Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - BEENDET
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113 Der Pate
Schwester Marie brachte gleich morgens die Post, die Lucius so sehnlich erwartet hatte. Er öffnete den Brief vom Ministerium und versuchte allein, die Buchstaben zu entziffern, konnte die kleine Schrift jedoch noch immer nicht lesen.
„Marie, würden Sie…?“, fragte er innehaltend, während er ihr den Brief reichte.
„Ja, sicher“, war ihre Antwort. Sie nahm den Brief, um laut vorzulesen: „Sehr geehrter Mr. Malfoy, mit Rücksichtnahme auf Ihre gesundheitliche Problematik hat die zuständige Abteilung entschieden, Ihre Anhörung erst im nächsten Jahr, Anfang August, durchzuführen, damit…“
Lucius unterbrach Marie und schimpfte: „Nächstes Jahr? Das ist über ein Dreivierteljahr! Nein, solange will ich nicht warten. Professor Puddle hat versichert, dass ich in wenigen Wochen wieder sehen kann und die Behandlung womöglich Ende Dezember bereits abgeschlossen sein wird. Weiß das Ministerium das denn nicht? Informieren die sich nicht über meinen Zustand?“
„Mr. Malfoy, Sie können doch einfach zurückschreiben und…“
Er unterbrach sie erneut und sagte im Befehlston: „Sorgen Sie dafür, dass Miss Bones herkommt. Ich will mit ihr sprechen, Marie. Holen Sie sie her!“
Schwester Marie seufzte, versicherte jedoch: „Ich werde sie gleich kontaktieren, Mr. Malfoy.“
Noch während ihrer Schicht rief Marie über den Kamin die Vorzimmername von Miss Bones an und meldete sich mit den Worten: „Mrs. Dainty, Miss Amabilis hier oder auch Schwester…“
„Marie! Ja, ich weiß, wer Sie sind. Ich kann Sie gleich durchstellen. Miss Bones ist zufällig gerade frei. Einen Moment bitte.“
Es dauerte keine zwei Sekunden, da meldete sich Miss Bones, so dass Marie gleich ihre Nachricht weitergeben konnte: „Guten Tag, Miss Bones. Es geht, wie Sie sicherlich ahnen, um Mr. Malfoy. Er möchte dringend mit Ihnen sprechen. Es geht wohl um seinen späten Verhandlungstermin.“
„Oh, ähm… Ja gut, aber ich kann keinen Termin ausmachen. Ich werde vorbeikommen, wenn ich Zeit habe. Richten Sie ihm das bitte aus, ja?“, bat Miss Bones, bevor sie die Verbindung beendete.
Susan versuchte gleich darauf, Draco über den Kamin zu kontaktieren und sie erwischte ihn noch vor Unterrichtsbeginn.
„Draco, dein Vater möchte mit mir reden. Ich weiß nicht, ob ich das alleine überstehen werde“, sagte sie nörgelnd, denn sie wollte wirklich nicht allein zu Malfoy senior.
„Aber du glaubst nicht, dass er schon was sehen wird oder? Ich meine, du bist ja erst im vierten Monat. Da sieht man doch noch nichts“, beruhigte Draco sie. Er wusste zwar, dass sein Vater eine Behandlung erhalten würde, doch wie gut er schon wieder sehen konnte, war ihm nicht bekannt. Als Susan erfahren hatte, dass sie ein Kind erwarten würde, da war die Schwangerschaft schon reichlich fortgeschritten.
„Sehen wird er es wohl nicht, aber er… Ich weiß nicht, er regt mich immer auf. Er ist mir gegenüber richtig bösartig geworden. Ich dachte, du könntest vielleicht mitkommen?“, fragte sie am Ende ganz leise.
„Wann denn?“
„Heute geht es nur um ein Uhr rum, ansonsten…“
Draco unterbrach Susan und erklärte: „Ich habe um ein Uhr Zaubertränke und das wird für mich nicht sehr angenehm werden. Ich glaube nicht, dass Severus mir gestatten wird, dem Unterricht fernzubleiben. Geht es nicht nachmittags oder an einem anderen Tag?“
„Nein, wenn es heute nicht geht, dann wird er nur noch wütender auf mich sein“, erwiderte Susan.
Mit dem Kopf schüttelnd sagte Draco: „Du solltest dich von ihm nicht rumkommandieren lassen, Susan.“
„Ich will ihm ja nur entgegenkommen. Vielleicht…“
„Er wird dich nicht mögen, nur weil du springst, wenn er mit seinen Fingern schnippt. Nimm einen anderen Tag und ich komme mit oder geh heute allein hin“, stellte er klar. Gleich darauf fügte er hinzu: „Ich werde Severus fragen, aber ich kann nichts versprechen. Ich muss jetzt los, sonst komme ich zu spät.“
Draco eile los und kam gerade noch rechtzeitig zu „Pflege magischer Geschöpfe“. Professor Svelte betrat den Raum und begann schon damit, über das heutige Thema zu reden, während er zur Tafel ging. Als er sich umdrehte und während seiner hochnäsig wirkenden Rede, die er mit vielen hochtrabenden Worten schmückte, seine Augen über die Schüler schweifen ließ, bemerkte er plötzlich Draco, der ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue und gespitzten Lippen gelangweilt ansah. Svelte kam ins Stottern, was ihm das Gekicher von einigen Damen bescherte. Das, was Draco am Halloween-Abend über Svelte gesagt hatte, klang dem Lehrer wieder in den Ohren und die wurden gleich darauf ganz rot.
Um halb eins, nach der großen Mittagspause, stand eine Doppelstunde Zaubertränke auf dem Plan. Severus war nicht in der großen Halle, wie Draco sehen konnte, und so ließ es das Mittagessen sausen und ging hinunter in die Kerker, um Severus zu fragen, ob er heute freibekommen könnte, denn er würde Susan sehr gern begleiten. Womöglich hätte er eine Chance, seinen Vater wieder einmal zu Gesicht zu bekommen, denn der hatte bisher auf seine Briefe nie geantwortet. Im Krankenhaus hatte er ihn noch nie besucht; nur in Askaban.
Wie erwartet bereitete Severus den Unterricht vor, denn er füllte die Zutaten nach, die in den Schränken für die Schüler aufbewahrt wurden. Ohne beim Umfüllen aufzublicken fragte Severus ihn mit kalter Stimme: „Was kann ich für Sie tun, Mr. Malfoy?“
Severus musste wegen Freitag noch immer sehr wütend sein, wenn er ihn, obwohl außer den beiden keine Menschenseele hier war, „Mr. Malfoy“ nannte.
„Ich wollte Sie um etwas bitten, Sir“, sagte Draco, der es für besser hielt, den höflichen Umgangston beizubehalten, um Severus keinen Grund zu geben, noch wütender zu werden. Severus drehte sich zu ihm um und wartete, so dass Draco sagte: „Sie würden mir in einer persönlichen Angelegenheit sehr unter die Arme greifen, wenn Sie mir gestatten würden, dem heutigen Unterricht fernzubleiben, Professor Snape.“
„Persönliche Angelegenheiten interessieren mich nicht“, war alles, was Severus zu sagen hatte, bevor er sich wieder den Zutaten widmete.
Zwar hatte Draco mit so etwas gerechnet, aber Severus’ Art machte ihn wütend und gleichzeitig traurig, so dass er diese Angelegenheit nicht einfach auf sich beruhen lassen wollte.
„Miss Bones hat mich gebeten, heute mit ihr ins St. Mungos zu gehen“, erklärte Draco.
Nur kurz hielt Severus mit seinen Bewegungen inne, bevor er noch ein paar Flubberwürmer in ein Glas tat, es mit einem Deckel schloss und entgegnete: „Private Angelegenheiten können Sie in Ihrer Freizeit erledigen und jetzt stören Sie mich nicht länger.“
„Ich könnte Vater sehen…“, sagte Draco innehaltend, weil Severus ihn böse anblickte. Ganz plötzlich verspürte Draco das Bedürfnis, sich bei Severus zu entschuldigen und er begann mit den Worten: „Du bist wegen Halloween noch immer sauer.“
„Achten Sie auf eine angemessene Anrede“, tadelte Severus ihn.
„Es tut mir so Leid, Severus. Ich hätte niemals…“
„Mr. Malfoy“, belferte Severus, „ich erwarte von Ihnen den Respekt, dem Sie auch jedem anderen Lehrer…“
Draco wagte es, ihn zu unterbrechen: „Aber kein anderer Lehrer ist mein Patenonkel.“
„Ah“, machte Severus, „dann führen wir dieses Gespräch gerade auf einer privaten Ebene? Verstehe. Dann lass dir eines gesagt sein, Draco: Es ist eine Schande, dass du als ’Kostüm’ jenes Gewand gewählt hast, welches du niemals in deinem Leben hättest tragen dürfen! Aber nicht nur das. Hast du dir überhaupt keine Gedanken über die ganzen Menschen gemacht?“ ’Über mich?’, fügte Severus in Gedanken hinzu. „Kam dir nicht einmal in den Sinn, dass dein Auftritt Auswirkungen von immensen Ausmaßen haben könnte?“
„Was denn für Ausmaße? Es ist doch alles wieder in Ordnung“, sagte Draco kleinlaut.
„Nichts ist in Ordnung! Allein die Konfrontation mit der Furcht vor Todessern hat Madame Pomfrey acht Schüler beschert, die übers ganze Wochenende unter Alpträumen gelitten hatten, was sie mit Tränken behandeln musste!“ Draco blickte beschämt zu Boden, doch Severus war noch nicht fertig und erklärte: „Eine Schülerin hat wieder angefangen zu Stottern, worunter sie laut ihrer eigenen Aussage seit ihrem neunten Lebensjahr nicht mehr gelitten hatte.“ Schuldbewusst rieb sich Draco den Nacken und er wartete darauf, bis Severus noch ein Beispiel nannte, doch sein Patenonkel zögerte zunächst. Plötzlich schilderte Severus in einem sehr ruhigen Tonfall: „Der Schock hat bei einem Fünfzehnjährigen bewirkt, dass er des Nachts wieder einnässt, Draco, und das ist deine Schuld! Du wolltest nur einen üblen Streich spielen, aber dein Streich hat bei den durch den Krieg noch immer ganz ausgezehrten Kindern, die jetzt schon durch ihre Erfahrungen viel zu erwachsen sind als sie sein sollten, böse Erinnerungen geweckt und einigermaßen bewältigte Probleme neu aufwallen lassen.“
Severus entfernte sich vom Zutatenschrank und näherte sich Draco. Er blickte den Blonden an, bevor er noch hinzufügte: „Du hast Glück gehabt, dass dich niemand verletzt hat. Selbst ich war kurz davor gewesen, dir etwas Schlimmes anzutun.“ Abschließend sagte er spöttisch: „Versuch das mal in Hogsmeade, Draco. Du würdest mit deiner Verkleidung dort keine fünf Sekunden überleben!“
Still stand Draco in der Klasse und ließ sich alles, was Severus gesagt hatte, durch den Kopf gehen. Er war davon ausgegangen, dass den Schülern nur für einen kurzen Moment bis zur Demaskierung der Schrecken durch die Glieder fahren würde, nicht jedoch damit, dass jemand eine psychische Störung davontragen könnte. Durch diese Erkenntnis fühlte Draco sich richtig schlecht. Er wollte Susan in diesem niedergeschlagenen Zustand auch nicht mehr begleiten, aber eines wollte noch von Severus und er war sich sicher, dass Susan nichts dagegen haben würde.
„Severus?“ Als Severus ihn erneut anblickte, sagte Draco voller Hoffnung in der Stimme: „Ich würde gern, dass du der Patenonkel meines Kindes wirst.“ Draco beobachtete Severus und bemerkte, wie dessen Blick langsam in die Leere schweifte und er kräftig schlucken musste und sich ein paar Schritte von ihm entfernte.
Erst nach einer ganzen Weile äußerte sich Severus dazu, denn er sagte: „Ich fühlte mich geehrt, aber ich muss leider ablehnen.“
Vor lauter Unglauben musste Draco ein paar Mal blinzeln, bevor er seine Sprache wieder gefunden hatte. „Das glaube ich nicht“, sagte er verdattert. „Das glaube ich einfach nicht“, wiederholte er einen Moment später schon etwas zorniger. Draco kniff aufgebracht die Lippen zusammen, bevor er sagte: „Ist das deine Art mich zu bestrafen, weil ich einen Fehler begangen habe? Es geht hier nicht um eine kleine Streitigkeit, über die wir in einigen Wochen schon gar nicht mehr reden werden, Severus. Es geht hier um eine Sache, die ein Leben andauern soll!“
„Du verstehst mich falsch, Draco. Ich habe nicht abgelehnt, um dir eine Lektion zu erteilen“, machte Severus mit ruhiger Stimme deutlich.
Diese Worte hatte Draco in den falschen Hals bekommen, so dass er ihn wütend anfuhr: „Dann bedeute ich dir also so wenig, dass dir mein Nachwuchs völlig egal ist?“
Severus wollte sich Dracos Tonfall verbitten und sagte daher bestimmend: „Deute meine Entscheidung nicht falsch!“
„Wie soll ich sie den sonst verstehen?“
„Draco, es ist genug“, murmelte Severus, doch sein Patensohn wollte das unbedingt geklärt wissen.
„Ich war dir ja eh nur ein Klotz am Bein, wie ich das so sehe“, sagte Draco aufgeregt atmend.
Severus hatte sich zwar nach dem Vorfall auf dem Astronomieturm um ihn gekümmert, ihn in Sicherheit gebracht, und hatte somit seine Pflicht als Patenonkel erfüllt, doch Draco wurde das Gefühl nicht los, dass er für Severus all die Jahre nur eine Last gewesen war.
„Ich bin für dich nichts anderes, als ein miserables verzogenes Balg“, Severus öffnete den Mund, doch Draco ließ sich nicht unterbrechen, „und ich habe deine Zeit vergeudet! Das hast du selbst gesagt, Severus. Das hast du selbst…“ Draco war so aufgeregt, wütend und gleichzeitig enttäuscht, dass er am ganzen Körper zitterte.
„Reiß dich zusammen“, forderte Severus.
„Ich wünschte, du würdest wissen, was du mir bedeutest! Ich habe immer zu dir hinaufgeschaut, dich immer bewundert, schon als Kind. Mutter hat von dir in den höchsten Tönen gesprochen und Vater…“ Dracos Lippen begannen wegen der Erwähnung seines Vaters zu beben, aber auch wenn er sich von seinem Patenonkel so tief verletzt fühlte, wollte er keine Tränen aufkommen lassen. „Du bist ein Familienfreund und…“
Severus unterbrach und sagte ruhig: „Und das werde ich auch bleiben. Ich werde, wie früher, auf Festen anwesend sein, Geschenke machen und auch Kinderköpfe tätscheln, aber ich will nicht der Patenonkel werden, Draco.“
Draco schüttelte verzweifelt den Kopf und sagte: „Du verstehst nicht, was ich damit überhaupt sagen wollte.“ Er wollte es ihm unbedingt verständlich machen und benötigte einen Moment, um die richtigen Worte zu finden und dann sagte er mit kaum vernehmbarer bewegter Stimme: „Du warst in meinem Leben immer präsent, Severus, und ich bereue keinen einzigen Moment, den wir zusammen waren. Ich wünschte nur, du würdest das auch so sehen.“
Sein Patenonkel sagte nichts und blickte nicht einmal zu ihm hinüber, so dass Draco auf ihn zuging und versuchte, ihm in die Augen zu sehen, doch Severus Blick war starr auf den Boden gerichtet. Nur ein einziges Mal hatte Severus ihm während ihrer gemeinsamen Flucht Trost gespendet und den wollte Draco, weil er sich momentan so schlecht fühlte, einfach erzwingen. Severus konnte gar nicht so schnell handeln, wie Draco die Arme um ihn geschlungen hatte, um diese Geste zwischen eng vertrauten Menschen entstehen zu lassen. Severus war zwar nicht wie ein Vater für ihn, auch nicht wie ein großer Bruder, aber er war sein Patenonkel und man hatte nur einen und der nahm bei Draco eine wichtige Rolle im Leben ein. Draco fühlte den Trost, den er erhofft hatte, auch wenn Severus nichts anderes tat als dazustehen und sich umarmen zu lassen. Severus selbst hatte die Arme nicht erhoben, um die Geste zu erwidern, doch das störte Draco nicht. Er wusste, dass Severus schon immer sehr zurückhaltend gewesen war. Dass er nicht zurückgestoßen wurde, zeigte Draco, dass sein Patenonkel sich von dieser Geste nicht belästigt fühlte, auch wenn sich dessen Muskeln versteift hatten. Sein Vater hätte ihm jetzt bereits eine verbale Aufforderung gegeben, die Umarmung zu beenden, doch Severus ließ sie stillschweigend zu.
„Du warst und bist mir noch immer ein so geschätzter Patenonkel, dass ich für mein Kind das Gleiche wünsche, Severus“, sagte Draco, ohne seinen Kopf von Severus’ Schulter zu nehmen.
Er hörte seinen Patenonkel stockend ausatmen, bevor er dessen leise Stimme vernahm. „Ich möchte diese Verantwortung kein zweites Mal tragen, Draco. Ich bin nicht mehr der Jüngste. Ich weiß nicht, wie lange ich noch…“ Severus beendete seinen Satz nicht und erst, als Draco die gesprochenen Worte in seinen Gedanken wiederholte, da stutze er.
Nur leicht löste Draco die Umarmung, um Severus ansehen zu können und er erschrak, als dessen Gesicht so kreidebleich vor ihm auftauchte. Vorsichtig sagte er: „Severus?“ Sein Patenonkel blickte ihn an und in diesem Moment machte Draco einen Satz nach hinten, bevor er besorgt fragte: „Severus, was ist mit deinen Augen?“ Er fragte sich, ob sein Patenonkel womöglich an einer Krankheit leiden würde. Warum sonst waren dessen Augen jetzt plötzlich so hell und warum hatte Severus gesagt, er wüsste nicht, wie lange er noch…
’Wie lange er noch WAS?’, fragte Draco sich selbst. Wie lange er noch am Leben sein würde?
„Geht es dir gut? Du siehst schlecht aus. Bist du krank?“, wollte Draco wissen. Severus fasste sich mit einer Hand ans Herz und deswegen geriet Draco in Panik und fragte aufgeregt: „Soll ich Madame Pomfrey holen? Hast du Herzschmerzen? Ein Infarkt? Oh Merlin, setz dich erstmal!“ Draco half seinem Patenonkel, hinter den Schreibtisch auf dem Stuhl Platz zu nehmen. Severus wirkte wie ein nasser Sack, denn man auf der Sitzfläche abgelegt hatte. Die Hand am Herzen krallte sich in den schwarzen Gehrock und Severus hatte sein Gesicht verzogen, als würde er unter großen Schmerzen leiden. „Ich hole Madame Pomfrey.“
Schon war Draco in Windeseile aus der Tür gestürzt, nur um gleich darauf zu Boden zu gehen. Was seinen Fall verursacht hatte, machte ihm ein weißer Hund klar, der ihm entschuldigend das Gesicht leckte.
Hermine war gerade von ihrem Mittags-Spaziergang mit dem Hund zurückgekommen, als die Tür des Klassenzimmers sich abrupt geöffnet hatte, Draco direkt in die Leine lief und über sie stolperte.
„Draco, was…“
„Hermine, du bist doch Heilerin oder?“, fragte Draco aufgeregt.
„Ja, aber was ist denn nur…“
Erneut fuhr er ihr über den Mund und sagte: „Severus! Es geht ihm nicht gut. Ich glaube, sein Herz… Sieh ihn dir bitte an!“
Heiler war Heiler, hatte Draco gedacht und Hermine war griffbereit, so dass er sie einfach am Arm packte und in den Klassenraum zerrte. Hermine ließ die Leine los und der Hund rannte bereits aufgeregt zu seinem Herrchen.
Hinter seinem Schreibtisch saß Severus noch genauso da, wie er ihn zurückgelassen hatte. An Hermine Gesicht erkannte Draco, dass sie sich ebenfalls Sorgen machte. Beide eilten zu ihm hinüber und Hermine kniete sich vor ihn nieder und sagte: „Severus? Sagen Sie mir, was Sie für Schmerzen haben.“
„Es…“, seine Stimme war erschreckend schwach. „Es geht schon.“
Aus der Innentasche seines Umhangs zog Severus seinen neuen Zauberstab, um per Aufrufezauber einen Beruhigungstrank herbeizurufen. Hermine fing die kleine Flasche jedoch ab, bevor er sie greifen konnte und schalt ihn: „Oh nein, das haben Sie schon einmal getan und ich lasse nicht zu, dass Sie sich wieder mit Tränken voll stopfen, ohne dass man weiß, was mit Ihnen los ist.“
Draco zog bewundernd eine Augenbraue hinauf, denn nicht einmal er selbst hätte es gewagt, Severus einen Trank vorzuenthalten, den er einnehmen wollte. Plötzlich bellte der Hund und Hermine und Draco blickten sich gleichzeitig um. An Draco gewandt sagte sie leise, aber bestimmend: „Sorge dafür, dass die Schüler draußen warten!“ Sofort stürmte Draco zur Tür und hinderte die Schüler daran, den Klassenraum zu betreten. Vorsichtshalber ging Draco vor die Tür und schloss sie von außen.
Nachdem die Tür sich geschlossen hatte, fragte Hermine ganz offen: „Ist es genauso wie damals, als sie Harrys Babydecke gesehen hatten?“ Er schien im ersten Moment erschrocken, dass sie davon überhaupt wusste, doch er nickte letztendlich. „Was hat das ausgelöst, Severus? Sagen Sie es mir, sonst kann ich Ihnen nicht helfen, bitte“, flehte sie. Er antwortete nicht, sondern saß mit dem Oberkörper zusammengesackt seinem Stuhl, die Beine hatte er jedoch weit von sich gestreckt. Hermine seufzte, bevor sei leise offenbarte: „Sie werden es sich wahrscheinlich gedacht haben, aber ich möchte ehrlich sein, Severus. Ich habe nicht nur in dem schwarzmagischen Buch gelesen, sondern bin vorher Ihre gesamten Notizen durchgegangen.“ Sie sah, wie er schluckte. „Ich weiß, dass Sie etwas suchen und dass Sie dieses Etwas reparieren möchten. Mir sind während der Studie Ihrer Pergamente viele Ideen durch den Kopf geschossen, die in viele verschiedene Richtungen gehen.“ Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. „Wenn ich nur wüsste, was Sie suchen würden.“
Wispernd fragte er: „Dann würden Sie danach suchen?“
Sie verneinte und sagte mit einem schmalen Lächeln auf den Lippen: „Ich würde es finden!“
„Es ist verloren“, erklärte er schwächlich und entmutigt.
„Das wird sich erst noch zeigen“, stellte sie enthusiastisch klar. Sie seufzte nochmals, bevor sie ehrlich sagte: „Ich weiß, dass Sie ein verschlossener Mann sind und dass es Ihnen schwer fällt, über private Dinge zu reden, aber“, sie blickte ihm in die Augen, „wenn es sich um etwas drehen sollte, dass mit Tränken und Sprüchen zu tun hat, warum arbeiten wir beide nicht zusammen daran?“
Er blickte von ihren Augen auf ihren Mund und dann auf den Boden, während er nachdachte. Sie hatte es ernst gemeint und er wusste, dass sich seine Chancen verdoppeln würden, sollte ein zweiter schlauer Kopf sich damit befassen. Die Möglichkeit, dass er einer Lösung näher kommen könnte, ließ ihn gleichermaßen aufatmen und erschaudern.
Noch immer hatte er seinen Blick auf den Boden gerichtet, bevor er sagte: „Vielleicht ist es besser, nicht danach zu suchen und es einfach zu vergessen.“
Hermine strengte sich an, die Ruhe zu bewahren, obwohl sie ihm gern die Meinung geigen würde und sagte stattdessen verständnisvoll: „Sie sind hin und her gerissen, Severus.“ Fragend runzelte er die Stirn, so dass sie erklärte: „Immer, wenn ich bestimmte Dinge gefragt habe, die damit zu tun haben, dann haben Sie sich abgeschirmt. Andererseits waren Sie es, der Harry einen Hinweis gegeben hatte. Die Veränderungen, die Sie durchmachen, spüren nicht mehr nur Sie selbst, Severus. Zuerst war es Harry, dann ich und jetzt auch noch Draco. Wenn Sie aufgeben, dann wird sich an Ihrem Zustand gar nichts ändern; es wird immer wieder Momente wie diesen geben, aber wenn wir es gefunden haben sollten, dann können Sie endlich etwas unternehmen!“
So leise, so dass sie es kaum verstehen konnte, flüsterte er: „Und wenn ich aufgeben will?“
Hermine hatte schon von Harry gehört, dass Severus häufig depressiv gewirkt hatte und bei diesem Satz sträubten sich ihr die Nackenhaare, so dass sie etwas grantiger sagte: „So etwas möchte nicht hören! Was glauben Sie, wie schnell ich Sie ins Mungos eingewiesen habe?“
Vor lauter Verblüffung ließ Severus seinen Mund offen stehen, bevor er ihre Drohung in Gedanken wiederholte und sie dann am Umhang packte, um böse zu zischeln: „Das würden Sie nicht wagen!“
Sie lächelte, was ihn erneut verdutzte, bevor sie seinen Unterarm beruhigend tätschelte und erwiderte: „Da sind Sie ja wieder – und das ganz ohne Beruhigungstrunk.“
Er schloss die Augen und ließ ihren Umhang los, bevor er sagte: „Bitte entschuldigen Sie. Ich…“
„Ist schon gut, Severus.“ Sie blickte zur Tür, dann zurück zu ihm und fragte: „Sind Sie für den Unterricht gefeit oder…“
„Ja, es geht mir wieder gut“, erklärte er mit sicherer Stimme.
„Da bin ich erleichtert“, sagte sie, bevor sie aufstand. Er erhob sich ebenfalls und begleitete sie zur Tür, doch bevor er sie öffnete, hörte er sie noch fragen: „Sehen wir uns nachher oder möchten Sie heute etwas Zeit für sich haben?“
Er schüttelte den Kopf und sagte: „Wir sehen uns nachher.“
„Gut, aber erst um drei, denn Albus möchte gleich mit mir sprechen“, waren ihre letzten Worte, bevor er die Tür öffnete und sie hinausging.
Draco blickte Hermine an, die sich einen Weg zwischen den wartenden Schülern freikämpfte und er hätte am liebsten sofort mit ihr gesprochen, doch jetzt folgte zunächst eine Doppelstunde Zaubertränkeunterricht.
Im Laufe des Unterrichts braute Draco den geforderten Trank zusammen und er nutzte derweil die Zeit, um Severus zu beobachten, dessen Augen jetzt wieder dunkel waren.
Zur gleichen Zeit im Ministerium ahnte Susan, dass Draco heute nicht mitkommen würde. Entnervt ging sie zu Kingsley, der über einem Berg von Akten hockte, sie dennoch mit breitem Lächeln grüßte.
„Susan, wie geht’s? Warum so bedrückt?“, fragte er.
„Ach, Malfoy will, dass ich ihn besuche. Ich denke, er hat Einwände zum Verhandlungstermin im nächsten Jahr.“
„Er will alles so schnell hinter sich bringen wie nur möglich, so scheint es jedenfalls. Entweder rechnet er sich wirklich große Chancen aus, nicht viele Jahre zu bekommen oder er möchte einfach wissen, was seine Taten ’wert’ sind“, erklärte Kingsley mit seiner ruhigen Stimme. Da sie sich nicht äußerte, brachte er es auf den Punkt und fragte: „Soll ich hingehen?“
Mit großen Augen wollte sie wissen: „Das würdest du machen? Ich… Ja, das wäre nett von dir. Danke, Kingsley.“
Er konnte hören, wie erleichtert sie war, doch als ihr Blick auf die vielen Akten auf seinem Schreibtisch fiel, da bekam sie offensichtlich ein schlechtes Gewissen, so dass er sagte: „Das meiste ist privater Kram wegen der Gesetzestexte. Es würde mir gut tun, mal von denen wegzukommen.“
„Nur, wenn es dir wirklich nichts ausmacht.“
„Nein, Susan. Gib mir Malfoys Akte, damit ich…“ Sie hielt ihm bereits die Akte entgegen und lächelte verschämt. „Danke, Susan. Ich les mir die letzte Korrespondenz durch und werde gleich ins Mungos flohen.“
Lucius wartete auf Miss Bones und löcherte Schwester Marie mit Fragen, ob sie auch wirklich mit Miss Bones gesprochen hätte und ob die nichts von einem Termin gesagt hatte.
„Mr. Malfoy, jetzt langt es wirklich. Zum letzten Mal: Miss Bones hat gesagt, sie könnte keinen Termin machen, würde aber so schnell kommen wie möglich. Beruhigen Sie sich doch bitte, Mr. Malfoy“, bat Schwester Marie entnervt. Heute war ihr sonst so umgänglicher Patient wirklich eine Nervensäge.
„Aber ich…“
Marie atmete erleichtert auf, weil ein Klopfen den Patienten auf der Stelle ruhig gestellt hatte. Sie öffnete die Tür und eine tiefe Stimme grüßte sie.
Die Stimme erkennend wetterte Lucius: „Oh nein, ich habe nach Miss Bones verlangt und werde nicht mit Mr. Shacklebolt reden, besonders nicht nach unserem letzten Gespräch!“ Er würde Arthur und Shacklebolt nie verzeihen können, ihm heimlich Veritaserum gegeben zu haben.
„Miss Bones hat den Fall an mich weitergegeben, Mr. Malfoy. Finden Sie sich besser damit ab“, sagte Shacklebolt äußerst ruhig.
„Ich möchte, dass die Schwester während unseres Gesprächs anwesend ist. Darauf bestehe ich!“, fordert Lucius.
Man hörte Kingsley tief durchatmen, bevor er besonnen entgegnete: „Sie sind hier nicht in der Position, um Forderungen stellen zu können, Mr. Malfoy.“ Bevor Lucius etwas erwidern konnte, fragte Kingsley: „Über was wollten Sie mit Miss Bones sprechen? Oder habe ich den Weg hierher umsonst gemacht?“
Lucius atmete schnaufend durch die Nase und Marie dachte, dass er jeden Moment Feuer wie ein Drache speien würde, doch dann sagte er ganz leise: „Wenn Miss Bones keine Zeit für mich hat, dann rede ich gern mit Ihnen, Mr. Shacklebolt.“
Beide gingen an einen Tisch und Schwester Marie fragte unsicher: „Soll ich nun bleiben oder…“
Kingsley mochte die Schwester und erlaubte: „Bleiben Sie ruhig. Wir möchte doch nicht, dass der Patient sich ungerecht behandelt fühlt.“ Lucius kniff zornig die Lippen zusammen, sagte jedoch nichts. „Also, Mr. Malfoy? Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“
„Ich möchte darum bitten, meinen Verhandlungstermin zu verschieben“, sagte Lucius gezwungen höflich.
„Verschieben? Ist Ihnen August zu früh? Wir könnten auch im November…“
„Verzeihen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Ich dachte eher an einen früheren Termin. Wie sähe es mit Januar oder Februar aus?“, fragte Lucius mit gekonnt geheucheltem Lächeln.
„Aber Ihre Behandlung…“
„Ich werde spätestens Dezember sehen können und das heißt, ich wäre gesundheitlich in der Lage, einer Verhandlung beizuwohnen“, erklärte Lucius mit schmieriger Stimme.
Das erste Mal bemerkte Lucius, dass Mr. Shacklebolt ein dunkelhäutiger Mann zu sein schien, denn er konnte nichts Helles in dessen Gesicht erkennen und daher auch keinen Haaransatz sehen, weil der sich einfach nicht konturenreich vom Gesicht abzeichnete.
Mit sehr leiser, ruhiger Stimme sagte Mr. Shacklebolt: „Mr. Malfoy, ich möchte, dass Sie sich über eine Sache im Klaren sind: Ihr Aufenthalt hier im Krankenhaus ist nicht erforderlich; war er nie! Allein Miss Bones ist es zu verdanken, dass Sie hier ein Zimmer bekommen haben. Wenn es nach mir ginge, dann säßen Sie jetzt in einem hübschen Einzelzimmer mit Blick aufs Meer – auf die Nordsee, um genauer zu sein, die sie tag ein, tag aus von Ihrer Zelle in Askaban betrachten dürften! Bringen Sie sich nicht um dieses Privileg, nur weil Sie unzufrieden mit der Wartezeit sind.“
Lucius verkniff sich jeden Kommentar, war jedoch äußerst ungehalten über Mr. Shacklebolts kleine Rede, die Schwester Marie auch noch mit angehört hatte.
„Haben Sie noch irgendwelche Anliegen, Mr. Malfoy?“, wollte Kingsley wissen.
„Ja, habe ich“, erwiderte Lucius in einem freundlichen Tonfall, der sich sogar für Kingsleys geschulte Ohren sehr echt anhörte.
„Ich höre.“
„Ich möchte wirklich gern mit Miss Bones sprechen, Mr. Shacklebolt. Wenn Sie ihr das ausrichten könnten?“
„Sie hat wenig…“
Lucius vervollständigte den Satz: „…wenig Zeit. Ja, darüber bin ich mir bewusst. Sie kann kommen, wann immer Sie eine freie Minuten finden sollte. Und teilen Sie ihr bitte auch mit, dass während unseres Gesprächs selbstverständlich eine Schwester anwesend sein wird, was sie sicherlich begrüßen wird.“
„Ich werde es ihr ausrichten. Wenn es sonst nichts mehr gibt?“
„Nein danke, Mr. Shacklebolt. Das wäre es. Ich danke Ihnen für Ihren Besuch“, sagte Lucius galant.
Schwester Marie brachte gleich morgens die Post, die Lucius so sehnlich erwartet hatte. Er öffnete den Brief vom Ministerium und versuchte allein, die Buchstaben zu entziffern, konnte die kleine Schrift jedoch noch immer nicht lesen.
„Marie, würden Sie…?“, fragte er innehaltend, während er ihr den Brief reichte.
„Ja, sicher“, war ihre Antwort. Sie nahm den Brief, um laut vorzulesen: „Sehr geehrter Mr. Malfoy, mit Rücksichtnahme auf Ihre gesundheitliche Problematik hat die zuständige Abteilung entschieden, Ihre Anhörung erst im nächsten Jahr, Anfang August, durchzuführen, damit…“
Lucius unterbrach Marie und schimpfte: „Nächstes Jahr? Das ist über ein Dreivierteljahr! Nein, solange will ich nicht warten. Professor Puddle hat versichert, dass ich in wenigen Wochen wieder sehen kann und die Behandlung womöglich Ende Dezember bereits abgeschlossen sein wird. Weiß das Ministerium das denn nicht? Informieren die sich nicht über meinen Zustand?“
„Mr. Malfoy, Sie können doch einfach zurückschreiben und…“
Er unterbrach sie erneut und sagte im Befehlston: „Sorgen Sie dafür, dass Miss Bones herkommt. Ich will mit ihr sprechen, Marie. Holen Sie sie her!“
Schwester Marie seufzte, versicherte jedoch: „Ich werde sie gleich kontaktieren, Mr. Malfoy.“
Noch während ihrer Schicht rief Marie über den Kamin die Vorzimmername von Miss Bones an und meldete sich mit den Worten: „Mrs. Dainty, Miss Amabilis hier oder auch Schwester…“
„Marie! Ja, ich weiß, wer Sie sind. Ich kann Sie gleich durchstellen. Miss Bones ist zufällig gerade frei. Einen Moment bitte.“
Es dauerte keine zwei Sekunden, da meldete sich Miss Bones, so dass Marie gleich ihre Nachricht weitergeben konnte: „Guten Tag, Miss Bones. Es geht, wie Sie sicherlich ahnen, um Mr. Malfoy. Er möchte dringend mit Ihnen sprechen. Es geht wohl um seinen späten Verhandlungstermin.“
„Oh, ähm… Ja gut, aber ich kann keinen Termin ausmachen. Ich werde vorbeikommen, wenn ich Zeit habe. Richten Sie ihm das bitte aus, ja?“, bat Miss Bones, bevor sie die Verbindung beendete.
Susan versuchte gleich darauf, Draco über den Kamin zu kontaktieren und sie erwischte ihn noch vor Unterrichtsbeginn.
„Draco, dein Vater möchte mit mir reden. Ich weiß nicht, ob ich das alleine überstehen werde“, sagte sie nörgelnd, denn sie wollte wirklich nicht allein zu Malfoy senior.
„Aber du glaubst nicht, dass er schon was sehen wird oder? Ich meine, du bist ja erst im vierten Monat. Da sieht man doch noch nichts“, beruhigte Draco sie. Er wusste zwar, dass sein Vater eine Behandlung erhalten würde, doch wie gut er schon wieder sehen konnte, war ihm nicht bekannt. Als Susan erfahren hatte, dass sie ein Kind erwarten würde, da war die Schwangerschaft schon reichlich fortgeschritten.
„Sehen wird er es wohl nicht, aber er… Ich weiß nicht, er regt mich immer auf. Er ist mir gegenüber richtig bösartig geworden. Ich dachte, du könntest vielleicht mitkommen?“, fragte sie am Ende ganz leise.
„Wann denn?“
„Heute geht es nur um ein Uhr rum, ansonsten…“
Draco unterbrach Susan und erklärte: „Ich habe um ein Uhr Zaubertränke und das wird für mich nicht sehr angenehm werden. Ich glaube nicht, dass Severus mir gestatten wird, dem Unterricht fernzubleiben. Geht es nicht nachmittags oder an einem anderen Tag?“
„Nein, wenn es heute nicht geht, dann wird er nur noch wütender auf mich sein“, erwiderte Susan.
Mit dem Kopf schüttelnd sagte Draco: „Du solltest dich von ihm nicht rumkommandieren lassen, Susan.“
„Ich will ihm ja nur entgegenkommen. Vielleicht…“
„Er wird dich nicht mögen, nur weil du springst, wenn er mit seinen Fingern schnippt. Nimm einen anderen Tag und ich komme mit oder geh heute allein hin“, stellte er klar. Gleich darauf fügte er hinzu: „Ich werde Severus fragen, aber ich kann nichts versprechen. Ich muss jetzt los, sonst komme ich zu spät.“
Draco eile los und kam gerade noch rechtzeitig zu „Pflege magischer Geschöpfe“. Professor Svelte betrat den Raum und begann schon damit, über das heutige Thema zu reden, während er zur Tafel ging. Als er sich umdrehte und während seiner hochnäsig wirkenden Rede, die er mit vielen hochtrabenden Worten schmückte, seine Augen über die Schüler schweifen ließ, bemerkte er plötzlich Draco, der ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue und gespitzten Lippen gelangweilt ansah. Svelte kam ins Stottern, was ihm das Gekicher von einigen Damen bescherte. Das, was Draco am Halloween-Abend über Svelte gesagt hatte, klang dem Lehrer wieder in den Ohren und die wurden gleich darauf ganz rot.
Um halb eins, nach der großen Mittagspause, stand eine Doppelstunde Zaubertränke auf dem Plan. Severus war nicht in der großen Halle, wie Draco sehen konnte, und so ließ es das Mittagessen sausen und ging hinunter in die Kerker, um Severus zu fragen, ob er heute freibekommen könnte, denn er würde Susan sehr gern begleiten. Womöglich hätte er eine Chance, seinen Vater wieder einmal zu Gesicht zu bekommen, denn der hatte bisher auf seine Briefe nie geantwortet. Im Krankenhaus hatte er ihn noch nie besucht; nur in Askaban.
Wie erwartet bereitete Severus den Unterricht vor, denn er füllte die Zutaten nach, die in den Schränken für die Schüler aufbewahrt wurden. Ohne beim Umfüllen aufzublicken fragte Severus ihn mit kalter Stimme: „Was kann ich für Sie tun, Mr. Malfoy?“
Severus musste wegen Freitag noch immer sehr wütend sein, wenn er ihn, obwohl außer den beiden keine Menschenseele hier war, „Mr. Malfoy“ nannte.
„Ich wollte Sie um etwas bitten, Sir“, sagte Draco, der es für besser hielt, den höflichen Umgangston beizubehalten, um Severus keinen Grund zu geben, noch wütender zu werden. Severus drehte sich zu ihm um und wartete, so dass Draco sagte: „Sie würden mir in einer persönlichen Angelegenheit sehr unter die Arme greifen, wenn Sie mir gestatten würden, dem heutigen Unterricht fernzubleiben, Professor Snape.“
„Persönliche Angelegenheiten interessieren mich nicht“, war alles, was Severus zu sagen hatte, bevor er sich wieder den Zutaten widmete.
Zwar hatte Draco mit so etwas gerechnet, aber Severus’ Art machte ihn wütend und gleichzeitig traurig, so dass er diese Angelegenheit nicht einfach auf sich beruhen lassen wollte.
„Miss Bones hat mich gebeten, heute mit ihr ins St. Mungos zu gehen“, erklärte Draco.
Nur kurz hielt Severus mit seinen Bewegungen inne, bevor er noch ein paar Flubberwürmer in ein Glas tat, es mit einem Deckel schloss und entgegnete: „Private Angelegenheiten können Sie in Ihrer Freizeit erledigen und jetzt stören Sie mich nicht länger.“
„Ich könnte Vater sehen…“, sagte Draco innehaltend, weil Severus ihn böse anblickte. Ganz plötzlich verspürte Draco das Bedürfnis, sich bei Severus zu entschuldigen und er begann mit den Worten: „Du bist wegen Halloween noch immer sauer.“
„Achten Sie auf eine angemessene Anrede“, tadelte Severus ihn.
„Es tut mir so Leid, Severus. Ich hätte niemals…“
„Mr. Malfoy“, belferte Severus, „ich erwarte von Ihnen den Respekt, dem Sie auch jedem anderen Lehrer…“
Draco wagte es, ihn zu unterbrechen: „Aber kein anderer Lehrer ist mein Patenonkel.“
„Ah“, machte Severus, „dann führen wir dieses Gespräch gerade auf einer privaten Ebene? Verstehe. Dann lass dir eines gesagt sein, Draco: Es ist eine Schande, dass du als ’Kostüm’ jenes Gewand gewählt hast, welches du niemals in deinem Leben hättest tragen dürfen! Aber nicht nur das. Hast du dir überhaupt keine Gedanken über die ganzen Menschen gemacht?“ ’Über mich?’, fügte Severus in Gedanken hinzu. „Kam dir nicht einmal in den Sinn, dass dein Auftritt Auswirkungen von immensen Ausmaßen haben könnte?“
„Was denn für Ausmaße? Es ist doch alles wieder in Ordnung“, sagte Draco kleinlaut.
„Nichts ist in Ordnung! Allein die Konfrontation mit der Furcht vor Todessern hat Madame Pomfrey acht Schüler beschert, die übers ganze Wochenende unter Alpträumen gelitten hatten, was sie mit Tränken behandeln musste!“ Draco blickte beschämt zu Boden, doch Severus war noch nicht fertig und erklärte: „Eine Schülerin hat wieder angefangen zu Stottern, worunter sie laut ihrer eigenen Aussage seit ihrem neunten Lebensjahr nicht mehr gelitten hatte.“ Schuldbewusst rieb sich Draco den Nacken und er wartete darauf, bis Severus noch ein Beispiel nannte, doch sein Patenonkel zögerte zunächst. Plötzlich schilderte Severus in einem sehr ruhigen Tonfall: „Der Schock hat bei einem Fünfzehnjährigen bewirkt, dass er des Nachts wieder einnässt, Draco, und das ist deine Schuld! Du wolltest nur einen üblen Streich spielen, aber dein Streich hat bei den durch den Krieg noch immer ganz ausgezehrten Kindern, die jetzt schon durch ihre Erfahrungen viel zu erwachsen sind als sie sein sollten, böse Erinnerungen geweckt und einigermaßen bewältigte Probleme neu aufwallen lassen.“
Severus entfernte sich vom Zutatenschrank und näherte sich Draco. Er blickte den Blonden an, bevor er noch hinzufügte: „Du hast Glück gehabt, dass dich niemand verletzt hat. Selbst ich war kurz davor gewesen, dir etwas Schlimmes anzutun.“ Abschließend sagte er spöttisch: „Versuch das mal in Hogsmeade, Draco. Du würdest mit deiner Verkleidung dort keine fünf Sekunden überleben!“
Still stand Draco in der Klasse und ließ sich alles, was Severus gesagt hatte, durch den Kopf gehen. Er war davon ausgegangen, dass den Schülern nur für einen kurzen Moment bis zur Demaskierung der Schrecken durch die Glieder fahren würde, nicht jedoch damit, dass jemand eine psychische Störung davontragen könnte. Durch diese Erkenntnis fühlte Draco sich richtig schlecht. Er wollte Susan in diesem niedergeschlagenen Zustand auch nicht mehr begleiten, aber eines wollte noch von Severus und er war sich sicher, dass Susan nichts dagegen haben würde.
„Severus?“ Als Severus ihn erneut anblickte, sagte Draco voller Hoffnung in der Stimme: „Ich würde gern, dass du der Patenonkel meines Kindes wirst.“ Draco beobachtete Severus und bemerkte, wie dessen Blick langsam in die Leere schweifte und er kräftig schlucken musste und sich ein paar Schritte von ihm entfernte.
Erst nach einer ganzen Weile äußerte sich Severus dazu, denn er sagte: „Ich fühlte mich geehrt, aber ich muss leider ablehnen.“
Vor lauter Unglauben musste Draco ein paar Mal blinzeln, bevor er seine Sprache wieder gefunden hatte. „Das glaube ich nicht“, sagte er verdattert. „Das glaube ich einfach nicht“, wiederholte er einen Moment später schon etwas zorniger. Draco kniff aufgebracht die Lippen zusammen, bevor er sagte: „Ist das deine Art mich zu bestrafen, weil ich einen Fehler begangen habe? Es geht hier nicht um eine kleine Streitigkeit, über die wir in einigen Wochen schon gar nicht mehr reden werden, Severus. Es geht hier um eine Sache, die ein Leben andauern soll!“
„Du verstehst mich falsch, Draco. Ich habe nicht abgelehnt, um dir eine Lektion zu erteilen“, machte Severus mit ruhiger Stimme deutlich.
Diese Worte hatte Draco in den falschen Hals bekommen, so dass er ihn wütend anfuhr: „Dann bedeute ich dir also so wenig, dass dir mein Nachwuchs völlig egal ist?“
Severus wollte sich Dracos Tonfall verbitten und sagte daher bestimmend: „Deute meine Entscheidung nicht falsch!“
„Wie soll ich sie den sonst verstehen?“
„Draco, es ist genug“, murmelte Severus, doch sein Patensohn wollte das unbedingt geklärt wissen.
„Ich war dir ja eh nur ein Klotz am Bein, wie ich das so sehe“, sagte Draco aufgeregt atmend.
Severus hatte sich zwar nach dem Vorfall auf dem Astronomieturm um ihn gekümmert, ihn in Sicherheit gebracht, und hatte somit seine Pflicht als Patenonkel erfüllt, doch Draco wurde das Gefühl nicht los, dass er für Severus all die Jahre nur eine Last gewesen war.
„Ich bin für dich nichts anderes, als ein miserables verzogenes Balg“, Severus öffnete den Mund, doch Draco ließ sich nicht unterbrechen, „und ich habe deine Zeit vergeudet! Das hast du selbst gesagt, Severus. Das hast du selbst…“ Draco war so aufgeregt, wütend und gleichzeitig enttäuscht, dass er am ganzen Körper zitterte.
„Reiß dich zusammen“, forderte Severus.
„Ich wünschte, du würdest wissen, was du mir bedeutest! Ich habe immer zu dir hinaufgeschaut, dich immer bewundert, schon als Kind. Mutter hat von dir in den höchsten Tönen gesprochen und Vater…“ Dracos Lippen begannen wegen der Erwähnung seines Vaters zu beben, aber auch wenn er sich von seinem Patenonkel so tief verletzt fühlte, wollte er keine Tränen aufkommen lassen. „Du bist ein Familienfreund und…“
Severus unterbrach und sagte ruhig: „Und das werde ich auch bleiben. Ich werde, wie früher, auf Festen anwesend sein, Geschenke machen und auch Kinderköpfe tätscheln, aber ich will nicht der Patenonkel werden, Draco.“
Draco schüttelte verzweifelt den Kopf und sagte: „Du verstehst nicht, was ich damit überhaupt sagen wollte.“ Er wollte es ihm unbedingt verständlich machen und benötigte einen Moment, um die richtigen Worte zu finden und dann sagte er mit kaum vernehmbarer bewegter Stimme: „Du warst in meinem Leben immer präsent, Severus, und ich bereue keinen einzigen Moment, den wir zusammen waren. Ich wünschte nur, du würdest das auch so sehen.“
Sein Patenonkel sagte nichts und blickte nicht einmal zu ihm hinüber, so dass Draco auf ihn zuging und versuchte, ihm in die Augen zu sehen, doch Severus Blick war starr auf den Boden gerichtet. Nur ein einziges Mal hatte Severus ihm während ihrer gemeinsamen Flucht Trost gespendet und den wollte Draco, weil er sich momentan so schlecht fühlte, einfach erzwingen. Severus konnte gar nicht so schnell handeln, wie Draco die Arme um ihn geschlungen hatte, um diese Geste zwischen eng vertrauten Menschen entstehen zu lassen. Severus war zwar nicht wie ein Vater für ihn, auch nicht wie ein großer Bruder, aber er war sein Patenonkel und man hatte nur einen und der nahm bei Draco eine wichtige Rolle im Leben ein. Draco fühlte den Trost, den er erhofft hatte, auch wenn Severus nichts anderes tat als dazustehen und sich umarmen zu lassen. Severus selbst hatte die Arme nicht erhoben, um die Geste zu erwidern, doch das störte Draco nicht. Er wusste, dass Severus schon immer sehr zurückhaltend gewesen war. Dass er nicht zurückgestoßen wurde, zeigte Draco, dass sein Patenonkel sich von dieser Geste nicht belästigt fühlte, auch wenn sich dessen Muskeln versteift hatten. Sein Vater hätte ihm jetzt bereits eine verbale Aufforderung gegeben, die Umarmung zu beenden, doch Severus ließ sie stillschweigend zu.
„Du warst und bist mir noch immer ein so geschätzter Patenonkel, dass ich für mein Kind das Gleiche wünsche, Severus“, sagte Draco, ohne seinen Kopf von Severus’ Schulter zu nehmen.
Er hörte seinen Patenonkel stockend ausatmen, bevor er dessen leise Stimme vernahm. „Ich möchte diese Verantwortung kein zweites Mal tragen, Draco. Ich bin nicht mehr der Jüngste. Ich weiß nicht, wie lange ich noch…“ Severus beendete seinen Satz nicht und erst, als Draco die gesprochenen Worte in seinen Gedanken wiederholte, da stutze er.
Nur leicht löste Draco die Umarmung, um Severus ansehen zu können und er erschrak, als dessen Gesicht so kreidebleich vor ihm auftauchte. Vorsichtig sagte er: „Severus?“ Sein Patenonkel blickte ihn an und in diesem Moment machte Draco einen Satz nach hinten, bevor er besorgt fragte: „Severus, was ist mit deinen Augen?“ Er fragte sich, ob sein Patenonkel womöglich an einer Krankheit leiden würde. Warum sonst waren dessen Augen jetzt plötzlich so hell und warum hatte Severus gesagt, er wüsste nicht, wie lange er noch…
’Wie lange er noch WAS?’, fragte Draco sich selbst. Wie lange er noch am Leben sein würde?
„Geht es dir gut? Du siehst schlecht aus. Bist du krank?“, wollte Draco wissen. Severus fasste sich mit einer Hand ans Herz und deswegen geriet Draco in Panik und fragte aufgeregt: „Soll ich Madame Pomfrey holen? Hast du Herzschmerzen? Ein Infarkt? Oh Merlin, setz dich erstmal!“ Draco half seinem Patenonkel, hinter den Schreibtisch auf dem Stuhl Platz zu nehmen. Severus wirkte wie ein nasser Sack, denn man auf der Sitzfläche abgelegt hatte. Die Hand am Herzen krallte sich in den schwarzen Gehrock und Severus hatte sein Gesicht verzogen, als würde er unter großen Schmerzen leiden. „Ich hole Madame Pomfrey.“
Schon war Draco in Windeseile aus der Tür gestürzt, nur um gleich darauf zu Boden zu gehen. Was seinen Fall verursacht hatte, machte ihm ein weißer Hund klar, der ihm entschuldigend das Gesicht leckte.
Hermine war gerade von ihrem Mittags-Spaziergang mit dem Hund zurückgekommen, als die Tür des Klassenzimmers sich abrupt geöffnet hatte, Draco direkt in die Leine lief und über sie stolperte.
„Draco, was…“
„Hermine, du bist doch Heilerin oder?“, fragte Draco aufgeregt.
„Ja, aber was ist denn nur…“
Erneut fuhr er ihr über den Mund und sagte: „Severus! Es geht ihm nicht gut. Ich glaube, sein Herz… Sieh ihn dir bitte an!“
Heiler war Heiler, hatte Draco gedacht und Hermine war griffbereit, so dass er sie einfach am Arm packte und in den Klassenraum zerrte. Hermine ließ die Leine los und der Hund rannte bereits aufgeregt zu seinem Herrchen.
Hinter seinem Schreibtisch saß Severus noch genauso da, wie er ihn zurückgelassen hatte. An Hermine Gesicht erkannte Draco, dass sie sich ebenfalls Sorgen machte. Beide eilten zu ihm hinüber und Hermine kniete sich vor ihn nieder und sagte: „Severus? Sagen Sie mir, was Sie für Schmerzen haben.“
„Es…“, seine Stimme war erschreckend schwach. „Es geht schon.“
Aus der Innentasche seines Umhangs zog Severus seinen neuen Zauberstab, um per Aufrufezauber einen Beruhigungstrank herbeizurufen. Hermine fing die kleine Flasche jedoch ab, bevor er sie greifen konnte und schalt ihn: „Oh nein, das haben Sie schon einmal getan und ich lasse nicht zu, dass Sie sich wieder mit Tränken voll stopfen, ohne dass man weiß, was mit Ihnen los ist.“
Draco zog bewundernd eine Augenbraue hinauf, denn nicht einmal er selbst hätte es gewagt, Severus einen Trank vorzuenthalten, den er einnehmen wollte. Plötzlich bellte der Hund und Hermine und Draco blickten sich gleichzeitig um. An Draco gewandt sagte sie leise, aber bestimmend: „Sorge dafür, dass die Schüler draußen warten!“ Sofort stürmte Draco zur Tür und hinderte die Schüler daran, den Klassenraum zu betreten. Vorsichtshalber ging Draco vor die Tür und schloss sie von außen.
Nachdem die Tür sich geschlossen hatte, fragte Hermine ganz offen: „Ist es genauso wie damals, als sie Harrys Babydecke gesehen hatten?“ Er schien im ersten Moment erschrocken, dass sie davon überhaupt wusste, doch er nickte letztendlich. „Was hat das ausgelöst, Severus? Sagen Sie es mir, sonst kann ich Ihnen nicht helfen, bitte“, flehte sie. Er antwortete nicht, sondern saß mit dem Oberkörper zusammengesackt seinem Stuhl, die Beine hatte er jedoch weit von sich gestreckt. Hermine seufzte, bevor sei leise offenbarte: „Sie werden es sich wahrscheinlich gedacht haben, aber ich möchte ehrlich sein, Severus. Ich habe nicht nur in dem schwarzmagischen Buch gelesen, sondern bin vorher Ihre gesamten Notizen durchgegangen.“ Sie sah, wie er schluckte. „Ich weiß, dass Sie etwas suchen und dass Sie dieses Etwas reparieren möchten. Mir sind während der Studie Ihrer Pergamente viele Ideen durch den Kopf geschossen, die in viele verschiedene Richtungen gehen.“ Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. „Wenn ich nur wüsste, was Sie suchen würden.“
Wispernd fragte er: „Dann würden Sie danach suchen?“
Sie verneinte und sagte mit einem schmalen Lächeln auf den Lippen: „Ich würde es finden!“
„Es ist verloren“, erklärte er schwächlich und entmutigt.
„Das wird sich erst noch zeigen“, stellte sie enthusiastisch klar. Sie seufzte nochmals, bevor sie ehrlich sagte: „Ich weiß, dass Sie ein verschlossener Mann sind und dass es Ihnen schwer fällt, über private Dinge zu reden, aber“, sie blickte ihm in die Augen, „wenn es sich um etwas drehen sollte, dass mit Tränken und Sprüchen zu tun hat, warum arbeiten wir beide nicht zusammen daran?“
Er blickte von ihren Augen auf ihren Mund und dann auf den Boden, während er nachdachte. Sie hatte es ernst gemeint und er wusste, dass sich seine Chancen verdoppeln würden, sollte ein zweiter schlauer Kopf sich damit befassen. Die Möglichkeit, dass er einer Lösung näher kommen könnte, ließ ihn gleichermaßen aufatmen und erschaudern.
Noch immer hatte er seinen Blick auf den Boden gerichtet, bevor er sagte: „Vielleicht ist es besser, nicht danach zu suchen und es einfach zu vergessen.“
Hermine strengte sich an, die Ruhe zu bewahren, obwohl sie ihm gern die Meinung geigen würde und sagte stattdessen verständnisvoll: „Sie sind hin und her gerissen, Severus.“ Fragend runzelte er die Stirn, so dass sie erklärte: „Immer, wenn ich bestimmte Dinge gefragt habe, die damit zu tun haben, dann haben Sie sich abgeschirmt. Andererseits waren Sie es, der Harry einen Hinweis gegeben hatte. Die Veränderungen, die Sie durchmachen, spüren nicht mehr nur Sie selbst, Severus. Zuerst war es Harry, dann ich und jetzt auch noch Draco. Wenn Sie aufgeben, dann wird sich an Ihrem Zustand gar nichts ändern; es wird immer wieder Momente wie diesen geben, aber wenn wir es gefunden haben sollten, dann können Sie endlich etwas unternehmen!“
So leise, so dass sie es kaum verstehen konnte, flüsterte er: „Und wenn ich aufgeben will?“
Hermine hatte schon von Harry gehört, dass Severus häufig depressiv gewirkt hatte und bei diesem Satz sträubten sich ihr die Nackenhaare, so dass sie etwas grantiger sagte: „So etwas möchte nicht hören! Was glauben Sie, wie schnell ich Sie ins Mungos eingewiesen habe?“
Vor lauter Verblüffung ließ Severus seinen Mund offen stehen, bevor er ihre Drohung in Gedanken wiederholte und sie dann am Umhang packte, um böse zu zischeln: „Das würden Sie nicht wagen!“
Sie lächelte, was ihn erneut verdutzte, bevor sie seinen Unterarm beruhigend tätschelte und erwiderte: „Da sind Sie ja wieder – und das ganz ohne Beruhigungstrunk.“
Er schloss die Augen und ließ ihren Umhang los, bevor er sagte: „Bitte entschuldigen Sie. Ich…“
„Ist schon gut, Severus.“ Sie blickte zur Tür, dann zurück zu ihm und fragte: „Sind Sie für den Unterricht gefeit oder…“
„Ja, es geht mir wieder gut“, erklärte er mit sicherer Stimme.
„Da bin ich erleichtert“, sagte sie, bevor sie aufstand. Er erhob sich ebenfalls und begleitete sie zur Tür, doch bevor er sie öffnete, hörte er sie noch fragen: „Sehen wir uns nachher oder möchten Sie heute etwas Zeit für sich haben?“
Er schüttelte den Kopf und sagte: „Wir sehen uns nachher.“
„Gut, aber erst um drei, denn Albus möchte gleich mit mir sprechen“, waren ihre letzten Worte, bevor er die Tür öffnete und sie hinausging.
Draco blickte Hermine an, die sich einen Weg zwischen den wartenden Schülern freikämpfte und er hätte am liebsten sofort mit ihr gesprochen, doch jetzt folgte zunächst eine Doppelstunde Zaubertränkeunterricht.
Im Laufe des Unterrichts braute Draco den geforderten Trank zusammen und er nutzte derweil die Zeit, um Severus zu beobachten, dessen Augen jetzt wieder dunkel waren.
Zur gleichen Zeit im Ministerium ahnte Susan, dass Draco heute nicht mitkommen würde. Entnervt ging sie zu Kingsley, der über einem Berg von Akten hockte, sie dennoch mit breitem Lächeln grüßte.
„Susan, wie geht’s? Warum so bedrückt?“, fragte er.
„Ach, Malfoy will, dass ich ihn besuche. Ich denke, er hat Einwände zum Verhandlungstermin im nächsten Jahr.“
„Er will alles so schnell hinter sich bringen wie nur möglich, so scheint es jedenfalls. Entweder rechnet er sich wirklich große Chancen aus, nicht viele Jahre zu bekommen oder er möchte einfach wissen, was seine Taten ’wert’ sind“, erklärte Kingsley mit seiner ruhigen Stimme. Da sie sich nicht äußerte, brachte er es auf den Punkt und fragte: „Soll ich hingehen?“
Mit großen Augen wollte sie wissen: „Das würdest du machen? Ich… Ja, das wäre nett von dir. Danke, Kingsley.“
Er konnte hören, wie erleichtert sie war, doch als ihr Blick auf die vielen Akten auf seinem Schreibtisch fiel, da bekam sie offensichtlich ein schlechtes Gewissen, so dass er sagte: „Das meiste ist privater Kram wegen der Gesetzestexte. Es würde mir gut tun, mal von denen wegzukommen.“
„Nur, wenn es dir wirklich nichts ausmacht.“
„Nein, Susan. Gib mir Malfoys Akte, damit ich…“ Sie hielt ihm bereits die Akte entgegen und lächelte verschämt. „Danke, Susan. Ich les mir die letzte Korrespondenz durch und werde gleich ins Mungos flohen.“
Lucius wartete auf Miss Bones und löcherte Schwester Marie mit Fragen, ob sie auch wirklich mit Miss Bones gesprochen hätte und ob die nichts von einem Termin gesagt hatte.
„Mr. Malfoy, jetzt langt es wirklich. Zum letzten Mal: Miss Bones hat gesagt, sie könnte keinen Termin machen, würde aber so schnell kommen wie möglich. Beruhigen Sie sich doch bitte, Mr. Malfoy“, bat Schwester Marie entnervt. Heute war ihr sonst so umgänglicher Patient wirklich eine Nervensäge.
„Aber ich…“
Marie atmete erleichtert auf, weil ein Klopfen den Patienten auf der Stelle ruhig gestellt hatte. Sie öffnete die Tür und eine tiefe Stimme grüßte sie.
Die Stimme erkennend wetterte Lucius: „Oh nein, ich habe nach Miss Bones verlangt und werde nicht mit Mr. Shacklebolt reden, besonders nicht nach unserem letzten Gespräch!“ Er würde Arthur und Shacklebolt nie verzeihen können, ihm heimlich Veritaserum gegeben zu haben.
„Miss Bones hat den Fall an mich weitergegeben, Mr. Malfoy. Finden Sie sich besser damit ab“, sagte Shacklebolt äußerst ruhig.
„Ich möchte, dass die Schwester während unseres Gesprächs anwesend ist. Darauf bestehe ich!“, fordert Lucius.
Man hörte Kingsley tief durchatmen, bevor er besonnen entgegnete: „Sie sind hier nicht in der Position, um Forderungen stellen zu können, Mr. Malfoy.“ Bevor Lucius etwas erwidern konnte, fragte Kingsley: „Über was wollten Sie mit Miss Bones sprechen? Oder habe ich den Weg hierher umsonst gemacht?“
Lucius atmete schnaufend durch die Nase und Marie dachte, dass er jeden Moment Feuer wie ein Drache speien würde, doch dann sagte er ganz leise: „Wenn Miss Bones keine Zeit für mich hat, dann rede ich gern mit Ihnen, Mr. Shacklebolt.“
Beide gingen an einen Tisch und Schwester Marie fragte unsicher: „Soll ich nun bleiben oder…“
Kingsley mochte die Schwester und erlaubte: „Bleiben Sie ruhig. Wir möchte doch nicht, dass der Patient sich ungerecht behandelt fühlt.“ Lucius kniff zornig die Lippen zusammen, sagte jedoch nichts. „Also, Mr. Malfoy? Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“
„Ich möchte darum bitten, meinen Verhandlungstermin zu verschieben“, sagte Lucius gezwungen höflich.
„Verschieben? Ist Ihnen August zu früh? Wir könnten auch im November…“
„Verzeihen Sie, wenn ich Sie unterbreche. Ich dachte eher an einen früheren Termin. Wie sähe es mit Januar oder Februar aus?“, fragte Lucius mit gekonnt geheucheltem Lächeln.
„Aber Ihre Behandlung…“
„Ich werde spätestens Dezember sehen können und das heißt, ich wäre gesundheitlich in der Lage, einer Verhandlung beizuwohnen“, erklärte Lucius mit schmieriger Stimme.
Das erste Mal bemerkte Lucius, dass Mr. Shacklebolt ein dunkelhäutiger Mann zu sein schien, denn er konnte nichts Helles in dessen Gesicht erkennen und daher auch keinen Haaransatz sehen, weil der sich einfach nicht konturenreich vom Gesicht abzeichnete.
Mit sehr leiser, ruhiger Stimme sagte Mr. Shacklebolt: „Mr. Malfoy, ich möchte, dass Sie sich über eine Sache im Klaren sind: Ihr Aufenthalt hier im Krankenhaus ist nicht erforderlich; war er nie! Allein Miss Bones ist es zu verdanken, dass Sie hier ein Zimmer bekommen haben. Wenn es nach mir ginge, dann säßen Sie jetzt in einem hübschen Einzelzimmer mit Blick aufs Meer – auf die Nordsee, um genauer zu sein, die sie tag ein, tag aus von Ihrer Zelle in Askaban betrachten dürften! Bringen Sie sich nicht um dieses Privileg, nur weil Sie unzufrieden mit der Wartezeit sind.“
Lucius verkniff sich jeden Kommentar, war jedoch äußerst ungehalten über Mr. Shacklebolts kleine Rede, die Schwester Marie auch noch mit angehört hatte.
„Haben Sie noch irgendwelche Anliegen, Mr. Malfoy?“, wollte Kingsley wissen.
„Ja, habe ich“, erwiderte Lucius in einem freundlichen Tonfall, der sich sogar für Kingsleys geschulte Ohren sehr echt anhörte.
„Ich höre.“
„Ich möchte wirklich gern mit Miss Bones sprechen, Mr. Shacklebolt. Wenn Sie ihr das ausrichten könnten?“
„Sie hat wenig…“
Lucius vervollständigte den Satz: „…wenig Zeit. Ja, darüber bin ich mir bewusst. Sie kann kommen, wann immer Sie eine freie Minuten finden sollte. Und teilen Sie ihr bitte auch mit, dass während unseres Gesprächs selbstverständlich eine Schwester anwesend sein wird, was sie sicherlich begrüßen wird.“
„Ich werde es ihr ausrichten. Wenn es sonst nichts mehr gibt?“
„Nein danke, Mr. Shacklebolt. Das wäre es. Ich danke Ihnen für Ihren Besuch“, sagte Lucius galant.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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114 Der rote Faden
Hermine war auf dem Weg zu Albus’ Büro und sagte vor dem Wasserspeier „Türkischer Honig“, so dass man sie passieren ließ. Oben angekommen öffnete Albus die Tür, bevor sie klopfen konnte.
„Hermine, treten Sie doch ein. Schön, dass wir einmal etwas Zeit miteinander verbringen können“, sagte Albus freundlich.
Es war Severus gewesen, der den Termin für heute ausgemacht hatte, doch er hatte ihr versichert, dass er dem Direktor nicht einmal einen kleinen Hinweis gegeben hatte, warum sie mit ihm sprechen wollte oder eher sollte. Es lag allein an ihr, Albus darüber zu unterrichten, dass sie in einem schwarzmagischen Buch gelesen hatte.
„Sie sind etwas blass um die Nasenspitze herum, Hermine. Geht es Ihnen gut?“, fragte er höflich.
„Ja, mir geht es gut“, antwortete sie und sie fragte sich für einen Moment, warum er sie „blass“ genannt hatte. Machte sie etwa einen kränklichen Eindruck auf ihn?
Der Direktor bot ihr einen Platz auf einem sehr gemütlichen Sofa an und hielt ihr eine Schale mit Pralinen unter die Nase, bei denen sie dankend zugriff. Auf dem Tisch stand bereits ein sehr auffälliges Teeservice, welches Antik zu sein schien, denn allein die Kanne war der reinste Blickfang mit ihrer goldenen Farbe und den kunstvollen Verschnörkelungen. Verschiedenste Kekse und zwei Sorten Kuchen warteten darauf, gegessen zu werden, doch zuerst tat sie sich an den köstlichen Pralinen gütlich.
„Einen Tee, Hermine?“, fragte Albus freundlich.
„Ja, gern“, antwortete sie mit ein wenig Unbehagen, was Albus zu merken schien.
„Bevor wir Ihr Anliegen bereden möchte ich vorweg etwas sagen. Es gab eine Beschwerde über Sie, Hermine“, sagte Albus amüsiert, während er ihr eine Tasse Tee reichte.
„Eine Beschwerde?“, fragte sie verdutzt nach. Hatte Madam Pince etwa herausbekommen, dass sie heimlich nachts in der Bibliothek Bücher gelesen hatte?
„Ja, eine Beschwerde“, sagte Albus und blickte einmal demonstrativ zu einem Gemälde, welches Salazar Slytherin darstellte. Hermine folgte seinem Blick und in dem Moment, in welchem sich eine Ahnung in ihr ausbreitete, erklärte Albus: „Salazar sagte, Sie hätten sein Leben bedroht.“ Hermine hätte beinahe angefangen zu lachen, doch Albus schilderte gleich darauf: „Er behauptet, sie hätten ihn beinahe in die Luft gesprengt.“
„Es war ein Notfall und er wollte mich nicht durchlassen. Ich durfte doch aber keine Zeit verlieren und wollte nicht mit ihm diskutieren“, rechtfertigte sich Hermine.
Albus kicherte und sagte leise an ihrem Ohr, so dass Salazar im Gemälde unmerklich seinen Hals in der Hoffnung streckte, etwas hören zu können: „Ich habe es auch nicht sehr ernst genommen.“ Lauter, für Salazar verständlich, sagte Albus: „Dass mir das nicht noch einmal vorkommt, Miss Granger.“
Hermine lächelte wegen des nicht ernst gemeinten Tadels und versicherte: „Nein, das wird nicht wieder vorkommen, versprochen.“
Der Direktor nickte und seine Augen strahlten, bevor er das Thema wechselte.
„Es ist das erste Mal, Hermine, dass Sie mich auf einer privaten Ebene besuchen. Ich hoffe doch, es ist nichts Schlimmes geschehen, aber wenn doch, dann dürfen Sie gern von mir erwarten, dass ich Ihnen meine Hilfe anbiete“, sagte er aufrichtig.
Sie räusperte sich, bevor sie fragte: „Haben Sie sich jemals mit der dunklen Magie auseinander gesetzt?“
Er blickte sie über seine Halbbrille an und erwiderte: „Man wäre der dunklen Magie hilflos ausgeliefert, würde man sie nicht verstehen.“
Für Hermine war das ein klares „Ja“, weswegen sie offenbarte: „Ich habe in einem Buch gelesen und ich habe viel zu spät bemerkt…“
„…dass es eines jener schwarzen Bücher war“, vervollständigte Albus. „Sagen Sie mir, wie Sie sich dabei gefühlt haben und wie Sie sich jetzt fühlen.“
Er tat ihr etwas Kuchen auf und schenkte sich selbst einen Tee ein, so dass sie frei von der Leber weg erzählen konnte, ohne dass er sie eindringlich anblicken würde: „Während ich es gelesen habe, da war ich so fasziniert, so begeistert von all den Dingen, die möglich sind, auch wenn es schlimme Dinge waren.“
„Über was haben Sie gelesen?“, wollte er wissen, während er sich geruhsam fünf Würfel Zucker in den Tee tat.
„Ich weiß nicht, wie das Buch hieß, aber in ihm standen Dinge...“ Sie dachte über das nach, was sie aus dem Buch erfahren hatte und gab als Beispiel: „Da stand beschrieben, wie man jemandem das Pech auf den Hals hetzen könnte, mit einem Trank oder einem Fluch; wie man das Unglück aus der Ferne kontrollieren könnte, bis hin zum…“
„Tod“, sagte Albus. „Jede Glückssträhne hat ihr Pendant, mein Gute. Jeder hilfreiche Zauber hat einen zerstörenden Doppelgänger, jeder heilende Trank hat einen bösen Zwilling. Der Skele-Wachs zum Beispiel, der Knochen wieder wachsen lässt, wie Harry es leider schon schmerzhaft am eigenen Leib erfahren musste, findet sein Gegenstück in einem abscheulichen Trank, der die Knochen in einem Körper aufzulösen vermag, was einen grauenvollen Tod bewirkt.“ Der Direktor setzte sich neben Hermine, trank seinen Tee und sagte dann mit ruhiger Stimme: „Mich interessiert, Hermine, ob Sie sich während des Lesens ein Szenario vorgestellt haben, in dem eine ungeliebte Person diesen Unglückstrank eingenommen hatte.“
„Nein!“, kam wie aus der Pistole geschossen und sehr erschüttert klingend. Da er sie geduldig anblickte, erklärte sie: „Ich fand es schrecklich und dachte mir, besonders bei diesem Cogamor-Trank, ob es nicht eine Möglichkeit gäbe, die Wirkung des Trankes wieder aufheben zu können. Der Gedanke daran ist grauenvoll, nur wegen eines Trankes ein Leben lang einer anderen Person hörig zu sein. Es muss doch ein Gegenmittel geben und wenn nicht, muss man eines erforschen.“
„Es ist erleichternd, das zu hören. Solange Sie in Gedanken nämlich nicht schon überlegen, welche Person Sie mit welchem Trank leiden lassen möchten, haben Sie ein reines Herz. Sich mit dunkler Magie zu befassen, Hermine, ist eine gefährliche Angelegenheit, aber es ist notwendig, um gegen sie ankommen zu können.“ Seine Augen funkelten fröhlich, als er anfügte: „Ist es nicht auch so, dass man aus dem tödlichen Gift einer Schlange das rettende Gegenmittel gewinnen kann?“ Hermine nickte und verstand, was er ihr damit sagen wollte.
Albus reichte ihr den Teller mit dem Schokoladenkuchen und tat sich selbst ein Stück von der Zitronenschnitte auf. Da sie nichts sagte, ergriff er das Wort erneut.
„Das Leben ist durchwachsen von schönen und schlechten Ereignissen. Der Mensch selbst ist weder gut noch böse; da ist es nicht verwunderlich, dass es mit der Magie nicht anders aussieht. Erst beide Seiten formen eine Einheit. Das eine kann ohne das andere nicht existieren, doch nur, wer sich darüber im Klaren ist, der ist auch bereit, beide Seiten kennen zu lernen“, erklärte Albus. Plötzlich blickte er sie streng an und fragte einschüchternd: „Hat Severus Ihnen das Buch zu lesen gegeben?“
„Nein, Sir! Er wusste davon nichts, wirklich nicht“, erwiderte sie ehrlich.
Mit einem Male war die Freundlichkeit, die Albus meist verbreitete, wieder in seinem Gesicht abzulesen, als er sagte: „Das hätte mich auch sehr gewundert.“ Dann fragte er: „Ihr Interesse ist geweckt worden? Glauben Sie, dass Sie bereit dazu wären, sich mit dunkler Magie zu befassen? Sie müssen nämlich bedenken, dass es Sie sehr beschäftigen wird, auch unbewusst. Sie werden sicherlich Albträume bekommen, was eine normale Nebenwirkung wäre. Auch Harry hatte stets unter Albträumen gelitten, nachdem er von Voldemorts dunkler Magie berührt worden war.“
Starr hielt Hermine ihren Blick auf den Schokokuchen und sie fragte sich, ob es eine Fangfrage sein könnte. ’Bin ich bereit?’, fragte sie sich selbst. Sie wollte an das Wissen herankommen, das die dunkle Magie mit sich brachte, doch sie wollte ihr niemals verfallen und schon gar nicht bei ihren Mitmenschen den Eindruck erwecken, ihnen erlegen zu sein.
„Gewissenbisse, Hermine?“, fragte Albus stichelnd.
Sie seufzte und erklärte: „Ich sag es mal so: Ich bin der Überzeugung, dass ich eine Menge hinzulernen könnte, würde ich mich auch mit den dunklen Künsten auseinander setzen. Es würde nicht nur meinen Wissensdurst stillen, sondern könnte auch nützlich sein, um Opfern der dunklen Künste besser helfen zu können. Immerhin bin ich Heilerin und war während meiner Ausbildung schon einige Male mit wirklich schlimmen Fällen in Berührung gekommen. Andererseits möchte ich nicht, dass man meine Neugierde missversteht.“ Sie blickte ihm endlich in die Augen und sagte ehrlich: „Ich bin kein schlechter Mensch und wenn die Gefahr für mich zu groß wäre, dann würde ich die Finger davon lassen.“
Er tätschele sie liebevoll am Knie, was sie sich bei jedem anderen Mann sofort verbitten würde, aber nicht bei ihm.
„Ich verstehe Sie, meine Gute. Es ist bestimmt nicht gerade leicht, wenn jemand erfahren sollte, dass man sich mit dunklen Künsten beschäftigt. Ich selbst vertrete öffentlich die Meinung, dass schwarzmagische Lehrinhalte nichts auf dem Stundenplan zu suchen haben. Kein Kind sollte mit den dunklen Künsten vertraut gemacht werden.“ Albus seufzte, bevor er fortfuhr: „Severus selbst hatte während seiner Schulzeit kein Geheimnis aus seinem Steckenpferd gemacht und wurde deshalb… Nun ja, das ist eine andere Geschichte. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass man Vorsicht walten lassen muss; man nicht jedem alles unter die Nase reiben darf.“ Er schien für einen Moment gedankenverloren. Albus schenkte ihr und sich noch eine Tasse Tee ein und erklärte: „Dass Severus den dunklen Künsten angetan ist, war nie ein Geheimnis, auch nicht unter den Schülern, was ihm natürlich von Anfang an einen schlechten Ruf eingehandelt hatte.“ Der Direktor blickte sie an und sagte leise, als würde er ein Geheimnis preisgeben: „Würden Sie glauben, dass ein anderes langjähriges Mitglied der Lehrerschaft ebenfalls sehr mit dunkler Magie vertraut ist?“
Vor lauter Staunen zog Hermine die Augenbrauen in die Höhe und sagte: „Noch jemand? Nein, das würde ich keinem hier zutrauen.“
„Aber so ist es! Diese Person weiß genau wie Severus, sich zu schützen, um schwarze Magie gefahrlos studieren zu können. Sie, Hermine, würden nie drauf kommen und ich weiß nicht, ob es mir zusteht, Ihnen zu verraten, um wen es sich dabei handelt“, sagte Albus lächelnd.
Plötzlich, weil Albus es eben erwähnt hatte, fiel ihr etwas ein, das Severus ihr gesagt hatte und sie erzählte: „Severus meinte auch, es gäbe Möglichkeiten, diese Bücher zu lesen, ohne dass sie einen einnehmen könnten.“
„Ja, die gibt es, doch sind diese Schutzmaßnahmen nicht immer gleich, denn jedes Buch hat seine eigenen Tücken. Ich selbst bin im Besitz eines Buches, bei welchem man ganz bestimmte Seitenzahlen nicht aufschlagen darf, weil man sonst mit Haut und Haaren verschlungen werden würde“, sagte Albus, bevor er seine Zitronenschnitte naschte.
„Das hört sich gemeingefährlich an!“
Albus schluckte, bevor er nickend zustimmte: „Das ist es auch. Wenn Sie demnächst tatsächlich mit diesen Büchern Umgang haben sollten, Hermine, dann behandeln Sie sie wie gefährliche Tiere; wie giftige Schlangen und Skorpione oder wie eine blutrünstige Chimära, denn die Bücher können unverhofft zuschlagen, weswegen Sie stets auf der Hut sein müssen! Seien Sie niemals unachtsam.“
Alles, was Albus gesagt hatte, ließ sie sich durch den Kopf gehen, während sie an ihrer Tasse Tee nippte und ihren Schokoladenkuchen aß. Nach einer ganzen Weile, die sie damit verbracht hatte, nach dem Kuchen auch noch jede Menge Süßigkeiten zu verzehren, sagte sie: „Ich dürfte solche Bücher also lesen?“
Albus lächelte freundlich und entgegnete: „Es liegt gar nicht in meiner Macht, Sie daran hindern zu können. Es ist Ihre Entscheidung, Hermine. Es ist allein Ihre Entscheidung. Ich möchte Ihnen nur ans Herz legen, vorsichtig zu sein. Am liebsten wäre es mir, wenn Severus stets an Ihrer Seite wäre, wenn Sie diese Bücher lesen, denn er könnte im Notfall einschreiten. Und wenn Sie einem alten Mann wie mir den Gefallen tun möchten, Sie in Sicherheit zu wissen, dann können Sie meinen Rat gern beherzigen.“
Hermine lächelte zufrieden. Natürlich würde sie Albus’ Ratschlag beherzigen, denn deswegen war sie ja hier. Da diese Angelegenheit geklärt war, wagte sie den Schritt in eine andere Richtung und sie fragte freiheraus: „Was ist vor zwanzig Jahren mit Severus geschehen?“
Diese Frage traf Albus völlig unvorbereitet. Wie versteinert blickte er sie an, doch nachdem er einmal geblinzelt hatte, war er wieder ganz der alte Direktor, der erwiderte: „Ich kann mich in diesem Punkt nur wiederholen und das sagen, was ich Harry bereits gesagt habe: Ihr seid beide so nahe dran, dass es eine Schande wäre, jetzt aufzuhören.“
„Aber womit aufhören? Wir wissen ja nicht einmal, was wir bereits tun. Was ist es denn, das Harry und ich machen, um Severus zu helfen und warum muss man ihm überhaupt helfen?“, wollte Hermine wissen, doch Albus schüttelte nur den Kopf. „Haben Sie einen Unbrechbaren Schwur geleistet?“, fragte sie gleich im Anschluss.
„Nein, das nicht, aber ein Versprechen ist ein Versprechen, das verstehen Sie sicherlich, Hermine“, erwiderte er entkräftet klingend.
Sie seufzte und sagte niedergeschlagen: „Es ist demotivierend, dass die einzigen beiden Menschen, die etwas Licht ins Dunkel bringen könnten, sich einfach nicht dazu äußern möchten.“
Plötzlich klopfte es, so dass Albus sich entschuldigte und zur Tür ging. Es war Minerva, die für wenige Minuten seine Anwesenheit wegen einer schulischen Angelegenheit forderte, so dass der Direktor versprach, in spätestens zehn Minuten wieder hier zu sein.
Allein in Albus’ Büro sitzend betrachtete sie die Gemälde und da fiel ihr Blick auf das Portrait von Albus, welches nach seinem Tode hier im Büro zu finden war. Sie ging auf ihn zu und da er zu schlafen schien, wie alle anderen Gemälde auch, sagte sie laut seinen Namen, doch er rührte sich nicht.
„Ich weiß, dass Sie nicht schlafen. Keiner von Ihnen schläft!“, sagte sie laut und ließ ihren Blick derweil über sämtliche Gemälde ehemaliger Direktoren und Direktorinnen schweifen. Es machte sie wütend, dass sie ignoriert wurde, obwohl sie doch wusste, dass diese Gemälde immer nur dem Direktor von Hogwarts treu waren. Sie entschloss sich dazu, die Portraits genauso zu ignorieren wie sie von ihnen ignoriert wurde und streifte ein wenig im Büro herum.
Auf einem Schrank lag der Sprechende Hut, der leise schnarchte, doch ob auch der seinen Schlaf nur vortäuschte, war ihr ein Rätsel. In den Regalen standen Bücher und überall waren seltsame silberne Objekte im Raum verteilt, deren Zweck Hermine nicht kannte. Sie betrachtete jede Menge Gläser mit Süßigkeiten, herumstehenden Tinnef, Schülerakten und bemerkte während des langsamen Gehens nicht, dass sich ihr Umhang an etwas verheddert hatte. Mit einem Male spürte sie den Ruck und sie drehte sich um und zog an dem gefangenen Stoff. Sie zerrte an ihm und hörte plötzlich ein klickendes Geräusch in genau dem Moment, als sie ihren Umhang hatte befreien können. Sie sah sich mit einem Male mit der Versuchung konfrontiert, in das Denkarium des Direktors schauen zu können, denn ihr Umhang hatte einen geheimen Mechanismus in Gang gesetzt, der ein Versteck geöffnet hatte.
Hermine stand an dem Becken und legte beide Hände auf den Rand, doch wie schon bei Severus wurde sie bereits im Vorfeld von Gewissensbissen geplagt. Sie konnte es einfach nicht tun. In Gedanken versuchte sie, sich selbst zu überreden, doch sie war ein rechtschaffener Sturkopf. Sie hörte nicht einmal, wie die Tür des Büros sich öffnete und Albus an sie herangetreten war. Erst seine Stimme befreite sie aus ihrem Zwiespalt.
„Was Sie suchen, Hermine, werden Sie nicht bei mir finden“, sagte er mit ruhiger Stimme. Erschrocken drehte sie sich um und blickte in die blauen Augen des Direktors, die kein bisschen Enttäuschung widerspiegelten.
„Ich schwöre, ich habe nicht hineingesehen!“, rechtfertigte sie sich.
Albus lächelte und fragte: „Habe ich Ihnen einen Vorwurf gemacht?“ Er legte einen Arm um sie und sagte: „Neugier ist keine Sünde, aber man sollte sie mit Umsicht walten lassen.“
„Mein Gewissen hindert mich leider sehr oft daran, meiner Neugierde nachzugeben“, sagte Hermine entmutigt.
„Ihnen, Hermine, liegt der Dialog viel mehr. Sie verfügen über zwei sehr ausgeprägte Eigenschaften. Zum einen wären da Ihre Wortgewandtheit und zum anderen Ihre Aufrichtigkeit. Mit beiden Eigenschaften zusammen können Sie mehr verschlossene Türen öffnen, als mit halbherzigen Auskundschaftungen, die von Ihrem Gewissen vereitelt werden“, sagte Albus.
Albus reichte ihr eine Schachtel mit Schokoladendrops, an der sie sich bedienen durfte und selbst nahm er auch eine dieser Köstlichkeiten, bevor er fragte: „Kann ich Ihnen sonst noch behilflich sein, Hermine?“
„Nein, ich denke, das war alles gewesen“, erwiderte sie.
„Wunderbar! Ich hoffe, ich konnte Ihnen eine Hilfe sein. Falls Sie auf Probleme treffen sollten, dann erwarte ich von Ihnen, dass Sie mich jederzeit aufsuchen, ja?“
Sie nickte lächelnd und sagte: „Danke Albus.“
Kaum war Hermine in den Kerkern an der Tür zu Severus’ Labor angekommen, wurde sie von jemandem abgefangen. Draco kam eilig auf sie zu und fragte: „Können wir mal kurz miteinander reden?“
Etwas verdutzt nickte sie, so dass er ihr mit einer Geste bedeutete, ihm zu folgen. Er ging bis ans Ende des Korridors und öffnete die Tür zu seinen Räumen, die direkt in sein Schlafzimmer führte, was ihr vor Augen hielt, dass nicht in Gegenwart seiner Mutter mit ihr reden wollte.
Nachdem er die Tür geschlossen hatte, fragte er unverblümt: „Was ist mit Severus los?“
„Äh…“, machte sie. Sie war sich nicht sicher, wie er die Frage meinte.
„Ist er krank?“, fragte er mit gerunzelter Stirn, denn er machte sich ganz offensichtlich Sorgen.
„Wieso krank?“
Er schien ungeduldig zu werden und sagte: „Ich bin nicht blöd! Heute, als ich dich um Hilfe gebeten habe, da ging es ihm noch schlecht und nachdem du gegangen warst, da war plötzlich alles in Ordnung. Mach mir nichts vor!“ Mit Bestimmtheit forderte er: „Sag mir, was los ist! Wird er blind?“
„Blind?“, fragte sie verdattert nach.
„Hör auf, mich auf den Arm zu nehmen!“, sagte grantig.
„Ich nehme dich nicht auf den Arm, Draco! Ich verstehe nur nicht, warum du glaubst, er würde blind werden“, erklärte sie ruhig.
Draco zwang sich zur Besonnenheit und schilderte: „Seine Augen sind heller gewesen! Bei meinem Vater sind die Augen auch erst heller geworden, bevor er das Augenlicht verloren hat.“
Hier staunte Hermine und fragte neugierig: „Das hast du gesehen? Was ist vorher passiert, dass seine Augen…“
„Das geht dich nichts an“, machte er ihr klar.
Zickig antwortete sie: „Dann habe ich dir auch nichts zu sagen!“
Sie ging bereits einige Schritte zur Tür, da ergriff Draco ihren Oberarm und drehte sie um, bevor er böse zischelte: „Was sollen die Spielchen?“
Hermine schüttelte ihren Arm und befreite sich aus seinem Griff, bevor sie die Augen zusammenkniff und sagte: „DU wolltest mit mir sprechen, vergiss das nicht. Wenn wir ein wenig freundlicher miteinander umgehen könnten und wenn du auch meine Fragen beantworten würdest, dann könnten wir vielleicht gemeinsam vorankommen, aber nicht auf diese Art!“
„Was für Fragen hast du?“, sagte er in einem Tonfall, der sich anhörte, als würde er etwas ausspucken.
Hermine versuchte angestrengt, sich wieder zu beruhigen, bevor sie sagte: „Was ist geschehen, bevor dir seine veränderte Augenfarbe aufgefallen ist?“ Sie bemerkte, wie Draco sich auf die Unterlippen biss und entspannte die Situation mit den Worten: „Ich will ja keine Details hören. Erzähl es mir so oberflächlich wie möglich. Ich nehme stark an, dass ihr über etwas sehr Emotionales geredet habt?“
Draco nickte, aber er wusste nicht, wie er die heutige Situation „oberflächlich“ schildern könnte, also begann er lang gestreckt zu erzählen: „Er war wegen Freitag noch etwas ungehalten.“
„Er hat dir die Leviten gelesen“, sagte Hermine in ruhigem Tonfall, weil die Situation sofort verstanden hatte.
Ihr Gegenüber blickte sie zwar durch verengte Augen an, nickte jedoch, bevor er hinzufügte: „Das Gespräch ist dann persönlicher geworden.“ Er hatte keine Ahnung, wie er ihr – ohne Details zu nennen – davon erzählen könnte, dass er Severus gebeten hatte, der Patenonkel seines Kindes zu werden.
Hermine bemerkte seine Schwierigkeiten und sagte ganz offen: „Ich weiß, dass wir uns kaum kennen.“ Er blickte auf und als sie sich ansahen, erklärte sie: „Wenn ich dich sehe, dann denke ich immer noch als Erstes an den Draco, der du damals warst.“ Erinnerungen an verschiedenste Auseinandersetzungen blitzten gleichzeitig bei ihm und ihr auf. „Ich kenne dich nicht so, wie Harry dich kennt und ich weiß nicht, ob das jemals so sein wird, aber du kannst mir glauben, dass ich niemals jemanden auf den Arm genommen habe, wenn man mir etwas Persönliches anvertraut hat. Severus leidet an irgendetwas und ich glaube, dass er die meiste Zeit über sehr niedergeschlagen ist und deswegen möchte ich ihm helfen“, sagte sie ehrlich.
Draco musste sich setzen, auch wenn es keine Neuigkeit für ihn war, dass sein Patenonkel schwermütig sein sollte, denn das hatte er ja selbst jahrelang miterleben müssen. Wortlos bot er ihr den anderen Stuhl an dem kleinen Tisch an, so dass sie ihm gegenüber Platz nahm.
„Er sagte vorhin“, Dracos Stimme war erschreckend leise, „dass er nicht wüsste, wie lange er noch…“
Da er innegehalten hatte, fragte sie nach: „Wie lange er noch was?“
„Er hat den Satz nicht beendet, aber es ist eindeutig oder? Du denkst das Gleiche wie ich, habe ich Recht?“, fragte er nach.
Sie schüttelte den Kopf, weil sie nicht wahrhaben wollte, dass es so schlecht um Severus aussehen sollte, weswegen sie versuchte zu erklären: „Er ist ja nicht immer so oder? Ich meine, es sind nur Momente, wo er keinen“, sie schluckte kräftig, „Sinn mehr sieht?“
„Er sieht seit Voldemorts Tod keinen Sinn mehr“, sagte Draco und er stutzte, weil er das erste Mal in seinem Leben diesen Namen ausgesprochen hatte, ohne vor ihm zu erschaudern. „Das ist auch der Grund, warum er…“ Er stockte, doch er entschloss sich dafür, ihr die Wahrheit zu sagen: „…warum er abgelehnt hat, Patenonkel für mein Kind der zu werden.“
Sie machte große Augen und fragte leise: „Das war es, was so persönlich war? Du hast ihn gefragt und er hat abgelehnt?“ Er nickte, so dass sie ehrlich sagte: „Das tut mir so Leid, Draco. Das hat dich sicherlich sehr getroffen.“
Wieder nickte er, bevor er erzählte: „Ich habe ihm gesagt, was er mir als Patenonkel bedeutet und dass ich mir wünschen würde…“ Er konnte nicht so offen mit Hermine sprechen, auch wenn sie so verständnisvoll zu sein schien; es ging einfach nicht.
„Das war der Moment? Als du ihm das gesagt hast, da ging es ihm auf einmal schlecht?“, fragte sie, doch sie beantwortete ihre Frage selbst. „Ja, so war es bisher immer gewesen!“
Stutzig wiederholte Draco ihre Worte und er fragte sich, war sie mit „immer“ meinen würde. „Was geht mit ihm vor?“, fragte er vorsichtig, denn ganz offensichtlich war ihm einiges entgangen.
Behutsam erklärte sie: „Wir glauben, er hat durch irgendetwas die Fähigkeit verloren, empfinden zu können, doch dann gibt es Momente…“ Sie suchte nach einem anderen Beispiel und erzählte: „Als ich bei ihm angefangen habe, da waren seine Augen stets so schwarz wie man sie bei ihm kennt, aber mittlerweile sind sie immer braun.“
„So etwas geht doch überhaupt nicht!“, warf Draco ungläubig ein.
„Du hast es heute doch selbst gesehen! Ich brauche gar nicht mehr zu fragen, ob dir das früher schon einmal aufgefallen war. Ich meine, als ihr beide unterwegs wart.“
„Ist mir nie aufgefallen“, sagte er Kopf schüttelnd.
Per Aufrufezauber ließ Draco zwei Gläser und eine Flasche Traubensaft an den Tisch schweben. Er schenkte sich und ihr etwas ein, bevor er tief ein und aus atmete.
Hermine stützte ihre Ellenbogen auf dem Tisch ab und lehnte sich zu Draco, bevor sie sagte: „Sir Nicholas hat mir gesagt, dass Severus nach der Schule, als er hier als Lehrer angefangen hat, braune Augen hatte. Ich glaube, das ist seine normale Farbe.“ Dracos riss die Augen auf, doch hörte weiterhin zu, als Hermine schilderte: „Und erst ungefähr ein Jahr später, da wären sie so dunkel geworden!“
„Ein Jahr später?“, fragte Draco und rechnete im Kopf. „Das wäre ungefähr der Zeitpunkt gewesen, als Voldemort Harrys Eltern…“
„Ja! Es muss damals etwas geschehen sein, dass er so… Oh Draco, ich weiß gar nicht, wie ich dir alles in so kurzer Zeit erzählen soll. Nach Voldemorts Tod muss erneut etwas mit ihm geschehen sein, denn er scheint ab und an wieder etwas zu empfinden, aber genau das scheint er nicht ertragen zu können“, sagte sie.
„Ein Fluch“, murmelte Draco.
Sofort hellhörig geworden fragte Hermine: „Gibt es so einen Fluch, der Gefühle absterben lassen kann?“
„Keine Ahnung. Ich dachte, du würdest mir das sagen“, erwiderte er.
„Herrgott, ich stolpere von einer Theorie in die nächste und keiner von denen, die die Antworten kennen, sind bereit, mir welche zu geben. Das ist so frustrierend!“, schimpfte sie.
„Wer soll denn Antworten kennen?“
„Der Direktor! Und natürlich Severus selbst, aber wenn ich ihn etwas frage, dann blockt er ab oder wird richtig fies, dabei war er es selbst, der Harry diesen Hinweis gegeben hat“, nörgelte sie.
„Severus hat Harry… Was für einen Hinweis?“, fragte Draco kopfschüttelnd, der bei den ganzen Informationen aus allen Wolken fiel.
„Na, dass er vor zwanzig Jahren jedes Gefühl begraben hätte und nur noch Hass geblieben wäre“, erklärte sie.
„Das hat er gesagt? Und ich habe geglaubt, du stellst hier nur wilde Vermutungen an“, sagte Draco verdutzt.
Sie schenkte ihm einen vorwurfsvollen Blick, bevor sie erklärte: „Nein, ich vermute nicht nur! Severus war es selbst gewesen, der Harry auf etwas aufmerksam gemacht hat und wir sind mittlerweile zu dem Schluss gekommen, dass er Hilfe von uns erwartet. Gleichzeitig hat er offensichtlich Angst, dass wir tatsächlich dahinter kommen könnten, weswegen er selbst uns im Dunkeln tappen lässt.“
„Und Dumbledore? Was hat der damit zu tun?“, wollte Draco wissen.
Hermine hob und senkte die Schultern und erklärte daraufhin: „Er weiß wahrscheinlich genau, was Severus widerfahren ist, aber er sagte, er hätte versprochen, darüber nicht zu reden. Im gleichen Atemzug hatte er Harry und mir jedoch nahe gelegt, dass wir nicht aufhören sollten – womit auch immer – und dass wir Severus nicht aufgeben dürfen.“
Draco hatte sehr aufmerksam zugehört und kam zu dem Schluss, dass es möglicherweise wahr sein konnte. Er hatte niemanden im Leben getroffen, der so kaltherzig wirkte wie Severus. Selbst sein eigener Vater hatte schon einmal Herz gezeigt, wenn auch nicht sehr oft.
„Das ist ziemlich gruselig“, sagte Draco etwas verwirrt. „Ich meine, ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass Severus sich einfach so sehr unter Kontrolle hat, dass man von ihm kaum Gefühlsausbrüche erwarten darf. Wenn aber nur Hass übrig geblieben sein soll, wie kann er dann einen Patronus herbeirufen? Dazu benötigt man eine glückliche Erinnerung und die muss er haben, denn er kann einen Patronus heraufbeschwören und der ist nicht gerade klein!“
„Oh…“, machte Hermine.
„Was hast du? Habe ich gerade eine deiner Theorien verworfen?“, fragte er neckend.
„Nein, du hast nur die Theorie bestätigt, dass er nicht seelenlos sein kann“, erwiderte sie.
Draco stieß hörbar Luft durch die Nase aus, bevor er den Kopf schüttelte und sagte: „Wenn er ohne Seele wäre, dann würde man das merken, denn dann wäre er tot und nur sein Körper würde noch umherwandeln. Er hätte keine Leidenschaften mehr wie das Tränkebrauen; nicht einmal die Ambition, von allein auf die Toilette gehen zu wollen.“
„Weißt du vielleicht, ob ein Dementor nur einen Teil der Seele vernichten kann?“
„Was für eine Theorie ist das denn bitteschön?“, fragte er spöttisch. „So ein Kuss dauert keine zehn Sekunden und weg ist die Seele.“
„Und woher weißt du das?“, wollte Hermine sofort wissen.
„Damals, als man Black geschnappt hatte, da hat Severus mir erzählt, was er alles dafür geben würde, beim Kuss zusehen zu können. Er hatte sich darüber informiert, wie lange es dauern würde und er war der Meinung, dass er zehn Sekunden mit Leichtigkeit als Zuschauer ertragen könnte.“
„Das ist auch so eine Sache, die mich natürlich stutzig macht“, warf Hermine ein, „denn wenn er davon ausgeht, so einem Kuss zusehen UND ungeschoren davonkommen zu können, dann frage ich mich, warum? So einem Kuss beizuwohnen soll unerträglich sein und einem den Verstand rauben.“
Draco machte große Augen und sagte leise: „Ich hab es damals nur für einen Witz von ihm gehalten.“
„Vielleicht hat er dich aber auch auf etwas aufmerksam machen wollen? Vielleicht wollte er, dass du stutzig wirst und ihn fragst, warum er denken würde, er könnte es ertragen. Möglicherweise war Harry nicht der Erste, von dem er sich Hilfe erhofft hatte?“, sagte sie, während sie beobachtete, wie Draco in eine „Grübelstarre“ zu verfallen schien, denn seine Augen fixierten das Glas vor sich und er blinzelte nicht ein einziges Mal.
„Ich muss langsam los, Draco. Er wartet auf mich“, sagte Hermine und bedankte sich noch für das Getränk.
Draco sprang von seinem Stuhl auf. „Warte!“ Sie drehte sich zu ihm um, so dass er fragten konnte: „Was macht ihr, um ihm zu helfen?“
Sie zuckte mit den Schultern und erwiderte: „Ich weiß es nicht, aber irgendwas scheinen wir ja richtig zu machen, wenn man Albus Glauben schenken darf.“
Sie ging einen Schritt zur Tür, aber er hielt sie erneut auf, indem er ihren Oberarm ergriff; diesmal jedoch zaghafter als vorher. „Was kann ich tun?“, fragte Draco, der aufrichtig seine Hilfe anbot.
„Was hast du bereits getan?“, fragte sie rätselhaft zurück. Er dachte daran, wie er Severus umarmt hatte und es ihm erst danach schlecht gegangen war, doch er wollte es ihr nicht sagen. Vielleicht würde sie ihn für einen Schwächling halten. Weil er nicht antwortete, sagte sie: „Ich würde empfehlen, dass du so weitermachst wie bisher und wenn es ihm wieder ’schlecht’ gehen sollte, dann bleib einfach bei ihm.“
Hermine musste nicht weit laufen, da war sie schon an der Tür zu Severus’ Büro und öffnete sie, ohne zu klopfen. Drinnen saß er an seinem Pult und ging Hefte der Schüler durch, bevor er aufblickte.
„Ah, zurück von einer gepflegten Konversation mit dem Direktor oder würden Sie es eher unter ’belangloser Plauderei’ einordnen?“, fragte er mit einem hochgezogenem Mundwinkel; dem einzigen Indiz dafür, dass er sich einen Scherz erlaubt hatte. Offensichtlich hatte er sich schnell wieder von seinem kleinen „Schwächeanfall“ erholt.
„Oh nein, es war schon sehr interessant, aber ich muss mich erst einmal setzen“, sagte sie entkräftet, bevor sie auf einem Stuhl Platz nahm.
Das Gespräch mit Draco war auch nicht ohne gewesen, dachte sie, denn es war schön zu wissen, dass er sich überwunden hatte, gerade sie zu fragen, wie es um Severus stehen würde.
Severus nahm sich einen Stuhl und gesellte sich zu ihr, bevor er fragte: „Wie fühlen Sie sich jetzt?“
Sie blickte ihm in die Augen und erwiderte sehr ernst: „Zunächst einmal bin ich der Überzeugung, dass mein Blutzuckerspiegel jetzt mindestens dreimal höher ist als mein Intelligenzquotient.“
„Das bezweifle ich“, erwiderte er todernst, „denn dann wären Sie jetzt längst tot.“
Es dauerte einen Moment, bis sie seine Anmerkung als Kompliment hatte entschlüsseln können, was sie zum Lächeln brachte und gleich darauf erklärte sie: „Er hat nichts dagegen, dass ich schwarzmagische Bücher lese, aber es wäre ihm lieb, wenn Sie dabei wären.“
„Ah“, machte er, denn er hatte offensichtlich nicht mit etwas anderem gerechnet.
„Und Albus hat mich auch darüber informiert, dass es eine Beschwerde über mich gegeben hat“, fügte sie hinzu.
Er zog eine Augenbraue in die Höhe und fragte: „Tatsächlich?“
„Ja, Ihr Gemälde hat mich angeschwärzt!“, sagte sie gespielt eingeschnappt.
„Salazar? Warum…“
Sie ließ ihn nicht ausreden und erklärte: „An dem Abend, an dem wir den ’Adlerauge’ eingenommen hatten, da wollte er mich nicht reinlassen und deswegeb habe ich ihm gedroht.“
Er schluckte bei der Erwähnung dieses Abends, doch er konzentrierte sich auf das eigentliche Thema und fragte nach: „Wie haben Sie bitteschön einem sprechenden Gemälde gedroht? Mit Terpentin?“
Unvermittelt prustete Hermine los und er schien nur für einen Moment erschrocken gewesen zu sein, so eine Reaktion bei ihr hervorzurufen. Sie erklärte ihm, dass sie Salazar mit einem „Bombarda Maxima“ gedroht hatte.
„Warum das?“, wollte er wissen.
„Ich wollte zu Ihnen, Severus. Ich wusste ja nicht…“ Nur in Gedanken beendete sie den Satz. Er äußerte sich nicht, weil ihm das Thema unangenehm zu sein schien, so dass sie sagte: „Eines ist mir an diesem Abend klar geworden, Severus.“
Er blickte sie mit so einer Furcht in den Augen an, als würde er damit rechnen, dass sie ihn jeden Moment mit seinem Geheimnis konfrontieren würde. Entgegen seinen Erwartungen sagte sie jedoch: „Mein Farbtrank ist leider keine neue Erfindung!“ Sie seufzte und blickte betrübt zu Boden.
„Was lässt Sie denn das denken?“, wollte er wissen.
Sie kniff die Lippen zusammen und erklärte: „Wenn es schon eine Nebenwirkung des Adlerauges ist, dass man die Magiefarben von einem Zauberer sehen kann, dann ist mein Trank nicht neu.“
„Ihr Trank, Hermine, zeigt die Farben nicht nur kräftiger und länger, sondern er hat auch keinerlei Nebenwirkungen. Es mögen Ähnlichkeiten vorhanden sein, besonders was die Zutaten betrifft, aber Sie sind von allein drauf gekommen und haben den Trank nur zu diesem Zweck entwickelt. Wahrscheinlich war dem Entdecker des ’Adlerauges’ diese farbenfrohe Nebenwirkung nicht einmal aufgefallen oder er wusste nichts damit anzufangen. Sie haben diesen Trank entwickelt, bevor sie von den Nebenwirkungen des Adlerauges wussten“, machte er ihr klar.
Sie seufzte erneut, denn sie hatte das Gefühl, man könnte ihren Trank später abgekupfert nennen.
Er durchbrach die Stille und sagte: „Der Abend ist schon angebrochen. Heute können wir nichts Großartiges mehr beginnen.“
„Wissen Sie, wozu ich Lust hätte?“, fragte sie plötzlich mit ganz glänzenden Augen, während sie sich ihm zuwandte. Er ahnte, dass sie wahrscheinlich ein Buch der dunklen Künste lesen wollte, schüttelte dennoch den Kopf, so dass sie ihm offenbaren konnte: „Ich habe Lust drauf, zum See zu gehen“, seine Stirn legte sich in Falten, „und dann Albus’ Grab zu öffnen.“
Seine beiden Augenbrauen schnellten zum Haaransatz hinauf, bevor er sich zu ihrem Vorschlag äußerte. „Hat Ihnen schon einmal jemand gesagt, dass hinter Ihrem schlauen Köpfchen mit den vielen exzellenten Ideen ein überaus morbider Geist zu stecken scheint?“
Sie grinste und sagte schelmisch: „Die Idee kam ja ursprünglich von Ihnen. Vielleicht färben Sie einfach nur ab?“
Mit ernster Miene erwiderte er besorgt: „Ich hoffe doch nicht.“
Hermine war auf dem Weg zu Albus’ Büro und sagte vor dem Wasserspeier „Türkischer Honig“, so dass man sie passieren ließ. Oben angekommen öffnete Albus die Tür, bevor sie klopfen konnte.
„Hermine, treten Sie doch ein. Schön, dass wir einmal etwas Zeit miteinander verbringen können“, sagte Albus freundlich.
Es war Severus gewesen, der den Termin für heute ausgemacht hatte, doch er hatte ihr versichert, dass er dem Direktor nicht einmal einen kleinen Hinweis gegeben hatte, warum sie mit ihm sprechen wollte oder eher sollte. Es lag allein an ihr, Albus darüber zu unterrichten, dass sie in einem schwarzmagischen Buch gelesen hatte.
„Sie sind etwas blass um die Nasenspitze herum, Hermine. Geht es Ihnen gut?“, fragte er höflich.
„Ja, mir geht es gut“, antwortete sie und sie fragte sich für einen Moment, warum er sie „blass“ genannt hatte. Machte sie etwa einen kränklichen Eindruck auf ihn?
Der Direktor bot ihr einen Platz auf einem sehr gemütlichen Sofa an und hielt ihr eine Schale mit Pralinen unter die Nase, bei denen sie dankend zugriff. Auf dem Tisch stand bereits ein sehr auffälliges Teeservice, welches Antik zu sein schien, denn allein die Kanne war der reinste Blickfang mit ihrer goldenen Farbe und den kunstvollen Verschnörkelungen. Verschiedenste Kekse und zwei Sorten Kuchen warteten darauf, gegessen zu werden, doch zuerst tat sie sich an den köstlichen Pralinen gütlich.
„Einen Tee, Hermine?“, fragte Albus freundlich.
„Ja, gern“, antwortete sie mit ein wenig Unbehagen, was Albus zu merken schien.
„Bevor wir Ihr Anliegen bereden möchte ich vorweg etwas sagen. Es gab eine Beschwerde über Sie, Hermine“, sagte Albus amüsiert, während er ihr eine Tasse Tee reichte.
„Eine Beschwerde?“, fragte sie verdutzt nach. Hatte Madam Pince etwa herausbekommen, dass sie heimlich nachts in der Bibliothek Bücher gelesen hatte?
„Ja, eine Beschwerde“, sagte Albus und blickte einmal demonstrativ zu einem Gemälde, welches Salazar Slytherin darstellte. Hermine folgte seinem Blick und in dem Moment, in welchem sich eine Ahnung in ihr ausbreitete, erklärte Albus: „Salazar sagte, Sie hätten sein Leben bedroht.“ Hermine hätte beinahe angefangen zu lachen, doch Albus schilderte gleich darauf: „Er behauptet, sie hätten ihn beinahe in die Luft gesprengt.“
„Es war ein Notfall und er wollte mich nicht durchlassen. Ich durfte doch aber keine Zeit verlieren und wollte nicht mit ihm diskutieren“, rechtfertigte sich Hermine.
Albus kicherte und sagte leise an ihrem Ohr, so dass Salazar im Gemälde unmerklich seinen Hals in der Hoffnung streckte, etwas hören zu können: „Ich habe es auch nicht sehr ernst genommen.“ Lauter, für Salazar verständlich, sagte Albus: „Dass mir das nicht noch einmal vorkommt, Miss Granger.“
Hermine lächelte wegen des nicht ernst gemeinten Tadels und versicherte: „Nein, das wird nicht wieder vorkommen, versprochen.“
Der Direktor nickte und seine Augen strahlten, bevor er das Thema wechselte.
„Es ist das erste Mal, Hermine, dass Sie mich auf einer privaten Ebene besuchen. Ich hoffe doch, es ist nichts Schlimmes geschehen, aber wenn doch, dann dürfen Sie gern von mir erwarten, dass ich Ihnen meine Hilfe anbiete“, sagte er aufrichtig.
Sie räusperte sich, bevor sie fragte: „Haben Sie sich jemals mit der dunklen Magie auseinander gesetzt?“
Er blickte sie über seine Halbbrille an und erwiderte: „Man wäre der dunklen Magie hilflos ausgeliefert, würde man sie nicht verstehen.“
Für Hermine war das ein klares „Ja“, weswegen sie offenbarte: „Ich habe in einem Buch gelesen und ich habe viel zu spät bemerkt…“
„…dass es eines jener schwarzen Bücher war“, vervollständigte Albus. „Sagen Sie mir, wie Sie sich dabei gefühlt haben und wie Sie sich jetzt fühlen.“
Er tat ihr etwas Kuchen auf und schenkte sich selbst einen Tee ein, so dass sie frei von der Leber weg erzählen konnte, ohne dass er sie eindringlich anblicken würde: „Während ich es gelesen habe, da war ich so fasziniert, so begeistert von all den Dingen, die möglich sind, auch wenn es schlimme Dinge waren.“
„Über was haben Sie gelesen?“, wollte er wissen, während er sich geruhsam fünf Würfel Zucker in den Tee tat.
„Ich weiß nicht, wie das Buch hieß, aber in ihm standen Dinge...“ Sie dachte über das nach, was sie aus dem Buch erfahren hatte und gab als Beispiel: „Da stand beschrieben, wie man jemandem das Pech auf den Hals hetzen könnte, mit einem Trank oder einem Fluch; wie man das Unglück aus der Ferne kontrollieren könnte, bis hin zum…“
„Tod“, sagte Albus. „Jede Glückssträhne hat ihr Pendant, mein Gute. Jeder hilfreiche Zauber hat einen zerstörenden Doppelgänger, jeder heilende Trank hat einen bösen Zwilling. Der Skele-Wachs zum Beispiel, der Knochen wieder wachsen lässt, wie Harry es leider schon schmerzhaft am eigenen Leib erfahren musste, findet sein Gegenstück in einem abscheulichen Trank, der die Knochen in einem Körper aufzulösen vermag, was einen grauenvollen Tod bewirkt.“ Der Direktor setzte sich neben Hermine, trank seinen Tee und sagte dann mit ruhiger Stimme: „Mich interessiert, Hermine, ob Sie sich während des Lesens ein Szenario vorgestellt haben, in dem eine ungeliebte Person diesen Unglückstrank eingenommen hatte.“
„Nein!“, kam wie aus der Pistole geschossen und sehr erschüttert klingend. Da er sie geduldig anblickte, erklärte sie: „Ich fand es schrecklich und dachte mir, besonders bei diesem Cogamor-Trank, ob es nicht eine Möglichkeit gäbe, die Wirkung des Trankes wieder aufheben zu können. Der Gedanke daran ist grauenvoll, nur wegen eines Trankes ein Leben lang einer anderen Person hörig zu sein. Es muss doch ein Gegenmittel geben und wenn nicht, muss man eines erforschen.“
„Es ist erleichternd, das zu hören. Solange Sie in Gedanken nämlich nicht schon überlegen, welche Person Sie mit welchem Trank leiden lassen möchten, haben Sie ein reines Herz. Sich mit dunkler Magie zu befassen, Hermine, ist eine gefährliche Angelegenheit, aber es ist notwendig, um gegen sie ankommen zu können.“ Seine Augen funkelten fröhlich, als er anfügte: „Ist es nicht auch so, dass man aus dem tödlichen Gift einer Schlange das rettende Gegenmittel gewinnen kann?“ Hermine nickte und verstand, was er ihr damit sagen wollte.
Albus reichte ihr den Teller mit dem Schokoladenkuchen und tat sich selbst ein Stück von der Zitronenschnitte auf. Da sie nichts sagte, ergriff er das Wort erneut.
„Das Leben ist durchwachsen von schönen und schlechten Ereignissen. Der Mensch selbst ist weder gut noch böse; da ist es nicht verwunderlich, dass es mit der Magie nicht anders aussieht. Erst beide Seiten formen eine Einheit. Das eine kann ohne das andere nicht existieren, doch nur, wer sich darüber im Klaren ist, der ist auch bereit, beide Seiten kennen zu lernen“, erklärte Albus. Plötzlich blickte er sie streng an und fragte einschüchternd: „Hat Severus Ihnen das Buch zu lesen gegeben?“
„Nein, Sir! Er wusste davon nichts, wirklich nicht“, erwiderte sie ehrlich.
Mit einem Male war die Freundlichkeit, die Albus meist verbreitete, wieder in seinem Gesicht abzulesen, als er sagte: „Das hätte mich auch sehr gewundert.“ Dann fragte er: „Ihr Interesse ist geweckt worden? Glauben Sie, dass Sie bereit dazu wären, sich mit dunkler Magie zu befassen? Sie müssen nämlich bedenken, dass es Sie sehr beschäftigen wird, auch unbewusst. Sie werden sicherlich Albträume bekommen, was eine normale Nebenwirkung wäre. Auch Harry hatte stets unter Albträumen gelitten, nachdem er von Voldemorts dunkler Magie berührt worden war.“
Starr hielt Hermine ihren Blick auf den Schokokuchen und sie fragte sich, ob es eine Fangfrage sein könnte. ’Bin ich bereit?’, fragte sie sich selbst. Sie wollte an das Wissen herankommen, das die dunkle Magie mit sich brachte, doch sie wollte ihr niemals verfallen und schon gar nicht bei ihren Mitmenschen den Eindruck erwecken, ihnen erlegen zu sein.
„Gewissenbisse, Hermine?“, fragte Albus stichelnd.
Sie seufzte und erklärte: „Ich sag es mal so: Ich bin der Überzeugung, dass ich eine Menge hinzulernen könnte, würde ich mich auch mit den dunklen Künsten auseinander setzen. Es würde nicht nur meinen Wissensdurst stillen, sondern könnte auch nützlich sein, um Opfern der dunklen Künste besser helfen zu können. Immerhin bin ich Heilerin und war während meiner Ausbildung schon einige Male mit wirklich schlimmen Fällen in Berührung gekommen. Andererseits möchte ich nicht, dass man meine Neugierde missversteht.“ Sie blickte ihm endlich in die Augen und sagte ehrlich: „Ich bin kein schlechter Mensch und wenn die Gefahr für mich zu groß wäre, dann würde ich die Finger davon lassen.“
Er tätschele sie liebevoll am Knie, was sie sich bei jedem anderen Mann sofort verbitten würde, aber nicht bei ihm.
„Ich verstehe Sie, meine Gute. Es ist bestimmt nicht gerade leicht, wenn jemand erfahren sollte, dass man sich mit dunklen Künsten beschäftigt. Ich selbst vertrete öffentlich die Meinung, dass schwarzmagische Lehrinhalte nichts auf dem Stundenplan zu suchen haben. Kein Kind sollte mit den dunklen Künsten vertraut gemacht werden.“ Albus seufzte, bevor er fortfuhr: „Severus selbst hatte während seiner Schulzeit kein Geheimnis aus seinem Steckenpferd gemacht und wurde deshalb… Nun ja, das ist eine andere Geschichte. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass man Vorsicht walten lassen muss; man nicht jedem alles unter die Nase reiben darf.“ Er schien für einen Moment gedankenverloren. Albus schenkte ihr und sich noch eine Tasse Tee ein und erklärte: „Dass Severus den dunklen Künsten angetan ist, war nie ein Geheimnis, auch nicht unter den Schülern, was ihm natürlich von Anfang an einen schlechten Ruf eingehandelt hatte.“ Der Direktor blickte sie an und sagte leise, als würde er ein Geheimnis preisgeben: „Würden Sie glauben, dass ein anderes langjähriges Mitglied der Lehrerschaft ebenfalls sehr mit dunkler Magie vertraut ist?“
Vor lauter Staunen zog Hermine die Augenbrauen in die Höhe und sagte: „Noch jemand? Nein, das würde ich keinem hier zutrauen.“
„Aber so ist es! Diese Person weiß genau wie Severus, sich zu schützen, um schwarze Magie gefahrlos studieren zu können. Sie, Hermine, würden nie drauf kommen und ich weiß nicht, ob es mir zusteht, Ihnen zu verraten, um wen es sich dabei handelt“, sagte Albus lächelnd.
Plötzlich, weil Albus es eben erwähnt hatte, fiel ihr etwas ein, das Severus ihr gesagt hatte und sie erzählte: „Severus meinte auch, es gäbe Möglichkeiten, diese Bücher zu lesen, ohne dass sie einen einnehmen könnten.“
„Ja, die gibt es, doch sind diese Schutzmaßnahmen nicht immer gleich, denn jedes Buch hat seine eigenen Tücken. Ich selbst bin im Besitz eines Buches, bei welchem man ganz bestimmte Seitenzahlen nicht aufschlagen darf, weil man sonst mit Haut und Haaren verschlungen werden würde“, sagte Albus, bevor er seine Zitronenschnitte naschte.
„Das hört sich gemeingefährlich an!“
Albus schluckte, bevor er nickend zustimmte: „Das ist es auch. Wenn Sie demnächst tatsächlich mit diesen Büchern Umgang haben sollten, Hermine, dann behandeln Sie sie wie gefährliche Tiere; wie giftige Schlangen und Skorpione oder wie eine blutrünstige Chimära, denn die Bücher können unverhofft zuschlagen, weswegen Sie stets auf der Hut sein müssen! Seien Sie niemals unachtsam.“
Alles, was Albus gesagt hatte, ließ sie sich durch den Kopf gehen, während sie an ihrer Tasse Tee nippte und ihren Schokoladenkuchen aß. Nach einer ganzen Weile, die sie damit verbracht hatte, nach dem Kuchen auch noch jede Menge Süßigkeiten zu verzehren, sagte sie: „Ich dürfte solche Bücher also lesen?“
Albus lächelte freundlich und entgegnete: „Es liegt gar nicht in meiner Macht, Sie daran hindern zu können. Es ist Ihre Entscheidung, Hermine. Es ist allein Ihre Entscheidung. Ich möchte Ihnen nur ans Herz legen, vorsichtig zu sein. Am liebsten wäre es mir, wenn Severus stets an Ihrer Seite wäre, wenn Sie diese Bücher lesen, denn er könnte im Notfall einschreiten. Und wenn Sie einem alten Mann wie mir den Gefallen tun möchten, Sie in Sicherheit zu wissen, dann können Sie meinen Rat gern beherzigen.“
Hermine lächelte zufrieden. Natürlich würde sie Albus’ Ratschlag beherzigen, denn deswegen war sie ja hier. Da diese Angelegenheit geklärt war, wagte sie den Schritt in eine andere Richtung und sie fragte freiheraus: „Was ist vor zwanzig Jahren mit Severus geschehen?“
Diese Frage traf Albus völlig unvorbereitet. Wie versteinert blickte er sie an, doch nachdem er einmal geblinzelt hatte, war er wieder ganz der alte Direktor, der erwiderte: „Ich kann mich in diesem Punkt nur wiederholen und das sagen, was ich Harry bereits gesagt habe: Ihr seid beide so nahe dran, dass es eine Schande wäre, jetzt aufzuhören.“
„Aber womit aufhören? Wir wissen ja nicht einmal, was wir bereits tun. Was ist es denn, das Harry und ich machen, um Severus zu helfen und warum muss man ihm überhaupt helfen?“, wollte Hermine wissen, doch Albus schüttelte nur den Kopf. „Haben Sie einen Unbrechbaren Schwur geleistet?“, fragte sie gleich im Anschluss.
„Nein, das nicht, aber ein Versprechen ist ein Versprechen, das verstehen Sie sicherlich, Hermine“, erwiderte er entkräftet klingend.
Sie seufzte und sagte niedergeschlagen: „Es ist demotivierend, dass die einzigen beiden Menschen, die etwas Licht ins Dunkel bringen könnten, sich einfach nicht dazu äußern möchten.“
Plötzlich klopfte es, so dass Albus sich entschuldigte und zur Tür ging. Es war Minerva, die für wenige Minuten seine Anwesenheit wegen einer schulischen Angelegenheit forderte, so dass der Direktor versprach, in spätestens zehn Minuten wieder hier zu sein.
Allein in Albus’ Büro sitzend betrachtete sie die Gemälde und da fiel ihr Blick auf das Portrait von Albus, welches nach seinem Tode hier im Büro zu finden war. Sie ging auf ihn zu und da er zu schlafen schien, wie alle anderen Gemälde auch, sagte sie laut seinen Namen, doch er rührte sich nicht.
„Ich weiß, dass Sie nicht schlafen. Keiner von Ihnen schläft!“, sagte sie laut und ließ ihren Blick derweil über sämtliche Gemälde ehemaliger Direktoren und Direktorinnen schweifen. Es machte sie wütend, dass sie ignoriert wurde, obwohl sie doch wusste, dass diese Gemälde immer nur dem Direktor von Hogwarts treu waren. Sie entschloss sich dazu, die Portraits genauso zu ignorieren wie sie von ihnen ignoriert wurde und streifte ein wenig im Büro herum.
Auf einem Schrank lag der Sprechende Hut, der leise schnarchte, doch ob auch der seinen Schlaf nur vortäuschte, war ihr ein Rätsel. In den Regalen standen Bücher und überall waren seltsame silberne Objekte im Raum verteilt, deren Zweck Hermine nicht kannte. Sie betrachtete jede Menge Gläser mit Süßigkeiten, herumstehenden Tinnef, Schülerakten und bemerkte während des langsamen Gehens nicht, dass sich ihr Umhang an etwas verheddert hatte. Mit einem Male spürte sie den Ruck und sie drehte sich um und zog an dem gefangenen Stoff. Sie zerrte an ihm und hörte plötzlich ein klickendes Geräusch in genau dem Moment, als sie ihren Umhang hatte befreien können. Sie sah sich mit einem Male mit der Versuchung konfrontiert, in das Denkarium des Direktors schauen zu können, denn ihr Umhang hatte einen geheimen Mechanismus in Gang gesetzt, der ein Versteck geöffnet hatte.
Hermine stand an dem Becken und legte beide Hände auf den Rand, doch wie schon bei Severus wurde sie bereits im Vorfeld von Gewissensbissen geplagt. Sie konnte es einfach nicht tun. In Gedanken versuchte sie, sich selbst zu überreden, doch sie war ein rechtschaffener Sturkopf. Sie hörte nicht einmal, wie die Tür des Büros sich öffnete und Albus an sie herangetreten war. Erst seine Stimme befreite sie aus ihrem Zwiespalt.
„Was Sie suchen, Hermine, werden Sie nicht bei mir finden“, sagte er mit ruhiger Stimme. Erschrocken drehte sie sich um und blickte in die blauen Augen des Direktors, die kein bisschen Enttäuschung widerspiegelten.
„Ich schwöre, ich habe nicht hineingesehen!“, rechtfertigte sie sich.
Albus lächelte und fragte: „Habe ich Ihnen einen Vorwurf gemacht?“ Er legte einen Arm um sie und sagte: „Neugier ist keine Sünde, aber man sollte sie mit Umsicht walten lassen.“
„Mein Gewissen hindert mich leider sehr oft daran, meiner Neugierde nachzugeben“, sagte Hermine entmutigt.
„Ihnen, Hermine, liegt der Dialog viel mehr. Sie verfügen über zwei sehr ausgeprägte Eigenschaften. Zum einen wären da Ihre Wortgewandtheit und zum anderen Ihre Aufrichtigkeit. Mit beiden Eigenschaften zusammen können Sie mehr verschlossene Türen öffnen, als mit halbherzigen Auskundschaftungen, die von Ihrem Gewissen vereitelt werden“, sagte Albus.
Albus reichte ihr eine Schachtel mit Schokoladendrops, an der sie sich bedienen durfte und selbst nahm er auch eine dieser Köstlichkeiten, bevor er fragte: „Kann ich Ihnen sonst noch behilflich sein, Hermine?“
„Nein, ich denke, das war alles gewesen“, erwiderte sie.
„Wunderbar! Ich hoffe, ich konnte Ihnen eine Hilfe sein. Falls Sie auf Probleme treffen sollten, dann erwarte ich von Ihnen, dass Sie mich jederzeit aufsuchen, ja?“
Sie nickte lächelnd und sagte: „Danke Albus.“
Kaum war Hermine in den Kerkern an der Tür zu Severus’ Labor angekommen, wurde sie von jemandem abgefangen. Draco kam eilig auf sie zu und fragte: „Können wir mal kurz miteinander reden?“
Etwas verdutzt nickte sie, so dass er ihr mit einer Geste bedeutete, ihm zu folgen. Er ging bis ans Ende des Korridors und öffnete die Tür zu seinen Räumen, die direkt in sein Schlafzimmer führte, was ihr vor Augen hielt, dass nicht in Gegenwart seiner Mutter mit ihr reden wollte.
Nachdem er die Tür geschlossen hatte, fragte er unverblümt: „Was ist mit Severus los?“
„Äh…“, machte sie. Sie war sich nicht sicher, wie er die Frage meinte.
„Ist er krank?“, fragte er mit gerunzelter Stirn, denn er machte sich ganz offensichtlich Sorgen.
„Wieso krank?“
Er schien ungeduldig zu werden und sagte: „Ich bin nicht blöd! Heute, als ich dich um Hilfe gebeten habe, da ging es ihm noch schlecht und nachdem du gegangen warst, da war plötzlich alles in Ordnung. Mach mir nichts vor!“ Mit Bestimmtheit forderte er: „Sag mir, was los ist! Wird er blind?“
„Blind?“, fragte sie verdattert nach.
„Hör auf, mich auf den Arm zu nehmen!“, sagte grantig.
„Ich nehme dich nicht auf den Arm, Draco! Ich verstehe nur nicht, warum du glaubst, er würde blind werden“, erklärte sie ruhig.
Draco zwang sich zur Besonnenheit und schilderte: „Seine Augen sind heller gewesen! Bei meinem Vater sind die Augen auch erst heller geworden, bevor er das Augenlicht verloren hat.“
Hier staunte Hermine und fragte neugierig: „Das hast du gesehen? Was ist vorher passiert, dass seine Augen…“
„Das geht dich nichts an“, machte er ihr klar.
Zickig antwortete sie: „Dann habe ich dir auch nichts zu sagen!“
Sie ging bereits einige Schritte zur Tür, da ergriff Draco ihren Oberarm und drehte sie um, bevor er böse zischelte: „Was sollen die Spielchen?“
Hermine schüttelte ihren Arm und befreite sich aus seinem Griff, bevor sie die Augen zusammenkniff und sagte: „DU wolltest mit mir sprechen, vergiss das nicht. Wenn wir ein wenig freundlicher miteinander umgehen könnten und wenn du auch meine Fragen beantworten würdest, dann könnten wir vielleicht gemeinsam vorankommen, aber nicht auf diese Art!“
„Was für Fragen hast du?“, sagte er in einem Tonfall, der sich anhörte, als würde er etwas ausspucken.
Hermine versuchte angestrengt, sich wieder zu beruhigen, bevor sie sagte: „Was ist geschehen, bevor dir seine veränderte Augenfarbe aufgefallen ist?“ Sie bemerkte, wie Draco sich auf die Unterlippen biss und entspannte die Situation mit den Worten: „Ich will ja keine Details hören. Erzähl es mir so oberflächlich wie möglich. Ich nehme stark an, dass ihr über etwas sehr Emotionales geredet habt?“
Draco nickte, aber er wusste nicht, wie er die heutige Situation „oberflächlich“ schildern könnte, also begann er lang gestreckt zu erzählen: „Er war wegen Freitag noch etwas ungehalten.“
„Er hat dir die Leviten gelesen“, sagte Hermine in ruhigem Tonfall, weil die Situation sofort verstanden hatte.
Ihr Gegenüber blickte sie zwar durch verengte Augen an, nickte jedoch, bevor er hinzufügte: „Das Gespräch ist dann persönlicher geworden.“ Er hatte keine Ahnung, wie er ihr – ohne Details zu nennen – davon erzählen könnte, dass er Severus gebeten hatte, der Patenonkel seines Kindes zu werden.
Hermine bemerkte seine Schwierigkeiten und sagte ganz offen: „Ich weiß, dass wir uns kaum kennen.“ Er blickte auf und als sie sich ansahen, erklärte sie: „Wenn ich dich sehe, dann denke ich immer noch als Erstes an den Draco, der du damals warst.“ Erinnerungen an verschiedenste Auseinandersetzungen blitzten gleichzeitig bei ihm und ihr auf. „Ich kenne dich nicht so, wie Harry dich kennt und ich weiß nicht, ob das jemals so sein wird, aber du kannst mir glauben, dass ich niemals jemanden auf den Arm genommen habe, wenn man mir etwas Persönliches anvertraut hat. Severus leidet an irgendetwas und ich glaube, dass er die meiste Zeit über sehr niedergeschlagen ist und deswegen möchte ich ihm helfen“, sagte sie ehrlich.
Draco musste sich setzen, auch wenn es keine Neuigkeit für ihn war, dass sein Patenonkel schwermütig sein sollte, denn das hatte er ja selbst jahrelang miterleben müssen. Wortlos bot er ihr den anderen Stuhl an dem kleinen Tisch an, so dass sie ihm gegenüber Platz nahm.
„Er sagte vorhin“, Dracos Stimme war erschreckend leise, „dass er nicht wüsste, wie lange er noch…“
Da er innegehalten hatte, fragte sie nach: „Wie lange er noch was?“
„Er hat den Satz nicht beendet, aber es ist eindeutig oder? Du denkst das Gleiche wie ich, habe ich Recht?“, fragte er nach.
Sie schüttelte den Kopf, weil sie nicht wahrhaben wollte, dass es so schlecht um Severus aussehen sollte, weswegen sie versuchte zu erklären: „Er ist ja nicht immer so oder? Ich meine, es sind nur Momente, wo er keinen“, sie schluckte kräftig, „Sinn mehr sieht?“
„Er sieht seit Voldemorts Tod keinen Sinn mehr“, sagte Draco und er stutzte, weil er das erste Mal in seinem Leben diesen Namen ausgesprochen hatte, ohne vor ihm zu erschaudern. „Das ist auch der Grund, warum er…“ Er stockte, doch er entschloss sich dafür, ihr die Wahrheit zu sagen: „…warum er abgelehnt hat, Patenonkel für mein Kind der zu werden.“
Sie machte große Augen und fragte leise: „Das war es, was so persönlich war? Du hast ihn gefragt und er hat abgelehnt?“ Er nickte, so dass sie ehrlich sagte: „Das tut mir so Leid, Draco. Das hat dich sicherlich sehr getroffen.“
Wieder nickte er, bevor er erzählte: „Ich habe ihm gesagt, was er mir als Patenonkel bedeutet und dass ich mir wünschen würde…“ Er konnte nicht so offen mit Hermine sprechen, auch wenn sie so verständnisvoll zu sein schien; es ging einfach nicht.
„Das war der Moment? Als du ihm das gesagt hast, da ging es ihm auf einmal schlecht?“, fragte sie, doch sie beantwortete ihre Frage selbst. „Ja, so war es bisher immer gewesen!“
Stutzig wiederholte Draco ihre Worte und er fragte sich, war sie mit „immer“ meinen würde. „Was geht mit ihm vor?“, fragte er vorsichtig, denn ganz offensichtlich war ihm einiges entgangen.
Behutsam erklärte sie: „Wir glauben, er hat durch irgendetwas die Fähigkeit verloren, empfinden zu können, doch dann gibt es Momente…“ Sie suchte nach einem anderen Beispiel und erzählte: „Als ich bei ihm angefangen habe, da waren seine Augen stets so schwarz wie man sie bei ihm kennt, aber mittlerweile sind sie immer braun.“
„So etwas geht doch überhaupt nicht!“, warf Draco ungläubig ein.
„Du hast es heute doch selbst gesehen! Ich brauche gar nicht mehr zu fragen, ob dir das früher schon einmal aufgefallen war. Ich meine, als ihr beide unterwegs wart.“
„Ist mir nie aufgefallen“, sagte er Kopf schüttelnd.
Per Aufrufezauber ließ Draco zwei Gläser und eine Flasche Traubensaft an den Tisch schweben. Er schenkte sich und ihr etwas ein, bevor er tief ein und aus atmete.
Hermine stützte ihre Ellenbogen auf dem Tisch ab und lehnte sich zu Draco, bevor sie sagte: „Sir Nicholas hat mir gesagt, dass Severus nach der Schule, als er hier als Lehrer angefangen hat, braune Augen hatte. Ich glaube, das ist seine normale Farbe.“ Dracos riss die Augen auf, doch hörte weiterhin zu, als Hermine schilderte: „Und erst ungefähr ein Jahr später, da wären sie so dunkel geworden!“
„Ein Jahr später?“, fragte Draco und rechnete im Kopf. „Das wäre ungefähr der Zeitpunkt gewesen, als Voldemort Harrys Eltern…“
„Ja! Es muss damals etwas geschehen sein, dass er so… Oh Draco, ich weiß gar nicht, wie ich dir alles in so kurzer Zeit erzählen soll. Nach Voldemorts Tod muss erneut etwas mit ihm geschehen sein, denn er scheint ab und an wieder etwas zu empfinden, aber genau das scheint er nicht ertragen zu können“, sagte sie.
„Ein Fluch“, murmelte Draco.
Sofort hellhörig geworden fragte Hermine: „Gibt es so einen Fluch, der Gefühle absterben lassen kann?“
„Keine Ahnung. Ich dachte, du würdest mir das sagen“, erwiderte er.
„Herrgott, ich stolpere von einer Theorie in die nächste und keiner von denen, die die Antworten kennen, sind bereit, mir welche zu geben. Das ist so frustrierend!“, schimpfte sie.
„Wer soll denn Antworten kennen?“
„Der Direktor! Und natürlich Severus selbst, aber wenn ich ihn etwas frage, dann blockt er ab oder wird richtig fies, dabei war er es selbst, der Harry diesen Hinweis gegeben hat“, nörgelte sie.
„Severus hat Harry… Was für einen Hinweis?“, fragte Draco kopfschüttelnd, der bei den ganzen Informationen aus allen Wolken fiel.
„Na, dass er vor zwanzig Jahren jedes Gefühl begraben hätte und nur noch Hass geblieben wäre“, erklärte sie.
„Das hat er gesagt? Und ich habe geglaubt, du stellst hier nur wilde Vermutungen an“, sagte Draco verdutzt.
Sie schenkte ihm einen vorwurfsvollen Blick, bevor sie erklärte: „Nein, ich vermute nicht nur! Severus war es selbst gewesen, der Harry auf etwas aufmerksam gemacht hat und wir sind mittlerweile zu dem Schluss gekommen, dass er Hilfe von uns erwartet. Gleichzeitig hat er offensichtlich Angst, dass wir tatsächlich dahinter kommen könnten, weswegen er selbst uns im Dunkeln tappen lässt.“
„Und Dumbledore? Was hat der damit zu tun?“, wollte Draco wissen.
Hermine hob und senkte die Schultern und erklärte daraufhin: „Er weiß wahrscheinlich genau, was Severus widerfahren ist, aber er sagte, er hätte versprochen, darüber nicht zu reden. Im gleichen Atemzug hatte er Harry und mir jedoch nahe gelegt, dass wir nicht aufhören sollten – womit auch immer – und dass wir Severus nicht aufgeben dürfen.“
Draco hatte sehr aufmerksam zugehört und kam zu dem Schluss, dass es möglicherweise wahr sein konnte. Er hatte niemanden im Leben getroffen, der so kaltherzig wirkte wie Severus. Selbst sein eigener Vater hatte schon einmal Herz gezeigt, wenn auch nicht sehr oft.
„Das ist ziemlich gruselig“, sagte Draco etwas verwirrt. „Ich meine, ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass Severus sich einfach so sehr unter Kontrolle hat, dass man von ihm kaum Gefühlsausbrüche erwarten darf. Wenn aber nur Hass übrig geblieben sein soll, wie kann er dann einen Patronus herbeirufen? Dazu benötigt man eine glückliche Erinnerung und die muss er haben, denn er kann einen Patronus heraufbeschwören und der ist nicht gerade klein!“
„Oh…“, machte Hermine.
„Was hast du? Habe ich gerade eine deiner Theorien verworfen?“, fragte er neckend.
„Nein, du hast nur die Theorie bestätigt, dass er nicht seelenlos sein kann“, erwiderte sie.
Draco stieß hörbar Luft durch die Nase aus, bevor er den Kopf schüttelte und sagte: „Wenn er ohne Seele wäre, dann würde man das merken, denn dann wäre er tot und nur sein Körper würde noch umherwandeln. Er hätte keine Leidenschaften mehr wie das Tränkebrauen; nicht einmal die Ambition, von allein auf die Toilette gehen zu wollen.“
„Weißt du vielleicht, ob ein Dementor nur einen Teil der Seele vernichten kann?“
„Was für eine Theorie ist das denn bitteschön?“, fragte er spöttisch. „So ein Kuss dauert keine zehn Sekunden und weg ist die Seele.“
„Und woher weißt du das?“, wollte Hermine sofort wissen.
„Damals, als man Black geschnappt hatte, da hat Severus mir erzählt, was er alles dafür geben würde, beim Kuss zusehen zu können. Er hatte sich darüber informiert, wie lange es dauern würde und er war der Meinung, dass er zehn Sekunden mit Leichtigkeit als Zuschauer ertragen könnte.“
„Das ist auch so eine Sache, die mich natürlich stutzig macht“, warf Hermine ein, „denn wenn er davon ausgeht, so einem Kuss zusehen UND ungeschoren davonkommen zu können, dann frage ich mich, warum? So einem Kuss beizuwohnen soll unerträglich sein und einem den Verstand rauben.“
Draco machte große Augen und sagte leise: „Ich hab es damals nur für einen Witz von ihm gehalten.“
„Vielleicht hat er dich aber auch auf etwas aufmerksam machen wollen? Vielleicht wollte er, dass du stutzig wirst und ihn fragst, warum er denken würde, er könnte es ertragen. Möglicherweise war Harry nicht der Erste, von dem er sich Hilfe erhofft hatte?“, sagte sie, während sie beobachtete, wie Draco in eine „Grübelstarre“ zu verfallen schien, denn seine Augen fixierten das Glas vor sich und er blinzelte nicht ein einziges Mal.
„Ich muss langsam los, Draco. Er wartet auf mich“, sagte Hermine und bedankte sich noch für das Getränk.
Draco sprang von seinem Stuhl auf. „Warte!“ Sie drehte sich zu ihm um, so dass er fragten konnte: „Was macht ihr, um ihm zu helfen?“
Sie zuckte mit den Schultern und erwiderte: „Ich weiß es nicht, aber irgendwas scheinen wir ja richtig zu machen, wenn man Albus Glauben schenken darf.“
Sie ging einen Schritt zur Tür, aber er hielt sie erneut auf, indem er ihren Oberarm ergriff; diesmal jedoch zaghafter als vorher. „Was kann ich tun?“, fragte Draco, der aufrichtig seine Hilfe anbot.
„Was hast du bereits getan?“, fragte sie rätselhaft zurück. Er dachte daran, wie er Severus umarmt hatte und es ihm erst danach schlecht gegangen war, doch er wollte es ihr nicht sagen. Vielleicht würde sie ihn für einen Schwächling halten. Weil er nicht antwortete, sagte sie: „Ich würde empfehlen, dass du so weitermachst wie bisher und wenn es ihm wieder ’schlecht’ gehen sollte, dann bleib einfach bei ihm.“
Hermine musste nicht weit laufen, da war sie schon an der Tür zu Severus’ Büro und öffnete sie, ohne zu klopfen. Drinnen saß er an seinem Pult und ging Hefte der Schüler durch, bevor er aufblickte.
„Ah, zurück von einer gepflegten Konversation mit dem Direktor oder würden Sie es eher unter ’belangloser Plauderei’ einordnen?“, fragte er mit einem hochgezogenem Mundwinkel; dem einzigen Indiz dafür, dass er sich einen Scherz erlaubt hatte. Offensichtlich hatte er sich schnell wieder von seinem kleinen „Schwächeanfall“ erholt.
„Oh nein, es war schon sehr interessant, aber ich muss mich erst einmal setzen“, sagte sie entkräftet, bevor sie auf einem Stuhl Platz nahm.
Das Gespräch mit Draco war auch nicht ohne gewesen, dachte sie, denn es war schön zu wissen, dass er sich überwunden hatte, gerade sie zu fragen, wie es um Severus stehen würde.
Severus nahm sich einen Stuhl und gesellte sich zu ihr, bevor er fragte: „Wie fühlen Sie sich jetzt?“
Sie blickte ihm in die Augen und erwiderte sehr ernst: „Zunächst einmal bin ich der Überzeugung, dass mein Blutzuckerspiegel jetzt mindestens dreimal höher ist als mein Intelligenzquotient.“
„Das bezweifle ich“, erwiderte er todernst, „denn dann wären Sie jetzt längst tot.“
Es dauerte einen Moment, bis sie seine Anmerkung als Kompliment hatte entschlüsseln können, was sie zum Lächeln brachte und gleich darauf erklärte sie: „Er hat nichts dagegen, dass ich schwarzmagische Bücher lese, aber es wäre ihm lieb, wenn Sie dabei wären.“
„Ah“, machte er, denn er hatte offensichtlich nicht mit etwas anderem gerechnet.
„Und Albus hat mich auch darüber informiert, dass es eine Beschwerde über mich gegeben hat“, fügte sie hinzu.
Er zog eine Augenbraue in die Höhe und fragte: „Tatsächlich?“
„Ja, Ihr Gemälde hat mich angeschwärzt!“, sagte sie gespielt eingeschnappt.
„Salazar? Warum…“
Sie ließ ihn nicht ausreden und erklärte: „An dem Abend, an dem wir den ’Adlerauge’ eingenommen hatten, da wollte er mich nicht reinlassen und deswegeb habe ich ihm gedroht.“
Er schluckte bei der Erwähnung dieses Abends, doch er konzentrierte sich auf das eigentliche Thema und fragte nach: „Wie haben Sie bitteschön einem sprechenden Gemälde gedroht? Mit Terpentin?“
Unvermittelt prustete Hermine los und er schien nur für einen Moment erschrocken gewesen zu sein, so eine Reaktion bei ihr hervorzurufen. Sie erklärte ihm, dass sie Salazar mit einem „Bombarda Maxima“ gedroht hatte.
„Warum das?“, wollte er wissen.
„Ich wollte zu Ihnen, Severus. Ich wusste ja nicht…“ Nur in Gedanken beendete sie den Satz. Er äußerte sich nicht, weil ihm das Thema unangenehm zu sein schien, so dass sie sagte: „Eines ist mir an diesem Abend klar geworden, Severus.“
Er blickte sie mit so einer Furcht in den Augen an, als würde er damit rechnen, dass sie ihn jeden Moment mit seinem Geheimnis konfrontieren würde. Entgegen seinen Erwartungen sagte sie jedoch: „Mein Farbtrank ist leider keine neue Erfindung!“ Sie seufzte und blickte betrübt zu Boden.
„Was lässt Sie denn das denken?“, wollte er wissen.
Sie kniff die Lippen zusammen und erklärte: „Wenn es schon eine Nebenwirkung des Adlerauges ist, dass man die Magiefarben von einem Zauberer sehen kann, dann ist mein Trank nicht neu.“
„Ihr Trank, Hermine, zeigt die Farben nicht nur kräftiger und länger, sondern er hat auch keinerlei Nebenwirkungen. Es mögen Ähnlichkeiten vorhanden sein, besonders was die Zutaten betrifft, aber Sie sind von allein drauf gekommen und haben den Trank nur zu diesem Zweck entwickelt. Wahrscheinlich war dem Entdecker des ’Adlerauges’ diese farbenfrohe Nebenwirkung nicht einmal aufgefallen oder er wusste nichts damit anzufangen. Sie haben diesen Trank entwickelt, bevor sie von den Nebenwirkungen des Adlerauges wussten“, machte er ihr klar.
Sie seufzte erneut, denn sie hatte das Gefühl, man könnte ihren Trank später abgekupfert nennen.
Er durchbrach die Stille und sagte: „Der Abend ist schon angebrochen. Heute können wir nichts Großartiges mehr beginnen.“
„Wissen Sie, wozu ich Lust hätte?“, fragte sie plötzlich mit ganz glänzenden Augen, während sie sich ihm zuwandte. Er ahnte, dass sie wahrscheinlich ein Buch der dunklen Künste lesen wollte, schüttelte dennoch den Kopf, so dass sie ihm offenbaren konnte: „Ich habe Lust drauf, zum See zu gehen“, seine Stirn legte sich in Falten, „und dann Albus’ Grab zu öffnen.“
Seine beiden Augenbrauen schnellten zum Haaransatz hinauf, bevor er sich zu ihrem Vorschlag äußerte. „Hat Ihnen schon einmal jemand gesagt, dass hinter Ihrem schlauen Köpfchen mit den vielen exzellenten Ideen ein überaus morbider Geist zu stecken scheint?“
Sie grinste und sagte schelmisch: „Die Idee kam ja ursprünglich von Ihnen. Vielleicht färben Sie einfach nur ab?“
Mit ernster Miene erwiderte er besorgt: „Ich hoffe doch nicht.“
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
~ Muggelchen.net ~
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Hallo Muggelchen,
Ich lese deine Geschichte schon eine Weile und muss sagen: "Ich bin wirklich sehr beeindruckt, von deinem Schreibstil, deiner Verflechtung der Handlungsstränge einfach grossartig^^ Ich bin gespannt wie es weitergeht. Liebe Grüsse rajja
Ich lese deine Geschichte schon eine Weile und muss sagen: "Ich bin wirklich sehr beeindruckt, von deinem Schreibstil, deiner Verflechtung der Handlungsstränge einfach grossartig^^ Ich bin gespannt wie es weitergeht. Liebe Grüsse rajja
"...Ist der Weg auch noch so beschwerlich lang, wir Hufflepuffs ziehen alle an einem Strang."
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- Muggelchen
- Eule
- Beiträge: 345
- Registriert: 07.06.2008 22:29
- Wohnort: Gemälde im 1. Stock
Hi rajja,
vielen Dank für deine Review. Einige Handlungsstränge werde noch zueinander finden, andere lösen sich allein auf. Es freut mich, dass dir die übergreifenden Handlungen besonders gefallen :)
Lieben Gruß,
Muggelchen
115 Marmorne Ruhestätten
Am Abend saßen Harry und Ginny gemütlich mit Wobbel und Nicholas zusammen, um einige Ideen für ihre Hochzeit zu notieren, als es klopfte. Nach einem lauten „Herein“ von Harry öffnete sich die Tür und Minerva stand auf der Schwelle.
„Harry, eine persönliche Lieferung für Sie“, sagte Minerva und machte den Herren, die hinter ihr warteten, Platz.
Harry und Ginny erhoben sich und beobachteten zwei ältere, kräftig wirkende Herren, die sehr konzentriert einen großen Gegenstand per Levitation ins Wohnzimmer schweben ließen. Ihre Stäbe hatten sie jedoch nicht auf die große hölzerne Kiste gerichtet, sondern auf einen sehr stabil aussehenden Stein, auf dem die Kiste stand.
„Wo möchten Sie es hinhaben?“, wollte der Mann mit den graublonden Haaren wissen.
„Was ist denn das?“, fragte Ginny neugierig.
Der Herr mit der Brille antwortete: „Das ist ein Denkarium, gute Frau. Wo ungefähr soll es stehen?“
„Ähm“, machte Harry und schaute sich flugs im Wohnzimmer um, um eine passende Stelle zu finden. „Da, links vom Kamin“, sagte er letztendlich, denn dort war genügend Platz vorhanden.
„Bedenken Sie, Mr. Potter, dass ein Denkarium von mehreren Personen gleichzeitig benutzt werden kann. Es sollte in der Regel frei stehen, damit es von allen Seiten zugänglich ist, aber wenn Sie…“
Ginny unterbrach den Graublonden und schlug vor: „Dann besser in die Ecke da, mit Abstand zur Wand.“
Die Herren nickten, beförderten jedoch die Lieferung nur in die Nähe des gewünschten Zielortes, bevor sie den Stein mit der Kiste drauf absetzten. Nachdem sie ihre Zauberstäbe in den Umhängen verstaut hatten, war Körperkraft von Nöten. Die beiden muskulösen Herren hoben gemeinsam und sehr vorsichtig die hohe Kiste an und stellten sie behutsam auf ihren Platz. Der Graublonde zog erneut seinen Stab und berührte das Holz, welches gleich darauf verschwand und ein steinernes, verschnörkeltes Denkarium mit einem sehr breiten, aber leeren Becken freilegte. Der Herr mit der Brille zog zwei kleine Gegenstände aus seinem Umhang, stellte sie auf den Boden und sprach einen Zauber, der ihnen wieder ihre normale Größe gab. Es kamen zwei große Tonbehälter mit mindestens fünf Litern Fassungsvermögen zum Vorschein.
„Das hier“, der Mann zeigte auf den helleren Tontopf, „beinhaltet die Flüssigkeit für das Denkarium. Ich fülle es gleich auf; gehört zum Service. Den Rest bewahren Sie bitte gut.“ Der Mann ließ den tönernen Behälter bereits schweben und entkorkte ihn, bevor eine nicht ganz klare, undurchsichtige Flüssigkeit in das Becken lief.
„Was ist da drin?“, wollte Ginny wissen, die auf den dunklen Tontopf zeigte.
Der Graublonde griff in eine Innentasche seines Umhangs und zog eine Pergamentrolle hinaus, die er entrollte und Harry gab, während er sagte: „Zum Denkarium gehören auch ausgewählte Erinnerungen des Vorbesitzers, die Ihnen nun überlassen werden. Wenn Sie bitte hier“, der Mann tippte unten rechts auf das Pergament, „unterschreiben würden, dass Sie die Lieferung erhalten haben?“
Verdattert fragte Harry: „Auserwählte Erinnerungen des Vorbesitzers? Ist so etwas üblich?“
„Aber sicher! Der Nachlassverwalter wollte Denkarium und Erinnerungen nicht trennen. Was Sie mit ihnen machen werden, ist Ihnen überlassen, Mr. Potter.“ Etwas drängelnd fügte er hinzu: „Die Unterschrift bitte! Wir haben jetzt Feierabend.“
Harry unterschrieb die Empfangsbestätigung und gleich darauf wurden die beiden Herren von Minerva wieder nach draußen begleitet.
„Ron hat zwar erzählt, dass man mir das Denkarium überlassen möchte, aber auch noch die Erinnerungen? Ich meine, wollen die Verwandten die nicht selbst haben?“, fragte Harry ungläubig, während er sich dem sehr antik aussehenden Steinbecken näherte.
Ginny folgte ihm und erklärte: „Was sollen die mit den Erinnerungen anfangen, wenn Sie kein Becken haben?“
„Ja schon, aber Erinnerungen sind doch so persönlich! Ich würde keinem Fremden meine Erinnerungen einfach geben wollen. Vielleicht schauen wir lieber nicht rein? Die haben ja gesagt, das es an mir liegt, was ich damit mache“, sagte Harry mit einem schlechten Gewissen.
„Als ob du deine Neugierde im Griff hättest, Harry“, sagte sie lachend. „Ich würde da schon mal hineinschauen wollen und wenn du nicht möchtest…?“
„Aber was, wenn da schlimme Dinge gezeigt werden? Sachen, die man nicht sehen möchte?“
„Du machst dir immer viel zu viele Sorgen, Harry. Ich werde mir mal eine ansehen und zwar jetzt gleich“, sagte Ginny, die bereits den großen dunklen Tonkrug öffnete. Ein silberner Schein drang aus der Öffnung hinaus und es wirkte, als hätte jemand eine Lichtquelle in dem Krug untergebracht.
Völlig sorglos führte Ginny ihren Zauberstab in die Öffnung und zog ihn gleich wieder vorsichtig hinaus. An der Spitze ihres Stabes hing ein silberner Faden, den sie behutsam zum Denkarium hinübertrug und wie einen kleinen Fisch in das große Becken fallen ließ.
Bevor Ginny in die Erinnerung eintauchen konnte, sagte Harry aufgeregt: „Warte, ich komm mit.“ An Wobbel gerichtet, der den kleinen Jungen im Arm hielt, sagte er: „Wenn irgendwas passiert…“
„Harry, was soll passieren? Es kann uns nichts passieren!“, versicherte ihm Ginny, die seine Hand nahm und ihren eigenen Kopf bereits über das Becken führte, bis ihre Nasenspitze die flüssige Oberfläche berührte. Harry machte es ihr gleich.
Einen Stock tiefer schlug Hermine vor: „Nehmen wir den Hund mit! Fellini könnte auch mal wieder raus.“
Severus musste schmunzeln, bevor er sagte: „Wir tarnen die heimliche Graböffnung als Spaziergang mit den lieben Vierbeinern?“
„Nö“, sagte Hermine unschuldig, „wir verbinden das kleine Abenteuer einfach mit dem Nützlichen. Ich müsste sowieso noch einmal mit Harry raus, also kann ich ihn auch gleich mitnehmen.“
Mit dem Hund an der Leine und in einen warmen Umhang gehüllt wartete Severus darauf, bis Hermine den Kniesel geholt hatte, der gleich, nachdem die Tür zu ihren Räumen geöffnet worden war, hinausgerannt kam und auf den Hund zustürmte. Harry wedelte freudig erregt mit seinem Schwanz und beschnupperte seinen schwarzen Freund.
„So, kann losgehen“, sagte Hermine enthusiastisch.
Auf dem Weg durch die Gänge trafen sie auf einige Schüler, die den Kniesel streichelten und ihn niedlich nannten. Den Hund, den Severus mit sich führte, traute sich niemand anzufassen, was wahrscheinlich dem grimmigen Blick des Besitzers zu verdanken war, der die Leine noch nicht an Hermine abgegeben hatte.
Während sie über einen der Höfe gingen, um das Schloss zu verlassen, fragte Severus: „Was werden wir Ihrer Meinung nach finden?“
Sie hob und senkte die Schultern, bevor sie erwiderte: „Ich denke, jede Menge Staub und Spinnweben.“ Eine Gänsehaut lief ihr den Rücken hinunter, als sie an das krabbelnde Viehzeug dachte, welches vor dem Einzug ihre Räume bewohnt hatte. „Was denken Sie?“
„Ich hoffe auf das Gleiche“, antwortete er ehrlich. Nach einem Moment fügte er fragend hinzu: „Sie lieben das Abenteuer?“
„Oh ja! Brenzlige Situationen mag ich zwar nicht sonderlich, aber einem Abenteuer an sich kann ich nur schwer widerstehen. Und Sie?“, fragte sie gleich zurück. Gelangweilt legte er den Kopf schräg, antwortete jedoch nicht, so dass sie erneut das Wort ergriff: „Schade fand ich damals, dass nur noch so wenig Gegengift in der Flasche gewesen war, damit man die schwarzen Flammen überwinden konnte. Ich hätte Harry gern weiter begleitet!“
Sie hatte das Flaschenrätsel angesprochen, welches er damals ausgetüftelt hatte, um den Stein der Weisen zu schützen.
„Seien Sie lieber froh darüber, denn sehr wahrscheinlich wäre dieses ’Abenteuer’ Ihr letztes gewesen, wären Sie auf Quirrell beziehungsweise auf Voldemort gestoßen“, sagte er.
„Ja, ich weiß. Es war trotzdem aufregend gewesen. Mir ist ja erst im Nachhinein bewusst geworden, in welcher Gefahr wir eigentlich geschwebt hatten. Wir hatten ja die ganze Zeit über geglaubt, dass Sie den Stein stehlen wollten.“ Sie warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. „Wie hätten wir auch auf Voldemort kommen sollen? Minerva hat mir später erklärt, welcher Lehrer welches Hindernis zum Schutz des Steins erdacht hatte.“
„Wenn ich ehrlich sein darf, Hermine?“, fragte Severus vorsichtig. Sie blickte ihn an, nickte einmal zuversichtlich und wartete geduldig auf das, was er zu diesem Thema zu sagen hatte. Er holte einmal tief Luft und offenbarte: „Ich war damals überaus verärgert, dass eine erst zwölfjährige Schülerin diese Denkaufgabe mit solcher Leichtigkeit gelöst hatte.“ Sie blickte ihn mit betretener Miene an und lauschte, als er hinzufügte: „Es war nicht gerade eine Hilfe von Minerva gewesen, mir noch wochenlang unter die Nase zu reiben, wie schlau und mutig doch ihre Gryffindors sein würden.“ Er seufzte.
Hermine hatte verstanden, was Severus damit sagen wollte. Es war ihm unangenehm gewesen, dass dieses wirklich schwere Denkspiel von einem Kind gelöst worden war. Sicherlich hatte Severus sich nicht nur von Minerva versteckte Neckereien anhören müssen, was seine damalige Abneigung gegen die Schüler des Hauses Gryffindor nur verstärkt haben musste.
„Sie vergessen, Severus, dass Ihr Rätsel bereits das letzte gewesen war. Wir haben auch die Hindernisse der anderen Lehrer überwunden; denen ging es also nicht besser als Ihnen. Harry hatte Ron und mir später mal erzählt, dass er an Ihrem Rätsel völlig verzweifelt wäre und er in seiner Not vielleicht sogar auf einen Abzählreim für Kinder zurückgegriffen hätte, um einfach eine Flasche auszuwählen“, schilderte Hermine, während sie langsam hinunter zum See schlenderten. Es war mittlerweile schon sehr kalt geworden, aber geschneit hatte es bisher noch nicht, dabei freute sie sich jedes Jahr aufs Neue darauf, die Gegend und Hogwarts selbst in Weiß getaucht zu sehen.
„Mmmh“, machte Severus belustigt. „Bei seinem verdammten Glück hätte er wahrscheinlich sogar die richtige gegriffen.“
Hermine lachte auf und stimmte zu: „Ja, das denke ich auch.“
In dem Moment, als Severus und Hermine das weiße Grabmahl von Albus in der Ferne erspäht hatten, hoben Ginny und Harry gleichzeitig die Köpfe aus dem Denkarium. Beide blickten sich mit ernster Miene an, bis Ginny fragte: „Und was hältst du davon?“
Er hob und senkte einmal die Schultern und antwortete mit einem gelangweilten Gesichtsausdruck: „Ich würde sagen, es war so unübersichtlich wie ’Zaubertränke’ und so langweilig wie ’Wahrsagen’.“ Er behielt seine gelangweilte Miene bei, als er nicht ganz ernst fragte: „Kann man eigentlich in so einem Denkarium ertrinken, wenn man beim Anschauen von Erinnerungen einschlafen sollte?“
Ginny lachte auf und antwortete gleich darauf: „Wie willst du im Stehen einschlafen, Harry?“
„Ich mein ja nur... Es war stinklangweilig. Wozu so eine Erinnerung weitergeben?“, fragte Harry verwirrt.
„Keine Ahnung, aber wir können ja mal Hermine fragen, was sie dazu sagt. Immerhin sind das Erinnerungen von einem Verstorbenen und die müssen ja irgendeine Bedeutung haben, wenn er sie schon gesammelt hat“, erklärte Ginny, die Harry an die Hand nahm, um mit ihm zur Couch zu gehen.
„Vielleicht war er aber schon etwas senil… oder er wollte sie als Schlafmittel weitergeben?“, scherzte Harry.
Von Wobbel ließ Ginny sich Nicholas geben, der schon fest schlief. Wobbel selbst schien nicht mehr sehr traurig darüber zu sein, wenn Harry ihm Freizeit schenkte. Während der Arbeit trug der Elf Stoffhose und Pullover, während er in seiner Freizeit mit einer Art Jogging Anzug herumlief. Nachts kümmerten sich Harry und Ginny um den Kleinen, aber tagsüber war Wobbel der Babysitter, während Ginny den Unterricht besuchte und Harry ihn führte.
„Wie viele Gäste haben wir jetzt zusammen?“, wollte Ginny wissen.
Harry betrachtete seine Randnotizen auf dem Pergament und antwortete: „Sind jetzt 114.“
„Doch so viele?“
„Wir haben doch entschieden, dass wir auch welche von denen einladen, die uns so sehr unterstützt hatten“, sagte er und ließ die genauere Erklärung „im Krieg“ lieber weg.
„Und die ganzen alten Schulfreunde“, sagte Ginny, während sie die Liste überflog.
„Da wird Molly aber viel zu tun haben.“
„Blödsinn! 114 Gäste sind doch ein Klacks für Mum. Stell dir nur vor, wir hätten aus der Hochzeit eine öffentliche Angelegenheit gemacht. Wenn es nach Dad gegangen wäre, dann würden da jetzt mindestens eintausend Leute drauf stehen, von denen wir die meisten gar nicht kennen“, machte Ginny ihm klar.
„Eintausend Gäste? Wer wäre denn da alles gekommen?“
„Etliche hohe Tiere aus dem Ministerium wären sicher geladen worden, dann auch Ministeriumsvertreter aus dem Ausland und einige Prominente“, zählte Ginny auf.
„Slughorn bestimmt auch“, sagte Harry, der sich demonstrativ schüttelte. „Gut, dass wir das in die Hand genommen haben. Ich hätte mich sonst nicht wohl gefühlt.“
Hedwig und Fawkes kamen aus dem Schlafzimmer geflogen, doch während Fawkes auf der Rückenlehne der Couch landete, setzte Hedwig sich ans Fenster und hackte auf die Scheibe ein.
„Harry, ich glaube, da möchte jemand raus“, sagte Ginny grinsend, so dass Harry aufstand und das Fenster für seine Eule öffnete, damit sie ihre Runden fliegen konnte.
Hedwig liebte den kühlen Wind und stürzte sich sofort aus dem Fenster, sobald es geöffnet war. Nachdem sie etwas an Höhe gewonnen hatte, konnte sie sich treiben lassen und sie entschloss sich dazu, hinter Hagrids Hütte auf Mäusejagd zu gehen, denn der freute sich immer darüber, wenn sie die Schädlinge davon abhalten würde, das Futter für seine Haustiere zu vertilgen, aber zuerst machte sie einen kleinen Abstecher zum See. Auf dem Boden bemerkte sie zwei Gestalten. Eine davon kannte sie seit etlichen Jahren, denn sie war eine gute Freundin von ihrem Harry. Den anderen kannte sie nur vom Sehen, doch der hatte sie nie gestreichelt und ihr kein einziges Mal eine Belohnung gegeben, weswegen sie für ihn niemals auch nur einen Brief befördern würde. Es fehlte Hedwig, dass Harry ihr kaum noch Briefe gab und wenn, dann waren die Flugstrecken ihrer Meinung nach viel zu kurz. Während Hedwig unbemerkt ihre Runden über die beiden Menschen drehte, hörte sie in deren Nähe eine kleine Maus durchs Gras flitzen.
„Die Spannung steigt“, sagte Hermine, „und wenn ich ehrlich sein darf, habe ich richtig Herzklopfen.“
„Sie haben nur Herzklopfen, weil sie mit vielen schlimmen Dingen rechnen“, erklärte Severus trocken. „Sie sollten ihren Geist leeren und die Situation auf sich zukommen lassen, denn es bringt gar nichts, sich großartig Gedanken zu machen. Sie kennen die bevorstehenden Möglichkeiten: Entweder wir finden eine Leiche oder nicht.“
Seine Worte hatten sie schon fast beruhigt, da schoss plötzlich rechts von ihr etwas Weißes vom Himmel und landete im Gras. Der Hund bellte aufgeregt. Hermine machte einen Schritt zur Seite und klammerte sich in Severus Umhang, während ihr gleichzeitig ein Schrei entwich, den sie mittendrin noch unterdrücken konnte. Ein Fiepen und Quieken war aus dem Gras zu hören. Hermine hatte sich so sehr erschrocken, dass sie eine Hand auf ihre Brust legen musste, während sie ihre Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen versuchte.
Severus schmunzelte, bevor er sich Hermine zuwandte und sagte: „Scheint so, als würde der Vogel bereits nach einem Weihnachtsgeschenk für Harry Ausschau halten. Vielleicht bekommt er ja diesmal eine ganze Maus?“
Hermine musste leise lachen, doch dann wandte sie sich an Hedwig und schimpfte nicht sehr ernst: „Wie kannst du mir nur so einen Schrecken einjagen?“ Hedwig drehte ihren Kopf, schaute sie mit ihren großen runden Augen verdutzt an. Die Schneeeule machte „Schuhu“, bevor sie die Maus in den Schnabel nahm und sich wieder in die Lüfte erhob. Fellini betrachtete den davonfliegenden großen Vogel mit großem Interesse, während der Hund bereits an der Stelle schnupperte, an welcher die Maus erlegt worden war.
„Waren Sie schon immer so schreckhaft?“, fragte Severus.
Hermine schüttelte den Kopf und erklärte: „Eigentlich nicht mehr, seit Harry mir ein paar Übungen beigebracht hatte. Das hatte ich damals nötig, wenn wir nachts durch die Wälder gestreift sind. Ich hatte immer damit gerechnet, dass jeden Moment…“ Es knackte in der Nähe und Hermine drehte sich erschrocken um.
„Warum wenden Sie jetzt nicht das an, was Harry Ihnen beigebracht hatte? Sie scheinen es momentan nötig zu haben. Möchten Sie vielleicht lieber zurück ins Schloss?“, fragte Severus.
„Nein, es geht schon. Es gab einmal eine ähnliche Situation wie diese, wissen Sie. Sehr ähnlich wie jetzt. Wir sind im Dunkeln gerade über eine kleine Lichtung im Wald gegangen und dann waren wir auch schon von Inferi umzingelt, nur mit dem Unterschied, dass es damals in Strömen gegossen hatte“, schilderte Hermine mit zittriger Stimme.
„Ich bin sicher, dass dem Grab kein Inferius entspringen wird. Sie bleiben am besten etwas abseits, während ich es öffnen werde“, schlug Severus vor und damit war sie ganz zufrieden.
Endlich hatten sie das große weiße Grabmahl erreicht. Sofort erinnerte sich Hermine an die Beerdigung und an all die Menschen, die gekommen waren, um Albus zu beweinen. Jedem dieser Menschen hatte er sehr wehgetan, doch jeder Einzelne schien ihm diesen Schmerz verziehen zu haben, weil die Freude über seine Rückkehr das Gefühl der Trauer wieder wettgemacht hatte.
„Bleiben Sie hier stehen. Ich gehe nach weiter vorn“, sagte Severus, der sich zielstrebig dem Grab näherte. Er wandte mehrere Zauber an, die sie nicht hören konnte, um einige starke Schutzwälle zu durchbrechen und dann begann der schwierige Teil. Das Grabmahl hatte keinen Deckel, den man einfach anheben konnte. Es war ein Klotz aus Marmor, in welchem ein Leichnam beerdigt liegen sollte.
„Hermine? Ich benötige Ihre Hilfe“, sagte Severus gelassen. Nachdem Hermine an ihn herangetreten war, fragte er: „Was denken Sie? Sollten wir den Marmor mit einem Zauber aufschneiden, hineinsehen und später mit einem Reparo wieder verschließen?“
„Ich kann es ja erst einmal scannen“, schlug sie vor. Da er sie fragend anschaute, sagte sie: „Ich nenne es ’scannen’. Ist eigentlich ein Zauberspruch, mit dessen Hilfe man Opfer aufspüren kann, die unter Trümmern verschüttet sind. Wenn Hohlräume angezeigt werden, dann können wir entscheiden, wo wir den Stein am besten öffnen könnten.“
Severus nickte, so dass Hermine mit ihrem im Mungos erlernten Zauberspruch das weiße Grabmal untersuchte. Wieder und wieder traf der hellblaue Schein aus ihrem Zauberstab auf den Marmor, doch bevor sie den Zauber zum sechsten Mal sprechen konnte, stoppte Severus sie.
Ganz offensichtlich erwartete er eine Antwort und daher sagte sie: „Ich finde nichts. Ich meine, ich finde keinen Hohlraum. Vielleicht geht es ja unter der Erde weiter?“ Da er genickt hatte, führte sie einen Zauberspruch durch, mit dem man nicht nur Trümmer, sondern insbesondere Erde überprüfen konnte, was bei der Suche nach Erdbeben- und Lawinenopfern sehr hilfreich war. Nach mehreren Versuchen senkte sie ihren Stab.
„Unter dem Grab ist nichts als Erde und das Grab selbst ist massiv. Dort ist nichts eingeschlossen“, sagte sie still, weil sie es einfach nicht glauben konnte.
Severus schürzte nachdenklich die Lippen, bevor er fragte: „Waren Sie bei seiner Bestattung anwesend?“ Sie nickte, so dass er forderte: „Schildern Sie mir, wie sich alles abgespielt hatte.“
Hermine musste kurz überlegen, doch dann konnte sie guten Gewissens aus ihrem Gedächtnis wiedergeben: „Also, der Leichnam lag in einiger Entfernung dort, wo jetzt das Grabmal steht.“
„Konnten Sie Albus’ Leiche sehen?“
Sie schüttelte den Kopf, erklärte jedoch deutlicher: „Ich habe gesehen, dass dort ein Körper gelegen hatte, aber wenn ich ehrlich bin, konnte ich keine Details erkennen. Dann sind auch schon um den Körper herum diese weißen Flammen aufgetaucht und wegen des vielen Rauchs konnte man gar nichts mehr erkennen. Nachdem sich der Rauch verflüchtigt hatte, stand dieses riesige Marmorgrab hier.“
„Eine seltsame Bestattung“, murmelte Severus nachdenklich. „Weiße Flammen, weißer Rauch… Hört sich für mich wie das Ablenkungsmanöver eines Trickkünstlers an, um womöglich lautlos apparieren zu können? Ich war in meinem Leben schon auf einigen Bestattungen, aber ich habe niemals von so einem aufwendigen Hokuspokus mit Feuer und Rauch gehört. Ich vermute, dass sich niemand etwas bei diesem Spektakel gedacht hatte. Es hat sich immerhin um Albus gehandelt, einen der bekanntesten und mächtigsten Zauberer unserer Zeit. So eine aufsehenerregende hoheitsvolle Beisetzung mag bei einem Mann seines Kalibers angemessen erscheinen und würde sicherlich auch von niemanden in Frage gestellt werden.“
Mit einer Hand strich Hermine über den weißen Stein und sie versuchte sich krampfhaft an alles zu Erinnern, das mit der Beerdigung zu tun hatte.
„Harry sagte, er hätte den Eindruck gehabt, einen Phönix davonfliegen zu sehen, als der Rauch aufgestiegen war“, sagte Hermine gedankenversunken.
Severus hob beide Augenbrauen und vermutete laut: „Dann war es womöglich ein Desillusionierungszauber, den Albus um sich und Fawkes gelegt hatte, damit er vor seinem Begräbnis fliehen konnte? Würde mich nicht wundern, wenn Harry damals schon ansatzweise verborgene Dinge sehen konnte, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. Oder er hat vielleicht nur die schemenhafte Abzeichnung eines unsichtbaren Phönix’ in den Rauchschwaden gesehen?“
Hermine nickte und sagte zustimmend: „Langsam glaube ich wirklich, dass das so vonstatten gegangen sein könnte. Es war übrigens auch Harry gewesen, der Albus’ Leiche gefunden hatte. Er hat mir erzählt, dass die Beine ganz verdreht gewesen wären und dass er keinen Puls gefühlt hatte.“
„Die Beine mögen vielleicht wirklich gebrochen gewesen sein, aber ich bin sicher, dass ein Puls noch vorhanden war, wenn auch kaum spürbar. Vielleicht alle zwei Minuten ein Herzschlag? Wir wissen zwar nicht, was Albus eingenommen hatte, um überleben zu können, aber wir wissen, dass er genau zu diesem Zweck eine Art Trank genommen hatte, denn das hat er ja bereits zugegeben. Ich bin sicher, dass er nicht tot gewesen war, als Harry die vermeintliche Leiche betrachtet hatte“, sagte Severus nüchtern.
„Was machen wir jetzt?“, fragte Hermine, die langsam ein paar kalte Regentropfen auf ihrem Gesicht verspürte.
Severus blickte nach oben in den bereits dunklen Himmel, bevor er sich seiner Schülerin zuwandte und antwortete: „Gehen wir erst einmal zurück. Morgen früh werde ich Albus empfehlen, den Marmorklotz einem kunstfertigen Schüler anzuvertrauen, der vielleicht sogar dazu in der Lage wäre, einen neuen ’David’ zu erschaffen – und wenn nicht, dann zumindest ein marmornes Waschbecken für mich.“
Auf dem Rückweg gingen sie etwas zügiger, weil der Nieselregen bereits kräftiger geworden war. Der Hund erledigte noch sein Geschäft und der Halbkniesel versuchte, Dinge zu fangen, die das menschliche Auge bei der Dunkelheit schon gar nicht mehr wahrnehmen konnten.
In Gedanken ging sie ihr Gespräch mit Albus durch und sagte deswegen vorsichtig: „Severus? Als ich bei Albus gewesen war, da hätte ich die Möglichkeit gehabt, in sein Denkarium zu schauen. Die Nische war zufällig aufgegangen, wo es versteckt ist.“
Wie versteinert blieb Severus stehen und blickte sie an. Nachdem er sich gefangen hatte, fragte er unsicher: „’Zufällig’? Haben Sie hineingesehen?“
„Nein, ich konnte es einfach nicht“, antwortete sie ehrlich. Seine angespannte Mimik lockerte sich wieder, so dass sie den Mut fand zu erwähnen: „Er hat mich sowieso erwischt und meinte, bei ihm würde ich nicht finden, was ich suche.“ Ohne sich verbal zu äußern nickte Severus, bevor er seinen Blick senkte und den Weg fortsetzte. Sie ließ nicht locker und sagte, während sie ihm folgte: „Es schien mir so, als wüsste Albus, wonach ich suchen würde, dabei weiß ich es ja nicht einmal selbst!“ Severus blieb nicht stehen und so ging sie weiterhin neben ihm her. Er verlor kein einziges Wort und das brachte sie an den Rand der Verzweiflung, weswegen sie mit flehender Stimme fragte: „Severus? Nach was genau suche ich?“ Sehr viel leise fügte sie hinzu: „Ich brauche Hilfe.“ Sie war sich sicher, dass er den letzten Satz nicht gehört haben konnte.
Er ging nicht auf das ein, was sie gesagt hatte und erleuchtete sie stattdessen mit den Worten: „Ich werde Ihnen heute ein Buch geben. Ich erwarte, dass Sie es innerhalb der nächsten drei Tage lesen werden. Es ist ein Buch über den Umgang mit schwarzmagischen Gegenständen, selbst ist es jedoch keines dieser dunklen Bücher. Es ist also völlig ungefährlich und Sie können es mit auf Ihr Zimmer nehmen.“
Sie seufzte und sagte im Anschluss: „In Ordnung.“
Harry, der gerade in die Kerker gehen wollte, um Hermine wegen seines neuen Denkariums zu holen, bemerkte die beiden von einem Fenster im Gang aus, wie sie gerade wieder das Schloss betraten. Er fing sie ab und erzählte von der heutige Lieferung, so dass Severus und Hermine gleichermaßen neugierig auf die „langweiligen“ Erinnerungen waren, die der Verstorbene laut Harry hinterlassen hatte. Mit Hund und Kniesel betraten sie Harrys Wohnzimmer.
„Ginny“, grüßte Hermine, bevor sie ihrer Freundin in die Arme fiel, während Severus nur ein höfliches Kopfnicken für die Rothaarige übrig hatte.
„Da hinten“, sagte Harry und zeigte auf das Denkarium.
„Es ist ja wohl kaum zu übersehen“, kommentierte Severus die hilfreiche Geste seines Kollegen, während er sich dem Becken näherte. „Es ist sehr groß! Viel größer als das von Albus oder mir.“
Mit seinen langen, durch Trankzutaten leicht gelblich verfärbten Fingern strich er über den grauen Stein und seine kunstvollen Verzierungen mit einer Achtung, die Harry erst verständlich machte, was für ein Schatz in seinem Wohnzimmer zu stehen schien.
„Albus hat einmal gesagt“, begann Severus, „dass es in unserem Land nur vier Denkarien geben würde.“ Er senkte seine Hand und blickte Harry an, bevor er sagte: „Es ist sehr außergewöhnlich, dass sich drei von ihnen mittlerweile unter demselben Dach befinden.“
„Ich weiß ja, dass sie selten sind, aber wie viele gibt es überhaupt auf der Welt?“, wollte Harry wissen.
„Diese Frage kann ich Ihnen nicht genau beantworten. Mir sind nur noch zwei weitere bekannt. Eines in Indien und eines in Ägypten“, antwortete Severus. Er bemerkte erst jetzt, dass auch Hermine und Ginny ihm an den Lippen hingen, so dass er noch das Letzte, das er über Denkarien wusste, zum Besten geben wollte, indem er sagte: „Es heißt, dass diese Becken einst von Druiden geschaffen worden waren – zumindest das Erste seiner Art - , aber das ist nur eine Legende und konnte bisher weder bestätigt noch dementiert werden.“
Hermine bestätigte die Aussage: „Ja, das habe ich auch gelesen, aber ansonsten ist kaum etwas bekannt.“
Wieder Harry anblickend fragte Severus: „Und was für Erinnerungen sind Ihnen überlassen worden, wenn ich mir die Frage erlauben darf?“
„Eine ist noch drin“, antwortete Harry. „Sie können gern selbst einen Blick hineinwerfen.“ Er schaute zu Hermine hinüber und fügte hinzu: „Du natürlich auch.“
Hermine und Severus tauschten einen Blick aus und kamen zu der stillen Übereinkunft, gemeinsam die Erinnerung zu betreten. Während Hermine mit ihrem Gesicht sehr nahe an die flüssige Oberfläche herangehen musste, hatte Severus wegen seiner großen Hakennase noch gut zwei Zentimeter Spielraum, denn es musste ja nur die Nasenspitze eingetaucht werden.
Drinnen fanden sich die beiden in einem Keller wieder, welcher zu einer Art Labor umfunktioniert worden war. Ein alter Zauberer, vielleicht um die hundert Jahre alt, saß über seinen Schriften und schien sich Notizen zu machen, während auf dem Tisch eine hellblaue Flüssigkeit in einem Kessel auf kleiner Flamme vor sich hin kochte. Einige beschriftete Ampullen, Gläser und Phiolen standen um den Kessel herum. Während Hermine ihre Augen wie gebannt auf den Mann richtete, sah Severus sich ein wenig im Raum um.
„Wissen Sie, wer das ist?“, fragte sie neugierig.
„Nein, ich habe ihn noch nie gesehen“, erwiderte Severus. Sein Blick fiel auf einen Schrank und die Zutaten, die dort zu finden waren. Als er eine große Flasche bemerkte, die direkt neben ihm auf dem Schrank stand, sagte er: „Ich denke jedoch, ich weiß, welchem Beruf der Herr nachgegangen war.“
Hermine schaute Severus mit großen Augen an, so dass er schmunzelte und ihr lediglich mit einem Kopfnicken zu verstehen gab, den Schrank zu beäugen. Nur wenige der Zutaten kannte sie, denn es handelte sich bei ihnen um Zaubertrankzutaten. Andere Fläschchen und Gläser enthielten offensichtlich Säuren, andere schienen leer zu sein und dann fiel ihr Blick auf die große Flasche neben Severus.
Auf dem Etikett der Flasche stand ein Wort und da leuchtete ihr ein, was Severus längst wusste: „Königswasser“, las sie laut vor. „Der Mann war ein Alchemist!“
„Und er war in Zaubertränken auch sehr bewandert, wenn ich mir die außergewöhnlichen Zutaten so ansehe“, fügte Severus hinzu. Um ihr Wissen zu testen fragte Severus: „Was ist ’Königswasser’?“
Hermine schluckte, denn dieses Gebiet war ihr nicht allzu vertraut, doch sie antwortete gewissenhaft: „Man hat es Königswasser genannt, weil es die Edelmetalle auflösen kann. Es besteht zu zwei Teilen aus Salzsäure und zu einem Teil aus Salpetersäure.“ Wie damals in der Schule, wenn man eine Frage nicht korrekt beantwortet hatte, hob er eine Augenbraue, so dass sie unsicher verbesserte: „Aus drei Teilen Salzsäure? Chemie ist ganz und gar nicht mein Fach, Severus.“
„Aus drei Teilen ist richtig!“, bestätigte er.
„Was macht er da?“, wollte Hermine wissen.
Sie ging um den unübersichtlichen Arbeitsplatz herum und schaute dem alten Mann über die Schulter. Er machte sich jedoch keine Notizen zu seinem Projekt, sondern schrieb einen Brief.
„Das, Hermine, meinte ich neulich, als ich zu Harry sagte, er hätte keinen blassen Schimmer von dem ’sinnvollen Zweck eines Denkariums’. Sie werden von unserem verstorbenen Alchimisten hier“, er näherte sich Hermine, „keine schriftlichen Hinweise auf seine Forschungen erhalten, denn sie müssen allein seinem Werk ihr Augenmerk schenken. Ich vermute, dass er irgendetwas Belangloses niederschreibt; nichts von Interesse.“
„Sie meinen, diese ganzen Erinnerungen, die Harry jetzt hat, sind nichts weiter als das, was mein Notizbuch für mich ist?“, wollte Hermine wissen.
„Ganz recht, Hermine. Es sind Forschungen und Entdeckungen, die unser alter Freund nur jemandem überlassen wollte, der mit ihnen auch etwas anzufangen weiß. Die ganzen Zutaten um den Kessel herum…“, er deutete mit einem schmalen Zeigefinger darauf. „Ich nehme an, da die Basis eines jeden Trankes Wasser ist, dass er ab der Flasche mit dem Wasser im Uhrzeigersinn die Reihenfolge der Zutaten für seinen Trank angeordnet hat. Um zu erfahren, was der Trank bewirken würde, müsste man sich selbst daran machen, ihn zu brauen.“ Er blickte Hermine an, die von dieser Information ganz hingerissen zu sein schien und sagte: „Ich denke, wir haben fürs Erste genug gesehen. Gehen wir zurück“, sagte Severus und schon war er verschwunden. Hermine warf noch einen letzten Blick auf den alten Mann, bevor sie die Erinnerung ebenfalls verließ.
„Und?“, fragte Harry. „War stinklangweilig oder?“
„Finden Sie?“, fragte Severus zurück.
„Ja, na ja. Ich meine, der saß da nur rum und hat einen Brief an seine Schwester Lucilla geschrieben und ihr von seinen Gebrechen berichtet. Ich fand das schon ziemlich langweilig“, entgegnete Harry, der sich aus einem Bauchgefühl heraus plötzlich ganz dämlich vorkam, weil er ahnte, irgendetwas übersehen zu haben.
„Ich kaufe Ihnen den Krug mit Erinnerungen ab, wenn Sie sie so ermüdend finden. Fünf Galleonen?“, schlug Severus mit hochgezogenen Augenbrauen vor.
Hermine hielt sich zunächst aus dem Gespräch heraus, würde aber sofort einschreiten, falls Harry wirklich so naiv wäre, diesen kleinen Schatz für nur fünf Galleonen zu veräußern.
Harry wusste jetzt definitiv, das etwas nicht stimmte und sagte ehrlich mit zusammengekniffenen Augen: „Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass Sie mich über den Tisch ziehen wollen, Severus?“ Severus grinste, versuchte jedoch, seine Gefühlsregung unter Kontrolle zu bekommen. An Hermine gerichtet fragte er: „Was hast du da gesehen, außer den Alten, der einen Brief geschrieben hat?“
„Es ging in der Erinnerung nicht um den Brief, Harry. Es ging um den kleinen Kessel, der über der Flamme stand. Wir haben es ja nicht zu Ende gesehen, aber wir haben zumindest schon einmal herausbekommen, was der ältere Herr entweder beruflich gemacht oder als umfangreiches Hobby betrieben hat“, erklärte Hermine.
Ginny legte ihre Stirn in Falten und fragte: „Haben wir auch wirklich das Gleiche gesehen?“
„Zehn Galleonen, Harry?“, fragte Severus schmunzelnd.
„Pah“, machte Harry lächelnd. „Wissen Sie was? Ich schenke Ihnen die Erinnerungen, wenn Sie mir nur sagen, um was es sich überhaupt handelt.“
Severus hielt nichts mehr und er erzählte von seinen Beobachtungen: „Der Mann schien ein Alchemist gewesen zu sein, was unter anderem die große Auswahl an chemischen Substanzen, besonders aber das Königswasser im Labor unterstreicht. Zaubertränke scheinen ihm auch gelegen zu haben. Verstehen Sie jetzt?“
Harry verzog beleidigt den Mund und antwortete kurz darauf: „Das heißt im Klartext, dass diese Erinnerungen für Leute, die bei ’Zaubertränke’ nur 70% Prozent auf ihrer Schokofrosch-Spielkarte zu stehen haben, völlig nutzlos sind.“
Für einen kurzen Augenblick musste Severus leise lachen, was besonders Ginny erstaunte, denn sie hatte ihren Zaubertränkelehrer noch nie im Leben lachen hören.
„Ganz richtig, Harry. Allerdings kenne ich den Mann nicht und weiß daher nichts von seinen Fähigkeiten. Er ist sicherlich kein Damocles Belby, dessen Ideen unbezahlbar wären. Aufgrund meines allgemeinen Interesses an wissenschaftlichem Gedankengut wäre ich gern bereit, mehr für diese Erinnerungen zu bezahlen. Machen Sie mir einen Vorschlag, aber bedenken Sie bitte, dass es sich bei dieser Hinterlassenschaft auch um wertlose Inhalte handeln könnte. Ich würde sozusagen die Katze im Sack kaufen“, erklärte Severus ehrlich.
„Und ich habe Ihnen gesagt, dass Sie es umsonst haben können. Danke für die Erklärung, Severus. Ich bin mir jetzt sicher, dass ich damit überhaupt nichts anfangen kann. Ich würde diese Erinnerungen gern Ihnen und Hermine geben. Vielleicht können Sie beide was draus machen?“, schlug Harry vor.
Severus warf seiner Schülerin einen Blick zu und er schien zu überlegen, ob der das Wissen des verblichenen Alchemisten mit ihr teilen wollte, doch letztendlich stimmte er zu, denn dieses Angebot abzuschlagen wäre töricht.
„Abgemacht, Harry“, sagte Severus und hielt ihm die Hand entgegen, die Harry ergriff und kurz schütteln ließ. „In Anbetracht Ihrer Großzügigkeit möchten wir Sie mit einer Tatsache vertraut machen, die Sie sicherlich sehr interessieren würde. Es geht um Albus’ Grab am See“, sagte Severus.
Harry und Ginny machten ganz großen Augen und Harry war der Erste, der fragte: „Ihr habt beide reingeschaut? Liegt da nun eine Leiche oder nicht?“
Die vier nahmen um den kleinen Tisch herum Platz und Severus erzählte: „Dieser Marmorblock ist nicht zu öffnen.“
Ginny fragte neugierig: „Und was heißt das?“
Es war Hermine, die antwortete: „Das heißt, dass es ein Marmorblock ist und nichts anderes. Es ist kein Grab. Der Stein ist massiv und nichts ist darin eingeschlossen; unter dem Block ist übrigens auch nichts. Es gibt keine Leiche. Die hat es nie gegeben!“
„Nichtsdestotrotz war sie mit starken Schutzzaubern versehen, die ich glücklicherweise aufheben konnte und auch nur, weil Albus selbst sie mir beigebracht hatte. Er wollte nicht nur, dass alle ihn für tot halten, sondern er hatte auch Vorkehrungen getroffen, damit niemand sich selbst ein Bild davon machen konnte“, erklärte Severus.
Diese Informationen mussten besonders bei Harry erst einmal sacken. Bevor jemand sich dazu äußern konnte, fragte Severus ihn: „Hermine hat mir erzählt, Sie hätten bei der Bestattung geglaubt, einen Phönix davonfliegen zu sehen?“ Harry nickte, so dass Severus laut vermutete: „Sehr wahrscheinlich war es auch so gewesen.“
„Aber ich war doch bei seiner Leiche!“, stellte Harry klar.
Severus fragte sehr nüchtern: „Haben Sie nach seinem Puls gefühlt?“
„Ja, habe ich und er hatte keinen“, erklärte Harry.
„Wie lange haben Sie den Puls gefühlt?“
Harry hob und senkte einmal langsam die Schultern und rief sich derweil die Erinnerung ins Gedächtnis zurück, bevor er antwortete: „Ein paar Sekunden an der Halsschlagader.“
„Ah“, machte Severus. „Das bedeutet überhaupt nichts, wie Hermine als ausgebildete Heilerin mir sicherlich beipflichten wird. Es gibt Tränke, die die Blutzirkulation stark verlangsamen, um beispielsweise Blutungen in den Griff zu bekommen. Ich gehe davon aus, Harry, dass Albus noch gelebt haben muss, während Sie bei ihm waren. Sie waren wie alt? Sechzehn, siebzehn? In diesem Alter war es Ihnen gar nicht erst in den Sinn gekommen, Albus’ Tod infrage zu stellen oder ihn allgemein auch mal überaus skeptisch zu betrachten so wie Sie mich immer betrachtet haben.“
„Das war jetzt aber kein Vorwurf oder? Hermine hat ab der Fünften immer wieder gesagt, dass Sie mit Sicherheit auf unserer Seite wären, aber Sie haben vollkommen Recht, Severus, denn ich war Ihnen gegenüber skeptisch und habe ihr nicht geglaubt“, sagte Harry mit einem Hauch von Reue.
Hermine meldete sich zu Wort und erklärte: „Na ja, nachdem Sie vermeintlich Albus ermordet hatten, war ich ganz schön getroffen, mich so getäuscht zu haben, aber es hat sich ja zum Glück alles geklärt.“
Ginny sah aus, als wollte sie zu diesem Thema auch etwas sagen und als alle sie anblickten, um ihre Ansicht zu hören, da fragte sie neckisch: „Droht mir Punkteabzug, wenn ich zu dem Thema auch was sage?“
Wie aus der Pistole geschossen antwortete Severus: „Ja!“
„Dann habe ich nichts zu sagen“, sagte sie weniger ernst, denn ihr war nicht entgangen, dass ihr Zaubertränkemeister sich nur einen Scherz erlaubt hatte. Letztendlich erklärte sie jedoch, dass sie immer zwiespältiger Meinung gewesen war und ihr Verstand stets eine andere Meinung vertreten hatte als ihr Gefühl.
Man unterhielt sich noch gemütlich über dieses und jenes, bis Hermine fragte: „Harry? Hat King schon mit deinem Elf gesprochen?“
„Noch nicht, aber sie wollen sich am Wochenende sehen. Bin mal gespannt, wie das Gespräch ablaufen wird. Ich habe ’ihm’ gesagt, dass er ehrlich zu Kingsley sein soll und auch über mich schimpfen darf, wenn es etwas gibt, das er loswerden möchte.“
Harry hatte seinen Elf extra nicht beim Namen genannt, weil der sonst sofort aufgetaucht wäre, doch Wobbel hatte jetzt frei und Harry wollte ihn nicht stören.
„Ich werde heute mal anfangen, den Gesetzesentwurf zu lesen und…“
Severus unterbrach Hermine und sagte etwas gekränkt klingend: „Ich wollte Ihnen heute ein Buch geben.“
„Das lese ich natürlich auch. Keine Sorge, ich werde meine Ausbildung bei Ihnen nicht vernachlässigen“, versicherte Hermine ihm.
Ginny wechselte das Thema und sagte an Hermine gewandt: „Ron und Harry haben mir von deinem Trank erzählt. Den würde ich auch gern mal nehmen, wenn du noch eine Testperson brauchst.“
Hermine wollte gerade schon enthusiastisch zustimmen, da sagte Severus: „Das Angebot wird Hermine ausschlagen müssen.“ Weil Hermine ihn fragend anblickte, erklärte er: „Bei einem erwachsenen Menschen sind keine Nebenwirkungen aufgetreten, aber wir wissen nicht, wie sich der Trank möglicherweise auf Muttermilch auswirken kann und weder Sie noch ich werden in dieser Hinsicht etwas riskieren!“ Es war eindeutig als Warnung gedacht und Hermine war für diese kleine Rüge froh, denn daran hatte sie überhaupt nicht gedacht.
Hermine nickte Severus zu und sagte: „Ja, Sie haben Recht, Severus.“ Hermine wandte sich an Ginny und schlug vor: „Aber wenn diese Phase vorüber ist, dann kannst du gerne bei mir vorbeikommen! Da fällt mir übrigens eine Sache ein, die ich sowieso unbedingt prüfen möchte. Das ist mir durch den Kopf gegangen, als wir auf dem Ordenstreffen waren.“
„Und das wäre?“, fragte Severus hellhörig.
„Ich möchte wissen, was passiert, wenn ein Squib und ein Muggel den Trank eingenommen haben!“
„Wieso möchten Sie es an einem Muggel testen? Das wäre sicherlich nur Verschwendung eines nicht gerade preisgünstig herzustellenden Trankes. Muggel verfügen nicht über Magie. Der Trank wird bei ihnen keine Ergebnisse bringen“, sagte Severus irritiert über den Vorschlag seiner sonst so klugen Schülerin.
„Das möchte ich gerade herausfinden, Severus. Dass Squibs keine oder nur eine sehr verkümmerte und daher unbrauchbare Magie besitzen, ist die eine Sache, aber wissen wir denn wirklich genau, ob nicht doch ein Hauch von Magie in einem Muggel stecken könnte? So gering, dass sie es selbst nie merken würden, aber immerhin genügend, um eine Hexe zur Welt bringen zu können“, sagte Hermine mit glänzenden Augen, denn sie war von ihrer eigenen Idee ganz fasziniert.
Harry nickte langsam, denn ganz auf den Kopf gefallen war er ja nicht und so sagte er: „Du denkst da an muggelgeborene Zauberer und Hexen. Ich habe mich auch schon gefragt, wie zwei Muggel ein Kind mit Zauberkräften bekommen können, wenn man sich mal allein die Vererbungslehre vor Augen hält.“
„Eben das meine ich!“, bestätigte Hermine. „Von nichts kommt nichts. Ich bezweifle, dass die Magie als intelligente Existenz vor der Wiege eines Muggelbabys steht und überlegt, ob sie jetzt in den Körper schlüpfen möchte oder nicht. Und außerdem…“
Hermine verfiel in ihre Grübelstarre, doch Ginny erweckte sie daraus und wiederholte: „Und außerdem?“
„Und außerdem könnte das vielleicht erklären, warum manch ein Muggel oder Squib magisch verborgene Orte sehen kann oder nicht“, sagte Hermine.
Harry bekam ganz große Augen und warf ein: „Was wiederum erklären könnte, warum Anne überhaupt Hogwarts betreten konnte!“
vielen Dank für deine Review. Einige Handlungsstränge werde noch zueinander finden, andere lösen sich allein auf. Es freut mich, dass dir die übergreifenden Handlungen besonders gefallen :)
Lieben Gruß,
Muggelchen
115 Marmorne Ruhestätten
Am Abend saßen Harry und Ginny gemütlich mit Wobbel und Nicholas zusammen, um einige Ideen für ihre Hochzeit zu notieren, als es klopfte. Nach einem lauten „Herein“ von Harry öffnete sich die Tür und Minerva stand auf der Schwelle.
„Harry, eine persönliche Lieferung für Sie“, sagte Minerva und machte den Herren, die hinter ihr warteten, Platz.
Harry und Ginny erhoben sich und beobachteten zwei ältere, kräftig wirkende Herren, die sehr konzentriert einen großen Gegenstand per Levitation ins Wohnzimmer schweben ließen. Ihre Stäbe hatten sie jedoch nicht auf die große hölzerne Kiste gerichtet, sondern auf einen sehr stabil aussehenden Stein, auf dem die Kiste stand.
„Wo möchten Sie es hinhaben?“, wollte der Mann mit den graublonden Haaren wissen.
„Was ist denn das?“, fragte Ginny neugierig.
Der Herr mit der Brille antwortete: „Das ist ein Denkarium, gute Frau. Wo ungefähr soll es stehen?“
„Ähm“, machte Harry und schaute sich flugs im Wohnzimmer um, um eine passende Stelle zu finden. „Da, links vom Kamin“, sagte er letztendlich, denn dort war genügend Platz vorhanden.
„Bedenken Sie, Mr. Potter, dass ein Denkarium von mehreren Personen gleichzeitig benutzt werden kann. Es sollte in der Regel frei stehen, damit es von allen Seiten zugänglich ist, aber wenn Sie…“
Ginny unterbrach den Graublonden und schlug vor: „Dann besser in die Ecke da, mit Abstand zur Wand.“
Die Herren nickten, beförderten jedoch die Lieferung nur in die Nähe des gewünschten Zielortes, bevor sie den Stein mit der Kiste drauf absetzten. Nachdem sie ihre Zauberstäbe in den Umhängen verstaut hatten, war Körperkraft von Nöten. Die beiden muskulösen Herren hoben gemeinsam und sehr vorsichtig die hohe Kiste an und stellten sie behutsam auf ihren Platz. Der Graublonde zog erneut seinen Stab und berührte das Holz, welches gleich darauf verschwand und ein steinernes, verschnörkeltes Denkarium mit einem sehr breiten, aber leeren Becken freilegte. Der Herr mit der Brille zog zwei kleine Gegenstände aus seinem Umhang, stellte sie auf den Boden und sprach einen Zauber, der ihnen wieder ihre normale Größe gab. Es kamen zwei große Tonbehälter mit mindestens fünf Litern Fassungsvermögen zum Vorschein.
„Das hier“, der Mann zeigte auf den helleren Tontopf, „beinhaltet die Flüssigkeit für das Denkarium. Ich fülle es gleich auf; gehört zum Service. Den Rest bewahren Sie bitte gut.“ Der Mann ließ den tönernen Behälter bereits schweben und entkorkte ihn, bevor eine nicht ganz klare, undurchsichtige Flüssigkeit in das Becken lief.
„Was ist da drin?“, wollte Ginny wissen, die auf den dunklen Tontopf zeigte.
Der Graublonde griff in eine Innentasche seines Umhangs und zog eine Pergamentrolle hinaus, die er entrollte und Harry gab, während er sagte: „Zum Denkarium gehören auch ausgewählte Erinnerungen des Vorbesitzers, die Ihnen nun überlassen werden. Wenn Sie bitte hier“, der Mann tippte unten rechts auf das Pergament, „unterschreiben würden, dass Sie die Lieferung erhalten haben?“
Verdattert fragte Harry: „Auserwählte Erinnerungen des Vorbesitzers? Ist so etwas üblich?“
„Aber sicher! Der Nachlassverwalter wollte Denkarium und Erinnerungen nicht trennen. Was Sie mit ihnen machen werden, ist Ihnen überlassen, Mr. Potter.“ Etwas drängelnd fügte er hinzu: „Die Unterschrift bitte! Wir haben jetzt Feierabend.“
Harry unterschrieb die Empfangsbestätigung und gleich darauf wurden die beiden Herren von Minerva wieder nach draußen begleitet.
„Ron hat zwar erzählt, dass man mir das Denkarium überlassen möchte, aber auch noch die Erinnerungen? Ich meine, wollen die Verwandten die nicht selbst haben?“, fragte Harry ungläubig, während er sich dem sehr antik aussehenden Steinbecken näherte.
Ginny folgte ihm und erklärte: „Was sollen die mit den Erinnerungen anfangen, wenn Sie kein Becken haben?“
„Ja schon, aber Erinnerungen sind doch so persönlich! Ich würde keinem Fremden meine Erinnerungen einfach geben wollen. Vielleicht schauen wir lieber nicht rein? Die haben ja gesagt, das es an mir liegt, was ich damit mache“, sagte Harry mit einem schlechten Gewissen.
„Als ob du deine Neugierde im Griff hättest, Harry“, sagte sie lachend. „Ich würde da schon mal hineinschauen wollen und wenn du nicht möchtest…?“
„Aber was, wenn da schlimme Dinge gezeigt werden? Sachen, die man nicht sehen möchte?“
„Du machst dir immer viel zu viele Sorgen, Harry. Ich werde mir mal eine ansehen und zwar jetzt gleich“, sagte Ginny, die bereits den großen dunklen Tonkrug öffnete. Ein silberner Schein drang aus der Öffnung hinaus und es wirkte, als hätte jemand eine Lichtquelle in dem Krug untergebracht.
Völlig sorglos führte Ginny ihren Zauberstab in die Öffnung und zog ihn gleich wieder vorsichtig hinaus. An der Spitze ihres Stabes hing ein silberner Faden, den sie behutsam zum Denkarium hinübertrug und wie einen kleinen Fisch in das große Becken fallen ließ.
Bevor Ginny in die Erinnerung eintauchen konnte, sagte Harry aufgeregt: „Warte, ich komm mit.“ An Wobbel gerichtet, der den kleinen Jungen im Arm hielt, sagte er: „Wenn irgendwas passiert…“
„Harry, was soll passieren? Es kann uns nichts passieren!“, versicherte ihm Ginny, die seine Hand nahm und ihren eigenen Kopf bereits über das Becken führte, bis ihre Nasenspitze die flüssige Oberfläche berührte. Harry machte es ihr gleich.
Einen Stock tiefer schlug Hermine vor: „Nehmen wir den Hund mit! Fellini könnte auch mal wieder raus.“
Severus musste schmunzeln, bevor er sagte: „Wir tarnen die heimliche Graböffnung als Spaziergang mit den lieben Vierbeinern?“
„Nö“, sagte Hermine unschuldig, „wir verbinden das kleine Abenteuer einfach mit dem Nützlichen. Ich müsste sowieso noch einmal mit Harry raus, also kann ich ihn auch gleich mitnehmen.“
Mit dem Hund an der Leine und in einen warmen Umhang gehüllt wartete Severus darauf, bis Hermine den Kniesel geholt hatte, der gleich, nachdem die Tür zu ihren Räumen geöffnet worden war, hinausgerannt kam und auf den Hund zustürmte. Harry wedelte freudig erregt mit seinem Schwanz und beschnupperte seinen schwarzen Freund.
„So, kann losgehen“, sagte Hermine enthusiastisch.
Auf dem Weg durch die Gänge trafen sie auf einige Schüler, die den Kniesel streichelten und ihn niedlich nannten. Den Hund, den Severus mit sich führte, traute sich niemand anzufassen, was wahrscheinlich dem grimmigen Blick des Besitzers zu verdanken war, der die Leine noch nicht an Hermine abgegeben hatte.
Während sie über einen der Höfe gingen, um das Schloss zu verlassen, fragte Severus: „Was werden wir Ihrer Meinung nach finden?“
Sie hob und senkte die Schultern, bevor sie erwiderte: „Ich denke, jede Menge Staub und Spinnweben.“ Eine Gänsehaut lief ihr den Rücken hinunter, als sie an das krabbelnde Viehzeug dachte, welches vor dem Einzug ihre Räume bewohnt hatte. „Was denken Sie?“
„Ich hoffe auf das Gleiche“, antwortete er ehrlich. Nach einem Moment fügte er fragend hinzu: „Sie lieben das Abenteuer?“
„Oh ja! Brenzlige Situationen mag ich zwar nicht sonderlich, aber einem Abenteuer an sich kann ich nur schwer widerstehen. Und Sie?“, fragte sie gleich zurück. Gelangweilt legte er den Kopf schräg, antwortete jedoch nicht, so dass sie erneut das Wort ergriff: „Schade fand ich damals, dass nur noch so wenig Gegengift in der Flasche gewesen war, damit man die schwarzen Flammen überwinden konnte. Ich hätte Harry gern weiter begleitet!“
Sie hatte das Flaschenrätsel angesprochen, welches er damals ausgetüftelt hatte, um den Stein der Weisen zu schützen.
„Seien Sie lieber froh darüber, denn sehr wahrscheinlich wäre dieses ’Abenteuer’ Ihr letztes gewesen, wären Sie auf Quirrell beziehungsweise auf Voldemort gestoßen“, sagte er.
„Ja, ich weiß. Es war trotzdem aufregend gewesen. Mir ist ja erst im Nachhinein bewusst geworden, in welcher Gefahr wir eigentlich geschwebt hatten. Wir hatten ja die ganze Zeit über geglaubt, dass Sie den Stein stehlen wollten.“ Sie warf ihm einen entschuldigenden Blick zu. „Wie hätten wir auch auf Voldemort kommen sollen? Minerva hat mir später erklärt, welcher Lehrer welches Hindernis zum Schutz des Steins erdacht hatte.“
„Wenn ich ehrlich sein darf, Hermine?“, fragte Severus vorsichtig. Sie blickte ihn an, nickte einmal zuversichtlich und wartete geduldig auf das, was er zu diesem Thema zu sagen hatte. Er holte einmal tief Luft und offenbarte: „Ich war damals überaus verärgert, dass eine erst zwölfjährige Schülerin diese Denkaufgabe mit solcher Leichtigkeit gelöst hatte.“ Sie blickte ihn mit betretener Miene an und lauschte, als er hinzufügte: „Es war nicht gerade eine Hilfe von Minerva gewesen, mir noch wochenlang unter die Nase zu reiben, wie schlau und mutig doch ihre Gryffindors sein würden.“ Er seufzte.
Hermine hatte verstanden, was Severus damit sagen wollte. Es war ihm unangenehm gewesen, dass dieses wirklich schwere Denkspiel von einem Kind gelöst worden war. Sicherlich hatte Severus sich nicht nur von Minerva versteckte Neckereien anhören müssen, was seine damalige Abneigung gegen die Schüler des Hauses Gryffindor nur verstärkt haben musste.
„Sie vergessen, Severus, dass Ihr Rätsel bereits das letzte gewesen war. Wir haben auch die Hindernisse der anderen Lehrer überwunden; denen ging es also nicht besser als Ihnen. Harry hatte Ron und mir später mal erzählt, dass er an Ihrem Rätsel völlig verzweifelt wäre und er in seiner Not vielleicht sogar auf einen Abzählreim für Kinder zurückgegriffen hätte, um einfach eine Flasche auszuwählen“, schilderte Hermine, während sie langsam hinunter zum See schlenderten. Es war mittlerweile schon sehr kalt geworden, aber geschneit hatte es bisher noch nicht, dabei freute sie sich jedes Jahr aufs Neue darauf, die Gegend und Hogwarts selbst in Weiß getaucht zu sehen.
„Mmmh“, machte Severus belustigt. „Bei seinem verdammten Glück hätte er wahrscheinlich sogar die richtige gegriffen.“
Hermine lachte auf und stimmte zu: „Ja, das denke ich auch.“
In dem Moment, als Severus und Hermine das weiße Grabmahl von Albus in der Ferne erspäht hatten, hoben Ginny und Harry gleichzeitig die Köpfe aus dem Denkarium. Beide blickten sich mit ernster Miene an, bis Ginny fragte: „Und was hältst du davon?“
Er hob und senkte einmal die Schultern und antwortete mit einem gelangweilten Gesichtsausdruck: „Ich würde sagen, es war so unübersichtlich wie ’Zaubertränke’ und so langweilig wie ’Wahrsagen’.“ Er behielt seine gelangweilte Miene bei, als er nicht ganz ernst fragte: „Kann man eigentlich in so einem Denkarium ertrinken, wenn man beim Anschauen von Erinnerungen einschlafen sollte?“
Ginny lachte auf und antwortete gleich darauf: „Wie willst du im Stehen einschlafen, Harry?“
„Ich mein ja nur... Es war stinklangweilig. Wozu so eine Erinnerung weitergeben?“, fragte Harry verwirrt.
„Keine Ahnung, aber wir können ja mal Hermine fragen, was sie dazu sagt. Immerhin sind das Erinnerungen von einem Verstorbenen und die müssen ja irgendeine Bedeutung haben, wenn er sie schon gesammelt hat“, erklärte Ginny, die Harry an die Hand nahm, um mit ihm zur Couch zu gehen.
„Vielleicht war er aber schon etwas senil… oder er wollte sie als Schlafmittel weitergeben?“, scherzte Harry.
Von Wobbel ließ Ginny sich Nicholas geben, der schon fest schlief. Wobbel selbst schien nicht mehr sehr traurig darüber zu sein, wenn Harry ihm Freizeit schenkte. Während der Arbeit trug der Elf Stoffhose und Pullover, während er in seiner Freizeit mit einer Art Jogging Anzug herumlief. Nachts kümmerten sich Harry und Ginny um den Kleinen, aber tagsüber war Wobbel der Babysitter, während Ginny den Unterricht besuchte und Harry ihn führte.
„Wie viele Gäste haben wir jetzt zusammen?“, wollte Ginny wissen.
Harry betrachtete seine Randnotizen auf dem Pergament und antwortete: „Sind jetzt 114.“
„Doch so viele?“
„Wir haben doch entschieden, dass wir auch welche von denen einladen, die uns so sehr unterstützt hatten“, sagte er und ließ die genauere Erklärung „im Krieg“ lieber weg.
„Und die ganzen alten Schulfreunde“, sagte Ginny, während sie die Liste überflog.
„Da wird Molly aber viel zu tun haben.“
„Blödsinn! 114 Gäste sind doch ein Klacks für Mum. Stell dir nur vor, wir hätten aus der Hochzeit eine öffentliche Angelegenheit gemacht. Wenn es nach Dad gegangen wäre, dann würden da jetzt mindestens eintausend Leute drauf stehen, von denen wir die meisten gar nicht kennen“, machte Ginny ihm klar.
„Eintausend Gäste? Wer wäre denn da alles gekommen?“
„Etliche hohe Tiere aus dem Ministerium wären sicher geladen worden, dann auch Ministeriumsvertreter aus dem Ausland und einige Prominente“, zählte Ginny auf.
„Slughorn bestimmt auch“, sagte Harry, der sich demonstrativ schüttelte. „Gut, dass wir das in die Hand genommen haben. Ich hätte mich sonst nicht wohl gefühlt.“
Hedwig und Fawkes kamen aus dem Schlafzimmer geflogen, doch während Fawkes auf der Rückenlehne der Couch landete, setzte Hedwig sich ans Fenster und hackte auf die Scheibe ein.
„Harry, ich glaube, da möchte jemand raus“, sagte Ginny grinsend, so dass Harry aufstand und das Fenster für seine Eule öffnete, damit sie ihre Runden fliegen konnte.
Hedwig liebte den kühlen Wind und stürzte sich sofort aus dem Fenster, sobald es geöffnet war. Nachdem sie etwas an Höhe gewonnen hatte, konnte sie sich treiben lassen und sie entschloss sich dazu, hinter Hagrids Hütte auf Mäusejagd zu gehen, denn der freute sich immer darüber, wenn sie die Schädlinge davon abhalten würde, das Futter für seine Haustiere zu vertilgen, aber zuerst machte sie einen kleinen Abstecher zum See. Auf dem Boden bemerkte sie zwei Gestalten. Eine davon kannte sie seit etlichen Jahren, denn sie war eine gute Freundin von ihrem Harry. Den anderen kannte sie nur vom Sehen, doch der hatte sie nie gestreichelt und ihr kein einziges Mal eine Belohnung gegeben, weswegen sie für ihn niemals auch nur einen Brief befördern würde. Es fehlte Hedwig, dass Harry ihr kaum noch Briefe gab und wenn, dann waren die Flugstrecken ihrer Meinung nach viel zu kurz. Während Hedwig unbemerkt ihre Runden über die beiden Menschen drehte, hörte sie in deren Nähe eine kleine Maus durchs Gras flitzen.
„Die Spannung steigt“, sagte Hermine, „und wenn ich ehrlich sein darf, habe ich richtig Herzklopfen.“
„Sie haben nur Herzklopfen, weil sie mit vielen schlimmen Dingen rechnen“, erklärte Severus trocken. „Sie sollten ihren Geist leeren und die Situation auf sich zukommen lassen, denn es bringt gar nichts, sich großartig Gedanken zu machen. Sie kennen die bevorstehenden Möglichkeiten: Entweder wir finden eine Leiche oder nicht.“
Seine Worte hatten sie schon fast beruhigt, da schoss plötzlich rechts von ihr etwas Weißes vom Himmel und landete im Gras. Der Hund bellte aufgeregt. Hermine machte einen Schritt zur Seite und klammerte sich in Severus Umhang, während ihr gleichzeitig ein Schrei entwich, den sie mittendrin noch unterdrücken konnte. Ein Fiepen und Quieken war aus dem Gras zu hören. Hermine hatte sich so sehr erschrocken, dass sie eine Hand auf ihre Brust legen musste, während sie ihre Atmung wieder unter Kontrolle zu bringen versuchte.
Severus schmunzelte, bevor er sich Hermine zuwandte und sagte: „Scheint so, als würde der Vogel bereits nach einem Weihnachtsgeschenk für Harry Ausschau halten. Vielleicht bekommt er ja diesmal eine ganze Maus?“
Hermine musste leise lachen, doch dann wandte sie sich an Hedwig und schimpfte nicht sehr ernst: „Wie kannst du mir nur so einen Schrecken einjagen?“ Hedwig drehte ihren Kopf, schaute sie mit ihren großen runden Augen verdutzt an. Die Schneeeule machte „Schuhu“, bevor sie die Maus in den Schnabel nahm und sich wieder in die Lüfte erhob. Fellini betrachtete den davonfliegenden großen Vogel mit großem Interesse, während der Hund bereits an der Stelle schnupperte, an welcher die Maus erlegt worden war.
„Waren Sie schon immer so schreckhaft?“, fragte Severus.
Hermine schüttelte den Kopf und erklärte: „Eigentlich nicht mehr, seit Harry mir ein paar Übungen beigebracht hatte. Das hatte ich damals nötig, wenn wir nachts durch die Wälder gestreift sind. Ich hatte immer damit gerechnet, dass jeden Moment…“ Es knackte in der Nähe und Hermine drehte sich erschrocken um.
„Warum wenden Sie jetzt nicht das an, was Harry Ihnen beigebracht hatte? Sie scheinen es momentan nötig zu haben. Möchten Sie vielleicht lieber zurück ins Schloss?“, fragte Severus.
„Nein, es geht schon. Es gab einmal eine ähnliche Situation wie diese, wissen Sie. Sehr ähnlich wie jetzt. Wir sind im Dunkeln gerade über eine kleine Lichtung im Wald gegangen und dann waren wir auch schon von Inferi umzingelt, nur mit dem Unterschied, dass es damals in Strömen gegossen hatte“, schilderte Hermine mit zittriger Stimme.
„Ich bin sicher, dass dem Grab kein Inferius entspringen wird. Sie bleiben am besten etwas abseits, während ich es öffnen werde“, schlug Severus vor und damit war sie ganz zufrieden.
Endlich hatten sie das große weiße Grabmahl erreicht. Sofort erinnerte sich Hermine an die Beerdigung und an all die Menschen, die gekommen waren, um Albus zu beweinen. Jedem dieser Menschen hatte er sehr wehgetan, doch jeder Einzelne schien ihm diesen Schmerz verziehen zu haben, weil die Freude über seine Rückkehr das Gefühl der Trauer wieder wettgemacht hatte.
„Bleiben Sie hier stehen. Ich gehe nach weiter vorn“, sagte Severus, der sich zielstrebig dem Grab näherte. Er wandte mehrere Zauber an, die sie nicht hören konnte, um einige starke Schutzwälle zu durchbrechen und dann begann der schwierige Teil. Das Grabmahl hatte keinen Deckel, den man einfach anheben konnte. Es war ein Klotz aus Marmor, in welchem ein Leichnam beerdigt liegen sollte.
„Hermine? Ich benötige Ihre Hilfe“, sagte Severus gelassen. Nachdem Hermine an ihn herangetreten war, fragte er: „Was denken Sie? Sollten wir den Marmor mit einem Zauber aufschneiden, hineinsehen und später mit einem Reparo wieder verschließen?“
„Ich kann es ja erst einmal scannen“, schlug sie vor. Da er sie fragend anschaute, sagte sie: „Ich nenne es ’scannen’. Ist eigentlich ein Zauberspruch, mit dessen Hilfe man Opfer aufspüren kann, die unter Trümmern verschüttet sind. Wenn Hohlräume angezeigt werden, dann können wir entscheiden, wo wir den Stein am besten öffnen könnten.“
Severus nickte, so dass Hermine mit ihrem im Mungos erlernten Zauberspruch das weiße Grabmal untersuchte. Wieder und wieder traf der hellblaue Schein aus ihrem Zauberstab auf den Marmor, doch bevor sie den Zauber zum sechsten Mal sprechen konnte, stoppte Severus sie.
Ganz offensichtlich erwartete er eine Antwort und daher sagte sie: „Ich finde nichts. Ich meine, ich finde keinen Hohlraum. Vielleicht geht es ja unter der Erde weiter?“ Da er genickt hatte, führte sie einen Zauberspruch durch, mit dem man nicht nur Trümmer, sondern insbesondere Erde überprüfen konnte, was bei der Suche nach Erdbeben- und Lawinenopfern sehr hilfreich war. Nach mehreren Versuchen senkte sie ihren Stab.
„Unter dem Grab ist nichts als Erde und das Grab selbst ist massiv. Dort ist nichts eingeschlossen“, sagte sie still, weil sie es einfach nicht glauben konnte.
Severus schürzte nachdenklich die Lippen, bevor er fragte: „Waren Sie bei seiner Bestattung anwesend?“ Sie nickte, so dass er forderte: „Schildern Sie mir, wie sich alles abgespielt hatte.“
Hermine musste kurz überlegen, doch dann konnte sie guten Gewissens aus ihrem Gedächtnis wiedergeben: „Also, der Leichnam lag in einiger Entfernung dort, wo jetzt das Grabmal steht.“
„Konnten Sie Albus’ Leiche sehen?“
Sie schüttelte den Kopf, erklärte jedoch deutlicher: „Ich habe gesehen, dass dort ein Körper gelegen hatte, aber wenn ich ehrlich bin, konnte ich keine Details erkennen. Dann sind auch schon um den Körper herum diese weißen Flammen aufgetaucht und wegen des vielen Rauchs konnte man gar nichts mehr erkennen. Nachdem sich der Rauch verflüchtigt hatte, stand dieses riesige Marmorgrab hier.“
„Eine seltsame Bestattung“, murmelte Severus nachdenklich. „Weiße Flammen, weißer Rauch… Hört sich für mich wie das Ablenkungsmanöver eines Trickkünstlers an, um womöglich lautlos apparieren zu können? Ich war in meinem Leben schon auf einigen Bestattungen, aber ich habe niemals von so einem aufwendigen Hokuspokus mit Feuer und Rauch gehört. Ich vermute, dass sich niemand etwas bei diesem Spektakel gedacht hatte. Es hat sich immerhin um Albus gehandelt, einen der bekanntesten und mächtigsten Zauberer unserer Zeit. So eine aufsehenerregende hoheitsvolle Beisetzung mag bei einem Mann seines Kalibers angemessen erscheinen und würde sicherlich auch von niemanden in Frage gestellt werden.“
Mit einer Hand strich Hermine über den weißen Stein und sie versuchte sich krampfhaft an alles zu Erinnern, das mit der Beerdigung zu tun hatte.
„Harry sagte, er hätte den Eindruck gehabt, einen Phönix davonfliegen zu sehen, als der Rauch aufgestiegen war“, sagte Hermine gedankenversunken.
Severus hob beide Augenbrauen und vermutete laut: „Dann war es womöglich ein Desillusionierungszauber, den Albus um sich und Fawkes gelegt hatte, damit er vor seinem Begräbnis fliehen konnte? Würde mich nicht wundern, wenn Harry damals schon ansatzweise verborgene Dinge sehen konnte, ohne sich dessen überhaupt bewusst zu sein. Oder er hat vielleicht nur die schemenhafte Abzeichnung eines unsichtbaren Phönix’ in den Rauchschwaden gesehen?“
Hermine nickte und sagte zustimmend: „Langsam glaube ich wirklich, dass das so vonstatten gegangen sein könnte. Es war übrigens auch Harry gewesen, der Albus’ Leiche gefunden hatte. Er hat mir erzählt, dass die Beine ganz verdreht gewesen wären und dass er keinen Puls gefühlt hatte.“
„Die Beine mögen vielleicht wirklich gebrochen gewesen sein, aber ich bin sicher, dass ein Puls noch vorhanden war, wenn auch kaum spürbar. Vielleicht alle zwei Minuten ein Herzschlag? Wir wissen zwar nicht, was Albus eingenommen hatte, um überleben zu können, aber wir wissen, dass er genau zu diesem Zweck eine Art Trank genommen hatte, denn das hat er ja bereits zugegeben. Ich bin sicher, dass er nicht tot gewesen war, als Harry die vermeintliche Leiche betrachtet hatte“, sagte Severus nüchtern.
„Was machen wir jetzt?“, fragte Hermine, die langsam ein paar kalte Regentropfen auf ihrem Gesicht verspürte.
Severus blickte nach oben in den bereits dunklen Himmel, bevor er sich seiner Schülerin zuwandte und antwortete: „Gehen wir erst einmal zurück. Morgen früh werde ich Albus empfehlen, den Marmorklotz einem kunstfertigen Schüler anzuvertrauen, der vielleicht sogar dazu in der Lage wäre, einen neuen ’David’ zu erschaffen – und wenn nicht, dann zumindest ein marmornes Waschbecken für mich.“
Auf dem Rückweg gingen sie etwas zügiger, weil der Nieselregen bereits kräftiger geworden war. Der Hund erledigte noch sein Geschäft und der Halbkniesel versuchte, Dinge zu fangen, die das menschliche Auge bei der Dunkelheit schon gar nicht mehr wahrnehmen konnten.
In Gedanken ging sie ihr Gespräch mit Albus durch und sagte deswegen vorsichtig: „Severus? Als ich bei Albus gewesen war, da hätte ich die Möglichkeit gehabt, in sein Denkarium zu schauen. Die Nische war zufällig aufgegangen, wo es versteckt ist.“
Wie versteinert blieb Severus stehen und blickte sie an. Nachdem er sich gefangen hatte, fragte er unsicher: „’Zufällig’? Haben Sie hineingesehen?“
„Nein, ich konnte es einfach nicht“, antwortete sie ehrlich. Seine angespannte Mimik lockerte sich wieder, so dass sie den Mut fand zu erwähnen: „Er hat mich sowieso erwischt und meinte, bei ihm würde ich nicht finden, was ich suche.“ Ohne sich verbal zu äußern nickte Severus, bevor er seinen Blick senkte und den Weg fortsetzte. Sie ließ nicht locker und sagte, während sie ihm folgte: „Es schien mir so, als wüsste Albus, wonach ich suchen würde, dabei weiß ich es ja nicht einmal selbst!“ Severus blieb nicht stehen und so ging sie weiterhin neben ihm her. Er verlor kein einziges Wort und das brachte sie an den Rand der Verzweiflung, weswegen sie mit flehender Stimme fragte: „Severus? Nach was genau suche ich?“ Sehr viel leise fügte sie hinzu: „Ich brauche Hilfe.“ Sie war sich sicher, dass er den letzten Satz nicht gehört haben konnte.
Er ging nicht auf das ein, was sie gesagt hatte und erleuchtete sie stattdessen mit den Worten: „Ich werde Ihnen heute ein Buch geben. Ich erwarte, dass Sie es innerhalb der nächsten drei Tage lesen werden. Es ist ein Buch über den Umgang mit schwarzmagischen Gegenständen, selbst ist es jedoch keines dieser dunklen Bücher. Es ist also völlig ungefährlich und Sie können es mit auf Ihr Zimmer nehmen.“
Sie seufzte und sagte im Anschluss: „In Ordnung.“
Harry, der gerade in die Kerker gehen wollte, um Hermine wegen seines neuen Denkariums zu holen, bemerkte die beiden von einem Fenster im Gang aus, wie sie gerade wieder das Schloss betraten. Er fing sie ab und erzählte von der heutige Lieferung, so dass Severus und Hermine gleichermaßen neugierig auf die „langweiligen“ Erinnerungen waren, die der Verstorbene laut Harry hinterlassen hatte. Mit Hund und Kniesel betraten sie Harrys Wohnzimmer.
„Ginny“, grüßte Hermine, bevor sie ihrer Freundin in die Arme fiel, während Severus nur ein höfliches Kopfnicken für die Rothaarige übrig hatte.
„Da hinten“, sagte Harry und zeigte auf das Denkarium.
„Es ist ja wohl kaum zu übersehen“, kommentierte Severus die hilfreiche Geste seines Kollegen, während er sich dem Becken näherte. „Es ist sehr groß! Viel größer als das von Albus oder mir.“
Mit seinen langen, durch Trankzutaten leicht gelblich verfärbten Fingern strich er über den grauen Stein und seine kunstvollen Verzierungen mit einer Achtung, die Harry erst verständlich machte, was für ein Schatz in seinem Wohnzimmer zu stehen schien.
„Albus hat einmal gesagt“, begann Severus, „dass es in unserem Land nur vier Denkarien geben würde.“ Er senkte seine Hand und blickte Harry an, bevor er sagte: „Es ist sehr außergewöhnlich, dass sich drei von ihnen mittlerweile unter demselben Dach befinden.“
„Ich weiß ja, dass sie selten sind, aber wie viele gibt es überhaupt auf der Welt?“, wollte Harry wissen.
„Diese Frage kann ich Ihnen nicht genau beantworten. Mir sind nur noch zwei weitere bekannt. Eines in Indien und eines in Ägypten“, antwortete Severus. Er bemerkte erst jetzt, dass auch Hermine und Ginny ihm an den Lippen hingen, so dass er noch das Letzte, das er über Denkarien wusste, zum Besten geben wollte, indem er sagte: „Es heißt, dass diese Becken einst von Druiden geschaffen worden waren – zumindest das Erste seiner Art - , aber das ist nur eine Legende und konnte bisher weder bestätigt noch dementiert werden.“
Hermine bestätigte die Aussage: „Ja, das habe ich auch gelesen, aber ansonsten ist kaum etwas bekannt.“
Wieder Harry anblickend fragte Severus: „Und was für Erinnerungen sind Ihnen überlassen worden, wenn ich mir die Frage erlauben darf?“
„Eine ist noch drin“, antwortete Harry. „Sie können gern selbst einen Blick hineinwerfen.“ Er schaute zu Hermine hinüber und fügte hinzu: „Du natürlich auch.“
Hermine und Severus tauschten einen Blick aus und kamen zu der stillen Übereinkunft, gemeinsam die Erinnerung zu betreten. Während Hermine mit ihrem Gesicht sehr nahe an die flüssige Oberfläche herangehen musste, hatte Severus wegen seiner großen Hakennase noch gut zwei Zentimeter Spielraum, denn es musste ja nur die Nasenspitze eingetaucht werden.
Drinnen fanden sich die beiden in einem Keller wieder, welcher zu einer Art Labor umfunktioniert worden war. Ein alter Zauberer, vielleicht um die hundert Jahre alt, saß über seinen Schriften und schien sich Notizen zu machen, während auf dem Tisch eine hellblaue Flüssigkeit in einem Kessel auf kleiner Flamme vor sich hin kochte. Einige beschriftete Ampullen, Gläser und Phiolen standen um den Kessel herum. Während Hermine ihre Augen wie gebannt auf den Mann richtete, sah Severus sich ein wenig im Raum um.
„Wissen Sie, wer das ist?“, fragte sie neugierig.
„Nein, ich habe ihn noch nie gesehen“, erwiderte Severus. Sein Blick fiel auf einen Schrank und die Zutaten, die dort zu finden waren. Als er eine große Flasche bemerkte, die direkt neben ihm auf dem Schrank stand, sagte er: „Ich denke jedoch, ich weiß, welchem Beruf der Herr nachgegangen war.“
Hermine schaute Severus mit großen Augen an, so dass er schmunzelte und ihr lediglich mit einem Kopfnicken zu verstehen gab, den Schrank zu beäugen. Nur wenige der Zutaten kannte sie, denn es handelte sich bei ihnen um Zaubertrankzutaten. Andere Fläschchen und Gläser enthielten offensichtlich Säuren, andere schienen leer zu sein und dann fiel ihr Blick auf die große Flasche neben Severus.
Auf dem Etikett der Flasche stand ein Wort und da leuchtete ihr ein, was Severus längst wusste: „Königswasser“, las sie laut vor. „Der Mann war ein Alchemist!“
„Und er war in Zaubertränken auch sehr bewandert, wenn ich mir die außergewöhnlichen Zutaten so ansehe“, fügte Severus hinzu. Um ihr Wissen zu testen fragte Severus: „Was ist ’Königswasser’?“
Hermine schluckte, denn dieses Gebiet war ihr nicht allzu vertraut, doch sie antwortete gewissenhaft: „Man hat es Königswasser genannt, weil es die Edelmetalle auflösen kann. Es besteht zu zwei Teilen aus Salzsäure und zu einem Teil aus Salpetersäure.“ Wie damals in der Schule, wenn man eine Frage nicht korrekt beantwortet hatte, hob er eine Augenbraue, so dass sie unsicher verbesserte: „Aus drei Teilen Salzsäure? Chemie ist ganz und gar nicht mein Fach, Severus.“
„Aus drei Teilen ist richtig!“, bestätigte er.
„Was macht er da?“, wollte Hermine wissen.
Sie ging um den unübersichtlichen Arbeitsplatz herum und schaute dem alten Mann über die Schulter. Er machte sich jedoch keine Notizen zu seinem Projekt, sondern schrieb einen Brief.
„Das, Hermine, meinte ich neulich, als ich zu Harry sagte, er hätte keinen blassen Schimmer von dem ’sinnvollen Zweck eines Denkariums’. Sie werden von unserem verstorbenen Alchimisten hier“, er näherte sich Hermine, „keine schriftlichen Hinweise auf seine Forschungen erhalten, denn sie müssen allein seinem Werk ihr Augenmerk schenken. Ich vermute, dass er irgendetwas Belangloses niederschreibt; nichts von Interesse.“
„Sie meinen, diese ganzen Erinnerungen, die Harry jetzt hat, sind nichts weiter als das, was mein Notizbuch für mich ist?“, wollte Hermine wissen.
„Ganz recht, Hermine. Es sind Forschungen und Entdeckungen, die unser alter Freund nur jemandem überlassen wollte, der mit ihnen auch etwas anzufangen weiß. Die ganzen Zutaten um den Kessel herum…“, er deutete mit einem schmalen Zeigefinger darauf. „Ich nehme an, da die Basis eines jeden Trankes Wasser ist, dass er ab der Flasche mit dem Wasser im Uhrzeigersinn die Reihenfolge der Zutaten für seinen Trank angeordnet hat. Um zu erfahren, was der Trank bewirken würde, müsste man sich selbst daran machen, ihn zu brauen.“ Er blickte Hermine an, die von dieser Information ganz hingerissen zu sein schien und sagte: „Ich denke, wir haben fürs Erste genug gesehen. Gehen wir zurück“, sagte Severus und schon war er verschwunden. Hermine warf noch einen letzten Blick auf den alten Mann, bevor sie die Erinnerung ebenfalls verließ.
„Und?“, fragte Harry. „War stinklangweilig oder?“
„Finden Sie?“, fragte Severus zurück.
„Ja, na ja. Ich meine, der saß da nur rum und hat einen Brief an seine Schwester Lucilla geschrieben und ihr von seinen Gebrechen berichtet. Ich fand das schon ziemlich langweilig“, entgegnete Harry, der sich aus einem Bauchgefühl heraus plötzlich ganz dämlich vorkam, weil er ahnte, irgendetwas übersehen zu haben.
„Ich kaufe Ihnen den Krug mit Erinnerungen ab, wenn Sie sie so ermüdend finden. Fünf Galleonen?“, schlug Severus mit hochgezogenen Augenbrauen vor.
Hermine hielt sich zunächst aus dem Gespräch heraus, würde aber sofort einschreiten, falls Harry wirklich so naiv wäre, diesen kleinen Schatz für nur fünf Galleonen zu veräußern.
Harry wusste jetzt definitiv, das etwas nicht stimmte und sagte ehrlich mit zusammengekniffenen Augen: „Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass Sie mich über den Tisch ziehen wollen, Severus?“ Severus grinste, versuchte jedoch, seine Gefühlsregung unter Kontrolle zu bekommen. An Hermine gerichtet fragte er: „Was hast du da gesehen, außer den Alten, der einen Brief geschrieben hat?“
„Es ging in der Erinnerung nicht um den Brief, Harry. Es ging um den kleinen Kessel, der über der Flamme stand. Wir haben es ja nicht zu Ende gesehen, aber wir haben zumindest schon einmal herausbekommen, was der ältere Herr entweder beruflich gemacht oder als umfangreiches Hobby betrieben hat“, erklärte Hermine.
Ginny legte ihre Stirn in Falten und fragte: „Haben wir auch wirklich das Gleiche gesehen?“
„Zehn Galleonen, Harry?“, fragte Severus schmunzelnd.
„Pah“, machte Harry lächelnd. „Wissen Sie was? Ich schenke Ihnen die Erinnerungen, wenn Sie mir nur sagen, um was es sich überhaupt handelt.“
Severus hielt nichts mehr und er erzählte von seinen Beobachtungen: „Der Mann schien ein Alchemist gewesen zu sein, was unter anderem die große Auswahl an chemischen Substanzen, besonders aber das Königswasser im Labor unterstreicht. Zaubertränke scheinen ihm auch gelegen zu haben. Verstehen Sie jetzt?“
Harry verzog beleidigt den Mund und antwortete kurz darauf: „Das heißt im Klartext, dass diese Erinnerungen für Leute, die bei ’Zaubertränke’ nur 70% Prozent auf ihrer Schokofrosch-Spielkarte zu stehen haben, völlig nutzlos sind.“
Für einen kurzen Augenblick musste Severus leise lachen, was besonders Ginny erstaunte, denn sie hatte ihren Zaubertränkelehrer noch nie im Leben lachen hören.
„Ganz richtig, Harry. Allerdings kenne ich den Mann nicht und weiß daher nichts von seinen Fähigkeiten. Er ist sicherlich kein Damocles Belby, dessen Ideen unbezahlbar wären. Aufgrund meines allgemeinen Interesses an wissenschaftlichem Gedankengut wäre ich gern bereit, mehr für diese Erinnerungen zu bezahlen. Machen Sie mir einen Vorschlag, aber bedenken Sie bitte, dass es sich bei dieser Hinterlassenschaft auch um wertlose Inhalte handeln könnte. Ich würde sozusagen die Katze im Sack kaufen“, erklärte Severus ehrlich.
„Und ich habe Ihnen gesagt, dass Sie es umsonst haben können. Danke für die Erklärung, Severus. Ich bin mir jetzt sicher, dass ich damit überhaupt nichts anfangen kann. Ich würde diese Erinnerungen gern Ihnen und Hermine geben. Vielleicht können Sie beide was draus machen?“, schlug Harry vor.
Severus warf seiner Schülerin einen Blick zu und er schien zu überlegen, ob der das Wissen des verblichenen Alchemisten mit ihr teilen wollte, doch letztendlich stimmte er zu, denn dieses Angebot abzuschlagen wäre töricht.
„Abgemacht, Harry“, sagte Severus und hielt ihm die Hand entgegen, die Harry ergriff und kurz schütteln ließ. „In Anbetracht Ihrer Großzügigkeit möchten wir Sie mit einer Tatsache vertraut machen, die Sie sicherlich sehr interessieren würde. Es geht um Albus’ Grab am See“, sagte Severus.
Harry und Ginny machten ganz großen Augen und Harry war der Erste, der fragte: „Ihr habt beide reingeschaut? Liegt da nun eine Leiche oder nicht?“
Die vier nahmen um den kleinen Tisch herum Platz und Severus erzählte: „Dieser Marmorblock ist nicht zu öffnen.“
Ginny fragte neugierig: „Und was heißt das?“
Es war Hermine, die antwortete: „Das heißt, dass es ein Marmorblock ist und nichts anderes. Es ist kein Grab. Der Stein ist massiv und nichts ist darin eingeschlossen; unter dem Block ist übrigens auch nichts. Es gibt keine Leiche. Die hat es nie gegeben!“
„Nichtsdestotrotz war sie mit starken Schutzzaubern versehen, die ich glücklicherweise aufheben konnte und auch nur, weil Albus selbst sie mir beigebracht hatte. Er wollte nicht nur, dass alle ihn für tot halten, sondern er hatte auch Vorkehrungen getroffen, damit niemand sich selbst ein Bild davon machen konnte“, erklärte Severus.
Diese Informationen mussten besonders bei Harry erst einmal sacken. Bevor jemand sich dazu äußern konnte, fragte Severus ihn: „Hermine hat mir erzählt, Sie hätten bei der Bestattung geglaubt, einen Phönix davonfliegen zu sehen?“ Harry nickte, so dass Severus laut vermutete: „Sehr wahrscheinlich war es auch so gewesen.“
„Aber ich war doch bei seiner Leiche!“, stellte Harry klar.
Severus fragte sehr nüchtern: „Haben Sie nach seinem Puls gefühlt?“
„Ja, habe ich und er hatte keinen“, erklärte Harry.
„Wie lange haben Sie den Puls gefühlt?“
Harry hob und senkte einmal langsam die Schultern und rief sich derweil die Erinnerung ins Gedächtnis zurück, bevor er antwortete: „Ein paar Sekunden an der Halsschlagader.“
„Ah“, machte Severus. „Das bedeutet überhaupt nichts, wie Hermine als ausgebildete Heilerin mir sicherlich beipflichten wird. Es gibt Tränke, die die Blutzirkulation stark verlangsamen, um beispielsweise Blutungen in den Griff zu bekommen. Ich gehe davon aus, Harry, dass Albus noch gelebt haben muss, während Sie bei ihm waren. Sie waren wie alt? Sechzehn, siebzehn? In diesem Alter war es Ihnen gar nicht erst in den Sinn gekommen, Albus’ Tod infrage zu stellen oder ihn allgemein auch mal überaus skeptisch zu betrachten so wie Sie mich immer betrachtet haben.“
„Das war jetzt aber kein Vorwurf oder? Hermine hat ab der Fünften immer wieder gesagt, dass Sie mit Sicherheit auf unserer Seite wären, aber Sie haben vollkommen Recht, Severus, denn ich war Ihnen gegenüber skeptisch und habe ihr nicht geglaubt“, sagte Harry mit einem Hauch von Reue.
Hermine meldete sich zu Wort und erklärte: „Na ja, nachdem Sie vermeintlich Albus ermordet hatten, war ich ganz schön getroffen, mich so getäuscht zu haben, aber es hat sich ja zum Glück alles geklärt.“
Ginny sah aus, als wollte sie zu diesem Thema auch etwas sagen und als alle sie anblickten, um ihre Ansicht zu hören, da fragte sie neckisch: „Droht mir Punkteabzug, wenn ich zu dem Thema auch was sage?“
Wie aus der Pistole geschossen antwortete Severus: „Ja!“
„Dann habe ich nichts zu sagen“, sagte sie weniger ernst, denn ihr war nicht entgangen, dass ihr Zaubertränkemeister sich nur einen Scherz erlaubt hatte. Letztendlich erklärte sie jedoch, dass sie immer zwiespältiger Meinung gewesen war und ihr Verstand stets eine andere Meinung vertreten hatte als ihr Gefühl.
Man unterhielt sich noch gemütlich über dieses und jenes, bis Hermine fragte: „Harry? Hat King schon mit deinem Elf gesprochen?“
„Noch nicht, aber sie wollen sich am Wochenende sehen. Bin mal gespannt, wie das Gespräch ablaufen wird. Ich habe ’ihm’ gesagt, dass er ehrlich zu Kingsley sein soll und auch über mich schimpfen darf, wenn es etwas gibt, das er loswerden möchte.“
Harry hatte seinen Elf extra nicht beim Namen genannt, weil der sonst sofort aufgetaucht wäre, doch Wobbel hatte jetzt frei und Harry wollte ihn nicht stören.
„Ich werde heute mal anfangen, den Gesetzesentwurf zu lesen und…“
Severus unterbrach Hermine und sagte etwas gekränkt klingend: „Ich wollte Ihnen heute ein Buch geben.“
„Das lese ich natürlich auch. Keine Sorge, ich werde meine Ausbildung bei Ihnen nicht vernachlässigen“, versicherte Hermine ihm.
Ginny wechselte das Thema und sagte an Hermine gewandt: „Ron und Harry haben mir von deinem Trank erzählt. Den würde ich auch gern mal nehmen, wenn du noch eine Testperson brauchst.“
Hermine wollte gerade schon enthusiastisch zustimmen, da sagte Severus: „Das Angebot wird Hermine ausschlagen müssen.“ Weil Hermine ihn fragend anblickte, erklärte er: „Bei einem erwachsenen Menschen sind keine Nebenwirkungen aufgetreten, aber wir wissen nicht, wie sich der Trank möglicherweise auf Muttermilch auswirken kann und weder Sie noch ich werden in dieser Hinsicht etwas riskieren!“ Es war eindeutig als Warnung gedacht und Hermine war für diese kleine Rüge froh, denn daran hatte sie überhaupt nicht gedacht.
Hermine nickte Severus zu und sagte: „Ja, Sie haben Recht, Severus.“ Hermine wandte sich an Ginny und schlug vor: „Aber wenn diese Phase vorüber ist, dann kannst du gerne bei mir vorbeikommen! Da fällt mir übrigens eine Sache ein, die ich sowieso unbedingt prüfen möchte. Das ist mir durch den Kopf gegangen, als wir auf dem Ordenstreffen waren.“
„Und das wäre?“, fragte Severus hellhörig.
„Ich möchte wissen, was passiert, wenn ein Squib und ein Muggel den Trank eingenommen haben!“
„Wieso möchten Sie es an einem Muggel testen? Das wäre sicherlich nur Verschwendung eines nicht gerade preisgünstig herzustellenden Trankes. Muggel verfügen nicht über Magie. Der Trank wird bei ihnen keine Ergebnisse bringen“, sagte Severus irritiert über den Vorschlag seiner sonst so klugen Schülerin.
„Das möchte ich gerade herausfinden, Severus. Dass Squibs keine oder nur eine sehr verkümmerte und daher unbrauchbare Magie besitzen, ist die eine Sache, aber wissen wir denn wirklich genau, ob nicht doch ein Hauch von Magie in einem Muggel stecken könnte? So gering, dass sie es selbst nie merken würden, aber immerhin genügend, um eine Hexe zur Welt bringen zu können“, sagte Hermine mit glänzenden Augen, denn sie war von ihrer eigenen Idee ganz fasziniert.
Harry nickte langsam, denn ganz auf den Kopf gefallen war er ja nicht und so sagte er: „Du denkst da an muggelgeborene Zauberer und Hexen. Ich habe mich auch schon gefragt, wie zwei Muggel ein Kind mit Zauberkräften bekommen können, wenn man sich mal allein die Vererbungslehre vor Augen hält.“
„Eben das meine ich!“, bestätigte Hermine. „Von nichts kommt nichts. Ich bezweifle, dass die Magie als intelligente Existenz vor der Wiege eines Muggelbabys steht und überlegt, ob sie jetzt in den Körper schlüpfen möchte oder nicht. Und außerdem…“
Hermine verfiel in ihre Grübelstarre, doch Ginny erweckte sie daraus und wiederholte: „Und außerdem?“
„Und außerdem könnte das vielleicht erklären, warum manch ein Muggel oder Squib magisch verborgene Orte sehen kann oder nicht“, sagte Hermine.
Harry bekam ganz große Augen und warf ein: „Was wiederum erklären könnte, warum Anne überhaupt Hogwarts betreten konnte!“
Zuletzt geändert von Muggelchen am 02.02.2011 00:31, insgesamt 1-mal geändert.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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- Luna Potter
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Hallo Muggelchen
Das ist eine sehr schöne Geschichte. Endlich hatte ich mal wieder Zeit deine Geschichte zu lesen^^ Mir gefällt dein Stil. Ich gebe mir bei meiner Geschichte immer soviel Mühe aber an dich werde ich niemals ran reichen.
Du schreibst wiklich aussergewöhnlich. Teilweise gefällt mir dein Stil besser als das Orginal von J.K. R.
Das wollte ich mal loswerden. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.
Liebe Grüsse Luna Potter
Ps. Vieleicht hast du ja mal Zeit und kannst meine Geschichte (Zauberwelten/Magische Welt Hogwarts) auch mal lesen und mir schreiben, was dir gefällt oder was ich vieleicht besser machen könnte.^^ich würde mich echt darüber freuen^^^^
Das ist eine sehr schöne Geschichte. Endlich hatte ich mal wieder Zeit deine Geschichte zu lesen^^ Mir gefällt dein Stil. Ich gebe mir bei meiner Geschichte immer soviel Mühe aber an dich werde ich niemals ran reichen.

Du schreibst wiklich aussergewöhnlich. Teilweise gefällt mir dein Stil besser als das Orginal von J.K. R.
Das wollte ich mal loswerden. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.
Liebe Grüsse Luna Potter
Ps. Vieleicht hast du ja mal Zeit und kannst meine Geschichte (Zauberwelten/Magische Welt Hogwarts) auch mal lesen und mir schreiben, was dir gefällt oder was ich vieleicht besser machen könnte.^^ich würde mich echt darüber freuen^^^^
- Muggelchen
- Eule
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Hallo Luna Potter,
mein Stil war anfangs auch nicht so wie jetzt. Ich hab eine Menge dazugelernt. Vielen Dank für das Kompliment
Fanfiction müssen auch nicht unbedingt genau den Stil von Rowling treffen, man sollte beim Schreiben besser niemanden kopieren, sondern seinen eigenen Weg finden. Freut mich sehr., dass dir meiner gefällt.
Deine Geschichte habe ich mir erst einmal gespeichert. Ich habe schon einige auf meiner "zu-lesen-Liste".
Lieben Gruß,
Muggelchen
116 DA
In Kingsley Büro war gerade Susan zu Gast und sie fragte ihn über den letzten Besuch bei Lucius aus. Kingsley erzählte ihr, dass der Gefangene sehr handzahm geworden wäre, nachdem er ihm klargemacht hatte, dass der Aufenthalt im Krankenhaus über mehrere Monate nicht notwendig gewesen wäre.
„Hat er was wegen mir gesagt?“, wollte Susan wissen.
„Ja, er lässt ausrichten, dass er dich trotzdem gern mal sprechen möchte.“ Da Susan einen erschrockenen Eindruck machte, fügte er hinzu: „Er hat sogar angeboten, dass währenddessen eine Schwester anwesend sein könnte. Ich nehme an, damit du dich wohler fühlst.“
„Wie nett von ihm“, sagte Susan sarkastisch.
Kingsley legte seine Feder zur Seite und teilte ihr seine Gedanken mit, indem er sagte: „Ich glaube, ihm liegt wirklich viel daran, diesen Prozess so schnell wie nur möglich hinter sich zu bringen. Momentan steht in seinen Akten, dass er nach dem Aufenthalt im Mungos mit sieben Jahren Haft zu rechnen hat.“ Kingsley grinste und fügte hinzu: „Er hat ganz schön gehandelt, um dorthin zu kommen!“
„Fragen wir ihn gar nicht mehr, ob er noch etwas weiß? Ich meine, über diesen Hopkins vielleicht?“, fragte Susan.
Kingsley schüttelte den Kopf und erwiderte: „Wir benötigen ihn dafür nicht mehr. Arthur führt Gespräche mit dem anderen Minister. Uns sind die Hände gebunden, denn wir können nichts gegen diesen Muggel unternehmen, ohne dass der andere Minister Fragen stellen würde. Hopkins ist mittlerweile eine offizielle Angelegenheit geworden. Es war ein guter Zug von Arthur, mit der Muggelregierung enger zusammenzuarbeiten, aber andererseits können wir nicht mehr so handeln, wie wir es gern möchten.“
Susan nickte und fragte, ohne auf das Thema Hopkins einzugehen: „Hat Malfoy gesagt, warum er mit mir sprechen möchte?“
Verneinend antwortete Kingsley: „Hat er nicht, aber ich gehe davon aus, dass er dich dazu bewegen möchte, seinen Verhandlungstermin vorzuverlegen. Es liegt bei dir, was du tun wirst, Susan. Er ist dein Fall.“
„Danke Kingsley“, sagte Susan, nahm die Akte Malfoy wieder entgegen, die sie ihm vor dem Besuch gegeben hatte und verließ sein Büro.
Sollte sie Dracos Vater entgegenkommen, wäre es gut möglich, dass er sich dankbar zeigen könnte, auch wenn dies nur daraus bestehen würde, sie nicht wegen ihrer Abstammung zu verachten und seinen Sohn wieder sein eigen Fleisch und Blut zu nennen. Später würde es für ihren zukünftigen Schwiegervater – Susan bekam eine Gänsehaut bei dieser Bezeichnung – sowieso noch sehr schwer werden, wenn er erst einmal erfahren hätte, dass sie sein Enkelkind unterm Herzen trug. Zum Glück, dachte Susan, gab es da noch Mrs. Malfoy, mit der sie wunderbar zurechtkam. Sie würde ihren Mann sicherlich in die Schranken weisen können, sollte der auch nur ein böses Wort über seinen Sohn, seine Schwiegertochter oder deren gemeinsames Kind von sich geben, denn Mrs. Malfoy freute sich bereits sehr darauf, bald einen Säugling im Arm halten zu dürfen. Trotzdem war die Gefahr groß, dass die erhoffte Zusammenführung der Familien Malfoy und Bones sehr negative Aspekte mit sich bringen könnte. Susan seufzte auf den Weg in ihr Büro. Erst neulich hatte Draco über seine Befürchtungen gesprochen, die unter anderem eine übereilte Scheidung seiner Eltern beinhalteten. Narzissa hingegen schien sich weniger Sorgen über ihr eigenes Eheglück zu machen, denn sie war der festen Überzeugung, dass Liebe alles überstehen könnte.
„Susan, passen Sie doch auf!“, keifte eine gereizte Stimme, die sie dem Minister zuordnen konnte, in den sie gerade gedankenverloren hineingelaufen war.
„Arthur, das tut mir wirklich sehr Leid. Habe ich Ihnen wehgetan?“, fragte sie besorgt.
Er blickte sie erzürnt an, doch ganz schnell tat ihm sein aufbrausendes Verhalten selbst Leid und er sagte mit netter Stimme: „Ich würde gern mit Ihnen reden, Susan. Privat.“
„Ja, sicher. Gehen wir in mein Büro?“, schlug sie vor.
„Nein, gehen wir draußen etwas spazieren“, sagte er, bevor er einmal tief Luft holte und gleich darauf so laut seufzte, dass Susan schon befürchtete, es würde ihm nicht gut gehen.
Der Hyde Park lag dem Ministerium am nächsten, so dass sie gemeinsam den Weg dorthin einschlugen. In dem weitläufigen Park sahen sie wegen des kühlen Wetters nur vereinzelt einige Passanten, so dass Arthur ehrlich und offen mit Susan sprechen konnte.
„Ich bin in einer Zwickmühle, Susan“, sagte er leise, während er zu Boden blickte.
„Wie kann ich Ihnen helfen?“, bot sie sofort an.
Er blinzelte und schaute ihr in die blauen Augen, bevor er sagte: „Sie wissen ja nicht einmal, was mir auf dem Herzen liegt.“
Sie lächelte ihn an und erklärte: „Ihnen werde ich immer helfen, Arthur. Was belastet Sie so sehr, dass Sie nicht im Ministerium mit mir reden wollten?“
Er atmete tief ein und aus, bevor er seine Brille von der Nase nahm und sie ausgiebig zu putzen begann, während er nach Worten suchte. Die fand er bald, denn er sagte: „Sie waren ja auch Mitglied des Phönixordens.“ Natürlich wusste er das, denn er hatte sie während der von Harry organisierten Treffen näher kennen gelernt.
Sie spitzte die Lippen und legte den Kopf schräg, bevor sie sagte: „Na ja, ich habe mich immer als Mitglied der ’DA’ gesehen, auch nachdem Harry die beiden Gruppen vereint hatte.“
„Ja, das dachte ich mir“, murmelte er, bevor er stehen blieb und ihr sagte: „Der Phönixorden macht mir zu schaffen, Susan. Ich kann ihn nicht einfach verlassen und ein Auge zudrücken. Sie kennen ja Mundungus.“ Sie nickte, so dass er erklärte: „Er ist ein“, Arthur zögerte, „netter Mann, aber er hat schon einmal Dinge im Suff ausgeplaudert, weswegen zwei Gamotmitglieder einmal an mich herangetreten waren, um zu fragen, ob die Gerüchte wahr seien, dass ich mit einer geheimen Organisation kollaborieren würde.“
„Wer war das und was haben Sie denen gesagt?“, fragte Susan besorgt.
„Es waren Fortunatus Storm und Winston Lavin. Von beiden halte ich sehr viel und sie von mir auch, aber ich weiß auch, dass sie einschreiten würden, sollte sich ihre Vermutung bestätigen, dass ich mich nicht nur mit ’alten Freunden’ treffe, sondern politische Dinge bespreche. Dieses eine Mal konnte ich sie davon überzeugen, dass Mundungus aufgrund seiner Vorliebe für alkoholische Getränke sicherlich dieses und jenes missverstanden haben musste oder Unwahrheiten hinzugedichtet hatte, aber wenn das noch einmal geschehen sollte…“
„Man würde Sie deswegen vors Zaubergamot zitieren und Ihnen Veritaserum geben“, vervollständigte Susan ganz richtig. „Warum reden Sie mit mir darüber, Arthur? Gibt es irgendwas, was ich tun kann?“
„Ich wollte Sie nur darüber informieren, dass ich den Phönixorden aus genau diesen Gründen zur Auflösung bewegen werde. Ich kann es einfach nicht zulassen, dass meine ganze Arbeit im Ministerium völlig umsonst gewesen war, sollte man mir mangelnde Loyalität der magischen Gesellschaft gegenüber vorwerfen und mich daher absetzen. Schon die Diskussionen über innenpolitische Themen könnte man mir zur Last legen, aber auch – sollte ich den Orden einfach verlassen – die Duldung einer solchen Organisation. Was würde nur aus den Gesetzen werden, die Kingsley vorbereitet, sollte man mich zum Rücktritt zwingen?“, fragte er bedrückt.
Susan fragte sich ernsthaft, warum Arthur ihr das überhaupt erzählte. Mit dem Phönixorden hatte sie gar nichts mehr zu tun und Harry hatte nach dem Sieg über Voldemort auch kein einziges Treffen der DA mehr einberufen, denn das wäre ihr nicht entgangen. Sie trug, wie wahrscheinlich jedes andere DA-Mitglied auch, ihre mit einem Proteus-Zauber versehene Galleone ständig bei sich. Die beiden, die den Krieg nicht überlebt hatten, waren mit ihrer Münze beerdigt worden. Zwei junge Menschen, die beide einen heldenhaften Tod gestorben waren, als sie ein Waisenhaus mit muggelstämmigen Kindern gegen Todesser verteidigt hatten. Zacharias hatte noch zu Schulzeiten seine Münze wieder an Harry zurückgegeben, bevor seine Eltern ihn vor Ende des sechsten Schuljahres aus Hogwarts herausgeholt hatten und warum Marietta ihre Galleone zurückgegeben hatte, war für alle DA-Mitglieder sehr verständlich.
Warum also erzählte ihr Arthur vom Phönixorden und den damit zusammenhängenden Problemen? Er konnte den Orden doch einfach, wie eben erklärt, auflösen.
Arthur räusperte sich und sagte gleich darauf recht leise: „Um den Phönixorden werde ich mir keinen Kopf mehr machen müssen, ist der erst einmal aufgelöst. Man kann ja seine Augen nicht überall haben, nicht wahr?“
Skeptisch betrachtete Susan den Minister, der offensichtlich nicht allzu deutlich werden wollte. Ständig rückte er seine Brille zurecht und murmelte vor sich hin und auf einmal verstand sie, was er ihr klarmachen wollte.
„Oh“, war die erste Bemerkung, die sie ihren Lippen gestattete, von sich zu geben. „Ich verstehe gut, was Sie meinen.“
Er blickte sie erleichtert an, fragte aber trotzdem: „Sie verstehen es wirklich?“
„Natürlich!“, erwiderte sie.
Selbstverständlich hatte sie verstanden, dass der Phönixorden ihm gefährlich werden konnte, aber wenn er nichts davon wusste, dass die DA wieder aktiv werden würde, dann wäre er als Minister auch keiner Gefahr ausgesetzt.
„Natürlich verstehe ich“, wiederholte sie lächelnd. Demnächst, dachte sie, würde wohl ein Gespräch mit Harry auf dem Plan stehen.
„Susan?“, fragte er vorsichtig. Als er ihre ungeteilte Aufmerksamkeit erhalten hatte, sagte er: „Angestellte des Ministeriums sollten sich wirklich nicht mit Gruppierungen identifizieren, die politische Angelegenheiten auf eigene Faust regeln wollen. Das könnte sehr böse enden.“
Er klang am Ende hin sehr niedergeschlagen, denn für sie würde es bedeuten, dass sie die DA nicht mehr so offen wie früher unterstützen könnte, ohne ihren Job aufs Spiel zu setzen.
„Eine einzige Entscheidung kann sich auf das ganze Leben auswirken“, sagte Susan philosophierend. Er hatte verstanden, dass sie sich durchaus der Risiken bewusst war.
Arthur atmete tief ein und aus und sagte dann freudestrahlend: „Ach, das war so erleichternd, Susan. Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben und dass Sie“, er zwinkerte ihr zu, „mich verstanden haben.“
Auf dem Rückweg erzählte sie Arthur: „Mr. Malfoy würde gern mit mir sprechen. Ich würde es für klug halten, seinen Termin tatsächlich vorzulegen. So oder so wird er zu ein paar Jahren verurteilt werden.“
„Das ist Ihr Fall, Susan. Sie können Mrs. Baltimore die Anweisung geben, den Termin auf einen früheren Zeitpunkt zu setzen“, erklärte er ihr im vollen Vertrauen auf ihr Handeln. „Weiß er schon von Ihrer Schwangerschaft?“, fragte Arthur. Gleich im Anschluss entschuldigte er sich: „Verzeihen Sie mir bitte, falls ich mir da eine viel zu private Frage erlaubt haben sollte.“
„Ist schon gut, Arthur. Nein, er weiß es noch nicht, aber ich denke, es wäre an der Zeit oder?“ Sie blickte Arthur an und sagte ehrlich: „Ich habe Angst davor, wie er reagieren wird. Ich befürchte, dass er Draco dann wirklich nie wieder sehen möchte. Im Moment glaube ich, dass dieses Vater-Sohn-Verhältnis noch eine Chance hätte, aber nicht, wenn ich…“ Sie verstummte.
Arthur lächelte milde und sagte Mut machend: „Es gibt zum Glück Situationen im Leben, die man nicht allein bewältigen muss. Sie werden den Rücken gestärkt bekommen, da bin ich mir ganz sicher. Machen Sie sich nicht allzu viele Sorgen darum. Lucius Malfoy wird sich damit anfreunden müssen, ob es ihm passt oder nicht.“
Im Park betrachtete Arthur eine ältere Dame, die mit zwei kleinen Kindern Vogelfutter streute und er musste lächeln, als die kleinen zahmen Spatzen die Körner sogar direkt aus der Hand pickten.
„Ach ja, Susan. Pablo Abello wird morgen an den anderen Minister ausgeliefert. Wir denken, dass eine Verhandlung in der Muggelwelt besser aussehen würde, damit Hopkins und seine Männer das ganze auch in der Muggelpresse verfolgen können.“ Da sie nichts dazu sagte, wollte er wissen: „Was denken Sie? War das eine gute Entscheidung?“
„Oh ja, ich denke, das war eine gute Entscheidung, sofern er auch verurteilt wird und nicht von einem findigen Rechtsverdreher auf freien Fuß gesetzt wird“, erwiderte sie.
Während Susan sich im Ministerium in ihr Büro begab, begab sich in Hogwarts ein Kniesel auf die Couch, auf der sein Frauchen saß und in dem Buch „Berührung mit der dunklen Seite der Magie“ las. Ohne es wahrzunehmen streichelte sie Fellini, während sie die Erklärungen in dem Buch in sich aufsog wie ein trockener Schwamm das Wasser. Albus hatte während ihres Gesprächs erwähnt, er würde ein schwarzmagisches Buch besitzen, bei welchem bestimmte Seiten nicht aufgeschlagen werden durften. Offensichtlich waren die verwendeten Fallen, mit denen ein Autor sein dunkles Werk vor Unwissenden zu schützen versuchte, sehr vielfältig. Nur zwei Drittel des Buches bestand aus den Umschreibungen, wie ein schwarzmagischer Gestand, besonders ein Buch, behandelt werden sollte. Das letzte Drittel zählte chronologisch Buchtitel auf und die Tücken, die sie mit sich brachten. Ein dunkles Werk mit dem Titel „Eiskalter Schlaf“, welches überwiegend den Geist vergiftende Tränke behandelte, durfte nach der Anleitung des Buches, welches sie gerade las, nur mit Handschuhen aus Drachenleder berührt werden, weil man sich sonst dem nicht mehr aufzuhaltenden Erfrierungstod aussetzen würde. Hermine zuckte innerlich zusammen und stellte sich die Frage, ob sie sich in Zukunft tatsächlich mit so gefährlichen Büchern auseinandersetzen wollte. Andererseits wäre sie aber vielleicht sogar in der Lage, die gemeine Wirkung von schwarzmagischen Zaubertränken aufheben zu können; da sprach wieder die Heilerin aus ihr.
Hermine legte das Buch auf den Tisch und griff sich ihren Kniesel, der sich laut schnurrend von ihr kraulen ließ, während sie über all die positiven und negativen Aspekte nachdachte, die das Studium der dunklen Magie mit sich bringen würde. Albus hatte schon Recht, als er gesagt hatte, man könnte nur Dinge bekämpfen, wenn man sie verstehen würde. Dem stimmte sie voll und ganz zu, aber gehörte sie zu den wenigen Personen, die sich gefahrlos damit beschäftigen konnten, um anderen helfen zu können?
Wie aus heiterem Himmel hatte sie die Antwort vor Augen, denn natürlich musste sie eine dieser Personen sein. Albus hätte ihr sicherlich freundlich davon abgeraten, würde er an ihr zweifeln. Sie durfte nicht aufhören, denn Albus hatte ihr auch ihr angeraten weiterzumachen, um Severus helfen zu können. Die Antwort auf die Frage, was Severus vor zwanzig Jahren widerfahren war, war möglicherweise sogar in den Büchern zu finden. War es doch einer dieser finsteren Tränke gewesen, den Severus damals eingenommen hatte? Früher oder später würde sie dahinter kommen und sie würde die Wirkung dessen, dem er ausgesetzt gewesen war, aufheben.
Es klopfte, aber da Hermine niemanden erwartete, rief sie nicht einfach „Herein“, sondern ging zur Tür hinüber und öffnete sie. Vor ihr stand Draco, der sie zunächst höflich grüßte und dann fragte: „Darf ich eintreten?“ Sie öffnete die Tür weiter und noch während sie ihm per Geste einen Platz anbot, sagte er mit Bestimmtheit in der Stimme: „Ich würde gern mit dir über Severus reden, wenn du Zeit hast.“
Sie blickte auf die Uhr und sagte: „Maximal eine Stunde, aber er sollte dich nicht bei mir sehen, sonst bekomme ich Ärger.“
„Ärger? Weil du mit mir etwas, sagen wir, Tee eingenommen hast, bevor dein Job bei ihm beginnt?“, fragte er mit einem überlegenen Grinsen.
Hermine hielt dagegen und konterte sarkastisch: „Natürlich würde niemandem auffallen, dass wir beide uns zum Teetrinken treffen, so gut, wie wir befreundet sind.“
„Wir könnten welche werden. Freunde, meine ich“, sagte er ruhig.
Sie ging kurz in sich, bevor sie nickte, aber trotzdem erklärte: „Sollte er dich im Gang vor meinen Räumen sehen, wenn du nachher gehst, dann werde ich trotzdem Ärger bekommen. Er mag es nicht, wenn ich mit anderen über ihn spreche.“
„Wer mag so etwas schon“, sagte er gelassen, bevor er einen Hauself rief und tatsächlich eine kleine Bestellung aufgab.
Während Draco ihr die Arbeit abnahm, den eben gelieferten Tee einzuschenken, fragte sie ihn: „Wie geht es Susan?“
„Oh, ihr geht’s wirklich gut. Ich habe eben mit ihr gesprochen. Mein Vater möchte unbedingt mit ihr reden und davor ist ihr etwas bange“, erzählte er offen.
„Würde mir nicht anders gehen“, murmelte Hermine, doch Draco hatte es verstanden.
„Ja, ich kann mir sehr gut vorstellen, warum du ihn nicht ausstehen kannst.“ Er wartete nicht darauf, dass Hermine ihre Meinung sagte, sondern er zählte auf: „Er hat Ginny das Tagebuch von Riddle gegeben. Er wollte das Buch loswerden, weil man unser Haus durchsuchen wollte. Viel hat er nicht drüber gewusst, nur dass es irgendwie die Kammer des Schreckens öffnen können würde. Sein Interesse lag aber weniger daran, die Kammer öffnen zu lassen, sondern viel mehr wollte er Dumbledore und Weasley wegen dem schwarzmagischen Objekt in Misskredit bringen.“ Er nahm den Teller mit Keksen und hielt ihn Hermine hin, die zugriff und weiterhin lauschte, als Draco völlig gelassen erzählte: „Mein Vater hat böse Späße mit Muggeln getrieben, was ihn auch nicht gerade sympathischer für dich macht und das hat er nicht nur während der Quidditch-Weltmeisterschaft getan. Zu meinem Bedauern muss ich gestehen, dass ich es damals lustig gefunden habe, wie die Muggel kopfüber in der Luft schwebten.“
An seinem Gesichtsausdruck erkannte sie, dass seine damalige Belustigung heute durch Reue ersetzt wurde. Er nahm sich selbst einen Keks vom Teller und schilderte: „Wirklich verachten kann man ihn für den Überfall im Ministerium; den Kampf gegen ein paar Jugendliche, die sich zu meinem Erstaunen auch noch gegen Todesser zur Wehr zu setzen wussten.“ Er erzählte es so sachlich wie nur möglich, obwohl ihm und ihr natürlich klar war, wer die Jugendlichen gewesen waren. „Danach habe ich erst begriffen, dass das alles kein Spaß mehr war, als Mutter und ich die Nachricht übermittelt bekamen, dass er nun in Askaban sitzen würde.“ Er seufzte und wiederholte danach leiser: „Es war kein Spaß mehr.“
„Er war auf der falschen Seite“, sagte Hermine leise.
Draco lachte kurz auf, obwohl ihm nicht zum Lachen zumute war. „Oh nein, er war nie auf der falschen Seite. Er war immer auf der richtigen, nämlich auf seiner Seite. Er hat sich nur mit den falschen Leuten eingelassen und ist da nicht mehr rausgekommen. Weißt du eigentlich, was der einzige Grund ist, warum ich hier sitze anstatt irgendwo zu verwesen?“ Sie schüttelte den Kopf, weswegen er erklärte: „Weil mein Vater sich nicht mehr aus Voldemorts Klauen befreien konnte, nahm sie alles in die Hand. Sie wusste, wie Voldemort dachte; kannte seine Rachsucht. Ich hätte, wenn es nach Voldemort gegangen wäre, für die Fehler meines Vaters büßen sollen, aber er hat nicht mit der Opferbereitschaft einer Mutter gerechnet, die das Leben ihres einziges Sohnes…“ Er hielt inne und trank einen Schluck Tee, um sich innerlich zu beruhigen. „Tut mir Leid, Hermine. Ich weiß gar nicht, warum ich dir das alles erzähle. Ich wollte über Severus mit dir reden.“
Hermine blickte ihn an und sagte mit ruhiger Stimme: „Erzähl ruhig weiter, Draco.“
Er haderte einen Augenblick mit sich selbst und entschloss sich letztendlich dazu, ihrer Bitte nachzukommen.
„Meine Mutter hat Severus zu einem Unbrechbaren Schwur überreden können. Er hatte geschworen, mir bei meinem Auftrag zu helfen, den Voldemort mir gegeben hatte, obwohl er zu diesem Zeitpunkt nicht einmal gewusst hatte, was dieser Auftrag überhaupt beinhaltete.“
Hermine warf ein: „Dumbledore umzubringen.“
Nickend bestätigte Draco und sagte: „Ja, aber auch, den anderen Todessern mit Hilfe des Verschwindekabinetts Zugang nach Hogwarts zu ermöglichen.“
„Deswegen hat Severus Albus ermordet, weil du es nicht konntest“, sagte Hermine nicht vorwurfsvoll.
Auf seine Tasse starrend sagte Draco: „Was danach passiert ist, weißt du ja.“
„Nein, wenn ich ehrlich bin, weiß ich gerade das nicht“, stellte sie klar.
Draco nahm einen Schluck Tee, dann noch einen und erst nach dem dritten konnte er sich dazu aufraffen zu schildern: „Wir sind mit ein paar anderen Todessern abgehauen. Harry ist uns noch gefolgt und ich bin ein wenig stutzig geworden, als Severus ihm noch Tipps mit auf den Weg gegeben hat. Als wir die magische Grenze überschritten hatten und das Apparieren endlich möglich war, da hat Severus mich plötzlich gepackt und…“ Er machte eine Geste mit seinen Händen, die seine damalige Verwirrung deutlich machte. „Ich war damals der Meinung, er hätte mich entführt und habe mich demzufolge auch so verhalten; habe ihn einen Verräter geschimpft. Andererseits war ich froh, Voldemort nicht mehr begegnen zu müssen. Es war mein Auftrag gewesen, Dumbledore umzubringen und nicht Severus’. Mindestens ein paar Cruciatus-Flüche wären mir sicher gewesen.“
Nach einer ganzen Weile sagte Hermine mit leiser Stimme: „Weißt du was, Draco? Severus hat viel mehr getan, als nur den Schwur zu erfüllen. Er hat sich um dich gekümmert und das war nicht mehr in dem Versprechen enthalten, das er deiner Mutter gegenüber gegeben hatte.“
„Nicht im Unbrechbaren Schwur, das nicht; da hast du Recht. Aber Severus hat mir im Laufe der Zeit gesagt, dass er zu einer ganz anderen Gelegenheit einmal versprochen hatte – ohne magischen Schwur – dass er sich um mein Wohlergehen kümmern würde“, sagte Draco. Hermine beobachtete, wie sich ein leichtes Lächeln auf Dracos Gesicht niederschlug, bevor er sie aufklärte und sagte: „Das war zu meiner Taufe gewesen, als er mein Patenonkel wurde.“
Hermine lächelte breit, weswegen Draco auch keine Hemmungen mehr hatte, ebenfalls über das ganze Gesicht zu strahlen.
„Ist das der Grund, warum du ihn Patenonkel für dein Kind haben möchtest?“
Draco nickte und antwortete: „Er war immer gut zu mir und hat sich gekümmert. Einen besseren kann ich mir nicht vorstellen.“
Sie hoffte, nicht über die Stränge zu schlagen, als sie vorschlug: „Vielleicht solltest du lieber jemanden fragen, der in deinem Alter ist? Das ist üblich, dass die Paten das ungefähre Alter der Eltern haben.“ Damit er nicht sofort antworten würde, denn sie wollte, dass er sich Gedanken über ihren Vorschlag machte, lenkte sie ihn ab und erzählte: „Wir haben übrigens etwas Interessantes herausgefunden!“ Sie hatte Dracos ungeteilte Aufmerksamkeit erlangt und schilderte: „In dem Grab am See lag nie eine Leiche! Das Marmorgrab ist völlig massiv und darunter liegt auch nichts. Dumbledore hat seinen ’Ableben’ geplant, ohne auch nur einer Menschenseele etwas davon zu erzählen.“
Draco stieß Luft durch die Nase aus, bevor er ungläubig, aber dennoch lächelnd den Kopf schüttelte und sagte: „Der alte Marionettenspieler…“ Er lachte kurz auf und sagte dann: „Wie wäre es aber gekommen, wenn ich mich von seinen Worten dazu hätte überreden lassen, doch auf die gute Seite zu wechseln?“
„Mmmh“, machte Hermine. „Ich bin der Überzeugung, er wusste, dass du sein Angebot ausschlagen würdest. Er ist immerhin ein vorbildlicher Legilimentiker!“
„Ja, da wirst du Recht haben. Ich fasse es trotzdem nicht. Weißt du denn schon, wie er seinen Tod vorgetäuscht hat? Ich meine, wie konnte er das überhaupt überleben? Dem Avada zu entkommen ist ja schon ein Kunststück, aber Severus hat mir von der fluchgeschwärzten Hand erzählt, die nicht einmal er heilen konnte.“
Hermine schüttelte den Kopf und sagte: „Da tappen wir selber noch im Dunkeln, aber früher oder später wird Albus hoffentlich auf unsere Fragen antworten, denn er hat auch mit Sirius’ vorgetäuschtem Ableben etwas zu tun. Er hätte ihm irgendeine Art Trank gegeben, um ihn am Leben zu behalten. Ich hoffe nicht, er wartet so lange mit seinen Antworten, bis wir sie selbst gefunden haben.“
„Ich an seiner Stelle würde euch auch zappeln lassen“, sagte Draco belustigt. „Immerhin lässt ihn das irgendwie in einem guten Licht dastehen oder meinst du nicht? Selbst dem Tod zu trotzen und das Leben anderer zu beschützen ist doch in gewisser Weise sehr heroisch.“
„Mag sein, aber es muss auch einen Grund geben, warum Fawkes zu Harry und nicht zu Albus gekommen ist“, warf Hermine ein. „Das wirft wieder ein paar Schatten auf das so heldenhaft gezeichnete Bild, das Albus in der Zauberergemeinschaft geschaffen hat.“
„Der Phönix ist bei Harry?“, fragte Draco völlig verdutzt. „Da stellt man sich wieder eine Menge Fragen, nicht wahr? Es muss ja einen Grund geben, warum der Vogel nicht mehr der treue Begleiter des Direktors sein möchte.“
„Ganz genau“, sagte Hermine, um damit Dracos Aussage zu unterstreichen.
Ein Stockwerk über Hermine kam Harry gerade von seiner letzten Unterrichtsstunde zurück und er war noch vor Ginny angekommen. Kaum hatte er sich erholend auf seinem Sofa niedergelassen, zischte auch schon der Kamin und er hörte eine bekannte Stimme.
„Harry, bist du da?“, fragte Susan.
„Ja, Moment“, erwiderte er, bevor er seine weiche Sitzmöglichkeit verließ und sich auf den harten Stein vor den Kamin kniete.
Nach einer kurzen Unterhaltung lud Harry sie zu sich ein und obwohl sie noch im Dienst war, kam sie seiner Einladung nach.
„Hi Harry, ich…“ Sie verstummte, so dass Harry ihr erst einmal einen Platz anbot. „Danke“, sagte sie und setzte sich direkt neben ihn. „Sag mal, die DA hast du ja nach Kriegsende nicht mehr zusammengetrommelt.“
„Nein, das würdest du doch wissen“, sagte er lächelnd.
Sie nickte und lächelte zurück, doch ihr Lächeln verblasste, bevor sie sagte: „Vielleicht gibt es ja etwas Wichtiges, um das sich die DA kümmern könnte?“
Er runzelte die Stirn und fragte: „Was willst du mir damit sagen? Sprich einfach geradeheraus, Susan.“
„Hopkins“, war ihre einzige Antwort.
„Nein, der Phönixorden befasst sich damit, wenn auch nicht besonders gut, wenn ich das mal so ausdrücken darf“, sagte Harry gelangweilt.
„Na ja, ich hatte eben ein etwas längeres Gespräch mit Arthur. Er wird den Phönixorden auflösen müssen, sagte er. Sein Ministeramt steht auf dem Spiel, wenn er weiterhin zu den Treffen gehen würde, aber auch, wenn er den Orden auf eigene Faust weitermachen ließe“, erklärte Susan ihm.
Harry atmete genervt ein und aus, bevor er sagte: „Es ist doch aber bereits so ruhig um Hopkins geworden. Vielleicht geht von ihm keine Gefahr mehr aus. Ich…“ Er schüttelte aufgebracht den Kopf und erklärte: „Wenn ich ehrlich sein darf: Ich habe die Nase voll von irgendwelchen Gegnern. Ich möchte nicht immer wieder irgendjemanden haben, gegen den ich antreten muss; dem ich das Handwerk legen muss. Ich habe die Aufgabe erfüllt, die man mir aufgebürdet hatte.“
Susan nickte verträumt wirkend, denn sie dachte nach und sagte dann: „Ich weiß nicht, warum Arthur mir überhaupt nahegelegt hat, die DA wiederauferstehen zu lassen. Ich verstehe dich, Harry!“
Sie lächelte ihn an und Harry erkannte, dass sie ihn tatsächlich verstand. Trotzdem hatte es ihn neugierig gemacht, dass Arthur auf die DA setzte und so fragte er Susan, die ihm daraufhin ausführlich von dem seltsam verlaufenden Gespräch mit ihm schilderte. Sie fügte am Ende auch hinzu, dass Pablo ausgeliefert werden würde, um in der Muggelwelt seinen Prozess zu bekommen.
Harry seufzte, bevor er sagte: „Ich glaube, ich sollte mir eine einsame Insel kaufen und wegziehen.“
„Sei mir nicht böse, Harry, aber ich wollte dir unbedingt sagen, was Arthur mir gesagt hatte. Ich war ja nicht mehr zu den Ordenstreffen eingeladen und ich dachte, du würdest etwas damit anfangen können“, erklärte Susan reumütig.
„Ich war neulich seit Monaten das erste Mal wieder auf einem Ordenstreffen und das war nicht sehr erleuchtend. Es war langweilig!“, erklärte Harry.
„Weil Arthur alles, was gegen das Gesetz verstoßen würde, nicht erlauben kann. Ich weiß nicht, was er mir sagen wollte, aber womöglich sollte die DA einfach mal bei Hopkins vorstellig werden und den Mann unschädlich machen“, sagte Susan. Weil Harry sie mit ganz großen Augen anblickte, drückte sie sich klarer aus: „Nicht umbringen, Harry, aber manchmal sind Obliviate und Vergissmich-Zauber doch zu etwas nütze, denn wenn Hopkins von einem Tag auf den anderen seinen Feind ’vergessen’ hat, dann könnte das Problem gelöst sein, ohne dass wir ihm großartig Schaden zufügen müssen.“
Sich an Severus’ Worte erinnernd sagte Harry sarkastisch: „Warum schicken wir nicht einfach ein paar Erstklässler hin und lassen die das machen?“
mein Stil war anfangs auch nicht so wie jetzt. Ich hab eine Menge dazugelernt. Vielen Dank für das Kompliment

Fanfiction müssen auch nicht unbedingt genau den Stil von Rowling treffen, man sollte beim Schreiben besser niemanden kopieren, sondern seinen eigenen Weg finden. Freut mich sehr., dass dir meiner gefällt.
Deine Geschichte habe ich mir erst einmal gespeichert. Ich habe schon einige auf meiner "zu-lesen-Liste".
Lieben Gruß,
Muggelchen
116 DA
In Kingsley Büro war gerade Susan zu Gast und sie fragte ihn über den letzten Besuch bei Lucius aus. Kingsley erzählte ihr, dass der Gefangene sehr handzahm geworden wäre, nachdem er ihm klargemacht hatte, dass der Aufenthalt im Krankenhaus über mehrere Monate nicht notwendig gewesen wäre.
„Hat er was wegen mir gesagt?“, wollte Susan wissen.
„Ja, er lässt ausrichten, dass er dich trotzdem gern mal sprechen möchte.“ Da Susan einen erschrockenen Eindruck machte, fügte er hinzu: „Er hat sogar angeboten, dass währenddessen eine Schwester anwesend sein könnte. Ich nehme an, damit du dich wohler fühlst.“
„Wie nett von ihm“, sagte Susan sarkastisch.
Kingsley legte seine Feder zur Seite und teilte ihr seine Gedanken mit, indem er sagte: „Ich glaube, ihm liegt wirklich viel daran, diesen Prozess so schnell wie nur möglich hinter sich zu bringen. Momentan steht in seinen Akten, dass er nach dem Aufenthalt im Mungos mit sieben Jahren Haft zu rechnen hat.“ Kingsley grinste und fügte hinzu: „Er hat ganz schön gehandelt, um dorthin zu kommen!“
„Fragen wir ihn gar nicht mehr, ob er noch etwas weiß? Ich meine, über diesen Hopkins vielleicht?“, fragte Susan.
Kingsley schüttelte den Kopf und erwiderte: „Wir benötigen ihn dafür nicht mehr. Arthur führt Gespräche mit dem anderen Minister. Uns sind die Hände gebunden, denn wir können nichts gegen diesen Muggel unternehmen, ohne dass der andere Minister Fragen stellen würde. Hopkins ist mittlerweile eine offizielle Angelegenheit geworden. Es war ein guter Zug von Arthur, mit der Muggelregierung enger zusammenzuarbeiten, aber andererseits können wir nicht mehr so handeln, wie wir es gern möchten.“
Susan nickte und fragte, ohne auf das Thema Hopkins einzugehen: „Hat Malfoy gesagt, warum er mit mir sprechen möchte?“
Verneinend antwortete Kingsley: „Hat er nicht, aber ich gehe davon aus, dass er dich dazu bewegen möchte, seinen Verhandlungstermin vorzuverlegen. Es liegt bei dir, was du tun wirst, Susan. Er ist dein Fall.“
„Danke Kingsley“, sagte Susan, nahm die Akte Malfoy wieder entgegen, die sie ihm vor dem Besuch gegeben hatte und verließ sein Büro.
Sollte sie Dracos Vater entgegenkommen, wäre es gut möglich, dass er sich dankbar zeigen könnte, auch wenn dies nur daraus bestehen würde, sie nicht wegen ihrer Abstammung zu verachten und seinen Sohn wieder sein eigen Fleisch und Blut zu nennen. Später würde es für ihren zukünftigen Schwiegervater – Susan bekam eine Gänsehaut bei dieser Bezeichnung – sowieso noch sehr schwer werden, wenn er erst einmal erfahren hätte, dass sie sein Enkelkind unterm Herzen trug. Zum Glück, dachte Susan, gab es da noch Mrs. Malfoy, mit der sie wunderbar zurechtkam. Sie würde ihren Mann sicherlich in die Schranken weisen können, sollte der auch nur ein böses Wort über seinen Sohn, seine Schwiegertochter oder deren gemeinsames Kind von sich geben, denn Mrs. Malfoy freute sich bereits sehr darauf, bald einen Säugling im Arm halten zu dürfen. Trotzdem war die Gefahr groß, dass die erhoffte Zusammenführung der Familien Malfoy und Bones sehr negative Aspekte mit sich bringen könnte. Susan seufzte auf den Weg in ihr Büro. Erst neulich hatte Draco über seine Befürchtungen gesprochen, die unter anderem eine übereilte Scheidung seiner Eltern beinhalteten. Narzissa hingegen schien sich weniger Sorgen über ihr eigenes Eheglück zu machen, denn sie war der festen Überzeugung, dass Liebe alles überstehen könnte.
„Susan, passen Sie doch auf!“, keifte eine gereizte Stimme, die sie dem Minister zuordnen konnte, in den sie gerade gedankenverloren hineingelaufen war.
„Arthur, das tut mir wirklich sehr Leid. Habe ich Ihnen wehgetan?“, fragte sie besorgt.
Er blickte sie erzürnt an, doch ganz schnell tat ihm sein aufbrausendes Verhalten selbst Leid und er sagte mit netter Stimme: „Ich würde gern mit Ihnen reden, Susan. Privat.“
„Ja, sicher. Gehen wir in mein Büro?“, schlug sie vor.
„Nein, gehen wir draußen etwas spazieren“, sagte er, bevor er einmal tief Luft holte und gleich darauf so laut seufzte, dass Susan schon befürchtete, es würde ihm nicht gut gehen.
Der Hyde Park lag dem Ministerium am nächsten, so dass sie gemeinsam den Weg dorthin einschlugen. In dem weitläufigen Park sahen sie wegen des kühlen Wetters nur vereinzelt einige Passanten, so dass Arthur ehrlich und offen mit Susan sprechen konnte.
„Ich bin in einer Zwickmühle, Susan“, sagte er leise, während er zu Boden blickte.
„Wie kann ich Ihnen helfen?“, bot sie sofort an.
Er blinzelte und schaute ihr in die blauen Augen, bevor er sagte: „Sie wissen ja nicht einmal, was mir auf dem Herzen liegt.“
Sie lächelte ihn an und erklärte: „Ihnen werde ich immer helfen, Arthur. Was belastet Sie so sehr, dass Sie nicht im Ministerium mit mir reden wollten?“
Er atmete tief ein und aus, bevor er seine Brille von der Nase nahm und sie ausgiebig zu putzen begann, während er nach Worten suchte. Die fand er bald, denn er sagte: „Sie waren ja auch Mitglied des Phönixordens.“ Natürlich wusste er das, denn er hatte sie während der von Harry organisierten Treffen näher kennen gelernt.
Sie spitzte die Lippen und legte den Kopf schräg, bevor sie sagte: „Na ja, ich habe mich immer als Mitglied der ’DA’ gesehen, auch nachdem Harry die beiden Gruppen vereint hatte.“
„Ja, das dachte ich mir“, murmelte er, bevor er stehen blieb und ihr sagte: „Der Phönixorden macht mir zu schaffen, Susan. Ich kann ihn nicht einfach verlassen und ein Auge zudrücken. Sie kennen ja Mundungus.“ Sie nickte, so dass er erklärte: „Er ist ein“, Arthur zögerte, „netter Mann, aber er hat schon einmal Dinge im Suff ausgeplaudert, weswegen zwei Gamotmitglieder einmal an mich herangetreten waren, um zu fragen, ob die Gerüchte wahr seien, dass ich mit einer geheimen Organisation kollaborieren würde.“
„Wer war das und was haben Sie denen gesagt?“, fragte Susan besorgt.
„Es waren Fortunatus Storm und Winston Lavin. Von beiden halte ich sehr viel und sie von mir auch, aber ich weiß auch, dass sie einschreiten würden, sollte sich ihre Vermutung bestätigen, dass ich mich nicht nur mit ’alten Freunden’ treffe, sondern politische Dinge bespreche. Dieses eine Mal konnte ich sie davon überzeugen, dass Mundungus aufgrund seiner Vorliebe für alkoholische Getränke sicherlich dieses und jenes missverstanden haben musste oder Unwahrheiten hinzugedichtet hatte, aber wenn das noch einmal geschehen sollte…“
„Man würde Sie deswegen vors Zaubergamot zitieren und Ihnen Veritaserum geben“, vervollständigte Susan ganz richtig. „Warum reden Sie mit mir darüber, Arthur? Gibt es irgendwas, was ich tun kann?“
„Ich wollte Sie nur darüber informieren, dass ich den Phönixorden aus genau diesen Gründen zur Auflösung bewegen werde. Ich kann es einfach nicht zulassen, dass meine ganze Arbeit im Ministerium völlig umsonst gewesen war, sollte man mir mangelnde Loyalität der magischen Gesellschaft gegenüber vorwerfen und mich daher absetzen. Schon die Diskussionen über innenpolitische Themen könnte man mir zur Last legen, aber auch – sollte ich den Orden einfach verlassen – die Duldung einer solchen Organisation. Was würde nur aus den Gesetzen werden, die Kingsley vorbereitet, sollte man mich zum Rücktritt zwingen?“, fragte er bedrückt.
Susan fragte sich ernsthaft, warum Arthur ihr das überhaupt erzählte. Mit dem Phönixorden hatte sie gar nichts mehr zu tun und Harry hatte nach dem Sieg über Voldemort auch kein einziges Treffen der DA mehr einberufen, denn das wäre ihr nicht entgangen. Sie trug, wie wahrscheinlich jedes andere DA-Mitglied auch, ihre mit einem Proteus-Zauber versehene Galleone ständig bei sich. Die beiden, die den Krieg nicht überlebt hatten, waren mit ihrer Münze beerdigt worden. Zwei junge Menschen, die beide einen heldenhaften Tod gestorben waren, als sie ein Waisenhaus mit muggelstämmigen Kindern gegen Todesser verteidigt hatten. Zacharias hatte noch zu Schulzeiten seine Münze wieder an Harry zurückgegeben, bevor seine Eltern ihn vor Ende des sechsten Schuljahres aus Hogwarts herausgeholt hatten und warum Marietta ihre Galleone zurückgegeben hatte, war für alle DA-Mitglieder sehr verständlich.
Warum also erzählte ihr Arthur vom Phönixorden und den damit zusammenhängenden Problemen? Er konnte den Orden doch einfach, wie eben erklärt, auflösen.
Arthur räusperte sich und sagte gleich darauf recht leise: „Um den Phönixorden werde ich mir keinen Kopf mehr machen müssen, ist der erst einmal aufgelöst. Man kann ja seine Augen nicht überall haben, nicht wahr?“
Skeptisch betrachtete Susan den Minister, der offensichtlich nicht allzu deutlich werden wollte. Ständig rückte er seine Brille zurecht und murmelte vor sich hin und auf einmal verstand sie, was er ihr klarmachen wollte.
„Oh“, war die erste Bemerkung, die sie ihren Lippen gestattete, von sich zu geben. „Ich verstehe gut, was Sie meinen.“
Er blickte sie erleichtert an, fragte aber trotzdem: „Sie verstehen es wirklich?“
„Natürlich!“, erwiderte sie.
Selbstverständlich hatte sie verstanden, dass der Phönixorden ihm gefährlich werden konnte, aber wenn er nichts davon wusste, dass die DA wieder aktiv werden würde, dann wäre er als Minister auch keiner Gefahr ausgesetzt.
„Natürlich verstehe ich“, wiederholte sie lächelnd. Demnächst, dachte sie, würde wohl ein Gespräch mit Harry auf dem Plan stehen.
„Susan?“, fragte er vorsichtig. Als er ihre ungeteilte Aufmerksamkeit erhalten hatte, sagte er: „Angestellte des Ministeriums sollten sich wirklich nicht mit Gruppierungen identifizieren, die politische Angelegenheiten auf eigene Faust regeln wollen. Das könnte sehr böse enden.“
Er klang am Ende hin sehr niedergeschlagen, denn für sie würde es bedeuten, dass sie die DA nicht mehr so offen wie früher unterstützen könnte, ohne ihren Job aufs Spiel zu setzen.
„Eine einzige Entscheidung kann sich auf das ganze Leben auswirken“, sagte Susan philosophierend. Er hatte verstanden, dass sie sich durchaus der Risiken bewusst war.
Arthur atmete tief ein und aus und sagte dann freudestrahlend: „Ach, das war so erleichternd, Susan. Vielen Dank, dass Sie mir zugehört haben und dass Sie“, er zwinkerte ihr zu, „mich verstanden haben.“
Auf dem Rückweg erzählte sie Arthur: „Mr. Malfoy würde gern mit mir sprechen. Ich würde es für klug halten, seinen Termin tatsächlich vorzulegen. So oder so wird er zu ein paar Jahren verurteilt werden.“
„Das ist Ihr Fall, Susan. Sie können Mrs. Baltimore die Anweisung geben, den Termin auf einen früheren Zeitpunkt zu setzen“, erklärte er ihr im vollen Vertrauen auf ihr Handeln. „Weiß er schon von Ihrer Schwangerschaft?“, fragte Arthur. Gleich im Anschluss entschuldigte er sich: „Verzeihen Sie mir bitte, falls ich mir da eine viel zu private Frage erlaubt haben sollte.“
„Ist schon gut, Arthur. Nein, er weiß es noch nicht, aber ich denke, es wäre an der Zeit oder?“ Sie blickte Arthur an und sagte ehrlich: „Ich habe Angst davor, wie er reagieren wird. Ich befürchte, dass er Draco dann wirklich nie wieder sehen möchte. Im Moment glaube ich, dass dieses Vater-Sohn-Verhältnis noch eine Chance hätte, aber nicht, wenn ich…“ Sie verstummte.
Arthur lächelte milde und sagte Mut machend: „Es gibt zum Glück Situationen im Leben, die man nicht allein bewältigen muss. Sie werden den Rücken gestärkt bekommen, da bin ich mir ganz sicher. Machen Sie sich nicht allzu viele Sorgen darum. Lucius Malfoy wird sich damit anfreunden müssen, ob es ihm passt oder nicht.“
Im Park betrachtete Arthur eine ältere Dame, die mit zwei kleinen Kindern Vogelfutter streute und er musste lächeln, als die kleinen zahmen Spatzen die Körner sogar direkt aus der Hand pickten.
„Ach ja, Susan. Pablo Abello wird morgen an den anderen Minister ausgeliefert. Wir denken, dass eine Verhandlung in der Muggelwelt besser aussehen würde, damit Hopkins und seine Männer das ganze auch in der Muggelpresse verfolgen können.“ Da sie nichts dazu sagte, wollte er wissen: „Was denken Sie? War das eine gute Entscheidung?“
„Oh ja, ich denke, das war eine gute Entscheidung, sofern er auch verurteilt wird und nicht von einem findigen Rechtsverdreher auf freien Fuß gesetzt wird“, erwiderte sie.
Während Susan sich im Ministerium in ihr Büro begab, begab sich in Hogwarts ein Kniesel auf die Couch, auf der sein Frauchen saß und in dem Buch „Berührung mit der dunklen Seite der Magie“ las. Ohne es wahrzunehmen streichelte sie Fellini, während sie die Erklärungen in dem Buch in sich aufsog wie ein trockener Schwamm das Wasser. Albus hatte während ihres Gesprächs erwähnt, er würde ein schwarzmagisches Buch besitzen, bei welchem bestimmte Seiten nicht aufgeschlagen werden durften. Offensichtlich waren die verwendeten Fallen, mit denen ein Autor sein dunkles Werk vor Unwissenden zu schützen versuchte, sehr vielfältig. Nur zwei Drittel des Buches bestand aus den Umschreibungen, wie ein schwarzmagischer Gestand, besonders ein Buch, behandelt werden sollte. Das letzte Drittel zählte chronologisch Buchtitel auf und die Tücken, die sie mit sich brachten. Ein dunkles Werk mit dem Titel „Eiskalter Schlaf“, welches überwiegend den Geist vergiftende Tränke behandelte, durfte nach der Anleitung des Buches, welches sie gerade las, nur mit Handschuhen aus Drachenleder berührt werden, weil man sich sonst dem nicht mehr aufzuhaltenden Erfrierungstod aussetzen würde. Hermine zuckte innerlich zusammen und stellte sich die Frage, ob sie sich in Zukunft tatsächlich mit so gefährlichen Büchern auseinandersetzen wollte. Andererseits wäre sie aber vielleicht sogar in der Lage, die gemeine Wirkung von schwarzmagischen Zaubertränken aufheben zu können; da sprach wieder die Heilerin aus ihr.
Hermine legte das Buch auf den Tisch und griff sich ihren Kniesel, der sich laut schnurrend von ihr kraulen ließ, während sie über all die positiven und negativen Aspekte nachdachte, die das Studium der dunklen Magie mit sich bringen würde. Albus hatte schon Recht, als er gesagt hatte, man könnte nur Dinge bekämpfen, wenn man sie verstehen würde. Dem stimmte sie voll und ganz zu, aber gehörte sie zu den wenigen Personen, die sich gefahrlos damit beschäftigen konnten, um anderen helfen zu können?
Wie aus heiterem Himmel hatte sie die Antwort vor Augen, denn natürlich musste sie eine dieser Personen sein. Albus hätte ihr sicherlich freundlich davon abgeraten, würde er an ihr zweifeln. Sie durfte nicht aufhören, denn Albus hatte ihr auch ihr angeraten weiterzumachen, um Severus helfen zu können. Die Antwort auf die Frage, was Severus vor zwanzig Jahren widerfahren war, war möglicherweise sogar in den Büchern zu finden. War es doch einer dieser finsteren Tränke gewesen, den Severus damals eingenommen hatte? Früher oder später würde sie dahinter kommen und sie würde die Wirkung dessen, dem er ausgesetzt gewesen war, aufheben.
Es klopfte, aber da Hermine niemanden erwartete, rief sie nicht einfach „Herein“, sondern ging zur Tür hinüber und öffnete sie. Vor ihr stand Draco, der sie zunächst höflich grüßte und dann fragte: „Darf ich eintreten?“ Sie öffnete die Tür weiter und noch während sie ihm per Geste einen Platz anbot, sagte er mit Bestimmtheit in der Stimme: „Ich würde gern mit dir über Severus reden, wenn du Zeit hast.“
Sie blickte auf die Uhr und sagte: „Maximal eine Stunde, aber er sollte dich nicht bei mir sehen, sonst bekomme ich Ärger.“
„Ärger? Weil du mit mir etwas, sagen wir, Tee eingenommen hast, bevor dein Job bei ihm beginnt?“, fragte er mit einem überlegenen Grinsen.
Hermine hielt dagegen und konterte sarkastisch: „Natürlich würde niemandem auffallen, dass wir beide uns zum Teetrinken treffen, so gut, wie wir befreundet sind.“
„Wir könnten welche werden. Freunde, meine ich“, sagte er ruhig.
Sie ging kurz in sich, bevor sie nickte, aber trotzdem erklärte: „Sollte er dich im Gang vor meinen Räumen sehen, wenn du nachher gehst, dann werde ich trotzdem Ärger bekommen. Er mag es nicht, wenn ich mit anderen über ihn spreche.“
„Wer mag so etwas schon“, sagte er gelassen, bevor er einen Hauself rief und tatsächlich eine kleine Bestellung aufgab.
Während Draco ihr die Arbeit abnahm, den eben gelieferten Tee einzuschenken, fragte sie ihn: „Wie geht es Susan?“
„Oh, ihr geht’s wirklich gut. Ich habe eben mit ihr gesprochen. Mein Vater möchte unbedingt mit ihr reden und davor ist ihr etwas bange“, erzählte er offen.
„Würde mir nicht anders gehen“, murmelte Hermine, doch Draco hatte es verstanden.
„Ja, ich kann mir sehr gut vorstellen, warum du ihn nicht ausstehen kannst.“ Er wartete nicht darauf, dass Hermine ihre Meinung sagte, sondern er zählte auf: „Er hat Ginny das Tagebuch von Riddle gegeben. Er wollte das Buch loswerden, weil man unser Haus durchsuchen wollte. Viel hat er nicht drüber gewusst, nur dass es irgendwie die Kammer des Schreckens öffnen können würde. Sein Interesse lag aber weniger daran, die Kammer öffnen zu lassen, sondern viel mehr wollte er Dumbledore und Weasley wegen dem schwarzmagischen Objekt in Misskredit bringen.“ Er nahm den Teller mit Keksen und hielt ihn Hermine hin, die zugriff und weiterhin lauschte, als Draco völlig gelassen erzählte: „Mein Vater hat böse Späße mit Muggeln getrieben, was ihn auch nicht gerade sympathischer für dich macht und das hat er nicht nur während der Quidditch-Weltmeisterschaft getan. Zu meinem Bedauern muss ich gestehen, dass ich es damals lustig gefunden habe, wie die Muggel kopfüber in der Luft schwebten.“
An seinem Gesichtsausdruck erkannte sie, dass seine damalige Belustigung heute durch Reue ersetzt wurde. Er nahm sich selbst einen Keks vom Teller und schilderte: „Wirklich verachten kann man ihn für den Überfall im Ministerium; den Kampf gegen ein paar Jugendliche, die sich zu meinem Erstaunen auch noch gegen Todesser zur Wehr zu setzen wussten.“ Er erzählte es so sachlich wie nur möglich, obwohl ihm und ihr natürlich klar war, wer die Jugendlichen gewesen waren. „Danach habe ich erst begriffen, dass das alles kein Spaß mehr war, als Mutter und ich die Nachricht übermittelt bekamen, dass er nun in Askaban sitzen würde.“ Er seufzte und wiederholte danach leiser: „Es war kein Spaß mehr.“
„Er war auf der falschen Seite“, sagte Hermine leise.
Draco lachte kurz auf, obwohl ihm nicht zum Lachen zumute war. „Oh nein, er war nie auf der falschen Seite. Er war immer auf der richtigen, nämlich auf seiner Seite. Er hat sich nur mit den falschen Leuten eingelassen und ist da nicht mehr rausgekommen. Weißt du eigentlich, was der einzige Grund ist, warum ich hier sitze anstatt irgendwo zu verwesen?“ Sie schüttelte den Kopf, weswegen er erklärte: „Weil mein Vater sich nicht mehr aus Voldemorts Klauen befreien konnte, nahm sie alles in die Hand. Sie wusste, wie Voldemort dachte; kannte seine Rachsucht. Ich hätte, wenn es nach Voldemort gegangen wäre, für die Fehler meines Vaters büßen sollen, aber er hat nicht mit der Opferbereitschaft einer Mutter gerechnet, die das Leben ihres einziges Sohnes…“ Er hielt inne und trank einen Schluck Tee, um sich innerlich zu beruhigen. „Tut mir Leid, Hermine. Ich weiß gar nicht, warum ich dir das alles erzähle. Ich wollte über Severus mit dir reden.“
Hermine blickte ihn an und sagte mit ruhiger Stimme: „Erzähl ruhig weiter, Draco.“
Er haderte einen Augenblick mit sich selbst und entschloss sich letztendlich dazu, ihrer Bitte nachzukommen.
„Meine Mutter hat Severus zu einem Unbrechbaren Schwur überreden können. Er hatte geschworen, mir bei meinem Auftrag zu helfen, den Voldemort mir gegeben hatte, obwohl er zu diesem Zeitpunkt nicht einmal gewusst hatte, was dieser Auftrag überhaupt beinhaltete.“
Hermine warf ein: „Dumbledore umzubringen.“
Nickend bestätigte Draco und sagte: „Ja, aber auch, den anderen Todessern mit Hilfe des Verschwindekabinetts Zugang nach Hogwarts zu ermöglichen.“
„Deswegen hat Severus Albus ermordet, weil du es nicht konntest“, sagte Hermine nicht vorwurfsvoll.
Auf seine Tasse starrend sagte Draco: „Was danach passiert ist, weißt du ja.“
„Nein, wenn ich ehrlich bin, weiß ich gerade das nicht“, stellte sie klar.
Draco nahm einen Schluck Tee, dann noch einen und erst nach dem dritten konnte er sich dazu aufraffen zu schildern: „Wir sind mit ein paar anderen Todessern abgehauen. Harry ist uns noch gefolgt und ich bin ein wenig stutzig geworden, als Severus ihm noch Tipps mit auf den Weg gegeben hat. Als wir die magische Grenze überschritten hatten und das Apparieren endlich möglich war, da hat Severus mich plötzlich gepackt und…“ Er machte eine Geste mit seinen Händen, die seine damalige Verwirrung deutlich machte. „Ich war damals der Meinung, er hätte mich entführt und habe mich demzufolge auch so verhalten; habe ihn einen Verräter geschimpft. Andererseits war ich froh, Voldemort nicht mehr begegnen zu müssen. Es war mein Auftrag gewesen, Dumbledore umzubringen und nicht Severus’. Mindestens ein paar Cruciatus-Flüche wären mir sicher gewesen.“
Nach einer ganzen Weile sagte Hermine mit leiser Stimme: „Weißt du was, Draco? Severus hat viel mehr getan, als nur den Schwur zu erfüllen. Er hat sich um dich gekümmert und das war nicht mehr in dem Versprechen enthalten, das er deiner Mutter gegenüber gegeben hatte.“
„Nicht im Unbrechbaren Schwur, das nicht; da hast du Recht. Aber Severus hat mir im Laufe der Zeit gesagt, dass er zu einer ganz anderen Gelegenheit einmal versprochen hatte – ohne magischen Schwur – dass er sich um mein Wohlergehen kümmern würde“, sagte Draco. Hermine beobachtete, wie sich ein leichtes Lächeln auf Dracos Gesicht niederschlug, bevor er sie aufklärte und sagte: „Das war zu meiner Taufe gewesen, als er mein Patenonkel wurde.“
Hermine lächelte breit, weswegen Draco auch keine Hemmungen mehr hatte, ebenfalls über das ganze Gesicht zu strahlen.
„Ist das der Grund, warum du ihn Patenonkel für dein Kind haben möchtest?“
Draco nickte und antwortete: „Er war immer gut zu mir und hat sich gekümmert. Einen besseren kann ich mir nicht vorstellen.“
Sie hoffte, nicht über die Stränge zu schlagen, als sie vorschlug: „Vielleicht solltest du lieber jemanden fragen, der in deinem Alter ist? Das ist üblich, dass die Paten das ungefähre Alter der Eltern haben.“ Damit er nicht sofort antworten würde, denn sie wollte, dass er sich Gedanken über ihren Vorschlag machte, lenkte sie ihn ab und erzählte: „Wir haben übrigens etwas Interessantes herausgefunden!“ Sie hatte Dracos ungeteilte Aufmerksamkeit erlangt und schilderte: „In dem Grab am See lag nie eine Leiche! Das Marmorgrab ist völlig massiv und darunter liegt auch nichts. Dumbledore hat seinen ’Ableben’ geplant, ohne auch nur einer Menschenseele etwas davon zu erzählen.“
Draco stieß Luft durch die Nase aus, bevor er ungläubig, aber dennoch lächelnd den Kopf schüttelte und sagte: „Der alte Marionettenspieler…“ Er lachte kurz auf und sagte dann: „Wie wäre es aber gekommen, wenn ich mich von seinen Worten dazu hätte überreden lassen, doch auf die gute Seite zu wechseln?“
„Mmmh“, machte Hermine. „Ich bin der Überzeugung, er wusste, dass du sein Angebot ausschlagen würdest. Er ist immerhin ein vorbildlicher Legilimentiker!“
„Ja, da wirst du Recht haben. Ich fasse es trotzdem nicht. Weißt du denn schon, wie er seinen Tod vorgetäuscht hat? Ich meine, wie konnte er das überhaupt überleben? Dem Avada zu entkommen ist ja schon ein Kunststück, aber Severus hat mir von der fluchgeschwärzten Hand erzählt, die nicht einmal er heilen konnte.“
Hermine schüttelte den Kopf und sagte: „Da tappen wir selber noch im Dunkeln, aber früher oder später wird Albus hoffentlich auf unsere Fragen antworten, denn er hat auch mit Sirius’ vorgetäuschtem Ableben etwas zu tun. Er hätte ihm irgendeine Art Trank gegeben, um ihn am Leben zu behalten. Ich hoffe nicht, er wartet so lange mit seinen Antworten, bis wir sie selbst gefunden haben.“
„Ich an seiner Stelle würde euch auch zappeln lassen“, sagte Draco belustigt. „Immerhin lässt ihn das irgendwie in einem guten Licht dastehen oder meinst du nicht? Selbst dem Tod zu trotzen und das Leben anderer zu beschützen ist doch in gewisser Weise sehr heroisch.“
„Mag sein, aber es muss auch einen Grund geben, warum Fawkes zu Harry und nicht zu Albus gekommen ist“, warf Hermine ein. „Das wirft wieder ein paar Schatten auf das so heldenhaft gezeichnete Bild, das Albus in der Zauberergemeinschaft geschaffen hat.“
„Der Phönix ist bei Harry?“, fragte Draco völlig verdutzt. „Da stellt man sich wieder eine Menge Fragen, nicht wahr? Es muss ja einen Grund geben, warum der Vogel nicht mehr der treue Begleiter des Direktors sein möchte.“
„Ganz genau“, sagte Hermine, um damit Dracos Aussage zu unterstreichen.
Ein Stockwerk über Hermine kam Harry gerade von seiner letzten Unterrichtsstunde zurück und er war noch vor Ginny angekommen. Kaum hatte er sich erholend auf seinem Sofa niedergelassen, zischte auch schon der Kamin und er hörte eine bekannte Stimme.
„Harry, bist du da?“, fragte Susan.
„Ja, Moment“, erwiderte er, bevor er seine weiche Sitzmöglichkeit verließ und sich auf den harten Stein vor den Kamin kniete.
Nach einer kurzen Unterhaltung lud Harry sie zu sich ein und obwohl sie noch im Dienst war, kam sie seiner Einladung nach.
„Hi Harry, ich…“ Sie verstummte, so dass Harry ihr erst einmal einen Platz anbot. „Danke“, sagte sie und setzte sich direkt neben ihn. „Sag mal, die DA hast du ja nach Kriegsende nicht mehr zusammengetrommelt.“
„Nein, das würdest du doch wissen“, sagte er lächelnd.
Sie nickte und lächelte zurück, doch ihr Lächeln verblasste, bevor sie sagte: „Vielleicht gibt es ja etwas Wichtiges, um das sich die DA kümmern könnte?“
Er runzelte die Stirn und fragte: „Was willst du mir damit sagen? Sprich einfach geradeheraus, Susan.“
„Hopkins“, war ihre einzige Antwort.
„Nein, der Phönixorden befasst sich damit, wenn auch nicht besonders gut, wenn ich das mal so ausdrücken darf“, sagte Harry gelangweilt.
„Na ja, ich hatte eben ein etwas längeres Gespräch mit Arthur. Er wird den Phönixorden auflösen müssen, sagte er. Sein Ministeramt steht auf dem Spiel, wenn er weiterhin zu den Treffen gehen würde, aber auch, wenn er den Orden auf eigene Faust weitermachen ließe“, erklärte Susan ihm.
Harry atmete genervt ein und aus, bevor er sagte: „Es ist doch aber bereits so ruhig um Hopkins geworden. Vielleicht geht von ihm keine Gefahr mehr aus. Ich…“ Er schüttelte aufgebracht den Kopf und erklärte: „Wenn ich ehrlich sein darf: Ich habe die Nase voll von irgendwelchen Gegnern. Ich möchte nicht immer wieder irgendjemanden haben, gegen den ich antreten muss; dem ich das Handwerk legen muss. Ich habe die Aufgabe erfüllt, die man mir aufgebürdet hatte.“
Susan nickte verträumt wirkend, denn sie dachte nach und sagte dann: „Ich weiß nicht, warum Arthur mir überhaupt nahegelegt hat, die DA wiederauferstehen zu lassen. Ich verstehe dich, Harry!“
Sie lächelte ihn an und Harry erkannte, dass sie ihn tatsächlich verstand. Trotzdem hatte es ihn neugierig gemacht, dass Arthur auf die DA setzte und so fragte er Susan, die ihm daraufhin ausführlich von dem seltsam verlaufenden Gespräch mit ihm schilderte. Sie fügte am Ende auch hinzu, dass Pablo ausgeliefert werden würde, um in der Muggelwelt seinen Prozess zu bekommen.
Harry seufzte, bevor er sagte: „Ich glaube, ich sollte mir eine einsame Insel kaufen und wegziehen.“
„Sei mir nicht böse, Harry, aber ich wollte dir unbedingt sagen, was Arthur mir gesagt hatte. Ich war ja nicht mehr zu den Ordenstreffen eingeladen und ich dachte, du würdest etwas damit anfangen können“, erklärte Susan reumütig.
„Ich war neulich seit Monaten das erste Mal wieder auf einem Ordenstreffen und das war nicht sehr erleuchtend. Es war langweilig!“, erklärte Harry.
„Weil Arthur alles, was gegen das Gesetz verstoßen würde, nicht erlauben kann. Ich weiß nicht, was er mir sagen wollte, aber womöglich sollte die DA einfach mal bei Hopkins vorstellig werden und den Mann unschädlich machen“, sagte Susan. Weil Harry sie mit ganz großen Augen anblickte, drückte sie sich klarer aus: „Nicht umbringen, Harry, aber manchmal sind Obliviate und Vergissmich-Zauber doch zu etwas nütze, denn wenn Hopkins von einem Tag auf den anderen seinen Feind ’vergessen’ hat, dann könnte das Problem gelöst sein, ohne dass wir ihm großartig Schaden zufügen müssen.“
Sich an Severus’ Worte erinnernd sagte Harry sarkastisch: „Warum schicken wir nicht einfach ein paar Erstklässler hin und lassen die das machen?“
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Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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117 Über die Stränge
Es nervte Severus wirklich, dass Remus ihn immer so freundlich anlächelte. Am Sonntag war wieder Vollmond, was bedeutete, dass der Werwolf Freitag, Samstag und Sonntag für den Wolfsbanntrank kommen würde. Heute war Freitag und er hatte Hermine auferlegt, sich um Remus zu kümmern. Das ganze Wochenende würde er einmal am Abend diese Person ertragen müssen, die sich auch noch dreist herausnahm, ihn freundlich lächelnd zu fragen: „Severus, wie geht es dir?“ Severus kniff die Lippen zusammen. Er widmete sich seinem leeren Blatt Pergament und überlegte krampfhaft, was er draufschreiben könnte, damit es so aussah, als würde er arbeiten, bis Remus der reinen Konversation wegen fragte: „Das Ordenstreffen war nicht ganz nach deinem Geschmack oder?“ Severus warf ihm einen Blick durch verengte Augenlider zu, äußerte sich jedoch nicht und widmete sich wieder seinem Versuch, beschäftig auszusehen.
„Severus?“, rief Hermine vom Kessel zu ihm hinüber und Remus drehte sich ebenfalls zu ihr um. „Erzählen Sie Remus doch mal, wen wir neulich in der Winkelgasse getroffen haben!“ Diesmal warf er Hermine seinen Todesblick zu, doch Remus lenkte ihn gleich von der Überlegung ab, ob man einen Menschen womöglich durch Legilimentik umbringen könnte.
„Wen habt ihr denn getroffen? Jemanden, den ich kenne?“, fragte Lupin ihn.
Severus seufzte, ergab sich jedoch der höflichen Unterhaltung und antwortete: „Eine alte Schulfreundin.“
„Oh ja? Wer?“, fragte Lupin mit neugierig funkelnden Augen.
Ein gehässiges Lächeln formte sich wie in Zeitlupe auf Severus’ Gesicht, bevor er erwiderte: „Linda!“
So langsam, wie sich Severus’ Lächeln geformt hatte, so langsam verschwand das aus Lupins Gesicht, bevor er auf sein unaufdringliches Standardlächeln zurückgriff und fragte: „Wie geht es ihr?“
„Den Umständen entsprechend“, entgegnete Severus.
Lupin runzelte die Stirn und wollte wissen: „Was denn für Umstände?“
„Der Krieg hat sie zur Witwe gemacht. Sie hat zwei Kinder, ein Mädchen und einen Jungen und…“
Hinten vom Arbeitstisch rief Hermine freudestrahlend zu: „Belinda wird nächstes Jahr vielleicht schon Hogwarts besuchen!“
„Belinda…“, wiederholte Lupin verträumt den Namen des Mädchens, während Severus in Erwägung zog, seiner Schülerin die Unterhaltung komplett zu überlassen, doch der heutige Gast richtete erneut das Wort an ihn. „Hat Linda… Hat sie…?“
„Nach Ihnen gefragt?“, suggerierte Severus überheblich wirkend. „Nicht spezifisch, aber sie fragte, wen ich noch regelmäßig von früher sehen würde und da ist auch Ihr Name gefallen.“
„Das hat sie sicherlich überrascht, dass du mich genannt hast“, sagte Remus leicht betrübt.
Severus konterte: „Nein, es hat sie eher verdutzt, dass ich Black und Narzissa erwähnt hatte.“
Hermine, die noch immer den Wolfsbanntrank rührte, rief vom Tisch aus: „Linda schreibt Severus ab und an.“
Severus hatte genug. Er zog seinen Zauberstab, richtete ihn auf Hermine und… sagte nichts. Gleich darauf, von Remus ganz verdutzt angeblickt, steckte er seinen Zauberstab wieder in seine Innentasche. Remus schaute zu Hermine hinüber, die sehr wütend schien und gerade ihren eigenen Stab auf sich selbst richtete.
„Haben Sie mir eben einen wortlosen ’Silencio’ herübergeworfen? Das ist nicht nett, Severus“, meckerte Hermine.
Remus konnte nicht anders als zu grinsen, bevor er Severus fragte: „Ist das wahr? Ihr schreibt euch regelmäßig?“
Severus seufzte theatralisch und erklärte: „Wenn man zwei empfangene Schreiben und einen Antwortbrief bereits als ’regelmäßig’ bezeichnen möchte, dann ist die Antwort ja.“
Nickend nahm Remus diese Information zur Kenntnis und fragte gleich darauf: „Wollt ihr euch mal treffen?“
„Was geht Sie das an? Wollen Sie sie zurückhaben?“, giftete Severus zurück.
Remus beteuerte irritiert: „Nein, warum sollte ich?“
„Na ja“, sagte Severus, „sie wäre eine gute Partie für Sie, Lupin. Kinder hat sie ja immerhin schon!“
Remus entgleisten sämtliche Gesichtszüge, denn es war viel zu schwer, diese Gehässigkeit überhören zu wollen. Verlegen nickte Remus, als würde er Severus auch noch zustimmen, bis er den Kopf senkte und sich abwandte, um ein paar Schritte weiter am Tisch sitzend auf den Trank zu warten. Hermine hatte ganz vergessen, den Trank weiterhin umzurühren, denn Severus’ böse Worte hatten sie starr vor Entsetzen gemacht. Am liebsten hätte sie ihn zur Schnecke gemacht, aber dies war eine Sache, in die sie sich zunächst nicht einmischen wollte. Remus saß ruhig auf seinem Stuhl, knabberte am Fingernagel seines Daumens und schaute mit leerem Blick in den Raum, während er den Vanilleduft des Wolfsbanntranks einatmete.
Es herrschte eine eisige Stille in dem Privatlabor, in welchem Severus über einem Stück Pergament saß, Hermine den Trank in einen Kelch umfüllte und Remus diesen entgegennahm, um den Trank so heiß wie möglich einnehmen zu können. Am Rest verschluckte er sich und er hielt sich eine Hand vor das Gesicht, weil er hustete, doch Hermine bemerkte seine feuchten Augen, denn das, weswegen er den Trank gerade eingenommen hatte, war der einzige Grund für seine Kinderlosigkeit und genau daran hatte Remus eben auch denken müssen. Er konnte sich die Augen unbemerkt trocknen, bevor er sich zu Severus begab und ihm wortlos seinen Tränkepass reichte, den der Zaubertränkemeister augenblicklich unterzeichnete. Remus bedankte sich förmlich bei beiden für ihre Hilfe und verließ das Labor.
Nachdem Remus die Tür geschlossen hatte, verschränke Hermine ihre Arme angriffslustig vor der Brust. Ihr starrer Blick nahm ihn einen Moment gefangen, bevor er unschuldig wirkend fragte: „Was?“
„Ihr Sarkasmus ist ja noch in Ordnung, Severus, aber Sie sollten sich in Zukunft vielleicht weniger im Zynismus üben. Es sei denn, Sie genießen es, unausstehlich zu sein.“ Severus schnaufte lediglich verachtend und da er sich nicht äußerte, sagte sie: „Remus mag zwar momentan vom Gesetz her keine eigenen Kinder zeugen dürfen, aber er hat zumindest eine nette Frau an seiner Seite, was andere Herren“, sie blickte in eindringlich an, „nicht gerade von sich behaupten können.“
Severus erhob sich von seinem Stuhl und sagte leise säuselnd mit einem fiesen Grinsen auf den Lippen: „Sie sitzen im Glashaus und werfen mit Steinen?“
Es mag unüberlegt von Hermine gewesen sein, Severus’ Mangel an einer Partnerschaft anzusprechen, denn sie stand ja selbst ohne Freund da, doch sie hatte immerhin eine langjährige Beziehung hinter sich.
„Wissen Sie was, Severus?“ Er wartete geduldig, bis sie von allein und sehr bösartig fortfuhr: „Sie haben eine ganz herzliche Art an sich, alten Freunden gegenüberzutreten. Kein Wunder, dass Ihre Gesellschaft so heißt begehrt ist.“
Durch die Zähne zischelnd stellte Severus klar: „Er ist nicht mein Freund!“
„Aber er will es vielleicht sein?“, meckerte Hermine zurück.
Ihre Frage blieb einen Moment im Raum stehen, denn Severus war von dieser Möglichkeit ganz verblüfft. Das würde zumindest die Einladung zur Verlobungsfeier erklären, dachte er.
„Ihre Freunde, Hermine, sind nicht automatisch meine!“, machte er ihr klar.
Hermine schoss gleich spöttisch zurück: „Oh, viele wollen das auch gar nicht, glaube Sie mir! Das mag vielleicht daran liegen, dass die meisten Ihre liebenswerte, fast schon erdrückende Art einfach nicht ertragen können.“
„Diese Menschen haben keine andere Behandlung verdient“, erklärte Severus nüchtern.
Hermine wollte es ihm heimzahlen, doch sie ließ sich zu viel Zeit, ein passendes Gegenargument zu wählen, was bei ihm den Eindruck erweckte, er hätte sie sprachlos gemacht.
„Soll ich Ihnen eine Portion Seegras holen?“, fragte Severus verhöhnend.
„Oh nein, ich denke, ich kann mich mittlerweile sehr gut verbal ausdrücken, Severus“, erwiderte sie aufgebracht. „Jedes Mal, wenn ich den Mund aufmache, muss ich Angst haben, bei Ihnen irgendeinen falschen Knopf zu erwischen und mich dann Sekunden später in der Luft zerfetzt zu sehen. Sie sind ein emotionales Minenfeld und ehrlich gesagt habe ich keine Lust mehr drauf.“ Severus öffnete den Mund, doch bevor er das Wort ergreifen konnte, wurde sie nur noch lauter und sagte: „Vielleicht sollten Sie einfach mal darüber nachdenken, wer Ihr Freund ist und wer nicht. Und wenn Sie sich darüber im Klaren sind, dann dürfen Sie sich gern mal mit den Umgangsformen befassen, die man Freunden gegenüber an den Tag legt!“
Er atmete aufgeregt, doch er wagte es nicht, auch nur einen Mucks von sich zu geben. Offensichtlich war sie schon so lange mit ihm zusammen, dass sie wusste, wie man Sarkasmus gezielt einsetzen konnte, um verletzen zu können. Severus würde es nie zugeben, doch einiges, das sie gesagt hatte, hatte ihn verletzt. ’Emotionales Minenfeld’, wiederholte er erzürnt in Gedanken.
„Brauchen Sie mich heute Abend noch?“, fragte sie gleichgültig klingend. Er schüttelte den Kopf, so dass sie ihre Tasche nahm und ihn ohne ein Wort des Abschieds verließ.
Im Erdgeschoss klopfte Hermine bei Harry erst an die Tür, da auch sie neulich in die Verlegenheit gekommen war, Harry und Ginny gestört zu haben.
„Hermine, komm rein“, grüßte Harry.
„Ist Ginny auch da?“, wollte sie wissen.
Harry bot ihr einen Platz an und antwortete: „Nein, sie wollte noch mit ein paar Klassenkameradinnen zusammen lernen. Na ja, eher wollte sie ihnen Nachhilfe geben. Was gibt’s?“ Harry betrachtete Hermines Gesicht und erkannte ihre angestaute Wut, so dass er ganz richtig tippte: „Severus? Was hat er nun schon wieder angestellt?“
„Er war gemein zu Remus; hat sich eine Anspielung darauf erlaubt, dass Remus laut Gesetz keine eigenen Kinder haben darf. Das hat ihn sehr getroffen, aber gesagt hat er nichts“, erklärte Hermine mit Wut in der Stimme. „Harry, das geht mit Severus so nicht mehr weiter. WIR kommen nicht weiter. Und ich habe wirklich keine Lust, immer wieder den Blitzableiter zu spielen.“
„Albus hat gesagt, wir dürfen nicht aufhören“, rief Harry sich ins Gedächtnis zurück.
„Aber mit WAS nicht aufhören? Was ist es denn, das wir machen? Uns von ihm beschimpfen lassen? Ich will das nicht mehr! Diesmal war es Remus; das nächste Mal bin ich es wieder. Das wird langsam ermüdend“, meckerte Hermine.
„Was willst du denn dagegen machen?“, wollte Harry wissen.
Sie hob und senkte einmal langsam die Schultern, denn sie war ratlos. Von Harry ließ sie sich ein wenig bedienen und sie griff bei dem Teller mit Keksen zu, die ganz eindeutig Mollys Handschrift trugen. Etwas ruhiger sagte sie das Thema wechselnd: „Ich habe mich mit Draco über Severus unterhalten. Ihm sind die braunen Augen jetzt auch schon aufgefallen! Draco hatte Severus gefragt, ob er der Pate seines Kindes werden möchte und Severus hat abgelehnt.“
„Au, das wird wehgetan haben. Wenn Sirius ablehnen würde, dann wäre ich auch sehr geplättet“, sagte Harry ehrlich.
„Würdest du Sirius überhaupt fragen wollen?“
Harry schüttelte den Kopf und sagte: „Nein, ich glaube nicht. Wir haben dich gefragt, weil du nicht nur eine liebe Freundin bist, sondern wir dir auch im Umgang mit Kindern sehr vertrauen. Bei Sirius… Na ja, er würde dem Kind nur Unsinn beibringen. Da könnten wir gleich Fred und George fragen, ob sie Paten werden möchten.“
Völlig unverhofft fragte Hermine ganz leise, als würde sie die Antwort fürchten: „Hast du Ginny erzählt, dass wir uns geküsst haben?“
Die Erinnerung an den Abend drängte sich blitzschnell in den Vordergrund. Er hatte den Kuss mit Hermine genossen, aber er hatte nach dem kurzen, heißen Feuer keine Lust auf „mehr“ verspürt.
„Nein, Hermine und es wäre schön, wenn wir uns einig wären, dass es unter uns bleibt.“
„Natürlich“, war ihre gehauchte Zustimmung. „Es tut mir Leid, Harry, dass das so gekommen…“
„Nein, Hermine. Mach dir keine Gedanken. Es ist passiert und wir können es nicht ändern. Alles ist in Ordnung. Ich bereue es nicht einmal“, machte er ihr flüsternd klar und in seiner Stimme schwang ein wenig Unsicherheit mit, denn er wusste nicht, ob er deswegen Schuldgefühle haben müsste.
Sie blickte ihn an und lächelte erleichtert, weil es ihr genauso ging wie ihm, denn auch sie verspürte nicht den Wunsch, eine noch innigere Beziehung zu ihm zu haben als sie schon war.
Hermine wechselte schnell wieder das Thema und fragte Harry: „Ist dir eigentlich an Severus in letzter Zeit irgendwas aufgefallen?“
Beide Augenbrauen wanderten bei Harry in die Höhe, so dass sie den oberen Rand seiner Brille umrahmten, bevor er fragte: „Meinst du was Besonderes?“
„Nein, ich möchte nur wissen, ob dir allgemein noch irgendeine Veränderung aufgefallen ist“, erklärte sie.
„Puh“, machte Harry und dachte angestrengt nach. „Deine Frage überrollt mich ein wenig. Mir sind immer wieder Dinge aufgefallen, die ich aber nicht so aus dem Stegreif wiedergeben kann.“
„Dann achte einfach mal in Zukunft drauf“, bat sie ihn. „Ach ja, habe ich dir noch gar nicht gesagt: Ich hatte mit Mr. Ollivander gesprochen, weil mich die zweite Stabkernzutat interessiert hatte. Mit dem Einhornhaar hatte ich ja richtig gelegen.“
„Ron hat auch Einhornhaar in seinem Stab“, bemerkte Harry.
„Ja, das stimmt! Neville auch und auch Cedric hatte…“ Hermine hielt ganz schnell inne, um bei Harry nicht wieder alte Wunden aufzureißen. Den Tod seines Schulkameraden hatte er nie richtig überwunden, weil er sich immer wieder eine große Mitschuld daran gab.
„Wo du gerade von Severus’ Zauberstab sprichst: Da ist mir was aufgefallen!“, sagte Harry und Hermine erwartete, dass er mit der Sprache rausrücken würde, was er auch tat. „Er trägt den neuen Stab nicht mehr im linken Ärmel, sondern in der Brusttasche seines Umhangs.“
„Genau solche Kleinigkeiten meine ich. Das ist mir nämlich auch aufgefallen. Außerdem, aber das hat er mir direkt gesagt, gehen ihm die Zaubersprüche ungewohnt leicht von der Hand“, erzählte sie.
„Und was ist nun mit dem zweiten Stabkern?“, wollte Harry wissen.
Hermine schilderte: „Na ja, das hatte mir ja keine Ruhe gelassen und ich habe Ollivander gefragt. Ich hatte bereits eine Vermutung und die hat er nun bestätigt. Es ist ein Haar von mir.“ Harry machte ganz große Augen, doch er kam nicht dazu, etwas fragen zu können, denn sie erzählte bereits: „Er konnte nicht erklären, warum es eines von mir sein musste, aber es war ja offensichtlich die richtige Zutat.“
Ungläubig schüttelte Harry den Kopf und sagte: „Ich habe noch nie gehört, dass außer dem Haar einer Veela das Haar einer bestimmten Person für die Stabherstellung benutzt wurde. Das ist seltsam, Mine.“ Er blickte sie an und fügte hinzu: „Das ist eine sehr persönliche Zutat. Ollivander muss doch irgendeine Vermutung gehabt haben. Er kann doch nicht auf gut Glück irgendein Haar nehmen und es in einen Zauberstab packen.“
„Ich verstehe, was du meinst und ehrlich gesagt bin ich noch nicht ganz dahinter gekommen“, sagte sie bedrückt.
Harry nickte und vermutete laut: „Er hätte wahrscheinlich auch eines von mir nehmen können. Möglicherweise musste das Haar nur von jemandem stammen, der Severus nahe steht? Deine eigenen sich doch bestens, denn meine sind ja viel kürzer als ein Zauberstab lang ist.“ Harry grinste verstohlen, hatte jedoch vollkommen Recht.
Einen Moment grübelte Hermine, bevor sie sagte: „Vielleicht hat Ollivander gesehen, dass Severus’ Augen sich verändert haben, als ich den Laden betreten hatte. Das war sowieso wieder so eine merkwürdige Situation.“ Er hörte ihr aufmerksam zu, als sie schilderte: „Ich bin also nach ein paar Minuten in den Laden gegangen und sehe Severus, wie er den armen Ollivander am Schlafittchen gepackt hat. Die Stimmung war sehr gespannt. Sie müssen gestritten haben, aber als ich hinzugestoßen bin, hat Severus ihn losgelassen und war wieder recht besonnen wie sonst auch. Er hat den Laden dann schon verlassen, aber ich wollte noch mit Ollivander sprechen. Das war der Moment, als er mir mit seinen Fingern durchs Haar gefahren ist und sagte, Severus könnte seinen Stab demnächst abholen. Erst später hatte ich die Vermutung, dass Ollivander in diesem Moment eines meiner Haare genommen hatte.“
„Es könnte ja sein“, begann Harry, „dass ein Stückchen der Magie eines Freundes wahre Wunder bewirken kann. Vielleicht deshalb ein Haar von dir? Es wäre auch möglich, dass Ollivander einfach nur beobachtet hat, wie Severus’ Augen braun geworden sind. Du hast ja selbst gesagt, dass sie schwarz sind und erst braun werden, wenn du oder ich in seiner Nähe sind. Draco hat es jetzt auch schon einmal gesehen. Ist Remus nie etwas aufgefallen?“
Hermine hob und senkte ihre Schultern, bevor sie sagte: „Ich glaube, er hat nie etwas gesehen.“ Sie erinnerte sich an Severus’ bösartige Worte. „Remus ist jetzt bestimmt niedergeschlagen. Ich überlege, ob ich ihn mal anflohe, um mich zu erkundigen, wie es ihm geht. Das war schon ziemlich gemein, was Severus da gesagt hatte.“
„Wie genau hat er ihn denn beleidigt?“
„Er meinte, Linda wäre eine gute Partie für ihn, weil die ja immerhin schon Kinder hätte“, gab Hermine wider.
Harry schüttelte den Kopf und sagte dann aufgebracht: „Severus benötigt selbst mal eine kleine Abreibung. Das ging wirklich zu weit. Hat Remus denn gar nichts dazu gesagt?“
„Nein, du kennst ihn doch. Er wird dann sehr ruhig. Ich weiß, dass ihn das sehr getroffen hat“, erklärte Hermine mit trauriger Stimme.
Sie saßen einen Moment still nebeneinander. Harry schenkte Tee ein und dachte währenddessen nach.
„Weiß du, ich denke, wir sollten Remus alleine handeln lassen. Warum sollten wir uns einmischen, wenn zwei erwachsene Männer sich so angiften? Wir können Severus natürlich unsere Meinung sagen, aber mehr nicht“, schlug Harry vor.
„Es würde eh nichts bringen. Severus wird sich nichts sagen lassen. Genauso gut könnten wir versuchen, Alastor davon zu überzeugen, dass Severus ein guter Mann ist“, sagte Hermine.
Harry lachte und sagte gleich daraufhin: „Alastor ist unverbesserlich, aber ich verstehe ihn irgendwo. Er hat so viel mit Todessern zu tun gehabt…“
Harry schüttelte gedankenverloren den Kopf. Alastor hatte ihm in den vielen Jahren etliche seiner Erlebnisse geschildert, die sehr hilfreich im Kampf gegen die Todesser gewesen waren. Der Mann hatte viel durchmachen müssen, was man auch an seinem mitgenommenen Körper sehen konnte. Ihm fehlten ein Auge, ein Unterschenkel und sein ganzer Leib war mit Narben übersät. Es war aber nicht nur Alastors Körper, an dem man die tragische und heldenhafte Geschichte dieses alten Aurors ablesen konnte, sondern auch sein Verhalten. Alastor litt, wie Hermine es mal so schön ausgedrückt hatte, an „sehr wunderlichen Angewohnheiten“.
Seufzend griff Hermine zu ihrem Tee und nahm einen Schluck, bevor sie die Tasse wieder abstellte. „Mir war klar, dass Alastor noch immer nichts von Severus hält, auch wenn man ihm einen Orden gegeben hat.“
„Ja, das hat Severus auch mal gesagt. Das war nach der Sache mit dem Todesserangriff auf die Versammlung. Severus weiß genau, dass es noch immer Leute gibt, die ihm trotz Orden nicht trauen und Alastor gehört dazu. Aber zumindest können sie schon im gleichen Zimmer sitzen, ohne sich gegenseitig zu bekriegen“, schilderte Harry.
„Alastor ist erwachsen“, warf Hermine ein. „Selbst ich komme mit Menschen klar, die ich vor zehn Jahren am liebsten vermöbelt hätte. Ich meine, ich hätte nie gedacht, dass ich mal ein anständiges Wort mit Draco wechseln könnte, aber es geht, wenn man sich nur anstrengt.“
„Ich habe gehört, er will die Schule doch noch fertigmachen. Eigentlich hätte er es ja nicht nötig, aber ich find es trotzdem gut“, sagte Harry.
Hermine nickte, bevor sie sagte: „Ich werde mal sehen, ob er noch immer Interesse daran hat, meinen Trank zu testen. Du könntest den neuen auch mal nehmen, Harry. Der hält eine halbe Stunde an! Ich versuche vorher noch, den Trank etwas zu modifizieren. Ich möchte, dass derjenige, der den Trank genommen hat, seine eigenen Farben sehen kann.“
„Ist das denn möglich?“, fragte Harry verdutzt.
Hermine lachte und erklärte: „Das weiß ich ja nicht, Harry. Ich will es versuchen. Das ist das Schöne am Forschen. Man hat eine Idee und versucht sie umzusetzen! Wenn der Adlerauge die Magie für einen selbst sichtbar machen kann, wird sich diese Eigenart vielleicht auf meinen Trank anwenden lassen.“
„Das ist das, was du am liebsten machst oder? Ich meine zu forschen. Das ist absolut dein Ding, Hermine“, sagte Harry und sie nickte nur lächelnd.
„Ich werde mal sehen, ob ich einen Squib finde, der den Trank nehmen würde. Das Ergebnis wäre nur zu interessant. Ich meine, damit könnte man vielleicht sehen, ob die Magie vorhanden ist, aber von irgendwas blockiert wird! Oder man kann definitiv feststellen, dass Squibs nicht zaubern können, weil kaum oder keine Magie vorhanden ist. Vielleicht kann man mit den Ergebnissen einigen helfen, doch noch einen Stab zu schwingen“, sagte Hermine schwärmend.
„Und du hast mir mal vorgeworfen, ich würde immer nur an andere denken und dann erst an mich selbst“, beschwerte sich Harry kindisch, so dass sie lachen musste. Er lachte einen Moment mit und sagte dann: „Du bist doch genauso wie ich, Hermine.“
Mit einem Schmunzeln auf den Lippen rechtfertigte sich Hermine: „Ich bin Heilerin, Harry! Natürlich liegt mir das Wohl von anderen Menschen am Herzen.“
„Ja, aber nicht nur das Wohl von Menschen, sondern auch das von Hauselfen, von Riesen“, Harry zählte mit vorgetäuscht gelangweilter Stimme weiter auf, „von Werwölfen, Zentauren, Squibs, Vampiren, Muggeln und – nicht zu vergessen – von griesgrämigen Zaubertränkelehrern.“
Hermine brach in Gelächter aus und steckte Harry damit an. Noch immer lachend sagte sie: „Einer ist in deiner Aufzählung mit dabei, der sich nicht helfen lassen will. Na ja, die Zentauren sind da auch etwas eigen und möchten sich nicht unbedingt von Menschen unter die Arme greifen lassen.“
„Ich verstehe es nicht, Mine. Severus hat mit der Sache angefangen und unsere Neugierde geweckt. Warum macht er dann so auf stur? Warum lässt er sich nicht helfen?“, wollte Harry wissen.
Hermines Lächeln verblasste langsam und mit einem ernsten Gesichtsausdruck erklärte sie: „Vergiss nicht: Sein Irrwicht ist er selbst, Harry. Er hat Angst vor dem, was kommen wird oder vielleicht sogar vor dem, was einmal war. Wenn wir es tatsächlich fertig bringen sollten, sein Geheimnis zu lüften, dann muss er mit dieser Angst umgehen. Vielleicht handelt es sich auch nur um ein Unwohlsein, das schnell wieder verfliegen würde, wenn dieser Moment erst einmal eingetroffen ist.“ Als Beispiel nannte sie: „So wie bei dir, wenn du zu einer großen Veranstaltung gehen musst. Du willst eigentlich nicht gehen, hast Angst vor den Menschenmassen und möchtest dich am liebsten verkrauchen, aber wenn du erst einmal dort bist, dann ist wieder alles in Ordnung und du fühlst dich wohl. Aber vielleicht hat er richtig große Angst, weil…“ Sie suchte nach den passenden Worten und fuhr fort: „…weil sein Leben dann Kopf stehen würde; weil sich alles für ihn verändern würde. Ich weiß zwar nicht genau, was mit ihm ist, aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich genauso viel Angst hätte.“
„Hermine, wir drehen uns da trotzdem im Kreis. Wir kommen nicht weiter und erleben nur Dinge, die schon einmal passiert sind. Was haben wir denn schon? Seine braunen Augen, die jetzt auch Draco gesehen hat. Seine Ausbrüche, ob jetzt negativ oder positiv – diese Ausbrüche zeigen ganz klar, dass er sich immer häufiger nicht mehr unter Kontrolle hat. Wir kennen seine Farbe. Grau ist schlecht hast du gesagt und wir haben Ollivander, der gesagt hat, Severus müsste ’Farbe bekommen’. Wir sind uns einig, dass das auf seine Augenfarbe gemünzt werden kann und zu guter Letzt macht Albus einen auf Heimlichtuer. Wir haben doch nichts weiter an Informationen. Jeder andere würde an dieser Stelle aufhören und was machen wir? Wir ’machen weiter’, wie Albus so schön vorgeschlagen hat. Wir versuchen und wir strengen uns an und unsere Köpfe rauchen schon, aber alles, was wir haben, sind nur Theorien, die wir einfach nicht bestätigen können. Ist seine Magie grau, weil ihm ein Stück Seele fehlt oder ist sie einfach nur mit der Zeit verblasst, weil er wie ein Einsiedlerkrebs gelebt hat?“
Sie nickte und ließ sich das Gesagt durch den Kopf gehen. Sie drehten sich wirklich im Kreis.
„Wegen Severus… Es gab da wieder einen kleinen Zwischenfall. Er hat sich ans Herz gefasst und war völlig ergriffen. Das war, als Draco mit ihm sehr persönlich gesprochen und ihn gebeten hatte, Pate für sein Kind zu werden. Das muss Gefühle wachgerufen haben. Nach einer kleinen Drohung meinerseits, die ihn wütend gemacht hat, war auf einmal alles wieder in Ordnung.“
„Was denn für eine Drohung?“
Hermine kratzte sich hinterm Ohr, bevor sie schilderte: „Er war völlig am Boden; hat sich aufgegeben und auch so gesprochen und da habe ich ihm damit gedroht, ihn ins Mungos einweisen zu lassen.“
Harry überlegte kurz und vermutete laut: „Dann können negative Gefühle, die man absichtlich aufkommen lässt – wie du mit deiner Drohung – seinen Zustand wieder normalisieren?“
„Na ja, ich denke ja eher, dass sein ’Normalzustand’ eben gar nicht sein Normalzustand ist wie auch seine schwarzen Augen nicht seine ursprünglichen sind. Mir ist da eine Idee gekommen…“
„Mine, wenn du in solchen Situationen von Ideen sprichst, wird mir ganz schlecht“, nörgelte Harry. „Das mit dem Irrwicht ist ja auch völlig daneben gegangen. Lass es lieber.“
„Aber wir sollen doch nicht aufgeben!“, sagte Hermine herrisch. „Meine Idee war nämlich, seine Ausnahmezustände bewusst herbeizuführen.“
„Und wie genau möchtest du das machen?“, fragte Harry vorsichtig, denn er ahnte Schlimmes.
„Ich dachte an deine Babydecke. Kannst du sie mir leihen?“, fragte sie mit Engelszungen.
„Spinnst du? Severus lag danach auf der Krankenstation und…“
„Er lag nicht wegen der Decke dort, sondern wegen der verschiedenen Tränke, die er eingenommen hatte, weil er mit seinen Gefühlen nicht umgehen konnte. Diese Decke hat bisher am heftigsten bei ihm gewirkt und ich denke, das sollte man wiederholen“, erklärte sie.
„Oh nein“, sagte Harry kopfschüttelnd. „Ohne mich! Weißt du überhaupt, wie du dich anhörst? Er ist keines deiner Experimente, Hermine. Das kann schiefgehen und böse enden!“
Hermine stieß erbost Luft durch die Nase aus und schimpfte: „Na, du hast ja wirklich viel Vertrauen in mich oder hast du vergessen, dass ich Heilerin bin?“
„Das hat doch nichts mit dir persönlich zu tun, sondern…“
Hermine unterbrach Harry und sagte aufgeregt: „Verdammt, wir sollen weitermachen, sagt Albus und ich verstehe so etwas unter ’weitermachen’. Wir wissen doch überhaupt nichts; haben nur Vermutungen. Severus sagt nichts, Albus sagt nichts und niemand anderes weiß etwas. So kommen wir jedenfalls nicht weiter. Es müssen Taten folgen!“
„Ohne Rücksicht auf Verluste?“, fragte Harry wütend.
„Natürlich nehme ich Rücksicht. Ist ja nicht so, als würde ich ihm die Decke zuwerfen und weglaufen. Ich bleibe bei ihm, wenn ich…“
„Nein, Hermine. Du bekommst die Decke nicht. Ich will damit nichts zu tun haben“, machte er ihr klar.
Für Hermine war das eine vom anderen durchaus zu trennen, denn Harry musste ja nichts damit zu tun haben, wenn er nicht wollte. Die Decke wollte sie aber auf jeden Fall haben, doch für heute ließ sie das Thema lieber ruhen.
Nach einer ganzen Weile fragte Harry: „Geht es dir gut, Hermine? Du bist in letzter Zeit so blass.“
Sie presste die Lippen zusammen, denn sie erinnerte sich daran, das nicht zu ersten Mal gehört zu haben. „Es geht mir gut! Es ist mir allerdings ein Rätsel, warum man mich ’blass’ nennt. Du bist nicht der Erste, Harry.“
„Na, dann sieh dich doch mal im Spiegel an“, forderte er und sie folgte seinem Ratschlag.
In den Spiegel an der Wand neben der Uhr blickend hielt sie vor Schreck eine Hand vor den Mund, bevor sie sagte: „Ich bin ja wirklich blass. Warum ist mir das nicht aufgefallen?“
„Vielleicht wegen dem Licht in den Kerkern?“, vermutete Harry laut. „Du hast da ja nicht einmal Fenster; nur magisches Licht.“ Demonstrativ blickte Harry zu den beiden großen Doppelfenstern hinüber, die eine Seite seines Wohnzimmers zierten. „Ich habe dir zu Anfang gesagt, dass es keine zwei Monate dauern würde, bis sich eine ’vornehme Blässe’ in deinem Gesicht niederschlagen würde. Jedes noch so kleine Pflänzchen braucht Tageslicht, um am Leben zu bleiben.“
„Trüffel brauchen kein Tageslicht!“, rechtfertigte sie sich.
Harry verzog das Gesicht, bevor er sagte: „Du bist aber kein unterirdisch wachsender Pilz, Hermine. Du hast ja eben gesagt, dass es nicht nur mir aufgefallen ist, dass du blass bist. Wer hat das noch gesagt?“
„Albus, als wir miteinander gesprochen haben“, erwiderte sie kraftlos.
„Dann mach etwas dagegen“, schlug Harry vor.
„Und was bitteschön? Soll ich aus den Kerkern ausziehen und hoch zu euch kommen?“
„Warum nicht? Im Erdgeschoss ist zwar nichts frei, aber dafür im vierten Stock“, sagte Harry, der sich an ein Gespräch mit Minerva erinnerte. „Im vierten, Hermine“, wiederholte Harry, „sogar mit Balkon!“
Hermine blickte ihn an und schien tatsächlich darüber nachzudenken.
Es nervte Severus wirklich, dass Remus ihn immer so freundlich anlächelte. Am Sonntag war wieder Vollmond, was bedeutete, dass der Werwolf Freitag, Samstag und Sonntag für den Wolfsbanntrank kommen würde. Heute war Freitag und er hatte Hermine auferlegt, sich um Remus zu kümmern. Das ganze Wochenende würde er einmal am Abend diese Person ertragen müssen, die sich auch noch dreist herausnahm, ihn freundlich lächelnd zu fragen: „Severus, wie geht es dir?“ Severus kniff die Lippen zusammen. Er widmete sich seinem leeren Blatt Pergament und überlegte krampfhaft, was er draufschreiben könnte, damit es so aussah, als würde er arbeiten, bis Remus der reinen Konversation wegen fragte: „Das Ordenstreffen war nicht ganz nach deinem Geschmack oder?“ Severus warf ihm einen Blick durch verengte Augenlider zu, äußerte sich jedoch nicht und widmete sich wieder seinem Versuch, beschäftig auszusehen.
„Severus?“, rief Hermine vom Kessel zu ihm hinüber und Remus drehte sich ebenfalls zu ihr um. „Erzählen Sie Remus doch mal, wen wir neulich in der Winkelgasse getroffen haben!“ Diesmal warf er Hermine seinen Todesblick zu, doch Remus lenkte ihn gleich von der Überlegung ab, ob man einen Menschen womöglich durch Legilimentik umbringen könnte.
„Wen habt ihr denn getroffen? Jemanden, den ich kenne?“, fragte Lupin ihn.
Severus seufzte, ergab sich jedoch der höflichen Unterhaltung und antwortete: „Eine alte Schulfreundin.“
„Oh ja? Wer?“, fragte Lupin mit neugierig funkelnden Augen.
Ein gehässiges Lächeln formte sich wie in Zeitlupe auf Severus’ Gesicht, bevor er erwiderte: „Linda!“
So langsam, wie sich Severus’ Lächeln geformt hatte, so langsam verschwand das aus Lupins Gesicht, bevor er auf sein unaufdringliches Standardlächeln zurückgriff und fragte: „Wie geht es ihr?“
„Den Umständen entsprechend“, entgegnete Severus.
Lupin runzelte die Stirn und wollte wissen: „Was denn für Umstände?“
„Der Krieg hat sie zur Witwe gemacht. Sie hat zwei Kinder, ein Mädchen und einen Jungen und…“
Hinten vom Arbeitstisch rief Hermine freudestrahlend zu: „Belinda wird nächstes Jahr vielleicht schon Hogwarts besuchen!“
„Belinda…“, wiederholte Lupin verträumt den Namen des Mädchens, während Severus in Erwägung zog, seiner Schülerin die Unterhaltung komplett zu überlassen, doch der heutige Gast richtete erneut das Wort an ihn. „Hat Linda… Hat sie…?“
„Nach Ihnen gefragt?“, suggerierte Severus überheblich wirkend. „Nicht spezifisch, aber sie fragte, wen ich noch regelmäßig von früher sehen würde und da ist auch Ihr Name gefallen.“
„Das hat sie sicherlich überrascht, dass du mich genannt hast“, sagte Remus leicht betrübt.
Severus konterte: „Nein, es hat sie eher verdutzt, dass ich Black und Narzissa erwähnt hatte.“
Hermine, die noch immer den Wolfsbanntrank rührte, rief vom Tisch aus: „Linda schreibt Severus ab und an.“
Severus hatte genug. Er zog seinen Zauberstab, richtete ihn auf Hermine und… sagte nichts. Gleich darauf, von Remus ganz verdutzt angeblickt, steckte er seinen Zauberstab wieder in seine Innentasche. Remus schaute zu Hermine hinüber, die sehr wütend schien und gerade ihren eigenen Stab auf sich selbst richtete.
„Haben Sie mir eben einen wortlosen ’Silencio’ herübergeworfen? Das ist nicht nett, Severus“, meckerte Hermine.
Remus konnte nicht anders als zu grinsen, bevor er Severus fragte: „Ist das wahr? Ihr schreibt euch regelmäßig?“
Severus seufzte theatralisch und erklärte: „Wenn man zwei empfangene Schreiben und einen Antwortbrief bereits als ’regelmäßig’ bezeichnen möchte, dann ist die Antwort ja.“
Nickend nahm Remus diese Information zur Kenntnis und fragte gleich darauf: „Wollt ihr euch mal treffen?“
„Was geht Sie das an? Wollen Sie sie zurückhaben?“, giftete Severus zurück.
Remus beteuerte irritiert: „Nein, warum sollte ich?“
„Na ja“, sagte Severus, „sie wäre eine gute Partie für Sie, Lupin. Kinder hat sie ja immerhin schon!“
Remus entgleisten sämtliche Gesichtszüge, denn es war viel zu schwer, diese Gehässigkeit überhören zu wollen. Verlegen nickte Remus, als würde er Severus auch noch zustimmen, bis er den Kopf senkte und sich abwandte, um ein paar Schritte weiter am Tisch sitzend auf den Trank zu warten. Hermine hatte ganz vergessen, den Trank weiterhin umzurühren, denn Severus’ böse Worte hatten sie starr vor Entsetzen gemacht. Am liebsten hätte sie ihn zur Schnecke gemacht, aber dies war eine Sache, in die sie sich zunächst nicht einmischen wollte. Remus saß ruhig auf seinem Stuhl, knabberte am Fingernagel seines Daumens und schaute mit leerem Blick in den Raum, während er den Vanilleduft des Wolfsbanntranks einatmete.
Es herrschte eine eisige Stille in dem Privatlabor, in welchem Severus über einem Stück Pergament saß, Hermine den Trank in einen Kelch umfüllte und Remus diesen entgegennahm, um den Trank so heiß wie möglich einnehmen zu können. Am Rest verschluckte er sich und er hielt sich eine Hand vor das Gesicht, weil er hustete, doch Hermine bemerkte seine feuchten Augen, denn das, weswegen er den Trank gerade eingenommen hatte, war der einzige Grund für seine Kinderlosigkeit und genau daran hatte Remus eben auch denken müssen. Er konnte sich die Augen unbemerkt trocknen, bevor er sich zu Severus begab und ihm wortlos seinen Tränkepass reichte, den der Zaubertränkemeister augenblicklich unterzeichnete. Remus bedankte sich förmlich bei beiden für ihre Hilfe und verließ das Labor.
Nachdem Remus die Tür geschlossen hatte, verschränke Hermine ihre Arme angriffslustig vor der Brust. Ihr starrer Blick nahm ihn einen Moment gefangen, bevor er unschuldig wirkend fragte: „Was?“
„Ihr Sarkasmus ist ja noch in Ordnung, Severus, aber Sie sollten sich in Zukunft vielleicht weniger im Zynismus üben. Es sei denn, Sie genießen es, unausstehlich zu sein.“ Severus schnaufte lediglich verachtend und da er sich nicht äußerte, sagte sie: „Remus mag zwar momentan vom Gesetz her keine eigenen Kinder zeugen dürfen, aber er hat zumindest eine nette Frau an seiner Seite, was andere Herren“, sie blickte in eindringlich an, „nicht gerade von sich behaupten können.“
Severus erhob sich von seinem Stuhl und sagte leise säuselnd mit einem fiesen Grinsen auf den Lippen: „Sie sitzen im Glashaus und werfen mit Steinen?“
Es mag unüberlegt von Hermine gewesen sein, Severus’ Mangel an einer Partnerschaft anzusprechen, denn sie stand ja selbst ohne Freund da, doch sie hatte immerhin eine langjährige Beziehung hinter sich.
„Wissen Sie was, Severus?“ Er wartete geduldig, bis sie von allein und sehr bösartig fortfuhr: „Sie haben eine ganz herzliche Art an sich, alten Freunden gegenüberzutreten. Kein Wunder, dass Ihre Gesellschaft so heißt begehrt ist.“
Durch die Zähne zischelnd stellte Severus klar: „Er ist nicht mein Freund!“
„Aber er will es vielleicht sein?“, meckerte Hermine zurück.
Ihre Frage blieb einen Moment im Raum stehen, denn Severus war von dieser Möglichkeit ganz verblüfft. Das würde zumindest die Einladung zur Verlobungsfeier erklären, dachte er.
„Ihre Freunde, Hermine, sind nicht automatisch meine!“, machte er ihr klar.
Hermine schoss gleich spöttisch zurück: „Oh, viele wollen das auch gar nicht, glaube Sie mir! Das mag vielleicht daran liegen, dass die meisten Ihre liebenswerte, fast schon erdrückende Art einfach nicht ertragen können.“
„Diese Menschen haben keine andere Behandlung verdient“, erklärte Severus nüchtern.
Hermine wollte es ihm heimzahlen, doch sie ließ sich zu viel Zeit, ein passendes Gegenargument zu wählen, was bei ihm den Eindruck erweckte, er hätte sie sprachlos gemacht.
„Soll ich Ihnen eine Portion Seegras holen?“, fragte Severus verhöhnend.
„Oh nein, ich denke, ich kann mich mittlerweile sehr gut verbal ausdrücken, Severus“, erwiderte sie aufgebracht. „Jedes Mal, wenn ich den Mund aufmache, muss ich Angst haben, bei Ihnen irgendeinen falschen Knopf zu erwischen und mich dann Sekunden später in der Luft zerfetzt zu sehen. Sie sind ein emotionales Minenfeld und ehrlich gesagt habe ich keine Lust mehr drauf.“ Severus öffnete den Mund, doch bevor er das Wort ergreifen konnte, wurde sie nur noch lauter und sagte: „Vielleicht sollten Sie einfach mal darüber nachdenken, wer Ihr Freund ist und wer nicht. Und wenn Sie sich darüber im Klaren sind, dann dürfen Sie sich gern mal mit den Umgangsformen befassen, die man Freunden gegenüber an den Tag legt!“
Er atmete aufgeregt, doch er wagte es nicht, auch nur einen Mucks von sich zu geben. Offensichtlich war sie schon so lange mit ihm zusammen, dass sie wusste, wie man Sarkasmus gezielt einsetzen konnte, um verletzen zu können. Severus würde es nie zugeben, doch einiges, das sie gesagt hatte, hatte ihn verletzt. ’Emotionales Minenfeld’, wiederholte er erzürnt in Gedanken.
„Brauchen Sie mich heute Abend noch?“, fragte sie gleichgültig klingend. Er schüttelte den Kopf, so dass sie ihre Tasche nahm und ihn ohne ein Wort des Abschieds verließ.
Im Erdgeschoss klopfte Hermine bei Harry erst an die Tür, da auch sie neulich in die Verlegenheit gekommen war, Harry und Ginny gestört zu haben.
„Hermine, komm rein“, grüßte Harry.
„Ist Ginny auch da?“, wollte sie wissen.
Harry bot ihr einen Platz an und antwortete: „Nein, sie wollte noch mit ein paar Klassenkameradinnen zusammen lernen. Na ja, eher wollte sie ihnen Nachhilfe geben. Was gibt’s?“ Harry betrachtete Hermines Gesicht und erkannte ihre angestaute Wut, so dass er ganz richtig tippte: „Severus? Was hat er nun schon wieder angestellt?“
„Er war gemein zu Remus; hat sich eine Anspielung darauf erlaubt, dass Remus laut Gesetz keine eigenen Kinder haben darf. Das hat ihn sehr getroffen, aber gesagt hat er nichts“, erklärte Hermine mit Wut in der Stimme. „Harry, das geht mit Severus so nicht mehr weiter. WIR kommen nicht weiter. Und ich habe wirklich keine Lust, immer wieder den Blitzableiter zu spielen.“
„Albus hat gesagt, wir dürfen nicht aufhören“, rief Harry sich ins Gedächtnis zurück.
„Aber mit WAS nicht aufhören? Was ist es denn, das wir machen? Uns von ihm beschimpfen lassen? Ich will das nicht mehr! Diesmal war es Remus; das nächste Mal bin ich es wieder. Das wird langsam ermüdend“, meckerte Hermine.
„Was willst du denn dagegen machen?“, wollte Harry wissen.
Sie hob und senkte einmal langsam die Schultern, denn sie war ratlos. Von Harry ließ sie sich ein wenig bedienen und sie griff bei dem Teller mit Keksen zu, die ganz eindeutig Mollys Handschrift trugen. Etwas ruhiger sagte sie das Thema wechselnd: „Ich habe mich mit Draco über Severus unterhalten. Ihm sind die braunen Augen jetzt auch schon aufgefallen! Draco hatte Severus gefragt, ob er der Pate seines Kindes werden möchte und Severus hat abgelehnt.“
„Au, das wird wehgetan haben. Wenn Sirius ablehnen würde, dann wäre ich auch sehr geplättet“, sagte Harry ehrlich.
„Würdest du Sirius überhaupt fragen wollen?“
Harry schüttelte den Kopf und sagte: „Nein, ich glaube nicht. Wir haben dich gefragt, weil du nicht nur eine liebe Freundin bist, sondern wir dir auch im Umgang mit Kindern sehr vertrauen. Bei Sirius… Na ja, er würde dem Kind nur Unsinn beibringen. Da könnten wir gleich Fred und George fragen, ob sie Paten werden möchten.“
Völlig unverhofft fragte Hermine ganz leise, als würde sie die Antwort fürchten: „Hast du Ginny erzählt, dass wir uns geküsst haben?“
Die Erinnerung an den Abend drängte sich blitzschnell in den Vordergrund. Er hatte den Kuss mit Hermine genossen, aber er hatte nach dem kurzen, heißen Feuer keine Lust auf „mehr“ verspürt.
„Nein, Hermine und es wäre schön, wenn wir uns einig wären, dass es unter uns bleibt.“
„Natürlich“, war ihre gehauchte Zustimmung. „Es tut mir Leid, Harry, dass das so gekommen…“
„Nein, Hermine. Mach dir keine Gedanken. Es ist passiert und wir können es nicht ändern. Alles ist in Ordnung. Ich bereue es nicht einmal“, machte er ihr flüsternd klar und in seiner Stimme schwang ein wenig Unsicherheit mit, denn er wusste nicht, ob er deswegen Schuldgefühle haben müsste.
Sie blickte ihn an und lächelte erleichtert, weil es ihr genauso ging wie ihm, denn auch sie verspürte nicht den Wunsch, eine noch innigere Beziehung zu ihm zu haben als sie schon war.
Hermine wechselte schnell wieder das Thema und fragte Harry: „Ist dir eigentlich an Severus in letzter Zeit irgendwas aufgefallen?“
Beide Augenbrauen wanderten bei Harry in die Höhe, so dass sie den oberen Rand seiner Brille umrahmten, bevor er fragte: „Meinst du was Besonderes?“
„Nein, ich möchte nur wissen, ob dir allgemein noch irgendeine Veränderung aufgefallen ist“, erklärte sie.
„Puh“, machte Harry und dachte angestrengt nach. „Deine Frage überrollt mich ein wenig. Mir sind immer wieder Dinge aufgefallen, die ich aber nicht so aus dem Stegreif wiedergeben kann.“
„Dann achte einfach mal in Zukunft drauf“, bat sie ihn. „Ach ja, habe ich dir noch gar nicht gesagt: Ich hatte mit Mr. Ollivander gesprochen, weil mich die zweite Stabkernzutat interessiert hatte. Mit dem Einhornhaar hatte ich ja richtig gelegen.“
„Ron hat auch Einhornhaar in seinem Stab“, bemerkte Harry.
„Ja, das stimmt! Neville auch und auch Cedric hatte…“ Hermine hielt ganz schnell inne, um bei Harry nicht wieder alte Wunden aufzureißen. Den Tod seines Schulkameraden hatte er nie richtig überwunden, weil er sich immer wieder eine große Mitschuld daran gab.
„Wo du gerade von Severus’ Zauberstab sprichst: Da ist mir was aufgefallen!“, sagte Harry und Hermine erwartete, dass er mit der Sprache rausrücken würde, was er auch tat. „Er trägt den neuen Stab nicht mehr im linken Ärmel, sondern in der Brusttasche seines Umhangs.“
„Genau solche Kleinigkeiten meine ich. Das ist mir nämlich auch aufgefallen. Außerdem, aber das hat er mir direkt gesagt, gehen ihm die Zaubersprüche ungewohnt leicht von der Hand“, erzählte sie.
„Und was ist nun mit dem zweiten Stabkern?“, wollte Harry wissen.
Hermine schilderte: „Na ja, das hatte mir ja keine Ruhe gelassen und ich habe Ollivander gefragt. Ich hatte bereits eine Vermutung und die hat er nun bestätigt. Es ist ein Haar von mir.“ Harry machte ganz große Augen, doch er kam nicht dazu, etwas fragen zu können, denn sie erzählte bereits: „Er konnte nicht erklären, warum es eines von mir sein musste, aber es war ja offensichtlich die richtige Zutat.“
Ungläubig schüttelte Harry den Kopf und sagte: „Ich habe noch nie gehört, dass außer dem Haar einer Veela das Haar einer bestimmten Person für die Stabherstellung benutzt wurde. Das ist seltsam, Mine.“ Er blickte sie an und fügte hinzu: „Das ist eine sehr persönliche Zutat. Ollivander muss doch irgendeine Vermutung gehabt haben. Er kann doch nicht auf gut Glück irgendein Haar nehmen und es in einen Zauberstab packen.“
„Ich verstehe, was du meinst und ehrlich gesagt bin ich noch nicht ganz dahinter gekommen“, sagte sie bedrückt.
Harry nickte und vermutete laut: „Er hätte wahrscheinlich auch eines von mir nehmen können. Möglicherweise musste das Haar nur von jemandem stammen, der Severus nahe steht? Deine eigenen sich doch bestens, denn meine sind ja viel kürzer als ein Zauberstab lang ist.“ Harry grinste verstohlen, hatte jedoch vollkommen Recht.
Einen Moment grübelte Hermine, bevor sie sagte: „Vielleicht hat Ollivander gesehen, dass Severus’ Augen sich verändert haben, als ich den Laden betreten hatte. Das war sowieso wieder so eine merkwürdige Situation.“ Er hörte ihr aufmerksam zu, als sie schilderte: „Ich bin also nach ein paar Minuten in den Laden gegangen und sehe Severus, wie er den armen Ollivander am Schlafittchen gepackt hat. Die Stimmung war sehr gespannt. Sie müssen gestritten haben, aber als ich hinzugestoßen bin, hat Severus ihn losgelassen und war wieder recht besonnen wie sonst auch. Er hat den Laden dann schon verlassen, aber ich wollte noch mit Ollivander sprechen. Das war der Moment, als er mir mit seinen Fingern durchs Haar gefahren ist und sagte, Severus könnte seinen Stab demnächst abholen. Erst später hatte ich die Vermutung, dass Ollivander in diesem Moment eines meiner Haare genommen hatte.“
„Es könnte ja sein“, begann Harry, „dass ein Stückchen der Magie eines Freundes wahre Wunder bewirken kann. Vielleicht deshalb ein Haar von dir? Es wäre auch möglich, dass Ollivander einfach nur beobachtet hat, wie Severus’ Augen braun geworden sind. Du hast ja selbst gesagt, dass sie schwarz sind und erst braun werden, wenn du oder ich in seiner Nähe sind. Draco hat es jetzt auch schon einmal gesehen. Ist Remus nie etwas aufgefallen?“
Hermine hob und senkte ihre Schultern, bevor sie sagte: „Ich glaube, er hat nie etwas gesehen.“ Sie erinnerte sich an Severus’ bösartige Worte. „Remus ist jetzt bestimmt niedergeschlagen. Ich überlege, ob ich ihn mal anflohe, um mich zu erkundigen, wie es ihm geht. Das war schon ziemlich gemein, was Severus da gesagt hatte.“
„Wie genau hat er ihn denn beleidigt?“
„Er meinte, Linda wäre eine gute Partie für ihn, weil die ja immerhin schon Kinder hätte“, gab Hermine wider.
Harry schüttelte den Kopf und sagte dann aufgebracht: „Severus benötigt selbst mal eine kleine Abreibung. Das ging wirklich zu weit. Hat Remus denn gar nichts dazu gesagt?“
„Nein, du kennst ihn doch. Er wird dann sehr ruhig. Ich weiß, dass ihn das sehr getroffen hat“, erklärte Hermine mit trauriger Stimme.
Sie saßen einen Moment still nebeneinander. Harry schenkte Tee ein und dachte währenddessen nach.
„Weiß du, ich denke, wir sollten Remus alleine handeln lassen. Warum sollten wir uns einmischen, wenn zwei erwachsene Männer sich so angiften? Wir können Severus natürlich unsere Meinung sagen, aber mehr nicht“, schlug Harry vor.
„Es würde eh nichts bringen. Severus wird sich nichts sagen lassen. Genauso gut könnten wir versuchen, Alastor davon zu überzeugen, dass Severus ein guter Mann ist“, sagte Hermine.
Harry lachte und sagte gleich daraufhin: „Alastor ist unverbesserlich, aber ich verstehe ihn irgendwo. Er hat so viel mit Todessern zu tun gehabt…“
Harry schüttelte gedankenverloren den Kopf. Alastor hatte ihm in den vielen Jahren etliche seiner Erlebnisse geschildert, die sehr hilfreich im Kampf gegen die Todesser gewesen waren. Der Mann hatte viel durchmachen müssen, was man auch an seinem mitgenommenen Körper sehen konnte. Ihm fehlten ein Auge, ein Unterschenkel und sein ganzer Leib war mit Narben übersät. Es war aber nicht nur Alastors Körper, an dem man die tragische und heldenhafte Geschichte dieses alten Aurors ablesen konnte, sondern auch sein Verhalten. Alastor litt, wie Hermine es mal so schön ausgedrückt hatte, an „sehr wunderlichen Angewohnheiten“.
Seufzend griff Hermine zu ihrem Tee und nahm einen Schluck, bevor sie die Tasse wieder abstellte. „Mir war klar, dass Alastor noch immer nichts von Severus hält, auch wenn man ihm einen Orden gegeben hat.“
„Ja, das hat Severus auch mal gesagt. Das war nach der Sache mit dem Todesserangriff auf die Versammlung. Severus weiß genau, dass es noch immer Leute gibt, die ihm trotz Orden nicht trauen und Alastor gehört dazu. Aber zumindest können sie schon im gleichen Zimmer sitzen, ohne sich gegenseitig zu bekriegen“, schilderte Harry.
„Alastor ist erwachsen“, warf Hermine ein. „Selbst ich komme mit Menschen klar, die ich vor zehn Jahren am liebsten vermöbelt hätte. Ich meine, ich hätte nie gedacht, dass ich mal ein anständiges Wort mit Draco wechseln könnte, aber es geht, wenn man sich nur anstrengt.“
„Ich habe gehört, er will die Schule doch noch fertigmachen. Eigentlich hätte er es ja nicht nötig, aber ich find es trotzdem gut“, sagte Harry.
Hermine nickte, bevor sie sagte: „Ich werde mal sehen, ob er noch immer Interesse daran hat, meinen Trank zu testen. Du könntest den neuen auch mal nehmen, Harry. Der hält eine halbe Stunde an! Ich versuche vorher noch, den Trank etwas zu modifizieren. Ich möchte, dass derjenige, der den Trank genommen hat, seine eigenen Farben sehen kann.“
„Ist das denn möglich?“, fragte Harry verdutzt.
Hermine lachte und erklärte: „Das weiß ich ja nicht, Harry. Ich will es versuchen. Das ist das Schöne am Forschen. Man hat eine Idee und versucht sie umzusetzen! Wenn der Adlerauge die Magie für einen selbst sichtbar machen kann, wird sich diese Eigenart vielleicht auf meinen Trank anwenden lassen.“
„Das ist das, was du am liebsten machst oder? Ich meine zu forschen. Das ist absolut dein Ding, Hermine“, sagte Harry und sie nickte nur lächelnd.
„Ich werde mal sehen, ob ich einen Squib finde, der den Trank nehmen würde. Das Ergebnis wäre nur zu interessant. Ich meine, damit könnte man vielleicht sehen, ob die Magie vorhanden ist, aber von irgendwas blockiert wird! Oder man kann definitiv feststellen, dass Squibs nicht zaubern können, weil kaum oder keine Magie vorhanden ist. Vielleicht kann man mit den Ergebnissen einigen helfen, doch noch einen Stab zu schwingen“, sagte Hermine schwärmend.
„Und du hast mir mal vorgeworfen, ich würde immer nur an andere denken und dann erst an mich selbst“, beschwerte sich Harry kindisch, so dass sie lachen musste. Er lachte einen Moment mit und sagte dann: „Du bist doch genauso wie ich, Hermine.“
Mit einem Schmunzeln auf den Lippen rechtfertigte sich Hermine: „Ich bin Heilerin, Harry! Natürlich liegt mir das Wohl von anderen Menschen am Herzen.“
„Ja, aber nicht nur das Wohl von Menschen, sondern auch das von Hauselfen, von Riesen“, Harry zählte mit vorgetäuscht gelangweilter Stimme weiter auf, „von Werwölfen, Zentauren, Squibs, Vampiren, Muggeln und – nicht zu vergessen – von griesgrämigen Zaubertränkelehrern.“
Hermine brach in Gelächter aus und steckte Harry damit an. Noch immer lachend sagte sie: „Einer ist in deiner Aufzählung mit dabei, der sich nicht helfen lassen will. Na ja, die Zentauren sind da auch etwas eigen und möchten sich nicht unbedingt von Menschen unter die Arme greifen lassen.“
„Ich verstehe es nicht, Mine. Severus hat mit der Sache angefangen und unsere Neugierde geweckt. Warum macht er dann so auf stur? Warum lässt er sich nicht helfen?“, wollte Harry wissen.
Hermines Lächeln verblasste langsam und mit einem ernsten Gesichtsausdruck erklärte sie: „Vergiss nicht: Sein Irrwicht ist er selbst, Harry. Er hat Angst vor dem, was kommen wird oder vielleicht sogar vor dem, was einmal war. Wenn wir es tatsächlich fertig bringen sollten, sein Geheimnis zu lüften, dann muss er mit dieser Angst umgehen. Vielleicht handelt es sich auch nur um ein Unwohlsein, das schnell wieder verfliegen würde, wenn dieser Moment erst einmal eingetroffen ist.“ Als Beispiel nannte sie: „So wie bei dir, wenn du zu einer großen Veranstaltung gehen musst. Du willst eigentlich nicht gehen, hast Angst vor den Menschenmassen und möchtest dich am liebsten verkrauchen, aber wenn du erst einmal dort bist, dann ist wieder alles in Ordnung und du fühlst dich wohl. Aber vielleicht hat er richtig große Angst, weil…“ Sie suchte nach den passenden Worten und fuhr fort: „…weil sein Leben dann Kopf stehen würde; weil sich alles für ihn verändern würde. Ich weiß zwar nicht genau, was mit ihm ist, aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich genauso viel Angst hätte.“
„Hermine, wir drehen uns da trotzdem im Kreis. Wir kommen nicht weiter und erleben nur Dinge, die schon einmal passiert sind. Was haben wir denn schon? Seine braunen Augen, die jetzt auch Draco gesehen hat. Seine Ausbrüche, ob jetzt negativ oder positiv – diese Ausbrüche zeigen ganz klar, dass er sich immer häufiger nicht mehr unter Kontrolle hat. Wir kennen seine Farbe. Grau ist schlecht hast du gesagt und wir haben Ollivander, der gesagt hat, Severus müsste ’Farbe bekommen’. Wir sind uns einig, dass das auf seine Augenfarbe gemünzt werden kann und zu guter Letzt macht Albus einen auf Heimlichtuer. Wir haben doch nichts weiter an Informationen. Jeder andere würde an dieser Stelle aufhören und was machen wir? Wir ’machen weiter’, wie Albus so schön vorgeschlagen hat. Wir versuchen und wir strengen uns an und unsere Köpfe rauchen schon, aber alles, was wir haben, sind nur Theorien, die wir einfach nicht bestätigen können. Ist seine Magie grau, weil ihm ein Stück Seele fehlt oder ist sie einfach nur mit der Zeit verblasst, weil er wie ein Einsiedlerkrebs gelebt hat?“
Sie nickte und ließ sich das Gesagt durch den Kopf gehen. Sie drehten sich wirklich im Kreis.
„Wegen Severus… Es gab da wieder einen kleinen Zwischenfall. Er hat sich ans Herz gefasst und war völlig ergriffen. Das war, als Draco mit ihm sehr persönlich gesprochen und ihn gebeten hatte, Pate für sein Kind zu werden. Das muss Gefühle wachgerufen haben. Nach einer kleinen Drohung meinerseits, die ihn wütend gemacht hat, war auf einmal alles wieder in Ordnung.“
„Was denn für eine Drohung?“
Hermine kratzte sich hinterm Ohr, bevor sie schilderte: „Er war völlig am Boden; hat sich aufgegeben und auch so gesprochen und da habe ich ihm damit gedroht, ihn ins Mungos einweisen zu lassen.“
Harry überlegte kurz und vermutete laut: „Dann können negative Gefühle, die man absichtlich aufkommen lässt – wie du mit deiner Drohung – seinen Zustand wieder normalisieren?“
„Na ja, ich denke ja eher, dass sein ’Normalzustand’ eben gar nicht sein Normalzustand ist wie auch seine schwarzen Augen nicht seine ursprünglichen sind. Mir ist da eine Idee gekommen…“
„Mine, wenn du in solchen Situationen von Ideen sprichst, wird mir ganz schlecht“, nörgelte Harry. „Das mit dem Irrwicht ist ja auch völlig daneben gegangen. Lass es lieber.“
„Aber wir sollen doch nicht aufgeben!“, sagte Hermine herrisch. „Meine Idee war nämlich, seine Ausnahmezustände bewusst herbeizuführen.“
„Und wie genau möchtest du das machen?“, fragte Harry vorsichtig, denn er ahnte Schlimmes.
„Ich dachte an deine Babydecke. Kannst du sie mir leihen?“, fragte sie mit Engelszungen.
„Spinnst du? Severus lag danach auf der Krankenstation und…“
„Er lag nicht wegen der Decke dort, sondern wegen der verschiedenen Tränke, die er eingenommen hatte, weil er mit seinen Gefühlen nicht umgehen konnte. Diese Decke hat bisher am heftigsten bei ihm gewirkt und ich denke, das sollte man wiederholen“, erklärte sie.
„Oh nein“, sagte Harry kopfschüttelnd. „Ohne mich! Weißt du überhaupt, wie du dich anhörst? Er ist keines deiner Experimente, Hermine. Das kann schiefgehen und böse enden!“
Hermine stieß erbost Luft durch die Nase aus und schimpfte: „Na, du hast ja wirklich viel Vertrauen in mich oder hast du vergessen, dass ich Heilerin bin?“
„Das hat doch nichts mit dir persönlich zu tun, sondern…“
Hermine unterbrach Harry und sagte aufgeregt: „Verdammt, wir sollen weitermachen, sagt Albus und ich verstehe so etwas unter ’weitermachen’. Wir wissen doch überhaupt nichts; haben nur Vermutungen. Severus sagt nichts, Albus sagt nichts und niemand anderes weiß etwas. So kommen wir jedenfalls nicht weiter. Es müssen Taten folgen!“
„Ohne Rücksicht auf Verluste?“, fragte Harry wütend.
„Natürlich nehme ich Rücksicht. Ist ja nicht so, als würde ich ihm die Decke zuwerfen und weglaufen. Ich bleibe bei ihm, wenn ich…“
„Nein, Hermine. Du bekommst die Decke nicht. Ich will damit nichts zu tun haben“, machte er ihr klar.
Für Hermine war das eine vom anderen durchaus zu trennen, denn Harry musste ja nichts damit zu tun haben, wenn er nicht wollte. Die Decke wollte sie aber auf jeden Fall haben, doch für heute ließ sie das Thema lieber ruhen.
Nach einer ganzen Weile fragte Harry: „Geht es dir gut, Hermine? Du bist in letzter Zeit so blass.“
Sie presste die Lippen zusammen, denn sie erinnerte sich daran, das nicht zu ersten Mal gehört zu haben. „Es geht mir gut! Es ist mir allerdings ein Rätsel, warum man mich ’blass’ nennt. Du bist nicht der Erste, Harry.“
„Na, dann sieh dich doch mal im Spiegel an“, forderte er und sie folgte seinem Ratschlag.
In den Spiegel an der Wand neben der Uhr blickend hielt sie vor Schreck eine Hand vor den Mund, bevor sie sagte: „Ich bin ja wirklich blass. Warum ist mir das nicht aufgefallen?“
„Vielleicht wegen dem Licht in den Kerkern?“, vermutete Harry laut. „Du hast da ja nicht einmal Fenster; nur magisches Licht.“ Demonstrativ blickte Harry zu den beiden großen Doppelfenstern hinüber, die eine Seite seines Wohnzimmers zierten. „Ich habe dir zu Anfang gesagt, dass es keine zwei Monate dauern würde, bis sich eine ’vornehme Blässe’ in deinem Gesicht niederschlagen würde. Jedes noch so kleine Pflänzchen braucht Tageslicht, um am Leben zu bleiben.“
„Trüffel brauchen kein Tageslicht!“, rechtfertigte sie sich.
Harry verzog das Gesicht, bevor er sagte: „Du bist aber kein unterirdisch wachsender Pilz, Hermine. Du hast ja eben gesagt, dass es nicht nur mir aufgefallen ist, dass du blass bist. Wer hat das noch gesagt?“
„Albus, als wir miteinander gesprochen haben“, erwiderte sie kraftlos.
„Dann mach etwas dagegen“, schlug Harry vor.
„Und was bitteschön? Soll ich aus den Kerkern ausziehen und hoch zu euch kommen?“
„Warum nicht? Im Erdgeschoss ist zwar nichts frei, aber dafür im vierten Stock“, sagte Harry, der sich an ein Gespräch mit Minerva erinnerte. „Im vierten, Hermine“, wiederholte Harry, „sogar mit Balkon!“
Hermine blickte ihn an und schien tatsächlich darüber nachzudenken.
Zuletzt geändert von Muggelchen am 02.02.2011 00:32, insgesamt 4-mal geändert.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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Im Foyer des Ministeriums traf Susan auf Rosalind, die sie natürlich sofort grüßte. Die Gamotvorsitzende wusste vom Hörensagen, dass ihre Kollegin mit Malfoys Spross liiert war und auch ein Kind von ihm erwartete. Sie ahnte, dass Susan sie womöglich auf den Gerichtstermin von Malfoy senior ansprechen würde.
„Hallo Rosalind, wie geht’s Ihnen?“, fragte Susan freundlich lächelnd.
„Bestens, danke der Nachfrage, Susan“, erwiderte Rosalind ein wenig angespannt.
„Wie geht es Ihrem Sohn? Barry ist jetzt ja schon über zwei Monate in der Schweiz?“, wollte Susan wissen.
Kräftig schluckend fragte Rosalind sich, ob es möglich sein könnte, dass Mr. Malfoy die Zukünftige seines Sohnes manipuliert und auf sie angesetzt hatte. Sie wusste nicht, ob Susan Kenntnis davon hatte, dass Barry einer Affäre entsprungen war. Die Frage nach dem Befinden ihres Sohnes kam ihr verdächtig vor.
„Barry geht es gut. Er wird zu Weihnachten zu uns kommen“, antwortete Rosalind knapp.
Susan runzelte die Stirn, denn normalerweise kam sie mit ihrer Kollegin sehr gut aus, doch heute schien sie sehr distanziert.
„Ich wollte Sie wegen der Verhandlung von Mr. Malfoy etwas fragen“, kündigte Susan an, doch Rosalind übernahm die Gesprächsführung.
„Ja, wegen Mr. Malfoy: Ich ziehe in Erwägung, den Termin vorzuverlegen“, antwortete Rosalind in der Hoffnung, kooperativ zu wirken.
Susan zog erstaunt beide Augenbrauen und fragte: „Und wie weit vor?“
„Wann denken Sie, Susan, dass er das Krankenhaus verlassen wird?“
„Er sagte neulich, dass er in wenigen Wochen wieder sehen können wird. Einen Termin im Januar würde er sicherlich befürworten“, sagte Susan gewissenhaft, denn das war das, was Kingsley ihr erzählt hatte.
In die Enge getrieben fühlte sich Rosalind dazu genötigt zu sagen: „Gut, Januar dann. Ich werde alles vorbereiten. Es stehen ja schon alle Gamotmitglieder auf dem Plan.“
„Da wird er sich aber freuen“, sagte Susan unbekümmert.
In Gedanken kommentierte Rosalind diese Aussage mit den Worten: ’Das glaube ich gern!’ Laut sagte sie jedoch: „Ich wäre selbst sehr froh, wenn diese Angelegenheit endlich vom Tisch wäre.“
Nochmals stutzte Susan, denn irgendwie schien Rosalind äußerst verkrampft und ein wenig erbost, dennoch gezwungen freundlich.
Um ihre ältere Kollegin aufzumuntern, fragte Susan freundlich: „Wollen wir zusammen zu Mittag essen? Es gibt heute…“
Rosalind fuhr ihr über den Mund und sagte: „Nein danke. Ich nutze die Zeit lieber, um Mr. Malfoys Anklageschrift zu verfassen und den Termin festzulegen. Auf Wiedersehen, Susan.“
Nachdenklich schaute Susan ihrer Kollegin hinterher. Sie hatte ein seltsames Gefühl im Bauch, welches sie weder beschreiben noch deuten konnte. Sie wusste, dass irgendetwas faul war, konnte sich aber nichts zusammenreimen.
In Hogwarts hatte Hermine bereits seit dem frühen Morgen ihren Farbtrank wieder und wieder gebraut – ohne Flubberwürmer, damit der Effekt nur um die dreißig Sekunden andauern würde. Bisher hatte sie es nicht geschafft, eine perfekte Rührreihenfolge oder Temperaturanpassungen zu finden, damit sie selbst ihre Farben sehen konnte.
Bevor sie zum achten Mal ihren Trank begann, warf sie erneut ein Auge in das Buch „Die Kraft von Lóng – ostasiatische Tränke für die Sinne“. Den Adlerauge-Trank konnte sie jetzt schon auswendig. Sie notierte gerade, welche Zubereitungsmethoden des Adlerauges sie zuletzt an ihrem Trank ausprobiert hatte, da kam Severus vom Unterricht.
„Ah, wie ich sehe, waren Sie schon sehr fleißig“, sagte er amüsiert.
Sie warf ihm einen kühlen Blick zu, denn noch immer war sie verdrossen darüber, wie er mit Remus umgegangen war und sagte recht kühl: „Guten Tag.“
Wie angewurzelt blieb Severus eine Weile auf der Stelle stehen und beobachtete seine Schülerin, die ihm keinen einzigen Blick schenkte.
„Bin ich für Ihre Übellaunigkeit verantwortlich?“, fragte er mit schmieriger Stimme.
Sie kniff die Augen zusammen und schenkte ihm eine Kopie seines berühmten Todesblickes, bevor sie ehrlich sagte: „Mir passt es nicht, wie Sie mit meinen Freunden umspringen.“
„Lupin kommt lediglich her, um den Wolfsbanntrank einzunehmen, den er, wenn ich mir die Freiheit nehmen darf, es mal auf den Punkt zu bringen, nicht einmal bezahlen muss. Es gehört nicht zu meiner Pflicht, mir sein dummes Geschwätz anhören zu…“
Hermine unterbrach ihn und wiederholte ungläubig: „Dummes Geschwätz? Nennen Sie das immer so, wenn sich jemand nett mit Ihnen unterhalten möchte? Dummes Geschwätz?“
„Ihr gestriges Gefasel, Hermine, war auch nicht gerade angenehm für mich. Es hat niemanden – nicht einmal Sie – zu interessieren, mit wem ich Kontakt zu pflegen wünsche und mit wem nicht“, sagte Severus mit ruhiger, dennoch provozierender Stimme, denn ob er sich mit Linda schrieb oder nicht war einzig seine Angelegenheit.
Aufgebracht wiederholte sie: „’Mein Gefasel’? Jetzt langt’s mir!“ Sie warf das Notizbuch, welches sie noch immer in der Hand gehalten hatte, erbost auf den Tisch. „Ab jetzt, Severus, gibt es nichts Privates mehr, über das ich mit Ihnen reden werde, damit ’mein Gefasel’ Ihnen nicht mehr auf die Nerven geht! Eines sei Ihnen aber gesagt: Sollten Sie es nochmal wagen, mich mit einem Silencio zu belegen, dann werde ich einen sehr unangenehmen Zauberspruch an Ihnen ausprobieren.“
Severus äußerte sich nicht, nahm Hermine aber auch nicht ernst. Als sie ihr Notizbuch erneut in die Hand nahm, blickte sie auf und fragte mit kühler Stimme: „Haben Sie heute etwas Bestimmtes ins Auge gefasst oder wollen wir mit dem Farbtrank fortfahren?“
Sie schien, bis auf ihre distanzierte Stimme, wieder normal, so dass er antwortete: „Was haben Sie bisher gemacht?“
Wortlos reichte sie ihm ihr Notizbuch, so dass er einen Überblick erhielt.
„Wir sollten versuchen, nach der Beimischung des Nixenkrauts die Temperatur zu erhöhen und schneller zu rühren, damit die Samen nicht zu Boden sinken und anbrennen“, schlug er vor, so dass sie damit anfingen, den achten Trank zu brauen.
Während des Brauens äußerte Hermine sich nur, wenn es um die Arbeit ging. Sie schwärmte nicht davon, wie schön es gewesen war, mit dem Adlerauge die Krater des Mondes gesehen zu haben. Sie erzählte auch nicht, dass Draco ihren Trank hatte testen wollen, auch wenn das mehr oder weniger mit der Arbeit zu tun hatte. Sie schwärmte nicht davon, dass sie während ihres Urlaubs vor wenigen Jahren in den Bergwäldern Japans eine sehr interessante Zutat in Form einer Baumrinde entdeckt hatte und sie verlor auch kein Wort darüber, dass sie aus den Kerkern ausziehen wollte. Das alles war viel zu privat und Severus würde ihr „Gefasel“ – Hermine regte sich innerlich erneut über diese Beleidigung auf – nicht gutheißen.
Severus hingegen bemerkte schnell, dass die Stimmung nicht nur ein wenig getrübt war, sondern eiskalt. Wäre es nicht November, würde er glatt Hermine für die frostigen Temperaturen in den Kerkern verantwortlich machen. Einerseits war es ihm recht, wenn Menschen in seiner Nähe ihn nicht in Gespräche verwickelten, aber es war etwas vollkommen anderes, auf etwas verzichten zu müssen, an das man sich bereits gewöhnt hatte. Er vermisste ihre kurzen Kommentare zu Tränkezutaten, ihre Anspielungen auf andere Zaubertränkemeister; er vermisste ihre Stimme.
Ein letztes Mal rührte Hermine den Trank und löschte danach das Feuer unter dem Kessel, bevor sie gefühlskalt sagte: „Der Trank ist fertig.“
Sie fragte gar nicht erst, ob er ihn probieren würde, also füllte sie etwas in eine Ampulle und sprach einen Kühlungszauber. Ihr Magen gurgelte bereits, denn er hatte schon sieben Tränke intus und die Menge schien ihr nicht zu bekommen. Hermine setzte an, aber in dem Moment, als sie den Geruch des Trankes wahrnehmen konnte, der ihr heute bereits zuwider war, da musste sie plötzlich würgen. Schnell hielt sie eine Hand vor den Mund.
„Was haben Sie?“, fragte Severus besorgt.
„Nichts“, antwortete sie.
Er kam einen Schritt auf sie zu und sagte erbost: „Hören Sie auf zu lügen. Sie haben einen Brechreiz.“ Er nahm ihr die Ampulle aus der Hand und stellte sie auf den Tisch.
„Ich habe heute schon sieben von diesen Tränken genommen. Ich höre es in meinem Magen schon glucksen, wenn ich mich schnell bewege. Den einen Trank schaffe ich auch noch“, redete sie sich ein, bevor sie zum Fläschchen griff, doch seine Hand umfasste ihr Handgelenk und hinderte sie daran.
„Ich werde nicht zulassen, dass Sie einen Trank einnehmen, der einen Würgreflex bei Ihnen auslöst“, sagte er bestimmend.
Hermine rollte mit den Augen und sagte: „Den letzten Trank möchte ich jetzt auch noch testen. Ich will nicht die ganze Nacht wach liegen und überlegen, ob wir es geschafft haben oder nicht. Gerade Sie als Zaubertränkemeister müssten das doch verstehen.“
Er ließ ihr Handgelenk los, so dass sie zur Ampulle greifen konnte. Diesmal musste sie den Trank nicht einmal einatmen, denn allein der Gedanke daran, jetzt noch mehr Flüssigkeit in den Magen zu bekommen, ließ sie erneut würgen.
„Bei Merlin, geben Sie her“, sagte Severus und entriss ihr die Ampulle, während sie sich erneut eine Hand vor den Mund hielt. „Ich nehme an, es ist jetzt auch nicht der richtige Zeitpunkt, um Ihnen ein Glas Wasser anzubieten?“
Hermine schüttelte den Kopf: „Nein, bloß nicht. Es geht gleich wieder und dann werde ich den Trank nehmen.“
„Sie sind ein sturer Dickkopf!“, schimpfte Severus.
Er zog in Erwägung, den Trank selbst einzunehmen, damit sie Ruhe geben würde. Wenn er seine Farben nicht sehen können würde, wäre das ein Zeichen für einen erneuten Fehlschlag. Der Gedanke widerstrebte ihm, aber andererseits rief er sich ins Gedächtnis, dass sie seine Farben – auch wenn ihm das sehr unangenehm war – längst kannte. So riss sich Severus zusammen und tat ihr den Gefallen, freiwillig ihren Trank zu testen.
Hermine traute ihren Augen nicht, als Severus die Ampulle ansetzte und den Inhalt hinunterstürzte. Nach wenigen Sekunden erschien seine graue Farbe, jedoch wesentlich kräftiger als beim Adlerauge. Zu sehen waren verschiedene Grautöne, die fließend ineinander übergingen.
Als Severus die leere Ampulle auf dem Tisch abstellte, bemerkte er, dass seine Hand mit einem dunkelgrauen Schimmer überzogen war, weswegen er erschrocken zusammenzuckte. Der Trank war geglückt. Man konnte mit ihm endlich seine eigenen Farben sehen, auch wenn Grau in seinen Augen keine Farbe war.
Er blickte zu Hermine hinüber, die ihn von oben bis unten musterte und erst, als sie wieder bei seinen Augen angelangt war, da fragte sie: „Können Sie etwas sehen?“ Severus nickte beschämt, verkniff sich aber einen Kommentar, so dass sie fragte: „Und?“
„Was denken Sie?“, fragte er verbissen. „Es ist die gleiche Farbe wie nach der Einnahme des Adlerauges. Ihr Trank ist jetzt perfekt.“
Er hatte nicht mit Hermines Reaktion gerechnet, denn sie fragte abweisend: „Gut, dann ist das erledigt. Es ist schon halb elf durch. Wir machen Feierabend oder?“ Ihre angehängtes „oder“ machte deutlich, dass sie heute nichts Neues mehr beginnen wollte. Severus nickte zustimmend, so dass Hermine sich verabschiedete: „Bis morgen.“
Sie verließ ihn, ohne auch nur einmal die erwartete Frage fallen zu lassen, warum Severus’ Farbe Grau war und ohne auch nur einen Versuch zu starten, ihn über seine Vergangenheit ausfragen zu wollen. Nachdem sie die Tür von außen geschlossen hatte, hob Severus seinen Unterarm und betrachtete mit niedergeschlagener Miene die grauen wabernden Wellen, die sich um Hand und Arm schlängelten. Er sah keine Hoffnung.
Lucius hingegen schöpfte Hoffnung, als er am nächsten Morgen nicht nur einen Brief vom Ministerium erhalten hatte, sondern ihn das erste Mal mit eigenen Augen lesen konnte, was Marie sehr freute. Er stand am Fenster und hatte erstmalig die Werbetafel von „Bertie Botts Bohnen jeder Geschmacksrichtung“ deutlich erkennen und die Slogans wiederholen können, bevor Marie ihm den Brief gebracht hatte. Maries Gesicht konnte er schon länger erkennen und er war immer sehr erfreut, wenn er sie sah. Sie war in seinen Augen sehr hübsch, wenn sie auch ein eher dunkler Typ war, was nicht seinen persönlichen Geschmack traf.
„Das ist so schön, Mr. Malfoy, dass Sie den Brief allein lesen können. Ich werde nachher gleich mal die neusten Ausgaben der Tageszeitungen zusammensuchen und sie Ihnen bringen“, sagte Marie mit einem breiten Lächeln im Gesicht.
„Das ist sehr aufmerksam von Ihnen, Marie“, bedankte sich Lucius höflich, während er den Brief vom Ministerium öffnete.
Er las die ersten Zeilen und da begannen seine Hände plötzlich zu zittern.
„Mr. Malfoy? Geht es Ihnen nicht gut? Setzen Sie sich lieber“, sagte Marie fürsorglich, die ihn bereits am Arm ergriffen hatte und zu dem Tisch führte, damit er sich auf einem Stuhl Platz nehmen konnte.
„Am 12. Januar! Marie, meine Verhandlung beginnt am 12. Januar gleich im nächsten Jahr! Wem ich das wohl zu verdanken habe?“, fragte er in den Raum hinein.
Marie schürzte die Lippen und vermutete laut: „Na ja, ich habe bisher nur eine Person aus dem Ministerium kennen gelernt, die mit Ihnen wirklich immer sehr freundlich umgegangen ist.“
Die Schwester beließ es bei diesem Hinweis, bevor sie zu Gregory Goyles Bett hinüberging, um die Laken glatt zu ziehen. Lucius las den Brief dreimal, bevor er die Augen schloss und zufrieden tief ein und aus atmete. Er fragte sich, ob es sich um Miss Bones handeln könnte, die ihm tatsächlich diesen großen Gefallen erwiesen hatte und er fragte sich gleichzeitig, was sie damit bezwecken wollen würde. Im ersten Moment glaubte er, sie würde sich nur lieb Kind machen wollen, doch Marie hatte Recht: Miss Bones war die Einzige, die sich nicht davon hatte abhalten lassen, ihn immer freundlich zu behandeln, selbst wenn er über die Stränge geschlagen hatte.
Auch Hermine hatte gleich morgens einen Brief vom Ministerium erhalten. Es handelte sich dabei um die schriftliche Bestätigung des Ausbildungsvertrages seit Anfang Oktober, die sie gleich zu ihren Akten legte. Den Morgen und Vormittag verbrachte sie damit, das Buch über die Handhabe der schwarzmagischen Bücher zu lesen, was Severus ihr aufgetragen hatte. Wenn sie an ihren Professor dachte, dann machte sich Wut in ihrem Bauch breit. Das einzige Highlight würde heute Abend der Besuch von Remus sein, der den zweiten Wolfsbanntrank einnehmen würde. Hermine hoffte innig, dass Severus ihre an den Tag gelegte Reserviertheit richtig gedeutet hatte und einen stillen Moment dazu nutzen würde, sich bei Remus zu entschuldigen.
Den ganzen Abend hatte Hermine weiterhin ihren Mund gehalten und nur über die Arbeit gesprochen, was Severus grantig zur Kenntnis nehmen musste und sich hütete, sie auf ihr Verhalten anzusprechen. Als Remus kam, begrüßte sie ihn mit der vertrauten Herzenswärme, die man von ihr kannte – mit einem Kuss auf die Wange. Ihr war nicht entgangen, dass Remus noch immer tief verletzt war. Er schaute ihr kaum in die Augen und Severus schon gar nicht.
„Alles in Ordnung, Remus?“, fragte Hermine, so dass Severus es hören konnte, auch wenn der sich wieder beschäftigt gab. Remus schaute sie mit Kummer erfüllten Augen an, äußerte sich aber weder verbal noch mit einer Geste. Nachdem er den Trank genommen hatte, ließ er seinen Tränkepasse von Severus unterschreiben. Er bedankte sich höflich und ging.
Die Wut in ihrem Bauch hatte sich verdoppelt, doch sie sagte keinen Ton. Sie würde Severus nicht dazu auffordern, mit Remus zu sprechen. Sie selbst wollte nicht die Nächste sein, die wieder einmal seine Launen ertragen müsste, also arbeiteten sie zusammen still an einem Trank, der Hermines Fähigkeiten festigen sollte, bestimmte Zutaten korrekt vorzubereiten. Es war eine sehr aufwendige Arbeit, aber sie meisterte sei mit Bravour. Es war Severus, der währenddessen mehrmals ein Gespräch begonnen hatte, doch Hermine blockte jedes Mal ab.
„Wie geht es Ihrem Kniesel?“, fragte er vorgetäuscht interessiert, um sie zum Reden zu bewegen.
„Lenken Sie mich bitte nicht von der Arbeit ab“, entgegnete sie kühl.
Er versuchte an diesem Abend nicht noch einmal, ihr ein Gespräch aufzuhalsen.
Der Tag, an welchem Remus zum dritten Mal für die Einnahme des Wolfsbanntranks kommen würde, verlief im Vorfeld genauso eisig. Seine Versuche, eine private Unterhaltung zu führen, hatte sie mit knappen Antworten unterbunden, bis er letztendlich erbost fragte: „Was in Merlins Namen habe ich getan?“ Sie blickte ihn vorwurfsvoll an und schüttelte den Kopf, während sie ihre Lippen zusammenpresste. „Was auch immer ich getan haben sollte: Ich möchte Sie um Entschuldigung bitten.“
„Oh nein, nicht bei mir. Sie müssen sich nicht bei mir entschuldigen“, sagte sie gereizt.
„Wollen Sie mir damit etwa zu verstehen geben, ich müsste mich bei Lupin entschuldigen? Was ich ihm gegenüber gesagt habe, war lediglich eine Stellungnahme! Das wird mir wohl noch gestattet sein.“
Hermine kniff ihre Augen zu bedrohlich schmalen Schlitzen zusammen, bevor sie fragte: „Warum haben Sie ihn auf seiner Verlobungsfeier erst davon abgehalten, sich unters Messer zu legen, damit er Tonks heiraten darf, wenn Sie jetzt darauf herumhacken? Ich habe ehrlich gesagt geglaubt, dass Sie ihn aus welchen Gründen auch immer vor einem Fehler bewahren wollten, was Sie irgendwie ’nett’ wirken ließ.“
„Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts… Warum rede ich mit Ihnen überhaupt darüber? Sie mischen sich in Dinge ein, die Sie nichts angehen“, sagte er durch die Zähne zischend.
„Oh, keine Sorge. Ich halte mich mittlerweile aus solchen Dingen heraus, wie Sie es bemerkt haben sollten. Machen Sie nur weiter, wie es Ihnen beliebt“, sagte sie kaltschnäuzig, bevor sie zum Vorratsschrank hinüberging.
„Was tun Sie da?“, wollte er wissen.
Sie warf ihm einen gleichgültigen Blick zu und sagte: „Ich hole die Zutaten für den Wolfsbanntrank, falls Sie das vergessen haben sollten.“
Am Abend, als Remus gekommen war, sah er noch mitgenommener aus als am Tag zuvor. Hermine litt mit ihm mit. Remus war ein Mensch, der sich Dinge immer sehr zu Herzen nahm und lange über etwas nachdenken musste, bevor er sein inneres Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Er lächelte zurückhaltend, obwohl man ihm ansehen konnte, dass ihm nicht danach war.
Es folgte ein wenig Smalltalk, den Hermine ihm aufdrängte, doch wie sie selbst es bei Severus machte, so blockte Remus ihre Gespräche ab, bis er seinen Wolfsbanntrank einnehmen konnte, um die heutige Nacht sicher verwahrt in der Heulenden Hütte verbringen zu können. Hermine hatte die Hoffnung aufgegeben, dass Severus den Moment, in welchem Remus seinen Tränkepass zur Unterschrift vorlegen würde, dazu nutzen könnte, um sein Bedauern über die beleidigenden Worte auszusprechen und er enttäuschte sie nicht, denn kein Wort war über seine Lippen gekommen. Wie üblich bedankte sich Remus bei beiden und ging zur Tür.
„Grüß Tonks von mir, ja?“, rief sie Remus noch hinterher, doch der blieb plötzlich wie angewurzelt stehen.
Er drehte sich um und blickte überall hin, nur nicht in Hermines Augen, bevor er sagte: „Ich werde sie nicht mehr so oft sehen, Hermine.“
„Was…?“, fragte Hermine völlig verdattert, doch Remus war schon zur Tür hinaus.
Seine Antwort hatte ihr ein flaues Gefühl in der Bauchgegend beschert, weswegen sie ihm hinterherlief und ihn noch auf dem Gang abfing.
„Remus, was sollte das eben bedeuten?“, wollte sie wissen.
Er schluckte den Kloß im Hals hinunter und antwortete gleich darauf leise: „Ich habe die Verlobung gestern gelöst.“
„Du hast…?“ Hermine schüttelte verzweifelt den Kopf. „Remus, warum nur?“ Sie wollte nicht wahrhaben, was er eben gesagt hatte.
Er begann am ganzen Körper zu zittern, antwortete jedoch ehrlich, wenn auch mit gebrochener Stimme: „Sie ist gut fünfzehn Jahre jünger als ich. Sie wird Kinder haben wollen und das kann ich ihr nicht…“
Sie unterbrach ihn barsch: „Herrgott, Remus, vergiss den Blödsinn, den Snape von sich gegeben hat. Und was den Altersunterschied betrifft: Meine Mutter ist siebzehn Jahre jünger als mein Dad und sie sind bis heute glücklich verheiratet!“
Remus lächelte milde, doch seine Augen zeugten von Niedergeschlagenheit, bevor er eine Hand auf Hermines Schulter legte. Leise und sehr betroffen erklärte er: „Und sie haben auch eine hübsche und kluge Tochter in die Welt gesetzt.“
„Remus…“, sagte Hermine flehend.
„Wir sehen uns spätestens nächsten Monat, wenn ich bis dahin keinen anderen Zaubertränkemeister gefunden habe. Bis dann, Hermine“, sagte er, bevor er sie wie einen begossenen Pudel stehen ließ und Hogwarts verließ.
Sie war traurig, wütend und fühlte sich völlig hilflos. Am liebsten wollte sie sofort Harry Bescheid geben, doch sie musste erst zurück ins Labor. Es war schon spät und heute würde er es nicht wagen, eine neue Arbeit zu beginnen. Außerdem war heute Sonntag – ihr freier Tag – und sie war nur wegen des Wolfsbanntranks hier gewesen, den sie seit Anfang an für Remus zubereitete.
Mit entschlossenem Schritt trat Hermine ins Labor ein und griff sich ihre Tasche, um sich gleich wieder umzuwenden und wortlos zu gehen. Ob Severus sie angesehen hatte, wusste sie nicht, denn sie hatte nicht einmal in seine Richtung geschaut.
In ihrem Zimmer warf sie die Tasche auf einen Stuhl, bevor sie Fellini etwas zu Fressen gab. Als sie sich wieder aufrichtete, betrachtete sie ihr Gesicht im Spiegel an der Wand. Es sah normal aus, was wirklich an dem magischen Licht zu liegen schien, denn sie erinnerte sich daran, wie blass sie ausgesehen hatte, als sie bei Harry in den Spiegel geschaut hatte. Gleich darauf wandte sie sich ihrem Bonsai-Bäumchen zu und sie erschrak, als sie die vielen verdorrten Blätter entdeckte. Nur noch wenige waren grün. Mit einem Finger prüfte sie die Erde, doch die war feucht. Der Baum konnte doch nicht noch immer an den Auswirkungen der Attacke dieser unzähmbaren Kratzbürste leiden, wunderte sie sich. Es musste an etwas anderem liegen, dass er so eingegangen war, also holte sie sich das Buch über Bonsai-Bäume, welches sie einmal von ihren Eltern geschenkt bekommen hatte. Sie blätterte, bis sie eine Erklärung für den Zustand ihrer Pflanze gefunden hatte. Ihrem Bäumchen ging es nicht anders als ihr selbst: Es brauchte Sonnenlicht.
Hermine hatte ihren Entschluss gefasst und sie wollte es sofort regeln, so dass sie das Büro des Direktors im Turm aufsuchen wollte. Gleich im Erdgeschoss blickte sie durch eines der Fenster und blieb wie angewurzelt stehen. Es hatte geschneit! Die ganze Landschaft war weiß gezeichnet und sie hatte es nicht einmal mitbekommen.
Mit dem Passwort öffnete der Wasserspeier den Zugang und oben wurde sie sofort von Albus eingelassen.
„Hermine, je später der Abend, desto erfreulicher die Gäste“, sagte er lächelnd.
„Es tut mir Leid, dass ich so spät noch…“
„Nein nein, so war das nicht gemeint. Nehmen Sie doch Platz, meine Gute. Etwas Tee? Ich habe hier auch eine neue Leckerei, die ich Ihnen gern anbieten würde“, sagte Albus freundlich und zeigte auf eine kleine Schale auf dem Tisch, bevor er ihr bereits eine Tasse Tee einschenkte. „Wie kann ich Ihnen helfen, Hermine?“
Sie rückte sofort mit der Sprache raus: „Ich möchte raus aus den Kerkern. Ich frage mich, ob woanders noch ein Plätzchen für mich frei wäre. Mit kleineren Räumen wäre ich auch zufrieden; Hauptsache, es gibt Fenster!“
„Warum so plötzlich? Ich hoffe doch nicht, dass Severus und Sie aneinander geraten sind“, sagte Albus, bevor er seinen Tee schlürfte.
Hermine kniff die Lippen zusammen, entschloss sich jedoch dafür, ehrlich zu antworten: „Nein, das ist nicht der Grund. Jeder sagt mir, ich würde blass aussehen! Mein Bonsai-Baum geht langsam ein, weil ihm Sonnenlicht fehlt und dann, als ich schon auf dem Weg zu Ihnen war, da habe ich erst gesehen, dass es draußen schneit und offensichtlich schon eine ganze Weile. Ich bekomme da unten gar nichts mit und ich habe das Gefühl, ich gehe genauso ein wie mein Baum. Das ist der Grund, Albus. Ich möchte ein Fenster haben, wo morgens die Sonne durchstrahlen kann. Ich will es auch öffnen und hinaussehen können. Es fehlt mir einfach.“
Albus nickte verständnisvoll und erklärte: „Ja, Hermine. Sie sind in der Tat sehr blass. Ich werde Ihrem Wunsch nachkommen. Es gibt sehr schöne Räume im vierten Stock, ganz in der Nähe der Bibliothek, was Sie sicherlich freuen wird.“
„Oh, das wäre schön“, sagte sie schwärmend mit einem Hauch Erleichterung, dass Albus nicht nachgehakt hatte, wie es mir ihr und Severus aussah.
„Möchten Sie schon heute in den neuen Räumen nächtigen?“, wollte er wissen. Weil Hermine ein wenig erstaunt wirkte, fügte er hinzu: „Mit Hilfe der Hauselfen wäre es in wenigen Minuten erledigt.“
„Das wäre wirklich wunderbar“, sagte sie schwärmend, denn die Aussicht, morgen schon mit Tageslicht im Schlafzimmer aufzuwachen, machte ihr die Entscheidung leicht.
Im Foyer des Ministeriums traf Susan auf Rosalind, die sie natürlich sofort grüßte. Die Gamotvorsitzende wusste vom Hörensagen, dass ihre Kollegin mit Malfoys Spross liiert war und auch ein Kind von ihm erwartete. Sie ahnte, dass Susan sie womöglich auf den Gerichtstermin von Malfoy senior ansprechen würde.
„Hallo Rosalind, wie geht’s Ihnen?“, fragte Susan freundlich lächelnd.
„Bestens, danke der Nachfrage, Susan“, erwiderte Rosalind ein wenig angespannt.
„Wie geht es Ihrem Sohn? Barry ist jetzt ja schon über zwei Monate in der Schweiz?“, wollte Susan wissen.
Kräftig schluckend fragte Rosalind sich, ob es möglich sein könnte, dass Mr. Malfoy die Zukünftige seines Sohnes manipuliert und auf sie angesetzt hatte. Sie wusste nicht, ob Susan Kenntnis davon hatte, dass Barry einer Affäre entsprungen war. Die Frage nach dem Befinden ihres Sohnes kam ihr verdächtig vor.
„Barry geht es gut. Er wird zu Weihnachten zu uns kommen“, antwortete Rosalind knapp.
Susan runzelte die Stirn, denn normalerweise kam sie mit ihrer Kollegin sehr gut aus, doch heute schien sie sehr distanziert.
„Ich wollte Sie wegen der Verhandlung von Mr. Malfoy etwas fragen“, kündigte Susan an, doch Rosalind übernahm die Gesprächsführung.
„Ja, wegen Mr. Malfoy: Ich ziehe in Erwägung, den Termin vorzuverlegen“, antwortete Rosalind in der Hoffnung, kooperativ zu wirken.
Susan zog erstaunt beide Augenbrauen und fragte: „Und wie weit vor?“
„Wann denken Sie, Susan, dass er das Krankenhaus verlassen wird?“
„Er sagte neulich, dass er in wenigen Wochen wieder sehen können wird. Einen Termin im Januar würde er sicherlich befürworten“, sagte Susan gewissenhaft, denn das war das, was Kingsley ihr erzählt hatte.
In die Enge getrieben fühlte sich Rosalind dazu genötigt zu sagen: „Gut, Januar dann. Ich werde alles vorbereiten. Es stehen ja schon alle Gamotmitglieder auf dem Plan.“
„Da wird er sich aber freuen“, sagte Susan unbekümmert.
In Gedanken kommentierte Rosalind diese Aussage mit den Worten: ’Das glaube ich gern!’ Laut sagte sie jedoch: „Ich wäre selbst sehr froh, wenn diese Angelegenheit endlich vom Tisch wäre.“
Nochmals stutzte Susan, denn irgendwie schien Rosalind äußerst verkrampft und ein wenig erbost, dennoch gezwungen freundlich.
Um ihre ältere Kollegin aufzumuntern, fragte Susan freundlich: „Wollen wir zusammen zu Mittag essen? Es gibt heute…“
Rosalind fuhr ihr über den Mund und sagte: „Nein danke. Ich nutze die Zeit lieber, um Mr. Malfoys Anklageschrift zu verfassen und den Termin festzulegen. Auf Wiedersehen, Susan.“
Nachdenklich schaute Susan ihrer Kollegin hinterher. Sie hatte ein seltsames Gefühl im Bauch, welches sie weder beschreiben noch deuten konnte. Sie wusste, dass irgendetwas faul war, konnte sich aber nichts zusammenreimen.
In Hogwarts hatte Hermine bereits seit dem frühen Morgen ihren Farbtrank wieder und wieder gebraut – ohne Flubberwürmer, damit der Effekt nur um die dreißig Sekunden andauern würde. Bisher hatte sie es nicht geschafft, eine perfekte Rührreihenfolge oder Temperaturanpassungen zu finden, damit sie selbst ihre Farben sehen konnte.
Bevor sie zum achten Mal ihren Trank begann, warf sie erneut ein Auge in das Buch „Die Kraft von Lóng – ostasiatische Tränke für die Sinne“. Den Adlerauge-Trank konnte sie jetzt schon auswendig. Sie notierte gerade, welche Zubereitungsmethoden des Adlerauges sie zuletzt an ihrem Trank ausprobiert hatte, da kam Severus vom Unterricht.
„Ah, wie ich sehe, waren Sie schon sehr fleißig“, sagte er amüsiert.
Sie warf ihm einen kühlen Blick zu, denn noch immer war sie verdrossen darüber, wie er mit Remus umgegangen war und sagte recht kühl: „Guten Tag.“
Wie angewurzelt blieb Severus eine Weile auf der Stelle stehen und beobachtete seine Schülerin, die ihm keinen einzigen Blick schenkte.
„Bin ich für Ihre Übellaunigkeit verantwortlich?“, fragte er mit schmieriger Stimme.
Sie kniff die Augen zusammen und schenkte ihm eine Kopie seines berühmten Todesblickes, bevor sie ehrlich sagte: „Mir passt es nicht, wie Sie mit meinen Freunden umspringen.“
„Lupin kommt lediglich her, um den Wolfsbanntrank einzunehmen, den er, wenn ich mir die Freiheit nehmen darf, es mal auf den Punkt zu bringen, nicht einmal bezahlen muss. Es gehört nicht zu meiner Pflicht, mir sein dummes Geschwätz anhören zu…“
Hermine unterbrach ihn und wiederholte ungläubig: „Dummes Geschwätz? Nennen Sie das immer so, wenn sich jemand nett mit Ihnen unterhalten möchte? Dummes Geschwätz?“
„Ihr gestriges Gefasel, Hermine, war auch nicht gerade angenehm für mich. Es hat niemanden – nicht einmal Sie – zu interessieren, mit wem ich Kontakt zu pflegen wünsche und mit wem nicht“, sagte Severus mit ruhiger, dennoch provozierender Stimme, denn ob er sich mit Linda schrieb oder nicht war einzig seine Angelegenheit.
Aufgebracht wiederholte sie: „’Mein Gefasel’? Jetzt langt’s mir!“ Sie warf das Notizbuch, welches sie noch immer in der Hand gehalten hatte, erbost auf den Tisch. „Ab jetzt, Severus, gibt es nichts Privates mehr, über das ich mit Ihnen reden werde, damit ’mein Gefasel’ Ihnen nicht mehr auf die Nerven geht! Eines sei Ihnen aber gesagt: Sollten Sie es nochmal wagen, mich mit einem Silencio zu belegen, dann werde ich einen sehr unangenehmen Zauberspruch an Ihnen ausprobieren.“
Severus äußerte sich nicht, nahm Hermine aber auch nicht ernst. Als sie ihr Notizbuch erneut in die Hand nahm, blickte sie auf und fragte mit kühler Stimme: „Haben Sie heute etwas Bestimmtes ins Auge gefasst oder wollen wir mit dem Farbtrank fortfahren?“
Sie schien, bis auf ihre distanzierte Stimme, wieder normal, so dass er antwortete: „Was haben Sie bisher gemacht?“
Wortlos reichte sie ihm ihr Notizbuch, so dass er einen Überblick erhielt.
„Wir sollten versuchen, nach der Beimischung des Nixenkrauts die Temperatur zu erhöhen und schneller zu rühren, damit die Samen nicht zu Boden sinken und anbrennen“, schlug er vor, so dass sie damit anfingen, den achten Trank zu brauen.
Während des Brauens äußerte Hermine sich nur, wenn es um die Arbeit ging. Sie schwärmte nicht davon, wie schön es gewesen war, mit dem Adlerauge die Krater des Mondes gesehen zu haben. Sie erzählte auch nicht, dass Draco ihren Trank hatte testen wollen, auch wenn das mehr oder weniger mit der Arbeit zu tun hatte. Sie schwärmte nicht davon, dass sie während ihres Urlaubs vor wenigen Jahren in den Bergwäldern Japans eine sehr interessante Zutat in Form einer Baumrinde entdeckt hatte und sie verlor auch kein Wort darüber, dass sie aus den Kerkern ausziehen wollte. Das alles war viel zu privat und Severus würde ihr „Gefasel“ – Hermine regte sich innerlich erneut über diese Beleidigung auf – nicht gutheißen.
Severus hingegen bemerkte schnell, dass die Stimmung nicht nur ein wenig getrübt war, sondern eiskalt. Wäre es nicht November, würde er glatt Hermine für die frostigen Temperaturen in den Kerkern verantwortlich machen. Einerseits war es ihm recht, wenn Menschen in seiner Nähe ihn nicht in Gespräche verwickelten, aber es war etwas vollkommen anderes, auf etwas verzichten zu müssen, an das man sich bereits gewöhnt hatte. Er vermisste ihre kurzen Kommentare zu Tränkezutaten, ihre Anspielungen auf andere Zaubertränkemeister; er vermisste ihre Stimme.
Ein letztes Mal rührte Hermine den Trank und löschte danach das Feuer unter dem Kessel, bevor sie gefühlskalt sagte: „Der Trank ist fertig.“
Sie fragte gar nicht erst, ob er ihn probieren würde, also füllte sie etwas in eine Ampulle und sprach einen Kühlungszauber. Ihr Magen gurgelte bereits, denn er hatte schon sieben Tränke intus und die Menge schien ihr nicht zu bekommen. Hermine setzte an, aber in dem Moment, als sie den Geruch des Trankes wahrnehmen konnte, der ihr heute bereits zuwider war, da musste sie plötzlich würgen. Schnell hielt sie eine Hand vor den Mund.
„Was haben Sie?“, fragte Severus besorgt.
„Nichts“, antwortete sie.
Er kam einen Schritt auf sie zu und sagte erbost: „Hören Sie auf zu lügen. Sie haben einen Brechreiz.“ Er nahm ihr die Ampulle aus der Hand und stellte sie auf den Tisch.
„Ich habe heute schon sieben von diesen Tränken genommen. Ich höre es in meinem Magen schon glucksen, wenn ich mich schnell bewege. Den einen Trank schaffe ich auch noch“, redete sie sich ein, bevor sie zum Fläschchen griff, doch seine Hand umfasste ihr Handgelenk und hinderte sie daran.
„Ich werde nicht zulassen, dass Sie einen Trank einnehmen, der einen Würgreflex bei Ihnen auslöst“, sagte er bestimmend.
Hermine rollte mit den Augen und sagte: „Den letzten Trank möchte ich jetzt auch noch testen. Ich will nicht die ganze Nacht wach liegen und überlegen, ob wir es geschafft haben oder nicht. Gerade Sie als Zaubertränkemeister müssten das doch verstehen.“
Er ließ ihr Handgelenk los, so dass sie zur Ampulle greifen konnte. Diesmal musste sie den Trank nicht einmal einatmen, denn allein der Gedanke daran, jetzt noch mehr Flüssigkeit in den Magen zu bekommen, ließ sie erneut würgen.
„Bei Merlin, geben Sie her“, sagte Severus und entriss ihr die Ampulle, während sie sich erneut eine Hand vor den Mund hielt. „Ich nehme an, es ist jetzt auch nicht der richtige Zeitpunkt, um Ihnen ein Glas Wasser anzubieten?“
Hermine schüttelte den Kopf: „Nein, bloß nicht. Es geht gleich wieder und dann werde ich den Trank nehmen.“
„Sie sind ein sturer Dickkopf!“, schimpfte Severus.
Er zog in Erwägung, den Trank selbst einzunehmen, damit sie Ruhe geben würde. Wenn er seine Farben nicht sehen können würde, wäre das ein Zeichen für einen erneuten Fehlschlag. Der Gedanke widerstrebte ihm, aber andererseits rief er sich ins Gedächtnis, dass sie seine Farben – auch wenn ihm das sehr unangenehm war – längst kannte. So riss sich Severus zusammen und tat ihr den Gefallen, freiwillig ihren Trank zu testen.
Hermine traute ihren Augen nicht, als Severus die Ampulle ansetzte und den Inhalt hinunterstürzte. Nach wenigen Sekunden erschien seine graue Farbe, jedoch wesentlich kräftiger als beim Adlerauge. Zu sehen waren verschiedene Grautöne, die fließend ineinander übergingen.
Als Severus die leere Ampulle auf dem Tisch abstellte, bemerkte er, dass seine Hand mit einem dunkelgrauen Schimmer überzogen war, weswegen er erschrocken zusammenzuckte. Der Trank war geglückt. Man konnte mit ihm endlich seine eigenen Farben sehen, auch wenn Grau in seinen Augen keine Farbe war.
Er blickte zu Hermine hinüber, die ihn von oben bis unten musterte und erst, als sie wieder bei seinen Augen angelangt war, da fragte sie: „Können Sie etwas sehen?“ Severus nickte beschämt, verkniff sich aber einen Kommentar, so dass sie fragte: „Und?“
„Was denken Sie?“, fragte er verbissen. „Es ist die gleiche Farbe wie nach der Einnahme des Adlerauges. Ihr Trank ist jetzt perfekt.“
Er hatte nicht mit Hermines Reaktion gerechnet, denn sie fragte abweisend: „Gut, dann ist das erledigt. Es ist schon halb elf durch. Wir machen Feierabend oder?“ Ihre angehängtes „oder“ machte deutlich, dass sie heute nichts Neues mehr beginnen wollte. Severus nickte zustimmend, so dass Hermine sich verabschiedete: „Bis morgen.“
Sie verließ ihn, ohne auch nur einmal die erwartete Frage fallen zu lassen, warum Severus’ Farbe Grau war und ohne auch nur einen Versuch zu starten, ihn über seine Vergangenheit ausfragen zu wollen. Nachdem sie die Tür von außen geschlossen hatte, hob Severus seinen Unterarm und betrachtete mit niedergeschlagener Miene die grauen wabernden Wellen, die sich um Hand und Arm schlängelten. Er sah keine Hoffnung.
Lucius hingegen schöpfte Hoffnung, als er am nächsten Morgen nicht nur einen Brief vom Ministerium erhalten hatte, sondern ihn das erste Mal mit eigenen Augen lesen konnte, was Marie sehr freute. Er stand am Fenster und hatte erstmalig die Werbetafel von „Bertie Botts Bohnen jeder Geschmacksrichtung“ deutlich erkennen und die Slogans wiederholen können, bevor Marie ihm den Brief gebracht hatte. Maries Gesicht konnte er schon länger erkennen und er war immer sehr erfreut, wenn er sie sah. Sie war in seinen Augen sehr hübsch, wenn sie auch ein eher dunkler Typ war, was nicht seinen persönlichen Geschmack traf.
„Das ist so schön, Mr. Malfoy, dass Sie den Brief allein lesen können. Ich werde nachher gleich mal die neusten Ausgaben der Tageszeitungen zusammensuchen und sie Ihnen bringen“, sagte Marie mit einem breiten Lächeln im Gesicht.
„Das ist sehr aufmerksam von Ihnen, Marie“, bedankte sich Lucius höflich, während er den Brief vom Ministerium öffnete.
Er las die ersten Zeilen und da begannen seine Hände plötzlich zu zittern.
„Mr. Malfoy? Geht es Ihnen nicht gut? Setzen Sie sich lieber“, sagte Marie fürsorglich, die ihn bereits am Arm ergriffen hatte und zu dem Tisch führte, damit er sich auf einem Stuhl Platz nehmen konnte.
„Am 12. Januar! Marie, meine Verhandlung beginnt am 12. Januar gleich im nächsten Jahr! Wem ich das wohl zu verdanken habe?“, fragte er in den Raum hinein.
Marie schürzte die Lippen und vermutete laut: „Na ja, ich habe bisher nur eine Person aus dem Ministerium kennen gelernt, die mit Ihnen wirklich immer sehr freundlich umgegangen ist.“
Die Schwester beließ es bei diesem Hinweis, bevor sie zu Gregory Goyles Bett hinüberging, um die Laken glatt zu ziehen. Lucius las den Brief dreimal, bevor er die Augen schloss und zufrieden tief ein und aus atmete. Er fragte sich, ob es sich um Miss Bones handeln könnte, die ihm tatsächlich diesen großen Gefallen erwiesen hatte und er fragte sich gleichzeitig, was sie damit bezwecken wollen würde. Im ersten Moment glaubte er, sie würde sich nur lieb Kind machen wollen, doch Marie hatte Recht: Miss Bones war die Einzige, die sich nicht davon hatte abhalten lassen, ihn immer freundlich zu behandeln, selbst wenn er über die Stränge geschlagen hatte.
Auch Hermine hatte gleich morgens einen Brief vom Ministerium erhalten. Es handelte sich dabei um die schriftliche Bestätigung des Ausbildungsvertrages seit Anfang Oktober, die sie gleich zu ihren Akten legte. Den Morgen und Vormittag verbrachte sie damit, das Buch über die Handhabe der schwarzmagischen Bücher zu lesen, was Severus ihr aufgetragen hatte. Wenn sie an ihren Professor dachte, dann machte sich Wut in ihrem Bauch breit. Das einzige Highlight würde heute Abend der Besuch von Remus sein, der den zweiten Wolfsbanntrank einnehmen würde. Hermine hoffte innig, dass Severus ihre an den Tag gelegte Reserviertheit richtig gedeutet hatte und einen stillen Moment dazu nutzen würde, sich bei Remus zu entschuldigen.
Den ganzen Abend hatte Hermine weiterhin ihren Mund gehalten und nur über die Arbeit gesprochen, was Severus grantig zur Kenntnis nehmen musste und sich hütete, sie auf ihr Verhalten anzusprechen. Als Remus kam, begrüßte sie ihn mit der vertrauten Herzenswärme, die man von ihr kannte – mit einem Kuss auf die Wange. Ihr war nicht entgangen, dass Remus noch immer tief verletzt war. Er schaute ihr kaum in die Augen und Severus schon gar nicht.
„Alles in Ordnung, Remus?“, fragte Hermine, so dass Severus es hören konnte, auch wenn der sich wieder beschäftigt gab. Remus schaute sie mit Kummer erfüllten Augen an, äußerte sich aber weder verbal noch mit einer Geste. Nachdem er den Trank genommen hatte, ließ er seinen Tränkepasse von Severus unterschreiben. Er bedankte sich höflich und ging.
Die Wut in ihrem Bauch hatte sich verdoppelt, doch sie sagte keinen Ton. Sie würde Severus nicht dazu auffordern, mit Remus zu sprechen. Sie selbst wollte nicht die Nächste sein, die wieder einmal seine Launen ertragen müsste, also arbeiteten sie zusammen still an einem Trank, der Hermines Fähigkeiten festigen sollte, bestimmte Zutaten korrekt vorzubereiten. Es war eine sehr aufwendige Arbeit, aber sie meisterte sei mit Bravour. Es war Severus, der währenddessen mehrmals ein Gespräch begonnen hatte, doch Hermine blockte jedes Mal ab.
„Wie geht es Ihrem Kniesel?“, fragte er vorgetäuscht interessiert, um sie zum Reden zu bewegen.
„Lenken Sie mich bitte nicht von der Arbeit ab“, entgegnete sie kühl.
Er versuchte an diesem Abend nicht noch einmal, ihr ein Gespräch aufzuhalsen.
Der Tag, an welchem Remus zum dritten Mal für die Einnahme des Wolfsbanntranks kommen würde, verlief im Vorfeld genauso eisig. Seine Versuche, eine private Unterhaltung zu führen, hatte sie mit knappen Antworten unterbunden, bis er letztendlich erbost fragte: „Was in Merlins Namen habe ich getan?“ Sie blickte ihn vorwurfsvoll an und schüttelte den Kopf, während sie ihre Lippen zusammenpresste. „Was auch immer ich getan haben sollte: Ich möchte Sie um Entschuldigung bitten.“
„Oh nein, nicht bei mir. Sie müssen sich nicht bei mir entschuldigen“, sagte sie gereizt.
„Wollen Sie mir damit etwa zu verstehen geben, ich müsste mich bei Lupin entschuldigen? Was ich ihm gegenüber gesagt habe, war lediglich eine Stellungnahme! Das wird mir wohl noch gestattet sein.“
Hermine kniff ihre Augen zu bedrohlich schmalen Schlitzen zusammen, bevor sie fragte: „Warum haben Sie ihn auf seiner Verlobungsfeier erst davon abgehalten, sich unters Messer zu legen, damit er Tonks heiraten darf, wenn Sie jetzt darauf herumhacken? Ich habe ehrlich gesagt geglaubt, dass Sie ihn aus welchen Gründen auch immer vor einem Fehler bewahren wollten, was Sie irgendwie ’nett’ wirken ließ.“
„Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts… Warum rede ich mit Ihnen überhaupt darüber? Sie mischen sich in Dinge ein, die Sie nichts angehen“, sagte er durch die Zähne zischend.
„Oh, keine Sorge. Ich halte mich mittlerweile aus solchen Dingen heraus, wie Sie es bemerkt haben sollten. Machen Sie nur weiter, wie es Ihnen beliebt“, sagte sie kaltschnäuzig, bevor sie zum Vorratsschrank hinüberging.
„Was tun Sie da?“, wollte er wissen.
Sie warf ihm einen gleichgültigen Blick zu und sagte: „Ich hole die Zutaten für den Wolfsbanntrank, falls Sie das vergessen haben sollten.“
Am Abend, als Remus gekommen war, sah er noch mitgenommener aus als am Tag zuvor. Hermine litt mit ihm mit. Remus war ein Mensch, der sich Dinge immer sehr zu Herzen nahm und lange über etwas nachdenken musste, bevor er sein inneres Gleichgewicht wiedergefunden hatte. Er lächelte zurückhaltend, obwohl man ihm ansehen konnte, dass ihm nicht danach war.
Es folgte ein wenig Smalltalk, den Hermine ihm aufdrängte, doch wie sie selbst es bei Severus machte, so blockte Remus ihre Gespräche ab, bis er seinen Wolfsbanntrank einnehmen konnte, um die heutige Nacht sicher verwahrt in der Heulenden Hütte verbringen zu können. Hermine hatte die Hoffnung aufgegeben, dass Severus den Moment, in welchem Remus seinen Tränkepass zur Unterschrift vorlegen würde, dazu nutzen könnte, um sein Bedauern über die beleidigenden Worte auszusprechen und er enttäuschte sie nicht, denn kein Wort war über seine Lippen gekommen. Wie üblich bedankte sich Remus bei beiden und ging zur Tür.
„Grüß Tonks von mir, ja?“, rief sie Remus noch hinterher, doch der blieb plötzlich wie angewurzelt stehen.
Er drehte sich um und blickte überall hin, nur nicht in Hermines Augen, bevor er sagte: „Ich werde sie nicht mehr so oft sehen, Hermine.“
„Was…?“, fragte Hermine völlig verdattert, doch Remus war schon zur Tür hinaus.
Seine Antwort hatte ihr ein flaues Gefühl in der Bauchgegend beschert, weswegen sie ihm hinterherlief und ihn noch auf dem Gang abfing.
„Remus, was sollte das eben bedeuten?“, wollte sie wissen.
Er schluckte den Kloß im Hals hinunter und antwortete gleich darauf leise: „Ich habe die Verlobung gestern gelöst.“
„Du hast…?“ Hermine schüttelte verzweifelt den Kopf. „Remus, warum nur?“ Sie wollte nicht wahrhaben, was er eben gesagt hatte.
Er begann am ganzen Körper zu zittern, antwortete jedoch ehrlich, wenn auch mit gebrochener Stimme: „Sie ist gut fünfzehn Jahre jünger als ich. Sie wird Kinder haben wollen und das kann ich ihr nicht…“
Sie unterbrach ihn barsch: „Herrgott, Remus, vergiss den Blödsinn, den Snape von sich gegeben hat. Und was den Altersunterschied betrifft: Meine Mutter ist siebzehn Jahre jünger als mein Dad und sie sind bis heute glücklich verheiratet!“
Remus lächelte milde, doch seine Augen zeugten von Niedergeschlagenheit, bevor er eine Hand auf Hermines Schulter legte. Leise und sehr betroffen erklärte er: „Und sie haben auch eine hübsche und kluge Tochter in die Welt gesetzt.“
„Remus…“, sagte Hermine flehend.
„Wir sehen uns spätestens nächsten Monat, wenn ich bis dahin keinen anderen Zaubertränkemeister gefunden habe. Bis dann, Hermine“, sagte er, bevor er sie wie einen begossenen Pudel stehen ließ und Hogwarts verließ.
Sie war traurig, wütend und fühlte sich völlig hilflos. Am liebsten wollte sie sofort Harry Bescheid geben, doch sie musste erst zurück ins Labor. Es war schon spät und heute würde er es nicht wagen, eine neue Arbeit zu beginnen. Außerdem war heute Sonntag – ihr freier Tag – und sie war nur wegen des Wolfsbanntranks hier gewesen, den sie seit Anfang an für Remus zubereitete.
Mit entschlossenem Schritt trat Hermine ins Labor ein und griff sich ihre Tasche, um sich gleich wieder umzuwenden und wortlos zu gehen. Ob Severus sie angesehen hatte, wusste sie nicht, denn sie hatte nicht einmal in seine Richtung geschaut.
In ihrem Zimmer warf sie die Tasche auf einen Stuhl, bevor sie Fellini etwas zu Fressen gab. Als sie sich wieder aufrichtete, betrachtete sie ihr Gesicht im Spiegel an der Wand. Es sah normal aus, was wirklich an dem magischen Licht zu liegen schien, denn sie erinnerte sich daran, wie blass sie ausgesehen hatte, als sie bei Harry in den Spiegel geschaut hatte. Gleich darauf wandte sie sich ihrem Bonsai-Bäumchen zu und sie erschrak, als sie die vielen verdorrten Blätter entdeckte. Nur noch wenige waren grün. Mit einem Finger prüfte sie die Erde, doch die war feucht. Der Baum konnte doch nicht noch immer an den Auswirkungen der Attacke dieser unzähmbaren Kratzbürste leiden, wunderte sie sich. Es musste an etwas anderem liegen, dass er so eingegangen war, also holte sie sich das Buch über Bonsai-Bäume, welches sie einmal von ihren Eltern geschenkt bekommen hatte. Sie blätterte, bis sie eine Erklärung für den Zustand ihrer Pflanze gefunden hatte. Ihrem Bäumchen ging es nicht anders als ihr selbst: Es brauchte Sonnenlicht.
Hermine hatte ihren Entschluss gefasst und sie wollte es sofort regeln, so dass sie das Büro des Direktors im Turm aufsuchen wollte. Gleich im Erdgeschoss blickte sie durch eines der Fenster und blieb wie angewurzelt stehen. Es hatte geschneit! Die ganze Landschaft war weiß gezeichnet und sie hatte es nicht einmal mitbekommen.
Mit dem Passwort öffnete der Wasserspeier den Zugang und oben wurde sie sofort von Albus eingelassen.
„Hermine, je später der Abend, desto erfreulicher die Gäste“, sagte er lächelnd.
„Es tut mir Leid, dass ich so spät noch…“
„Nein nein, so war das nicht gemeint. Nehmen Sie doch Platz, meine Gute. Etwas Tee? Ich habe hier auch eine neue Leckerei, die ich Ihnen gern anbieten würde“, sagte Albus freundlich und zeigte auf eine kleine Schale auf dem Tisch, bevor er ihr bereits eine Tasse Tee einschenkte. „Wie kann ich Ihnen helfen, Hermine?“
Sie rückte sofort mit der Sprache raus: „Ich möchte raus aus den Kerkern. Ich frage mich, ob woanders noch ein Plätzchen für mich frei wäre. Mit kleineren Räumen wäre ich auch zufrieden; Hauptsache, es gibt Fenster!“
„Warum so plötzlich? Ich hoffe doch nicht, dass Severus und Sie aneinander geraten sind“, sagte Albus, bevor er seinen Tee schlürfte.
Hermine kniff die Lippen zusammen, entschloss sich jedoch dafür, ehrlich zu antworten: „Nein, das ist nicht der Grund. Jeder sagt mir, ich würde blass aussehen! Mein Bonsai-Baum geht langsam ein, weil ihm Sonnenlicht fehlt und dann, als ich schon auf dem Weg zu Ihnen war, da habe ich erst gesehen, dass es draußen schneit und offensichtlich schon eine ganze Weile. Ich bekomme da unten gar nichts mit und ich habe das Gefühl, ich gehe genauso ein wie mein Baum. Das ist der Grund, Albus. Ich möchte ein Fenster haben, wo morgens die Sonne durchstrahlen kann. Ich will es auch öffnen und hinaussehen können. Es fehlt mir einfach.“
Albus nickte verständnisvoll und erklärte: „Ja, Hermine. Sie sind in der Tat sehr blass. Ich werde Ihrem Wunsch nachkommen. Es gibt sehr schöne Räume im vierten Stock, ganz in der Nähe der Bibliothek, was Sie sicherlich freuen wird.“
„Oh, das wäre schön“, sagte sie schwärmend mit einem Hauch Erleichterung, dass Albus nicht nachgehakt hatte, wie es mir ihr und Severus aussah.
„Möchten Sie schon heute in den neuen Räumen nächtigen?“, wollte er wissen. Weil Hermine ein wenig erstaunt wirkte, fügte er hinzu: „Mit Hilfe der Hauselfen wäre es in wenigen Minuten erledigt.“
„Das wäre wirklich wunderbar“, sagte sie schwärmend, denn die Aussicht, morgen schon mit Tageslicht im Schlafzimmer aufzuwachen, machte ihr die Entscheidung leicht.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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