Oneshot: Farewell

Hier könnt ihr eure Fanfictions und Gedichte zu Harry und seiner Welt vorstellen.

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bella666
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Oneshot: Farewell

Beitrag von bella666 »

Während ich "Our Farewell" von Within Temptation gehört habe, ist dieser OS entstanden, daher auch der Name. Es ist wieder mal recht depri, zumindest am Anfang, ansonsten hab ich mich der Trauer bzw. der Hoffnung des Liedes angepasst.


Farewell

Sie hatte es nicht gewollt. Sie hatte es nie beabsichtigt und doch war es nun geschehen. Es tat ihr so leid, dass sie es zugelassen hatte. Sie hätte es doch verhindern können! Es wäre so einfach gewesen. Ein Satz hätte genügt, und ihre Welt wäre noch in Ordnung. Ihr Sohn würde sie nicht für ihre Schwäche verachten. Ihr Mann würde sie noch lieben und ihr keinen Verrat vorwerfen. Und sie würde sich nicht so schrecklich schuldig fühlen. Sie hatte nichts verbrochen, lediglich einen Jungen am Leben gelassen. Diesen einen Jungen. Sie hatte das Überleben Harry Potters gnadenlos ausgenutzt, um nach ihrem Sohn zu suchen. Diese Entscheidung ermöglichte es ihr, ins Schloss zu gelangen, und durch diese Entscheidung wurde Lord Voldemort schließlich besiegt. Alle Welt feierte den „Jungen, der lebt“, der die Zauberergemeinschaft gerettet hatte. Doch ihr dankte niemand. Im Gegenteil: Ihr Mann warf ihr jetzt vor, den Dunklen Lord verraten zu haben. Er blickte sie nicht mehr an, sprach nicht mehr mit ihr. Das alles wäre nicht so schlimm gewesen, hätte ihr Sohn sich anders verhalten. Doch er tat es seinem Vater gleich und beachtete sie nur so weit, dass er ihr morgens einen verächtlichen Blick zuwarf.
Was sie jetzt auch tun würde, würde ihre Familie nur noch weiter auseinanderreißen. Wenn sie nichts machte, würde sie irgendwann vor Kummer sterben. Ihr Mann würde ihr nie verzeihen, das brauchte sie also gar nicht erst zu versuchen. Sie konnte natürlich versuchen, es wieder gut zu machen, doch wie? Wie veränderte man die Vergangenheit? Und wenn sie sich absetzte, würde sie ihren Sohn verlieren, falls sie ihn nicht schon längst verloren hatte.
Eine Träne lief über ihre Wange und tropfte in das dicke, blonde Haar. Wenn wenigstens Bellatrix noch am Leben wäre. Ihre Schwester wäre ihr eine große Hilfe. Entweder würde sie ihr verzeihen und helfen oder sie stellen und töten. Wenn sie ihr helfen könnte, würde ihre Welt nicht so schnell zerfallen, und wenn sie sie umbringen würde, würde es wenigstens schnell gehen. Bellatrix konnte ihren Job. Doch Bellatrix war tot und würde sich weder für das eine noch für das andere entscheiden. Außer Bellatrix gab es in ihrer Familie niemanden, der noch am Leben war und ihr auch helfen würde. Sie wäre auch zu Sirius gegangen, er hätte ihr verziehen und sie mit offenen Armen aufgenommen. Doch wie Bellatrix war auch Sirius bereits tot.
Narzissa wischte eine weitere Träne weg und blickte auf die Uhr. Halb Eins in der Nacht. Sie griff nach der Kaffeekanne und goss sich eine Tasse der schwarzen Flüssigkeit ein. Die langen Beine bis zum Kinn hochgezogen, kauerte sie sich auf einem Stuhl zusammen. Eine Träne fiel in den Kaffee, und dann noch eine. Narzissa stelle die Tasse auf den Tisch und vergrub das Gesicht in den Händen.
Eine lange Zeit regte sie sich nicht. Dann, als der Morgen schon graute, erhob sie sich hastig. Mit wenigen Schritten hatte sie die Küche durchquert.
„Pack einige Sachen für mich zusammen, und mach schnell!“, wies sie einen Hauselfen an. Die Kreatur verbeugte sich und wuselte davon. Narzissa atmete dreimal tief durch, dann lief sie ins Bad. Als sie in den Spiegel blickte, erschrak sie. Ihre Haut war fahl und farblos, nicht mehr einfach blass, doch ihre Augen strahlten mehr Selbstsicherheit aus, als sie vermutet hätte. Die blasse Iris stand in einem erschreckenden Kontrast zu den Tränenspuren und machte ihr Angst. Schnell beugte sie sich über das Waschbecken und spülte ihr Gesicht ab als hoffte sie, dadurch den neuen, ungewohnten Ausdruck einer armen, allein lebenden Frau, die alles versucht, um ihrem Dilemma zu entfliehen, abwaschen zu können. Dann richtete sie sich auf und griff nach dem dünnen Kleid, das sie am Vorabend neben die Badewanne gelegt hatte.
Wenige Minuten später stand sie in der Eingangshalle. Ihr Blick wanderte über die Wände, während sie sich fragte, ob sie etwas vergessen hätte. >>Hast du nicht, Zissy<<, sagte sie sich, >>Geh einfach durch diese verfluchte Tür und vergiss, dass du Lucius jemals geliebt hast!<< Doch sie drehte sich um und ging zurück in die Küche. Aus einer Eingebung heraus wischte sie die unberührte Kaffeetasse vom Tisch. Zufrieden beobachtete sie, wie das Porzellan an der Spüle zerbrach und die schwarze Brühe über den Fußboden floss. Dann erst wandte sie sich zum Gehen und schritt och erhobenen Hauptes über das Anwesen der Malfoys, das sie nie wieder betreten würde. Nie wieder stand sie in der geräumigen Küche, nie wieder ging sie durch die große Eingangshalle. Nie wieder verschwendete sie einen sehnsüchtigen Gedanken an das Leben auf dem Landsitz, und das letzte, was Lucius und Draco von ihr fanden, war ein Kaffeefleck auf dem Küchenboden.
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