunkte reichten völlig aus. Sieben Jahre würde er maximal erhalten, denn soweit hatte er seine Haftzeit bisher herunterhandeln können. Möglicherweise, hoffte Lucius, könnte er Arthur und Shacklebolt sogar noch das Leben ein wenig vermiesen, indem er auf den heimtückischen Gebrauch von Veritaserum aufmerksam machte. Das würde er jedoch nur in Erwägung ziehen, wenn die Verhandlung nicht nach seinen Wünschen verlaufen sollte. Was er von seinem Beistand Mr. Duvall zu halten hatte, darüber war sich Lucius noch nicht im Klaren.

Eben jener Mr. Duvall betrat gerade die Sicherheitsstation im Mungos, doch er ließ sich nach einem Gespräch mit Professor Puddle nicht zu Lucius führen, sondern zum Schwesternzimmer, wo der Professor ihn sich selbst überließ.

„Miss…“, sagte Mr. Duvall peinlich berührt, da er ihren Nachnamen nicht kannte.
„Miss Amabilis, aber Sie können ruhig Marie sagen“, legte sie ihm nahe, nachdem sie aufgeblickt hatte.
Mr. Duvall lächelte verlegen, bevor er scherzte: „Ich hätte Sie ja auch ’Sonnenschein’ rufen können.“
Sie lachte auf, bevor sie abwinkte: „Ja, so ist er manchmal.“
„Wie ist er sonst so?“ Mr. Duvall war ganz Ohr, nachdem er sie nach dem Patienten gefragt hatte.
Skeptisch fragte sie zunächst: „Warum wollen Sie das wissen?“
„Vielleicht könnte ich ihn vor dem Zaubergamot in ein besseres Licht rücken?“ Er schüttelte langsam den Kopf. „Sie müssen aber nicht mit mir reden, wenn Sie nicht…“
„Doch, ich würde schon gern. Wenn Sie reinkommen möchten?“

Sie führte ihn in das sehr kleine Schwesternzimmer. Im Mungos gab es von jeher viel mehr Heiler als Angestellte mit einer Ausbildung zur Pflege von Patienten. Der Grund war einleuchtend, denn die Patienten konnten nach der Einnahme eines Trankes oder der Behandlung mit einem Gegenzauber oftmals sofort wieder nachhause gehen. In diesem Krankenhaus wurde meist am gleichen Tag geheilt.

„Miss Amabilis, wie lange arbeiten Sie schon im Mungos?“, wollte er wissen, während er ein Stück Pergament vor sich ausbreitete und das Tintenfass in Reichweite stellte, bevor er seine weiße Feder einmal eintunkte. Sie betrachtete scheu die Gänsefeder in seiner Hand, so dass er versicherte: „Keine Sorge, das sind nur Notizen für mich, um vor der Gamotvorsitzenden für Mr. Malfoy sprechen zu können. Ich kann nicht einmal sagen, ob ich überhaupt etwas von dem, das Sie mir anvertrauen, wiedergeben werde. Und wie bereits erwähnt: Sie müssen nicht mit mir reden.“
„Es ist nur…“, begann sie zögerlich. „Mr. Malfoy hatte einmal Besuch vom Minister persönlich und von Mr. Shacklebolt erhalten und danach war er so aufgebracht gewesen…“ Sie seufzte und schüttelte den Kopf. „Ich möchte ihm nicht in den Rücken fallen, nur weil ich Ihnen Dinge sage, die seine Chancen vorm Gamot mindern könnten.“
„Miss Amabilis“, sagte er beruhigend, „ich werde nichts von dem, das Sie mir anvertrauen, gegen Mr. Malfoy verwenden. Im Gegenteil, ich bin sein Beistand.“
„Seit wann bekommt ein Gefangener einen Beistand vom Ministerium gestellt? Das kenne ich nur aus der Muggelwelt.“
„Sie kennen sich mit Muggeln aus?“, fragte er interessiert.
„Ja“, war ihre zurückhaltende Antwort, woraufhin er lächelte und sie verzückt die Grübchen betrachtete, die sich derweil auf seinen Wangen gebildet hatten.
„Um auf Ihre Frage zu antworten: Die Anweisung, dass jeder Inhaftierte oder Angeklagte einen Beistand erhalten soll, wenn er selbst keinen Fürsprecher für sich bestimmt, ist brandneu, erst wenige Tage alt.“ Er blickte ihr in die Augen, bevor sagte: „Wenn Sie sich mit Muggeln auskennen, dann auch mit einem Tribunal der Muggelwelt?“ Sie nickte. „Gut, dann brauche ich Ihnen nicht zu erklären, was ich vorhabe.“
Sie kniff misstrauisch die Augen zusammen, bevor sie laut vermutete: „Sie wollen ihn rausboxen?“ Er schmunzelte, zog eine einzige Augenbraue in die Höhe und nickte einmal zustimmend. „Aber warum?“, wollte sie wissen.
„Persönliche Gründe, Miss Amabilis.“
„Die Sie mir nicht nennen möchten…“
„Nein“, antwortete er schlichtweg.
„Dann glaube ich nicht, dass wir miteinander reden sollten. Ich will nicht in irgendetwas hineingezogen werden.“

Sie stand bereits auf, doch er beschwichtigte sie mit einer Geste seiner Hand, so dass sie sich wieder setzte.

„Wenn Sie es unbedingt wissen möchten…“
„Ja, möchte ich!“ Marie klang sehr fordernd.
„Ich kannte einmal einen Mann, der seine Angst und Verzweiflung vor Voldemort und dessen Anhängern nicht immer unterdrücken konnte. Ich war Zeuge dessen, wie die Furcht sein Leben bestimmt hat. Er hatte alles getan, damit der Ort, den er sein Heim nannte, verborgen blieb. Er war lange Zeit sein eigener Gefangener und hatte sich nur selten hinausgewagt“, schilderte Mr. Duvall. Weil Marie sich nicht äußerte, wurde er deutlicher. „Er war selbst ein Todesser, Miss Amabilis.“ Sie blickte ihn erstaunt an, hörte jedoch weiterhin zu. „Ich weiß, dass es sehr, sehr wenige gab, die sich aus harmlosen Gründen Voldemort angeschlossen hatten. Nicht weil sie Muggeln schaden wollten, sondern weil sie völlig eigennützig von dieser Verbindung profitieren wollten.“ Marie hatte auch die Zeitungen verfolgt, weswegen sie an Severus Snape denken musste, der sogar einen Merlin erhalten hatte. „Ich ahne“, sagte Mr. Duvall, „dass Sie in diesem Moment an einen dieser wenigen Todesser denken.“
„Was hatte es mit dem Mann auf sich, von dem Sie sprechen?“, fragte Marie, die nicht auf seine Bemerkung einging.
„Dieser Mann war Direktor meiner Schule gewesen. Ein sehr fähiger Mann, der Kindern und Jugendlichen gegenüber unerwartet freundlich gewesen war und seine Schützlinge unterstützt hatte, wo es ihm nur möglich war. Er war ein Jahr nachdem er sich öffentlich gezeigt hatte von Todessern umgebracht worden; ein Jahr nach Voldemorts Wiederauferstehung.“
„Sie meinen Karkaroff“, sagte sie ganz richtig.
Erstaunt über ihre korrekte Bemerkung erwiderte er: „Kannten Sie ihn auch?“
„Nein, nicht persönlich. Mein Cousin war in Durmstrang; der Neffe meines Vaters“, erklärte sie. „Ich habe über Karkaroff, wenn man dessen Vergangenheit mal außen vor lässt, nur Gutes gehört.“
Nickend bestätigte er ihre Aussage. „Er war ein ausgezeichneter Lehrer, diszipliniert und streng, wenn es angemessen war, aber er war leider mit einem Komplex belastet, den er durch Macht zu kompensieren versuchte.“ Mr. Duvall seufzte. „Ich bin davon überzeugt, dass Karkaroff die Dunklen Künste auf den Lehrplan gesetzt hatte, damit seine Schüler sich auch gegen Todesser zur Wehr setzen konnten, denn es war nie auszuschließen, dass sie seine Schule eines Tages stürmen könnten.“
„So ist es doch auch gekommen!“ Marie erinnerte sich an den Unfall ihres Cousins, der sich die Hüfte gebrochen hatte. „Die Todesser hatten Durmstrang einnehmen wollen, ich habe davon gelesen“, sagte Marie, die nicht dazu bereit war zu offenbaren, dass ihr Vater Dano Zograf war und der genannte Neffe damals den Hüter der bulgarischen Quidditch-Nationalmannschaft dargestellt hatte, von dem sie aus erster Hand einige Details kannte.
„Wie denken Sie im Nachhinein über Karkaroff?“, wollte Mr. Duvall wissen.
Marie hob und senkte einmal langsam die Schultern, sagte dann jedoch: „Er hat die Schüler auf eine mögliche Gefahr vorbereitet, hat vorausschauend gehandelt.“
„Ganz genau, doch man hatte ihm früher immer vorgeworfen, dass er die Kinder mit schwarzer Magie vertraut gemacht hatte.“ Mr. Duvall legte den Kopf schräg, als er mitleidig hinzufügte: „Karkaroff hatte ein Leben in Einsamkeit vorgezogen. Er hatte nach seinem Tod weder Frau noch Kinder hintergelassen.“

Die eigenen Hände betrachtend überlegte Marie, inwiefern sie Mr. Duvall über Mr. Malfoy Informationen geben durfte. Sie verstand jedoch, auf was Mr. Duvall hinaus wollte. Mr. Malfoy hatte eine Familie gehabt, konnte sich daher nicht einfach von Voldemort lösen. Dann wurde Marie wieder skeptisch.

„Ist Mr. Karkaroff wirklich der Grund, warum Sie Mr. Malfoy so enthusiastisch vertreten möchten?“, fragte sie vorwurfsvoll, weil sie ahnte, dass er ihr nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte.
„Glauben Sie mir bitte, Miss Amabilis, wenn ich Ihnen versichere, dass ich bei anderen Todessern wie Macnair, Rookwood und wie sie alle heißen wahrscheinlich keinen Finger krumm machen würde, aber bei Mr. Malfoy habe ich keinerlei Bedenken und außerdem kann ich meinen lieben Kollegen zeigen“, Mr. Duvall klang nun ein wenig verbittert, „dass ich der nicht unfähige, blasierte Schmeichler bin, für den Sie mich…“ Er stoppte sich selbst, doch Marie ahnte nun die tatsächlichen persönlichen Gründe, von denen Mr. Duvall anfangs gesprochen hatte.
„Sie wollen es Ihren Kollegen zeigen“, sagte sie als Fakt.
„Wissen Sie, warum man mir den Fall Malfoy gegeben hat?“ Ohne eine Äußerung ihrerseits abzuwarten offenbarte er missgelaunt: „Weil man davon ausgeht, dass trotz meiner Person Mr. Malfoy seine sieben Jahre nach Askaban gehen wird. Ich bin der Erste überhaupt, der als Beistand fungiert, Miss Amabilis. Daher gibt es auch niemanden, den ich fragen könnte, sollte mir etwas unklar sein. Man erwartet von mir, dass ich versage.“
„Was würde geschehen“, begann Marie, „wenn Sie trotz aller Mühe nichts bei Mr. Malfoy erreichen würden?“
„Dann wäre ich wieder einmal dem Spott meiner Kollegen ausgesetzt“, sagte er ehrlich und gab damit auch gleich die Antwort auf die Frage, was passieren würde, sollte er Vorteile für Mr. Malfoy herausschlagen.
„Warum mögen Ihre Kollegen Sie nicht?“, fragte sie vorsichtig.
Er schluckte, bevor er zugab: „Ich mache ’Dienst nach Plan’, das gefällt vielen nicht. Ich habe schon länger das Gefühl, dass man mich loswerden möchte, aber gerade weil ich sehr korrekt arbeite, hatte man bisher keine Gründe ausmachen können, die eine Kündigung rechtfertigen würden.“
Marie bemerkte, dass sich Mr. Duvall unwohl fühlte, so dass sie freundlich sagte: „Es wundert mich, dass Sie so offen mit mir reden.“
„Ich wundere mich ehrlich gesagt auch“, sagte er mit einem milden Lächeln.
Die Situation hinunterspielend sagte Marie scherzend: „Vielleicht ist es so, weil Sie endlich jemanden gefunden haben, bei dem Sie sich etwas Luft machen können?“
„Möglich“, erwiderte er zaghaft. „Vielleicht hat das aber auch mit dem Gefühl zu tun, Ihnen solche Dinge anvertrauen zu können?“

Einen Moment lang, den beide genossen, schauten sie sich in die Augen, bevor Marie das eigentliche Thema wieder zur Sprache brachte.

„Wenn ich Ihnen etwas über Mr. Malfoy erzählen sollte, dann können Sie davon ausgehen, dass ich ihn darüber unterrichten werde“, sagte sie ehrlich.
„Aber natürlich, ich hätte es ihm sowieso gesagt, doch wie Professor Puddle mir vorhin mitgeteilt hatte, wird Mr. Malfoy nach der Kaffeezeit zur Nachbehandlung gebeten. Deswegen wollte ich zunächst mit Ihnen reden.“
„Na gut, was genau möchten Sie wissen?“, fragte Marie.
„Meine erste Frage von vorhin lautete: Wie ist er sonst so?“
Sie spitzte die Lippen und zählte dann langsam auf: „Höflich, freundlich…“
„Zu allen?“, unterbrach Mr. Duvall.
„Nein, eher zu mir. Er mag bestimmte Pfleger und Schwestern nicht.“
„Warum das?“
„Mr. Malfoy sagte einmal über die anderen, sie seinen niederträchtig oder unfähig in ihrem Beruf“, rief sie sich ins Gedächtnis zurück.
„Aber Sie kommen mit ihm gut aus“, sagte er als Fakt, so dass sie nur noch bestätigend nickte. „Sind Sie reinblütig, Miss Amabilis?“
Sie kniff die Augen zusammen und fragte misstrauisch: „Was hat das damit zu tun?“
„Nun, wenn Sie reinblütig wären und die anderen Schwestern, mit denen Mr. Malfoy weniger gut auskommt, halbblütig oder sogar muggelgeboren, dann würde ich diese Information nicht verwenden wollen.“
„Ich bin halbblütig“, offenbarte sie, fragte jedoch gleich im Anschluss, „und Sie?“
„Ich definiere mich nicht über meine Abstammung, aber fairerweise möchte ich Ihnen antworten. Ich bin reinblütig.“ Er blickte von seinem Pergament auf und fragte: „Weiß Mr. Malfoy, dass Sie nicht reinblütig sind?“
„Ja, er hatte einmal gefragt.“
„Hat er das? Wie hat er auf Ihre Antwort reagiert?“
„Er wirkte sehr ruhig und nachdenklich, war aber weiterhin höflich“, antwortete Marie, während sie Mr. Duvall dabei zusah, wie er sich Notizen machte.
Er blickte auf und fragte sie: „Gab es jemals ein negatives Ereignis mit Mr. Malfoy? Hat er je Ärger gemacht?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, er sagt nur ab und an seine ehrliche Meinung, wenn ihm etwas nicht passt. Einmal, da hat er einen Eindringling vertrieben, der seinen Zimmergenossen ersticken wollte.“

Mr. Duvall bekam ganz große Augen, als er Maries detaillierter Schilderung über diese Nacht lauschte.

„Ich hoffe, Sie haben die Verwundung gut überstanden, Miss Amabilis.“
Sie lächelte schüchtern. „Ja, alles bestens. Man hatte mir sofort helfen können.“
„Das Ministerium weiß also von diesem Vorfall?“, fragte Mr. Duvall interessiert. Die Feder in seiner Hand zuckte.
„Ja, Mr. Shacklebolt und die damalige Miss Bones waren hier, um mit mir darüber zu sprechen. Die Erinnerung an den Vorfall müssten Sie im Ministerium finden, die habe ich nämlich Mr. Shacklebolt überlassen“, erzählte sie ihm gewissenhaft.
„Ah ja, Miss Bones, jetzt Mrs. Malfoy, wie ich unter anderem dem Tagespropheten entnehmen konnte. Wie hatte Mr. Malfoy darauf reagiert, dass sein Sohn eine Halbblüterin geheiratet hat?“
„Ich weiß nicht, wir sprechen kaum drüber. Er hatte mit seinem Sohn schon vorher ein paar Probleme. Sie reden nicht mehr miteinander, aber Mr. Malfoy liest jeden Brief, den sein Sohn ihm schickt; jeden und nicht nur einmal“, beteuerte sie.
Mr. Duvall lächelte zufrieden, bevor er sagte: „Ich danke Ihnen vielmals, Miss Amabilis. Falls ich noch Fragen haben sollte, dürfte ich dann…?“
Sie unterbrach lächelnd: „Aber sicher, Sie wissen ja, wo Sie mich finden können.“

Auf dem Gang kam gerade Lucius in Begleitung eines Pflegers von der Nachbehandlung zurück, was Mr. Duvall nicht entgangen war.

„Dann möchte ich mich ganz herzlich von Ihnen verabschieden“, sagte er und reichte Marie die Hand. „Ich werde nun einige Punkte mit Mr. Malfoy besprechen.“
Marie schenkte ihm ein Lächeln, bevor sie fragte: „Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“

In den Kerkern antwortete Hermine auf die gleiche Frage mit: „Ja gern, einen Tee.“ Severus nickte und schenkte ihr aus der Kanne ein, die er sich selbst gerade aus der Küche hatte kommen lassen. „Heute wird das Papier fertig oder?“
Erneut nickte Severus, bevor er antwortete: „Ja, der Trocknungsprozess müsste beendet sein. Wir werden später probieren, ob es auch funktioniert, denn wenn nicht, werden wir noch einmal von vorn beginnen.“ Weil sie ihn entgeistert anblickte, erklärte er: „Was soll ich sonst in Ihre Beurteilung schreiben? Dass Sie zwar mit Wasserhyazinthen gearbeitet haben, das Projekt jedoch fehlschlug? Macht sich nicht besonders, meinen Sie nicht?“
„Haben Sie so wenig Vertrauen in meine Arbeit?“
„Nein, aber die Möglichkeit besteht, dass uns unbemerkt ein Fehler unterlaufen sein könnte.“
„Damit werde ich mich erst befassen, wenn es mit dem Papier tatsächlich nicht funktionieren sollte“, sagte sie schnippisch, obwohl er mit seiner Befürchtung dafür gesorgt hatte, dass sie ein wenig unsicher geworden war.
Während sie die Produktion des Papiers in Gedanken wiederholte, um einen möglichen Fehler ausfindig zu machen, fragte er amüsiert: „Zweifeln Sie nun selbst an Ihrer Kompetenz?“
Sie kniff missgelaunt ihre Augenlider zu schmalen Schlitzen zusammen, bevor sie antwortete: „Sie haben eben gesagt, es würde die Möglichkeit bestehen…“
„Sie lassen sich von einer einzigen Bemerkung aus dem Sattel werfen“, stellte er fest.
„Weil die Bemerkung von Ihnen stammt! Hätte Ron solche Zweifel angebracht, würde ich mich nicht irremachen lassen“, konterte sie entrüstet, doch mit einem Male ging ihr ein Licht auf. „Oh verstehe, Sie haben das mit Absicht gemacht!“ Einer seiner Mundwinkel wanderte ein paar Millimeter nach oben, was ihn verraten hatte. „Warum?“, wollte sie wissen.
„Weil Sie sich in Bezug auf Ihre Arbeit nie von der Meinung eines anderen beeinflussen lassen sollten, Hermine. Was genau ich damit meine, werden Sie spätestens am eigenen Leib erfahren, wenn Sie Ihren Farbtrank vor Publikum vorstellen.“ Er hatte sehr gelassen geklungen.
Ein wenig eingeschüchtert fragte sie: „Meinen Sie, die würden mich noch auf der Bühne auseinander nehmen?“
„Was habe ich eben über die Meinung anderer gesagt?“
Sie rollte mit den Augen und erwiderte schmollend: „Aber es ist Ihre Meinung, die ist mir ein bisschen mehr wert als die von Fremden.“
„Haben Sie eigentlich weitere Tests mit Ihrem Trank durchgeführt?“

Auf eine Art und Weise fand sie es amüsant, dass er die Unterhaltung mit Leichtigkeit fortführen konnte, obwohl er auf einige ihrer Fragen gar nicht einging. Sein so lang vermisstes Interesse an ihrer Arbeit war wieder vorhanden und sie fragte sich heimlich, ob ihre Pastillen der Grund dafür sein könnten. Zumindest schien er wesentlich motivierter als zuvor.

„Ich habe Anne ein paar Ampullen mitgegeben. Sie will es an ihren Muggelfreunden testen. Ich wollte nicht, dass ein Zauberer anwesend ist, damit das Ergebnis nicht beeinflusst wird. Sirius wird ihr aber für diese Momente seinen Stab überlassen, damit die Muggel ihn mal in die Hand nehmen können.“ Sein skeptischer Blick war ihr nicht entgangen, weswegen sie sich zu rechtfertigen versuchte. „Sie halten sich ja auch nicht an Gesetze, also warum sollte ich? Es wird schon keiner an meinem Trank sterben.“ An seiner Mimik konnte sie erkennen, dass er ihr innerlich zustimmte. Sie erklärte, während sie ihre Tasse Tee vom Tisch nahm: „Es ist der Sekunden-Trank, den sie testet; der, den die Testperson selbst nicht sehen kann. Sollte etwas passieren, dann gibt sie mir ihre Erinnerung daran, damit ich es selbst sehen kann. Bisher hat sie vierzehn Muggel getestet und…“
Er unterbrach überrascht. „Vierzehn?“
„Sie haben mir doch selbst gesagt“, hielt sie ihm vor Augen, „dass ich viel mehr Resultate brauche, damit meine Ergebnisse nicht verfälscht wirken, wenn ich nur Eltern oder Freunde vorweisen kann.“
„Was ist mit Squibs?“
„Ich kenne leider keine und meine Fragerei hat mir auch nicht geholfen. Bis auf den, den Neville kennt, habe ich keinen mehr gefunden.“ Severus holte gerade Luft, um etwas zu sagen, da fügte sie schnell noch hinzu: „Ich frage nicht Filch, nur damit das klar ist!“
„Sie könnten ihm etwas untermischen“, empfahl er mit emotionsloser Miene.
Hermine winkte ab. „Wenn ich das mache, wird Albus davon erfahren und dann bekomme ich sicherlich Schimpfe.“
„Und hinterher einen Zitronenbrausebonbon“, fügte er hinzu.
„In dieser Schule bleibt kaum etwas vor ihm geheim. Aber wissen Sie was?“ Er spitzte die Ohren. „Do und Wo haben sich bereiterklärt, den Trank einzunehmen.“
„Wer bitte?“
„Ich meine die beiden Elfen, deren Namen ich nicht aussprechen kann, ohne dass sie sofort erscheinen würden. Beide wollen ihn mir zuliebe nehmen und auf die Ergebnisse bin ich wirklich gespannt. Vielleicht bekomme ich auch Fawkes dazu ihn zu trinken oder sogar ein Einhorn!“ Zum Ende hin war ihr Enthusiasmus kaum noch zu bremsen.
„Stecken Sie sich die Ziele nicht zu hoch, Hermine. Es würde momentan reichen, wenn Sie mit den Tests beim Menschen bleiben.“

Sie ließ sich seine Worte durch den Kopf gehen und kam ebenfalls zu der Ansicht, dass sie auch später noch für Tests an anderen Spezies Zeit hätte.

Ihre leere Tasse auf den Tisch stellend fragte sie: „Schauen wir jetzt nach dem Papier?“
„Aber sicher.“

Im Labor löste Hermine vorsichtig das Papier aus dem Sieb, während Severus eine flache Vorrichtung mit zwei Glasplatten an den Tisch brachte, die an der Innenseite mit einer Art Stoff überzogen waren.

„Wir müssen es nur noch pressen und glätten; beides können wir in einem Zug mit diesem Gerät erledigen.“ Die Vorrichtung legte er vorsichtig auf den Tisch, bevor er die oberste Scheibe wie einen Buchdeckel aufklappte, während Hermine den großen Bogen endlich aus dem Sieb gelöst hatte und damit zu ihm kam. „Mit der Schönseite nach unten, bitte“, wies er sie an, so dass sie die wesentlich glattere Seite nach unten legte. Die spätere Rückseite war durch das Siebmuster sehr rau und nicht zum Schreiben geeignet.
„Wann wird es fertig sein?“, wollte sie wissen, während er die zweite Glashälfte vorsichtig auf den frisch hergestellten Bogen presste.
„Ich würde sagen, in maximal zehn Stunden. Ich möchte ungern den Pressvorgang mit Zaubersprüchen beschleunigen, weil ich nicht weiß, ob es Auswirkungen auf das magische Papier haben könnte.“
„Was machen wir in der Zwischenzeit?“ Mutig schlug sie vor: „Wir könnte uns darüber unterhalten, was sich auf dem Dachboden befindet.“ Er ignorierte sie und befestigte langsam die Schrauben am Rande der beiden Glasscheiben, während sie weitere Vorschläge unterbreitete. „Oder Sie könnten mir auch sagen, warum Sie glaubten, mich hier im Schloss gesehen zu haben, wo ich doch Zeugen dafür habe, dass ich Harrys Wohnzimmer in der Zeit gar nicht verlassen habe. Wäre das nicht ein Thema?“ Mit einer Engelsgeduld zog Severus wortlos eine weitere der Schrauben fest, während er ihrer Stimme lauschte, als sie sagte: „Ich bin übrigens fest der Überzeugung, dass man Ihnen helfen kann und wissen Sie auch, warum?“ Er reagierte nicht, sondern machte sich an die nächste Schraube. „An dem Tag, als die Schüler zum Hogwarts-Express gebracht wurden, da hatte Harry in der großen Halle die Farben der Kinder gesehen!“ Sie wartete auf eine Äußerung seinerseits, doch sie wartete vergeblich. „Harry hat mir die Erinnerung daran gezeigt, wissen Sie? Sie waren an dem Tag ebenfalls dabei, Severus; haben sich einen Weg durch die Schülermengen erkämpft. Harry hat Ihre Farben auch gesehen.“ Nur für einen kurzen Moment hatten seine Finger innegehalten, bevor sie zur nächsten und letzten Schraube übergingen. Hermine betrachtete seine Hand, die vorsichtig den Verschluss zuzog, während sie leise zugab: „Harry hat auch Remus die Erinnerung gezeigt.“

Ein Knacken war zu hören und gleich darauf ein wütendes Schnaufen. Severus hatte die letzte Schraube mit einem Male viel zu fest gezogen, so dass das Glas drumherum gebrochen war. Gelassen nahm Hermine ihren Zauberstab in die Hand und sprach einen Reparo, so dass die Risse aus dem Glas verschwanden.

„Das ist kein Beinbruch, Severus“, sagte sie ruhig. Sie hatte sich absichtlich so ausgedrückt, dass er ihre Worte entweder auf das gebrochene Glas beziehen konnte oder auf die Tatsache, dass nun sogar Remus seine Magiefarbe kannte.
„Ich weiß, was Sie beabsichtigen!“, zischte er böse. Er türmte sich vor ihr auf, doch sehr viel größer als sie war er nicht. Sein Einschüchterungsversuch hätte bei ihr Wirkung gezeigt, wäre sie noch eine Erstklässlerin, aber sie fühlte sich ihm ebenbürtig. Fragend blickte sie ihn an, so dass er deutlicher wurde und ihr verärgert vorwarf: „Sie wollen mich reizen!“
Die Nerven behaltend nahm sie sich vor, ihn mit einem Scherz wieder versöhnlich zu stimmen, weswegen sie sich seine Worte zurechtbog und verschmitzt lächelnd konterte: „Ach Severus, wenn ich Sie reizen wollte, würde ich mir einfach etwas anderes anziehen.“

Es war ein Wohlgenuss für sie, seine entgleisenden Gesichtszüge betrachten zu dürfen, an denen sie sich einen Moment lang ergötzte, bevor sie es sich erlaubte breit zu grinsen und ihn keck mit den Ellenbogen anzustoßen.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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154 Papier ist geduldig




Am nächsten Tag, noch vor Silvester, machte Hermine mit Ginny und Harry einen Ausflug in die Winkelgasse, wo sie ein Geburtstagsgeschenk für Severus besorgen wollte. Das genaue Datum hatte sie sich seit Jahren aus der Geburtsanzeige behalten, die sie einmal im Tagespropheten gesehen hatte, doch sie hatte sich nochmals erkundigt, ob ihr Gedächtnis sie nicht trügte. Albus hatte es ihr bestätigt: der 9. Januar. Severus hatte im kommenden Jahr auf einen Freitag Geburtstag, genau wie sie in diesem Jahr hatte.

„Was willst du ihm schenken?“, frage Harry, der wie verzaubert vor einem Schaufenster stand und sich Quidditch-Utensilien betrachtete.
„Auf jeden Fall kein Buch!“ Wegen Hermines trotzig wirkender Aussage wandte er seinen Blick vom Schaufenster ab und starrte sie verdutzt an, so dass sie erklärte: „Er rechnet bei mir mit einem Buch, also bekommt er keines.“ Leise murmelnd, doch noch immer für beide verständlich fügte sie hinzu: „Ich bin ja nicht berechenbar.“

Ginny lachte, während sie arge Mühe hatte, Harry von dem Sport-Shop wegzuziehen, damit sie sich durch die vielen Menschen weiter durch die Winkelgasse kämpfen konnten.

„Wie wär’s mit irgendwas Schwarzmagischem?“, fragte Harry.
Das Ehepaar, welches die drei gerade passiert hatte, blickte ihn mit großen Augen an, so dass Hermine empfahl: „Könntest du so etwas bitte ein wenig leiser sagen? Außerdem hatte ich ihm bereits einen Gutschein für Borgin & Burke's zu Weihnachten geschenkt. Es sähe ein wenig einfallslos aus, wenn ich nochmal mit einem ankäme.“
Ginny hakte sich bei Harry unter und sagte an Hermine gewandt: „Warum fragst du nicht einfach Draco, was man Snape schenken könnte?“
„Ich will selbst etwas finden“, antwortete Hermine, während sie sich einen Überblick über die Läden in der Gasse verschaffte.
Harrys Augen glänzten, als er vorschlug: „Besuchen wir noch kurz Fred und George, wenn wir schon hier sind?“
„Nachher, Harry“, beruhigte Hermine ihn. „Vorher möchte ich ein Geschenk finden.“
Nachdem Ginny über einen großen Matschhaufen aus dreckigem Schnee und Schlamm gehüpft war, machte sie den nicht ganz ernst gemeinten Vorschlag: „Kannst ihm ja Feuerwerkskörper mitbringen.“

„Da drüben, wir könnten zu ’Phantasmplantare’ reingehen“, sagte Hermine, die ihre beiden Freunde bereits in die Richtung drängte.
„Mmmh“, machte Harry. „Einem Zaubertrankmeister Trankzutaten schenken? Na, ich weiß ja nicht, ob das origineller ist.“
„Ich will ja nur mal schauen oder fällt dir was anderes ein?“
Während die drei den Laden betraten, in welchem Hermine bisher nur einmal gewesen war, als Severus sein bestelltes Drachenei hatte zurückgehen lassen, da fragte Ginny: „Mag er Süßes?“
„So etwas wird sicherlich Remus besorgen“, antwortete sie gewissenhaft, während ihr Blick bereits über die Trankzutaten schweifte.
Von der kleinen Glocke an der Tür war Mr. Heed aufmerksam geworden, so dass er aus dem Lager in den Verkaufsraum trat und höflich fragte: „Darf ich Ihnen behilflich sein?“
Hermine drehte sich um und sagte: „Nein danke, ich möchte mich erst einmal umschauen.“
„Selbstverständlich“, sagte Mr. Heed und nickte ihr einmal zu. In diesem Moment kam eine ältere Frau in den Laden und Mr. Heed wandte sich zuvorkommend an seine neue Kundin, so dass die drei in Ruhe in den Regalen stöbern konnten.

Hier und da nahm Hermine ein Fläschchen mit Flüssigkeit oder ein Glas mit Pulver in die Hand und las das Etikett, doch alles stellte sie enttäuscht zurück. Im Hintergrund hörte sie die Kundin fragen: „Ich suche etwas für meinen Enkel zum Geburtstag. Eine kleine Auswahl an Zutaten, damit er noch vor der Schule ein wenig üben kann.“
„Wie alt wird der liebe Enkel denn?“, fragte Mr. Heed.
„Er wird nächste Woche neun Jahre alt“, antwortete die Kundin, so dass Mr. Heed sich bereits mit dem gezückten Zauberstab den Regalen zuwandte. „Wenn möglich“, fügte die Kundin an, „sollte nichts dabei sein, mit dem er Schaden anrichten kann.“
„Keine Sorge, ich denke, für diese Alterklasse habe ich etwas Passendes. Einen Moment.“

In diesem Augenblick drehte Hermine sich um und sah, wie Mr. Heed aus den obersten Regalen eine große Kiste per Aufrufezauber zu sich holte, die er öffnete, um der Kundin den Inhalt zu präsentieren. Er zeigte der Dame die Zutaten und teilte ihr mit, um was es sich handeln würde. Jede einzelne Zutat hatte Hermine selbst in der ersten Klasse bereits kennen gelernt.

„Hermine“, sagte Ginny leise. „Sieh mal, das Ei einer Aschwinderin.“ Sie hielt Hermine eine durchsichtige Packung vor die Nase.
„Und was soll er damit anstellen?“, fragte sie plump zurück. „Einen Amortentia brauen? Außerdem hat er solche Eier längst. Alles, was hier steht, steht auch in seinem Vorratsschrank. Ich weiß nicht…“ Hermine verfiel in das, was Harry gern ihre Grübelstarre nannte. Mit einem Knuff am Arm war sie schnell wieder in der Realität, so dass sie eher zu sich selbst sagte: „Etwas Ausgefallenes sollte es sein.“
Harry nahm Ginny die Packung mit dem Ei ab, um es sich anzusehen, da sagte er nebenher: „Dann frag den Verkäufer, wenn du nichts findest.“

Während Ginny und Harry sich weiterhin Zutaten ansahen, die sie nie in ihrem Leben gesehen hatten, stellte sich Hermine hinter die Kundin, die sich für das fertige Zaubertrank-Set für Kinder entschieden hatte. Mr. Heed bemerkte Hermine und sagte, während er das Set in Geschenkpapier einwickelte: „Einen Moment bitte, ich bin gleich für Sie da.“ Hermine lächelte und nickte.

Nachdem die Dame endlich bezahlt hatte und gerade den Shop verließ, sagte Hermine: „So ein Set wäre nicht schlecht.“
„Soll es ein Geschenk werden?“, fragte Mr. Heed. Hermine bestätigte wortlos, so dass er noch fragte: „Haben Sie eine bestimmte Vorstellung?“
„Es sollte etwas Außergewöhnliches sein, nichts Übliches.“
„Verstehe“, sagte der Verkäufer lächelnd. „Einhornhaar vielleicht?“
„Nein, ich meine wirklich ausgefallen“, machte Hermine deutlicher. „Vielleicht etwas, das man hier bei Ihnen nicht im für Kunden zugänglichen Verkaufsbereich findet?“
Der Verkäufer zog eine Augenbraue in die Höhe und fragte dann: „Wie alt wird denn der Kleine?“
Sie blinzelte ein paar Mal, bevor sie belustigt erwiderte: „Der ’Kleine’ wird 44 Jahre alt.“

Mr. Heed lachte einmal kurz auf, weswegen Ginny und Harry sich zu ihm umdrehten. Mit einer freundlichen Miene wollte er wissen: „Welchen Beruf übt der junge Mann denn aus?“
„Er ist Lehrer für Zaubertränke.“
Die Augenlieder ein wenig zusammenkneifend deutete er mit einem Finger auf sie und sagte: „Jetzt weiß ich auch, warum Sie mir bekannt vorkommen. Sie waren schon einmal in meinem Laden und zwar zusammen mit Professor Snape.“ Sie nickte bestätigend. „Dann wollen wir den Professor mal nicht mit Einhornhaar langweilen. Wie wäre es mit richtigen Raritäten?“
„Ähm, solange es nicht zu teuer wird.“ Sie hatte sich gar keine Gedanken darüber gemacht, wie viel sie für Severus ausgeben wollte. Andererseits hatte er ihr einen Kniesel geschenkt und der war bestimmt nicht preiswert gewesen.
„An welche Preisklasse dachten Sie so, Mrs…?“
„Miss Granger“, stellte sie sich zunächst vor, „und ich weiß es nicht. Ich wollte erst einmal schauen, was Sie so haben. Ich würde maximal 100 Galleonen ausgeben, aber nicht mehr.“ Hermine wollte nicht verraten, dass sie im Moment gar nicht mehr als 100 Galleonen mit sich führte.
„Wie wäre es mit Acromantulagift? Ich wette, davon befindet sich nichts in seinem Besitz.“ Hermine nickte, denn das Gift der Riesenspinnen hatte sie bei ihm wirklich noch nicht gesehen.

Mr. Heed öffnete eine Schublade hinter seinem Tresen und holte ein dunkelgrünes Fläschchen hervor, welches er ihr zur Ansicht gab. Das sind 300 Milliliter, die Standardmenge, die wir hier vertreiben“, erklärte er. „Sie können gern den Korken entfernen und dran riechen, um die Qualität zu prüfen, aber achten Sie bitte darauf, dass sie nichts an die Finger bekommen.“
Davon überzeugt, dass Mr. Heed nicht noch einmal eine schlechte Zutat für Severus wählen würde, sagte sie: „Nein, ich glaube Ihnen, dass es eine gute Qualität hat.“
Er nickte, bevor er eine weitere Zutat vorschlug: „Wie sähe es mit Graphorn-Pulver aus?“
„Ich glaube, das hat er auch nicht“, antwortete Hermine, der auf einmal ganz schlecht wurde, denn der Verkäufer hatte bisher zwei der teuersten Trankzutaten genannt, die es auf der Welt gab.

Kurz im Lager verschwindend kam er mit einem Glas zurück, in welchem gräuliches Pulver zu finden war. Wieder reichte er es ihr, so dass sie das Etikett lesen konnte. Das Glas und das Fläschchen mit dem Gift stellte sie auf den Tresen, denn beides würde sie nehmen wollen.

„Venemosa Tentacula?“, fragte Mr. Heed mit einer hochgezogenen Augenbraue.
„Oh, die züchten wir in Hogwarts!“ Hermine war auf einmal ganz stolz, dass Pomona solche teuren Pflanzen selbst zog.
„Mmmh“, machte der Herr, als er sich weitere seltene und preisintensive Zutaten ins Gedächtnis rief. „Vielleicht etwas vom Erumpent?“
„Nein, das ist mir zu explosiv“, winkte sie ab, denn sie wollte nicht riskieren, dass ihr auf dem Weg zum Geschäft der Zwillinge vielleicht noch die Einkaufstüte detonierte. „Was würde denn das Gift und das Pulver zusammen machen?“
„64 Galleonen, für Sie nur sechzig, Miss Granger. Vielleicht darf’s noch eine andere Aufmerksamkeit sein? Ein besonders stabiler Kessel? Wir haben auch selbst-umrührende und faltbare Kessel im Sortiment.“
„Ich glaube, so ein Schnickschnack ist nichts für ihn.“ Jetzt machte sich auch Hermine Gedanken darüber, was man noch wählen könnte.
„Ein Messer, das alles schneidet? Wenn er so eines noch nicht haben sollte…“
„Er nimmt immer meines“, unterbrach Hermine und wurde sich plötzlich darüber bewusst, dass Severus nicht ein einziges Mal gefragt hatte, ob er es benutzen dürfte.
„Ein Mörser-Set aus Achat würde bestens zum selbst erstellten Geschenkset passen; Mörser kann man nie genug haben.“

Der Herr zeigte ihr einen wunderschön hellblauen Mörser mit passendem Stößel aus Achat. Beinahe hätte sie aufgrund des schicken Aussehens zugegriffen, doch es ging hier nicht um die Schönheit, sondern um die Funktion und Mr. Heed hatte Recht, denn Mörser konnte man nie genug haben.

„Den nehme ich dann auch. Was macht das alles zusammen?“, fragte Hermine, die bereits ihren Geldbeutel zückte.
„Wir wären dann bei 73 Galleonen, Miss Granger.“
„Gut, dann nehme ich die drei Sachen.“
„Soll ich es gleich als Geschenk einpacken?“, fragte er höflich und sie nickte, denn dann könnte sie sich diese Arbeit sparen. „Sie wissen es sicher“, sagte Mr. Heed, während er bereits Papier herbeizauberte, „dass Sie diese Waren vor übermäßigem Sonnenlicht schützen müssen.“ Hermine nickte erneut.

Den Laden verlassend sagte Harry: „Das hat ja eine halbe Ewigkeit gedauert. Ich hoffe, du hast jetzt alles.“
„Ich weiß nicht, ich würde ihm ja gern noch was schenken. Das Gläschen mit dem Pulver und die Flasche mit dem Gift sind nicht gerade groß.“
„Hermine“, sagte er und legte seinen Arm in freundschaftlicher Geste um ihre Schulter. „Es kommt doch nicht auf die Größe an.“

„Weasleys Zauberhafte Zauberscherze“ war brechend voll, denn Fred und George hatten schon vor Wochen ihre neuen Feuerwerkskörper für Silvester in den Tageszeitungen per Anzeige angepriesen.

„Ist das nicht“, begann George und Fred beendete den Satz, „unsere kleine Schwester?“
„Hi, ihr zwei“, grüßte Ginny strahlend. „Wie geht’s euch beiden?“
George präsentierte mit beiden Händen die vielen Kunden und Fred sagte: „Die kaufen uns den Laden leer! Wenn ihr etwas Bestimmtes sucht…“
George führte den Satz mit leiser Stimme zu Ende: „…dann finden wir sicherlich noch etwas im Lager.“
„Ach…“ Harry wirkte ein wenig nachdenklich, während er eine Packung mit Knallbonbons betrachtete. „So ein paar Knaller würde ich schon gern für Silvester kaufen.“
„Du, Harry, musst hier gar nichts kaufen!“, stellte Fred klar und Harry rollte daraufhin mit den Augen. Die Zwillinge gaben ihm noch immer alles umsonst, was er aus ihrem Laden haben wollte, nur weil er ihnen damals das Startkapital für das Unternehmen geschenkt hatte.

George näherte sich Hermine, die sich vor einem Regal stand und die Verkaufshits betrachtete. „Na, meine Gute? Vielleicht nochmal Interesse an einem ’Tagtraumzauber’?“
Sie grinste verstohlen, sagte jedoch: „Ich bin aus dem Alter raus, mich in ein romantisches Piratenabenteuer zu stürzen.“ Andererseits war die Erinnerung an die halbstündige und sehr real wirkende Abwechslung extrem verführerisch. „Obwohl…“ Sie hielt inne und kämpfte mit sich.
„Für dich auch nur zum halben Preis“, flüsterte George ihr zu und machte ihr somit die Entscheidung nur noch schwerer.
„Du bist gemein, George!“, schimpfte sie, doch sie beruhigte sich sehr schnell und Verzückung spiegelte sich in ihrem Gesicht wider. „Gilt der halbe Preis auch, wenn ich zwei nehme?“
Breiter konnte George gar nicht mehr lächelnd. „Zwei gleich? Nicht dass du mir abhängig wirst.“
„Nein, das passiert schon nicht“, versicherte Hermine, denn den anderen würde sie verschenken. „Habt ihr denn noch die Piratenabenteuer im Angebot?“
„Ja, aber wie du schon gesagt hast, bist du ja aus dem Alter raus. Wir hätten…“ Er nahm sie am Arm und führte sie durch die vielen Menschen zu einem Regal. „Wir hätten beispielsweise das ’Urlaubs-Abenteuer’ und es stehen zehn verschiedene Länder zur Auswahl. Magst du Bergsteigen oder Skifahren?“ Er zeigte auf eine andere Box. „Hier haben wir den ’Ich-bin-ein-Held’-Traum…“
„Den brauche ich wirklich nicht“, nörgelte Hermine.
„Oder wie wäre es mit dem ’Kindheits’-Traum? Du bist mit Hilfe dieser kleinen Box im Nu wieder ein Kind, Hermine. Das ist besonders bei den älteren Zauberern und Hexen absolut begehrt!“
„Ich bin erst vierundzwanzig und kann mich noch sehr gut an meine Kindheit erinnern.“
„Na dann…“ Er kam näher an sie heran und flüsterte ihr ins Ohr: „Wir haben da auch eine Abteilung für über Achtzehnjährige, wenn du verstehst, was ich…“
„George!“, wies sie ihn empört zurecht.
„Dann eben nicht. Nimm einfach den ’Überraschungs’-Traum. Da weißt du wirklich nicht, was dich erwartet; aber es ist definitiv nichts Schlechtes“, empfahl er und nahm eine der Boxen aus dem Regal, auf der tatsächlich fettgedruckt „Überraschungs“-Traum stand.
„Mit welcher Art Überraschung muss ich da rechnen?“, fragte sie zögernd.
„Wenn ich das verraten würde, dann wäre es doch keine mehr, oder? Angst brauchst du nicht zu haben. Die sind wie die anderen ab sechzehn Jahren freigegeben, Hermine. So ein Überraschungstraum ist nichts anderes als einer aus dem gesamten Sortiment und wir haben mittlerweile 142 verschiedene Tagtraum-Themen im Angebot. Ich empfehle den immer, wenn ein Käufer unentschlossen ist“, erklärte George und Hermine ließ sich tatsächlich zwei von den Überraschungs-Boxen zum Preis von einem geben.

Zuhause in Hogwarts verstaute Hermine die Geschenke in einem Schrank im Schlafzimmer und suchte nach dem Mittagessen Severus auf, der bereits auf sie wartete. Er war heute bis auf ein paar Anweisungen, die er gab, nicht sehr gesprächig und warf ihr darüber hinaus skeptische Blicke zu oder beobachtete sie aus den Augenwinkeln, was sie durchaus bemerkte. Während sie das Papier aus der kleinen magischen Pressvorrichtung löste, dachte sie darüber nach, weshalb er so verstimmt sein könnte. Und sie fragte sich, ob sie ihn auf die Pastillen ansprechen durfte, ohne dafür auf seine bösartige Art angefahren zu werden.

„Sagen Sie den letzten Zauberspruch, bevor wir den Bogen teilen“, wies er sie knapp an, so dass sie ihren Stab zückte und laut Buch den entsprechenden Spruch anwandte. „Schneiden es mit Ihrem Messer.“ Vom Tisch nahm sie das Messer zur Hand, um das Blatt in der Mitte mit Hilfe einer Art Lineal sauber zu teilen.
Sie reichte ihm eine der Hälften und sagte voller Vorfreude: „Probieren wir es aus!“

Beide nahmen sich eine Feder, doch keiner wagte den Anfang.

„Beginnen Sie, Hermine.“ Eine weitere Aufforderung benötigte sie nicht, denn sie schrieb auf das frisch hergestellte Blatt die Worte „Hallo Severus“. Er betrachtete die Buchstaben, die nacheinander auf seinem Bogen sichtbar wurden, bevor er spottete: „Wirklich sehr geistvoll.“
„Es ist doch egal, was ich schreibe; wir wollen ja nur sehen, ob es funktioniert“, konterte sie missgelaunt, weil sie seinen Spott nicht duldete.
„’Hallo Severus’ ist auf diesem Papier eine genauso große Verschwendung wie ein antikes, sprechendes Gemälde von Merlin, welches man auf dem Klosett aufhängt.“
„Ich hab’s ja verstanden!“ Sie hatte sehr grantig geklungen, was ihm nicht entfallen war.

Einen Augenblick nachdenkend schrieb Hermine erneut etwas auf das Blatt, diesmal viel mehr. Severus beobachtete ihre Handschrift, die auf seiner Hälfte sichtbar wurde. Sie schrieb:

„An der Seite meines Freundes bin ich häufig,
uns’er beider Namen sind jedermann geläufig.
Wenn er sich nährt, erscheine ich,
er ist beliebt, mich mag man nicht,
wenn meinerseits Gestank ausbricht.

Uns gab es schon immer, wir war’n nie lebendig,
aber in Bewegung sind wir zusammen ständig.
Du kannst mich sehen, aber nicht herzen,
greifst du nach ihm, dann wird es schmerzen.
Ich vermag übrigens Wände zu schwärzen.

Ich sag kein Wort und sprech doch Bände.
Meinen Freund leg nie in Kinderhände,
denn tödlich können wir beide sein.
Ich nehm dir den Atem, lass dich allein,
er wird dich verzehren, bis hin zum Gebein.“

Erstaunt zog Severus eine Augenbraue in die Höhe, während er alles noch einmal las und dann das Blatt Papier wortlos weglegte.

„Was denn?“, fragte sie verdutzt. „Ist Ihnen das auch nicht anspruchsvoll genug für einen simplen Test?“
„Ich werde mich später damit befassen“, erwiderte er.
„Wissen Sie, von was ich geschrieben habe oder wer der ’Freund’ ist?“, stocherte sie nach.
„Ich sagte eben, dass ich mich später damit befassen werde. Ich habe wahrlich Besseres zu tun als meine Zeit mit mittelmäßigen Reimen zu vergeuden.“
„Mittelmäßig?“, wiederholte sie erbost. „Denken Sie sich mal in weniger als fünf Minuten so etwas aus, das ist alles andere als einfach!“ Sehr viel ruhiger sagte sie: „Ich dachte, Sie mögen Rätsel.“ Hermine zog betreten einen Flunsch.

Zusammen machten sie Pläne für weitere Tests mit ihrem Farbtrank. Er sprach mittlerweile sogar an, auf was man achten müsste, sollte sie den Farbtrank vor anderen Tränkemeistern vorstellen. Auch über spätere Projekte redeten sie sehr lange, bis es so spät geworden war, dass Hermine sich auf den Weg in den vierten Stock machte; die eine Hälfte des Blattes hatte sie mitgenommen. Auch Severus hatte seine Hälfte des Bogens mit in seine privaten Räume genommen. Während Hermine im Bett saß und ein Buch über seltene Wasserpflanzen las, nahm er sich seine Hälfte vor, um ihre Worte nochmals zu lesen.

Er benötigte sehr lange für ihr Rätsel, aber das lag nicht daran, dass es sonderlich schwer war, sondern weil er in Gedanken ständig die letzten Ereignisse und Informationen wiederholte. Lupin, dachte er, wüsste nun von seiner Magiefarbe und doch hatte er sich ihm gegenüber weiterhin freundlich verhalten; ihn nicht auf den Arm genommen. Harry war die ganze Zeit über wie immer gewesen. Worüber sich Severus am meisten den Kopf zerbrach war Hermine und ihre unnachgiebige Art in seinen persönlichen Belangen zu schnüffeln. Er wollte endlich, dass sie damit aufhörte. Sie sollte ihn nicht mehr ständig mit Dingen konfrontieren, die ihn aus dem Gleichgewicht brachten. Alles, was damals geschehen war, wollte er nur noch vergessen; unter den Teppich kehren. Er würde auch so weiterleben können. Irgendwie.

Gar nicht schlau wurde er aus dem Spiegel auf dem Dachboden. Er war sich nicht sicher, ob er auch normale Reflexionen zeigen konnte, denn wenn ja, dann war Hermine ihm oder nur ihrem Kater gefolgt, doch sie beteuerte das Gegenteil, hatte sogar Zeugen. Wenn Nerhegeb jedoch nicht zusätzlich wie ein normaler Spiegel funktionieren würde, dann wäre er möglicherweise defekt, mutmaßte Severus, denn er fand keine Erklärung dafür, dass Hermines Spiegelbild auf ihn gehört und gegangen war.

Severus seufzte, bevor er seine Konzentration wiederfand und sich von ihrer Handschrift beschwichtigen ließ. Mit den Augen verfolgte er besonders die Form des geschwungenen kleinen „g“, das es ihm angetan hatte und dann, ganz unerwartet, fiel ihm die Lösung ein.

Mit der Feder von seinem Nachttisch schrieb er unter ihr Rätsel: „Sie meinen den Rauch, der Freund ist das Feuer.“

Gerade wollte er seinen Bogen auf das Tischchen zurücklegen, da erschien ihre Handschrift und sie schrieb: „Sie sind noch wach?“
Um sich zu vergewissern, schaute er nach der Uhrzeit. Es war kurz nach drei Uhr nachts, so dass er zurückschrieb: „Sie doch auch.“
„Ich lese“, erklärte sie knapp.
Bevor er den Entschluss fassen konnte, den schriftlichen Gedankenaustausch abzubrechen, schrieb seine Hand bereits von ganz allein: „Was?“
„Kap. 10; ’Schützende Hände’. Was machen Sie?“, erwiderte sie ungeniert, weswegen er kräftig schlucken musste. Gerade erst hatte er daran gedacht, wie beharrlich sie war und jetzt hielt sie ihm vor Augen, dass sie sich auch noch um diese späte Uhrzeit mit seinem Problem befasste.
„Sie sollten sich zu Bett begeben“, riet er.
„Ich bin im Bett“, schrieb sie zurück.
„Dann sollten Sie schlafen“, empfahl er ihr, bevor er noch schnell anfügte, „und bringen Sie mir morgen das Buch zurück.“ Sie würde sowieso nicht dahinter kommen, dacht er. Das Buch befasste sich viel zu oberflächlich mit dem, was er damals getan hatte.
„Was passiert eigentlich, wenn wir unten am Blatt angekommen sind?“, wollte sie noch wissen.
Ein wenig erbost darüber, dass sie seinen Ratschlag in den Wind schlug, erwiderte er: „Das werden Sie sehen, wenn es soweit ist.“
„Es ist ja nicht mehr viel. Schreiben wir noch ein wenig, bis wir das Ende erreicht haben?“, schlug sie vor.

Es war gerade mal die Hälfte des Blattes beschrieben. Er hätte wissen müssen, dachte er, dass sie so neugierig war und herausfinden wollte, was bei dem voll geschriebenen Blatt mit der Schrift passieren würde, denn er hatte ihr während der Arbeit erklärt, dass man den Bogen bis zu 1000 Mal verwenden könnte.

Womöglich könnte sie nicht schlafen, sollte er ihrem Wunsch nach einer Erklärung nicht nachkommen, doch bevor er fragen konnte, über was sie sich austauschen wollte, erschien auf seiner Hälfte die Frage: „Was haben Sie von Remus zu Weihnachten bekommen?“
„Raten Sie.“
„Schokolade?“
„Treffer!“, schrieb er, bevor er kurz zu seinem Nachttisch hinüberschaute, auf welcher die kleine Schachtel mit handgemachten Trüffel-Pralinen lag, die nur noch halbvoll war.
„Haben Sie ihm was geschenkt?“, wollte sie tatsächlich wissen.
Severus schnaufte, obwohl es niemand außer ihm und seinem Hund, der am Fußende lag, hören konnte, bevor er die Feder schwang und antwortete: „Er bekommt jeden Monat seinen Trank, das ist genug.“
„Harry hat sich sehr über Ihr Geschenk gefreut“, schrieb sie im Anschluss. Für einen Moment kam Wut in ihm auf, weil er glaubte, dass sein Kollege dieses sehr private Geschenk womöglich herumgezeigt haben könnte. Als hätte sie seine Gedanken gelesen beteuerte sie: „Er wollte es allein sehen.“ Erleichterung gewann wieder die Oberhand.
Severus tauchte die Spitze seiner Feder ins Tintenfass, bevor er ihr empfahl: „Schreiben Sie größere Buchstaben, damit wir uns endlich dem Ende des Papiers nähern.“
Für eine kurze Weile erschien nichts und Severus hoffte, dass sie bereits eingeschlafen sein würde, doch dann, allerdings mit nur halb so großer Schrift, schrieb sie zurück: „Macht doch aber Spaß.“
„Gehen Sie und malträtieren Sie Ihren Kniesel.“
„Der liegt auf meinem Bauch“, offenbarte sie ihm und er erinnerte sich schlagartig an den Moment in Aberdeen, als sie ihm mitten in der Nacht, als beide nicht mehr schlafen konnten, von den Vorlieben ihres Haustieres berichtet hatte.
„Wie schreiben Sie im Liegen mit einem Tier auf Ihrem Bauch?“, wollte er wissen, weil er sich das recht umständlich vorstellte.
„Ich benutze das Schreibfederset von Ihnen. Ich habe die Federn mit meiner Handschrift geprägt. Sieht man einen Unterschied zu meiner Originalhandschrift?“

Es war ein wenig enttäuschend, dass sie nicht wie er mit der Hand schrieb, doch dann stellte er sich vor, wie das Szenario aussehen könnte. Sie lag im Bett und streichelte ihr Haustier, während das Blatt Papier vor ihr schwebte und die magische Feder die Worte notierte, die sie laut von sich gab, ganz als würde sie mit ihm reden.

„Kein Unterschied“, erwiderte er bündig.
„Wenn Sie immer so wenig schreiben, dann haben wir das Ende des Blattes vor dem Frühstück noch nicht erreicht“, stichelte sie frech, so dass er genervt seufzte. Gleich darauf erschien noch etwas Geschriebenes. „Ich habe Sie bis in den vierten Stock seufzen hören!“ Er musste schmunzeln, weil er sich ihr unterdrücktes Lächeln vorstellen musste, welches mit Sicherheit in diesem Moment ihr Gesicht zierte. Gerade setzte er seine Feder an, da erschienen erneut Worte von ihr, was ihn nicht verwunderte, denn es ging mit einer magischen Feder wesentlich schneller, etwas zu Papier zu bringen. Sie wollte ihn neugierig machen, indem sie preisgab: „Ich habe ein Geburtstagsgeschenk für Sie!“
„Das ist nicht notwendig“, schrieb er zurück und doch war er gespannt darauf, was sie ihm wohl schenken könnte. Seiner Meinung nach würde es sich um ein Buch handeln oder sogar um etwas Schwarzmagisches.
„Ich habe es schon gekauft und Sie bekommen es auch, selbst wenn Sie nicht wollen.“
„Ich hoffe nicht“, begann Severus, „dass Sie jedem meine persönlichen Daten anvertraut haben.“
Sie ging gar nicht auf seine Befürchtung ein sondern fragte schlichtweg: „Feiern Sie?“
„Nein! Und ich lege Ihnen nahe, sich nicht auf so eine Albernheit wie die Organisation einer Überraschungsfeier zu stürzen, denn ich kann Ihnen im Voraus versichern, dass ich das nicht schätzen werde!“
„Ich bin doch nicht lebensmüde“, schrieb sie gelassen zurück und besänftigte ihn damit einigermaßen.

Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war ein für ihn unangenehmes Zusammentreffen mit Menschen, die er nicht sehen wollte. Er mochte keine Überraschungen; in seinem Leben hatte es genug davon gegeben. Mit Genugtuung bemerkte Severus, dass auf dem Blatt nur noch wenig Platz vorhanden war und er ging davon aus, wenn er jetzt noch eine Anmerkung machen würde, dass die Schrift verschwinden würde, bis auf den letzten Satz, denn der müsste laut Beschreibung in dem Buch nach oben rutschen.

„Ich möchte so gern über einiges mit Ihnen sprechen“, schrieb sie, „denn ich habe positive Veränderungen in Ihrer Magiefarbe beobachtet.“
Wie er es vorhergesagt hatte verschwand die Schrift und ihr Satz rutschte nach oben, so dass er verabschiedend schrieb: „Sie haben nun gesehen, was mit den Zeilen geschieht. Gute Nacht!“

Sofort legte er Papier und Feder auf seinen Nachttisch, um mögliche weitere Zeilen von ihr zu ignorieren. Ihre Worte ließen ihn jedoch nicht ruhen und hinderten ihn daran einzuschlafen. Vielleicht, so hoffte er, hatte sie tatsächlich etwas finden können, worauf er mit seinen Recherchemethoden nie gekommen wäre. Er hatte zwar immer geahnt, dass sein Handeln Auswirkungen auf seine Magie gehabt haben musste, doch erst durch ihren Trank hatte er die Erkenntnis erlangt, dass er richtig gelegen hatte. Die Frage, welche Veränderung sie wohl an seiner Magie hatte ausmachen können, beschäftigte ihn so sehr, dass er damit kämpfen musste nicht zurückzuschreiben. Ihr Farbtrank könnte womöglich seine Situation ein wenig klären; neue Erkenntnisse bringen, mit denen man seine Problematik von einer anderen Seite anpacken könnte. Dieser Gedanke schenkte stellte einen kleinen Lichtblick für ihn dar, doch zu viel Hoffnung, dachte er, durfte er sich nicht machen.

Als Hermine sich am nächsten Morgen in ihrem Bett erst streckte – ihr Kniesel tat es ihr gleich – und sich dann auf die Kante setzte, bemerkte sie, dass Severus gestern noch etwas geschrieben haben musste, so dass sie das Blatt von ihrem Nachttisch nahm und seine winzige Handschrift erblickte. Er hatte geschrieben: „Was für Veränderungen?“

Völlig überwältigt musste sie eine Hand auf ihren Mund legen, um nicht triumphierend aufzuschreien. Severus wollte endlich reden.

Während Hermine sich überlegte, welche Worte sie für ein Gespräch wählen könnte, denn sie musste das Thema sehr zaghaft behandeln, fragte sich Harry, der im gleichen Moment vorm Badezimmerspiegel stand, warum seine Haare eigentlich immer das machten was sie wollten. Nachdem er sie zum dritten Mal gebürstet hatte und sie noch immer ungekämmt aussahen, zuckte er einmal gelassen mit den Schultern, bevor er die Bürste weglegte und sich die Zähne putzte. Es klopfte und da Ginny noch im Bett lag und Wobbels Arbeitszeit erst in einer halben Stunde beginnen würde, ging Harry nur mit Pyjama bekleidet und mit der Zahnbürste im Mund zur Tür.

Minerva blickte ihn einmal von oben bis unten an, blinzelte ein paar Mal, weil sie nicht damit gerechnet zu haben schien, dass Harry sich in diesem Aufzug zeigen würde, bevor sie sich räusperte und sagte: „Es wäre nett von Ihnen, wenn Sie sich präsentabel herrichten und mir folgen würden, jetzt sofort.“

Die Zahnbürste aus dem Mund nehmen wollte Harry etwas sagen, doch es formte sich nur eine Blase an seinen Lippen, die zerplatzte, so dass ihm Zahnpasta ins Auge spritzte. Er kniff die Augen zusammen und rieb das eine, welches zu tränen begonnen hatte.

Beide Augenbrauen seiner Kollegin schossen in die Höhe, doch ansonsten blieb ihr Gesicht emotionslos. Gleich im Anschluss wiederholte sie: „Jetzt sofort, Harry.“

Er nickte nur, bevor er ins Badezimmer rannte und sich den Mund ausspülte, gleich noch das Gesicht mit Wasser erfrischte, damit er das Brennen im Auge loswerden würde. Als er sich ankleidete, fragte er sich die ganze Zeit über, was Minerva wohl von ihm wollen könnte.

Zurück bei seiner Kollegin sagte er: „Einen schönen guten Morgen erst einmal.“
„Guten Morgen, Harry. Wenn Sie mir nun bitte folgen würden?“ Sie ging bereits los, ohne ihm irgendwelche Informationen zu geben.
„Wohin gehen wir?“, fragte er verunsichert.
„Zum Büro des Direktors.“

Während er ihr durch die Gänge folgte, malte er sich aus, warum Albus wohl mit ihm sprechen wollte. Es war ungewöhnlich, dass Minerva ihn abholte, um ihn „zum Büro des Direktors“ zu begleiten; es war ihm nicht geheuer, dass sie ihn nicht einfach „Albus“ genannt hatte, sondern „Direktor“. Er hoffte innig, dass man ihn gestern Abend nicht mit Ginny auf dem Gang gesehen hatte, denn sie hatten sich sehr leidenschaftlich geküsst und seine Hände waren eventuell an Orten gewesen, die möglicherweise als unanständig gelten könnten; natürlich nicht in seinen Augen.

„Minerva?“ Als sie sich umdrehte, jedoch nicht stehenblieb, fragte er: „Bitte sagen Sie mir, was los ist!“ Scherzend fügte er hinzu: „Ich fühle mich im Moment wie ein Erstklässler, der irgendeine Dummheit angestellt hat und nun zum Direktor zitiert wird.“
Abrupt blieb sie stehen und blickte ihn streng an. Ihre Stimme verriet nichts von ihren Gefühlen, als sie sagte: „Gut, Harry, denn die Situation fordert einen gewissen Ernst von Ihnen!“ Dann ging sie weiter.
Mit großen Augen folgte er ihr, während er sich ausmalte, wer ihn wohl mit Ginny gesehen und verpfiffen haben könnte. Es konnte ja nur einer der beiden Schüler sein, dachte er, denn Filch oder die anderen Lehrer würden sich sicherlich nicht daran stören, wenn Ginny und er…

Harry wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er erkannte, dass sie sich bereits an den Wasserspeiern vor Albus’ Büro befanden. Mit dem Passwort „Zuckermäuse“ öffnete sich der Eingang und Harrys Herz schlug noch viel höher. Sein Gesicht fühlte sich heiß an und er ahnte, dass er errötet sein musste. Allein der Gedanke daran, mit Albus womöglich ein Gespräch übers „Küssen auf dem Korridor“ führen zu müssen, war ihm schon unangenehm genug.

Am oberen Ende der Wendeltreppe öffnete sie die Tür und ließ ihn mit den Worten eintreten: „Wenn Sie einen Moment auf den Direktor und mich warten würden?“

Er nickte beschämt, senkte sein Haupt und ging hinein. Drinnen stutzte er, nachdem er aufgeblickt hatte, denn Severus befand sich bereits im Büro und er stand mit am Rücken verschränken Armen stocksteif vor dem Kamin. Harry ging ein paar Schritte auf Severus zu, der sich aufgrund der Geräusche einer sich öffnenden Tür umgedreht hatte und ihn nun genau betrachtete.

Sich neben Severus stellend seufzte Harry zunächst, bevor er mit resignierender Stimme fragte: „Und Severus? Was haben Sie ausgefressen?“
„Wie bitte?“, fragte sein Kollege irritiert zurück.

Eine Erklärung blieb Harry ihm schuldig, denn in diesem Moment traten Minerva und Albus ein, gefolgt von einem breit lächelnden Arthur und zwei fremden Herren, die Pergamentrollen in den Händen hielten.

Als Erster grüßte Arthur, der Harrys Hand schüttelte und ihm derweil auf die Schulter klopfte. „Harry, schön dich zu sehen. Wie geht’s?“ Harry konnte nur nicken, denn er war ein wenig ratlos. „Severus!“, sagte Arthur und reichte auch ihm die Hand und noch während Severus die Hand des Ministers schüttelte, blickte er den Direktor an.
„Albus?“, sagte Severus gleich darauf und allein der fragende Unterton sollte genügen, um ihn dazu zu bewegen, die Situation zu erklären.
Mit lebendig funkelnden Augen bat Albus: „Harry, Severus, kommt bitte beide hier nach vorn, zu meinen Tisch.“

Da alle freundlich lächelten, nun sogar bei Minerva ein wenig Freude zu sehen war, rechnete Harry mit nichts Schlimmem.

Arthur nahm seinen Platz ein, denn er stellte sich direkt vor Albus und Minerva und wies an: „Severus, wenn du dich bitte hier hinstellen würdest?“ Er zeigte auf eine Stelle schräg hinter Albus. „Und Harry? Du bitte hier.“ Der Aufforderung folgte Harry und er stellte sich schräg hinter Minerva. Die beiden fremden Herren begaben sich dezent hinter den Schreibtisch. Arthur atmete einmal tief durch, bevor er – durchweg lächelnd – das Wort an die vier richtete. „Wir haben uns heute hier versammelt…“
Arthur kam nicht weiter, denn Severus konnte sich nicht zurückhalten und fragte gleichermaßen überrascht und erfreut: „Höre ich richtig?“
Sich zu Harry und Severus umdrehend sagte Albus mit freundlicher Stimme: „Ich möchte mich für den morgendlichen Überfall ganz herzlich bei euch beiden entschuldigen und auch dafür, dass wir nicht einmal gefragt haben, ob ihr so gütig wärt die Rolle der Trauzeugen zu übernehmen.“
„Was denn, Sie beide heiraten?“, fragte Harry perplex, aber mit einem heiteren Glitzern in den Augen. Severus verkniff es sich in diesem Moment, Harry wegen seiner überaus ausgeprägten Scharfsinnigkeit auf den Arm zu nehmen.
„Ja Harry“, bestätigte Minerva, „und ich würde Sie gern zu meinem Trauzeugen bestimmen.“
„Natürlich, gern doch!“ Gegen das breite Lächeln, welches sich bereits in Arthurs Gesicht wiederfand und welches sich nun auch bei Harry ausbreitete, konnte er gar nichts unternehmen.

Nachdem die Angelegenheit geklärt war, fuhr Arthur mit seiner kleinen Rede fort.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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Beitrag von »

das ist ein wirklich tolles kapitel! am ende die szene ist wirklich überraschend, aber richtig süß ;) freue mich schon auf das nächste kapitel :smile:

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Muggelchen
EuleEule
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Beitrag von Muggelchen »

Hallo Là,
mit dem Ende hat wohl keiner gerechnet, nicht mal Harry und Severus :)
Dann viel Spaß mit dem nächsten Kapitel,
Muggelchen




155 Symbiose




Von einem kleinen Ausflug kam Blaise mit seiner Tochter zurück ins Mungos. Der Wachmann ließ ihn ohne nähere Kontrolle hinein. Gleich auf dem Gang traf er auf Schwester Marie.

„Schwester?“, sagte er, um auf sich aufmerksam zu machen. Nachdem sie sich zu ihm umgedreht hatte, bat er höflich: „Wäre es wohl möglich Miss Parkinson zu besuchen?“
Marie nickte, machte dabei jedoch ein bekümmertes Gesicht. „Sicher, folgen Sie mir bitte.“

Kaum hatte Marie die Tür zu Pansys Einzelzimmer geöffnet, stürmte auch schon Berenice hinein und hüpfte aufs Bett der leblos wirkenden Frau, der sie begeistert erzählte, wo sie heute gewesen waren.
„Wir waren in einem großen, weißen Haus, Mama, da waren lauter kleine Männer.“
Weil Marie sehr verdutzt dreinschaute, erklärte Blaise: „Wir waren bei Gringotts.“
„Oh schön! Konnte man Ihnen weiterhelfen?“, wollte sie wissen.
„Man wollte mir zunächst nicht einmal Auskunft geben, geschweige denn ein paar Galleonen. Die Verliese meiner Mutter und mir sind nach unserem Verschwinden eingefroren worden. Ich benötige vom Ministerium die Bestätigung, dass ich am Leben bin, damit ich über mein Hab und Gut verfügen kann“, erzählte Blaise nüchtern.
Marie blickte ihn entgeistert an, bevor sie schmunzeln musste. „Ich finde, dass Sie sehr lebendig aussehen.“ In diesem Moment fiel ihr ihre unglückliche Ausdrucksweise auf, so dass sie entschuldigend versicherte: „Tut mir wirklich Leid, das meinte ich nicht so.“
Blaise winkte gelassen ab, bevor er weitererzählte. „Am Ende habe ich den Kobolden Brief und Siegel gegeben, dass ich mir eine Bestätigung vom Ministerium holen werde und gleich darauf alle Verliese der Familie Zabini auflösen würde.“
„Und?“
Zum Fenster gehend sagte Blaise: „Wir sind nicht gerade arm, wissen Sie. Ich habe vom Direktor der Bank 10.000 Galleonen erhalten; die Unterlagen vom Ministerium kann ich nachreichen. Ich glaube, er hat mindestens elf Mal sehr deutlich verlauten lassen, dass dies auf reiner Kulanzbasis geschehen würde.“
„Die haben Angst Sie als Kunden zu verlieren“, stellte Marie richtig fest. „Was werden Sie nun tun, Mr. Zabini?“

Zu Pansy hinüberblickend betrachtete er seine Tochter, die sich neben ihre Mutter gelegt hatte und ihr die Ereignisse des Tages leise ins Ohr flüsterte, sich derweil einen Arm von Pansy um die eigene kleine Schulter gelegt hatte, um eine Umarmung nachzuahmen.

„Ich werde noch mit Professor Junot sprechen, inwiefern man etwas herausgefunden hat. Morgen werde ich zum Ministerium gehen, um die Erbschaft meiner Mutter einzufordern. Ich kann nur hoffen, dass es keine Schwierigkeiten geben wird; ich habe ansonsten keine Bleibe.“ Blaise betrachtete weiterhin seine Tochter, bevor er Marie bat: „Würden Sie uns bitte ein wenig allein lassen?“
„Selbstverständlich, Mr. Zabini. Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?“ Er nickte, so dass sie das Zimmer verließ.

Als sich Blaise dem Bett näherte, da hörte er Berenice leise erzählen: „…und Zottelbär hab ich auch gesehen. Ich bin glatt durch ihn durchgelaufen!“ Als die Kleine ihren Vater erblickte, da setzte sie sich im Bett auf, achtete aber darauf, dass der Arm ihrer Mutter danach in eine angenehm wirkende Position gebracht wurde.
Auf dem Bett Platz nehmend nahm Blaise die graue kalte Hand in seine und erzählte Pansy: „Du hast vielleicht eben einiges mitgehört. Ich habe ein paar Galleonen besorgt und werde morgen versuchen, so schnell wie möglich mein Haus zu bekommen, damit wir dort leben können.“ Er schluckte kräftig, um den Kummer zu verdrängen, denn er wusste nur zu gut, dass er sie nicht mitnehmen dürfte, sollte sie nicht geheilt werden. „Professor Junot hat heute einen Termin mit mir gemacht. Ich werde mir anhören, was sie über den Trank herausgefunden hat, der dir so zu schaffen macht. Mach dir keine Sorgen, Pansy, wenn die hier nicht vorankommen, dann habe ich genug Mittel, um die besten Tränkemeister anzuheuern. Die werden schon etwas finden.“ Seine Lippen begannen zu zittern und er war froh, dass Pansy es durch die geschlossenen Augen nicht sehen konnte. Berenice blickte ihn jedoch trübselig an. Seine Worte hatten sie traurig gemacht, weswegen sie die andere Hand ihrer Mutter nahm und sie mit beiden kleinen Händen umfasste und streichelte, ganz so wie ihr Vater es tat.

Nachdem Blaise sich wieder beruhigt hatte, sagte er zu Pansy: „Ich weiß nicht, ob ich mich erkundigen soll, ob man Gregory gefunden hat. Ich möchte nicht, dass man uns deswegen vielleicht noch etwas anhängt.“ Er seufzte. „Die Hochzeit von Draco und Susan war sehr schön. Ich wünschte, du wärst dabei gewesen. Es waren eine Menge Leute aus der Schule da, selbst Harry und Hermine, kannst du dir das vorstellen? Harry auf Dracos Hochzeit, aber nicht nur das. Draco hat verkündet, dass Harry Patenonkel für ihr Kind werden würde.“ Ungläubig schüttelte er den Kopf, bevor er seine Gedanken nach einem kurzen Moment flüsternd wiedergab: „Wir haben einiges verpasst, Pansy.“

Er haderte mit sich und entschloss sich dazu, Pansy nicht zu erzählen, dass auch ihre Mutter schon vor Jahren als vermisst gemeldet worden war und ihr Vater sich hier im Mungos auf der Janus-Thickey-Station befand, wo er sich nach einer lange zurückliegenden Auseinandersetzung mit Todessern nur schlecht erholte.

Berenice beobachtete ihren Vater, als der sich nach vorn beugte, um Pansy einen Augenblick lang – Wange an Wange – etwas ins Ohr zu flüstern. Mit einem breiten Lächeln beugte sich das Mädchen nach vorn, um ihrer Mutter einen Kuss auf die kalten Lippen zu geben, bevor sie sagte: „Ich lieb dich auch.“

Während sich Blaise nach einer Tasse Kaffee auf den Weg zu Professor Junot machte, griff Hermine zu ihrer Hälfte Papier, welches sie ordentlich in einer knickfesten Mappe und danach in ihrer Tasche verstaute, bevor sie sich vom vierten Stock auf den Weg in den Kerker machte. Auf den sich bewegenden Treppen im zweiten Stock bemerkte sie Harry, der gerade die Stufen hinunterkam.

„Guten Morgen, Harry. Was machst du denn um die Uhrzeit hier? Du wohnst doch im Erdgeschoss“, sagte sie und ihr war nicht entgangen, dass er einen äußerst zufriedenen und glücklichen Gesichtsausdruck innehatte, während er sich ihr näherte.
Sich vor sie stellend legte er eine Hand auf seine Brust und verkündete stolz: „Ich war heute Morgen Trauzeuge, Hermine!“
Sie riss ihre Augen ganz weit auf, fragte dann aber: „Wer?“ Doch bevor er antworten konnte, tat sie es selbst, wenn auch unsicher: „Albus und Minerva?“ Er nickte und strahlte dabei über das ganze Gesicht.

Weiter oben hörte man ein Gemurmel, welches langsam lauter wurde, so dass Hermine und Harry ihre Köpfte drehten, um zu sehen, um wen es sich handelte. Albus, Minerva, Arthur und Severus kamen hinunter, während sie sich miteinander unterhielten; Severus hielt sich eher aus den Gesprächen hinaus und stellte das Schlusslicht der kleinen Gruppe dar.

Sie brauchte gar nicht zu fragen, da erklärte Harry schon: „Ich war Minervas Trauzeuge und Severus der von Albus. Die haben uns beide völlig überrascht; haben uns einfach abgeholt, ins Büro geführt und uns vor vollendete Tatsachen gestellt.“ Er grinste und fügte hinzu: „Nicht, dass ich was dagegen gehabt hätte.“ Die vier hatten Harry und Hermine bereits gesehen, Albus, Minerva und Arthur grüßten jedoch erst, als sie den Treppenabsatz erreicht hatten, an dem die beiden warteten.
Wegen der Vertrautheit zu Arthur, der für lange Zeit Hermines zukünftigen Schwiegervater dargestellt hatte, grüßten die beiden sich mit einer kurzen Umarmung und einem Kuss auf die Wange, bevor er sagte: „Du siehst gut aus, Hermine.“

Severus hatte sich hinter Albus und Minerva gehalten und stand nun auf der zweiten oder dritten Stufe, weswegen er die Personen auf dem Treppenabsatz gut überblicken konnte.

„Ist das wahr?“, fragte Hermine strahlend ihre ehemalige Hauslehrerin, die ihr daraufhin den Ring an ihrem Finger zeigte und lächelnd nickte. Minerva anblickend deutete Hermine eine umarmende Geste an und fragte: „Darf ich?“ Minervas Arme öffneten sich, um sich an ihrem großen Tag herzen zu lassen. „Herzlichen Glückwunsch und alles Gute!“
„Danke, Hermine“, sagte Minerva, bevor sie die Umarmung löste.

Während Arthur ein Gespräch mit Harry begonnen hatte, wandte sich Hermine an Albus, der sich nicht bitten lassen musste, denn der hob willkommen seine Arme, um sich von ihr drücken zu lassen. Albus war so groß gewachsen, dass ihre Wange einen Moment lang an der unteren Hälfte seines Brustbeins auf dem weichen Bart ruhte, während sie ihn kurz an sich drückte.

„Ich möchte Ihnen auch ganz herzlich gratulieren, Albus, und ich wünsche Ihnen beiden eine schöne Zeit zusammen“, sagte Hermine und schaute dabei nochmals zu Minerva hinüber, der die Worte ebenfalls galten. Als sie wieder zu Albus blickte, bemerkte sie Severus hinter ihm und ihre Augen trafen sich einen kurzen Moment, bevor Severus zu Arthur und Harry hinüberschaute. Aus lauter Verlegenheit wandte sich Hermine erneut an Minerva und fragte: „Werden Sie Albus’ Nachnamen annehmen?“
„Nein, ich bleibe weiterhin eine McGonagall“, antwortete sie ehrlich und auch ein wenig stolz, während Albus zustimmend seine Hand an ihren Rücken legte.
Nickend offenbarte Hermine: „Ich würde meinen Namen auch behalten wollen.“ Es musste für jeden erkennbar sein, dass sie dieses Thema früher schon einmal mit Ron besprochen haben musste.

Die kleine Gruppe setzte sich wieder in Bewegung, um die große Halle aufzusuchen und es schien, als hätte man Arthur eingeladen, in Hogwarts zu frühstücken. Hermine wartete einen Moment, um Severus zu begrüßen, doch der ging einfach mit hinter dem Rücken verschränkten Armen an ihr vorbei, ohne ihr auch nur einen Blick zu schenken.

„Severus?“ Wie ein Cowboy es beim Kälberfangen mit seinem Lasso vollbringen konnte, so hatte Hermine ihn mit ihrer Stimme, auch wenn diese sehr leise gewesen war, davon abgehalten die Flucht zu ergreifen, denn er blieb auf der Stelle stehen und drehte sich um. Unsicher klingend grüßte sie: „Guten Morgen.“ Mehr nicht. Vor den anderen Anwesenden sprach sie ihn nicht wegen der Frage an, die er erst in den frühen Morgenstunden auf das magische Papier geschrieben haben musste, denn Hermine war erst gegen halb fünf schlafen gegangen; zu dieser Zeit stand noch nichts auf dem Bogen.
Er räusperte sich. „Entschuldigen Sie mein ungehöriges Benehmen. Ich wünsche Ihnen auch einen guten Morgen.“

Sie lächelte milde und kam die paar Stufen zu ihm hinunter, so dass sie den Weg in geringem Abstand zu den anderen gemeinsam fortsetzen konnten.

„Ich habe gehört, Sie waren heute Morgen auch Trauzeuge“, sagte sie.
„Es kam ein wenig überraschend, ja“, bestätigte er.
„Mir gefällt, dass Minerva ihren Nachnamen behält“, sagte Hermine nebenher.
„Da stimme ich Ihnen zu, allein schon wegen des Papierkrams.“
Sie runzelte die Stirn. „Ist das der einzige Grund, weswegen Sie dem zustimmen?“, wollte sie wissen.
Er blickte sie nicht an, während er erklärte: „Ich wünschte, meine Mutter hätte ihren Namen behalten.“
„Ja, ’Prince’ hat was, aber ’Snape’ hört sich auch nicht schlecht an“, versuchte sie ihn aufzuheitern.
„Mein Nachname hört sich schnippisch an.“
Sie lachte kurz auf. „Na, dann passt er...“ Auf der Stelle verstummte sie wegen seines drohenden Blickes, der ihr sagte, sie solle es nicht wagen ihn zu verärgern. „War doch nur Spaß“, versicherte sie kleinlaut.

Man konnte bereits die Türen zur großen Halle sehen, als Severus ihr mitteilte: „Wenn Sie heute Zeit hätten? Mr. Worple und Mr. Sanguini kommen heute Mittag kurz vorbei. Ich könnte Sie vorher ein wenig in die Materie einweisen, wenn Sie Interesse an dem Bluttrank haben.“
Innerlich machte sie Luftsprünge, denn bisher hatte er sie so gut wie gar nicht in sein Projekt eingeweiht. „Ja, sehr gern. Wann soll ich bei Ihnen sein?“
Er schürzte die Lippen, als würde er überlegen, aber die Antwort kam viel zu schnell, denn er schlug vor: „Gleich nach dem Frühstück.“
„Ja gut.“

Nach dem Frühstück lief Harry Hermine hinterher, die mit Severus gerade die große Halle wieder verließ.

„Hermine?“ Sie blieb stehen. „Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass ich mit Albus wegen Fawkes gesprochen habe. Er meinte, dass er mir die Feuerschale bringen lässt. Es wäre möglich, dass Fawkes sich nicht wohl fühlt und sich bald erneuern möchte.“
„Das würde ich gern sehen, Harry! Das wäre das erste Mal für mich, bei der Wiedergeburt von einem Phönix dabei zu sein.“
„Es ging das letzte Mal recht schnell“, sagte Harry, der sich an den Zwischenfall in Albus’ Büro erinnerte. „Ich weiß nicht, ob die Zeit dafür ausreicht dir Bescheid zu geben, wenn es soweit sein sollte.“
„Versuch es einfach. Ich werde so schnell kommen wie es nur geht“, legte ihm sie nahe.
„Okay, mache ich.“

Kaum waren Hermine und Severus im Labor angekommen, da drückte er ihr auch schon eine Mappe in die Hand und forderte: „Lesen Sie.“

Eigentlich wollte Hermine auf seine Magiefarbe zu sprechen kommen, die sich bei ihm aufgehellt hatte, als er am Tage des Ferienbeginns zwischen Remus und Harry am Frühstückstisch gesessen hatte. Sie wusste jedoch, denn sein Verhalten konnte sie seit langer Zeit schon richtig deuten, dass jetzt nicht der richtige Moment gekommen war, mit ihm darüber zu reden und so las sie seine Notizen.

Nach nur einer halben Stunde sagte sie erstaunt: „Das hätte ich nicht gedacht. Wissen Sie, Severus, bei alledem, was sie bisher alles gemacht haben, da könnte man glatt meinen, die Vampir-Infektion wäre mit einem Fluch belegt.“ Er zog lediglich eine Augenbraue in die Höhe, bevor sie hinzufügte: „Flüche kann man brechen.“
„Sie wären nicht die Erste“, begann er, während er seine Augen auf ein Pergament richtete, „die mit diesem Gedanken spielt. Den klügsten Köpfen war es bisher nicht möglich gewesen, in dieser Hinsicht Resultate zu erzielen. Ich befürchte, dass weder Sie noch ich dazu in der Lage wären.“ Nachdem er aufgeschaut hatte, fügte er hinzu: „Der Fluch, der auf einem Werwolf liegt, ist bis heute genauso rätselhaft wie der Fluch, der mit dem Biss eines Vampirs übertragen wird. Wir sollten unsere Zeit nicht damit vergeuden, uns mit den Flüchen zu befassen, sondern das Leben der Betroffenen für sie selbst und für alle anderen angenehmer zu gestalten.“
Hermine nickte, bevor sie erneut die Unterlagen überflog und dann fragte: „Sie schreiben hier, dass Sie mit Blut gearbeitet haben. Wessen Blut?“
„Was glauben Sie wohl?“
„Ihr eigenes.“ Er nickte bejahend. „Die Zutaten sind interessant! Worauf möchten Sie mit dem Trank am Ende hinaus, Severus?“, fragte sie neugierig.
„Ihnen wird aufgefallen sein, dass die meisten der verwendeten Zutaten von magischen Pflanzen stammen, die das Wort ’Blut’ in ihrem Namen tragen, was natürlich kein Zufall ist. Mein Ziel ist es einen Trank herzustellen, der nur eine minimale Menge, im günstigsten Fall nicht mehr einen einzigen Tropfen Menschenblut enthält, dem Organismus jedoch das Gegenteil vorgaukelt.“ Severus nahm eine Ampulle in die Hand und näherte sich ihr, um sie ihr zu zeigen. Der Inhalt war nicht rötlich, sondern durchsichtig, fast farblos. „Das hier wird Mr. Sanguini den nächsten Monat lang testen.“ Hermine nahm die Ampulle entgegen und hörte genau zu, als Severus erklärte: „In diesem Trank befindet sich nur noch die zellfreie Flüssigkeit meines Blutes als Zutat.“
„Blutplasma“, sagte Hermine ganz richtig.
„Damit werde ich herausfinden, ob der Organismus des Vampirs eher auf die Zellen anspricht oder auf die im Blutplasma enthaltenen Fremdproteine, die der Vampir nicht mehr selbst herstellt. Darüber hinaus muss ich die Wirkungsdauer des Trankes in Erfahrung bringen.“
Hermine überlegte kurz und fragte: „Wenn hier aber keine Zellen mehr vorhanden sind und Mr. Sanguini gerade diese benötigen sollte…“
„…wird er einen Rückschlag erleiden. Anders ist es nicht möglich zu prüfen, was sein Körper braucht, um sich gesättigt zu fühlen“, vervollständigte er.
„Werden Sie ihm das sagen?“
„Natürlich werde ich! Ich arbeite mit ihm zusammen und mir liegt nicht daran, ihn oder seine Umgebung einer unnötigen Gefahr auszusetzen.“

Es dauerte gar nicht lang, da waren Mr. Worple und Sanguini gekommen. Im Gegensatz zu den Mythen der Muggelwelt zerfiel Sanguini bei Sonnenlicht nicht zu Staub, wich beim Anblick eines Kreuzes nicht zurück und er konnte seine Existenz auch durch andere Dinge als durch einen durch das Herz getriebenen Pflock einbüßen, wenn sein Körper auch um einiges kräftiger und widerstandsfähiger war als der eines normalen Menschen. Hermine erinnerte sich sogar daran, wie Mr. Sanguini auf einer Weihnachtsparty von Professor Slughorn Pasteten zu sich genommen hatte, obwohl er wohl lieber über die hübschen jungen Mädchen hergefallen wäre.

Sie hatte Mr. Worple per Handschlag begrüßt, Sanguini jedoch nur freundlich zugenickt, wofür der sehr dankbar schien. Aufmerksam hörte sie zu, als die beiden abwechselnd über bestimmte Problematiken sprachen.

„Sanguini hat es übertrieben und fast vier Wochen lang gar kein Blut mehr zu sich genommen“, erzählte Mr. Worple.
„Dann nehme ich an“, begann Severus an Sanguini gerichtet, „dass Sie keinerlei ’Appetit’ verspürt haben?“
Der gutaussehende Vampir antwortete gewissenhaft: „Normale Speisen schienen ausreichend und ich habe durch die Wirkung des Trankes nicht bemerkt, dass ich schwächer geworden bin.“
„Er sah elend aus, ich hatte wirklich Angst“, warf Mr. Worple erbost ein, bevor er seinen Freund besorgt musterte.
Severus streckte seinen Rücken und sprach mit lehrerhafter Stimme zu Sanguini: „Ich hatte Ihnen nahe gelegt, Ihrem Körper wenigstens alle zwei Wochen eine kleine Dosis Blut zuzuführen.“ Sanguini nickte und schaute beschämt zu Boden. Hermine wartete nur noch darauf, dass Severus ihm Hauspunkte abziehen würde. „Nichtsdestotrotz“, fuhr Severus fort, „haben Sie mir einen großen Gefallen erwiesen. Vielleicht schaffe ich es, den Trank so zu modifizieren, dass ein Vampir ihn – ähnlich wie ein Werwolf – nur einmal im Monat einnehmen muss und nicht täglich.“ Er blickte auf die Unterlagen, die Mr. Worple ihm gereicht hatte und fragte: „Gibt es sonst noch etwas, das Sie mir persönlich mitteilen möchten?“
„Nein“, sagte Mr. Worple kopfschüttelnd. „Alles andere haben wir genau notiert.“
„Dann bedanke ich mich bei Ihnen für Ihre Kooperation.“ Severus näherte sich einem Schrank und zog ein Säckchen Galleonen hinaus, die Mr. Worple annahm, weil Sanguini sich nichts aus der Bezahlung zu machen schien. „Wir sehen uns Ende Januar. Wie ich Ihnen schon gesagt habe kann es gut möglich sein, dass der neue Trank den Durst nicht unterdrückt. Sollte das der Fall sein, dann melden Sie sich unverzüglich!“

Die beiden Gäste hatten das Labor gerade mit dem Kästchen neuer Ampullen verlassen, da sagte Hermine: „Sanguini sah nicht gerade sehr glücklich aus.“
„Er befürchtet, dass alles wie früher werden könnte; sich mindestens einmal am Tag mit frischem Blut versorgen zu müssen. Schon vor einigen Wochen hatte er mir gesagt, dass er den Trank selbst in seinem unfertigen Zustand weiterhin einnehmen würde, sogar bereit wäre dafür zu zahlen, sollte ich keine besseren Resultate erzielen können. Allein durch die Tests hat sein Leben sich gebessert“, antwortete Severus mit fachkundiger Stimme.
Einen Moment lang dachte Hermine nach, bevor sie behutsam fragte: „Sind Mr. Worple und Sanguini…? Na ja…“
„Was sind Mr. Worple und Sanguini?“, wiederholte er ungeduldig.

Hermine schalt sich selbst über solche Dinge nicht offen reden zu können, denn immerhin hielt sie sich für sehr offenherzig.

Sie gab sich einen Ruck und fragte: „Sind die beiden ein Paar?“
Eine einzige Augenbraue wanderte für einen kurzen Moment nach oben, bevor er die Gegenfrage stellte: „Würde es Sie schockieren, sollte ich bejahen?“
„Nein“, sagte sie ehrlich.
Die Unterlagen zusammenpackend erklärte Severus: „Sie sind kein Paar. Ihre sehr enge Zusammenarbeit ist für beide von großem Vorteil.“
„Inwiefern? Ich meine, ich weiß dass Sanguini sich erhofft, dass er durch Ihren Trank irgendwann kein Blut mehr zu sich nehmen muss, aber wie profitiert Mr. Worple davon?“
„Diese Frage stellen Sie tatsächlich? Es müsste Ihnen geläufig sein, dass Worple der fachkundigste Vampirforscher auf der Welt ist. Jeder, der Bücher über Vampire benötigt, wird sich eines von ihm zulegen, vielleicht sogar die ganze Reihe. Sein erstes Werk ’Blutsbrüder’ ist noch sehr oberflächlich gehalten, denn er musste vorsichtig sein; Vampire werden von der magischen Gesellschaft noch immer als minderwertig erachtet. Mit ’Blutsbrüder’ hatte er sich an ein Tabuthema herangewagt, das ihn auch den Kopf hätte kosten können – nur im übertragenen Sinne in Bezug auf seine gesellschaftliche Stellung.“ Severus kam einige Schritte auf Hermine zu. „Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen, inwiefern Mr. Worple von dieser ungewöhnlichen Verbindung profitiert… Es mag sich im ersten Moment grausam anhören, aber Mr. Worple macht mit Sanguini sein Geld. Sanguini hingegen profitiert von neuen Erkenntnissen, die Mr. Worple während seiner Forschung erlangt.“ Seinen Kopf ein wenig schräg legend fügte er amüsiert hinzu: „Zudem hat Sanguini in Mr. Worple einen festen Partner für die regelmäßige Blutzufuhr gefunden. Ein Preis, den Mr. Worple zu zahlen bereit ist. Er hatte deswegen auch das Pulver erfunden, welches Bisswunden wie die Ihre sehr schnell und ohne Komplikationen heilen lässt.“

Nachdem er indirekt auf Mr. Caedes zu sprechen gekommen war, ahnte Hermine, dass sie zwei rote Flecken auf den Wangen haben musste, doch Severus schien das zu amüsieren.

„Eine Art Symbiose also?“, fragte Hermine unsicher.
Die Lippen spitzend schaute Severus einen Moment lang weg, während er nachdachte, bevor er zustimmte. „Ja, eine Symbiose; das Zusammenleben von zwei Individuen unterschiedlicher Art, die für beide von Vorteil ist. Es gibt leider eine Menge engstirniger Menschen, die verneinen, dass so eine Vergesellschaftung zwischen Vampir und Mensch möglich wäre – konservative, philiströse Klugredner, die eines Tages vergessen haben, was das Wort ’Fortschritt’ bedeutet. Menschen, Hermine, mit denen auch Sie sich auseinander setzen werden müssen, wenn Sie der Öffentlichkeit Ihren Farbtrank vorstellen.“

Sie schluckte aufgeregt, denn seine Worte hatten sie verunsichert. Er ging fest davon aus, dass sie von einigen Menschen wegen der Erkenntnisse, die ihr Trank ans Tageslicht gebracht hatte, angefeindet werden würde.

„Was Ihren Farbtrank betriff, Hermine“, sagte er und sie hoffte, dass er das Gespräch suchen würde, um zu erfahren, welche Veränderungen sie bei ihm ausgemacht hatte. „Ich habe all Ihre Ergebnisse gelesen, auch die über die Muggel, die Mrs. Black getestet hat. Ich bin in gewisser Weise beruhigt, dass Ihre Eltern die Ausnahme zu sein scheinen.“ Hermine nickte zustimmend, denn bei keinem Muggel, dem Anne den Trank eingeflösst hatte, hatte es eine farbliche Reaktion gegeben. „Das lässt mich vermuten, dass es sich nur um sehr wenige Muggel handelt, die den Hauch von Magie innehaben, die sie durch den Vorgang der“, einer seiner Mundwinkel hob sich vergnügt, „Zeugung an ein gemeinsames Kind weitergeben können.“ Die roten Stellen auf Hermines Wagen frischten auf. „Sie sollten in Erwägung ziehen, all Ihre muggelgeborenen Freunde darum zu bitten, den Trank an deren Eltern testen zu dürfen. Ich bin mir sicher, dass wenigstens ein Elternteil ein wenig Magie aufweisen wird.“

Es war ihr nicht entgangen, dass er ihre Wangen betrachtete. Die kleinen Fältchen um seine Augen herum konnte sie nicht missverstehen, denn er schien sehr amüsiert.

„Interessant wäre es auch zu erfahren“, begann er mit ungewohnt lebendigen Augen, „welche Ergebnisse die Eltern von Squibs zeigen. Wenn eine magische Störung bei beiden oder einem Elternteil vorhanden wäre, könnte man den Verdacht hegen, dass diese mögliche Störung an die Squibs vererbt worden war.“ Ein schelmisches Schmunzeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, bevor er ihr offenbarte: „Möglicherweise, aber das ist nur eine sehr vage Theorie, auf die ich gekommen bin, als ich mir nochmals die Ergebnisse von Ihren Eltern angesehen habe, könnte auch die vorhandene Zuneigung zwischen zwei Individuen eine Rolle spielen, die einen nicht unbedeutenden Aspekt auszumachen scheint.“ Weil sie fragend ihre Stirn runzelte, wurde er ein wenig deutlicher. „Einen nicht unbedeutenden Aspekt während des Akts.“

So heiß fühlten sich ihre Wangen schon lange nicht mehr an. Sie befürchtete, dass sie bis zum Hals hinunter rot sein musste.

„Das machen Sie mit Absicht“, kreidete sie ihm an und er wagte es tatsächlich zu grinsen.
„Vielleicht mag ich die Farbe in Ihrem Gesicht?“, wiegelte er kess ab.
„Wo wir gerade von ’Farbe’ sprechen…“ Hermine war bereit zurückzuschießen.
„Sie können mir schriftlich Antwort geben. Heute würde ich gern…“
Sie unterbrach ihn perplex und wiederholte ungläubig: „Schriftlich?“
„Schriftlich“, bestätigte er.
„Das ist doch Unfug, Severus. Wir können auch darüber reden, das ist viel einfacher.“ Sie hatte nicht vor, dass ihre Stimme so weinerlich klingen sollte.
„Ich habe weder Lust noch Zeit mich mit Dingen zu befassen, die ich an andere delegiert habe.“

Gerade setzte Hermine dazu an sich Luft zu machen, da klopfte es unerwartet. Nach einem knappen „Herein“ öffnete sich die Tür und Albus trat herein, gefolgt von Blaise Zabini, der beide höflich grüßte.

Gleichermaßen verwundert über diesen Besuch brauchten weder Severus noch Hermine nach dem Begehr zu fragen, denn Albus erklärte: „Mr. Zabini ist zu mir gekommen, weil er von Professor Junot erfahren hat, dass die erste und bisher leider wohl auch einzige Antwort mit einem hilfreichen Hinweis in Bezug auf das Leiden von Miss Parkinson aus Hogwarts stammte. Da ich mich der Anfrage aus dem Mungos nicht persönlich angenommen hatte, wollte ich Mr. Zabini mit seinem Anliegen gern Ihnen beiden anvertrauen.“ Albus hielt die Etikette und verwandte die höfliche Anrede bei Hermine und Severus.
„Ich würde sehr gern mit Ihnen reden, Professor Snape“, sagte Blaise zu seinem ehemaligen Hauslehrer, der ihm bejahend zunickte.

Während Albus sich wieder verabschiedete, bot Severus dem dunkelhäutigen jungen Mann einen Platz an.

„Wo ist deine Tochter?“, fragte Hermine vertraut, denn auf der Hochzeit von Draco und Susan hatte sie ihn ein wenig näher kennen gelernt; hatte ihn an diesem einen Tag besser kennen gelernt als in den ganzen Jahren, in denen sie mit ihm zur Schule gegangen war.
„Als Professor Dumbledore mich hergeführt hat, sind wir auf Harry und Ginny gestoßen. Sie hatten den Kinderwagen dabei und wollten spazieren gehen. Berenice ist von dem Baby ganz fasziniert.“ Er lächelte, aber er schien sich nicht ganz wohl zu fühlen.
„Die beiden passen auf sie auf?“, fragte Hermine nach.
Blaise nickte zögerlich, bevor er in den Raum hinein sagte: „Hogwarts ist sicher.“ Es klang so, als wollte er sich selbst Mut zusprechen. „Und wenn ich jemandem vertrauen darf, dann Harry. Er hat immerhin für Frieden gesorgt.“ Hermine hörte deutlich heraus, dass er anderen Menschen vertrauen wollte, er aber dennoch große Probleme damit zu haben schien.
„Mr. Zabini“, begann Severus mit ruhiger Stimme, „Sie haben uns offensichtlich wegen ’Schlafes Bruder’ aufgesucht. Inwiefern können wir Ihnen weiterhelfen.“
Blaise nickte und zog einige Unterlagen aus seinem Umhang, bevor er erläuterte: „Man hat durch eine Blutuntersuchung feststellen können, welche Zutaten sich in dem Trank befunden haben, der für Miss Parkinsons Zustand verantwortlich ist.“ Severus hielt seine Hand entgegen und erwartete die Unterlagen, die sein ehemaliger Schüler ihm ohne Umschweife gab.
Severus las die Unterlagen, bevor er sagte: „Was genau möchten Sie von uns?“
„Ich möchte Sie bitten herauszufinden, wie der Trank verändert worden ist, damit man einen Gegentrank brauen kann. Professor Junot meinte, die Kapazitäten des Mungos seien sehr beschränkt und dass man Hilfe von außerhalb anfordern müsste. Ich dachte, ich nehme das selbst in die Hand.“ Bevor Severus etwas fragen konnte, fügte Blaise sehr aufgeregt klingend hinzu: „Weder Professor Slughorn noch das Ministerium hat bisher auf die Anfrage reagiert, während Sie beide innerhalb kürzester Zeit nicht nur den Trank, sondern auch die Zutaten von ’Schlafes Bruder’ nennen konnten. Wie Sie den Unterlagen von Professor Junot entnehmen können, sind die von Ihnen genannten Zutaten identisch mit denen, die im Blut von Pansy…“ Blaise war so aufgeregt, dass er sich verhaspelte, so dass er ein paar Mal tief durchatmete, um sich wieder zu beruhigen. „Es sind aber noch Restbestände von anderen Zutaten gefunden worden, die möglicherweise darauf hindeuten könnten, inwieweit der Trank verändert worden war.“
Severus nickte, blickte erneut auf die Unterlagen des Krankenhauses und sagte, als er seinen dünnen Zeigefinger auf eine der gefundenen Inhaltsstoffe legte: „Ich werde Harry bemühen müssen.“
Hermine stutzte. „Wieso Harry?“
Sie anblickend erklärte er mit besonnener Stimme: „Weil ich davon ausgehe, dass ich Gewebeproben eines Basilisken in den Tiefen von Hogwarts finden werde, doch die Kammer kann ich nicht öffnen.“
Zuletzt geändert von Muggelchen am 02.02.2011 10:14, insgesamt 2-mal geändert.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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