Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - BEENDET

Hier könnt ihr eure Fanfictions und Gedichte zu Harry und seiner Welt vorstellen.

Moderator: Modis

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Rhea
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Beitrag von Rhea »

*mein Schweigen aufgeb*

Ich find die Geschichte seeehr toll...
Aber bitte, bitte verrat nicht, was mit Hermine und Snape passiert!! So isses doch viel spannender...

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Helen
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Beitrag von Helen »

Mach ich nicht, selbst für mich wird es bestimmt noch überraschungen geben ;)
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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

@ Helen: Ich finde wirklich toll, dass dir Draco und Susan zusammen so gut gefallen!

@ CharLue: Hermine wird Snape schon noch die Meinung geigen und nicht nur einmal. ;)
Wegen der regelmäßigen Kapitel: Ist 2x die Woche ein Update in Ordnung oder ist es zu langsam/zu schnell?

@ Rhea: Danke für deinen Kommentar. Ich selbst werde natürlich nichts verraten, was in der Geschichte so vorkommen wird, versprochen. :)
Findest du einen bestimmten Handlungsstrang an der Geschichte toll oder allgemein alles? Das interessiert mich sehr :) An deinen Worten kann ich ja schon erahnen, dass du evtl. FFs mit Snape und Hermine magst...?

LG,
Muggelchen




042 Berühmte Hexen und Zauberer




Nachdem Severus mehrmals skeptisch den Brief von heute morgen gelesen hatte, wusste er noch immer nicht, ob er darüber lachen oder weinen sollte. Der Brief stammte vom Hersteller der Schokofrösche und der Unternehmensinhaber selbst schrieb:


„Sehr geehrter Professor Snape,

als Lehrer wird es Ihnen sicherlich nicht entgangen sein, dass viele Kinder die ’Sammelkarten berühmter Hexen und Zauberer’ aus unseren beliebten Schokofröschen sammeln. Unser Unternehmen wird in naher Zukunft ein Zauber-Kartenspiel herausbringen, für welches wir nicht nur Abbildungen von berühmten Hexen und Zauberer verwenden möchten, sondern diese auch mit Punkten und besonderen Eigenschaften versehen möchten (Rückseite der Karten). Eine Karte mit Ihrer Abbildung, Professor Snape, würden wir sehr gern als Spielkarte mit der zweithöchsten Punktezahl gestalten.

Anbei finden Sie eine Anleitung zu dem von uns entworfenen Kartenspiel und eine vollständiges Testspiel, welches wir Ihnen schenken möchten. Über Ihre Meinung würden wir uns sehr freuen! Die darauf verwendeten Bilder können natürlich auf Ihren Wunsch hin geändert werden.

Bitte teilen Sie uns bis zum 01. Oktober dieses Jahres mit, ob wir mit Ihrer Zustimmung für die Spielkarte rechnen dürfen. Für Fragen stehen wir Ihnen von 8.00 – 20.00 Uhr unter oben angegeben Kontaktinformationen gern zur Verfügung.

Mit freundlichem Gruß,
Willy Wonka
Wonka Industries“


Aus dem Päckchen, welches mit Gratis-Schokofröschen überquoll, kramte Severus die Anleitung und den Karton mit den Testspielkarten heraus. Auf der Anleitung wurden alle Spielkarten, nach Punkteanzahl sortiert, in einer Übersichtstabelle dargestellt. Es verwunderte ihn nicht, dass Harry Potter ganz oben mit 1000 Punkten zu sehen war. Er selbst teilte sich den zweiten Platz mit Albus und jeder von ihnen besaß einen Punktewert von 950. Es gab eine Bonuskarte mit Harry, Albus und ihm, die 2000 Punkte wert war – sozusagen die Trumpfkarte oder der Joker.

Selbst der Dunkle Lord, für den man lediglich ein Foto des dunklen Mals verwendet hatte, welches nach der Quidditch-Weltmeisterschaft schon in Zeitungen abgebildet worden war, blieb in diesem Spiel nicht außen vor. Dessen Karte hatte man auch mit 1000 Punkten versehen, aber der Haken an dieser Spielkarte war, dass sie laut Anleitung eine Art schwarzen Peter darstellte. Spielte man diese Karte aus, verloren alle anderen Karten, die man noch in der Hand hielt, die Hälfte ihres Wertes, womit es sehr unwahrscheinlich war, ein Spiel noch gewinnen zu können. Wahrscheinlich hatte man dies so ausgearbeitet, damit die jüngeren Kinder, die vom Dunklen Lord wenig mitbekommen hatten, ihn nicht aufgrund dieses Spiels für etwas Besonderes hielten.

Man konnte mit den Karten auf verschiedene Weisen spielen: entweder nach den Hauptpunkten oder nach den Werten der Eigenschaften, die sich auf der Rückseite befanden. Severus starrte auf das Bild der Spielkarte, die ihn selbst abbildete und war nicht eitel genug, irgendetwas an seinem Foto bemängeln zu können, bevor er sie umdrehte, damit er sich seine Eigenschaften ansehen konnte. „Zaubertränke: 100%“ stand darauf. Bei Harry hatte man daraus nur 90% gemacht, was in Severus’ Augen immer noch viel zu viel war. Okklumentik und Legilimentik waren beim ihm selbst auch mit der höchsten Bewertung angegeben, wie auch bei Albus. Severus fragte sich, woher der Hersteller das wusste oder ob man bei den Eigenschaften nur geraten hätte.

Hätte man ihn vor einem Jahr mit so einem Spiel konfrontiert, hätte er mit Sicherheit den Karton samt Schokofröschen kommentarlos in den Mülleimer geworfen. Jetzt war ihm jedoch bewusst, dass dies, wenn es sich auch nur um ein albern wirkendes Kartenspiel handelte, zu der gesellschaftlichen Anerkennung gehörte, die er endlich erhalten hatte. Man schätzte ihn als Person und jeder schenkte ihm seinen Respekt auf die eigene Weise; der Hersteller der Schokofrösche eben auf diese Art. Durch ein Spiel für Kinder würde Severus ein wenig Unsterblichkeit erlangen und genau deshalb fand er es auch nicht albern, sich mit diesem Spiel auseinanderzusetzen, sich die Karten anzusehen und sich die Anleitung durchzulesen. Im Gegenteil! Es machte ihn auf eine gewisse Art und Weise stolz zu wissen, dass ab Oktober Kinder damit spielen würden und „Severus Snape“ in ihren Augen keine furcheinflössende Gestalt darstellte, sondern einen mächtiger Zauberer, der mit vorbildlich hochwertigen Eigenschaften den Spieler zum Sieg führen könnte.

Er überflog die einzelnen Karten und bemerkte, dass auch alle anderen Ordensmitglieder bedacht wurden, aber nicht nur die. Wirklich alle Hexen und Zauberer, die sich zusammengerauft hatten, um Harry bei seinem Kampf zu unterstützen, hatten einen Platz in diesem neuartigen Kartenspiel gefunden. Er betrachtete eine Karte nach der anderen, bis er auf das Bild von Miss Granger auf Karte Nummer 18 stieß. Plötzlich zog sich etwas in seiner Magengegend zusammen und er wusste, dass dieses Gefühl sein schlechtes Gewissen war, welches ihn erneut übermannte, als er durch ihr Bild an den gestrigen Mittag erinnert wurde. Er hatte lange überlegt, wie er nun vorgehen sollte. Dass er sich entschuldigen müsste, war ihm durchaus klar, aber er wusste, dass er nicht gut in solchen Dingen war. Auch wenn er sie als Schülerin zurückhaben wollte, so wusste er einfach nicht, wie er es anstellen sollte, also entschloss er sich dazu nichts zu tun.

Es klopfte unerwartet und Severus erstarrte für einen Moment, weil niemand eintrat. Harry wäre sofort nach dem Klopfen hereingestürmt, auch wenn es ungewöhnlich für seinen jungen Kollegen wäre, ihn in seinem Labor aufzusuchen, in welches Severus sich heute morgen verkrochen hatte. Was, wenn es Miss Granger war? Es schien, als würde sich sein Magen einmal komplett umdrehen, bevor er sich zusammenriss und bestürzt zur Tür ging, um sie zu öffnen. Zu seinem Erstaunen war es tatsächlich Harry, der nur nicht eingetreten war, weil ein vorbeigehender Schüler ihn offensichtlich etwas gefragt hatte.

„Ah, Severus! Kann ich reinkommen?“, fragte Harry fröhlich. Drinnen fragte sein junger Kollege: „Hast du… ähm, haben Sie auch den Brief wegen des Zauberkartenspiels bekommen?“ Doch Harry entdeckte die Kiste mit den Schokofröschen von allein, zeigte mit dem Finger drauf und fragte gleich darauf mit einem kindlich amüsierten Glitzern in den Augen: „Und? Machen Sie mit? Ich mach es! Das wird bestimmt cool, wenn wir auf dem Schulhof dann ständig hören“, Harry verstellte die Stimme und sagte in höherer Tonlage, um einen verzückten Schüler zu imitieren, „’Ich tausche Potter gegen Snape! Nein, nicht Voldemort, wer will den schon haben…?’“

Völlig unbefangen lachte Harry über dieses selbst erdachte Szenario, doch Severus blieb bierernst, so dass Harry das Lachen verging. Freundlich fragte er: „Kommst du… Ich meine ’Sie’! Kommen Sie mit zum Frühstück?“
Verbittert fragte Severus: „Soll Ihr scheinbar versehentliches Geduze mich etwa dazu animieren, Ihnen eine persönlichere Anrede anzubieten?“
Schmunzelnd erwiderte Harry: „Haben Sie es endlich begriffen, ja? Ich bin gut genug erzogen worden, um zu wissen, dass man darauf wartet, bis der Ältere das Du anbietet. Wissen Sie, ich duze meine Freunde nun einmal und da dachte ich…“ Severus schnaufte genervt, erwiderte jedoch nichts darauf. Er sagte lediglich, dass er heute nicht in die große Halle gehen würde, weswegen Harry seine Räumlichkeiten betrübt verließ.

Severus stand noch an der Tür, als es wieder klopfte. Genervt über die erneute Störung durch Harry riss er die Tür auf, nur um gleich darauf wie gebannt in Miss Grangers dunkelbraune Augen zu schauen. Unverkennbar hatte sie, nachdem sie gestern Abend gegangen war, noch für längere Zeit geweint, was sie mit einer deckenden Salbe unter ihren Augen zu vertuschen versuchte. Ihr Blick war ernst, aber angstfrei. Kein Lächeln zierte ihr sonst so fröhliches und aufgewecktes Gesicht. Es war ungewöhnlich, nicht von ihr, wie sonst immer, freundlich gegrüßt zu werden, bevor sie damit begann, irgendeine unterhaltsame Geschichte lebendig zu schildern. Sonst redete sie unentwegt, aber nun war sie nicht nur schweigsam, sondern schien auch unnahbar. Severus musste kräftig schlucken. Er war mit der Situation völlig überfordert, so dass er kein Wort herausbrachte.

Nach dem Gespräch mit Harry hatte Hermine in Erwägung gezogen, Snape einfach am nächsten Tag aufzusuchen und sich ihm zu stellen. Wenn sie nachts aufgewacht war, hatten ihre grauen Zellen bereits an einer möglichen Begegnung mit ihm gearbeitet. Und heute morgen, während des Frühstücks, hatte sie mit Ron über das, was Snape ihr angetan hatte, geredet. Ron hatte sich zwar tierisch über Snape aufgeregt, empfahl am Ende aber tatsächlich, sie sollte doch einfach hingehen und sehen, wie er reagieren würde, denn zu verlieren hätte sie ja nichts mehr.

Den Hinweis von Ron hatte sie sich zu Herzen genommen, denn er hatte Recht. Sie musste ja nicht mehr um ihren Job bei Snape bangen, denn den hatte er ihr gestern gekündigt. Trotzdem war ihr ein wenig mulmig, denn Snape hatte ihr am Vortag so eine Angst eingejagt, dass ihr Herz allein wegen der Erinnerung an gestern wie wild schlug.

Eigentlich waren sie heute verabredet. Im St. Mungos hatte sie sich schon vor Wochen für heute frei genommen, weil ein zeitintensives Experiment in Bezug auf Harrys Gabe geplant war, welches sie vorbereiten wollte, während Snape noch unterrichten würde. Diesen vor drei Wochen geplanten Termin nahm sie als Grund ihres Besuches.

Es war ihr bereits eine große Genugtuung zu sehen, dass allein ihr Erscheinen ihn mundtot gemacht hatte. Snape war völlig perplex und sie war stolz darauf, so eine Reaktion bei ihm hervorgerufen zu haben. Eigentlich hatte sie mit einem weiteren seiner Wutausbrüche gerechnet, dem sie sich dieses Mal offensiv gestellt hätte. Sie hätte sich gern ein Wortgefecht mit ihm geliefert, aber dass er gar nicht reagierte, damit hatte sie als Letztes gerechnet.

Das Herz war ihm in die Hose gerutscht, als ihm bewusst wurde, dass sie hier tatsächlich vor ihm stand; dass sie überhaupt noch einen Grund sah, sich nachdem, was er getan hatte, ihm zu nähern. Seine Gedanken überschlugen sich in solcher Geschwindigkeit, dass er das Gefühl hatte, gar nicht mehr denken zu können. Ihm fiel lediglich ein, dass er sich entschuldigen müsste, aber wie er das tun sollte, blieb ihm weiterhin schleierhaft. Die jetzige Situation erforderte, dass er den gestrigen Abend ansprach, aber er konnte das einfach nicht. Seinen Patensohn zu einer Entschuldigung zu zwingen war eine Sache, aber es war etwas ganz anderes, wenn er sich selbst in so einer Lage sah. Sein Leben lang hat er Leute gedemütigt und sich nie dafür entschuldigt, denn die Menschen waren ihm völlig egal.

Über sich und sein Handeln hatte er momentan keinerlei Handhabe und so tat er das, was ihm als Erstes in den Sinn kam und daher öffnete er die Tür weit, so dass sie eintreten konnte. Gegrüßt hatten sie sich noch nicht, weswegen Severus mit ungewohnt leiser Stimme sagte: „Guten Morgen.“ Ihren Namen ließ er weg, denn seine kaum vernehmbare Begrüßung hatte ihn selbst erschreckt und innehalten lassen.

Hermine hingegen erwiderte mit unüblich kühler und fester Stimme: „Guten Morgen, Professor Snape.“ Sie legte Tasche und Jacke auf den üblichen Stuhl in seinem Labor. Dort stand sie nun mit vor der Brust verschränkten Armen und wartete auf irgendeine Reaktion von ihm, aber er fühlte sich, als hätte man sein Hirn pulverisiert. Was tun?
Etwas anbieten konnte nicht falsch sein und so fragte er zurückhaltend: „Darf ich Ihnen eine Tasse Tee anbieten?“ Er war sich sicher, dass sie schon aus Prinzip ablehnen würde, weswegen er erstaunt beide Augenbrauen hochzog, nachdem sie das Angebot angenommen hatte. Severus hatte nicht einmal fertigen Tee da, weswegen er zunächst einen Hauself rief und etwas bestellte.

Nachdem der Tee gebracht worden war und sie einen Schluck genommen hatte, blickte sie ihn reserviert an, weshalb er sich genötigt fühlte, etwas sagen zu müssen. „Ich…“, begann er verstummend und er fragte sich, wohin sich seine Selbstsicherheit wohl verkrochen haben mag. „Ich habe Ihre neue Theorie gelesen“, brachte er dieses Mal mit festerer Stimme heraus.
„Und?“, fragte sie gleichgültig klingend.
Severus antwortete schmeichelnd, weil das eine spätere Entschuldigung erleichtern könnte: „Selbst wenn Sie damit Harrys Gabe nicht sichtbar machen können, so werden Sie damit einiges an Anerkennung in der Welt der Zaubertränkekunst erlangen!“

Es schien, als hätte sie sich eine Eigenart von Snape angewöhnt, denn sie schnaufte nur einmal missfällig, bevor sie nüchtern erklärte: „Meine Karriere in der Zaubertränkekunst hat sich gestern verabschiedet. Ich will nur noch Harry helfen, sonst nichts.“ Sie hatte ihm verbal eine Ohrfeige verpasst und fasste danach auch noch den Mut, ihm herausfordernd in die Augen zu blicken. Ihr entging nicht, wie sein Mund zuschnappte, der kurz zuvor offen gestanden haben musste. Sie nutzte diesen Moment, in dem sie ihn offensichtlich aus dem Gleichgewicht gebracht hatte und erklärte offenherzig: „Hören Sie, wir haben schon Monate lang zusammen an Harrys Gabe geforscht – lange, bevor ich Ihre Schülerin geworden bin. Ich möchte nur noch wissen, ob das jetzt auch vorbei ist oder ob wir zumindest damit weitermachen wie bisher. Es geht mir um Harry und zusammen haben wir bisher einige bemerkenswerte Entdeckungen gemacht!“

Offenbar hatte Severus weniger Menschenkenntnis als er bisher dachte. Dass Miss Granger, der er gestern so übel mitgespielt hatte und die er unbegründet gefeuert hatte, jetzt hier stand und fragte, ob beide Harry zuliebe trotzdem weiterforschen würden, war zu viel für ihn. Sie musste doch wütend auf ihn sein – mehr als das – und sie wollte es dennoch aus freien Stücken in seiner Nähe aushalten. Er konnte nicht antworten, weil er nach einem Grund für ihr Handeln suchte, aber der wollte sich nicht finden lassen.

Geduldig wartete Hermine auf eine Äußerung seinerseits. Sie wusste genau, dass sie jetzt keinen Druck ausüben durfte, denn man konnte fast schon hören, wie Snapes Gehirn arbeitete. Völlig gelassen setzte sie sich auf einen Stuhl und schlürfte ihren Tee, bis sie ihr Augenmerk auf die Spielkarten richtete. Unter Severus’ geistesabwesenden Blick zog sie den offenen Karton heran, nahm Harrys Karte in die Hand und fragte belustigt: „Was ist das denn? Ein neues Kartenspiel?“ Sie hatte Snape aus seinen Überlegungen gerissen. Er hörte, wie sie neugierig fragte: „Bin ich da auch mit bei?“
Gedankenverloren antwortete er leise: „Nummer 18!“
Sie stutzte aufgrund seiner fixen Antwort nur kurz und sah sich im Schnelldurchlauf die Karten an, bis sie auf Nummer 18 ihr Gesicht erblickte. Die hoch bewerteten Eigenschaften auf der Hinterseite schmeichelten ihr. Dann betrachtete sie wieder Harrys Karte und gleich darauf die von Snape. Nachdem sie seine Karte umgedreht und studiert hatte, sagte sie leise und keineswegs vorwurfsvoll: „’Legilimentik 100%’ – das kann ich bestätigen!“

Sie bemerkte, wie er die Augen schloss, bevor er sich von ihr abwandte. Er schien nachzudenken, was ihr nur recht war. Harry hatte gestern bereits vermutet, er hätte seinen Fehler selbst erkannt. Offenbar lag ihr bester Freund damit richtig, nur wusste Snape jetzt nicht, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Soziale Umgangsformen kannte er offenbar nur aus der Theorie oder wenn er sie bei anderen beobachtete. Wahrscheinlich, so dachte Hermine, wäre es ihm normalerweise egal, wenn er jemanden auf demütigende Art und Weise aus seinem Leben verscheucht hätte, aber bei ihr schien es anders zu sein. Vielleicht war es anders, weil sie ihm eine Chance gab, die Angelegenheit zu bereinigen. Möglicherweise war sie ihm doch nicht vollends egal, weil sie schon einige Zeit miteinander verbracht hatten und sie ihm bereits etwas näher stand. Sie gab ihm eine Möglichkeit, seinen Fehler wieder gutzumachen und möglicherweise wollte er nach ihrer ausgestreckten Hand greifen.

„Miss Granger“, begann Snape so leise, dass sie ihn kaum verstehen konnte, weil er noch immer von ihr abgewandt stand.
„Ja?“, fragte sie höflich. Dann sprach er so wispernd, dass sie tatsächlich kein Wort mehr hören konnte, weswegen sie aufstand und lautlos zu ihm hinüber ging. Nachdem sie sich vor ihn gestellt hatte, bemerkte sie, dass er noch immer die Augen geschlossen hielt, aber zumindest hörte sie seine Worte, die er bewegt und offenbar nur mit viel Mühe hervorbrachte: „…würde ich es hoch schätzen, Sie wieder meine Meisterschülerin nennen zu dürfen.“

„Ich wäre gern weiterhin ihre Schülerin“, sagte sie ehrlich und Severus erschrak, als er die Antwort direkt vor sich vernahm, denn Miss Granger stand dicht bei ihm. Er schluckte und starrte sie entgeistert an, aber davon ließ sie sich nicht beirren, als sie in darüber informierte: „Ich habe den Anfang nicht hören können.“
Nochmals schluckte er, bevor er fast noch flüsternder als zuvor seine anfänglichen Worte wiederholte und ihr dabei in die Augen schaute, als er sagte: „Ich möchte mich für mein gestriges Verhalten bei Ihnen entschuldigen.“ Sie bemerkte, dass er verschnellt atmete. Er versuchte weiterhin, sich hinter seine Maske zu verstecken, aber durch die glaubte sie momentan hindurchsehen zu können. Hermine wusste, dass es ihm ernst war und dass ihm viel daran lag, sie als Schülerin zurückzugewinnen. Seine Entschuldigung war aufrichtig gemeint. Mehr erwartete sie von ihm nicht.
Das war eine schwere Geburt gewesen, dachte sie, bevor sie antwortete: „Ja, gut. Ich nehme Ihre Entschuldigung an. Was machen wir als Erstes? So, wie wir es geplant hatten? Dann bin ich fertig, wenn Sie um 16 Uhr dazustoßen!“

Er konnte nur verdattert nicken, aber er war überaus erleichtert darüber, dass seine ganzen Befürchtungen umsonst gewesen waren; dass sie nicht zickig reagiert und gekeift hatte, wie er es von Frauen kannte oder dass sie ihm im Nachhinein, obwohl sie seine Entschuldigung angenommen hatte, trotzdem noch eine Standpauke gehalten hatte. Nichts dergleichen geschah! Sich bei ihr zu entschuldigen war ihm schwergefallen, was sie auch noch bemerkt haben musste, aber letztendlich hatte sie ihm verziehen und machte gleich im Anschluss so weiter, als wäre nie etwas geschehen.

Es war ein gutes Gefühl, sich bei jemandem entschuldigt zu haben, der die Entschuldigung auch noch angenommen hatte. Ihm war ein Stein vom Herzen gefallen.

Am heutigen Tage geschah etwas, was sich weder Lehrer noch Schüler je hätten träumen lassen. Severus gab zwei Schülern aus Hufflepuff und Gryffindor je 10 Punkte für einen gelungenen Gripsschärfungstrank. Minerva fragte daraufhin während des Mittagessens besorgt, ob er sich wohl fühlte.

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Helen
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Beitrag von Helen »

Also, ähm um ehrlich zu sein mir ist das mit den Updates zweimal die Woche zu langsam *heul* ich verschling die Kapitel ja regelrecht... die Story ist so genial!
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Rhea
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Beitrag von Rhea »

Wow... das Kapitel ist echt toll!!

Ich finde meistens FFs aus zwei Gründen toll: Sie tragen eine eigene gute Idee oder sie haben spannende Handlungsstränge. Deine hat beides.
Meinen Respekt für die Geschichte um Nacissa, Draco und Lucius.

Zum Thema Hermine-Snape-FFs:
Ich mag eigentlich keine FFs, die sich direkt um zwei Personen drehen. Aber wenn die Haupthandlung gut ist - und das ist dein definitiv -, kann es sein, dass ich einen Handlungsstrang besonders mag. Im Moment ist das noch nicht mal Hermine, sondenr der um Nacissa, auch wenn ich fürchte, dass der nicht mehr allzu lange Bestand haben wird...

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CharLue
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Beitrag von CharLue »

Hallo Muggelchen (:

Wenn ich mich zwischen 'zu langsam' und 'zu schnell' entscheiden muss, dann würde ich sagen, dass es für mich etwas zu schnell geht. Deine Kapitel sind ziemlich lang und ich schaff es meistens nur am Wochenende (wenn überhaupt) online zu kommen, um dann die neuen Kapitel zu lesen. Deswegen hinke ich manchmal ein bisschen hinterher.
Aber eigentlich finde ich 2 Updates pro Woche total okay. Es ist nicht zu viel und nicht zu wenig.
Nur, wie eben gesagt, ist es für mich zumindest im Moment ein bisschen viel, weil es in der Schule zurzeit ein bisschen stressig ist.
Aber auf mich musst du um Gottes Willen keine Rücksicht nehmen! Behalte es einfach so bei, wie es im Moment ist, denn so stört es doch keinen, oder? ;D

Lg


P.S.: Mal wieder tolles Kapitel! Schön, dass Severus über seinen Schatten springen konnte (:
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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

Hi Helen,
ich hoffe, du bist nicht böse, wenn ich bei 2x die Woche bleibe. Ich verspreche aber, dass die Kapitel demnächst länger werden. Das hier hat z.B. um die 2.500 Wörter. Später pendelt es sich bei 4.000 - 6.000 Wörtern ein, nicht selten auch mal 10.000 - also mehr Lesespaß bis zum nächsten Kapitel :smile:

Hallo Rhea,
da haben wir etwas gemeinsam, was das Lesen von FFs betrifft, denn ich wähle nach den gleichen Gesichtspunkten aus: gute Ideen und spannende Handlung. Pairings sind für mich ebenfalls Nebensache, beim Lesen wie auch beim Schreiben, was nicht heißt, dass es hier keine geben wird. Außerdem liebe ich das gesamte HP-Universum, weswegen man alle Charaktere wiedertrifft.
Keine Sorge wegen Narzissa. Sie ist zwar kein Hauptcharakter, wird aber immer wieder auftauchen.

Hi CharLue,
ich bleibe bei einem Update 2x die Woche, dann sind hoffentlich alle zufrieden :) Es kommt natürlich auch immer drauf an, wie viele FFs ein Leser parallel liest. Meine Kapitel werden später noch länger, aber ich hoffe, das schreckt dich nicht ab.
P.S.: Severus hat aber immer arg mit sich zu kämpfen, um mal über seinen Schatten springen zu können ;)

LG,
Muggelchen




043 Märchenwelt




Dieses Mal hatte Susan sich mit Draco in Hogwarts getroffen. Sie musste ihm haarklein schildern, wie die Begegnung mit seinem Vater abgelaufen war. Er forderte sie auf, alles so wortgenau wie nur möglich wiederzugeben, denn er wusste, dass sein Vater manchmal versteckte Anspielungen machte.

Nach einer Weile fragte er hoffnungsvoll: „Hast du ihm nur was vorgemacht oder gibt es tatsächlich eine Möglichkeit, seine Zeit in Askaban zu verkürzen?“
Mit treuen Augen blickte sie ihn an, bevor sie leise sagte: „Ich darf mit dir nicht detailliert darüber reden, Draco. Das sind interne Ministeriumsangelegenheiten. Aber ja, es gäbe diese Möglichkeit. Mr. Weasley wird etwas ausarbeiten. Er sagt mir Bescheid, wenn es amtlich ist und ich es dir sagen kann.“

Trotz der vagen Aussage lächelte Draco zufrieden. Vielleicht wäre es in ferner Zukunft doch noch möglich, dass seine Mutter, sein Vater und er wieder in Malfoy Manor leben könnten, vorausgesetzt, sein Vater würde darüber hinwegkommen, dass Susan ein Halbblut war.

„Susan? Würdest du… würdest du vielleicht gern…“, stotterte Draco, weswegen Susan seine Hand nahm, ihn verzückt anlächelte und ihm somit Mut schenkte. Er vervollständigte den Satz mit fester Stimme, indem er fragt: „Würdest du gern meine Mutter kennen lernen?“

Abrupt ließ sie von seiner Hand ab. Narzissa Malfoy war bekannt dafür, eine hasserfüllte Rassistin zu sein. Tierwesen, Halbblüter und sogenannte Blutsverräter waren in ihren Augen das Verabscheuungswürdigste, das sie sich nur vorstellen konnte – von Muggeln ganz zu schweigen. Ihre plötzliche Anspannung spürend versicherte Draco ihr: „Du brauchst keine Angst zu haben. Meine Mutter ist… Na ja, sie ist momentan noch etwas… Wie soll ich das nur sagen, damit du es verstehst? Sie ist anders! Sie wird dich mit Sicherheit mögen, Susan! Bitte, ich möchte so gern, dass sie dich mal sieht!“ Nur zögerlich stimmte sie zu und ließ sich von ihm an der Hand auf den Gang hinausführen.

Ein Zimmer weiter lag das seiner Mutter. Der Heiler war Tag und Nacht anwesend. Nachdem Draco gesittet geklopft hatte, trat er ein. Auf der Couch saß der Heiler, der sich gerade eine Tasse dampfenden Tee unter die Nase hielt. „Oh, Mr. Malfoy“, sagte er erfreut, stellte die Tasse auf den Tisch und kam ihm mit ausgestreckter Hand entgegen. Sie begrüßten sich wie immer per Handschlag. Als der Heiler die junge Dame entdeckte, die sich schüchtern hinter Draco gehalten hatte, sagte er mit dem Hauch eines ausländischem Akzents: „Verzeihen Sie, ich habe wohl meine Manieren vergessen.“ Er begrüßte jetzt auch Susan und stellte sich als Heiler Kustrow vor. „Sie können mich aber auch Nikolaj nennen, wenn Sie möchten“, bot er freundlich an.

Der Herr war um die fünfzig Jahre alt, hatte bereits schneeweißes Haar, war nur leicht untersetzt und hinzu noch einen Kopf größer als Professor Snape. „Freut mich, Sie kennen zu lernen. Stammen Sie aus Russland?“, fragte Susan höflich.
Nikolaj schüttelte den Kopf und stellte richtig: „Nahe dran, junge Frau. Meine Eltern stammen aus Polen. In Russland bin ich aber lange Zeit zur Schule gegangen. Ich denke, das erklärt meinen Akzent.“

Natürlich wusste Nikolaj, dass der junge Mann seine Mutter besuchen wollte, weshalb er erklärte: „Sie müssen sich bitte noch einen Augenblick gedulden. Professor Snape ist gerade bei ihr im Zimmer. Es scheint, als ließe sie ihn eher in ihre Gedanken als mich.“ Nikolaj war sichtlich enttäuscht darüber, dass seine Patientin nicht so viel Vertrauen zu ihm hatte.

Kaum hatte man Severus erwähnt, kam der auch schon aus dem Schlafzimmer heraus. Sein Gesichtsausdruck ließ nichts Gutes erkennen, doch als er Susan und Draco erblickte, zog er beide Mundwinkel ein wenig in die Höhe, um ein Lächeln zu simulieren, bevor er sagte: „Ah, Miss Bones, schön sie wiederzusehen!“

In Susans Beisein wollte Severus nicht von sich aus schildern, wie es um Narzissa stand, weswegen Draco den Anfang machte: „Wie geht es ihr?“ Somit hatte er sein Einverständnis gegeben, dass Susan alles mithören dürfte.
Mit einer Geste seiner Hand überließ Severus dem Heiler das Wort und der erklärte: „Nun ja, sie macht kaum Fortschritte. Es gab einen entscheidenden Augenblick, von welchem ich mir viel versprochen hatte. Dieser eine Hauself, der hier arbeitet, der hatte früher Ihrer Familie gedient. Nun, wir konnten Dobby tatsächlich dazu überreden, sich Ihrer Frau Mutter zu zeigen, wenn er sich auch anfangs sehr dagegen gesträubt hatte. Das war Professor Snapes Idee gewesen, weil Dobby eventuell die begrabenen Erinnerungen von früher wieder ans Tageslicht hätte bringen können, aber…“
Draco warf enttäuscht ein: „Es hat nicht geklappt.“ Beide, Severus und Nikolaj, schüttelten den Kopf.

Nikolaj sagte jedoch beruhigend: „Aber an sich geht es Ihrer Mutter immer besser, wirklich! Sie ist sehr kommunikativ, nimmt regelmäßig ihre Mahlzeiten ein, zeigt Interesse an täglichen Ereignissen und hat sogar schon gestern Abend und auch heute Nachmittag einen Gast empfangen, mit dem sie Tee eingenommen hat!“

Es war nicht so, dass Draco bisher selten bei seiner Mutter gewesen wäre. Im Gegenteil! Er war sehr häufig bei ihr; besuchte sie täglich mehrmals, aber von ihren beiden Gästen hatte er nichts mitbekommen. „Was für Gäste?“, fragte er daher verdutzt.

Dieses Mal erklärte Severus zurückhaltend grinsend: „Na ja, sie fragte, ob ich deinen ’Freund’ kennen würde, denn sie wollte sich gern mit ihm unterhalten.“
Draco benötigte einen kleinen Augenblick, bevor er erstaunt fragte: „Harry war hier?“ Severus nickte zustimmend und Draco hatte plötzlich die Vermutung, dass seine Mutter ihm unbeabsichtigt von dem Abend erzählt haben könnte, als er sie mit Harry zusammen gefunden hatte. Severus schwieg jedoch dazu und würde nie ein Wort darüber verlieren, dass auch Harry an jenem Abend den Fidelius-Zauber gebrochen und seine Mutter erlöst hatte.

Nach einem Moment fragte Draco: „Und wer bitteschön war heute zum Tee da?“
Nikolaj antwortete: „Der Direktor persönlich!“
Draco stand der Mund offen, bevor er fassungslos und abgehackt nachfragte: „Dumbledore… Zum Tee… Mit meiner Mutter? Dumbledore?“
„Ja und sie haben sich köstlich amüsiert!“, bestätigte Nikolaj lachend.

„Was hast du bei ihr drinnen gemacht? Oder hat sie dich auch nur zum Tee eingeladen?“, fragte Draco neugierig, nachdem er sich gefasst hatte.
„Nein, ich war in ihrem Kopf, um zu verstehen, wie es um sie steht. Sie hat… Es ist schwer zu beschreiben, wenn man sich mit jemand darüber unterhält, der wenig Erfahrung mit Legilimentik hat“, antwortete Severus, der einen Moment innehielt, um die richtigen Worte zu finden.
„Sag es einfach. Vielleicht verstehe ich es ja“, schlug Draco vor.

Nachdem er glaubte, die richtigen Worte gefunden zu haben, erklärte Severus: „Deine Mutter hat fünf Jahre allein in diesem Haus gelebt. Kreacher muss bereits wenige Tage, nachdem man ihn zum Geheimniswahrer gemacht hatte, an Altersschwäche gestorben sein. Ihre Versorgung war jedoch gewährleistet, denn ein Schränkchen in dem Haus war magisch mit der Küche in Hogwarts verbunden. Sie hatte immer Zugriff auf Grundnahrungsmittel, selbst während des Krieges. Aber durch ihre Einsamkeit und die ständige Sorge um deinen Vater und dich hat sie sich in ihre Gedankenwelt zurückgezogen.

Ich habe herausfinden können, dass sie zunächst nur… in Erinnerungen schwelgte, aber das war ihr bald nicht genug, um ihre Sorgen zu vergessen. So hat sie sich eine eigene Welt geschaffen, in der sie manche Tatsachen völlig abgeändert hat, die ihres Erachtens nicht in ihre heile Welt hineingepasst hatten. Auf mich wirkt sie jetzt aber teilweise genauso auch wie damals, weil sie die meisten ihrer Vorlieben behalten hat, wie die für klassische Musik, eine gute Schachpartie, Elfenwein oder Märchenbücher. Ich habe den Verdacht, dass sie sich ihre Traumwelt ein wenig nach den Vorbildern der Märchen erschaffen hat, die sie so sehr mag. Bei ihr im Kopf herrscht eine verdrehte Welt, Draco. Sie hat plötzlich völlig andere Ansichten, was Situationen oder Personen betrifft. Nur manchmal, ganz selten, da bemerkt sie, dass etwas nicht stimmt, weil eine ihrer verdrängten Erinnerungen plötzlich so real erscheint.

Wir können nur hoffen, dass sie irgendwann in einem dieser Momente begreift, dass diese Erinnerungen tatsächlich echt sind und keine Hirngespinste.“

Eine ganze Weile herrschte betroffene Stille, bis Draco sich an Nikolaj wandte und mit unsicherer Stimme fragte: „Und was, wenn man es einfach so lässt? Ich meine, wenn man sie nicht ’behandelt’ – nicht in ihrem Kopf herumwühlt, sondern einfach abwartet, was passieren wird? Sie haben selbst gesagt, es würde ihr besser gehen. Meine Mutter verhält sich offenbar normal gegenüber anderen Leuten, selbst gegenüber Dumbledore! Vielleicht sollte man ihren Geist lieber nicht anrühren. Wäre doch durchaus möglich, dass es besser so wäre.“

Nikolaj versuchte verständlich zu machen, warum ihm die Idee, die Behandlung abzubrechen, nicht gefiel, doch hier fragte Draco geradeheraus: „Haben Sie denn schon einmal so einen Fall gehabt?“ Die versagte Antwort war eigentlich Antwort genug, doch Draco hakte nach: „Es gab noch nie so einen Fall, richtig? Sie haben bisher nur Patienten behandelt, die durch verpatzte Obliviate oder Vergissmich nicht mehr bei Sinnen waren. Aber meine Mutter ist bei Sinnen! Sie ist ansprechbar und sie ist, wie Sie selbst sagten, sehr kontaktfreudig. Was ist denn bitte daran zu behandeln? Meine Mutter ist kein Versuchskaninchen! Wenn Sie nicht wissen, wie man ihr helfen kann, dann muss man es eben lassen.“

Unerwartet klopfte es und nachdem Nikolaj aus reiner Gewohnheit einfach „herein“ gerufen hatte, öffnete sich die Tür und ein verdutzter Harry blieb an der Schwelle stehen, als er vier Augenpaare auf sich gerichtet bemerkte. Verunsichert sagte er: „Oh, ich störe wohl. Ich komme später…“ Doch Draco winkte ihn herein und bot ihm einen Platz auf der Couch an. „Ich wollte eigentlich nur etwas vorbeibringen. Deine Mutter wollte sich ein Buch von mir ausleihen“, sagte Harry, nachdem er etwas näher an die vier herangetreten war.

In Harrys Hand erkannte Severus das Buch „Muggel-Märchen und ihr historischer Hintergrund“, welches er ihm zu Weihnachten geschenkt hatte. Er musste sich mit Narzissa gestern darüber unterhalten haben.

„Sie ist im Schlafzimmer und liest. Klopfen Sie ruhig!“, sagte Severus.
Nachdem Harry geklopft hatte, wurde ihm von Mrs. Malfoy geöffnet, doch bevor sie ihn einließ, erblickte sie die vier im Wohnzimmer.
„Oh Draco, wir haben Besuch? Sag mir doch Bescheid, mein Guter“, sagte sie mit fröhlicher Stimme, während sie an Harry vorbeiging und freudestrahlend auf die junge Frau zusteuerte, die sie bisher noch nie gesehen hatte.

Mrs. Malfoy trug ein langes, elegantes Prunkgewand aus dunkelroter Seide, welches mit Goldbrokat veredelt war. Die blonden Haare waren stilvoll nach oben gesteckt. Der Anmut, den sie ausstrahlte, verunsicherte Susan, weswegen sie aufgeregt Dracos Hand ergriff, was Mrs. Malfoy bemerkte und nur wortlos, aber schmunzelnd kommentierte.

„Nikolaj? Wenn Sie die Freundlichkeit besäßen, uns für ein, zwei Stündchen allein zu lassen?“, bat Narzissa. Gekränkt kam der Heiler ihrer Aufforderung nach und verließ das Zimmer, nachdem Severus ihm nahe gelegt hatte, sich entweder die Zeit in der Küche zu vertreiben oder die üppig ausgestattete Bibliothek zu besuchen.

Nachdem Nikolaj gegangen war, hielt Narzissa der jungen Dame lächelnd ihre weiße Hand entgegen und grüßte mit den Worten: „Wir kennen uns noch nicht. Ich bin Dracos Mutter.“
Susan sprang von der Couch, ergriff Mrs. Malfoys Hand und sagte mit zittriger Stimme: „Freut mich sehr! Mein Name ist Susan Bones.“
Für einen Augenblick erstarrte Narzissa, bevor sie wieder lächelnd fragte: „Sagen Sie, arbeiten Sie auch im Ministerium wie mein Mann? Ihr Name kommt mir bekannt vor.“ Susan schluckte, bejahte jedoch. „Oh, dann kennen Sie meinen Mann womöglich? Lucius Malfoy?“, fragte Narzissa unbekümmert.
Sich etwas unwohl fühlend antwortete Susan ehrlich: „Ja, ich kenne ihn. Wir… Wir sehen uns täglich!“

Derweil hatte sich Harry neben Severus gesetzt und er beobachtete nun die spannende Begegnung zwischen Mrs. Malfoy und Susan mit weit aufgerissenen Augen. Draco hatte sich erhoben und erklärte seiner Mutter, obwohl es ihm in Harrys Anwesenheit und selbst in der seines Patenonkels etwas unangenehm zu sein schien, mit ruhiger Stimme: „Mutter! Miss Bones… ähm… Susan ist meine…“ Draco hielt inne. Er hatte seinen Eltern noch nie eine Frau vorgestellt, die er seine Freundin nannte.
Mit Verzückung in der Stimme half sie ihrem Sohn auf die Sprünge, als sie flüsternd fragte: „Dein Goldkind?“ Oh ja, das war Mutter, dachte Draco, als sich ein Lächeln auf seinen Lippen formte und er zustimmend nickte.

Die Begegnung mit seiner Mutter verlief nicht so angespannt wie Susan es befürchtet hatte. In erster Linie war es Mrs. Malfoy selbst gewesen, die keinerlei Anlass für eine bedrückte Stimmung gab. Sie lächelte stetig, verstand es, Komplimente zu verteilen und war ihren Gästen eine angenehme Gastgeberin. Eine große Hilfe war auch Harrys unbekümmertes und zuvorkommendes Verhalten Mrs. Malfoy gegenüber. Harry hatte sie das erste Mal damals bei der Quidditch-Weltmeisterschaft gesehen und dachte von ihr, dass sie äußerst schön wäre, wenn sie nicht laufend angewidert das Gesicht verziehen würde. Wahrscheinlich war es ihr eklig gewesen, zwischen so vielen Personen sitzen zu müssen, die sie aufgrund ihrer Herkunft verachtete, doch diese Verachtung schien jetzt nicht mehr vorhanden zu sein.

Noch bevor Nikokaj zurückgekommen war, hielt Mrs. Malfoy für einen Augenblick inne, bevor sie mit ruhiger Stimme den Anwesenden, die sie als ihre Vertrauten betitelte, erklärte: „Ich habe sehr wohl bemerkt, dass etwas mit mir nicht stimmt, aber ich kann nicht mit dem Finger drauf deuten.“ Es schien, als würden alle vor lauter Spannung die Luft anhalten, doch niemand wagte, eine Frage zu stellen, weswegen sie fortfuhr: „Ich habe nicht immer hier in Hogwarts gelebt, das weiß ich sicher! Und ich habe meinen Ehemann lange nicht gesehen.“ Sie schluckte, blickte betrübt zu ihrem Sohn hinüber, bevor sie mit Furcht in der Stimme fragte: „Er ist nicht tot oder?“
Ihre Unterlippe begann zu zittern, aber bevor sie zu weinen beginnen konnte, beantwortete Susan die Frage und versicherte Dracos Mutter ehrlich: „Nein, Mrs. Malfoy! Nein, er ist nicht tot. Ich sehe ihn täglich, da habe ich nicht gelogen!“
Erleichtert lief ihr nun doch eine Träne über die Wange, bevor sie wissen wollte: „Aber wir sind auch nicht geschieden, mein Sohn, oder?“
Dieses Mal fühlte sich Severus dazu genötigt zu antworten, indem er sagte: „Narzissa bitte, es wäre nicht klug, zu viele Informationen auf einmal…“
Sie unterbracht ihn, behielt jedoch eine ruhige Stimme, als sie erklärte: „Ich habe eine Ahnung, dass schreckliche Dinge geschehen sind, aber ich weiß nicht was. Ich will nur wissen, ob es ihm gut geht! Ich will ihn doch nur sehen, mit ihm reden oder mit ihm Schach spielen.“

Harry war so gerührt von Mrs. Malfoys Verhalten, dass er ungeniert seine Augen mit dem Ärmel trocknete, weil er sich so gut in ihre Lage hineinversetzen konnte. Ein Blick auf die Uhr ließ ihn jedoch wie von der Tarantel gestochen vom Sofa springen.

„Oh Merlin, ich bin zu spät! Zwei Schüler haben heute eine Strafarbeit bei mir. Die hat vor einer halben Stunde angefangen!“, erklärte er, bevor er sich hastig, aber dennoch höflich verabschiedete. An Mrs. Malfoy gewandt sagte er freundlich: „Ich habe Ihnen das Buch mitgebracht!“ Sie nahm es dankend entgegen und verabschiedete ihren Gast.

Nachdem Harry gegangen war, sagte Narzissa: „Nikolaj ist nett, aber ich finde seine ständige Anwesenheit belästigend, Severus. Muss er denn hier sein? Ich fühle mich nicht krank und sehe keinen Anlass dafür, fortwährend einen Heiler an meiner Seite haben zu müssen.“

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Rhea
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Beitrag von Rhea »

Ich seh schon, mein Wunsch wird mir erfüllt...
Das Kapitel ist sehr toll... mal sehen, vielleicht schreib ich nacher noch was...

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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

Hi Rhea,
ja, Narzissa wird - wie versprochen - immer wieder auftauchen. Würde mich sehr interessieren, wie du den Werdegang ihres Charakteres im weiteren Verlauf empfindest.
LG,
Muggelchen




044 Allerleirauh




Minister Weasley hatte die Nacht durchgearbeitet, was Susan am Morgen im Ministerium an seinem schlürfenden Gang und seinen müden Augen bemerkte. Entkräftet überreichte er ihr eine Akte und erklärte, welche Informationen man benötigen würde, damit man Mr. Malfoy einen Hafterlass zugutekommen lassen konnte. Sollten die Information jedoch nichts taugen, dann hätte nicht einmal der Minister noch eine Handhabe über irgendwelche Vergünstigungen.

Informationen von Gefangenen wurden natürlich erst überprüft, bevor man ihnen einen Vorteil verschaffen konnte. Igor Karkaroff, sowie Severus Snape waren damals auf diese Weise Askaban entkommen.

Die Informationen, die man sich von Mr. Malfoy erhoffte, waren zum Beispiel Verstecke der verbliebenen Todesser. Aber nur, wenn man dort auch welche dingfest machen konnte, könnte Mr. Malfoy von seiner Zusammenarbeit mit dem Ministerium profitieren. Mit der Akte verließ Susan ihren Arbeitsplatz und begab sich schnurstracks zu Dracos Vater.

Nachdem sie ihm die Bedingungen erklärt hatte, schnaufte er und sagte abschätzig und mit einem sarkastischen Singsang in der Stimme: „So soll ich also vor Ihnen all meine mühsam zusammengetragenen Geheimnisse ausbreiten, die keinen Pfifferling mehr wert wären, wenn sie für das Ministerium nicht von Nutzen sind? Aber was, wenn ich Ihnen Orte nenne, an denen man einige Todesser findet, Sie mir aber weismachen wollten, man hätte dort niemanden angetroffen? Glauben Sie, Ihr Angebot wäre für mich tatsächlich reizvoll?“
„Mr. Malfoy, da müssen Sie uns schon vertrauen oder trauen Sie mir nicht?“, fragte Susan geradeheraus.
Höhnend antwortete Mr. Malfoy: „Oh, Ihnen vertraue ich sehr wohl! Sie sind so sehr von Rechtschaffenheit zerfressen, dass einem übel werden könnte, aber es gibt Personen im Ministerium… Nein, denen traue ich ganz und gar nicht über den Weg! Die würden alles daran setzen, mich hier vergammeln zu lassen und meine ganze Familie noch hinzu!“
Stutzend fragte Susan nach: „Sind es bestimmte Personen, auf die Sie ansprechen oder ist das nur eine Vermutung von Ihnen?“
„Miss Bones, tun Sie nicht so scheinheilig. Ich weiß genau, dass Sie sehr wohl wissen, von was ich hier spreche. Ich spiele auf das Pendant zu den Todessern an!“, sagte er abschätzig.

Susan schluckte aufgeregt. Vielleicht, so dachte sie, hätte Mr. Malfoy noch ganz andere Informationen, die für den Minister wichtig wären, weswegen sie nachfragte: „Was meinen Sie mit Pendant? Spielen Sie auf diese radikale Gruppierung an, die…“
Er unterbrach sie aufgebracht, indem er wütend schnaufte: „Radikale Gruppierung? So nennen Sie diesen Abschaum, der sich nicht besser verhält, als die Anhänger des Dunklen Lords?“
Mutig hakte sie nach, indem sie fragte: „Haben Sie darüber auch Informationen? Je mehr wir bekommen, desto wahrscheinlicher ist ein Hafterlass für Sie!“

Dieses Mal stutzte Mr. Malfoy, weswegen er ungläubig fragte: „Sie sind hinter denen her? Ich dachte, das Ministerium würde es befürworten, dass sich einige in Selbstjustiz üben.“
Susan verneinte und erklärte: „Ganz und gar nicht. Folter und Mord können wir nicht hinnehmen.“
Mr. Malfoy grinste selbstgefällig und sagte: „Dann, Miss Bones, sind meine Chancen auf Hafterlass gerade enorm gestiegen, denn über diese Leute weiß ich mehr, als über die Verstecke von flüchtigen Todessern!“

Susan suchte sofort Mr. Weasley auf und erzählte ihm, was Mr. Malfoy zu wissen behauptete. „Das ist interessant, Susan! Ich dachte bisher, dass wir nicht einmal einen Anhaltspunkt über diese Gruppierung haben. Seitdem Mr. Corner nicht mehr bei uns beschäftigt ist, ist er so vorsichtig geworden, dass man glauben könnte, er hätte keine Kontakte mehr zu seinen Verbündeten. Die Taten reißen jedoch nicht ab. Immer wieder werden Reinblüter überfallen oder entführt. Wenn Mr. Malfoy uns helfen kann, diese Leute festnehmen zu können, dann ist ihm ein Hafterlass unter bestimmten Auflagen sicher, aber zunächst sollten wir uns um sein Augenlicht kümmern!“

Am Mittag besuche Susan nochmals den Vater ihres Freundes und erklärte ihm, dass sie ihn nun ins St. Mungos begleiten würde. Er folgte ihr wortlos und schien, seitdem er seine Zelle verlassen hatte, sehr betrübt und grüblerisch. Nach den Vorschriften musste Susan ihm die Hände fesseln lassen, obwohl sie nicht davon ausging, dass er fliehen würde, denn dazu sahen seine Chancen zu gut aus, auf offizielle Art und Weise bald seine Freiheit zu erlangen.

Dem Lärm zufolge war in entsprechendem Krankenflügel viel los, wie Lucius hören konnte. Während er einen Gang entlanggeführt wurde, schnappte er hier und da einige Gesprächsfetzen auf. Einige Heiler tauschten sich über interessante Neuzugänge aus.

„Ah, Miss Bones! Schön, Sie zu sehen“, hörte Lucius eine tiefe Männerstimme sagen. „Warten Sie bitte, ich rufe Ihnen zwei Medimagier, die Sie begleiten werden“, sagte der Mann, bevor er verschwand.

Als er mit Miss Bones wartete, lauschte Lucius einer Frau und einem Mann, die etwas weiter weg zu stehen schienen. Sie unterhielten sich über einen offenbar sehr interessanten Fall. Lucius bezweifelte, dass Miss Bones dieses Gespräch ebenfalls verfolgte, denn sie lief ungeduldig auf und ab und so konzentrierte sich Lucius auf das Gespräch, welches etliche Meter von ihm entfernt stattfand. Die Eigenart, Informationen zu erhalten, die man gegebenenfalls später einmal zu seinem Vorteil nutzen konnte, hatte er sich schon als junger Mann angeeignet.

„Hat der Professor dir auch schon mitgeteilt, dass der Abort bei Miss Greengrass bewilligt worden ist?“, fragte die weibliche Heilerin.
Ihr Kollege antwortete: „Ja, beim Schichtwechsel hat er uns informiert. Aber du glaubst es nicht, was heute Nacht passiert sein soll.“ Lucius lauschte noch angestrengter, weil der Mann nun zu flüstern begann, doch da er sich voll und ganz auf sein Gehör konzentrieren konnte, bekam er mit, wie der Heiler wisperte: „Miss Greengrass’ Vater war heute Nacht hier und er wollte sie doch tatsächlich mit nachhause nehmen als wäre nie etwas geschehen! Kannst du dir das vorstellen?“
Schockierung war in der Stimme der Heilerin zu hören, als sie aufgebracht fragte: „Nein, das gibt es doch nicht! Der war hier? Was hat man mit ihm gemacht?“
Leise erklärte der Mann: „Frederick und Mike haben ihn festgehalten und Ellen hat die Magische Polizeibrigade verständigt. Die haben ihn gleich mitgenommen. Der Typ war nicht ganz bei Sinnen! Hat nicht einmal eingesehen, dass er eine Straftat begangen hat, das Schwein! War für ihn völlig normal, seine Tochter…“

Der Heiler verstummte und Lucius erfuhr gleich darauf den Grund dafür, denn die beiden Medimagier waren gekommen, die der Professor verständigt hatte. Sie führten ihn und Miss Bones in ein Zimmer, welches er sich offensichtlich auch noch teilen musste, denn er hörte, wie jemand in dem Raum laut atmete.

„Miss Bones? Es wäre nicht zufällig möglich, mir ein Einzelzimmer zu verschaffen?“, fragte er hochnäsig.
Sie konterte gelassen: „Ich dachte mir schon, dass Ihnen daran liegen würde. Es war leider nicht möglich, aber Sie werden sich hier trotzdem wohl fühlen. Der junge Mann im Bett gegenüber hat bisher kein Wort von sich gegeben. Er ist apathisch und er wird Sie nicht im Geringsten stören.“ Er holte gerade Luft, um etwas zu sagen, da erklärte sie: „Und bevor Sie fragen: Er ist reinblütig! Ich möchte doch nicht riskieren, dass Sie Ihren Zimmergenossen malträtieren.“

Ihre Bemerkung meinte sie nicht ernst, weswegen Lucius fast schon eine scherzende Antwort zum Besten geben wollte, die er sich jedoch verkniff.

„Und, Mr. Malfoy, es sind etliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden, die ich Ihnen natürlich nicht aufzählen werde. Sollten Sie auch nur einmal versuchen zu fliehen…“
Lucius unterbrach sie und vervollständigte ihren Satz gelangweilt, als müsse er ein Gedicht wiedergeben, welches er nicht ausstehen konnte: „Dann verliere ich sämtliche Ansprüche auf medizinische Behandlung und möglichen Hafterlass. Es ist nicht notwendig, alles zu wiederholen, was Sie mir bereits vorgelesen haben, Miss Bones!“

„Gut, dann übergebe ich Sie jetzt in die Hände der Heiler. Wenn Sie möchten, würde ich Sie weiterhin gern besuchen wollen. Oder Ihr Sohn könnte…“, sagte Susan, bevor sie innehielt, weil Lucius sich plötzlich verspannte und so ließ sie ihn ohne weitere Worte allein.

„Mr. Malfoy, wenn Sie bitte Ihre Hände ausstrecken würden“, sagte eine junge, männliche Stimme. Er kam wortlos der Aufforderung nach und fühlte gleich darauf, wie sich die magischen Fesseln von seinen Handgelenken lösten.
Ohne ein Wort des Dankes fragte Lucius provozierend arrogant: „Arbeiten auf dieser Station viele Reinblüter oder ist es verseucht mit…“
Der junge Heiler ergriff ihn leicht am Oberarm, weswegen Lucius verstummte. Mit ruhiger Stimme legte ihm der Mann nahe: „Sie sollten Worte wie ’Schlammblüter’ oder ’Blutsverräter’ meiden, wenn Sie sich nicht um einige Privilegien bringen möchten.“
Verachtend schnaufte Lucius, bevor er missbilligend fragte: „Was für Privilegien könnten mir schon solche Leute bringen?“
Der Heiler führte ihn noch immer leicht am Arm haltend zu seinem Bett hinüber und erklärte derweil: „Nun, es gehört zum Beispiel nicht zur Aufgabe der Schwestern, den Patienten aus Zeitungen vorzulesen. Da Sie blind sind, wird die erste Schwester Ihnen mit Sicherheit so einen Vorschlag machen. Es liegt an Ihnen, ob Sie sie vergraulen oder…“ Den Rest durfte Lucius sich selbst denken.

Es erstaunte ihn nicht, dass er nach wenigen Minuten bereits von der ersten Schwester aufgesucht wurde, die ihn beschwingt mit den Worten grüßte: „Guten Tag, Mr. Malfoy. Ich bin Schwester Marie. Ich bin hier, um Ihnen Blut abzunehmen und einige Voruntersuchungen zu machen. Der Professor wird in etwa einer Stunde zur Visite kommen. Vorher wird aber noch das Mittagessen ausgegeben.“

Nur leise grüßte Lucius zurück, bevor er bereits spürte, wie ihm der rechte Ärmel seiner Patientenbekleidung hochgeschoben wurde. Während er einen Hauch von Lavendel wahrnahm, der von ihr ausging, spürte er ihren Zauberstab an seiner Vene und gleich darauf ein kurzes Ziehen auf der Haut, als sie ihm auf magische Weise Blut entnahm.

„Hat nicht wehgetan oder?“, fragte sie nebenbei, ohne eine Antwort zu erwarten. An ihrer Stimme hörte er, dass sie lächelnd musste.
„Wenn ich Sie fragen dürfte, Schwester: Der Patient in meinem Zimmer… Wer ist das?“, fragte er mit fester Stimme.
Sie antwortete daraufhin: „Das wissen wir nicht. Man konnte seine Identität noch nicht feststellen.“
Neugierig fragte Lucius: „Und was fehlt ihm?“
„Oh, das darf ich Ihnen nicht sagen, Mr. Malfoy! Schweigepflicht, Sie verstehen?“, antwortete sie gewissenhaft.

Lucius seufzte. Er wollte zumindest eine Kleinigkeit über den Mann in Erfahrung bringen, mit dem er sich Tag und Nacht das Zimmer teilen müsste.

„Und gehen wir von der Annahme aus, ich könnte sehen: Was würde ich im Bett gegenüber erblicken?“, fragte er wohlwissend, dass sie ihm darauf eine Antwort geben würde.
Das tat sie auch, indem sie entgegnete: „Na ja, Sie würden einen Mann Anfang zwanzig sehen, der noch etwas unterernährt ist und am ganzen Körper Platz- und Schnittwunden, sowie geschwollene Stellen und blaue Flecken aufweist.“
Ehrlich antwortete Lucius: „Danke, das reicht! Jetzt habe ich zumindest eine Vorstellung von meinem Zimmergenossen. Wissen Sie denn, was mit ihm geschehen ist?“
Schwester Marie, die gerade seinen Puls fühlte, erklärte: „Nein, das wissen wir nicht. Es stand sogar im Tagespropheten, dass man ihn gefunden hat. Die Magische Strafverfolgungspatrouille hat keinen Schimmer, warum man ihm das angetan hat. Vielleicht kann man sich zumindest einen Reim darauf machen, wenn wir endlich wissen, wer er ist.“ Sie ließ von seinem Handgelenk ab und sagte vorwarnend: „Erschrecken Sie jetzt nicht! Ich werde mir Ihre Augen ansehen. Bitte machen Sie keine abrupte Bewegung!“

Um zu erfahren, ob er noch immer so verschlagen handeln konnte wie früher, fragte er während ihrer Untersuchung leise: „Der Abbruch bei Miss Greengrass ist also genehmigt worden?“
Schwester Marie stockte, bevor sie fragte: „Sie wissen davon? Kennen Sie sie?“
Den Nachnamen kannte er durchaus, aber der Name war auch weit verbreitet, weshalb er vorgab: „Natürlich kenne ich sie. Und auch ihren Vater, dem ich nie sonderlich viel Respekt zollen konnte.“
Leise schilderte Schwester Marie: „Miss Greengrass’ Vater ist ein Schw…“
Sie hielt inne, aber Lucius, der Spaß an der Unterhaltung fand, beendete ihren Satz, indem er sagte: „Ein Schwein! Ja, da haben Sie Recht. War er es, der…?“
„Ja! Im Krieg hat er Frau und Sohn verloren, aber er wollte unbedingt wieder einen Nachkommen haben. Er fand keine reinblütige Frau, die sich mit ihm abgeben wollte und da hat er…“ Sie seufzte mitleidig, bevor sie letztendlich erklärte: „Miss Greengrass hat ihn angezeigt, nachdem sie sich nach längerer Gefangenschaft befreien konnte. Sie kam gleich darauf zu uns, um… Na ja, Sie wissen ja.“

Lucius war stolz auf sich, dass er noch immer Vertrauen erhaschen konnte und mit seinem Halbwissen Leute zum Reden bringen konnte. Abschließend sagte er nur: „Ich hoffe, Miss Greengrass geht es den Umständen entsprechen gut. Ihr Vater wird sie wohl eine zeitlang nicht mehr belästigen können. Ich nehme an, er wird eine ganze Weile in Askaban bleiben.“ Hier stimmte ihm Schwester Marie zu.

Es bestätigte ihm seine Selbstsicherheit, Schwester Marie Informationen entlockt zu haben, die nicht für ihn bestimmt waren und das nur, weil er vorgegeben hatte, eingeweiht zu sein. Allerdings entsetzte ihn die Kenntnis über Miss Greengrass’ „Unannehmlichkeit“. So schlimm stand es also schon um einige Reinblüter, die um jeden Preis ihre pure Blutslinie bewahren wollten. Miss Greengrass’ Fall erinnerte ihn sehr an ein Märchen, von dem ihm früher einmal seine Frau erzählt hatte und obwohl es nur ein dummes Muggelmärchen gewesen war, hatte der Beginn dieser Geschichte aufgrund seines abscheulichen Inhalts seine angewiderte Aufmerksamkeit erhalten.

Er ließ die Voruntersuchung über sich ergehen und hielt mit Schwester Marie noch ein erstaunt angenehmes Schwätzchen, bevor man ihm ein duftendes Mittagessen vorsetzte, welches tausendmal besser schmeckte als alles, was er je in Askaban zu sich nehmen musste.

Die Heiler-Visite fand pünktlich nach dem Mittagessen statt. Nachdem der Professor ihn gründlich untersucht hatte, sagte er: „So, Mr. Malfoy. Ich muss natürlich noch einige Ergebnisse abwarten, aber wie es aussieht, steht es um Sie nicht ganz so schlimm, wie wir anfangs vermutet hatten.“ Erleichterung zeichnete sich auf Lucius’ Gesicht ab, weswegen Professor Puddle ihm nüchtern erklärte: „Die Hoffnung, Ihr Augenlicht zu hundert Prozent wiederherstellen zu können, gibt es leider nicht, aber mehr als dreißig Prozent, wie wir anfangs erst dachten, werden es allemal werden.“ Lucius fühlte, wie sich ein Lächeln auf seinem Gesicht formte und er konnte es nicht einmal unterdrücken.

Völlig unerwartet fragte Lucius: „Wie sieht es mit anderen Defe… mit den anderen Krank… Könnte ich etwas anderes bekommen?“
Er schämte sich in Grund und Boden, seine Reinblütigkeit nun bis zu seinem Lebensende mit Leiden und Unvollkommenheit in Verbindung bringen zu müssen, doch der Professor fragte lediglich: „Was gab es denn bisher für Erkrankungen in Ihrer Familie?“

Nur zögerlich zählte der Patient auf: „Mein Vater erblindete ebenfalls. Er war währenddessen hier im Hospital. Sie haben sicherlich noch irgendwo Unterlagen darüber. Meine Mutter hingegen…“ Es war Mr. Malfoy anzusehen, dass er sich genierte und doch brachte der Patient die Kraft auf, dem Professor zu erzählen: „Sie verlor innerhalb eines halben Jahres ihre Magie und einige Monate darauf“, Lucius atmete zittrig ein, „ihren Verstand.“

Man wurde als Squib geboren, aber man verlor nicht einfach seine magischen Fähigkeiten, weshalb Professor Puddle erstaunt nachfragte: „Sie ’wurde’ ein Squib?“ Nickend bejahte Mr. Malfoy. „Was ist aus Ihrer Mutter geworden?“, fragte Professor Puddle vorsichtig, denn er wusste, dass es gerade für rassistische Familien wie den Malfoys mehr als nur eine Schande war, einen Squib zur Familie zählen zu müssen.
Leise antwortete der Patient: „Mein Vater ließ sie ins Gunhilda-von-Gorsemoor-Sanatorium einweisen. Seitdem hab ich sie nie wieder gesehen!“

Nachdem der Professor erklärte, er müsste die Resultate der Untersuchungen abwarten, bevor er über weitere, mögliche Erkrankungen Auskunft geben konnte, war er gegangen. Lucius blieb mit seinen schrecklichen Erinnerungen an die Vergangenheit allein zurück, die nach dem Gespräch mit dem Professor in ihm aufgekommen waren. Er konnte nichts tun, um sich abzulenken; keine Zeitung lesen, keine Karten legen, nicht einmal mit sich selbst Schach spielen und so hallten die Worte seines Vaters in seinem inneren Ohr wider, der damals mit eiskalter Stimme gesagt hatte „Deine Mutter kann dir nichts mehr geben, mein Sohn. Am besten, du vergisst sie schnell, denn du wirst sie nie wieder sehen. Und wage es nicht, jemals über sie zu sprechen!“.

Eine prophylaktische Ohrfeige, die der damals achtjährige Lucius von seinem Vater als eine Art Ausrufezeichen für dessen Befehl erhalten hatte, schien jetzt wieder seine Wange zum Glühen zu bringen, so dass er eine Hand an sein Gesicht führte.

In diesem Moment klopfte es und Schwester Marie trat laut grüßend ein. Als sie den Patienten so niedergeschmettert auf dem Bett sitzend erblickte, fragte sie mitleidig: „Mr. Malfoy? Ich wollte Sie fragen, ob ich Ihnen vielleicht etwas aus dem Tagespropheten vorlesen darf?“
Der Patient ließ seine Hand wieder in seinen Schoß fallen, bevor er mit kraftloser, aber freundlicher Stimme erwiderte: „Oh, das wäre sehr nett, Marie.“

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045 Alte Liebe rostet nicht




Arthur, Sirius und selbst Severus hatten es Harry erfolgreich ausreden können, ein persönliches Gespräch mit Albus führen zu wollen. Severus meinte, er würde empfehlen, den Ereignissen zunächst Zeit zu geben, sich entwickeln zu können, während Arthur einfach nur gesagt hatte: „Lass mich schauen, auf was Albus hinaus möchte, Harry. Du hast keinen Grund, dir wirklich Sorgen zu machen. Niemand wird dir etwas tun und wenn, dann stelle ich mich vor dich. Sie müssten dann erst den Minister ausschalten, um an dich ranzukommen. Kopf hoch, mein Sohn. Es wird sich schon alles als bloßes Gerede herausstellen!“

Die Aufbauklassen wurden schon seit drei Monaten unterrichtet und Harry hatte jetzt, Ende Juni, bereits eine vertraute Routine erlangt, die ihm seine Arbeit wesentlich erleichterte. Die meisten Schüler, unabhängig vom Alter, würden aufgrund ihrer vorhandenen Kenntnisse bereits in die höheren Klassen kommen, wenn im September die Erstklässler eingeschult werden würden. Das stand jetzt schon fest, denn die individuellen Einstufungen waren so gut wie vorüber und mittlerweile wiederholte man lediglich den Lehrstoff, um die Kinder und Jugendlichen an einen normalen Schultag zu gewöhnen. Eine zweite und dritte Klasse würde gar nicht existieren, weil die meisten Kinder während des Krieges von ihren Eltern sehr umfangreich unterrichtet worden waren und schon über einen sehr hohen Bildungsstand verfügten. Somit würden die vierten, fünften und sechsten Klassen zum bersten voll werden, so dass man diese nochmals halbieren musste.

Severus hatte sich für einen dreizehnjährigen Schüler eingesetzt, den er bei regulärem Schulbeginn sofort in der Siebten sehen wollte, denn der Bursche war allen anderen weit voraus. Nachdem alle weiteren Lehrer, die in ihren Fächern gleiche Erfahrungen mit dem Jungen gemacht hatten, dem zugestimmt hatten, beschloss Albus, dass Gordian Foster im September trotz seiner jungen Jahre bereits die siebte Klasse besuchen dürfte. Er wäre im nächsten Jahr, vorausgesetzt er bestünde die UTZ-Prüfungen, der jüngste Schulabgänger, den Hogwarts je gehabt hatte.

Ständig musste Harry an Ginny denken, wenn er ihr nicht sowieso leibhaftig in der Klasse gegenüberstand, sie beim Essen in der große Halle sah oder auf dem Weg zum Unterricht in den Gängen antraf. Sie war eine der besten Schülerinnen und meldete sich sehr häufig. Die Siebte würde sie mit links schaffen, dachte er. Die Aufbauklasse hatte sie bei Weitem nicht nötig, aber es schien ihr Freude zu bereiten, in einer so vertrauten Umgebung wie Hogwarts zu wohnen.

Man konnte langsam ihren Bauch wachsen sehen. Wenn sie Ende Dezember erfahren hatte, dass sie schwanger war, dann müsste sie jetzt bereits im sechsten Monat sein, dachte Harry, als er zwischen zwei Unterrichtsstunden gedankenverloren den Gang entlangschlenderte und um eine Ecke bog.

„Umpf…“, hörte er plötzlich und als er aufblickte, bemerkte er, dass er gerade in Severus gelaufen war.
„Tut mir leid!“, sagte Harry mit trauriger Stimme, der sich gleich wieder auf seinen Weg machte.

Trotz der vielen Dinge, die in den letzten Tagen, Wochen und Monaten geschehen waren, drehte sich bei ihm alles nur um…

„Au!“, rief Ginny, als Harry sie versehentlich angerempelt hatte und sie gegen die Statue der einäugigen, buckligen Hexe gefallen war. All ihre Bücher waren auf dem Boden gelandet.
Er hatte sie flink am Arm ergriffen, um ihr Halt zu geben und fragte aufgeregt: „Oh Gott, Ginny! Ist alles in Ordnung? Vielleicht gehst du besser zu Madam Pomfrey! Nicht, dass das…“
Ginny beruhigte ihn lachend und sagte: „Ach Ha… ähm… Professor Potter. Keine Sorge, es ist nichts passiert.“

Gentleman, wie er war, hob er all ihre Bücher auf, woraufhin Ginnys neue Freundinnen, die um die beiden herumstanden, hinter vorgehaltener Hand kicherten. Mit einem verlegenen Lächeln reichte er ihr die Bücher, die sie dankend entgegennahm. Nachdem Ginny mit ihren wesentlich jüngeren Freundinnen gegangen war – deren Kichern konnte er noch hören, als sie bereits um die Ecke gebogen waren – fühlte er sich selbst wieder wie ein in Liebesfragen unbeholfener Schüler. Er bemerkte, wie die Röte über sein Gesicht gekrochen sein musste.

Mit hochrotem Gesicht betrat er nach der kleinen Pause seine nächste Unterrichtsklasse. Ein schwerlich unterdrücktes und ihm wohlbekanntes Kichern aus einer hinteren Ecke bestätigte ihm, dass er die Klasse mit Ginny und ihren Freundinnen zu unterrichten hatte. Er hoffte, dass er die Stunde ohne eine Peinlichkeit seinerseits überstehen würde.

Erst am Abend, als er ein ernsthaftes Gespräch mit Sirius geführt hatte, da kam wieder alles in ihm auf, was er wegen Ginny unbewusst verdrängt hatte und was ihn davon abgelenkt hatte, Hermine die Neuigkeiten über den Phönixorden mitzuteilen. Ginny hatte ihm erneut den Kopf verdreht.

Der Grund des ernsten Gesprächs war Sirius’ Sorge um seinen alten Freund Remus. Als Werwolf dürfte Remus nicht heiraten, wenn er sich nicht einer Kastration oder Tonks sich nicht einer Ovariektomie unterziehen würde – gesetzliche Überbleibsel einer rassistischen Regierung. Hinzu kam, dass Albus ausgerechnet Harry, den Sieger über Voldemort, für einen weiteren dunklen Lord hielt und er den Orden des Phönix ohne ihn, Sirius und Severus hat wiederauferstehen lassen. Darüber regte Sirius sich am meisten auf. Und was sollte das mit der radikalen Gruppe, die es auf Reinblüter abgesehen hatte?

Nur mit Hermine und Ron, die sich offensichtlich getrennt hatten, obwohl keiner der beiden während oder nach der verpatzten Verlobungsfeier von Remus und Tonks etwas ihm gegenüber erwähnt hatte, schien alles in Ordnung zu sein. Auch wenn sie nicht mehr ein Paar waren, so verstanden sich alle drei noch immer wie früher, so wie Harry das gehofft hatte.

Sorgen machte sich Harry ein wenig wegen Severus, obwohl in letzter Zeit nichts weiter geschehen war. Nur dieses eine Mal war er außergewöhnlich stark in sein altes Muster zurückgefallen und hatte damit Hermine so sehr verletzt, dass sie beinahe aufgegeben hätte und sie sich bereits von dem griesgrämigen Mann abwenden wollte. So vor Aufregung zitternd hatte er Hermine selten nie erlebt. Nicht einmal vor Moony hatte sie Angst gezeigt. Im Gegenteil – sie wollte Ende des dritten Schuljahres die Bestie sogar noch besänftigen, aber das mit Severus war etwas anderes. Der konnte wirklich angsteinflößend sein.

Seine beste Freundin hatte die demütigende Erfahrung, jemanden ungewollt in ihren Gedanken gehabt zu haben, nur mit sehr viel Mühe und Zuspruch verkraften können. Hermine hatte nach diesem Vorfall mehrmals mit Harry über Severus gesprochen und er half ihr, wieder Vertrauen in ihren Zaubertränkemeister zu setzen. Wahrscheinlich wollte sie weiterhin bei Severus beschäftigt bleiben, weil sie vorrangig ihren Meister bei ihm machen wollte. Harry zu helfen und etwas über Snape und dessen Vergangenheit in Erfahrung zu bringen war für sie nur noch zweitrangig. Sie würde nichts tun, was den Zaubertränkemeister verärgern könnte und Harry würde ihr deshalb auch nichts auftragen, was ihren Job bei ihm gefährden würde.

Albus war, wie an den meisten Abenden, nicht in der großen Halle anwesend. Während des Abendessens hatte Harry wie üblich neben Severus Platz genommen, denn von dieser Position aus konnte er den Tisch der Gryffindors am besten beobachten. Ginny setzte sich immer so hin, dass sie nur leicht nach rechts schauen musste, um Harry zu erblicken. Wenn sie ihn sah, dann lächelte sie breit. Harry erging es nicht anders. Auch er strahlte wie ein Honigkuchenpferd, wenn sie zum Lehrertisch aufblickte, nur um kurz darauf verlegen grinsend in seinem Essen zu stochern, bis er wieder einen Moment finden würde, erneut zu ihr hinüberzusehen. So ging es die meisten Abende.

Severus brachte es auf den Punkt, indem er beim Essen leise zu ihm sagte: „Als Lehrer mit einer Schülerin zu liebäugeln, auch wenn sie erwachsen ist, geziemt sich nicht, Harry. Machen Sie es wenigstens nicht ganz so offensichtlich, dass ständig das Gegacker der Hühner zu uns hinüberschallt!“
Mit verträumtem Blick Ginny anhimmelnd antwortete Harry nach einem sehnsüchtigen Seufzer: „Ich mag Hühner…“

Neben sich hörte Harry es plötzlich prusten. Severus hatte sich an seinem Kürbissaft verschluckt, weswegen Harry ihm leicht auf den Rücken klopfte und ihm eine Serviette reichte.

„Wieder besser?“, fragte Harry.
Doch ohne darauf eine Antwort zu geben fragte Severus mit dem Anflug eines Schmunzelns auf den Lippen: „Hätten Sie bitte die Freundlichkeit zu wiederholen, was Sie zuvor gesagt haben?“
Harry überlegte kurz und wiederholte dann: „Ich sagte, ich mag Ginny.“
Ein einzelner, hochgezogener Mundwinkel zeigte Harry, dass Severus amüsiert schien, bevor der erwiderte: „Nein, das haben Sie nicht. Aber behalten Sie trotzdem im Hinterkopf, dass es tatsächlich, wie Sie vor Schulbeginn bereits so schön vermutet haben, gewisse Gesetze gegen diese Art von Beziehung gibt. Bringen Sie keinen von sich beiden in Schwierigkeiten, Harry!“ Entgeistert blickte Harry seinen Kollegen an, der noch leise nahelegte: „Oder ändern Sie Ihre Situation so, dass andere Gesetze für Sie beide gelten.“ Als Harry nicht zu verstehen schien, rollte Severus genervt mit den Augen, überließ jedoch seinem jungen Kollegen, selbst auf das zu kommen, auf was er angespielt hatte.

Nach dem Spaziergang mit dem Hund ging ihm am Abend nochmals die Situation von Remus durch den Kopf. Er mochte den Mann seit dem Tage, als er ihn im Zug nach Hogwarts kennen gelernt hatte, denn er hatte ihn gegen einen Dementor verteidigt. Da wusste Harry noch nicht einmal, dass er ihn in der dritten Klasse als Lehrer für Verteidigung haben würde.

Durch Hermine hatte er schon damals ein wenig über die gesellschaftliche Problematik von Werwölfen erfahren. Das Werwolf-Unterstützungsamt konnte Betroffenen wenig gegen die Diskriminierungen helfen, denen diese Menschen ausgesetzt waren, weil sie sich ein einziges Mal im Monat in einen Werwolf verwandelten. Trotz dieser einzigen Nacht waren diese Tierwesen in die höchste Gefährlichkeitsklasse eingestuft, weswegen Remus kaum noch Jobs bekam und somit langsam, aber sicher so arm wie eine Kirchenmaus wurde. Aber nicht noch einmal würde Harry ihm das Angebot machen, ihn finanziell zu unterstützen, denn das hatte Remus früher bereits abgelehnt. Selbst die Versicherung, dass Harry das von Herzen tun wollte und er keine Gegenleistung erwartete, ließ den ehemaligen Rumtreiber seine Meinung nicht ändern. Remus war ihm lediglich für seine Herzensgüte und die großzügige Geste dankbar, aber Geld nahm er nicht.

In den Kerkern hockte Hermine über ihrem Kessel und rührte das Gebräu vorsichtig um. Als sie etwas erblickte, was nicht dort hineingehörte, ließ sie genervt den Löffel in den Kessel fallen, womit sie die Aufmerksamkeit von Professor Snape auf sich zog.

Resignierend sagte sie: „Ich muss den Wolfsbanntrank noch einmal beginnen. Er ist durch ein Haar verunreinigt worden.“
Mit ihrem Wurzelmesser fischte sie das Haar aus dem Kessel, während der Professor mit wütender Stimme vorwarf: „Wie oft habe ich Ihnen gesagt, dass Sie Ihre Haare zusammenbinden sollen?“
Das Haar hatte sie endlich aus dem Gebräu herausangeln können, bevor sie es zwischen Daumen und Zeigefinger vor die Augen hielt und trocken entgegnete: „Es ist schulterlang und schwarz!“
„Oh“, war der einzige Kommentar des Zaubertränkemeisters, der ihr als eine Art Entschuldigung wortlos alle Zutaten an den Tisch brachte, damit sie den Wolfsbanntrank aus Neue ansetzen konnte. Mit dem Zauber „Evanesco“ leerte er zuvor den Kessel rückstandsfrei.

Während Hermine mit ihrem Wurzelmesser die Wurzel des Eisenhut zerkleinerte, sagte sie nebenbei: „Ich fand es richtig, dass Sie auf der Verlobung auf dieses katastrophale Gesetz aufmerksam gemacht haben. Mir ist das gar nicht in den Sinn gekommen.“

In diesem Moment hatte Severus nicht den Drang, über dieses Thema reden zu wollen. Er wollte überhaupt nicht über Zwangskastrationen reden müssen und schon gar nicht mit einer Frau, doch ihr schien dieses Thema am Herzen zu liegen, weswegen sie trotz seines ausgebliebenen Kommentars erklärte: „Es gibt da eine Initiative: Die Initiative für die Forderung eines Anti-Diskriminierungsgesetzes für magische und nichtmagische Halbwesen“ Noch immer erwiderte Severus nichts, was sie nicht zu stören schien, weshalb sie noch anfügte: „Ich hab mich denen angeschlossen und spende monatlich…“
„Konzentrieren Sie sich auf den Trank, Miss Granger!“, forderte er mit süßlich vorwurfsvoller Stimme.

Hermine rührte das bisher noch gut duftende Gebräu, als der Professor, der in seinen Unterlagen blätterte, plötzlich nebensächlich klingend fragte: „Hat Miss Weasley eigentlich noch Kontakt zu diesem Spanier?“
Aufgrund seiner Frage war sie so überrascht, dass sie beinahe vergessen hätte, den Trank weiterzurühren, aber sie fing sich schnell wieder, als sie verdutzt fragte: „Sie wissen davon?“ Ein Blick von ihm bestätigte ihr, dass er ja wohl nicht fragen würde, wenn er nichts wüsste. Sie seufzte einmal, bevor sie schilderte: „Ich hab den Idioten zwei Mal getroffen. Wir sind zu dritt ins Kino gegangen und haben beim zweiten Mal einen Rummel besucht.“ Nur nebensächlich erwähnte sie noch: „Er sah ein wenig aus wie Harry.“

Mit dieser Aussage bestätigte Miss Granger ihm, dass Miss Weasley noch genauso an seinem jungen Kollegen hing, wie der an ihr. Und für nur einen Moment fragte er sich selbst, warum ihn das überhaupt interessierte, bevor er seine Schülerin fragte: „Warum Idiot?“
Ehrlich antwortete sie: „Na ja, er war nicht sehr helle; recht einfach gestrickt und wahnsinnig oberflächlich. Ich hab wirklich nicht verstanden, was sie an dem Typen gefunden hatte. Aber auf Ihre Frage zurückzukommen: Ginny hat keinen Kontakt mehr zu Pedro. Oder war es Pablo? Egal…“ Sie mischte konzentriert rührend das getrocknete Pulver einer Pflanze unter, welches das Gebräu mittlerweile unangenehm stinken ließ. „Ich frage mich, wie er das immer runterbekommt. Das Zeug stinkt bestialisch“, sagte sie eher zu sich selbst.

Den Tagespropheten des nächsten Tages musste Severus nicht abwarten, um zu erfahren, dass eine gesamte Reinblüter-Familie im eigenen Haus überfallen, gefesselt und ermordet worden war. Die verkohlten Überreste von Großeltern, Eltern, zwei Onkeln und einem Geschwisterteil wurden nach einer Brandstiftung in deren Herrenhaus aufgefunden. Lediglich ein Familienmitglied hatte aufgrund der eigenen Abwesenheit diesen Überfall überlebt, denn die 14-jährige Meredith Beerbaum besuchte bereits die Aufbauklasse in Hogwarts, als die Magische Strafverfolgungspatrouille Professor Dumbledore und ihr diese schlimme Nachricht überbrachte.

Meredith hatte niemanden mehr, weswegen die herzensgute Professor Sprout ihr anbot, die Vorbereitungen zur Beerdigung in die Hand zu nehmen und sie zum angesetzten Termin auch zu begleiten.

Albus hatte, nachdem er vom Termin der Beerdigung erfahren hatte, Severus zu sich gebeten und gesagt: „Severus, ich möchte, dass auch du zu dieser Beerdigung gehst, aber bleib im Hintergrund. Ich weiß, dass du unsichtbar sein kannst, wenn du es willst. Ich möchte, dass du alles genau beobachtest. Vielleicht wird einer der Täter es wagen, sich an dem Tod der Beerbaums ergötzen zu wollen. Tust du mir den Gefallen?“

Severus stimmte wortlos zu.
Zuletzt geändert von Muggelchen am 01.02.2009 16:48, insgesamt 1-mal geändert.

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