Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - BEENDET

Hier könnt ihr eure Fanfictions und Gedichte zu Harry und seiner Welt vorstellen.

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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

140 Sadistische Vorlieben




Am Lehrertisch sitzend bemerkte Harry gar nicht, dass er Severus anstarrte, weil er von seiner momentanen Wahrnehmung, den bunten Farben der Kinder und dem spürbar freudlosen Grau seines Kollegen, viel zu eingenommen war. Erst Severus’ Worte rissen ihn aus seiner Observation, als dieser langsam auf den Lehrertisch zukam und leise, aber mit gehässigem Tonfall in der Stimme und einem maliziösen Grinsen auf den Lippen sagte: „Lupin, welch eine ’Freude’, Sie heute hier zu sehen. Gemütlich beim Frühstück und dann auch noch auf meinem Platz.“

Die Unterhaltung der drei verfolgte Harry nicht aufmerksam, denn er blickte niedergeschlagen auf den trüben reizlosen Vorhang grauer Magie, von dem Severus umgeben war. Nur am Rande bemerkte er, dass Remus von ihm wegrutschte und mit einem Male ein Stuhl zwischen ihm und seinem Freund an den Tisch schwebte, doch weder Hermine oder Remus noch Severus hatten ihren Zauberstab gezogen.

Neugierig drehte sich Harry um und erblickte das gütige Lächeln und die fröhlich funkelnden Augen von Albus, der für Severus einen leeren Stuhl per Levitation herbeigerufen hatte. In dem Moment, als Harry den Direktor betrachtete, verspürte er das schon immer da gewesene Gefühl von Verbundenheit noch viel stärker als jemals zuvor – ein Gefühl von Verwandtschaft; Seelenverwandtschaft. Albus war ganz und gar in Gold gehüllt wie er selbst. Harry lächelte seinem Mentor warmherzig zu und der erwiderte die Freundlichkeit.

Neben sich hörte er Severus zu jemanden sagen: „Warum heute so freundlich?“

Harry drehte sich um und bemerkte, dass Hermine die Kaffeekanne gerade wegstellte, nachdem sie Severus offensichtlich eine Tasse eingeschenkt hatte und mit der anderen Hand reichte sie in diesem Moment den Brötchenkorb an ihn weiter, was seinen Kollegen hatte stutzig werden lassen.

„Im Gegenteil zu anderen Personen bin ich von Natur aus freundlich, Severus. Außerdem ist das heute unser letzter gemeinsamer Tag und den sollten wir ganz ungezwungen vorübergehen lassen“, erwiderte Hermine und es war zu gleichen Teilen Provokation und Bedauern aus ihrem Tonfall herauszuhören.
„Wie soll ich das bitte verstehen?“, fragte Severus verunsichert nach.

Remus lehnte sich mit seiner Tasse Tee in der Hand und einem nur spärlich unterdrückten Schmunzeln gemütlich zurück, damit Hermine und Severus sich ins Gesicht sehen konnten, während sie miteinander redeten.

„Wie Sie das verstehen sollen? Ich erkläre es Ihnen: Die Hälfte des Buches habe ich natürlich nicht geschafft und ich werde es bis zum Mittag auch nicht schaffen. Sie waren gestern sehr deutlich gewesen, als Sie mir erläutert hatten, was geschehen würde, sollte ich die Aufgabe nicht erledigen.“
„Wie viel haben Sie denn bereits gelesen?“, wollte er wissen, während er zu seiner Tasse griff.
„Nur die ersten beiden Kapitel, die nebenbei erwähnt immerhin etwas über 200 Seiten ausmachen und nicht gerade zur Kategorie ’Leichte Lektüre’ zählen.“
Mit regungsloser Miene stellte er sehr nüchtern klar: „Dann haben Sie doch die Hälfte des ersten Themas bereits gelesen.“

Sie schaute ihn sehr eindringlich an, so dass er durch ihren bohrenden Blick und dem fehlenden Kommentar ihrerseits zu ihr hinüberschaute. Er bemerkte, dass sie sich ärgerte und er musste sich daher ein Grinsen verkneifen.

Ganz beiläufig klingend klärte er sie auf: „Das Buch ist, wie der Titel ja bereits verrät, in drei Themen aufgeteilt. Sie haben die Hälfte des ersten Themas gelesen. Mehr habe ich nicht verlangt.“

Angriffslustig kniff sie die Augen zusammen. Sie hatte große Mühe, nach außen hin weiterhin ernst zu wirken, doch innerlich hatte sie gewusst, dass er den Vertrag mit ihr nicht kündigen wollte, nur hatte sie nicht damit gerechnet, dass er sie jetzt auf den Arm nehmen würde.

„Sie haben gesagt und zwar wortgenau ’Die Hälfte des Buches bis Morgenmittag.’ Nicht die Hälfte des ersten Themas“, sagte sie gespielt vorwurfsvoll.
„Sagte ich das tatsächlich?“ An seiner Betonung war zu hören, dass er die Angelegenheit schon lange nicht mehr ernst nahm. „Verzeihen Sie mir das Missverständnis. Ich meinte natürlich die Hälfte des ersten Themas und nicht bis Morgenmittag, sondern bis Montagmittag. Ich war wohl ein wenig fahrig gewesen.“

Das Stück Cheddar, welches er sich von der Käseplatte genommen hatte, legte er nicht wie erwartet auf sein Brötchen, sondern er nahm es in die Finger und biss ungeniert ab, während er sich des bohrendes Blickes seiner Schülerin, der auf ihm lastete, durchaus bewusst war, ihn jedoch absichtlich ignorierte.

„Sie sind gemein“, murmelte Hermine in ihr Müsli, nachdem sie sich wieder ihrem Frühstück gewidmet hatte.
„Ah, es muss ein befriedigendes Erlebnis sein, wenn man so eine Offenbarung erfährt“, konterte er gelassen amüsiert.
„Severus“, sagte Remus schmunzelnd, „wie kommt es, dass du heute so…“
„Wählen Sie Ihre Worte weise, Lupin“, fiel ihm Severus ins Wort.
„Dann hilf mir doch bitte auf die Sprünge. Ich suche ein Synonym für das Wort ’heiter’. Einen Vorschlag?“, fragte Remus mit todernster Miene, doch allein die Fältchen um seine Augen herum verrieten, dass er selbst sehr gut gelaunt war.
Severus blickte nach vorn zu den Kindern und sagte derweil: „Wie könnte ich nicht guter Dinge sein, wo doch heute all die lernunwilligen Sprösse, die arroganten Bälger und tölpelhaften Nichtsnutze die Schule verlassen und mich vor den Katastrophen, die sie trotz aller Warnungen immer wieder in meinen Klassenräumen herbeiführen, für ganze zwei Wochen verschonen? Beim Anblick der Schüler mit ihrer an den Tag gelegten Vorfreude auf das Weihnachtsfest, das sie bei ihren lieben Familien verbringen werden, blüht nicht mein Herz auf, sondern meine Spottlust und um nichts in der Welt wollte ich es verpassen, dem einen oder anderen dreisten Naseweis und respektlosen Lausebengel noch einen verachtenden Blick oder ein paar gut gewählte, hämische Worte mit auf den Weg zu geben.“
„Es freut mich“, begann Remus lächelnd, „dich heute mal so beschwingt erleben zu dürfen.“

Severus blickte neben sich und blinzelte mehrmals, denn so eine Reaktion hatte er nicht erwartet. In der Regel würde Minerva jetzt dagegenhalten und seine Worte verteufeln; sich furchtbar darüber aufregen, was für ein kaltherziger Mensch er wäre, doch er saß nicht neben ihr und er wurde nicht wie erwartet von allen Seiten für seine kleine Rede, die nur halb so ernst gemeint war wie sie geklungen hatte, in die Mangel genommen. Stattdessen hatte Remus es ihm gleichgetan und ironisch geantwortet, während Hermine sich nicht einmal über das extra für sie erwähnte „dreiste Naseweis“ aufzuregen schien.

Sprachlos blickte Severus zu seiner anderen Seite und erst da bemerkte er, wie Harry ihn anstarrte; womöglich schon die ganze Zeit über angeblickt hatte und es war ihm nicht entgangen, dass die grünen Augen hinter der runden Brille voller Kummer waren.

„Ehemalige Lausebengel und Nichtsnutze sind natürlich ausgenommen“, sagte Severus mit einem nur sehr zaghaft angedeuteten Lächeln, welches für Außenstehende schwer als solches zu erkennen war und erst da begann auch Harrys Trübsinn zu verblassen.

Harry hatte weniger auf die Worte geachtet, die Severus an ihn gerichtet hatte. Er war von Severus’ Magie beeindruckt, denn nachdem sich sein Kollege zwischen Remus und ihn gesetzt hatte, waren bereits leichte Veränderungen auszumachen. Die trostlose Farbe war unmerklich heller geworden, nachdem Remus’ und Harrys eigene Magie die Fühler nach dem grauen Tischnachbarn ausgestreckt hatten. Schon während der Unterhaltung mit Hermine war ab und an in der nebligen Masse, die selbst sehr einsiedlerisch wirkte, weil sie nicht mit fädenhaften Tentakeln die Umgebung zu erkunden versuchte, ein leichtes silberfarbenes Glitzern zu sehen gewesen. Nach Remus’ scherzhafter Bemerkung hatte Harry beobachten können, dass die Magie zwar noch immer einfarbig und grau gewesen war, aber nun weniger wie ein Schatten wirkte, sondern eher wie leichte Wolkendecke am Himmel, die jeden Moment aufreißen könnte.

Einen Augenblick später hatte Severus ihm in die Augen gesehen und als sein Kollege die als Scherz versteckte Entschuldigung bezüglich der ehemaligen Lausebengel an ihn gerichtet hatte, da kam es Harry so vor, als würde für einen kurzen Moment ein wenig Sonne durch die Wolken hindurchscheinen. Dieser Augenblick ließ Hoffnung in Harry aufkommen, seinem Kollegen eines Tages zu seiner wahren Magie verhelfen zu können.

Am Tisch der Slytherins war nicht weniger Trubel als an den anderen Tischen, doch Draco ließ sich nicht stören. Mit einer Hand frühstückte er und mit der anderen zeichnete er per Zauberstab etwas auf ein Pergament, das er manchmal kritisch betrachtete, bevor er es umänderte. Manchmal blickte er zum Lehrertisch hinüber, weil der Anblick von seinem Patenonkel neben dem ehemaligen Lehrer für Verteidigung ein seltener war. Er wusste, dass Severus Lupin nicht ausstehen konnte und doch saßen sie hier vor allen Augen zusammen und schienen sich auch noch über etwas zu amüsieren.

„Bleibst du auch über die Ferien hier?“, hörte Draco eine Stimme fragen. Er blickte auf und erkannte seinen Klassenkameraden Gordian.
„Ja, ich bleib auch hier, aber ich werde wegen der Hochzeitsvorbereitungen oft außer Haus sein. Warum?“, fragte Draco zurück.
„Ach, nur so. Es bleiben ja nicht viele in Hogwarts.“ Gordian setzte sich neben Draco, um mit dem Frühstück zu beginnen.
Ein wenig irritiert über den jungen Mitschüler fragte Draco: „Wollest du nicht über Weihnachten zu deinen Eltern?“
„Schon, aber ich hab’s mir anders überlegt.“ Verträumt blickte Gordian zum Tisch der Hufflepuffs hinüber, an welchem Meredith saß.
Dem Blick folgend fand Draco den Grund für Gordians Entschluss, nicht nachhause zu fahren, so dass er schmunzelnd sagte: „Hufflepuff ist eine gute Wahl.“
„Mmmh“, machte Gordian bedrückt. „Viele sehen das anders. Ich musste mir schon einiges anhören.“
„Von wem?“
„Na, von unsern lieben Mitschülern“, sagte Gordian verachtend.
„Etwa aus unserem Haus?“, fragte Draco nach.
„Aus allen Häusern. Viele haben nur blöd gefragt, ’Warum ausgerechnet eine Hufflepuff?’. Was ist denn an dem Haus so schlimm?“

Sich an die eigene Schulzeit erinnernd und an Bemerkungen seiner Eltern und Verwandten versuchte Draco für sich selbst eine Antwort zu finden, die nicht von Vorurteilen belastet war.

„Ich glaube“, begann Draco, „dass viele denken, in Hufflepuff würde wirklich jeder Schüler aufgenommen werden, der nicht in einem der anderen Häuser unterkommt, aber das ist meines Erachtens eine Fehleinschätzung. Es ist richtig, dass du für Hufflepuff keine bereits vorhandene Eigenschaft benötigst, aber“, er blickte Gordian an, „du musst bereit sein, fleißig zu lernen und hart zu arbeiten. Sie sind darüber hinaus alle sehr loyal und nicht nur dem eigenen Haus gegenüber.“
„Das denke ich nämlich auch“, sagte Gordian zustimmend.
„Cedric Diggory war in dem Haus gewesen“, begann Draco sehr ernst und er musste nicht erklären, wer der junge Mann gewesen war, denn den Namen kannte jeder aus der Zeitung und man betrachtete ihn als erstes Opfer des damals wiederauferstandenen Voldemort, was dem Verstorbenen einen traurigen Ruhm eingebracht hatte. „Ich habe ihn beim Trimagischen Turnier angefeuert.“
„Wieso Diggory? Warum hast du nicht Potter angefeuert?“, fragte Gordian naiv, denn über die damaligen Rivalitäten zwischen den beiden war er nicht vollständig im Bilde. „Oh, blöde Frage“, entschuldigte sich Gordian. „Du warst ja früher nicht auf seiner Seite… Ich meine, du warst ja ein…“ Gordian seufzte und murmelte: „Verdammt… Fettnapf.“
Draco stieß amüsiert Luft durch die Nase aus, bevor er sagte: „Mit Potter habe ich mich aus genau den Gründen, die du dir denken kannst, früher nicht sehr gut verstanden.“

Kaum hatte man von ihm gesprochen, kam Harry am Tisch der Slytherins vorbei und stoppte bei Draco und Gordian.

Grüßend nannte er die Nachnamen und wünschte einen guten Morgen, bevor er Draco, der die beiden sprechen wollte, darüber in Kenntnis setzte: „Miss Granger ist jetzt bei mir. Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Mr. Malfoy, dann können Sie uns nach dem Frühstück aufsuchen.“ Harry hasste es, von Hermine als „Miss Granger“ zu sprechen und er mochte es nicht, in der Öffentlichkeit Draco mit „Mr.“ anzureden, aber das waren die Regeln.
„Ja, Professor Potter, ich werde kommen“, bestätigte Draco dankend.

Mit einem Lächeln auf den Lippen nickte Harry, bevor er die beiden allein ließ, um die große Halle zu verlassen. In wenigem Abstand folgten Hermine und Remus, die sich angeregt unterhielten und direkt hinter ihnen ging Severus, der sich, was man an seinem Gesicht ablesen konnte, darüber zu ärgern schien, dass die beiden beim Gehen so trödelten; er konnte auch nicht einfach an ihnen vorbeigehen, weil dafür kein Platz war.

Schmunzelnd sagte Gordian sehr leise zu Draco: „Na ja, Slytherin ist nicht nur mit Hufflepuff gut bedient.“
„Wie meinst du das?“, wollte Draco wissen.
„Ich meine natürlich Snapes Schülerin!“ Da Draco nicht zu verstehen schien, erklärte Gordian flüsternd: „Sie schleicht mitten in der Nacht aus seinen privaten Räumen und zwar nur im Nachthemd bekleidet!“

Dracos Augenbrauen verschwanden aus seinem Gesicht, weil sie sich in der Nähe des Haaransatzes verstecken wollten.

„Ich dachte, du wusstest das?“, fragte Gordian unsicher, denn es war ihm bekannt, dass sein Schulkamerad das Patenkind des Zaubertränkelehrers war und sie sich privat sehr gut kannten.
„Das müssen Gerüchte sein“, winkte Draco nach dem kleinen Schock ab. „Genau wie das Gerede, dass er ein Vampir wäre.“
„Das ist kein Gerücht!“, versicherte Gordian. „Das mit dem Vampir schon, hoffe ich zumindest, aber sie“, Gordian nickte zu Hermine hinüber, die gerade an der großen Flügeltür stand, welche ihr von Severus geöffnet wurde, „habe ich selbst gesehen! Im Nachthemd, an seiner Tür, direkt neben ihm stehend!“

Sich beruhigend, weil diese Information ihn innerlich tief getroffen hatte, atmete Draco tief ein und aus.

„An deiner Stelle, Gordian, würde ich diese Beobachtung nicht streuen, selbst wenn sie wahr sein sollte!“, gab Draco als gut gemeinten Ratschlag, bevor er sich sein Pergament auf dem Tisch zurechtschob und wieder zu Zeichnen begann.

„Was machst du da?“, fragte Gordian neugierig.
„Das ist ein Raum in meinem Haus. Ich will ihn ändern“, erklärte Draco knapp.

Gedankenverloren blickte Draco auf und zum Eingang hinüber, an welchem Severus stand, der Hermine höflichkeitshalber die Flügeltür offen hielt.

„Danke, Severus“, sagte Hermine, bevor sie nach draußen ging. Remus folgte ihr und bedankte sich ebenfalls bei Severus, was dem zu missfallen schien. Hermine wollte gerade schon Harry nachgehen, da wandte sie sich um und fragte: „Wann soll ich heute bei Ihnen sein?“
„Heute? Gar nicht! Machen Sie sich einen schönen Tag. Ich habe andere Dinge zu erledigen“, antwortete Severus, bevor er mit schnellen lautlosen Bewegungen zur Treppe ging, die in die Kerker führte.
„Das macht der nur, um mich zu ärgern“, murmelte Hermine grantig, woraufhin Remus lachen musste.
„Sei doch froh, dass du heute frei hast. Komm, wir gehen, Harry wartet.“

In seinem Wohnzimmer angekommen ließ Harry sich auf die Couch fallen, um entspannt und laut durchzuatmen.

„Jetzt weiß ich, warum die Lehrer am Tag des Ferienbeginns immer so glücklich ausgesehen haben“, sagte er grinsend. „Selbst der lieben Pomona hat man angesehen, dass sie die Ruhe der nächsten Wochen zu schätzen weiß.“
„Sie bleibt auch hier?“, fragte Hermine, als sie sich ihm gegenüber setzte.
„Ja, in erster Linie wegen Meredith, aber sie wollen zusammen ein paar Ausflüge unternehmen. Ginny und ich werden sie auch mal begleiten, das haben wir schon ausgemacht.“ An Remus gewandt fragte Harry: „Was meinst du, wann Hogsmeade wieder freigegeben wird? Ich stelle mir das für die Bewohner sehr stressig vor, so mir nichts, dir nichts die Häuser verlassen zu müssen.“
„Ich habe keine Ahnung, Harry. Die Schüler werden ja gegen Mittag erst zum Bahnhof gebracht und bis der Zug abfährt dauert es auch einen Moment. Man wird anschließend nicht einfach gehen. Wie ich Kingsley kenne, wird er die Gegend selbst danach nochmal sehr gründlich unter die Lupe nehmen“, erwiderte Remus. „Und wenn ich ehrlich bin, dann glaube ich, dass ich diese Nacht auch noch in Hogwarts verbringen werde.“

Es klopfte.

„Oh, das wird Draco sein“, sagte Harry in die Runde, bevor er laut „Herein“ rief.

„Neville?“ Harry schien etwas verdutzt, als sein Freund vorsichtig ins Zimmer lugte.
„Tut mir Leid, falls ich stören sollte.“
„Nein, komm ruhig rein. Wir hatten nur mit jemand anderem gerechnet. Setzt dich doch“, bot Harry freundlich an.
„Nein, ich habe keine Zeit. Ich fahre nachher mit zum Bahnhof und habe deswegen noch einiges zu erledigen. Ich wollte nur kurz mit Hermine sprechen.“ Er blickte sie direkt an und sagte: „Ich komme vor den Feiertagen nochmal wieder, werde aber über Weihnachten weg sein. Ich wollte dir Bescheid geben, dass alles bestens gewachsen ist. Die Pflanzen sind bereit. Kannst jederzeit in Gewächshaus vier gehen und ernten. Ganz hinten links findest du alles.“
„Wieso bleibst du nicht die ganzen Ferien über mit Luna zusammen?“, wollte Harry wissen.
„Luna hat ja keine Ferien, im Gegenteil; sie hat sehr viel zu tun. Gleich morgen früh hat sie ein Gespräch mit einem Herrn von der ’Muggelpost’.“
„Oh ja“, unterbrach Hermine, „eine tolle Zeitung! Arthur hat sie abboniert und ich lese sie auch regelmäßig. Bewirbt sich Luna dort?“
Neville nickte. „Das hat sie schon und morgen ist bereits das Vorstellungsgespräch. Luna möchte, dass ich Zuhause bin, auch wenn sie mit ihren Vorbereitungen beschäftigt sein wird. Sie meinte, allein meine Anwesenheit würde sie beruhigen.“ Er lächelte zufrieden.
„Sag Luna von uns allen, dass wir ihr die Daumen drücken!“, sagte Hermine ehrlich. „Ach Neville, wieso apparierst du nicht einfach?“
„Ich mag den Zug!“, rechtfertigte sich Neville, dem Apparation nicht lag.
„Ich auch“, stimmte Harry zu. „Dann eine gute Fahrt!“

Nachdem Neville das Wohnzimmer verlassen hatte, streckte sich Harry, um seine Muskeln zu lockern. Gleich darauf ließ er seine Hände in den Schoß fallen und blickte zu Hermine und Remus hinüber, bevor er spitzbübisch fragte: „Was war das vorhin mit ’Gestern noch ein kleine Wanderung unternommen?’. Was habt ihr beide ausgeheckt?“ Weil die beiden einen erstaunten Blick austauschten, erklärte Harry: „Ich habe zwei gesunde Ohren. Ich habe das durchaus gehört und auch aufmerksam registriert!“
Amüsiert erklärte Hermine: „Du weißt ja, dass Severus immer wieder auf den Dachboden geht und da war ich mit Remus’ Hilfe mitten in der Nacht einfach mal ein wenig da oben schnüffeln.“
„Was gefunden?“
„Den Raum habe ich gefunden, aber ich konnte ihn nicht öffnen“, gestand Hermine.
„Hör ich recht? Es gibt etwas, das du mal nicht öffnen kannst?“ Er wollte sie liebevoll auf den Arm nehmen, doch sie fühlte sich in ihren Fähigkeiten gekränkt, was er bemerkte. „Ich habe nur Spaß gemacht, Hermine.“

Mit einem Male wurde sich Harry darüber bewusst, dass auch Remus im Raum war, doch der hatte bisher nur still zugehört.

Weil Harry ihn so eindringlich anblickte, erklärte Hermine: „Ich habe ihm ein bisschen was erzählt, Harry, wegen Severus.“

Harry nickte, doch er äußerte sich nicht dazu. In seinen Augen war es nicht schlimm, ihn eingeweiht zu haben. Remus war ein sehr verschlossener Mensch, bei dem Geheimnisse bestens aufbewahrt waren. ’Man hätte ihn zum Geheimniswahrer machen sollen’, dachte Harry betrübt.

„So, Harry“, sagte Hermine, so dass er sie aufmerksam anblickte. „Da du ja nichts von dir aus erzählen willst, frage ich einfach: Was genau hast du vorhin in der großen Halle gesehen? Du sagtest, du hättest die Farben der Schüler sehen können.“

Wieder legte sich ein zufriedenes Lächeln auf sein Gesicht, als er sich an den wunderschönen Anblick erinnerte.

„Ich kann es euch zeigen!“

Begeistert stimmte Hermine zu. Harrys Denkarium hatte sich wirklich als brauchbarer Schatz erwiesen.

Harry gab Wobbel Bescheid, dass der Draco hereinlassen sollte, falls die Erinnerung bis zu dessen Besuch noch nicht vorüber sein sollte. Im Anschluss stellten sich Harry, Hermine und Remus um das Denkarium herum. Während die drei mit ihren Nasenspitzen die Flüssigkeit berührten, tauchte Schwester Marie mit ihrem Gesicht aus dem mit eiskaltem Wasser gefüllten Waschbecken in den Waschräumen der Angestellten des St.-Mungo-Hospitals für Magische Krankheiten und Verletzungen auf und blickte vor sich in den Spiegel. Was Mr. Malfoy ihr eben erzählt hatte, war nicht spurlos an ihr vorübergegangen. Allein der Gedanke an die Grässlichkeiten, die von einigen seiner Verwandten „zum Spaß“ erdacht worden waren, ließen ihr eine Gänsehaut den Rücken hinunterlaufen. Marie hoffte innig, dass es in der Vergangenheit nicht noch mehr Menschen gegeben hat, die an dem gleichen Krankheitsbild wie Miss Parkinson hatten leiden müssen.

„Warum denken Sie, dass Sie womöglich helfen könnten?“, hatte sie vorhin von ihm wissen wollen.
„Weil die Todesser sich viele Qualen für diejenigen ausgedacht haben, die sich dem Dunklen Lord in den Weg gestellt hatten“, hatte er geantwortet.

Eine Weile lang hatte sie nichts sagen können, denn in diesem Moment war der Mann vor ihr der Todesser Malfoy gewesen und nicht der Patient, den sie bereits seit Monaten kannte.

„Marie“, hatte er mit ruhiger, aber sehr ernster Stimme gesagt. „Meine Schwägerin war sehr hasserfüllt gegenüber Muggeln gewesen. Durch die Dunklen Künste, einem ihrer Steckenpferde, war sie schon sehr früh auf ganz abscheuliche Flüche und Tränke gestoßen, über die sie jedoch nicht nur lesen wollte; sie wollte sie ausprobieren!“
„Sie meinen“, hatte Marie zaghaft begonnen, „dass Miss Parkinson an einem dieser schwarzmagischen Flüche oder Tränke leidet? Aber weder die Station für ’Vergiftungen durch Zaubertränke und magische Pflanzen’ noch die für ’Fluchschäden und Zauberunfälle’ hat bei Miss Parkinson etwas Schwarzmagisches gefunden.“
„Meine Schwägerin hat experimentiert, Marie. Für sie wäre es nur der halbe Spaß gewesen, mit Tränken zu arbeiten, die leicht zu entdecken wären oder für die ein Gegenmittel existieren würde. Ich gebe an dieser Stelle zu, dass mich das Thema nie sehr interessiert hat, weswegen ich auch nicht viel zu den Tränken sagen kann, mit denen meine Schwägerin, ihr Mann und dessen Bruder hantiert haben. Ich kann mich jedoch sehr lebhaft an einen Tag erinnern, an dem sie in einem Buch einen Trank gefunden hatte, von dem sie äußerst begeistert gewesen war. Das, was Sie mir über Miss Parkinson erzählt haben, Marie, hat mich an diesen Tag erinnert. Meine Schwägerin hatte eine bestimmte Passage vorgelesen und die handelte von einem Trank, der einen Körper leblos erscheinen lassen würde. Ihre Vergnügungssucht wurde damit jedoch nicht gestillt. Nur zu wissen, dass ein Lebender wie ein Verstorbener behandelt werden würde, reichte ihr bei Weitem nicht aus. Nein, ihr lag etwas ganz anderes am Herzen und das war die Qual der Opfer. Sie hatte über einen langen Zeitraum hinweg einen Trank nach ihren persönlichen Wünschen modifiziert, damit sie nachts auf den Friedhöfen ihre begrabenen Opfer in deren Särgen schreien hören konnte.“

Während sie vorhin bereits sein Krankenzimmer hatte verlassen müssen, weil sie sich unwohl fühlte, hatte sie Malfoy noch den Namen des Trankes sagen hören.

Nun stand sie hier im Waschraum, blickte in den Spiegel und beobachtete, wie einige Tropfen an ihrem Gesicht hinunterliefen. Malfoys Erzählung hatte sie tief bewegt. Mitgefühl für unbekannte Opfer breitete sich in ihr aus. Das Gefühl der Machtlosigkeit konnte sie kaum ertragen und sie war erschüttert über all die Bösartigkeiten, von denen sie erfahren hatte. Mr. Malfoy selbst hatte auf sie nicht so gewirkt, als hätte er die Vorliebe seiner Schwägerin teilen können. Vielleicht, so dachte Marie, war er auch nur erbost darüber, dass es Miss Parkinson – eine Reinblüterin – getroffen hatte, von der er sehr viel zu halten schien. Marie würde im Laufe des Tages Professor Junot davon berichten, wenn die mit den ganzen Analysen fertig wäre, denn bei so einer schwierigen Arbeit wollte Marie nicht stören.

Von einer Dame aus dem Ministerium hatte Marie heute Morgen über den Kamin im Schwesternzimmer die Information erhalten, dass Mr. Shacklebolt und Miss Tonks noch beschäftigt wären, sich jedoch sofort bei ihr melden würden, wenn sie zurückkommen würden.

Nachdem Marie sich um Miss Parkinson gekümmert hatte, nahm sie den Aufzug in das erste Untergeschoss, denn dort war Professor Junot anzutreffen, der sie von Mr. Malfoys Erzählung berichten wollte. An die Bürotür klopfend wartete Marie, bis die Professorin ihr Einlass gewähren würde, doch als niemand antwortete, öffnete Marie die Tür einen Spalt. Junot lag auf einer schmalen Couch und war offensichtlich genauso erschöpft wie Marie. Was Mr. Malfoy ihr gesagt hatte, dachte Marie, müsste noch warten, bis die Professorin wieder fit war und so wollte sie die Tür wieder schließen. In diesem Moment regte sich Junot.

„Marie?“ Die Professorin setzte sich auf und fragte: „Ist sie wieder wach?“
„Nein, aber ich habe einen Anhaltspunkt. Na ja, möglicherweise könnte es einer sein, das müssen Sie entscheiden“, sagte Marie betrübt.
Junot klopfte zweimal mit der Flachen Hand auf das Polster neben sich auf der Couch und sagte: „Setzen Sie sich und erzählen Sie es mir.“

Zögerlich setzte sich Marie, bevor sie einmal tief Luft holte und sagte: „Hören Sie mich bitte erst an, bevor Sie sich aufregen.“ Erstaunt zog Junot eine Augenbraue in die Höhe, doch sie nickte, so dass Marie erzählte: „Mr. Malfoy hat mir einen Hinweis gegeben, den ich persönlich für glaubhaft…“
„Marie, Sie haben Mr. Malfoy doch nicht etwa über den Zustand von Miss Parkinson unterrichtet? Wenn ja, dann…“
Diesmal unterbrach Marie mit ruhiger Stimme: „Ich habe die Schweigepflicht verletzt, ja. Ich bin während meines Gesprächs mit ihm nicht allzu sehr ins Detail gegangen, aber Sie können mich trotzdem beim Direktor melden, aber erst nachdem Sie mich angehört haben.“

Junot presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, machte ihr jedoch mit einer Geste deutlich, dass sie fortfahren sollte.

„Mr. Malfoy erzählte mir von seiner Schwägerin, die sich sehr gern und oft mit schwarzmagischen Dingen befasst hat. Sie hätte mit grauenvollen Flüche und Tränken experimentiert. Nicht selten, sagte Mr. Malfoy, hätte seine Schwägerin die Resultate auch an Muggeln getestet. Ich hatte ihm erzählt, dass Miss Parkinson die ganze Zeit über wie tot wäre und sie nur ganz selten aufwachen würde. Mr. Malfoy meinte dazu, seine Schwägerin hätte Freude daran gehabt zuzusehen, wie Muggel ihre Toten betrauert würden, während sie selbst wusste, dass die Person noch am Leben war und man sie…“
„Man sie lebendig begraben hatte“, vervollständigte Junot schockiert.
„Der ursprüngliche Trank ließ die Opfer nicht mehr aufwachen, aber sie konnten noch alles spüren. Mr. Malfoys Schwägerin hat den Trank abgeändert und dafür gesorgt, dass sie dann und wann aus ihrer Totenstarre erwachen und sich ihrer Lage bewusst werden.“ Maries Stimme war zum Ende hin immer leiser geworden.

Professor Junot schluckte laut, denn sie musste daran denken, dass womöglich einige von den vielen Menschen, für die sie während des Krieges einen Totenschein ausgestellt hatte, gar nicht tot gewesen waren und selbst wenn sie es nicht genau wusste, spürte sie bereits einen unangenehmen Druck auf ihrem Herzen.

„Hat Mr. Malfoy auch gesagt, wie der ursprüngliche Trank hieß?“, fragte Junot mit zittriger Stimme.
Marie nickte und antwortete: „Er hieß ’Schlafes Bruder’.“
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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141 Blutstein




In Hogwarts marschierte Draco nach dem Frühstück erst auf sein Zimmer, um die Phiolen mit den Proben des Heiltrankes, den seine Nachhilfeschüler gestern gebraut hatten, zu holen, denn die wollte er Severus bringen. Zum privaten Labor und Büro hatte Draco freien Zutritt. Obwohl er Severus hier nicht antraf, stellte er die sechs Proben auf einem Tisch ab. Er schrieb keine Notiz, sondern nahm sich vor, seinem Patenonkel persönlich Bescheid zu geben, so dass er zu dessen privaten Wohnräumen ganz in der Nähe ging. Damals hatte Draco nicht sofort die Erlaubnis erhalten, die persönlichen Räume betreten zu dürfen. Severus hatte sich viel Zeit gelassen, bevor er Salazar den Befehl gegeben hatte, seinem Patensohn und dessen Mutter zu öffnen und so schwang das Portrait des einstigen Gründers zur Seite und ließ den Blonden ein.

Der weiße Hund kam aus dem Schlafzimmer heraus und schaute sich einen Moment den unerwarteten Gast an, bevor er vorsichtig zu Draco trottete, weil er den jungen Mann noch nicht gut kannte.

Beim Anblick des reinrassigen Tieres musste sich Draco an den Tag erinnern, an dem Severus ihm den Hund zum Geschenk machen wollte und er bereute im Nachhinein, so grob und abweisend reagiert zu haben und das auch noch in Harrys Beisein. Trotzdem hätte Draco diesen Hund nicht haben wollen. Wenn schon Haustiere, dachte er, während er den Hund am Kopf streichelte, dann lieber Vögel.

Sich im Wohnzimmer umblickend fielen ihm der schwarze Umhang und die Weste auf, die achtlos über einen Stuhl geworfen worden waren. Leise ging er hinüber zur offen stehenden Schlafzimmertür, um hineinzuspähen. Sein Patenonkel lag auf dem Bett. Kein bisschen schüchtern trat Draco ein, ging nach vorn und setzte sich auf die Matratze. In der Zeit, in der er mit Severus unterwegs gewesen war, hatte er oftmals nicht nur ein Zimmer mit ihm teilen müssen, sondern auch das Nachtlager. Das Vertrauen war mit jedem Tag gewachsen wie auch die Vertrautheit, denn eine Sache konnte Draco mit Sicherheit sagen.

„Du schläfst nicht, Severus.“ Draco hatte mit klarer und sicherer Stimme gesprochen, denn der winzige Unterschied in der Atmung seines Patenonkels war ihm bekannt und er konnte daher bestimmen, ob er schlief oder wach war.
Eine Mischung aus Seufzen und Stöhnen bestätigte Dracos Vermutung und einen Moment später fragte sein Patenonkel mit weiterhin geschlossenen Augen: „Was willst du?“
„Warum legst du dich nach dem Frühstück gleich wieder hin? Geht es dir nicht gut?“
Mit kraftloser Stimme antwortete Severus: „Ich bin nur müde.“

Nach einem Augenblick der Ruhe drehte sich Severus zu ihm, öffnete die Augen und fragte: „Warum bist du hier?“
Eigentlich zählte sein Patenonkel nicht zu denjenigen, die er um Hilfe bitten wolle, doch es könnte nicht schaden, dachte er, so dass er sein Anliegen offenbarte: „Wenn du heute nichts vorhast, dann würde ich mich sehr freuen, wenn du mir in Malfoy Manor zur Hand gehen könntest.“
Mit gerunzelter Stirn fragte Severus nach: „Inwiefern zur Hand gehen?“

In wenigen Sätzen erklärte Draco, dass für seine Hochzeit keine anderen Räumlichkeiten als das eigene Herrenhaus zur Verfügung stehen würden und er deswegen ein paar Renovierungszauber durchführen müsste.

Am liebsten wäre Severus im Bett geblieben, doch andererseits würde es ihm gut tun, Hogwarts mal zu verlassen. Severus mochte Malfoy Manor und er konnte einige angenehme Erinnerungen mit dem Gebäude verbinden. Die Möglichkeit, sich in Ruhe im Haus bewegen zu können, ohne Lucius ständig in der Nähe zu haben, machte ihm die Entscheidung leicht.

„Um wie viel Uhr soll ich dort sein?“, fragte Severus mit monotoner Stimme, die nicht im Geringsten erahnen ließ, dass er der kleinen Abwechslung positiv entgegensah.
„Gleich nach dem Mittagessen, so gegen halb eins“, antwortete Draco, der innerlich hoffte, dass die anderen, die er noch fragen wollte, ihre Hilfe ebenfalls nicht verwehren würden.
„Gegen halb eins also. Ich werde da sein“, versprach Severus, bevor er sich wieder abwandte.
„Die Phiolen mit dem Proben von dem Heiltrank stehen in deinem Labor“, informierte Draco ihn noch, bevor er das Schlafzimmer verließ und sich auf den Weg zu Harry machte.

Es verwunderte ihn ein wenig, dass Harrys Tür von einem Hauself geöffnet wurde, aber viel wunderlicher war, dass der Elf Hose und Pulli trug.

„Mr. Draco?“, fragte der Elf.
„Nein, Mr. Malfoy“, verbesserte er und stellte gleich darauf klar, „Draco ist mein Vorname.“
„Oh, entschuldigen Sie vielmals“, sagte der Elf, bevor er den Gast einließ. „Wissen Sie, Mr. Potter hatte von Ihnen als ’Draco’ gesprochen und da nahm ich an, es sei Ihr Nachname.“

Mit einer Geste seiner Hand bot der Elf dem Gast einen Platz auf dem Sofa an, doch Draco starrte nur perplex auf Hermine, Harry und Lupin, die allesamt in ein Denkarium eingetaucht waren.

„Ähm“, machte Draco, bevor er mit einem Fingerzeig zu den dreien hinüberdeutete.
Der Elf folgte dem Handzeichen, bevor er sich an Draco wandte und erklärte: „Die Erinnerung müsste in wenigen Minuten vorüber sein, Mr. Malfoy. Wenn Sie solange bitte Platz nehmen würden? Was darf ich Ihnen anbieten? Einen Tee, Kürbissaft oder vielleicht Kaffee?“

Beim Anblick der drei war Draco noch immer ein wenig verdattert und er fragte sich, was so wichtig sein könnte, dass sie sich gemeinsam etwas ansehen mussten.

„Oh, ich… Kaffee bitte“, sagte Draco stotternd, bevor er sich setzte.

Der Elf schnippte mit den Fingern und augenblicklich materialisierte sich auf dem Tisch ein Tablett mit einer Tasse, einer Kanne und sogar mit einem Teller voller Gebäck.

„Sag mal, warum trägst du Kleidung?“, wollte Draco wissen.
„Mr. Potter war der Ansicht, dass ich einen anständigen Eindruck hinterlassen müsste, weil ich als sein Elf in gewisser Weise auch ihn repräsentiere, Sir. Möchten Sie die Muggelpost lesen oder die Morgeneule, während Sie warten?“, fragte der Elf höflich.
„Du bist sein Hauself? Ich dachte, du arbeitest hier in der Küche?“

Nur für wenige Sekunden erinnerte sich Draco an das Antragsformular für einen eigenen Hauselfen, das er für Severus hatte besorgen sollen und er ahnte in diesem Moment, dass der Antrag von vornherein für Harry bestimmt gewesen sein musste, doch lange konnte er nicht darüber nachdenken, denn gerade tauchten Harry, Hermine und Lupin aus dem Becken auf, was Draco sehr genau beobachtete.

Er bemerkte, wie Hermine – was sehr selten zu sein schien – sprachlos war, während Lupin einen sehr ergriffenen Eindruck machte. Harry hingegen lächelte breit und fragte: „Das war toll oder?“ Seine Gäste konnten sich jedoch nicht äußern.

Mit einem Räuspern machte Draco dezent auf sich aufmerksam und es war ihm unangenehm, dass alle drei ihre Köpfe herumrissen und ihn überrascht anstarrten. Besonders mit Lupins Anwesenheit hatte er nicht gerechnet und er fragte sich, ob Harry ihn wegschicken würde, weil er sich immerhin bei ihm im Vorfeld angemeldet hatte.

„Hi Draco, wie ich sehe, bist du schon versorgt“, sagte Harry, während er sich dem Tisch näherte und sich gegenüber seinem neuen Gast setzte.
„Entschuldige, wenn ich gestört haben sollte“, brachte Draco hervor.
„Nein, schon gut. Ich habe Wobbel…“
Aus dem Nichts tauchte der Elf auf. „Sie wünschen, Sir?“
Harry grinste, bevor er sagte: „Ich muss mir wirklich angewöhnen, nicht deinen Namen zu nennen, wenn ich über dich spreche.“
„Kein Problem“, sagte Wobbel lächelnd, bevor er wieder verschwand.
Harry erklärte gleich darauf: „Ich habe meinem Hauself gesagt, er soll dich reinlassen.“
„Ich wusste nicht einmal, dass du einen eigenen hast“, sagte Draco ein wenig neidisch.

Remus und Hermine näherten sich der Couch und beide waren offensichtlich noch immer sehr bewegt von dem, was sie im Denkarium gesehen hatten. Draco war verwundert darüber, dass Harry, der das Gleiche betrachtet hatte, im Gegensatz zu den beiden so ausgeglichen wirkte.

„Was habt ihr euch angesehen?“, fragte Draco, der damit rechnete, keine Antwort zu erhalten, aber versuchen wollte er es trotzdem.
„Eine Erinnerung“, erwiderte Harry lächelnd.
Draco blickte ihn neckend an, bevor er sich auf nette Art über ihn lustig machte. „Nein, ist nicht wahr? Eine Erinnerung also? In einem Denkarium… Das ist doch mal was ganz Neues.“
Harry musste auflachen, bevor er deutlicher wurde. „Ich konnte beim Frühstück ganz plötzlich die Magiefarben der Schüler sehen und das habe ich den beiden eben gezeigt.“

Hier machte Draco große Augen. Auf einer Seite hätte er dieses Erlebnis auch gern gesehen, doch auf der anderen Seite wusste er, dass ihre angehende Freundschaft noch nicht soweit war.

„Du wolltest mit Hermine und mir sprechen?“, fragte Harry.
Draco blickte zu dem ältesten Gast hinüber und da bemerkte Remus, dass seine Anwesenheit womöglich unerwünscht wäre, so dass er sagte: „Ich werde dann mal gehen und euch allein lassen.“
„Wegen mir nicht“, sagte Draco wie aus der Pistole geschossen und er überließ es ihm, zu bleiben oder sich zu entfernen.
„Bleib doch noch“, bat Harry, der ihm die Entscheidung damit erleichterte. An Draco gewandt fragte er: „Wie können wir dir helfen?“
Sich gemütlich eine weitere Tasse Kaffee einschenkend erläuterte Draco gelassen: „Zu unserer Hochzeit kommen doch ein paar Gäste mehr als erwartet. Mr. Bones findet so kurzfristig keine Räumlichkeiten und da bot ich ihm Malfoy Manor an.“

Harry nickte langsam, fordere ihn jedoch wortlos auf, noch ein wenig mehr zu erzählen, denn so richtig wusste er noch nicht, was Draco von ihm und Hermine erwarten würde.

„Da dachte ich“, begann Draco, „dass mir vielleicht jemand helfen könnte, in dem Haus für ein wenig Ordnung zu sorgen. Mehrere Helfer und aufgeteilte Arbeit würde viel weniger Zeit in Anspruch nehmen, so dass das Herrenhaus pünktlich zur Hochzeitsfeier…“
Hermine unterbrach vorsichtig und sagte: „Ihr wollt doch schon nächste Woche heiraten oder? Das sind nur noch ein paar Tage.“
Draco nickte und wirkte derweil sehr gelassen. „Ja, nur ein paar Tage.“
„Wann willst du denn im Haus anfangen?“, fragte Harry.
„Heute gegen halb eins.“
Sich erst räuspernd sagte Hermine daraufhin: „Das ist ein wenig kurzfristig.“
„Die ganze Hochzeit ist kurzfristig. Die Einladungen gehen heute noch raus. Morgen, spätestens aber übermorgen sollte sie jeder bekommen haben“, schilderte Draco seelenruhig.

In Gedanken ging Harry die Pläne durch, die er mit Ginny für die Ferienzeit geschmiedet hatte und er kam zu dem Schluss, dass er sich für heute nichts vorgenommen hatte, weil Ginny sich mit Pomona, Meredith, Gordian und Nicholas die Zeit vertrieb.

„Also, ich habe heute nichts anderes vor“, sagte Harry zustimmend.
„Ich auch nicht“, begann Hermine, „außer dass noch etwas lesen muss, aber das hat Zeit.“
Mit einem freundlichen Lächeln, welches auf Dracos Gesicht sehr ungewohnt aussah, wollte er schon seinen Dank aussprechen, da sagte Remus unverhofft: „Ich hätte auch nichts vor.“

Es war Draco anzusehen, dass er im ersten Moment sehr überrascht war, doch er fing sich schnell wieder. Seine Mutter würde ihm wahrscheinlich die Ohren lang ziehen, dachte Draco, wenn er das Hilfsangebot des Verlobten der Tochter seiner Tante abschlagen würde.

„Das wäre sehr nett, Mr. Lupin“, brachte Draco unüblich schüchtern hervor. Er sah in dem Mann noch immer seinen ehemaligen Lehrer für Verteidigung und er erinnerte sich genau daran, dass er sich sehr häufig über dessen Lehrmethoden und die schäbige Kleidung lustig gemacht hatte; einige Male absichtlich so, dass Lupin es gehört haben musste. Dass dieser Mann nun aus freien Stücken auf seine Freizeit verzichten wollte, um sich für ihn in Arbeit zu stürzen, rechnete Draco ihm hoch an.

„Wer kommt denn noch? Deine Mutter, nehme ich an?“, fragte Harry.
Zustimmend nickte Draco, bevor er noch erwähnte: „Severus will auch helfen.“

Man hörte jemanden stöhnen und das war niemand anderes gewesen als Hermine.

„Wenn der mich ärgern sollte, dann gehe ich“, sagte sie weniger ernst, woraufhin Harry und Lupin grinsen mussten, denn beide erinnerten sich an die recht heitere Stimmung am Frühstückstisch.
„Ich hoffe, dass er kommt. Er hat sich eben ein wenig hingelegt“, sagte Draco in den Raum hinein.

Besonders bei Hermine läuteten die Alarmglocken. Für morgen nahm sie sich vor, in Gewächshaus Nummer vier zu gehen und die Pflanzen zu ernten, die Neville für sie gezogen hatte, um mit der Herstellung der Pastillen zu beginnen.

Mit etwas Verspätung bekam Harry seine Post von einem Hauself der Küche geliefert, die vorsichtshalber jede der Sendungen prüften, die an ihn gerichtet waren. Noch immer gab es Zauberer und Hexen, die ihm ans Leben wollten.

„Was denn?“, fragte Draco. „Bekommst du etwa immer noch so viel Fanpost und Heiratsangebote?“
Die Hauselfen mussten heute viele Briefe aussortiert haben, denn Harry hielt einen Stapel in der Hand, der gerade mal faustdick war. „Normalerweise sind es doppelt so viele.“

Auch eine kostenlose Ausgabe des Tagespropheten war geliefert worden, den Harry eigentlich nicht so gern las. Sachte warf er die Briefe und die Zeitung auf den Tisch, als letztere so unglücklich auf der Oberfläche auftraf, dass sie aufklappte. Die Schlagzeile stach sofort ins Auge, denn in fetten Buchstaben stand dort geschrieben:

„Muggel gegen Zauberer“

Die Schlagzeile verschwand und wurde durch die zweite ersetzt:

„Ein neuer Krieg?“

Zeitgleich griffen alle vier zum Tagespropheten, doch Hermine bekam sie als Erste in die Hände. Harry, Draco und Remus standen blitzschnell von ihren Plätzen auf und stellten sich um Hermine herum, verrenkten derweil ihre Köpfe, um den Text lesen zu können.

„Ich lese vor, in Ordnung?“ Der Vorschlag wurde gern angenommen, so dass sie zunächst den Text rezitierte, der auf der ersten Seite stand.

„Der Tropfende Kessel in der Winkelgasse war von einer Sekunde zur anderen mit aufgeregten Menschen gefüllt. Die Frauen weinten, die Kinder schrieen und die Männer beklagten sich bei den Auroren, die sie gewaltsam aus ihren Häusern in Hogsmeade vertrieben hatten.“

Aufgebracht warf Harry ein: „Genau deswegen lese ich den Tagespropheten nicht mehr! Das ist doch völlig überdramatisiert.“
„Reg dich ab, Harry und lass mich weiter lesen.“ Harry nickte.

Einmal tief Luft holend las Hermine: „Die Bewohner wurden über die Notwendigkeit der Evakuierung im Unklaren gelassen und die Öffentlichkeit konnte nur von dieser Ruckzuck-Aktion des Ministeriums erfahren, da unser Journalist Adam Dazzle sich zufällig in genau dem Wirtshaus aufgehalten hatte, in welches die Vertriebenen von Auroren umgesiedelt wurden. Eine arme alte Frau und ihr erwachsener Sohn nahmen kein Blatt vor den Mund und schilderten alles, damit Sie, liebe Leser, davon erfahren.

’Die Muggel wollen uns angreifen, sie haben sich Hogsmeade ausgesucht, weil sie es sehen können!’, erzählte die gebrechliche Frau mit den weißen, fransigen Haaren unserem Journalisten.

Heute ist Ferienbeginn und man darf annehmen, dass besonders der Bahnhof in Hogsmeade für die aggressiven Muggel ein beliebtes Ziel sein muss, denn die jungen, wehrlosen Schüler Hogwarts’ sollen heute ihre Reise nachhause antreten. Ob es bereits zu Vorfällen oder gar Kämpfen gekommen war, ist leider unbekannt, denn das Ministerium gibt keinerlei Auskunft und will die Gefahr offensichtlich nicht erkennen.

Erfahren Sie, lieber Leser, mehr auf Seite drei.“

Genervt kniff Hermine den Mund zusammen, doch sie unterließ es, auf Seite drei weiter zu lesen.

„Panikmache, wenn ihr mich fragt“, sagte Remus.
Hermine warf ein: „Ich finde das Thema trotzdem bedenklich. Vielen sitzt noch die Angst im Nacken und die kann mit Leichtigkeit geschürt werden. Leider Gottes gibt es einige Menschen, die sich von so einem reißerischen Bericht verunsichern lassen oder es sogar für bare Münze nehmen. Haben wir doch alles schon erleben müssen! Ich hoffe nicht, dass sich die Meinung der Öffentlichkeit über Muggel nur aufgrund des Tagespropheten beeinflussen lässt. Warum schreiben die überhaupt so einen Blödsinn, warum schreiben die nicht über was wirklich Wichtiges?“
Die Antwort übernahm Remus. „Es gab schon lange kein interessantes Thema mehr, nachdem endlich Frieden herrscht und Harry niemanden von der Presse an sich heranlässt.“
„Ist das ein Wunder, dass ich mit denen nichts zu tun haben will? Die verdrehen doch nur alles. Wenn die erfahren sollten, dass ich Patenonkel von Dracos Kind werde, würden die sicherlich so etwas schreiben wie ’Harry Potter geht enge Bindung mit Todesserfamilie Malfoy ein’; ich habe darauf keine Lust!“
Erstaunt fragte Remus nach: „Du wirst der Patenonkel sein?“

Harry nickte und fragte sich in diesem Augenblick, wie er es hatte vergessen können, gerade Remus davon zu erzählen, wo er doch schon bei Luna, Neville, Sirius und Ron mit dieser guten Nachricht hausieren gegangen war.

Seufzend gestand Remus: „Das ist prima! Ich kann mich noch daran erinnern, dass Sirius ganz aus dem Häuschen gewesen war, als deine Eltern ihn zu deinem Paten gemacht haben. Ich muss zugeben, dass ich sehr neidisch auf ihn war.“ An Draco gewandt fragte Remus: „Wer werden die Trauzeugen sein?“
Alle warteten gespannt auf eine Antwort und die gab Draco auch sofort: „Susan hat kurzfristig ihre Freundin Hannah dafür gewinnen können.“
„Hannah Abbott?“, fragte Remus freundlich nach, weil er sich noch an sie erinnern konnte. Draco bejahte wortlos. „Und wer ist dein Trauzeuge?“
Sanft den Kopf schüttelnd erwiderte Draco: „Es wird wohl ein Ministeriumsangestellter werden.“

Es war ihm unangenehm zugeben zu müssen, dass er niemanden gefunden hatte, aber ein Trauzeuge vom Ministerium würde es auch tun.

Harry setzte gerade an, um etwas zu sagen, da kam ihm Draco zuvor. „Du wirst schon der Taufpate, Harry. Mehr möchte ich gar nicht.“
„Aber es wäre doch schade“, begann Hermine, „wenn dein Trauzeuge kein Bekannter wäre.“
Draco blickte sie mit undurchsichtiger Miene an und fragte: „Warst du schon einmal Trauzeugin?“ Sie schüttelte den Kopf.

Viele Dinge schossen Draco gleichzeitig durch den Kopf. Nicht nur die Tatsache, dass er sich mit Hermine normal unterhalten konnte und beide zusammen schon interessante Gespräche geführt hatten, ließ ihn in Harrys bester Freundin wie aus heiterem Himmel eine potenzielle Trauzeugin sehen. Es würde zudem ein gutes Bild auf der Hochzeit abgeben, wenn sie, die von vielen Menschen geschätzt wurde, in diese nicht unwichtige Rolle schlüpfen würde. Nur einen kurzen Moment bekam er ein schlechtes Gewissen, weil die Erkenntnis, durch sie als Trauzeugin sich selbst in ein besseres Licht rücken zu können, seiner egoistischen Seite entsprungen war. Mit diesem Schritt würde er sie aber auch genauso an sich und seine neue Familie binden wie Harry. Man würde sich in Zukunft häufiger sehen und der Gedanke daran schreckte ihn keinesfalls ab. Als er sich zusätzlich noch das Gerücht ins Gedächtnis zurückrief, von dem ihm Gordian während des Frühstücks erzählt hatte, da fragte er Hermine unerwartet: „Wie wär’s mit dir?“

Das zweite Mal am heutigen Tage verspürte Hermine die Unfähigkeit zu sprechen. Von dieser beiläufig klingenden Frage war sie völlig baff. Sie erinnerte sich jedoch daran, was sie Harry erklärt hatte, nämlich dass Draco ihm die Hand in Freundschaft gereicht hätte, als er ihn zum Patenonkel seines Kindes machte. Die jetzige Situation deutete sie genauso und nur daher machte sie sich nicht wie üblicherweise Gedanken über Pro und Kontra; sie entschloss sich auf der Stelle.

„Ja, ich würde gern deine Trauzeugin sein“, sagte sie von sich selbst sehr überrascht.
Dass es so leicht sein würde, hätte Draco nicht gedacht, weswegen er ein Lächeln nur sehr schwer unterdrücken konnte, bevor er sagte: „Dann wäre soweit alles erledigt, bis auf die Einladungen, die ich noch rausschicken muss und Malfoy Manor, dass wir auf den Kopf stellen werden.“

Die vier setzten sich auf die Couch und unterhielten sich noch sehr angeregt über die bevorstehenden Arbeiten im Herrenhaus der Malfoys, während zur gleichen Zeit Schwester Marie und Professor Junot sich wortlos gegenübersaßen und jeder für sich nachdachte, was man als Nächstes unternehmen könnte.

„Marie, haben Sie Mr. Shacklebolt erreichen können?“
„Nein, er erledigt einen Auftrag und wird sich erst bei mir melden, wenn er wieder zurück ist“, antwortete Marie gewissenhaft.
Junot nickte geistesabwesend, bevor sie einen Entschluss gefasst hatte und sagte: „Miss Parkinson ist bereits auf sämtliche Tränke getestet worden, die wir hier im Mungos kennen, aber offensichtlich ist ’Schlafes Bruder’ nicht sehr geläufig. Ich denke, wir müssen zunächst alles über den Trank selbst in Erfahrung bringen. Wir schicken eine Anfrage mit der Bitte um Unterstützung ans Ministerium; die haben eine große Auswahl an schwarzmagischen Büchern unter Verschluss. Wir werden auch eine Eule an Albus Dumbledore senden, falls der uns weiterhelfen kann. Er ist ein weiser Mann. Als Letztes fällt mir nur noch Horace Slughorn ein, denn der könnte auch etwas wissen.“

Zustimmend nickte Marie. Eine Zurechtweisung wegen der verletzten Schweigepflicht blieb ihr glücklicherweise erspart, denn Professor Junot erwähnte mit keinem weiteren Wort die Tatsache, dass sie Mr. Malfoy von Miss Parkinsons Leiden erzählt hatte. Professor Junot ging zu ihrem Schreibtisch hinüber und nahm sich Pergament und Feder zur Hand, doch bevor sie etwas schreiben konnte, musste sie zunächst die Phiolen und Testergebnisse von Miss Parkinsons Blut beiseite schieben.

Mit den von Professor Junot geschriebenen Anfragen ging Marie zur Eulerei des Krankenhauses. Die Briefe befestigte sie an drei Vögeln, die allesamt sehr ausgeruht wirkten.

Die beeindruckend große Waldohreule mit ihrem beige-braunen Gefieder machte sich auf den Weg ins Ministerium direkt zu Kingsley Shacklebolts Büro. Der schwarze Vogel mit den hellen Tupfen, eine tagaktive Sumpfohreule, flog den vertrauten Weg zu Horace Slughorn, denn an den Zaubertränkelehrer wurde in den Kriegsjahren häufiger ein Hilfegesucht geschickt. Unscheinbar, weil nur faustgroß, hüpfte vom Sims der Eulerei der gelbäugige Raufußkautz, der an seinem kleinen Füßchen das Schreiben für Albus Dumbledore mitführte. Der Kautz war klein, aber dafür sehr flink und würde sicherlich vor den anderen bei seinem Empfänger eintreffen.

Die verschneite Landschaft und der kalte Wind machten ihm während seines Fluges nichts aus. Weil er so leicht war, musste er sich nur mit ausgebreiteten Schwingen von den Brisen tragen lassen; selten führte er einen Flügelschlag aus. Ein einziges Mal geriet er ins Trudeln und das war, als er über einem großen Herrenhaus hinwegflog, denn er erschrak bei sechs lauten Plop-Geräuschen.

Nacheinander waren Draco, Narzissa, Hermine, Harry, Remus und zu guter Letzt Severus direkt vor Malfoy Manor appariert.

Als Severus sich einen Überblick verschaffte, stöhnte er leise, weil Hermine ihn mit einem Hauch Mitleid anblickte, während Lupin ihm sein bekanntes, mildes Lächeln schenkte.

„Gehen wir rein“, forderte Draco höflich auf.

Mit seinem Stab und einem lautlosen Zauber sorgte er dafür, dass diejenigen, die durch die Eingangstür treten würden, die magische Erlaubnis erhielten, Malfoy Manor als Freunde der Familie auch in Zukunft durch den Schutzwall betreten zu können.

In der überwältigend großen, aber durch den schwarzroten Marmor sehr finster wirkenden Eingangshalle drängten sich Harry, Hermine und Remus sehr dicht beieinander. Die Geräumigkeit der Halle schien wie üblich sehr einschüchternd, vermutete Draco still. Vorne, rechts und links, führte je eine dunkle Treppe in seichtem Bogen in den ersten Stock hinauf.

Den Boden betrachtend dachte Hermine, dass der rot gemusterte Marmor den Eindruck erweckte, man stünde auf einem glühenden Untergrund.

Die eigenartige Färbung ebenfalls bemerkend fragte Harry Draco leise: „Und hier hast du dich mal wohl gefühlt?“ Im Nachhinein bereute Harry seine dumme Frage, auch wenn sie bei Weitem nicht ernst gemeint war. Auf jeden Fall war er froh, dass Narzissa es definitiv nicht gehört haben konnte, denn sie hatte sich mit Severus bereits einige Meter von den anderen entfernt.

„Du meinst die roten Streifen?“, fragte Draco gelassen, der zu Harrys Erleichterung nicht gekränkt reagierte. „Die Halle schüchtert einen ein, nicht wahr?“, fügte er grinsend hinzu, denn er hatte erkannt, dass Harry sich ein wenig unbehaglich fühlte.
Aufklärend warf Hermine ein: „Ausnahmslos schwarzen Marmor gibt es nicht, Harry. Hämatit färbt es rötlich.“ Mit einem einzigen Blick bat Harry darum, ihn nicht dumm dastehen zu lassen, so dass sie seiner Bitte nachkam und ein anderes Wort für ihn wählte: „Eisenerz.“
„Mein Vater nannte es gern ’Blutstein’, wenn ein Gast sich über die außergewöhnliche Musterung erkundigt hatte. Er fand, dass diese Bezeichnung den optischen Eindruck noch untermalte“, erzählte Draco etwas betrübt. „Ich möchte nicht, dass die Hochzeitsgäste ein beklemmendes Gefühl bekommen, kaum dass sie das Haus betreten haben.“
„In gewisser Weise hat es was“, sagte Harry nebenher, während er sich umblickte. Die Halle wirkte auf ihn wie der Eingang zu einem atmosphärischen Spukschloss. „Wenn ich hier wohnen würde, wäre es mir aber zu dunkel.“
„Zu zweit können wir den Marmor ändern. Ich habe mir Zaubersprüche aufgeschrieben.“

Aus der Innentasche seines Umhangs fischte er ein Stück Pergament heraus und hielt es locker empor, so dass entweder Hermine oder Harry zugreifen konnten. Natürlich griff Hermine zu, die die auf den ersten Blick kompliziert wirkenden Sprüche betrachtete.

Sie blickte auf und fragte: „Weiß mit gelber Musterung?“ Draco nickte.
„Ja, das hört sich schon etwas gemütlicher an“, stimmte Harry freundlich zu. „Was machen wir zuerst?“
Auf eine große Bogentür deutend informierte Draco: „Dahinter liegt der grüne Salon und dahinter der Wintergarten. Ich dachte mir, für die Hochzeitsfeier könnte man die Glaswand zum überdachten Garten entfernen.“ Als Harry dem Fingerzeig mit seinem Blick folgte, bemerkte er Remus, der sich wenige Schritte entfernt befand.

Hin und her gerissen fragte sich Remus, ob der sich den drei jungen Leuten anschließen sollte oder ob es angemessener wäre, sich zu Narzissa und Severus zu begeben. Narzissa hätte nichts dagegen, da war er sich sicher, doch er nahm Rücksicht auf Severus, dessen graue Magiefarbe ihm noch immer nicht aus dem Kopf gehen wollte. Er war erschüttert gewesen, als er das erste Mal diesen grauen Vorhang um den Tränkemeister herum gesehen hatte, der ihn wie die personifizierte Trostlosigkeit umhüllt hatte.

Mit einem scheuen Blick betrachtete er Severus, der gerade mit Narzissa an der große Bogentür stand und sich mit ihr unterhielt und auch wenn die freudlose Farbe jetzt nicht zu sehen war, so wusste er doch, dass sie die ganze Zeit über existent war.

Erleichtert atmete Remus auf, als sich auch Harry, Hermine und Draco zur Bogentür begaben, so dass er sich ihnen einfach anschloss. Hinter der formschönen Tür verbarg sich ein grüner Salon. Auffällig waren die vielen leeren Blumentöpfe in verschiedenen Größen. Narzissa musste die verwelkten Pflanzen bereits entsorgt haben.

Sich aufmerksam umblickend erklärte Draco für alle sehr klar und deutlich: „Die Glasfront, die den Wintergarten vom Saal trennt, würde ich für den Zeitraum der Feier gern entfernen, so dass dieser Raum mit dem Wintergarten eins wird. Im Wintergarten selbst soll die Trauung stattfinden, die man leicht vom Saal aus verfolgen kann.“
Severus schaltete sich ein und fragte: „Wie stellst du dir das vor? Du müsstest die Säulen der Glasfront stehen lassen, damit das Haus nicht zusammenbricht!“
„Da können wir bestimmt was machen“, sagte Draco verunsichert.
Sich die Säulen betrachtend, die vereinzelt zwischen den großen Fenstern zu finden waren, sagte Remus: „Ich bin kein Statikexperte, aber ich nehme an, dass das tragende Säulen sind. Die müssten bleiben, was allerdings die Sicht auf den Wintergarten einschränken würde.“
„Ich…“ Draco fischte ein anderes Pergament aus seinem Umhang und betrachtete seine Zeichnungen. Er hoffte, seine Vorstellungen von der perfekten Hochzeit würden wegen ein paar Säulen nicht zunichte gemacht werden.

Der desillusionierte Gesichtsausdruck Dracos war Harry nicht entgangen. Er näherte sich dem Blonden und warf einen Blick auf die äußerst detaillierten Zeichnungen, die ihm Dracos Wunschtraum vor Augen hielt. Der Hochzeitssaal auf dem Pergament war märchenhaft dargestellt. Die Hand ausstreckend verlangte er, die Zeichnung an ihn weiterzureichen und Draco zögerte nicht.

Die Zeichnung auf dem Pergament sah wie ein unbewegliches Foto aus, dachte Harry. Es war sogar farblich gestaltet und zeigte nicht nur präzise angereihte Tische und Sitzmöglichkeiten, sondern auch Blumenbouquets und einen in der Mitte des Saals platzierten riesigen Kuchen auf einem runden Tischlein, der auf den ersten Anschnitt durch das frisch vermählte Brautpaares wartete. Er wollte die Zeichnung gerade zurückgeben, da bemerkte er, dass Draco auf genau die Stelle schaute, an der in seiner Fantasie schon die hohe Hochzeitstorte zu sehen war.

„Ich denke, ich kenne jemanden, der uns vielleicht helfen kann“, sagte Harry zuversichtlich, so dass Draco seine gute Laune wiederfand.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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Ein kleiner Raufußkautz stieß mit seinem Schnabel an das Fenster von Albus’ Büro, das der Direktor auch gleich öffnete.

„Hallo, mein kleiner Freund“, grüßte er den Kauz warmherzig, der auf dem Schreibtisch landete und brav sein Beinchen von sich streckte, damit die Post entgegengenommen werden konnte. Albus löste die Schlaufe und nahm den Brief, tätschelte jedoch erst den zierlichen Kopf des Tieres, bevor er ihm einen Snack und ein Schälchen reichte.

Während der Kauz ein wenig Wasser trank, öffnete Albus den Brief, den er von einer Frau Professor Junot aus dem Mungos erhalten hatte. Sie schrieb:

„Sehr verehrter Professor Dumbledore,

ich wende mich aufgrund Ihrer Erfahrungswerte an Sie und hoffe sehr, dass Sie mir im Falle einer Patientin weiterhelfen oder mir zumindest einen Ratschlag geben können. Die Patientin scheint unter einem schwarzmagischen Trank zu leiden, der möglicherweise vom Brauer jedoch leicht verändert worden war. Es wäre bereits sehr hilfreich, wenn meine Kollegen und ich Informationen über die ursprüngliche Form des Trankes und somit ein gewisses Basiswissen erhalten würden, damit wir eigenständig an einem Gegenmittel arbeiten können.

Bei dem Trank handelt es sich um einen recht unbekannten, denn keinem der Stationsheiler im gesamten Krankenhaus war der Name ein Begriff. Er heißt ’Schlafes Bruder’.

Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

Hochachtungsvoll,
Professor Morcant Junot“

Einen Moment lang fühlte sich Albus an seine eigene Schulzeit erinnert, denn in seiner Klasse hatte es ein hübsches Mädchen mit dem gleichen walisischen Vornamen gegeben.

Als er über den Inhalt des Briefs nachdachte, kam er zu dem Schluss, dass er in seinem Leben zwar schon einmal von diesem Trank gehört hatte, jedoch wenig darüber wusste. Er würde den Brief besser direkt an Severus weitergeben und hoffen, dass sein Freund der Professorin eine Hilfe sein würde.

Auf seinem Weg in die Kerker stieß er auf Sir Nicholas, der jemanden zu suchen schien.

„Oh, werter Herr Direktor“, grüßte der Hausgeist der Gryffindors. „Sagen Sie, guter Mann, ist Ihnen Miss Granger über den Weg gelaufen? Ich habe ihr nämlich etwas Interessantes mitzuteilen.“
„Nein, ich bedaure, Sir Nicholas, aber sollte ich sie sehen, werde ich Ihr sagen, dass Sie sie suchen“, erwiderte Albus freundlich, bevor er sich von dem Geist verabschiedete.

In den Kerkern angekommen unterrichtete ihn Salazar sofort über die Abwesenheit des Tränkemeisters. „Ich bin untröstlich, aber er ist nicht Zuhause. Soweit meine Annahme richtig ist, geht er gerade dem jungen Mr. Malfoy zur Hand.“
„Oh“, machte Albus erfreut, „das ist wunderbar. Dann werde ich es später noch einmal versuchen.“

Mit dem Wissen, dass Severus die Schule tatsächlich einmal verlassen hatte, was äußerst selten vorkam, machte er sich gut gelaunt daran, die Auroren zu begrüßen, mit denen er die Kinder nach Hogsmeade bringen wollte. Im Gegensatz zu seinem unguten Gefühl während des Frühstücks war er jetzt der Gewissheit, dass nichts vorfallen würde.

Unter den wachsamen Augen der Ministeriumsangestellten hatte der Hogwarts-Express den Bahnhof sicher mit den Kindern verlassen. Mit Kinsley wollte Albus noch ein wenig über die Situation reden, aber besonders lag ihm daran, ihn über den Artikel im Tagespropheten zu unterrichten. Die Morgenausgabe hatte er mitgenommen.

Nachdem Kingsley den Artikel gelesen hatte, legte er den Kopf schräg, bevor er sagte: „Ist nichts Neues, dass der Tagesprophet aus so einer Aktion einen Skandal macht. Ich bin davon überzeugt, dass die Pressesprecherin des Ministeriums die Angelegenheit bereits erklärt hat.“
Albus nickte zustimmend und wechselte das Thema: „Wird man das Dorf noch weiterhin schützen?“
Skeptisch blickte Kingsley den alten Zauberer an, bevor er wissen wollte: „Meinst du, es wäre vonnöten?“
„Wenn du meine ehrliche Meinung hören möchtest“, begann Albus, „dann halte ich es für den heutigen Tag durchaus für unabdingbar, selbst wenn ich zuversichtlich bin und denke, dass keine Gefahr mehr droht.“
Die Meinung des weisen Zauberers war Kingsley sehr wichtig, so dass er antwortete: „Bis morgen Früh werden einige meiner Männer hier bleiben. Morgen wird Hogsmeade wieder den Bewohnern überlassen. Ich hatte gestern während der Evakuierung mit dem Bürgermeister gesprochen. Er selbst ist dankbar, dass wir aufgrund einer möglichen Gefahr reagiert und vorgebeugt haben, anstatt seelenruhig abzuwarten, ob etwas geschehen würde.“
„Dann hoffe ich“, sagte Albus mit zwinkernden Augen, „dass der Tagesprophet auch den Bürgermeister von Hogsmeade zu dieser Angelegenheit befragen wird.“

„King?“, rief eine Frauenstimme. Gleichzeitig wandten sich Albus und Kingsley um, so dass sie Tonks sehen konnten, die im Schnee auf die beiden zugelaufen kam. Sie hatte Albus heute Morgen bereits begrüßt, weswegen sie ihn jetzt nur anlächelte, bevor sie Kingsley anblickte. „Wir sollten ins Ministerium gehen. Zweimal hat uns Miss Amabilis kontaktiert und…“
„Wer?“, fragte Kingsley nach.
„Na, Schwester Marie aus dem Mungos. Es geht um Miss Parkinson, denn die soll tatsächlich einmal in ihrem Beisein erwacht sein!“

Aufmerksam lauschte Albus dem Gespräch. Natürlich hatte er von Arthur erfahren, dass zwei seiner ehemaligen Schüler, die beide eine lange Zeit erst für vermisst und später für tot erklärt worden waren, nun unter mitleidenswerten Umständen gerettet wurden. Die Patientin, von der Professor Junot geschrieben hatte, stellte für ihn ganz offensichtlich Miss Parkinson dar.

„Außerdem“, erzählte Tonks weiter, „scheint die Professorin herausgefunden zu haben, woran die Patientin leiden könnte und sie hat einen Antrag auf Einsicht in schwarzmagische Bücher gestellt, der so schnell wie möglich bearbeitet werden sollte.“
„Ich hatte sowieso nicht vor, noch länger in Hogsmeade zu bleiben. Zehn Auroren werden hier bleiben, aber die anderen brauchen eine Mütze voll Schlaf.“ Kingsley wandte sich Albus zu und verabschiedete sich mit den Worten: „Wie schon erwähnt wird Hogsmeade morgen freigegeben. Ich hoffe sehr, dass jede Gefahr gebannt ist.“
„Das hoffe ich auch, Kingsley“, erwiderte Albus, bevor er den Rückweg antrat.

Zur gleichen Zeit in Malfoy Manor fragte Hermine ein wenig verdutzt: „Wen willst du schon kennen, der bei dem Problem mit den Säulen helfen kann?“
Harry grinste, weil Hermine und alle anderen auf die einfachste Antwort nicht zu kommen schienen und so sagte er nach einem Moment in den Raum hinein: „Wobbel?“
Der Hauself erschien sofort, so dass Draco völlig aus der Fassung fragte: „Wie bist du denn bitteschön durch den Schutzwall gekommen? Das war einer der stärksten!“
„Ja“, stimmte Wobbel zu, „der hat auch ein wenig gezwirbelt.“ Der Elf rieb sich den Arm, damit das Kribbeln verschwinden würde, bevor er sich an seinen Meister wandte und fragte: „Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Sir?“
„Tut mir Leid, dass ich dich in deiner Freizeit störe“, sagte Harry zu seinem Elf, woraufhin Draco sämtliche Gesichtszüge entgleisten. „Wir stehen vor einem Problem und ich dachte, vielleicht könntest du helfen.“
Ohne es aufhalten zu können brach aus Draco in alter Manier heraus: „Er ist dein Elf, befiehl es ihm einfach!“

Alle drehten sich zu ihm um und blickten ihn an, als hätte er den schlimmsten Fauxpas seines Lebens begangen. Selbst seine Mutter schien seiner Aussage sehr missgestimmt.

Kleinlaut äußerte sich Draco zu seinen vorangegangenen Worten. „Entschuldigung, es war nicht so gemeint.“
Harry ging bereits zu den Säulen hinüber, die in der Fensterfront eingearbeitet waren, welche den grünen Salon vom Wintergarten trennte und er erklärte: „Wir wissen nicht genau, ob man diese Säulen und die Scheiben entfernen kann, ohne dass irgendwas zusammenbricht. Mit Statik-Zauberei ist keiner von uns vertraut. Wenn du mal einen Blick drauf werfen würdest?“
Sich Harry nähernd betrachtete Wobbel sehr aufmerksam die baulichen Begebenheiten, bevor er sagte: „Ich kann es entfernen, Sir. Kein Problem. Sofort?“
„Ähm, ja“, antwortete Harry ein wenig unsicher, obwohl er wusste, dass Wobbel ein Elf war, der keine Dummheiten anstellen würde und wenn er meinte, es gäbe keine Probleme, dann glaubte Harry ihm das auch.
„Dann werde ich mich schnell umziehen, Sir“, sagte Wobbel, der einmal mit den Fingern schnippte, so dass seine gute Hose und der Rollkragenpullover durch einen legeren Jogging-Anzug ersetzt wurden.

Eine ganze Weile stand Wobbel vor der breiten Fensterfront. Seine Augen – und nur die – fuhren an der Linie entlang, an welcher das Glas in der Decke verschwand. Harry sorgte sich bereits und fragte sich, ob das Unterfangen vielleicht viel zu schwer für seinen Elf wäre. Selbst wenn er an seine Grenzen stoßen sollte, würde Wobbel alles tun, um die Wünsche seines Meisters zu erfüllen. In dem Moment, in welchem Harry fragen wollte, ob es möglicherweise doch Probleme gegen könnte, atmete Wobbel tief ein und aus, bevor er sich die Ärmel hochkrempelte. Er ging zwei Schritte auf die Fensterfront zu, spitzte die Lippen, atmete nochmals theatralisch ein, bevor er seine rechte Hand hob und ein einziges Mal mit Daumen und Zeigefinger schnippte.

Die Glaswand samt Säulen war verschwunden; das Haus machte nicht den Eindruck, als wollte es jeden Moment einstürzen.

Mit einem Schmunzeln auf den Lippen fragte Harry: „Und dafür musstest du dich umziehen und dir die Ärmel hochkrempeln?“
Wobbel grinste und erwiderte schelmisch: „Es sollte zumindest so aussehen, als würde ich mich anstrengen müssen.“
„Na, du bist mir vielleicht einer.“

Lächelnd machte Harry den ersten Schritt und betrat den Wintergarten. Remus folgte ihm, rieb sich einen kurzen Moment später die Hände und empfahl: „Wir sollten die Fenster abdichten. Es ist etwas frisch hier.“ Er blickte sich um, betrachtete den Boden und fügte hinzu: „Und um den Schimmelpilz sollten wir uns auch kümmern.“ Harry folgte seinem Blick. Der gesamte Boden unten an den Fenstern war schwarz.
„Das mach ich“, bot Hermine an.
„Ich nehme an“, warnte Narzissa alle Anwesenden, „dass hier etliche Doxys hausen.“ Die Überreste der behaarten Schädlinge hatte sie bereits in den Blumenkästen des grünen Salons gefunden und entfernt.
Diesmal übernahm Severus die Aufgabe, denn er sagte, während er langsam den Wintergarten betrat und derweil Remus anblickte. „Ich kümmere mich um das haarige Problem, das ist ja auch sonst meine Aufgabe.“

Durch diese Anspielung war Remus keinesfalls gekränkt; er fand es sogar amüsant.

„Draco?“, fragte Harry in den Raum hinein.
Aus dem grünen Salon heraus rief Draco lediglich: „Hier!“

Während Narzissa, Remus, Severus und Hermine bereits einige Arbeiten im Wintergarten erledigten, ging Harry zurück in den grünen Salon. Draco drückte sich nicht vor der Arbeit, sondern studierte einige Pergamente. Mit gekrümmtem Rücken – den Händen auf der Tischplatte –, beäugte er sehr konzentriert die Pläne, die er auf einem niedrigen Couchtisch ausgebreitet hatte. Wobbel war Harry gefolgt, der jetzt genau neben Draco stand und einen Blick auf die Zeichnungen warf.

Der Elf tat es seinem Meister gleich und betrachtete ebenfalls die Pergamente, bevor er sagte: „Das ist sehr schön gezeichnet, Sir. Sie haben Talent.“
Mit einem Elf hatte Draco noch nie Konversation getrieben, denn Befehle waren das Einzige gewesen, das er Dobby damals an den Kopf geworfen hatte, weswegen er etwas verlegen antwortete: „Äh, Danke.“
„Wenn es mir gestattet ist zu fragen?“, begann Wobbel. „Wo ist der Elf, dessen Magie ich hier noch fühle? Er war lange Zeit nicht mehr hier.“ Mit leiser Stimme vermutete er laut: „Er wird doch nicht verschieden sein?“
„Du fühlst, dass hier mal ein Elf gelebt hat?“, fragte Harry erstaunt nach.
„Aber sicher, Sir“, entgegnete Wobbel. „Es ist schade, dass er nicht mehr hier ist. Der Gute muss Jahrzehnte lang in diesem Haus gewesen sein. Seine Magie ist überall, aber sie ist schon sehr schwach.“
„Er…“ Draco konnte einfach nicht antworten, so dass Harry es ihm erklärte.
„Dobby arbeitet jetzt in Hogwarts.“
„Ah, den habe ich sogar persönlich kennen gelernt. Seltsamer Bursche, dieser Dobby. Er nimmt Geld für seine Arbeit!“ Zum Ende hin klang Wobbel sehr entsetzt, als würde ein Lohn etwas Schlechtes darstellen.
„Er fühlt sich dort wohl“, versicherte ihm sein Meister. „Ich finde erstaunlich, dass du seine Magie hier spüren kannst.“
„In diesem Haus spüre ich noch andere Dinge, Sir, die aber weniger erfreulich sind“, wagte Wobbel zu sagen, denn Harry würde ihn aufgrund seiner Ehrlichkeit sicherlich nicht bestrafen. „Es ist für die schlechte Grundstimmung in diesem Haus verantwortlich.“
Jetzt schaltete sich Draco ein und er streckte seinen Rücken, bevor er an den Elf gerichtet sagte: „Jetzt ist’s langsam genug!“

Wobbel zuckte bei dem harschen Tonfall nicht zusammen wie Dobby es getan hätte, bemerkte Harry.

Sich selbst zusammennehmend erklärte Draco gestresst klingend: „Um die ’schlechte Grundstimmung’ kümmere ich mich noch. Ich habe nämlich vor, den Marmor hell zu gestalten.“
Zweimal blinzelte Wobbel, bevor er höflich darauf aufmerksam machte: „Das, Sir, habe ich nicht gemeint.“
„Was dann?“, fragte Harry.
„Ich meine die schwarzmagischen Gegenstände, die sich unter dem Haus…“
„Es reicht!“, unterbrach Draco unwirsch.
Harry nahm die Sache gelassen und sagte, während er Draco einmal mit seinem Ellenbogen einen kleinen Stoß versetzte: „Na na na, dann deine Familie ja doch eine kleine Sammlung. Die Auroren haben ja nichts finden können.“
„Es wird auch niemand etwas finden, es ist sicher verstaut!“

Ohne Vorwarnung schnippte Wobbel dreimal hintereinander mit seinen Fingern. Beim ersten Mal verschoben sich mit einem lauten Knarren die Tische und Stühle im Raum, was die Aufmerksamkeit der vier Personen im Wintergarten erregte, weswegen sie sich dem nun fensterlosen Übergang zum grünen Salon näherten. Beim zweiten Fingerschnippen verschwand der dunkelgrüne Teppich vom Boden und mit dem dritten Mal rissen die Holzdielen auf, die eine Treppe in finstere Tiefen preisgab.

„An Ihrer Stelle, Mr. Malfoy“, begann Wobbel, „würde ich diese Gegenstände wegbringen. Es belastet das Haus und ihre Bewohner.“
„Ach du meine Güte“, sagte Narzissa ein wenig aus dem Häuschen, „daran habe ich ja gar nicht mehr gedacht. Ich möchte das loswerden!“
„Wir könnten es bei Borgin & Burke's verkaufen“, schlug Draco vor.
Mit besonnener Stimme fragte sein Patenonkel: „Dürfte ich vorher wohl einen Blick auf die Sammlung werfen und gegebenenfalls das ein oder andere Stück…“
„Severus!“, kam es von Hermine sehr vorwurfsvoll.
Unschuldig dreinblickend fragte er: „Was ist?“

Mit einer Hand fuhr Draco sich über das Gesicht, bevor er vorschlug: „Wir sollten die Gegenstände erst im Schuppen neben den Ställen unterbringen und nach der Hochzeit sehen wir weiter.“
„Was für ein Schuppen?“, fragte Harry. „Ich habe weder einen Schuppen noch Ställe gesehen, als wir angekommen sind.“
„Das ist ungefähr einen Kilometer von hier entfernt“, erwiderte Draco.
Harrys Augenbrauen wanderten in die Höhe, bevor er fragte: „Bei Merlin, wie groß ist denn euer Grundstück?“
„Man würde sicherlich einen Tag benötigen, wenn man es zu Fuß umgehen möchte.“ Draco blickte Harry von oben bis unten an, bevor er grinste und sagte: „Du könntest bei deiner Kondition einen halben Tag länger benötigen.“
„Mit meiner Kondition ist alles in Ordnung“, nörgelte Harry verteidigend, denn er wusste selbst, dass er mal wieder etwas Sport treiben sollte.

Bevor man sich in einer Diskussion verlor, wie die schwarzmagischen Gegenstände aus dem Haus geschafft werden konnten, bot Wobbel seine Hilfe an. Per Apparation hatte er sich erst den Schuppen angesehen und gleich im Anschluss alle unliebsamen Objekte dort untergebracht und sogar noch gesichert.

Als Wobbel zurückkam, sah er Draco und Harry abermals über die Pergamenten gebeugt, die noch immer auf dem Tisch ausgebreitet waren.

„Sir, ich möchte wirklich nicht aufdringlich erscheinen, aber die Änderungen, die Mr. Malfoy auf den Pergamenten dargestellt hat, die könnte ich mit Leichtigkeit durchführen“, erklärte Wobbel ein wenig unsicher, denn er wollte keinesfalls lästig wirken.
„Könntest du? Wie wäre es mit der Farbe der Tapeten?“ Harry wandte sich an Draco. „Wie wolltest du sie haben?“
„Hell“, war die recht knappe Antwort. „Grün, aber hell“, fügte er noch hinzu, „denn es heißt ja immerhin ’grüner Salon’, nicht wahr?“
„Wie Sie wünschen“, sagte Wobbel und schnippte abermals mit Zeigefinger und Daumen.
„Das ist zu eintönig“, nörgelte Draco. „Geht es auch mit einem Muster?“ Wobbel schnippte, woraufhin Harry und Draco gleichermaßen beinahe die Augen aus dem Kopf fielen.
„Vielleicht sollte es weniger auffällig sein?“, empfahl Harry, woraufhin der Elf wieder seine Magie anwandte.

Nach und nach zauberte Wobbel und die Tapeten an den Wänden zeigten die verschiedensten Grüntöne mit abwechslungsreichen Mustern, bis Draco aufschrie: „Stopp, das eben…“ Wobbel zeigte die vorhergehende Wandbemalung. „Nein, noch zwei zurück… Ja, das ist es – perfekt, Wobbel!“

Der Elf musste über das ganze Gesicht strahlen, als der Blonde ihm freundlich zunickte.

„Sir, die Damen und Herren, die sich im Wintergarten abmühen - ich könnte…“
„Sicher, Wobbel. Nur zu“, ermutigte Harry seinen Elf.

In Null Komma nichts waren die verdorrten Pflanzen durch blühende ersetzt worden. Der Schimmel war verschwunden und der Boden glänzte. Kitt stopfte die Ritzen und die Fenster waren geputzt.

„Herrlich“, sagte Narzissa ganz überwältigt. „Das hast du wunderbar gemacht.“
„Ist das eigentlich anstrengend?“, wollte Draco wissen.
Mit ganz großen Augen fragte Wobbel: „Was genau meinen Sie, Sir?“
„Na, wenn du die ganze Zeit zauberst. Ist das nicht anstrengend für dich?“
Den Kopf schüttelnd verneinte der Elf, erklärte jedoch: „Ich habe nur ein wenig Durst bekommen und wollte vorschlagen…“
„Oh ja, natürlich“, viel Narzissa dem Elf ins Wort. „Wie unhöflich von mir, den Gästen keine Erfrischung anzubieten. Ich werde sofort etwas aus der Küche holen“, sagte sie ein wenig verschämt und verschwand gleich darauf aus dem Zimmer.
Wobbel blickte zu Harry hinauf und sagte leise: „Ich dachte eigentlich, dass ich etwas besorgen könnte.“

Remus betrachtete sich das Zimmer und schwärmte: „Das ist richtig hübsch geworden.“ Sein Blick fiel von den Wänden auf die Einrichtung, bevor er monierte: „Nur einige Möbel passen nicht mehr ganz hier rein.“
„Das kommt später dran“, versicherte Draco.

Während Narzissa mit einem Tablett den grünen Salon betrat, brachte Kingsleys Vorzimmerdame ihm zur gleichen Zeit eine Tasse Tee und ein paar Kekse.

„Sie sollten sich ausruhen, Mr. Shacklebolt“, legte die ältere Dame ihm nahe. „Das ist nicht gut, sich so zu verausgaben. Mein Mann hat es genauso gehandhabt wie Sie und er hat einen Herzinfarkt davongetragen.“
„Machen Sie sich keine Sorgen, Mrs. Lovage, ich gehe nur schnell die Post durch und kümmere mich um die Anfragen.“
„Bei Miss Amabilis klang es sehr wichtig“, sagte Mrs. Lovage, „vielleicht sollten Sie sie zuerst kontaktieren.“

Diesen Vorschlag nahm Kingsley sich zu Herzen und flohte, nachdem seine Vorzimmerdame ihn verlassen hatte, sofort die Schwester an.

„Miss Amabilis, Shacklebolt hier“, grüßte er.
„Oh ja, ich habe gehofft, dass Sie sich endlich melden.“ Sie hielt kurz inne, bevor sie feststellte: „Sie sehen müde aus.“
„Bin ich auch, aber es geht schon. Sagen Sie, wäre es möglich, dass Sie kurz herkommen? Ich möchte persönlich mit Ihnen sprechen.“

Marie sagte der Oberschwester Bescheid, bevor sie durch den Kamin zu Kingsley ging.

Bevor er fragen konnte, erzählte Marie ihm alles Wichtige: dass Miss Parkinson aufgewacht wäre und sie ihr Blut hatte abnehmen können und dass man vermuten würde, dass sie an dem schwarzmagischen Trank „Schlafes Bruder“ leiden könnte.

„Warum glauben Sie das, Miss Amabilis? Warum gerade dieser Trank?“, fragte Kingsley.
Sein Gegenüber schien um eine Antwort verlegen und empfahl letztendlich: „Da fragen Sie besser Professor Junot, die kann Ihnen das erklären.“
Kingsley war so höflich und reichte Marie eine Tasse Tee, bevor er sagte: „Ich habe Professor Junots Anfrage erhalten. Es wird eine ganze Weile dauern, bevor wir ein Buch gefunden haben, in dem vielleicht etwas über den Trank steht. Sie wissen ja sicherlich, dass jeder Gegenstand anders gehandhabt werden muss und man es nicht einfach mit einem Aufrufezauber herbeischaffen sollte. Das könnte böse enden.“
„Ich habe mich sehr wenig mit den Dunklen Künsten befasst, es ist ja verboten“, erklärte sie, doch er wurde die Vermutung nicht los, dass sie dann und wann mal eines gelesen haben könnte.
„Ich gebe Ihnen auf jeden Fall Bescheid, wenn wir etwas in unserer Asservatenkammer finden sollten – die hat sich während und nach dem Krieg sehr gefüllt“, erklärte Kingsley mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen, denn er selbst hatte viele Gegenstände aus den Häusern von Voldemorts Gefolgsleuten sicherstellen können.

Nachdem Marie gegangen war, stattete Kingsley einem ihm nicht sehr sympathischen Kollegen einen Besuch ab: Lionel Abrahams, neuer Leiter der Abteilung für Magische Unfälle und Katastrophen.

„Mr. Shacklebolt“, grüßte Abrahams mit schmierig überheblichem Singsang in der Stimme. „Treten Sie doch ein. Was kann ich für Sie tun?“
Abrahams hatte ihm nicht einmal einen Platz angeboten, doch Kingsley wollte in diesem Büro sowieso nicht länger bleiben als notwendig, so dass er gleich zur Sache kam. „Wegen Geoffreys…“
Der dünne Mann stoppte ihn mit hochgehaltener Hand und gestattete sich ein halbseitiges Lächeln, bevor er arrogant klingend versicherte: „Er und die anderen Muggel wissen nur noch von einem Auftrag, der mit Granaten zu tun hatte. Alle glauben, sie hätten durch einen Unfall und anschließender Ohnmacht ihre Erinnerung verloren.“
„Alle auf einmal? Ist das nicht ein wenig auffällig?“, provozierte ihn Kingsley.
„Keineswegs! Da jeder an den gleichen Symptomen leidet, ist es äußerst glaubwürdig. Das war ein kleiner Geniestreich von mir“, lobte sich Abrahams selbst, während er auf den eineinhalb Köpfe größeren Kingsley herantrat. „Es tut mir außerordentlich Leid, dass Ihr kleines Treffen mit Geoffreys nie stattfinden wird.“ Es war dem Mann anzuhören, dass es ihm nicht Leid tat. „Wie wäre es, wenn wir stattdessen mal etwas Trinken gehen und ein wenig miteinander reden, um die Zusammenarbeit zu verbessern?“

Er würde lieber Glasscherben essen, als sich mit diesem Mann im Pub bei einem Drink zu unterhalten, dachte Kingsley.

„Ich muss ablehnen, ich habe viel zu tun. Es gibt da eine Sache, weswegen ich gekommen bin.“ Abrahams brachte seine Aufmerksamkeit sehr übertrieben zum Ausdruck, indem er Kingsley direkt in die Augen blickte, seinen Kopf etwas schräg legte und die Augenbrauen ein wenig anhob. „Ich muss wissen“, begann Kingsley, „ob die Männer von Geoffreys noch etwas in der Höhle gefunden haben.“
„Ich verstehe nicht“, erwiderte Abrahams mit in Falten gelegter Stirn.
„Es waren Männer mit Hunden in der Höhle. Diese Tiere sind waren besonders trainiert und ich muss wissen, ob die was gefunden haben.“
„Ich, ähm…“ Es war Kingsley eine Genugtuung, Abrahams verlegen erleben zu dürfen.
„Sagen Sie nicht, Sie hätten zumindest Geoffreys nicht noch einmal befragt, bevor Sie ihm und den anderen das Gedächtnis ’optimiert’ haben?“ Kingsley genoss es ein wenig zu sticheln. „Sie wissen sicherlich, dass man von den Muggeln erst erfahren muss, WAS sie genau gesehen haben oder haben Sie etwa blindlings einfach den Obliviate angewandt?“
„Ich habe es nicht für notwendig erachtet“, verteidigte sich Abrahams.
Erbost wiederholte Kingsley: „Nicht für notwendig? Haben Sie die heutige Ausgabe des Tagespropheten gelesen? Die scheren die Muggel bereits über einen Kamm! Wir wollen doch nicht, dass die Situation eskaliert, nur weil noch unentdeckter Sprengstoff in einer Höhle lagert und ein paar unberechenbare Muggel die Zaubererwelt in Atem halten wollen. Wir werden abermals Hilfe vom anderen Minister anfordern müssen, um diese Sache geklärt zu wissen.“ Sichtlich genoss Kingsley den mundtot gemachten Abrahams. „Durch Ihre schlampige Arbeit, Abrahams, ist Hogsmeade noch immer nicht außer Gefahr und Hogwarts genauso wenig. Ich habe mir erklären lassen, was diese Muggelwaffen anrichten können und Sie? Wissen Sie um die Sprengkraft einer einzigen Granate und den verheerenden Folgen?“ Abrahams schüttelte zaghaft den Kopf.

Einen Moment lang herrschte Stille, die Kingsley damit verbrachte, Abrahams Sprachlosigkeit zu genießen, bevor er in gefühlskaltem Tonfall zu dem verhassten Kollegen sagte: „Ich werde mit dem Minister darüber reden müssen.“
„Aber…“, sagte Abrahams, um Kingsley vom Gehen abzuhalten. „Ich habe nur meinen Job gemacht!“
„Sie, Abrahams, sollten sich schon mal auf eine Umschulung vorbereiten, denn ich werde alles in meiner Macht stehende tun, damit Sie diesen Job verlieren!“

Kingsley ging auf den Flur hinaus und schloss die Tür leise hinter sich. Auf einer Seite war er froh, Abrahams das Wort zum Tage gegeben zu haben, doch auf der anderen Seite wusste er, dass Geoffreys sich trotzdem nicht mehr an ihn erinnern würde, selbst wenn sie sich ein zweites Mal gegenüberstehen würden.

Im Büro des Ministers war gleich nach Kingsleys Erscheinen eine hitzige Diskussion entfacht.

„Warum Abrahams? Warum ist gerade der zum Leiter der Abteilung für Magische Unfälle und Katastrophen gemacht worden? Was ist aus dem jungen Mann geworden, der nach der Vertuschungs-Aktion von Mrs. Barmy-Bedlam als Leiter eingesprungen ist?“, fragte Kingsley, während er im Büro nervös auf und ab ging.
„Er war zu jung, Kingsley. Abrahams hingegen hat bereits mehrere Jahre Erfahrung als Vergissmich. Er…“
Kingsley unterbrach Arthur: „Er ist jemand, der Muggel als minderwertig betrachtet, Arthur! Ich glaube nicht, dass das in deinem Sinne ist.“
„Hat er in dieser Richtung etwas verlauten lassen?“, wollte Arthur wissen.
Kingsley schüttelte seinen Kopf. „Nein, aber seine ganze Art und wie er über seine ’Arbeit’ spricht. Das ist einfach kein Beruf, das ist…“ Ihm fehlten die Worte.

Kingsley war so erbost über Abrahams und dessen arrogantes Gehabe, dass er selbst am liebsten seinen Job an den Nagel hängen würde.

„Wir haben die Aufträge für die Vergissmich stark eingeschränkt, nachdem das mit Miss Adair, ähm, Mrs. Black geschehen ist, Kingsley“, versicherte Arthur seinem langjährigen Freund.
Der sonst so besonnene Auror erhob seine Stimme ein wenig. „Warum hast du so einen von sich selbst überzeugten Kerl zum Leiter gemacht? Der klopft sich selbst für jeden Muggel, dem er die Erinnerung nimmt, auf die Schulter!“
„Und was soll ich tun?“ Vorschläge jeder Art nahm Arthur von seinen Freunden immer gern entgegen.

Eine ganze Weile schien Kingsley zu überlegen und in dieser Zeit beruhigte er sich auch wieder. Nachdem er einmal tief Luft geholt hatte, erklärte er etwas distanzierter: „Um die Zusammenarbeit mit der Muggelwelt zu festigen wäre es notwendig, dass gewisse Beauftragte vom anderen Minister uneingeschränkt von uns und unserer Welt Kenntnis haben. Es würde künftige Zusammenarbeiten wesentlich erleichtern; man hätte zudem feste Ansprechpartner.“
„Ja“, stimmte Arthur mit warmer Stimme zu, „das klingt einleuchtend. Ich werde sehen, was ich machen kann. Solche Entscheidungen kann ich nicht allein treffen.“

Kingsley nickte verständnisvoll, denn das Abkommen zum Schutz der Zaubererwelt durfte nicht eigenhändig vom Minister umgangen werden.

„Wir brauchen Geoffreys nochmal“, sagte Kingsley leise. Erstaunt blickte Arthur auf und er wollte schon eine Frage formulieren, da erklärte der Auror: „Es ist möglich, dass in der Höhle noch immer gefährliche Gegenstände lagern. Abrahams war ein wenig voreilig gewesen. Bevor man mich darüber unterrichten konnte, hatte er die Männer schon mitgenommen.“
Zuletzt geändert von Muggelchen am 02.02.2011 10:11, insgesamt 1-mal geändert.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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Sentara/Slytherin
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Beitrag von Sentara/Slytherin »

Hallo Muggelchen,
ich bin immer wieder von deinem Schreibstil beeindruckt. Die Geschichte ist richtig gut. Ich habe sie schon auf einer anderen Seite, wo sie veröffentlicht ist gelesen. Du gibst dir immer so viel Mühe und deshalb wollte ich hier auch mal ein großes Lob an dich weitergeben.
LG Sentara
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LunaL
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Beitrag von LunaL »


Die Geschichte ist echt cool :lol:
LunaL

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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

Hallo Sentara,

vielen Dank für die netten Worten. So so, du liest eigentlich woanders ... Macht ja nichts. Es freut mich, dass der Schreibstil dir so gut gefällt. Ich gebe mir auch redlich Mühe, dass alles passt.

Hallo Luna,

huch, die Rückmeldung war aber kurz :wink: Was gefällt dir denn besonders? Die Handlung oder wie sich bestimmte Charaktere entwickelt haben?

LG, Muggelchen




143 Phantasma




In der großen Vorhalle schauten sich Harry und Draco zusammen mit Wobbel den schwarzen Marmor mit der dunkelroten Musterung an, dem sie einen viel helleren Farbton geben wollten, damit die Gäste nicht gleich nach dem Betreten das Hauses das bedrückende Gefühl bekommen würden, sie würden auf glühenden Kohlen laufen.

„Und die Sprüche für den Marmor hast du aus einem Buch?“, fragte Harry interessiert.
„Ja, aus ’Magisch Wohnen’. Ich hab ihn noch nie angewandt und hoffe, dass es beim ersten Mal so funktioniert, wie ich es mir vorstelle“, antwortete Draco. „Wir dürfen nicht auf dem Marmor stehen, wenn wir ihn verändern. Ich frage mich auch, von welcher Stelle aus wir den Spruch am besten sagen sollten.“

Das war ein Problem, dass sie zu lösen versuchten. Die Treppe selbst war auch aus Marmor, weswegen sie nicht auf den Stufen stehen durften.

Mit einem Male hatte Harry eine Idee. „Wir können uns doch auf das Treppengeländer setzen und dann den Zauberspruch sagen. Da haben wir doch den besten Blick auf den Boden und die Stufen.“
„Gar keine so dumme Idee“, murmelte Draco. „Dann mal los!“
Bevor er Draco folgte, sagte er zu Wobbel: „Achte doch bitte darauf, dass niemand den Fußboden betritt; auch nicht den Boden, der nicht aus Marmor ist. Wer weiß, wie sehr sich der Spruch ausweitet.“

Folgsam kam Wobbel der Bitte nach und machte sich auf den Weg zu den anderen, die sich im grünen Salon noch um den letzten Schliff kümmerten. Er bat die anderen vier, alles stehen und liegen zu lassen, um auf den Sitzmöglichkeiten Platz zu nehmen und die Füße vom Boden zu nehmen.

Severus war so dreist, sich ans Ende einer Couch zu setzen und die Füße locker auf den Tisch zu legen, was Narzissa mit zusammengepressten Lippen zur Kenntnis nahm, sich jedoch nicht zu diesem Benehmen äußerte. Remus und Hermine hingegen zogen sich die Schuhe aus, die sie in den Händen hielten, bevor sie sich im Schneidersitz neben Severus niederließen, während Narzissa das Gleiche tat, sich jedoch in einen großen Ohrensessel setzte.

Als Wobbel zufrieden nickte, ging er zurück zu Draco und Harry, die bereits auf das breite Geländer geklettert waren und dort nun saßen, als würden sie vorwärts hinunterrutschen wollen. Für den besseren Halt hatten sie ihre Füße in den Pfosten verkeilt.

„Auf drei, Harry, dann sagst du den Spruch für die Musterung und ich den für die Farbe“, erläuterte Draco nochmals.
„Ich hab schon beim ersten Mal verstanden, was du von mir willst, Draco.“

Draco blickte hinter sich und sah Harry freundlich lächeln, den Zauberstab schon bereit in der Hand haltend. Wie abgemacht sagten beide gleichzeitig ihren Zauberspruch und sahen dabei zu, wie der schwarze Marmor mit den roten Farbtupfen gleich darauf zu wabern begann.

„Das sieht aus wie ein Meer“, staunte Harry, der eine magische Veränderung dieses Ausmaßes noch nie gesehen hatte.

Während zuerst die roten Flecken in den schwarzen Wogen immer heller wurden, bis sie am Ende gelblich waren, materialisierte sich Wobbel auf dem Treppengeländer und sagte etwas beleidigt klingend: „Ich hätte das auch leicht erledigen können, Mr. Potter.“
„Ja, aber bei dir hätte ich das dort“, er deutete auf die sich bewegenden Wellen am Boden, „nicht sehen können. Du hättest nur einmal geschnippt und alles wäre erledigt gewesen. Ein bisschen wollen wir auch alleine schaffen, aber du kannst uns sicher hier und da noch helfen.“
Draco stimmte zu: „Zum Beispiel in der Küche. Die würde ich gern vergrößern. Den riesigen Vorratsraum, der von der Küche abgeht, haben wir selten benutzt, da könnten wir die Wand abreißen.“
„Das würde ich gern erledigen, Mr. Potter“, sagte Wobbel bittend und natürlich konnte er ihm nichts abschlagen.

Nachdem der nun weiße Marmor mit der gelblichen Farbgebung sich wieder gehärtet hatte und Draco bereits hinuntergestiegen war und nun auf der Treppe stand, da nutzte Harry die Gelegenheit sich umzudrehen, um kindisch giggelnd – an Draco vorbei – das Treppengeländer hinunterzurutschen.

„Was hast du nur für ein ausfallendes Benehmen?“, fragte Draco gespielt erbost, während er das Kinn erhob. „Würde mein Vater dich dabei erwischen, wäre eine Tracht Prügel angesagt.“

Das fröhliche Lächeln auf Harrys Gesicht verblasste langsam, als die Worte für ihn einen tieferen Sinn ergaben. Als er unten angekommen war, stieg er vom Geländer und fragte ernst und ein wenig unsicher: „Bist du mal runtergerutscht? Ich meine, als du klein warst.“

Von einer Sekunde zur anderen erstarrte Dracos Miene; sie wirkte wie eingefroren, was dessen hellgraue Augenfarbe, die an einen mit einer Eisschicht bedeckten See erinnerte, sehr wirkungsvoll untermalte. Selbst das kleine Dreieck aus Falten direkt über seiner Nasenwurzel wollte nicht verschwinden, während er Harry starr in die Augen blickte. Einen Moment später war er wieder aufgetaut, doch anstatt zu antworten nickte er Harry nur einmal kurz zu, bevor er die Treppe hinunterging, um den grünen Salon zu betreten und er spürte, obwohl er es nicht sehen konnte, dass Harry ihm einen Moment lang mitleidig hinterher blickte.

Bis zum späten Nachmittag planten, dekorierten und veränderten die sieben gemeinsam das Erdgeschoss von Malfoy Manor und es war Wobbel gewesen, der das Meiste erledigt hatte. Die Küche hatte er nach Dracos Wünschen nicht nur vergrößert, sondern auch mit Fenstern an der neuen Wand versehen. Der riesige grüne Salon samt Wintergarten war komplett für die Hochzeitsfeier hergerichtet, denn Tische und Stühle waren bereits angeordnet. Wobbel hatte sich bereit erklärt, am Tag vor der Hochzeit die Dekoration zu übernehmen, was Draco sichtlich erleichtert hatte, denn er war froh, dass ihm diese Arbeit abgenommen worden war.

„Wenn ihr 250 Personen erwartet“, begann Harry, „dann solltest du vielleicht auch das Spielzimmer nebenan für die Gäste herrichten, damit sich nicht alle so drängen müssen.“
Zustimmend nickte Draco, bevor er noch aufzählte: „Ich hatte vor, das gesamte Erdgeschoss präsentabel zu gestalten; auch den Rauchsalon und das Jagdzimmer hier unten.“ Weil Harry ihn mit großen Augen anblickte, erklärte Draco: „Du hast bisher die Halle, den grünen Salon, die Küche und den Wintergarten gesehen – nicht einmal die Hälfte vom Erdgeschoss.“ Harry blinzelte erstaunt, hörte jedoch aufmerksam zu, als Draco anfügte: „Die Bibliothek im ersten Stock ist ebenfalls sehr beeindruckend. Ich würde sie gern den Gästen zugänglich machen.“
„Was gibt’s noch im ersten Stock?“, wollte Harry neugierig wissen, weil allein die Eingangshalle schon größer war als das gesamte Haus der Dursleys und er sich nicht einmal vorstellen konnte, was man außer Küche, Bad, Wohn-, Schlaf- und Esszimmer sowie einer Abstellkammer unter der Treppe noch benötigen könnte.
„Den Rittersaal gibt es oben. Der hat einen sehr großen Erker, wo man vielleicht einen kleinen Tisch und ein paar Stühle…“
Draco hielt inne, weil er erkennen konnte, dass Harry etwas fragen wollte, doch der wiederholte nur ungläubig: „Rittersaal?“
Amüsiert musste Draco auflachen. „Es ist kein echter Rittersaal; die gibt es in Schlössern. Einer unserer Vorfahren wollte einen solchen Raum gestalten und er hat es trotz mangelnder Kenntnisse im Bereich der Innenarchitektur bestens bewerkstelligt. Willst du ihn sehen?“

Harry nickte so heftig wie ein aufgeregtes Kind, das man gefragt hat, ob es in den Zoo gehen möchte.

Der junge Hausherr führte seine Gäste nach oben, denn besonders Hermine und Remus wollten den genannten Raum ebenfalls bestaunen. Narzissa und Severus folgten, während sie darüber sprachen, wie man so viele Hochzeitsgäste zufrieden stellen könnte.

Im ersten Stock fiel auf, dass der Treppenabsatz und der Flur sehr eng waren und Draco erklärte, ohne dass jemand fragen musste: „Wozu benötigt man einen großen Flur, den man nur benutzt, um zu den Räumen zu gelangen? Mein Großvater hatte die Räume damals vergrößert, den Flur damit etwas schmaler gestaltet.“
An der ersten Tür mit ihrem geschwungenen Rahmen hielt Harry inne und fragte neugierig: „Wo geht es hier rein?“
Auf seinem Weg zum Rittersaal blieb Draco stehen und erklärte: „Das Kaminzimmer. Von mir aus können die Gäste auch den gesamten ersten Stock nutzen; bis auf die persönlichen Gemächer, versteht sich.“ Er kam auf Harry zu und öffnete die Doppeltür, um in das dahinter liegende Zimmer führen zu können.

Mit sichtbarem Respekt betrat Harry den hohen Raum, dessen Boden aus Kies zu bestehen schien, jedoch glatt und glänzend war und deshalb sofort ins Auge fiel. Die Wände waren ebenfalls mit Stein verkleidet, hatten jedoch eine helle, leicht rötliche Färbung mit willkürlichem Muster. Blickfang in diesem Zimmer war der überdimensionale Kamin aus weißem Sandstein, vor welchem eine gemütlich wirkende Sitzgruppe angeordnet war. Die Dekoration in diesem Raum schien bis ins Detail geplant; jeder Beistelltisch, jede Vase und jedes Gemälde war perfekt positioniert, so dass es nicht nur dem Raum einen atmosphärischen Gesamteindruck verlieh, sondern auch gut sich selbst präsentieren konnte.

„Das ist umwerfend“, flüsterte Harry, dem es fast die Sprache verschlagen hatte. „Was tut man so in einem Kaminzimmer?“, wollte er gleich im Anschluss wissen.
Eine Augenbraue hebend belehrte ihn Draco amüsiert: „Vor dem Kamin sitzen?“ Er führte wieder aus dem Zimmer hinaus und auf dem Weg zum Rittersaal sagte er leise: „Es ist angenehm im Kaminzimmer, wenn man sich etwas näher mit einer Dame bekannt machen möchte.“ Harry bemerkte, dass Draco ihn kurz aus den Augenwinkeln beäugte, bevor er noch viel leiser hinzufügte: „Nicht dass ich jemals dazu gekommen wäre.“

Man konnte ahnen, dass Draco für die Beschäftigungsmöglichkeiten im Kaminzimmer lediglich die erklärenden Worte seines Vaters wiedergegeben haben musste.

An der nächsten großen Flügeltür wurde Harrys Schritt herausfordernd langsamer, so dass Draco ebenfalls sein Tempo drosselte, bevor er ganz stehen blieb und – um Harry die nicht gestellte Frage zu beantworten – lächelnd präsentierte: „Das Musikzimmer! Wenn wir schon daran vorbeigehen, können wir auch einen Blick hineinwerfen, nicht wahr?“

Diesmal war Hermine die Erste, die das Zimmer begeistert betrat. Die Holzvertäfelung und den angenehmen Duft, den sie verströmte, konnte sie einordnen, aber trotzdem fragte sie: „Arvenholz?“
„Ja“, erwiderte Draco. „Mein Urgroßvater hatte das Holz nach der Erneuerung mit einem Zauber versehen, so dass es noch länger als sonst seinen beruhigenden Duft von sich gibt.“

Ihr geschulter Blick erkannte viele der hier präsentabel zur Schau gestellten Instrumente, bevor sie sich einem hellen Klavier näherte. Die Maserung war unverkennbar.
„Vogelaugenahorn!“, erkannte Hermine ganz hingerissen.
„Hermine, unsere Holzexpertin“, scherzte Harry.
Sie warf ihm einen strengen Blick zu und verteidigte sich: „Natürlich kenne ich mich mit Holz aus! Das Holz einiger Bäume wird in Zaubertränken benutzt. In Japan habe ich viel über einen Baum erfahren, dessen Rinde für die Herstellung des…“
„Das war doch nur Spaß, Mine“, unterbrach Harry mit beschwichtigender Geste.
Von der kleinen Unruhe ablenkend sagte Remus: „Die Zimmer sind allesamt ein Traum. Schon allein deswegen werden die Gäste sich am Tag der Hochzeit hier wohl fühlen.“
„Ich möchte ungern das Musikzimmer für die Gäste zugänglich machen. Ich möchte nicht, dass die an den Instrumenten herumspielen“, sagte Draco besorgt klingend.
„Das wird bestimmt niemand tun“, begann Severus, „wenn du die Instrumente mit einem Zauber vor neugierigen Fingern schützt.“

Mit Wobbels Hilfe war das Problem im Nu gelöst. Man konnte sich den Instrumenten nicht mehr nähern, sie nur noch betrachten. Während Remus und Severus die Gaslichter in den Fluren verdoppelten und geschickter anbrachten, so dass alles gründlich erhellt werden würde, kümmerten Hermine und Narzissa sich im verschneiten Garten um die Erdlöcher, die ähnlich unschön wie überdimensional große Maulwurfshügel anzusehen waren, jedoch von Gnomen stammten, die leider keinen Winterschlaf hielten.

Draco, Harry und Wobbel nahmen sich gemeinsam jedes Zimmer im ersten Stock vor. War die Farbe einer Tapete oder Wandtäfelung zu dunkel, dann machte Wobbel sie mit einem Fingerschnippen auf der Stelle heller. Düster wirkende Dekorationsstücke wurden durch welche ersetzt, die Lebendigkeit ausstrahlten und gegen 18 Uhr war Draco vollends zufrieden.

Es war nicht nur dank Wobbel und der anderen Helfer das Erdgeschoss und der erste Stock so hergerichtet worden, als wäre das Haus nie verlassen gewesen; auch den zweiten Stock, in welchem sich die unverhofften Untermieter aufgehalten hatten, hatte Wobbel in Schwindel erregendem Tempo säubern und verschönern können.

„Ich bin beeindruckt“, sagte Draco Respekt zollend, als er auf dem Rückweg zum grünen Salon die ganzen Veränderungen bestaunte. „Dass Elfen so gut und schnell zaubern können hätte ich nie gedacht.“ Seine Familie hatte Dobby damals offensichtlich so sehr unterdrückt, so dass der nur die Aufgaben erledigt hatte, die man ihm auferlegte. „Für Morgen werde ich Susan und ihre Eltern einladen, damit Mr. Bones sich einen Überblick verschaffen kann.“ Harry hörte aufmerksam zu, als Draco frei von der Leber weg erzählte: „Beim Ministerium ist für die Hochzeit schon alles geregelt. Ein Außendienstmitarbeiter wird die Trauung in unserem Haus durchführen.“
„Heiratet ihr gar nicht kirchlich?“, wollte Harry wissen.
Den Kopf schüttelnd erwiderte der Blonde: „Wozu? Weder für Susan noch für mich war das je ein Thema gewesen. Ich glaube, das ist eher etwas für Muggelgeborene, die nicht in unserer Welt aufgewachsen sind, aber auch nicht für alle.“

Ob Hermine, Ron oder er selbst jemals kirchlich heiraten würde, konnte Harry nur für sich und Ginny verneinen. Die Dursleys hatten ihn früher nie mit zur Kirche genommen; er wusste nicht einmal, ob er getauft worden war, doch wenn er einen Patenonkel hatte, musste das wohl geschehen sein. Die Erinnerung an die Hochzeit von Sirius und Anne hielt ihm vor Augen, dass diese Feierlichkeit zwar sehr edel gewirkt hatte, aber die Ehe ebenfalls nur beim Ministerium besiegelt worden war.

Harry stutzte und blieb stehen. „Sag mal, wie soll ich der Pate von eurem Kind werden, wenn ihr nicht einmal kirchlich heiratet?“
„Verwechsle das Patenamt in der Muggelwelt nicht mit dem unseren.“

Momentan ließ Harry das Thema auf sich beruhen, aber er nahm sich fest vor, Hermine beizeiten mit ein paar Fragen zu löchern.

Etliche Kilometer von Malfoy Manor entfernt braute sich ein Schneesturm zusammen, der sich mit lautem Grollen Gehör verschaffen wollte. Der bitterkalte Wind pfiff bereits durch alle Ritzen der steinernen Behausung. An dem kleinen Fenster in seinem mollig warmen Zimmer betrachtete Pablo die unheilvollen Wolken, aus denen es bald Eis, Hagel und Schnee regnen würde. Ein stummes Wetterleuchten begleitete das aufgeplusterte Gewölk.

Seufzend nahm er auf seinem Bett Platz und griff zum Tagespropheten, dessen aktuelle Schlagzeile am heutigen Tag für viel Wirbel unter Hopkins und dessen Anhängern gesorgt hatte. Sich die Zeitung vor Augen haltend las er in Gedanken die Worte: ’Muggel gegen Zauberer.’ Die Schlagzeile verschwamm, bevor sich eine neue auf dem weißen Hintergrund abzeichnete: ’Ein neuer Krieg?’

Vorhin hatte Pablo die Aufregung der anderen nicht verstehen können, bis Eleanor, die Älteste von allen, ihm den abgegriffenen Tagespropheten gereicht hatte, der ganz offensichtlich der Auslöser für die angespannte Stimmung in der Festung war. Kaum hatte er die Schlagzeile gelesen, war ihm ein kalter Schauer über den Rücken gelaufen. Sofort hatte er, während die anderen – allen voran Tyler – in größte Aufregung versetzt hin und her gelaufen waren und bereits Pläne zur Verteidigung der Festung schmiedeten, sich an den Tisch in der rustikalen Küche gesetzt, um den ganzen Artikel zu lesen.

Zwei Dinge waren ihm aufgefallen, nämlich dass die Zaubererwelt – zumindest deren Presse – gar nichts von Hopkins zu wissen schien und zum anderen, dass man von dem Versteck in der Höhle, in der Tyler, sein Vater sowie Alex und Arnold die Kisten verstaut hatten, möglicherweise Kenntnis hatte. Ein anderer Grund, warum das in der Nähe befindliche Dorf hätte evakuiert werden müssen, wollte Pablo nicht einfallen.

Die Zeitung warf er in die Nähe seines Ofens, um sie später als Zündmaterial zu verwenden, bevor er sich rücklings aufs Bett fallen ließ. Pablo war unzufrieden. Seit mehreren Wochen musste er tagein, tagaus mit einigen anderen unter Tylers Kommando an Schussübungen teilnehmen. Er war ein guter Schütze geworden, ein Naturtalent, wie sein Vater ihn stolz betitelt hatte, doch niemandem hatte er anvertraut, dass er zu zittern begann, wenn er sich anstelle des gemalten Zieles einen Menschen vorstellte. Er würde für seinen Vater eine herbe Enttäuschung darstellen, wenn er im Ernstfall nicht abdrücken könnte.

An seiner Tür klopfte es zaghaft und Eleanor trat ein, nachdem Pablo „Herein!“ gerufen hatte.

„Wir wollen ins nächste Dorf fahren“, begann die betagte Dame, „und ich wollte fragen, ob du etwas benötigst?“
„Kann ich nicht mitkommen?“, sagte Pablo flehend. „Ich muss mal raus hier!“
„Von mir aus schon, aber da fragst du besser deinen Vater, mein Junge.“

Beschwingt zog sich Pablo seine Stiefel über und griff nach der dicken Winterjacke, bevor er Eleanor folgte. Man konnte schon von weitem Hopkins’ Stimme vernehmen, denn er schrie aus voller Lunge, weswegen Pablo auf der Hut war. Schon einmal hatte er den Zorn des Rothaarigen über sich ergehen lassen müssen.

An einer Treppe angelangt stellten sich Eleanor und Pablo neben einen Mann und dessen Frau, die über das Geländer nach unten schauten, um die Auseinandersetzung aufmerksam zu verfolgen. Unten konnten man ebenfalls einige der hier lebenden Männer und Frauen bemerken, die durch das Geschrei neugierig geworden waren. Pablo bemerkte, dass Hopkins’ untere Gesichtshälfte voller Blut war.

„Nichts“, schrie der Rothaarige, „wird dagegen helfen, Alejandro, nichts! Und weißt du auch, warum? Weil ’die’ das machen! Wie soll ein Aspirin gegen einen Schadenszauber helfen, frage ich dich?“
„Dann lass uns dich zum Arzt bringen, damit der…“
„Das kommt doch aufs Gleiche hinaus, der wird nichts finden! Verstehst du das denn nicht?“ Hopkins ging aufgeregt in der tristen Eingangshalle auf und ab, während er weiter zeterte: „Ich werde nicht ruhen, bis ich denjenigen erledigt habe, der mir das antut!“
„Und wer glaubst du kann das sein?“, wollte Pablos Vater wissen.

Noch mehr Schaulustige hatten sich in der Halle eingefunden, auch beiden Squibs und alle lauschten mal ehrfürchtig, mal skeptisch den Worten von Hopkins, dessen Nase nicht aufhören wollte zu bluten.

Hopkins hatte keine Antwort auf die Frage parat und murmelte stattdessen unaufhörlich, es könnte nur einen von „denen“ sein. Niemand sonst, nicht einmal Tyler, traute sich, mit Hopkins zu sprechen, wenn er dieser Raserei verfallen war, nur Alejandro bewahrte die Ruhe.

„Vielleicht kann ein Arzt dir zumindest Linderung verschaffen“, sagte Alejandro ruhig.
Aufgebracht und wild schnaufend, so dass er beim Sprechen Blut spuckte, schrie Hopkins: „Dann bring mir verdammt noch mal deine verfluchten Aspirin mit, wenn du denkst, dass sie mir helfen.“

Sein Blick fiel auf die Brüder, so dass er vom Thema abkam und den Vorfall in Hogsmeade ansprach: „Ihr zwei!“ Er deutete mit einem ausgestreckten Finger drohend auf die beiden. „Geht mir aus den Augen! Vermasselt habt ihr’s, ihr Versager. Soll ich euch mal was sagen?“ Ein Gemisch aus Blut und Speichel hing Hopkins vom Kinn, als er wieder und wieder mit seinem Finger auf Alex und Arnold zeigte, als würde er mit einem Bajonett auf sie einstechen. Mit zu einer Fratze verzerrtem Gesicht tobte Hopkins: „Es ist verständlich, dass man euch verstoßen hat, so töricht wie ihr euch verhalten habt, ihr verkrachten Existenzen!“

Arnold ging bereits mit zitternden Lippen einen Schritt auf Hopkins zu, doch Alex hielt ihn am Arm zurück. „Er ist es nicht wert“, flüsterte er seinem Bruder zu.

Als Hopkins bemerkte, dass fast jeder, den er in seiner Festung aufgenommen hatte, ihn wie ein schaulustiges Publikum begaffte, da ging er reihum und deutete nach oben an die Treppe direkt auf Eleanor. „Du bist nicht besser als die beiden! Mit einem von ’denen’ hast du dich eingelassen und beklagst noch immer, dass dein Romeo dir vor vierzig Jahren das Kind entrissen hat. Warum schreibst du nicht einen Bittbrief an unseren lieben Premierminister? Wir wissen ja mittlerweile, dass der mit den Hexen mauschelt!“

Man konnte Eleanor ansehen, dass sie von den Worten und vor allem wegen der Erinnerungen, die sie in ihr weckten, tief getroffen war, doch sie antwortete nicht, sondern verließ die Treppe und das Szenario, so dass Hopkins’ Blick unverhofft auf Pablo landete.

Mit gebleckten Zähnen warf Hopkins dem jungen Mann vor: „Pablo, du bist genau vom gleichen Schlag…“ Er hielt inne, als er eine Hand an seinem Arm spürte, den Alejandro in beruhigender Absicht dort niedergelegt hatte. Erbost riss sich Hopkins los und richtete das Wort direkt an den Vater. „Dein Sohn hat sich mit einer Hexe eingelassen. Langsam glaube ich, dass ich von Verrätern umgeben bin.“
„Du solltest dich hinlegen“, riet Alejandro mit besonnener Stimme, während er das nicht nur vom Blut hochrote Gesicht seines Gegenübers betrachtete. „Ruh dich aus und erhol dich ein wenig.“

Nur widerstrebend ließ sich Hopkins die Treppe hinaufführen. In seinem Zimmer angelangt führte Alejandro ihn in den Waschraum, in welchem er ein wenig kaltes Wasser in eine Schüssel gab. Ohne Aufforderung wusch sich Hopkins mit zittrigen Händen das Blut aus dem Gesicht. Das Handtuch, das sein Freund ihm entgegenhielt, nahm er wortlos entgegen. Hopkins sagte auch nichts, als Alejandro ihn ins Schlafzimmer führte und aufs Bett setzte, bevor er sich selbst einen Stuhl heranzog, darauf Platz nahm und ihn anblickte.

Noch immer sehr aufgewühlt, aber auch etwas verunsichert wirkend fragte Hopkins: „Sie halten mich für verrückt oder?“
Alejandro schüttelte den Kopf und entgegnete: „Nur für zornig, würde ich sagen.“
Mit einer Hand fuhr sich Hopkins vorsichtig über das Gesicht, bevor er im Vergleich zu seinem vorigen Wutausbruch mit sehr zerbrechlicher Stimme feststellte: „Es hat aufgehört zu bluten.“
Nickend bestätigte Alejandro die Bemerkung, bevor er sagte: „Was, wenn es kein Zauber ist?“
Erbost, weil er glaubte, eine Unterstellung herausgehört zu haben, fragte Hopkins zurück: „Glaubst du, ich inszeniere das?“ Wie von der Tarantel gestochen sprang Hopkins vom Bett auf und lief wie zuvor aufgeregt hin und her. Seine Stimme hatte wieder an Kraft gewonnen. „Immer öfter wache ich morgens auf und mein Kopfkissen ist voller Blut!“ Er ging einmal um das Bett herum und fuhr sich durch die Haare. „Einer von denen muss wissen, wer ich bin und deswegen machen sie mir das Leben schwer.“
„Aber wer?“, fragte Alejandro interessiert, obwohl er ahnte, dass Hopkins sich das nur einbilden würde.
„Es muss der sein, der überlebt hat, Alejandro. Der, den du im Krankenhaus nicht aus dem Weg geräumt hast, weil dir dieser andere Patient in die Quere gekommen ist.“

Alejandro erinnerte sich noch gut an die Nacht, in welcher er den jungen Mann mit einem Kissen ersticken wollte, weil er nicht den Mumm gehabt hatte, ihn mit dem Messer anzugreifen. Ebenfalls konnte er sich auch noch sehr gut an den Tritt in den Schritt erinnern, den er von dessen Mitpatienten erhalten hatte.

„Du hattest gesagt“, begann Alejandro, „dass der nicht mehr aufwachen wird.“
„Ich kann mich geirrt haben. Ich hätte nicht einmal gedacht, dass er überleben könnte“, sagte Hopkins mit leiser Stimme.
„Er war nicht ansprechbar, aber er hat abwehrend reagiert, als ich ihm das Kissen aufs Gesicht gedrückt habe“, erklärte Alejandro.

Vor Furcht riss Hopkins seine Augen ganz weit auf. „Wenn er aufgewacht ist?“ Er wurde von einem unkontrollierbaren Zittern gepackt. „Dann wissen die von mir; die im Krankenhaus.“ Eine bebende Hand fand den Weg zu seinem Mund, bevor er durch die leicht geöffneten Finger hindurchflüsterte: „Oder sogar das Ministerium?“
„Und wenn er nicht aufgewacht ist? Soll etwa nochmal einer von uns dort hingehen, um die Sache zu erledigen?“
Den Kopf schüttelnd sagte Hopkins: „Dafür ist es längst zu spät. Es ist längst zu spät.“

Konfus wirkend wandte er sich von Alejandro ab und blickte auf das einzige Gemälde, welches in seinem Zimmer hing. Es zeigte einen Mann mit kniehohen Stiefeln, die so umgeschlagen waren, dass man die bis kurz unters Knie reichenden Hosen sehen konnte. Am Hacken waren Sporen zu erkennen. Auffällig waren der dunkle Filzhut mit seiner breiten, an den Seiten aufgeschlagenen Krempe und der weiße Spitzenkragen, der die Schultern bedeckte. Der Mann hatte lockiges, bis zu den Schultern reichendes Haar und einen gepflegt aussehenden Vollbart. Die eingenommene Pose machte deutlich, dass der Mann zu der Zeit, in welcher das Bild gemalt worden war, zumindest von sich selbst viel gehalten haben musste.

Als Alejandro den Mann auf dem Gemälde mit Hopkins verglich, ahnte er, wen das Portrait darstellen sollte. Seltsam war, dass Hopkins dem gemalten Mann sanft zuzunicken schien.

„Eleanor…“ Alejandro stockte, weil Hopkins sich erschreckt haben musste, denn der hatte sich mit einem Male zu ihm umgedrehte und schaute ihn jetzt verdutzt an, fast so, als hätte er dessen Anwesenheit vergessen. Alejandro begann von vorn: „Eleanor und ein paar andere fahren gleich ins nächste Dorf und besorgen ein paar Dinge. Benötigst du noch etwas?“

Hopkins schüttelte mit starrer Miene den Kopf und Alejandro verließ daraufhin dessen Räume.

Kaum war sein Freund gegangen, hörte Hopkins eine leise Stimme hinter sich, die ihm riet: „Gib nicht auf. Hexen und Zauberer sind nicht allmächtig. Wenn sie dir Leid zufügen, dann wehre dich dagegen!“

Blitzschnell drehte sich Hopkins um, doch alles, was er sehen konnte, war das regungslose Gemälde eines seiner Vorfahren.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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144 Fletcher




Nach der schweren Arbeit in Malfoy Manor, die in Wirklichkeit erstaunlich mühelos erledigt worden war, lud Harry alle zu sich ein, womit er Draco zuvorgekommen war, denn der wollte sich für die Hilfe bei seinen Gästen mit einem Abendessen revanchieren. Er legte jedoch keinen Einspruch ein, denn in den Kerkern, wo er mit seiner Mutter wohnte, war es nicht sehr heimelig, egal wie viel Licht sie entzündeten.

Vor der Tür zu Harrys Räumen sagte Severus verabschiedend: „Das Angebot zum Abendessen muss ich leider ablehnen. Wenn Sie mich entschuldigen würden?“
„Severus!“ Mit einer Hand auf seinem Arm hielt Narzissa ihn auf. „Bleib doch bitte. Du kannst den Tag doch nicht so enden lassen, indem du einfach gehst.“

Remus erinnerte sich gut daran, dass Severus nach den Treffen des Phönixordens alle Angebote von Molly in den Wind geschlagen hatte und er nie länger geblieben war als notwendig – schon gar nicht zum Essen.

Während Harry bereits ins Wohnzimmer ging und Hermine und Remus ihm folgten, taten die Malfoys ihr Bestes, um Severus zum Bleiben zu überreden und da er nicht zu bekehren war, überrumpelte Draco ihn einfach, indem er ihn in das Zimmer schob. Es war Severus anzusehen, dass er gerade wieder das Zimmer verlassen wollte, da sagte Harry freundlich: „Schön, dass Sie doch noch bleiben.“

Die Tür hinter Severus war von Narzissa geschlossen worden, so dass er sich ergab und sich mit dem Gedanken anfreundete, einen Bissen zu sich zu nehmen, bevor er die Runde wieder verlassen würde.

„Fragt sich nur“, begann Harry, als er sich in dem großen Wohnzimmer umsah, „wo wir uns zum Essen niederlassen.“

Er blickte sich kurz zu seinen Gästen um und diesen Moment nutzte Draco, seinen Zauberstab unbemerkt zu schwingen, um aus Sofa, Sesseln und Couchtisch einen Esstisch mit acht Stühlen zu zaubern.

Ein leises, magisches Knistern war zu hören gewesen, weswegen sich Harry wieder umwandte und die Veränderung bemerkte, bevor er scherzend von sich gab: „Wir können natürlich auch diesen Tisch nehmen, der vor zwei Sekunden noch nicht da war. Nehmt doch bitte Platz“, bat Harry. „Ich werde etwas bei den Hauselfen in der Küche bestellen.“
Gerade hatte Hermine sich gesetzt, sprang sie auch wieder auf: „Ich muss meinen Kniesel füttern!“
„Und ich meinen Hund“, sagte Severus, der die Gelegenheit nutzen wollte, sich heimlich, still und leise zu entfernen.
Wobbel verschwand plötzlich mit einem leisen Plop und bevor jemand das Zimmer verlassen konnte, erschien er wieder und versicherte: „Ist schon erledigt.“

Severus biss die Zähne zusammen und nahm Platz. Als er kurz neben sich schaute, erblickte er Remus’ mildes Lächeln, welches er schon den ganzen Tag über hatte ertragen müssen und weswegen er ein Gesicht zog. Auf dem Tisch materialisierte sich abrupt ein Festmahl und zwar noch bevor Harry von seinem vorangegangenen Gespräch mit dem Elf sich wieder dem Tisch genähert hatte.

„Das nenne ich schnell!“, sagte er Respekt zollend. Er blickte auf die zwei Platten mit Wildschweinbraten und Rehrücken und auf die Schalen mit duftendem Gemüse. Zwei hübsch gestaltete Karaffen mit Rotwein und auch welche mit nicht alkoholischen Getränken fanden sich auf der Tafel wieder. Als er sich seine Gäste betrachtete, da bemerkte er, dass jeder saß, bis auf Wobbel, der einen unsicheren Eindruck machte.

„Möchtest du dich neben mich setzen, Wobbel?“, fragte Harry freundlich.
„Wenn…“ Wobbels Stimme schien zu versagen, doch er räusperte sich und begann von neuem: „Wenn es niemanden…“
Nach einer Karaffe greifend sagte Draco, ohne den Elf anzusehen: „Nun setz dich schon.“

An dem Wein riechend und ihn für gut befindend stand Draco auf, ging um den Tisch herum und schenkte als Erstes seiner Mutter, welche ihm gegenübersaß, ein Glas ein. Gleich darauf ging er zurück und füllte Hermines Glas, die direkt neben ihm saß und zu Harrys Erstaunen nicht abgelehnt hatte, denn normalerweise trank sie kaum etwas. Die Herren und der Elf wurden im Anschluss ebenfalls mit einem köstlichen Tropfen bedacht.

Zögerlich, weil niemand nach dem Essen griff oder den Wein anrührte, sagte Harry vom Tischende aus: „Greift doch bitte zu. Ich wünsche einen guten Appetit.“

Harry konnte nur ahnen, dass die Malfoys an einer so festlich wirkenden Tafel vorher nie selbst zu Kellen, Löffeln und Fleischgabel gegriffen hatten, um sich etwas aufzutun, doch Narzissa machte jetzt den Anfang und nahm sich ein paar Kartoffeln. Im gleichen Moment griff Remus, der zu Harrys Linken saß, zum Gemüse. Ungefragt reichte er die Schale danach an Severus weiter, der über die Höflichkeit, die Remus ihm entgegenbrachte, geradezu ein wenig pikiert schien. Rechts von Harry saß Wobbel, der noch immer sehr unsicher wirkte. Es stand außer Zweifel, dass es für ihn das erste Mal sein musste, zusammen mit seinem Meister – Harry hasste es, sich selbst so bezeichnen zu müssen – an einem Tisch zu sitzen. Harry konnte nicht anders, als ihm ermutigend zuzulächeln, so dass sein Elf erst schüchtern und dann erleichtert die freundliche Geste erwiderte.

Vor dem Essen sprach Draco einen Toast auf seine Helfer, im Speziellen auf seine Trauzeugin und den Paten seines Kindes, bevor alle mit dem Essen begannen.

Den Anfang einer zaghaften Konversation während des Abendessens machte Hermine, denn sie fragte Harry an Wobbel vorbeischauend: „Ginny ist noch gar nicht da?“
„Nein, sie wird noch immer mit Meredith und Gordian unterwegs sein.“
Sie stutzte, bevor sie bemerkte: „Es ist schon sieben Uhr, Harry und dann hat sie noch Nicholas dabei.“
„Dann wird sie gerade in der großen Halle essen…“ Er stutzte selbst, denn das Essen in der Halle begann in der Regel bereits um sechs, weswegen er seine Gabel an den Tellerrand legte. „Ich werde besser nachsehen.“ Der besorgte Klang in seiner Stimme war niemandem entgangen.

In dem Moment, als er sich vom Tisch erheben wollte, öffnete sich die Tür und ein Kinderwagen war das Erste, das man sehen konnte. Als Ginny eingetreten war, blinzelte sie überrascht, als sie die Festtafel und die vielen Gäste bemerkte.

„Oh, Entschuldigung.“
„Ginny, ich habe schon befürchtet…“ Er verstummte und entschuldigte sich stattdessen bei seinen Gästen. Er verließ den Tisch und eilte zu seiner Liebsten. Ihr hochrotes Gesicht mit den Händen umfassend sagte er: „Du bist ja eiskalt!“
„Es ist auch etwas ’frisch’ draußen, Harry.“ Sie nahm die Wollmütze vom Kopf und den Schal vom Hals. “Es sind ja nur Minus zehn Grad“, erwiderte sie neckend.

Harry streckte eine Hand in den Kinderwagen, der innen durch einen Zauber mollig warm war und in dem Nicholas tief und fest schlief. Das Baby rührte sich auch nicht, als Harry dem Jungen über die flauschigen, schwarzen Haare strich.

„Isst du mit uns mit?“, wollte er von Ginny wissen.
„Ja, gern! Ich habe wirklich Hunger.“ An ihren sehr ausgedehnten Spaziergang mit den beiden Schülern denkend fragte sie sich, ob sie selbst vor einigen Jahren so aktiv gewesen war. „Ich bringe ihn nur schnell ins Bett.“
„Das kann ich doch machen“, bot Wobbel an, der sofort vom Stuhl gesprungen war und sich des Kinderwagens annahm, den er ins Schlafzimmer schob.

Nach wenigen Minuten gesellte sich Ginny an den Tisch, an welchem alle auf sie gewartet hatten und als sie sich dem einzig freien Stuhl am anderen Tischende näherte, erhoben sich Draco, Severus und Remus anstandshalber von ihrem Platz; nur Harry begriff viel zu spät, dass auch er hätte aufstehen müssen, doch Ginny störte sich nicht daran. Sie wusste momentan sowieso nicht, wie sie sich verhalten sollte, denn sie fragte sich, ob man an einer Tafel nur verbal grüßte oder reihum ging, um jedem die Hand zu geben. Sie entschloss sich dazu, die Anwesenden alle zusammen mit Worten zu grüßen, bevor sie am anderen Ende der länglichen Tafel Platz nahm und somit rechts und links von sich je ein Mitglied der Familie Malfoy ihre Tischnachbarn nennen durfte. Die Herren setzten sich ebenfalls wieder.

„Du warst ja lange unterwegs. Wo wart ihr denn überall?“, fragte Hermine ihre Freundin.
„Ach, wir haben allerhand gemacht. Wir waren erst am See, dann eine Weile im Gemeinschaftsraum der Slytherins“, Severus horchte auf, „und zum Ende hin noch sehr lange bei Hagrid. Wir haben uns Geschichten über Norbert und seine anderen Tierchen angehört.“
Neugierig fragte Draco, der zwischen Hermine und Ginny sitzend das Gespräch nicht hatte überhören können: „Wer ist denn Norbert?“
Überraschenderweise antwortete Severus. „Das ist ein Norwegischer Stachelbuckel.“
Ganz erstaunt über Severus’ richtige Antwort fragte Harry: „Woher wissen Sie denn von Norbert?“
„Hermine hat mir einmal von dem Drachen erzählt“, erwiderte Severus.
Die fragte skeptisch: „Hab ich?“ Sie konnte sich nicht genau daran erinnern, wann sie mit Severus über Norbert gesprochen haben sollte, denn zu ihrem Leidwesen wusste sie, dass sie manchmal sehr viel redete.
„Ja“, stellte Severus klar. „Das war einer dieser Momente, in denen sich ihr Mundwerk verselbständigt hatte.“ Ihren bösen Blick schmetterte er mit einem einzigen hochgezogenen Mundwinkel ab.

Mit großen Augen fragte Narzissa erstaunt: „Der Wildhüter besitzt einen Drachen?“
Ginny verneinte. „Er hatte ihn damals nur ausgebrütet.“ Weil sich das seltsam anhörte, beschrieb sie detaillierter: „Das Ei hatte er von einem Fremden bekommen und Hagrid hat sich darum gekümmert. Norbert lebt schon lange in Rumänien unter der Obhut meines Bruders, der arbeitet dort nämlich in dem großen Drachenreservat.“
„Ganz erstaunlich“, sagte Narzissa fasziniert von dem Thema.
Wann Wobbel zurück an den Tisch gekommen war, hatte niemand bemerkt, aber er war dort und aß manierlich sein Gemüse, bevor er zu fragen wagte: „Und der Kleine hat während des Spaziergangs nicht einmal gequengelt?“
Ginny lachte auf, verneinte jedoch: „Nicholas hat wahrscheinlich viel zu viele Eindrücke auf einmal erhalten, weswegen er jetzt auch so müde ist, aber ich glaube, ihm hat es gefallen.“
„Wie alt ist der Bub jetzt?“, fragte Narzissa.
„Er ist jetzt fast vier Monate alt, er ist am 28. August geboren“, erwiderte Ginny.
„Oh wie goldig“, schwärmte Narzissa. „Er ist so ruhig. Draco war in dem Alter…“
„Mutter“, unterbracht Draco, „bitte erzähl nichts, was mir unangenehm werden könnte.“
Severus drehte sich nach links und sagte zu Narzissa: „Bitte, fahr doch fort.“
„Er war laut“, sagte sie lächelnd, bevor sie sich an Ginny wandte und ihr Details zuflüsterte.

Harry blickte direkt geradeaus und betrachtete Ginny, die sich herzlich über das, was Narzissa erzählte, zu amüsieren schien, während sich auf Dracos Wangen ein wenig Farbe abzeichnete. Wie er so am Tisch saß dachte Harry daran, dass er sich genau so eine Familie vorstellte. Es war weniger chaotisch als früher bei den Weasleys, doch in gleichem Maße gemütlich.

In ein Gespräch mit Ginny vertieft hörte man Narzissa sagen: „Sie kennen doch sicherlich diese kleinen Schnatze für Kinder, die nicht so hoch fliegen und auch nicht so schnell. Als Draco fünf war, da haben wir ihm so einen geschenkt und…“
Nur für Hermine hörbar stöhnte Draco, bevor er bat: „Nicht auch noch diese Geschichte.“
Seine Mutter ließ sich jedoch nicht abhalten und erzählte ihrer Tischnachbarin: „Er spielte anfangs ganz ruhig mit seinem Schnatz, bis mein Mann und ich plötzlich ein lautes Scheppern hörten. Draco hatte das Zimmer völlig verwüstet.“ Narzissa ließ ihren Blick über die Gäste schweifen und verweilte mit ihren Augen auf Remus, während sie mit einem Schmunzeln schilderte: „Überall lagen Scherben von zerbrochenen Vasen auf dem Boden, Gemälde hingen schief und Stühle waren umgeworfen, aber“, sie legte eine theatralische Pause ein, „zwischen all dem Chaos stand Draco ganz stolz und breit lächelnd; in seiner kleinen hochgehaltenen Hand flatterte der Schnatz.“
„Mutter, bitte…“, nörgelte Draco.
Harry schaltete sich ein und sagte belustigt: „Das ist doch schön!“ Sein Lächeln verblasste zusehends und er klang gleich darauf viel bedrückter. „Ich wünschte, ich hätte jemanden, der mir erzählen würde, was ich als Kind für Flausen im Kopf hatte.“

Das abrupte Verstummen der Anwesenden verstärkte bei Harry nur noch die sich einstellende Traurigkeit, weswegen er verlegen auf seinen Teller starrte. Seine Tante und sein Onkel hatten mit ihm nie solche Erinnerungen an früher geteilt. Niemand hatte ihm jemals Anekdoten aus seiner Kindheit erzählt und Harry hatte mit einem Male das Gefühl, in seinem Leben wirklich etwas zu vermissen.

Noch immer herrschte diese unangenehme Stille am Tisch und als es wagte, den Kopf unmerklich zu heben, um ein wenig aufzublicken, da schaute er in die schnell hintereinander blinzelnden großen Augen seines Hauselfs, der mit seinen Tränen zu kämpfen schien. Für alles, was diese Stille durchbrechen würde, wäre Harry dankbar und da klopfte es auch schon unerwartet.

Nach einem lauten „Herein“ betrat Albus das Wohnzimmer und stutzte, bevor er lächelnd sagte: „Oh, eine kleine Zusammenkunft, wie schön. Dann möchte ich nicht stören.“
„Nein, Sie stören doch nicht. Was gibt es?“, fragte Harry, um den Direktor am Gehen zu hindern.
„Ich hatte Severus schon heute Mittag gesucht.“ Direkt an Severus gewandt fragte Albus: „Wenn du nachher noch kurz in mein Büro kommen würdest?“ Albus blickte zu Hermine. „Sie bitte auch, Hermine.“
„Ich komme gleich mit“, sprudelte es aus Severus heraus. „Ich bin sowieso fertig.“ Der halbvolle Teller bewies jedoch das Gegenteil, wie jeder sehen konnte.
„Aber Hermine hat ihr Abendessen noch nicht beendet. Sagen wir in einer Stunde bei mir im Büro?“ Albus wartete, bis Severus zustimmte, was der zähneknirschend und nur mit einem Nicken tat.

Hermine kostete die volle Stunde aus und machte keine Anstalten, den Abend bei Harry früher enden zu lassen, was Severus sehr ärgerte. Noch mehr regte er sich jedoch über seinen Patensohn auf. Er würde Draco später noch auf die Dreistigkeit ansprechen, ihn gegen seinen Willen dazu genötigt zu haben, dem Abendessen beizuwohnen.

Endlich war der Termin bei Albus nicht mehr fern und Hermine bedankte sich für den amüsanten Abend und verabschiedete sich bei allen, bevor sie die Frechheit besaß, an Severus gerichtet zu sagen: „Jetzt können wir gehen.“ Das erste Wort hatte sie besonders betont.

Auf dem Weg zu Albus sagte Severus kein Wort und er ging so schnell, dass Hermine kaum mithalten konnte, weswegen sie ab und an die Beine in die Hand nehmen musste.

Wie üblich öffnete Albus die Tür, bevor Severus oder Hermine die Chance erhielten, an ihr klopfen zu können.

„Tretet doch bitte ein“, bat der Direktor.
Nachdem er eingetreten war fragte Severus sofort gereizt: „Was gibt es, dass du mit uns beiden sprechen möchtest? Was die Gerüchte betrifft, so versichere ich…“
Hermine stutzte und unterbrach: „Was denn für Gerüchte?“
„Nein, nein“, winkte Albus lapidar ab, ohne auf Hermines Frage einzugehen. „Es geht um ein Schreiben, dass ich aus dem Mungos erhalten habe. Ich denke, dass das hier“, er nahm ein Pergament von seinem Schreibtisch, „in euren Händen besser aufgehoben wäre.“

Hermine streckte bereits ihre Hand aus, doch Severus reagierte schneller und nahm den Brief in Windeseile an sich. Er las ihn sehr gründlich und bemerkte nicht, dass Hermine sich ihm genähert hatte, um sich ebenfalls einen Überblick über den Inhalt verschaffen zu können.

„Hermi…“ Severus erschrak, als er aufblickte und sie so dicht bei sich bemerkte. Er räusperte sich und wiederholte: „Hermine, Sie mögen doch Denksport.“ Sie nickte, so dass er ihr den Brief in die Hände drückte und beteuerte: „Dann ist das Ihre Aufgabe.“
Severus wollte bereits gehen, da hielt Albus ihn mit freundlichem, aber bestimmendem Tonfall auf. „Moment, Severus. Es handelt sich um einen schwarzmagischen Trank, was bedeutet, dass man ihn nur in gewissen Büchern finden wird. Mir wäre wohler, wenn Hermine, die auf diesem Gebiet noch sehr unerfahren ist, nicht alleine recherchiert.“

Man konnte sehen, dass Severus zum zweiten Mal an diesem Abend die Zähne zusammenbiss, denn die Muskeln an seinem Kiefer spannten sich und abermals nickte er Albus zu, denn ihm konnte oder wollte er nichts abschlagen.

„Dann wünsche ich viel Erfolg“, sagte Albus verabschiedend, während er beide zur Tür begleitete.

Mit dem Pergament in der Hand eilte Hermine hinter Severus die Wendeltreppe hinunter und sie rannte ihm nach, bis sie aufgeholt hatte und etwas aus der Puste gekommen fragte: „Was ist nur los mit Ihnen?“ Er reagierte nicht, sondern legte nur noch einen Schritt zu. „Den ganzen Tag über waren Sie erträglich“, sagte Hermine, während sie mit ihm mitzuhalten versuchte. „Warum sind Sie auf einmal wieder so ein Ekel?“
Er drehte sich blitzschnell um, so dass sie in ihn hineinlief, bevor sie wieder einen Schritt zurückging, um ein wenig Abstand zwischen ihm und sich zu bringen.

„Was haben Sie eben gesagt?“, zischelte er bedrohlich, bevor er seine Arme vor der Brust verschränkte.
„Ach, Sie reagieren ja doch auf mich“, konterte sie.

Eines seiner Augenlider zuckte, bevor er sich wieder umdrehte und seinen Weg fortsetzte, während sie ihm folgte und ständig fragte, was nur geschehen sei, dass er jetzt so übelgelaunt wäre. Ob ihn jemand gekränkt hätte oder ob er andere Beschwerden hätte. Möglicherweise, denn das war ihr als Erstes in den Sinn gekommen, hatte Harrys indirekte Erwähnung an seine Kindheit, an den Verlust seiner Eltern, in Severus wieder so ein trauriges Gefühl wachgerufen.

Als sie ihm sogar in die Kerker folgte, obwohl sie selbst im vierten Stock wohnte, da giftete er sie an: „Warum folgen Sie mir wie ein treudummer Hund?“
„Ach kommen Sie, wir beide wissen doch, dass Sie Hunde mögen. Außerdem sagt mir der Name von dem Trank etwas und ich dachte, wir könnten beide noch etwas in Ihren Büchern blättern.“
„Ah, Sie wollen wieder etwas dunkle Magie auftanken; Sie haben ja lange nichts dergleichen gelesen“, warf er ihr höhnisch vor, als er sein privates Büro betrat und die Tür hinter sich einfach offen stehen ließ, damit sie auch eintreten könnte, aber ihr gleichzeitig auch klar wurde, dass er momentan nicht in der Stimmung war, seine Zeit mit ihr verbringen zu wollen.
„Ich muss gar nichts ’tanken’, aber Sie dürfen mir trotzdem etwas zu trinken anbieten.“

Sie legte den Brief unaufgefordert auf das kleine Pult, an welchem sie damals die Traumdeutung für ihn geschrieben hatte. Mittlerweile bezeichnete sie den kleinen Arbeitsplatz als ihren eigenen.

„Von ’Schlafes Bruder’ habe ich schon einmal gelesen, aber mir fällt nicht ein, in welchem Buch“, behauptete sie.
„Das halte ich nicht für möglich, denn das würde bedeuten, dass Sie sich neben den schwarzmagischen Büchern, die ich Ihnen zu lesen gegeben habe, noch andere zu Gemüte geführt haben. Es sei denn, Sie haben ihr neu entdecktes Steckenpferd ausgedehnt, ohne mich davon in Kenntnis zu setzen.“

Sie ignorierte seine letzte Bemerkung und stimmte innerlich seiner ersten zu, obwohl sie hundertprozentig davon überzeugt war, erst vor kurzem über den Trank gestolpert zu sein. Sie rief sich alle schwarzmagischen Bücher ins Gedächtnis, die sie jemals aufgeschlagen hatte und mit einem Male hatte sie die Antwort.

„Ja, natürlich!“, sagte sie, als er ihr plötzlich wieder eingefallen war und womit sie Severus’ Aufmerksamkeit erregte. „Die Bücher, die Sie in Ihrem Labor haben liegen lassen! Da waren zwei schwarzmagische Bücher dabei und in einem von denen habe ich geblättert, bis Sie gekommen waren…“ Sie verstummte, als sie sich vor Augen hielt, was danach geschehen war; dass er gesagt hatte, sie würde Bellatrix Lestrange ähnlich werden und ihr fiel auch wieder ein, dass sie in der gleichen Nacht Harry geküsst hatte.

Peinlich berührt sagte sie: „Ich bin mir sicher, dass es in dem Buch stand. Zeigen Sie mir die Bücher bitte?“
„Wenn Sie sich so sicher sind…“, sagte er, bevor er das Büro verließ, um ins Labor zu gehen, wo er sie versteckt haben musste. Er kam mit den beiden Büchern zurück, legte sie auf ihr Pult und zog seinen Stab, bevor er einen Schutzzauber sprach, damit man die Seiten aufschlagen konnte, ohne von ihnen verführt zu werden. „Bitteschön.“
„Danke.“ Sie setzte sich und begann zu blättern, bis sie fragte: „Sagen Sie, welche Seite hatten Sie damals in diesem Buch nochmal aufgeschlagen?“
„Was tut das zur Sache?“ Er klang sehr grantig.
„Weil ich ein paar Seiten zurückgeblättert hatte. Ich würde es schneller finden, wenn ich die Seitezahl kennen würde“, erklärte sie.

Er nannte ihr die Seite offensichtlich aus dem Kopf, so dass sie sie aufschlagen konnte. Schon war sie mit ihren Gedanken nicht mehr bei Schlafes Bruder, sondern bei Severus’ kleinem Geheimnis, denn die genannte Seite behandelte, wie man etwas durch schwarze Magie Zerstörtes wieder zusammenfügen könnte.

„Sie sagen mir nicht, was Sie suchen oder Severus?“, fragte sie mutig, wenn auch leise und flehend. Er blickte ihr starr in die Augen und schien tatsächlich einen Moment lang mit sich zu hadern, bevor er zaghaft den Kopf schüttelte. „Sie wissen aber, dass ich Ihnen helfen möchte?“
„Es geht hier um eine Anfrage aus dem Krankenhaus und nicht um…“ Er stoppte sich selbst, bevor er zu einem Schrank hinüberging.

Seufzend blätterte Hermine einige Seiten vor, als Severus ihr plötzlich ein Glas unter die Nase hielt. Der scharfe, aber aromatische Duft ließ sie erstaunt aufblicken.

„Sie sagten doch“, begann Severus ruhig, „dass ich Ihnen etwas zu trinken anbieten darf.“ Das Glas stellte er auf ihren Tisch, bevor er sie darüber aufklärte: „Der edle Tropfen stammt aus dem Jahr, an dem das Abkommen zur Geheimhaltung der Zauberei beschlossen wurde.“
Sie machte ganz große Augen und fragte: „1792? Und davon geben Sie mir etwas?“
„Ich habe die Flasche gestern Abend bereits angebrochen.“
Hermine roch an dem Inhalt des Glases, bevor sie beschämt offenbarte: „Das wird Verschwendung sein, wenn ich ihn trinke. Ich werde keinen Unterschied zu anderen Marken feststellen können.“
„Hab ich Sie denn um ein fachmännisches Urteil über den Geschmack gebeten?“, fragte er spöttisch, so dass sie beleidigt den Kopf schüttelte. „Dann genießen Sie ihn.“

Einen winzigen Schluck kostete sie von dem Whisky, der leicht auf ihrer Zunge brannte und ihre Kehle erwärmte. Im Buch blätternd fand sie die Stelle, die sie schon einmal fasziniert überflogen hatte und in Gedanken las sie: ’Wie Schlafes Bruder ist auch jener Verwandter von Felix Felicis nicht den Glücksbringern zuzuordnen. Mit einem Trank wie auch mit einem Fluch lassen sich gelenkte Schicksalsschläge für verhasste Mitmenschen gezielt herbeirufen.’

Schlafes Bruder war hier angesprochen worden, obwohl sich das Kapitel eigentlich um das Pendant zum Felix Felicis handelte, aber wenn Schlafes Bruder hier nochmals genannt wurde, dann musste er in den vorigen Kapiteln bereits ausführlicher behandelt worden sein, also blätterte sie weiter zurück.

Beim Durchblättern stieß sie auf ganz furchtbare Tränke wie zum Beispiel der „Zänkerzunge“, einem Trank, der die Zunge dermaßen anschwellen ließ, dass sie einem den Mund auseinander reißen konnte, was einen qualvollen Tod bedeutete, wenn man vorher nicht schon an dem aufgeblähten Muskel erstickt war.

Weil Hermine ohne es zu wissen ihr Gesicht verzog, fragte Severus, der sie offensichtlich beobachtet hatte: „Über was sind Sie gerade gestolpert?“
Sie blickte erschrocken auf, schüttelte sachte den Kopf und erwiderte: „Über etwas ganz Scheußliches.“
„Das Buch ist voll mit Abscheulichkeiten. Vielleicht wäre es besser, nichts konzentriert zu lesen, sondern es nur ein wenig zu überfliegen.“

Während sie weiter in dem Buch blätterte, denn ein Inhaltsverzeichnis gab es in dieser antiquarischen Schrift nicht, setzte Severus sich mit ein paar Unterlagen an seinen Schreibtisch, um konzentriert seiner eigenen Forschung nachzugehen, denn er las die Resultate seines Bluttrankes, die Sanguini niedergeschrieben hatte.

Nach einer ganzen Weile sagte Hermine ganz aufgeregt: „Oh mein Gott, hier ist es! Es ist kein komplettes Kapitel über den Trank; er wird nur angesprochen, aber die Zutaten werden immerhin aufgelistet.“ Severus näherte sich ihr, während sie noch einen Augenblick las und dann zu der Erkenntnis kam: „Es steht nicht hier, wie er zubereitet wird.“
„Ich denke, dass die genannten Zutaten für Professor Junot bereits einen willkommenen Hinweis darstellen werden.“ Er beugte sich über das Buch und las ein paar Stellen, bevor er sagte: „Kopieren Sie die Textstelle, den Buchtitel und die Seitenzahl, damit die Professorin noch heute, auch wenn der Abend schon spät ist, eine Antwort-Eule erhält.“

Ihr Glas Whisky hatte Hermine im Nu geleert. Der Geschmack war angenehm, die leicht brennende Hitze in der Kehle willkommen. Das leere Glas stellte sie zurück auf ihr Pult und sie sagte nicht nein, als sich Severus mit der Flasche Whisky näherte, um ihr etwas nachzuschenken.

Zur gleichen Zeit in einem heruntergekommenen Muggel-Pub in der Nähe des Örtchens Clova ließ sich Mundungus von einer drallen Gastwirtin ein weiteres Glas Single-Malt-Whisky einschenken.

„Womit willst du das nachher bezahlen, Fletcher?“ Die mollige Dame mit dem hübschen Gesicht schäkerte gern mit ihren Gästen.
„Keine Sorge, ich hab genug Asche bei mir“, er klopfte an seine Brusttasche, „und wenn’s nich’ reicht, dann helfe ich in der Küche beim Abwaschen.“ Er war mittlerweile leicht angetrunken und klang daher etwas lallend, aber er war überaus gut gelaunt, was an der Wirtin liegen mochte. Er zog die Dame an sich heran, so dass sie ihm auf den Schoß plumpste, was den hölzernen Stuhl unter ihm bedrohlich knarren ließ.
„Nicht doch“, sagte sie, als sie sich nur halbherzig aus seinem Griff zu befreien versuchte und dabei über das ganze Gesicht strahlte. „Das letzte Mal, als du mir zu nahe gekommen bist, habe ich mein Uhr vermisst.“

Daran konnte er sich erinnern, denn er hatte es nicht übers Herz gebracht, die gestohlene Uhr zu versetzen.

„Meinst du die hier?“ Er griff in seine Jackentasche und reichte ihr die Uhr mit den Worten: „Scheint dir beim letzten Mal aus der Tasche gefallen zu sein.“ Sie grinste, zog aber eine Augenbraue in die Höhe, weil sie ihm nicht ganz glauben konnte.
Nachdem sie die Uhr eingesteckt und sich erhoben hatte, wollte sie wissen: „Soll ich dir gleich die Flasche da lassen?“
„Nein, mein Rauschegoldengel, ich genieße jeden ’Besuch’ von dir an meinem Tisch“, erwiderte er schäkernd.

Sich in dem Pub umblickend erspähte er einige finstere Gesellen. In der Muggelwelt gab es nicht weniger Diebe, Trickspieler und andere Halunken; alles in allem fand sich hier der gleiche Schlag Mensch wie auch in der Zaubererwelt wieder: Schwätzer, Zuhälter, Verbrecher – das gleiche Gesocks, wie man es auch zuhauf im Eberkopf antreffen konnte. Mundungus fühlte sich hier sehr wohl.

Ein paar Minuten später öffnete sich die Tür zum spärlich besuchten Pub, bevor zwei Männer und zwei Frauen eintraten. Die vier neuen Gäste, offensichtlich ein Ehepaar, ein junger Mann und eine ältere Frau, klopften sich den Schnee von den Schultern, was Mundungus vor Augen hielt, dass es draußen schneien musste und zwar nicht zu wenig. Er hoffte, dass die vier ihre Mäntel vorn am Eingang an die Garderobe hängen würden, damit er beim Hinausgehen lange Finger machen konnte, aber sie nahmen ihre Kleidung leider mit, als sie einen Tisch suchten.

Einen der Männer erkannte Mundungus, denn er war der Überzeugung, den schon einmal im Auftrag des Phönixordens belauscht zu haben. Der andere, jüngere war wegen des hochgeklappten Kragens seiner Jacke nicht zu erkennen. Abrupt entschloss Mundungus sich dazu, auch wenn es den Orden nicht mehr gab, wie damals den Betrunkenen zu mimen, um in Ruhe lauschen zu können. So könnte er selbst harmlos wirken und die Gruppe würde ihm keine Beachtung schenken. Das war eine Aufgabe – davon war er selbst überzeugt –, die er hervorragend bewältigen könnte.

Langsam lehnte er sich mit den Ellenbogen auf den Tisch, um den Oberkörper und Kopf etwas nach vorn fallen zu lassen, so dass man sein Gesicht nicht gut erkennen würde. Die Augenlider etwas gesenkt griff er mit beiden Händen nach seinem Glas Whisky, um leise in ein gemurmeltes Selbstgespräch zu verfallen, so dass jeder, der ihn jetzt erst erblickte, ihm jegliche Nüchternheit absprechen würde.

Wie erhofft setzten sich die gerade eingetroffenen Muggel an den großen Tisch, der nur mit einer hölzernen Spanischen Wand von dem seinen getrennt war. Durch die gemusterten Löcher der Abtrennung zwischen den Tischen konnte er alles bestens hören.

„Langsam macht er mir Angst“, sagte die ältere Frau, die Mundungus über sechzig Jahre alt schätzte.
„Mir macht es Angst“, begann die andere Frau, „dass man es anscheinend wirklich auf ihn abgesehen hat. Habt ihr nicht gesehen, wie stark er geblutet hat?“
Ihr Ehemann versuchte zu erklären: „Es ist aber nicht auszuschließen, dass das eine völlig normale Ursache haben könnte, meine Liebe.“
„Normal?“, fragte sie spöttisch zurück. „Ich hatte noch nie Nasenbluten in solchem Ausmaß! Erzähl mir nicht, dass es normal wäre.“
„Ich wollte mit ’normal’ auch nur sagen“, der Mann senkte seine Stimme, aber Mundungus hörte ihn trotzdem, „dass es nicht mit Zauberei zu tun haben muss. Es kann auch andere Gründe dafür geben.“
„Er fügt es sich bestimmt selbst zu“, sagte die ältere Frau mit verärgerter Stimme.
„Nein, Eleanor, das glaube ich nicht. Warum sollte er? Wenn er uns weismachen möchte, dass man ihm mit einem Schadenszauber das Leben zur Hölle macht, damit wir brav an seiner Seite bleiben, warum hat er dann so vielen von uns vor den Kopf gestoßen? Warum hat er vorhin Alex und Arnold so niedergemacht, wo die doch die Einzigen sind, die ihm noch wertvolle Informationen ’von drüben’ geben können?“

Die beiden letzten Namen waren Mundungus wohl bekannt, denn es handelte sich um die Squibs, von denen er mal – wahrscheinlich während eines Ordenstreffens – gehört hatte.

„Wir sind jetzt nur noch vierundzwanzig Personen und ich denke, dass nach Hopkins’ letztem ’Anfall’ noch ein paar gehen werden“, sagte der Mann um die vierzig. „Wenn ich ehrlich bin“, fügte er leiser hinzu, „dann will ich diesen Mann nicht mehr unterstützen.“
Seine Frau fraget erbost: „Ja, willst du denn gar nicht die Männer zur Rechenschaft ziehen, die unsere Söhne einfach…“ Die Stimme der Ehefrau begann zu zittern, so dass sie sich eine Hand auf den Mund legte.
„Claudine, ich verstehe dich und ja, ich würde diese Mistkerle gern selbst zur Strecke bringen, aber was, wenn die gar nicht mehr leben oder im Gefängnis sitzen?“, fragte ihr Mann.

Mundungus hörte das erste Mal den jungen Mann sprechen und er konnte einen leichten, spanischen Akzent ausmachen, als dieser vorsichtig fragte: „Was ist mit euren Söhnen geschehen?“
Der Mann holte einmal tief Luft. „Eines Nachts kamen fünf ganz in schwarz gekleidete Männer auf unseren Hof…“
Er hielt inne, weil seine Frau aufstand und unterbrach: „Ich bin mal eben woanders. Eleanor, kommst du mit?“

Die Ältere stand auf und leistete Claudine Gesellschaft.

„Sie erträgt es nicht, wenn ich darüber rede“, entschuldigte sich der Mann.
„Fünf in schwarz gekleidete Männer?“, wiederholte der Jüngere.
„Ja, die kamen nachts auf unseren Hof und sperrten Claudine und mich in den Stall. Wir konnten nur durch ein kleines Fenster sehen, was draußen geschah. Zwei von unseren Söhnen haben sie sofort umgebracht. Ich habe keine Ahnung, wie sie das getan haben; sie haben ihre Holzstäbe auf sie gerichtet und etwas gesagt, da glimmte alles grün und mit einem Male lagen sie am Boden.“ Man konnte dem Mann anhören, dass es ihm nicht leicht fiel, über diesen Vorfall zu sprechen. Mit zittriger Stimme erzählte er, so dass auch Mundungus jedes Wort hören konnte: „Mein Jüngster, David, der war gerade fünfzehn Jahre alt. Sie haben ihn…“ Er holte nochmals tief Luft: „Sie haben ihn gequält. Ich weiß nicht wie, aber er krümmte sich minutenlang vor Schmerzen auf dem Boden. Ich wollte über das Mobiltelefon die Polizei rufen, aber die Verbindung war gestört. Als die Gestalten spurlos verschwunden waren, habe ich endlich die Polizei rufen können. Die haben uns befreit. Von den Tätern gab es weit und breit keine Spur. Der einzige Beweis für ihren ’Besuch’ waren die drei toten Körper unserer Kinder, die sie ins Schweinegehege geworfen hatten.“

Nach einer ganzen Weile sagte der junge Mann, der offensichtlich um Worte verlegen war: „Das tut mir so Leid, das muss grauenvoll gewesen sein.“
„Noch viel grauenvoller war, als die Ärzte uns mitteilten, dass bei allen dreien kein unnatürlicher Tod festgestellt werden konnte. Bei den älteren beiden haben sie einfach nur ’Herzstillstand’ auf ihren Bericht geschrieben und bei David war es angeblich ein Schlaganfall gewesen. Mit fünfzehn Jahren! Niemand hat uns geglaubt, dass wir überfallen worden waren, nicht ein einziger!“ Die Stimme des Mannes war ein wenig lauter geworden, doch er beruhigte sich wieder, bevor er erklärte: „Niemand hatte uns geglaubt, bis wir Hopkins getroffen haben und der hat uns über die Zaubererwelt aufgeklärt. Da machte plötzlich alles einen Sinn. Die Holzstäbe, die schwarzen Kutten und der plötzliche Tod unserer Kinder. Überzeugt hat er uns mit einer Zeitung, in der sich die Bilder bewegten. Ich habe vorher noch nie etwas Derartiges gesehen. Für Claudine und mich war klar, dass es Zauberer gewesen sein mussten, die unsere Kinder umgebracht haben.“

Claudine und Eleanor waren noch immer nicht zurück, so dass die beiden Männer sich zu Mundungus’ Glück noch ein wenig unterhielten.

Der Ehemann hatte einen großen Schluck Whisky genommen, bevor er sagte: „Wir sind ja schon ein paar Jahre mit dabei und ich denke, ich habe einen guten Überblick über diese Zaubererwelt erhalten. Du hast den Tagespropheten ja auch mehr als nur einmal gelesen oder?“ Der junge Mann schien nur zu nicken, den Mundungus hörte wieder den älteren von den beiden sprechen. „Ich bin mir sicher, dass die finsteren Gestalten welche von diesen ’Todesser’ waren, von denen die Zeitung geschrieben hat. Verstehst du, Junge? Die sind selbst bei ’denen’ Verbrecher! Ich habe jeden verdammten Artikel gelesen, sobald Alex ein neues Exemplar mitgebracht hat und ich habe mittlerweile nicht den Eindruck, dass die alle gefährlich sind.“
„Aber Hopkins sagt…“
Der junge Mann wurde unwirsch unterbrochen: „Was Hopkins sagt ist mir gleich!“ Der Mann seufzte. „Entschuldige, ich wollte nicht so grantig werden. Ich habe gehört, dass du deine Mutter damals verloren hast. Wahrscheinlich auf die gleiche Art, nicht wahr?“
Der junge Mann kam ins Stottern: „Sie haben ihr… Man hat sie… Meine Mutter hat sich danach das Leben genommen, weil sie es nicht ertragen hat.“
„Wie alt warst du da?“
„Zwölf“, erwiderte der junge Mann zaghaft.
„In so jungen Jahren seine Mutter zu verlieren ist ein harter Schicksalsschlag. Wann hat dein Vater Hopkins kennen gelernt?“, fragte der ältere am Tisch.
„Während der Beerdigung.“
„So lange kennt Alejandro ihn schon? Das wusste ich gar nicht.“ Nach einer kurzen Pause fragte der Mann: „Hast du das Mädchen für böse gehalten?“

Mundungus hörte ganz genau hin, um vielleicht noch den Namen des Mädchens zu erfahren, damit er mit seinen Informationen über Hopkins’ Anhänger beim Minister oder bei Dumbledore Eindruck schinden konnte.

Der junge Mann hatte noch immer nicht geantwortet, so dass der ältere nochmals fragte: „War sie dir unheimlich oder kam sie dir normal vor? Ich frage nur, weil ich gelesen habe, dass einige aus unserer Welt mit diesen Kräften geboren werden und…“
Jetzt unterbrach der junge Mann: „Das ist kein Geschenk des Himmels, es sind Hexenkräfte! Die gehören auf den Scheiterhaufen!“

Sich langsam aufrecht hinsetzend führte Mundungus das Glas zum Mund, um einen Schluck zu nehmen, während er die Gelegenheit nutzen wollte, mit einem Auge einen Blick durch die Spanische Wand zu riskieren, um endlich den jungen Mann genauer betrachten zu können. Als er für einen Moment glaubte, Harry Potter zu erblicken, da verschluckte er sich und spuckte etwas von dem guten Whisky auf seinen Tisch.
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Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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Mit einer Kiste voller Einladungen zur Hochzeit war Draco noch am gleichen Abend zur Eulerei gegangen, um sie an die Gäste zu senden. Dort traf er auf Hermine, die selbst gerade eine Eule abgeschickt hatte.

Als sie ihn bemerkte, erklärte sie: „Das Mungos hatte eine Anfrage wegen eines schwarzmagischen Trankes gestellt. Ich denke, wir haben etwas gefunden, das Pansy helfen könnte.“
Die Kiste auf einen hüfthohen Sockel abstellend fragte Draco: „Sie ist noch immer nicht gesund? Harry hatte mir erzählt, sie wäre wie tot.“
„Ja, das hat mir Remus auch erzählt. In dem Brief vom Mungos wurde nicht erwähnt, für welchen Patienten man diese Information benötigen würden, aber ich weiß, dass es sich nur um Pansy handeln kann; allein schon wegen dem Trank, denn der heißt ’Schlafes Bruder’.“
„Und was genau macht der Trank?“, wollte Draco wissen, während er eine Eule zu sich rief, um ihr den ersten Brief ans Bein zu binden. Glücklicherweise hatte der Direktor ihm erlaubt, sämtliche schuleigenen Eulen für die Einladungen benutzen zu dürfen.
„Ich weiß es nicht“, antwortete Hermine. „Der Titel lässt ahnen, dass der Trank etwas mit dem Tod zu tun haben muss, aber er tötet einen ja offensichtlich nicht. Er wird wohl Leblosigkeit in Perfektion vorgaukeln. Leider stand in dem Buch nichts über die Zubereitung oder was er anrichten kann.“

Hermine näherte sich ihm, rief eine der Eulen zu sich und nahm, ohne Draco vorher zu fragen, eine der Einladungen in die Hand, um sie an dem Vogel zu befestigen. Während sie ihm half, erzählte sie: „Unter dem Trank war ein Querverweis auf ein anderes Buch, aber Severus meinte, das würde er nicht besitzen.“
„Wie heißt das andere Buch?“, wollte er wissen.
„’Pfad ins Verderben’.“
„Habe ich leider noch nie von gehört. Ist wahrscheinlich auch besser so.“

Zu einigen Namen, die Hermine auf den Umschlägen gelesen hatte, gab sie Erinnerungen an früher zum Besten, bei denen Draco aufmerksam lauschte. Sie erzählte von Eloise Midgen, die damals ganz schlimm unter Akne gelitten hatte. Draco erinnerte sich sogar an das Mädchen, weil er sie mehrmals zum Weinen gebracht hatte, wenn er sie auf einem einsamen Schulkorridor angetroffen und sich über sie lustig gemacht hatte. An Ernie Macmillan konnte sich er sich ebenfalls gut erinnern, der er war der einzige Hufflepuff gewesen, der im sechsten Schuljahr das Fach Zaubertränke belegt hatte.

„Hast du Angst vor der Hochzeit?“, fragte sie plötzlich geradeheraus.
Obwohl er innerlich bejahte, erwiderte er: „Nein, warum sollte ich auch?“ Er überdachte ihre Frage nochmals und kam zu dem Schluss, dass Hermine sie wegen der geladenen Gäste gestellt haben konnte, so dass er sagte: „Ich vermute, dass einige gar nicht kommen werden.“
„Ich denke, dass so gut wie alle kommen werden“, widersprach sie lächelnd.

Nachdem sie die Post verschickt hatten, bedankte er sich herzlich für ihre Hilfe. Beide gingen zurück zum Schloss, bevor sie sich mit den Worten „Bis Morgen!“ verabschiedeten.

Die Hochzeit sollte am Dienstag, also schon in zwei Tagen stattfinden – genau einen Tag vor Heiligabend. Draco war nicht mehr er selbst. Beim Frühstück am Lehrertisch schien er zerstreut und seine Gedanken drehten sich nur noch um die große Feier. Mit Familie Bones würde er gleich nach dem Frühstück die Räumlichkeiten in Malfoy Manor begutachten und mit den später hinzustoßenden Ministeriumsangestellten wollte man die Zeremonie durchsprechen. Absolut nichts wollte er dem Zufall überlassen. Gleich danach musste er seinen maßgeschneiderten Hochzeitsanzug, den dazugehörigen Umhang und die neuen Schuhe abholen. Er hatte das Gefühl, irgendetwas vergessen zu haben, das er noch heute erledigen musste und so grübelte er, während um ihn herum die über die Feiertage wenigen verbliebenen Lehrer sowie die Schüler Meredith und Gordian sich lebhaft unterhielten.

„Die Ringe!“, platzte es plötzlich aus ihm hinaus.
Severus, der neben ihm saß, fragte verdutzt: „Was bitte?“
„Herrje, ich muss mir Notizen machen, sonst vergesse ich noch sie abzuholen“, murmelte Draco, ohne auf die anderen zu achten, während er sich aus seiner Serviette ein Stück Pergament zauberte, um die wichtigen Punkte aufzuschreiben.

Draco war beschäftigt und beachtete daher nicht die vielen Posteulen, die sich dem Lehrertisch von oben näherten.

„Mr. Malfoy“, sagte der Direktor, bevor er nach oben blickte.
Draco folgte seinem Blick. „Oh, das werden die ersten Absagen sein“, vermutete er laut, bevor er die Eulen an einen der großen leeren Tische lotste, um die Briefe entgegenzunehmen. Hermine und Harry beobachteten mit trauriger Miene, wie Draco mindestens vierzig Umschläge öffnete, hineinblickte und wieder schloss.

Nachdem er zurück an den Tisch gekommen war, fragte Harry: „Waren es Absagen?“
Aus seinen Gedanken gerissen blickte Draco auf, bevor er klarstellte: „Nein, das waren bisher alles Zusagen und kurze Mitteilungen. Manche haben uns informiert, dass sie ihre Kinder oder ihren Lebenspartner mitbringen werden, andere schrieben, dass sie erst nach der Zeremonie eintreffen können, also ein wenig später kommen werden.“
„Ich war noch nie auf einer Hochzeit“, sagte Gordian unerwartet. „Wie läuft das so ab?“

Ein wenig stutzend blickte Draco in die Runde und er bemerkte, dass er alle, die am Tisch saßen, zur Hochzeit eingeladen hatte, bis auf Meredith und Gordian. Für einen Moment fragte er sich, ob Professor Sprout wenigstens ihre Pflegetochter Meredith mitbringen würde und wenn ja, was Gordian dann den lieben langen Tag über treiben würde, wenn der Direktor und Professor McGonagall, Professor Flitwick und Harry sowie Hagrid übermorgen nicht in Hogwarts sein würden.

„Möchtest du kommen?“, fragte Draco höflich. Als Gordian zu Meredith blickte, versicherte Draco: „Und Meredith natürlich auch.“
„Oh ja, sehr gern!“, sagte das junge Mädchen.
„Da wird sich Mr. Filch aber freuen“, begann Albus, „dass er das Schloss mal fast ganz für sich allein hat. Professor Svelte bleibt über die Ferien hier, aber er ist momentan offensichtlich anderweitig beschäftigt.“ Er fehlte am Frühstückstisch.

„Was trägt man auf einer Hochzeitsfeier?“, fragte Meredith neugierig und schaute derweil um Rat suchend zu Ginny und Hermine hinüber.
„Susan und ich haben in der Einladung darum gebeten, dass die Zauberer vorzugsweise im Festgewand und die Muggel in Smoking und Abendkleid erscheinen möchten. Es soll sehr festlich zugehen“, erklärte Draco gelassen, während er sich nebenbei etwas notierte.
Harry hingegen war weniger gelassen. „Wo stand in der Einladung was von Festgewand und Smoking?“
Die Antwort übernahm Hermine, denn sie erklärte: „Es stand etwas von ’schwarzer Krawatte’ in der Einladung; das ist in der Muggelwelt ein Hinweis auf eine sehr elegante Feier, Harry. Man sollte sich sehr stilvoll kleiden, wie für einen Opernbesuch oder eine wichtige Gala, also gegebenenfalls im Smoking erscheinen.“
„Ich habe keinen Smoking!“, sagte Harry aufgebracht, weil er ahnte, dass er noch einen besorgen musste. „Ich haben nur einen schwarzen Anzug.“
Ginny versuchte ihn zur Ruhe zu bringen. „Du als Zauberer solltest auch eher ein Festgewand tragen.“ Mit ihrem Beruhigungsversuch hatte sie Harrys Anflug von Panik nur noch verschlimmert.
„Was genau ist ein Festgewand? Himmel, klärt mich einer bitte auf, damit ich mich nicht blamiere!“, forderte er.
„Das, Harry, bekommen Sie sicherlich auch ganz gut auf die Reihe, ohne dass Sie sich einen bekleidungstechnischen Fauxpas erlauben“, spottete Severus.
Severus ignorierend sagte Harry zu Ginny und Hermine: „Ich muss einkaufen gehen! Ich muss so ein Festgewand kaufen, was auch immer das ist.“
„Dann kommst du nachher einfach mit uns mit“, sagte Hermine. „Ginny und ich holen unsere Gewänder ab. Ich denke, auf die Schnelle finden wir auch etwas für dich.“
„Hermine, vergiss nicht, dass du um halb eins in Malfoy Manor sein musst, damit wir die Zeremonie besprechen können“, erinnerte Draco.

Wegen ihrer weit aufgerissenen Augen konnte man gut erkennen, dass sie diesen Termin vergessen hatte.

„Ich werde da sein, keine Sorge.“

Während Draco sich zusammen mit seiner Mutter nach dem Frühstück auf den Weg nach Malfoy Manor machte, nahmen Ginny und Hermine Harry an die Hand, um mit ihm in der Winkelgasse das nach dem Krieg neu eröffnete Bekleidungsgeschäft zu besuchen. In dem Geschäft waren so wundervoll geschneiderte Kunstwerke zu betrachten, dass er sich selbst ganz schäbig vorkam, weil er nur Jeans und einen alten Pullover trug.

Der Laden schien nur im ersten Moment sehr verlassen, bis Ginny einen Verkäufer bemerkte, der unter einem Berg von Stoffen etwas zu suchen schien.

„Entschuldigung?“, sagte Ginny, um den Verkäufer auf Kundschaft aufmerksam zu machen.
Erschrocken blickte ein Herr mit großem gezwirbeltem Schnurbart auf. Die pechschwarzen Haare glänzten durch die Pomade schlimmer als die von Severus, doch sie waren im Gegensatz zu denen des Tränkelehrers streng durch einen Seitenscheitel getrennt.

Der Verkäufer fragte durch die Nase sprechend und dadurch ein wenig blasiert klingend: „Sie wünschen?“
„Wir beide“, sie nickte zu Hermine hinüber, „möchten die bestellten Gewänder abholen.“
„Und auf welchen Namen geht die Bestellung bitteschön?“
„Miss Weasley und Miss Granger“, antwortete Hermine, woraufhin der Herr, der mit seiner rechten Hand über den Kragenaufschlag seines schicken Zaubererjacketts strich und für einen Moment Harry betrachtete – oder vielmehr dessen Kleidung, die ihm zu missfallen schien.
Hinter dem Verkäufer stand eine Tür offen und er drehte sich, um in diese Richtung zu rufen: „Jolande?“ Eine zierliche Frau mittleren Alters trat heraus. „Holen Sie doch bitte die beiden Gewänder für Miss Granger und Miss Weasley.“ Jolande nickte und verschwand wieder im Lager.

Nachdem der Verkäufer abermals Harry begutachtet hatte und dabei unmerklich das Gesicht verzog, was man lediglich an seinem Schnurrbart sehen konnte, denn eine Seite der aufgeplusterten Oberlippenhaarpracht schien sich selbstständig zu machen und wanderte ein wenig in die Höhe, da sagte Hermine: „Wir suchen für unseren Freund ein Festgewand. Es soll für eine Hochzeitsfeier sein.“
„Oh“, machte er, als sich der Mann ertappt fühlte, Harry angestarrt zu haben.

Er kam auf Harry zu und betrachtete seinen Kunden mit kritischem Auge von oben bis unten, während Harry verlegen überall hinschaute, nur nicht ins Gesicht des Verkäufers oder auf dessen riesigen Schnauzer, der an den Seiten nach oben gedreht war. Der Verkäufer ging langsam um Harry herum und begutachtete ihn. Jolande kam derweil zurück in den Verkaufsraum; hinter ihr schwebten die beiden Gewänder, die sie in der Luft hängen ließ, so dass Hermine und Ginny sie sich ansehen konnten.

„Jolande, holen Sie bitte eine kleine Auswahl unserer Beamish-Garderoben.“ Der Verkäufer hatte seine Kollegin nicht einmal angesehen, sondern stattdessen Harrys Statur sehr genau betrachtet.
„Welche Größe, Sir?“, fragte die Angestellte.
Den Rumpf seines Kunden musternd sagte er näselnd: „Etwas mit schmalen Schultern.“ Harry spürte, wie seine Wangen heiß wurden. „Und im Schritt etwas enger, mit nicht ganz so langen Hosenbeinen. Holen Sie bitte auch das schwarze Ensemble mit der tannengrünen Stickerei.“

’Im Schritt etwas enger’, echote es in Harrys knallrotem Kopf.

Nach nur zwanzig Minuten hatten alle drei ihre verkleinerten und rissfest gezauberten Festgewänder in der Tasche. Harry war noch immer rot wie eine Tomate, doch Ginny und Hermine unterhielten sich angeregt über den offensichtlich fähigen, wenn auch recht eigentümlichen Verkäufer, der nur mit den Augen hatte Maß nehmen müssen und darüber hinaus auf Anhieb eine passende Farbe für Harry gewählt hatte.

„Ich muss jetzt nach Malfoy Manor und mir anhören, was ich als übermorgen als Trauzeugin alles tun und sagen muss“, sagte Hermine verabschiedend.
Die beiden wünschten ihr viel Spaß, bevor sie selbst wieder nach Hogwarts zurückgingen.

In Malfoy Manor begrüßte Hermine die Familie Bones. Susans Eltern hatte sie nur einmal während des Krieges kennen gelernt, als sie mit Susan zusammen im Keller des elterlichen Hauses einen Trank gebraut hatten, der den Inferi schneller den Garaus machen sollte. Susans Trauzeugin war auch anwesend und wirkte ein wenig verschüchtert.

„Hallo Hannah“, grüßte Hermine gut gelaunt.
„Hermine, du siehst gut aus.“ Hannah umarmte sie kurz, wie sie es nach der Schule oft getan hatten, wenn sie sich auf einem von Harry einberufenen DA-Treffen gesehen hatten.

Draco und seine Mutter übernahmen die kleine Führung durchs Haus, damit besonders Mr. und Mrs. Bones sich einen Überblick über die vorhandenen Räume machen konnten, die den Gästen zur Verfügung stehen sollten. Hannah und Hermine schlenderten den anderen hinterher und unterhielten sich, auch wenn die Stimmung von Hannahs Seite aus ein wenig bedrückt schien.

„Ich habe gehört, du hast deinen ’Heiler’ gemacht?“ Hannah hatte miterlebt, wie Hermine noch während der Kriegszeit sich dem Mungos verpflichtet hatte.
„Ja“, bestätigte Hermine stolz. „Ich bin wirklich froh, dass ich mich dazu entschlossen hatte.“
„Und jetzt machst du noch deinen Meister in Zaubertränken?“, wollte Hannah wissen, obwohl sie davon offensichtlich bereits Kenntnis hatte.
Nickend bejahte Hermine. „Ich wollte erst bei Belby anfangen, aber der hat keine Schüler mehr genommen. Im Nachhinein war es ganz gut so, er ist ja leider verstorben. Ich glaube, das hätte ich nicht ertragen, hätte ich ihn eines Morgens tot aufgefunden.“
„Ja, davon habe ich gehört. Ich weiß ja, dass Remus sich immer bei ihm den Trank abgeholt hatte. Ich hoffe, er hat einen anderen Tränkemeister gefunden, der genauso wie Belby vertrauenswürdig ist.“
Hermine konnte es sich nicht verkneifen, Hannah zu offenbaren: „Snape macht den Trank.“ Verwundert und mit ein wenig Abscheu aufgrund der unangenehmen Erinnerungen an ihren ehemaligen Lehrer blickte Hannah fragend auf, weswegen Hermine versicherte: „Ja, wirklich! Na ja, eigentlich braue ich den Trank, aber alles mit Snapes Zutaten und er verlangt nicht einmal etwas von ihm.“
Mit hörbaren Spott konterte Hannah: „Wahrscheinlich nur, weil Snape in den Trank spuckt, bevor er ihn Remus gibt.“
„Nicht doch, Hannah“, beschwichtigte Hermine ihre ehemalige Schulkameradin, denn es war ja kein Geheimnis, dass Hannah durch Todesser ihre Mutter verloren hatte, weswegen sie wenige Wochen nach Beginn des sechsten Schuljahres von Hogwarts abgegangen war. Ihre verständliche Abneigung gegenüber Todessern schien sich aufgrund der Hochzeit ihrer besten Freundin Susan wieder neu entfacht zu haben.

Vorwurfsvoll und gereizt fragte Hannah: „Warum musstest du ausgerechnet bei Snape anfangen?“
„Weil er einer der besten Zaubertränkemeister ist, wie auch Belby einer gewesen war“, erwiderte Hermine ehrlich.
„Er ist ein Kotzbrocken!“
„Ich komme mit ihm gut aus.“ Hermine seufzte, bevor sie sagte: „Du hast doch damals auch Harrys Rede bei der Verleihung des Ordens verfolgt, Hannah. Auch ich sehe gewisse Dinge heute anders als früher, weil ich sie verstehe.“
„Darf ich ganz ehrlich sein?“ Ihr Gegenüber klang sehr schnippisch, doch trotzdem nickte Hermine, so dass Hannah sehr pampig erklärte: „Die Verbrechen von damals können nicht einfach wegapplaudiert werden, nur weil sich gewisse Herren, die ein bestimmtes Zeichen auf ihrem Unterarm tragen, von einer Sekunde zur anderen von einer anderen Seite zu zeigen versuchen. Ich verstehe nicht, wie Susan über so etwas hinwegsehen kann.“
„Draco hat niemanden auf dem Gewissen!“, verteidigte Hermine ihn.
„Aber mit Sicherheit sein Vater! Susan heiratet in eine Familie ein, die einfach nicht gut für sie ist!“
Mittlerweile hatte sich Hermine den gleichen bissigen Ton angeeignet. „Warum bist du denn Trauzeugin geworden, wenn du so abfällig darüber denkst?“

Sie wurden unterbrochen, als zwei Herren vom Ministerium kamen, damit die Zeremonie geprobt werden konnte. Hermine und Hannah folgten den anderen und als sie den grünen Salon betraten, betrachtete sich Hermine für einen Moment in einem Spiegel; man konnte ihr ansehen, dass ihr eine Laus über die Leber gelaufen war.

Im gleichen Moment blickte Harry in den großen Spiegel im Schlafzimmer, um nochmals sein Festgewand zu bestaunen, das er sich übergezogen hatte. So etwas Edles hatte er noch nie getragen und der Verkäufer hatte Recht behalten, denn die dunkelgrüne Seidenstickerei auf der schwarzen Hose und dem passenden Umhang schmeichelte seiner gesamten Erscheinung. Elegant warf Harry seinen Umhang ein wenig zurück und kam sich dabei für einen Moment so vor wie Gilderoy Lockhart, bei dem er diese selbst schmeichelnde Geste damals mehrmals beobachtet hatte. Er nahm sich vor, seinen Umhang nie wieder auf diese Art über seine Schultern zu werfen.

Ginny saß ruhig auf dem Bett und stillte Nicholas, während sie Harry beobachtete und dabei leise in sich hineingrinste. Als Harry den Umhang komplett ausgezogen hatte und er das taillenbetonte Jackett mit seinem dezenten grünschwarzen Muster betrachtete, da hörte er hinter sich: „Knackig!“
Schmunzelnd blickte er Ginny an, bevor er erneut in den Spiegel schaute und sagte: „Das Einzige, was so gar nicht zum Gesamtbild passen will, sind meine Haare.“

Mit beiden flachen Händen versuchte er die Haare platt an den Kopf zu drücken, doch kaum ließ er von ihnen ab, sprangen sie wieder in ihre ursprüngliche, zerzauste Form zurück.

„Dafür muss es doch einen Zauberspruch geben“, murmelte er.
„Lass die Haare wie sie sind, Harry. Jeder kennt dich so.“

Nicholas war während seines Mittagessens eingeschlafen, doch trotzdem klopfte Ginny ihm zaghaft auf den Rücken, bis die Luft in seinem Bauch von ganz allein entwich, bevor sie ihn in die Wiege legte und zudeckte.

„Was machen wir mit Nicholas? Nehmen wir ihn mit?“, wollte Harry wissen.
„Allein möchte ich ihn nicht lassen, denn soweit ich weiß, hat Draco vorhin unseren Elf mündlich zur Hochzeit eingeladen.“ Die Verwunderung in Harrys Gesicht konnte man gar nicht übersehen, selbst wenn man sich sehr angestrengt hätte. Ginny lachte kurz auf, bevor sie ihm ihre Gedanken mitteilte. „Wir nehmen einfach die kleine Tragetasche für Nicholas mit und ein paar Windeln und wenn er Hunger hat, gibt es bestimmt ein freies Zimmer, das ich für den Moment belegen darf.“

Ihr Blick fiel erneut auf seine eng anliegende Hose.

Sie seufzte verführerisch, bevor sie flüsterte: „Schnittig!“
„Was? Die Hose?“, fragte er unschuldig, während er an sich hinunterblickte und kurz darauf seine Beinkleider kritisch im Spiegel beäugte und sich sogar zur Seite drehte, um seine wohl geformte Kehrseite zu betrachten.
Sie nickte, fügte aber schelmisch grinsend hinzu: „Und noch vieles mehr.“ Sie stand vom Bett auf, stellte sich direkt hinter ihn und hakte ihre Daumen im Hosenbund ein, um ein wenig daran zu zupfen. Den Verkäufer wiederholend sagte sie neckisch: „Und im Schritt etwas enger…“

Giggelnd ergriff Harry ihre Hände und legte ihre Arme um seine Taille, so dass sie sich eng an seinen Rücken schmiegen konnte.

Ginny drückte liebevoll zu und flüsterte: „Weißt du, auf was ich mich freue?“
„Auf was?“
„Auf unsere Flitterwochen!“, erwiderte sie.
„In einem halben Jahr, Ginny, dann ist es soweit“, versicherte er ihr, doch sie seufzte.
„Weißt du, was gemein ist?“ Weil Harry den Kopf schüttelte, erklärte sie betrübt: „Tonks und Remus waren von uns allen am längsten verlobt. Noch vor uns beiden und vor Sirius und Anne. Ich finde das so schade.“
„Sie warten, Ginny, bis sich das Blatt für sie zum Guten wendet und dann werden sie die Ersten sein, die den Antrag beim Ministerium einreichen.“ Harry lächelte ihr im Spiegel zu und vermutete laut: „Man wird sicherlich über sie in den Zeitungen berichten; der erste Werwolf, der vor den Traualtar tritt!“
„Es muss schlimm für die beiden sein“, begann Ginny, „dass jeder um sie herum das bekommt, was die beiden sich so sehr wünschen.“

Langsam drehte sich Harry zu Ginny herum, um sie in den Arm zu nehmen und auf die Wange zu küssen. Er bekam nicht genug und küsste sie auch auf die Stirn und weil sie ihre Augen schloss und wonnig stöhnte, schenkte er ihr auch je einen Kuss auf ihre sanften Augenlider. Allerdings hatte Harry gar nicht damit gerechnet, dass Ginny ihn an den Oberarmen packen und aufs Bett werfen würde.

„Ginny.“ Es war ein erstauntes, wenn auch erwartungsvolles Flüstern gewesen.
Sie lächelte breit, legte sich auf ihn und küsste ihn stürmisch, bevor sie mit einem Schalk im Nacken sagte: „Dann wollen wir mal sehen, wie gut der Anti-Knitterzauber an deiner Kleidung hält, den Mr. Hemline uns für ’nur 23 Galleonen Aufpreis’ aufgeschwatzt hat!“

Zur gleichen Zeit in Malfoy Manor erhaschte Hermine einen Blick auf Draco, der einen Kuss von Susan stahl. Beide strahlten dabei über das ganze Gesicht. Ihre Augen wanderten einige Meter weiter zu Hannah, die das ebenfalls gesehen hatte und mit betretener Miene den Kopf schüttelte. Mr. und Mrs. Bones verabschiedeten gerade zusammen mit Mrs. Malfoy die Angestellten des Ministeriums, die sie übermorgen zur Trauung nochmals sehen würden.

Unter sich ließen sie sich im grünen Salon nieder. Hermine beobachtete, dass Susan sich verträumt den ganzen Raum ansah und sie ahnte, dass die zukünftige Braut sich vorzustellen versuchte, wie dieses Zimmer in zwei Tagen mit so vielen Gästen, der Dekoration von Wobbel und der riesigen Hochzeitstorte aussehen könnte.

„Ich habe noch eine kleine Überraschung für euch beide“, sagte Narzissa an ihren Sohn und dessen Verlobte gerichtet. Die anderen durften auch in den ersten Stock folgen und Hermine bemerkte, dass sie selbst wegen dieser Überraschung genauso aufgeregt war wie Susan und Draco.

Oben angelangt ging Narzissa einen der Flure hinunter, die zu den privaten Räumlichkeiten gehören mussten, denn hier hatten nur Draco, Narzissa und Wobbel aufgeräumt. Vor einer der vielen Türen stehend bleibend wandte sich Narzissa zu ihren Gästen. Ein seliges Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab, bevor sie die Tür öffnete, so dass Draco und Susan als Erste eintreten konnten. Hermine war mit Hannah zusammen die Letzte, die den Raum betrat, der sich als neu eingerichtetes Kinderzimmer entpuppte. Spätestens mit diesem Zimmer hatte Malfoy Manor seine dunkle Atmosphäre vollends abgelegt. Die helle Tapete mit ihren Häschen und Blumen fand selbst Hermine niedlich. Ein verträumtes Kinderbettchen mit sonnengelben Vorhängen stand in der Nähe des Fensters, gleich dahinter ein Wickeltisch aus hellem Holz. Die Wände waren mit neckischen Bildern verziert und verteilt im Zimmer lagen oder saßen überall Stofftiere und anderes Spielzeug.

Nachdem Hermine sich das Zimmer mit einem Anflug von Wehmut betrachtet hatte, hörte sie jemanden schluchzen. Es war Susan gewesen, der Freudentränen in den Augen standen und deren Lächeln nicht breiter hätte sein können, während sie sich das Zimmer besah und derweil ihren runden Bauch streichelte.

„Ich sehe schon“, scherzte Mr. Bones, „dass meine Tochter nichts mehr bei uns halten wird.“ An Susan gewandt fragte er: „Dann steht es fest? Du wirst nach der Geburt hier wohnen?“
„Ja, das möchte ich gern“, erwiderte sie und man konnte sehen und hören, dass sie es gar nicht abwarten konnte.

Nach der kleinen Überraschung für Draco und Susan flohte Hermine wieder nach Hogwarts. Sie konnte es sich selbst nicht erklären, aber im Moment fühlte sie sich leer. Erst dachte sie, der Stress der letzten Tage hätte an ihren Kräften gezehrt, aber diese Art von Leere kannte sie noch zu gut aus Kriegszeiten und das, was sie jetzt verspürte, war etwas anderes. Der Gedanke daran, den heutigen Abend allein in ihrem Wohnzimmer zu verbringen, ließ sie mit einem Überraschungsbesuch bei Harry und Ginny liebäugeln, so dass hinunter ins Erdgeschoss ging. Als Anlass für ihren Besuch könnte sie das Gespräch mit Hannah nehmen.

Im Wohnzimmer ihrer Freunde angekommen fielen ihr gleich die beiden Kisten auf, die Harry noch immer nicht durchgesehen hatte. Offensichtlich konnte er sich nicht von den Erinnerungsstücken trennen, auch wenn es sich dabei nur um kaputtes Spielzeug handelte, welches er bei den Dursleys in seine kleinen Finger bekommen und nie wieder hergegeben hatte.

Sich den Kisten und somit auch der Schlafzimmertür nähernd wollte Hermine gerade laut nach Harry und Ginny rufen, als sie hinter der Tür Geräusche vernahm. Innehaltend lauschte sie und als sie sich der Situation bewusst wurde, fühlte sie, wie die Schamesröte über ihr Gesicht kriechen musste, denn ihre Wangen wurden ganz heiß. Es war ihr weniger unangenehm, versehentlich hier zu stehen und den eindeutigen Seufzern zu lauschen, denn viel unangenehmer wäre es, wenn einer der beiden unerwartet die Tür öffnen würde und sie in die Verlegenheit kommen würde, sich rechtfertigen zu müssen.

Sie entschloss sich dazu, die beiden allein zu lassen und so lautlos wie nur möglich das Wohnzimmer zu verlassen, um die Angelegenheit zu vergessen, als ihr Blick abermals auf die beiden Kisten mit Harrys alten Habseligkeiten fiel. In einem der großen Pappkartons befanden sich die wenigen Dinge, die einst Harrys Eltern gehört hatten; es war jedoch die andere Kiste, die ihr Interesse weckte.

Leise kniete sie sich nieder – die Geräusche aus dem Schlafzimmer ignorierend –, um die oberste Kiste zu öffnen. Sie nahm einige von Harrys alten Schulsachen heraus und auch das Fotoalbum, das Hagrid ihm mal geschenkt hatte.

Nach und nach räumte sie die Kiste leer, indem sie alles neben sich stapelte und dann, fast am Boden des Kartons, erhaschte sie einen Blick auf das Objekt ihrer Begierde. Sie nahm keine Notiz davon, dass der Stapel neben der Kiste langsam zur Seite rutschte und das schwere Fotoalbum dumpf, wenn auch recht leise, auf den Boden schlug.

Nebenan im Schlafzimmer öffnete Harry abrupt seine Augen und drehte seinen Kopf zur Tür. Er bedeutete Ginny, sich nicht zu bewegen und er selbst musste den Atem anhalten, um etwas hören zu können. Tatsächlich vernahm er ein leises, reibendes Geräusch, das sich so anhörte, als würde jemand mit der flachen Hand über einen ledernen Buchrücken streichen.

Flüsternd fragte Ginny: „Ist da etwa jemand im Wohnzimmer?“ Er blickte sie an und nickte, bevor er Ginny wortlos dazu aufforderte, von ihm hinunterzusteigen, damit er nachsehen konnte.

Als Erstes nahm er seinen Zauberstab vom Nachttisch, bevor er sich seinen Morgenmantel überwarf und zur Tür ging. Nach einem wortlosen Zauber, damit die Tür sich lautlos öffnen würde, spähte er durch einen kleinen Spalt ins Wohnzimmer.

Verwundert darüber, dass Hermine heimlich in seinen Sachen kramte – nicht, dass es ihm etwas ausmachen würde, weil sie den Inhalt der Kisten längst kannte – schaute er weiter zu, ohne sie aufzuschrecken. Nach einem kurzen Augenblick verstand er, was Hermine dazu bewegt hatte, sich so still wie möglich zu verhalten.

Als sie das fand, wonach sie gesucht hatte, nahm sie es an sich, räumte die Kiste wieder ein und verließ schleunigst das Wohnzimmer.

Sich zu Ginny umdrehend und die Tür wieder schließend sagte Harry: „Es war nur Hedwig.“
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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146 Babbelhäschen




Durch die Gänge von Hogwarts schwebend näherte sich der Hausgeist der Gryffindors der Bibliothek, doch nicht die wollte er aufsuchen, sondern eine ehemalige Schülerin, die im gleichen Stock wohnte. Ihre verschlossene Tür stellte für seine transparente Form kein Hindernis dar und so drang er in ihr Wohnzimmer ein, womit er sie erschreckte.

„Herrje!“ Hermine fasste sich an die Brust.
„Ich bedaure außerordentlich Sie so überrascht zu haben. Ich hätte sehr gern geklopft, Miss Granger, aber…“ Er schlug demonstrativ auf ihren Couchtisch, doch seine Hand fuhr natürlich hindurch.
„Ist schon gut, Sir Nicholas.“ Sie lächelte ihm zu und sagte: „Der Direktor hatte mir gesagt, Sie würden mich sprechen wollen? Ich habe nach Ihnen gesucht, aber ich konnte Sie nicht finden.“
„Das ist der Grund“, begann er, „weshalb ich Sie erneut aufsuche, meine Teuerste. Sie hatten mir vor gut zwei Monaten eine Frage gestellt und die Antwort darauf ist mir vor kurzem eingefallen.“ Sie machte einen erstaunte Gesichtsausdruck, woraufhin er erklärte: „Nun gut, es ist jemand anderem eingefallen, aber ich konnte mich wieder daran erinnern, als wir über das Thema gesprochen hatten.“
„Ich bin ganz Ohr.“
„Sie wissen sicherlich noch, dass ich an einem 31. Oktober meinen Tod gefunden hatte. Ich habe nun seit ihrer Frage im ganzen Schloss mit Gemälden und Geistern über die Situation gesprochen. Sie wissen schon, Miss Granger“, sagte er, als sie ihn fragend anblickte. Um ihr auf die Sprünge zu helfen, erklärte er: „Die Augenfarbe von Professor Snape.“
„Ja, natürlich.“ Für einen Moment hatte sie tatsächlich vermutet, das Thema würde sich um seine letzte Feier zum Todestag handeln.
„Nun, ich habe mich sehr ausführlich mit Professor Binns kurz nach meiner letzten Todestagsfeier unterhalten und er bestätigte mir, dass wir es gewesen waren, die uns damals schon darüber unterhalten hatten, was wohl der Grund für diesen merkwürdigen Wandel der Augenfarbe hätte sein können. Sie wissen sicherlich, dass Professor Binns damals auch schon ein Lehrer von Professor Snape gewesen war?“
„Ich gehe davon aus, Sir Nicholas. Professor Binns ist ja bereits vor etlichen Jahrzehnten von uns… ähm, verstorben, meine ich.“ Die Phrase „von uns gegangen“ traf nicht ganz zu, denn er unterrichtete ja noch heute das Fach „Geschichte der Zauberei“.

Näher an Hermine heranschwebend beäugte Sir Nicholas das dicke Buch auf ihrem Schoß. Schon einmal hatte er sie in einer ähnlichen Situation aufgefunden und das war in der Bibliothek gewesen – der Tag, an dem er ihr gesagt hatte, dass Severus als Schüler hellere Augen gehabt hätte.

„Sie sagten, die Augen von Professor Snape hätten von einen Tag auf den anderen ihre Farbe gewechselt“, rief sich Hermine ins Gedächtnis zurück.
„Ja, das muss ich noch ein wenig korrigieren, Miss Granger. Sie hatten nach dem Zeitpunkt gefragt, an dem das geschehen war.“ Sie nickte, so dass er erklärte: „Als ich mich mit Professor Binns unterhalten hatte, hatte er rigoros gegen meine Vermutung gehalten, es wäre an Halloween 1981 geschehen. Er schilderte mir daher die Ereignisse, an die er sich noch lebhaft erinnern konnte.“
„Warum dachten Sie aber erst, dass es zu Halloween geschehen wäre?“, wollte Hermine wissen.
Sir Nicholas kam dichter an sie heran und antwortete mit leiser und sehr ernster Stimme: „Weil zu Halloween durchaus etwas Sensationelles stattgefunden hatte.“ Er legte den Kopf leicht schräg, so dass er ein wenig wackelte, bevor er flüsterte: „Während meiner Feier in jener Nacht im Jahre 1981 drang das Gerücht bis an unsere Ohren, dass Voldemort besiegt worden wäre. Am nächsten Tag stand es in allen Zeitungen! Niemand hat mehr über etwas anderes gesprochen.“
Die Neugierde stand Hermine im Gesicht geschrieben. „Und was konnte Professor Binns Ihnen in Bezug auf Professor Snape sagen?“
„Der Gute erinnert sich noch ganz genau daran, dass Professor Snape ab dem ersten November –also genau einen Tag später – dem Unterricht ferngeblieben war; er war nicht einmal zur Lehrerversammlung erschienen, wo man Voldemorts Tod gefeiert hatte. Professor Snape hatte sich in seinen Kerkern verkrochen, er schien krank zu sein. Es war Professor Dumbledore persönlich gewesen, der als Vertretung für die Zaubertränke-Klassen eingesprungen war und zwar bis zu dem Tag, an dem Professor Snape wieder am Alltag teilgenommen hatte.“
„Wann…?“ Hermine verschluckte sich vor Aufregung. „Wann war das?“
„Nach etwas über sieben Wochen hatte Professor Snape sich wieder blicken lassen. Es war Heiligabend gewesen, als er unerwartet in der großen Halle dem Fest beigewohnt hatte.“

Hermine ließ sich das Gesagte durch den Kopf gehen. Um nichts misszuverstehen fasste sie zusammen: „Sieben Wochen nachdem Voldemort Harrys Eltern ermordet hatte und von Bildfläche verschwunden war, da hat sich Professor Snape wieder gezeigt und das war der Moment, wo Professor Binns und Ihnen die dunklere Augenfarbe aufgefallen war?“
„Korrekt! Es war also nicht von einem Tag auf den anderen, wie ich es ursprünglich gedacht hatte. Es kam mir so vor, verstehen Sie?“
„Ob jetzt von einem Tag auf den anderen“, wiederholte Hermine, „oder ob nach sieben Wochen: So oder so ist es ungewöhnlich, dass sich die Augenfarbe eines erwachsenen Mannes ändert.“
„Da stimme ich Ihnen weiterhin zu, meine Gute. Immerhin war diese Merkwürdigkeit so bizarr, dass ich mich noch heute daran erinnern kann. Professor Dumbledore schien damals überaus besorgt um Professor Snape, wie Professor Binns mir mitgeteilt hatte.“

Sir Nicholas schwebte zur Balkontür hinüber und bewunderte die Aussicht auf die verschneite Landschaft. Währenddessen verarbeitete Hermine bereits das, was sie eben erfahren hatte. Sieben Wochen wären ihrer Meinung nach genug Zeit für einen erfahrenen Zaubertränkemeister, um ein wenig zu recherchieren, etwas zu brauen und sich selbst einen Trank zu verabreichen, der seine Gefühle isolieren würde. Sir Nicholas hatte erwähnt, dass Severus nach dem Tod von Harrys Eltern krank zu sein schien, weswegen er sich in seinen Kerkern verbarrikadiert hatte. Die einzige Krankheit, die Hermine mit Severus in Zusammenhang bringen konnte, war eine Depression und es war nicht auszuschließen, dass Severus besonders nach Lilys Tod an genau diesem Krankheitsbild gelitten haben konnte; es sprach sogar einiges dafür.

Nachdem Sir Nicholas sich von ihr verabschiedet hatte nahm Hermine den Gegenstand aus ihrer Hosentasche, den sie vorhin bei Harry aus der Kiste hatte mitgehen lassen. Mit einem Spruch gab sie ihm seine ursprüngliche Größe wieder, um ihn zu betrachten. Das Objekt gehörte zwar Harry, doch Hermine brachte es in erste Linie mit Severus in Zusammenhang. Sie seufzte bestürzt, bevor sie den Gegenstand faltete und wieder verkleinerte, damit sie ihn immer bei sich tragen konnte, um ihn im passenden Moment einsetzen zu können.

Einige Stockwerke unter Hermine ging Draco nochmals die Briefe durch, die heute Morgen gekommen waren. Im Laufe des Tages waren noch viel mehr von Eulen gebracht worden. Niemand hatte bisher abgesagt, doch ein Brief war ungeöffnet zurückgekommen und zwar der, den Draco in Mungos geschickt hatte; an Blaise Zabini.

„Susan“, rief er seine Verlobte über den Kamin. Nachdem sie sich gemeldet hatte fragte er: „Kann man Blaise im Mungos besuchen oder ist da kein rankommen?“
„Er darf Besuch empfangen, er ist ja mittlerweile freiwillig dort“, erwiderte sie, so dass er seinen Entschluss gefasst hatte. Sicherlich hatte man den Brief im Mungos einfach nicht korrekt zugestellt, so dass er zurückgekommen war und Draco hielt es für besser, die Einladung für die morgige Hochzeit persönlich abzugeben.

„Was bringt man jemandem mit, der im Krankenhaus liegt?“ Er wäre für jeden ihrer Ratschläge dankbar.
„Bring ihm etwas Süßes mit oder ein Buch“, war ihre Antwort gewesen.
Bevor er sich jedoch von ihr verabschiedete, fragte er noch: „Weiß man denn, was mit seiner Mutter geschehen ist?“
„Nein, sie gilt weiterhin als vermisst, wie so viele andere auch.“

In der Winkelgasse, die er sowieso noch wegen der Eheringe aufsuchen musste, schaute er nach Büchern. Das Thema der aktuellen Literatur war noch immer der Krieg. Viele Autoren hatten Einzelschicksale von Kriegsopfern in ihren Werken verarbeitet und Draco war der Meinung, dass dies kein Thema für einen Mann war, der dem Frieden noch immer nicht traute und so griff er zu einem Klassiker der Unterhaltungsliteratur. Mit einer aktuellen Auflage von „Babbelhäschen und sein schnatternder Stummelschwanz“ ging er zur Kasse. Das Geschenk, welches er in hübsches Papier hatte verpacken lassen, würde er natürlich dem Kind machen, welches offensichtlich aus einer Verbindung von Blaise mit Pansy hervorgegangen war.

Für Blaise selbst schaute er in einer Schokolaterie vorbei, in welcher ihn der Duft von Kakao und Likör begrüßte und ihn dazu animierte, auch für sich selbst etwas Süßes zu kaufen. Für Pansy erwarb er anstandshalber einen Strauß Blumen, auch wenn sie sehr wahrscheinlich nichts davon haben würde.

Auf seinem Weg ins Mungos rief sich Draco Ereignisse aus der Schulzeit ins Gedächtnis zurück. Er hatte sich damals sehr häufig mit Blaise unterhalten, wollte sich gut Freund mit ihm machen, damit er ebenfalls in den Slug-Club aufgenommen werden würde, doch Professor Slughorn hatte seine Meinung nicht geändert. Blaise war Mitglied des Clubs gewesen, Draco nicht.

„Entschuldigen Sie bitte“, sagte Draco an der Information des Krankenhauses. Eine junge Dame, auf deren Namensschildchen „Gwen“ zu lesen war, blickte auf, so dass Draco sein Anliegen vermitteln konnte. „Ich würde gern Mr. Blaise Zabini besuchen.“ Der jungen Frau war der Name offenbar geläufig, hatte jedoch nicht damit gerechnet, dass dieser Patient Besuch erhalten könnte.

Der Station, die Gwen genannt hatte, näherte sich Draco mit einem mulmigen Gefühl. Einem Wachmann, der ihn zunächst fragte, was er hier zu suchen hatte, schilderte er sein Anliegen, bevor der Mann eine Schwester rief, die Draco auf der Station in Empfang nahm.

„Zu wem möchten Sie bitte?“ Die Schwester lächelte freundlich.

Dracos Augen erhaschten einen Blick auf das Schildchen über ihrer Brust. Sie hieß Marie.

„Ich würde gern Mr. Zabini besuchen“, antwortete Draco ehrlich, während er das Buch, die Schachtel mit gefüllter Schokolade und den Blumenstrauß in seinen Händen balancierte.

Der Schwester folgend hielt er an einer Tür und er wartete geduldig, als sie klopfte und er ein „Herein“ vernehmen konnte. Bevor sie eintrat, wandte sich die Schwester an Draco.
„Ich werde Sie erst ankündigen. Wenn ich bitte Ihren Namen erfahren dürfte?“
„Malfoy, Draco Malfoy.“

Die Schwester blickte ihn erst ungläubig, dann mit einem Male voller Verständnis an, so als hätte sie gerade eben Gewissheit über etwas erlangt. Wahrscheinlich, so dachte Draco, kannte sie ihn oder seinen Namen aus den Zeitungen. Sicherlich brachte sie mit seiner Person nur die Gräueltaten in Verbindung, die den Todessern zuzuschreiben waren.

„Sie sind der Sohn von Lucius Malfoy“, sagte sie sehr sicher und seltsamerweise auch lächelnd, so dass Draco lediglich irritiert nickte. „Wissen Sie, ich kümmere mich hier um Ihren Vater.“

Bevor er etwas fragen konnte ging sie allein in das Krankenzimmer und kündigte den Gast an, was Dracos Meinung nach sehr lange dauerte, doch er wartete geduldig. Blaise hatte sehr wahrscheinlich außer von Auroren noch keinen persönlichen Besuch erhalten und gerade ihn würde er nicht erwarten.

Nach einer ganzen Weile wurde Draco endlich hineingebeten. Sein Blick fiel sofort auf Blaise, der sehr steif wirkte. Die Schwester verließ den Raum nicht und Draco nahm an, dass Blaise sie gebeten haben musste, dem Besuch beizuwohnen. Im Zimmer war niemand anderes.

„Hallo Blaise“, grüßte Draco ein wenig gehemmt, denn er war plötzlich von Unbehagen eingenommen worden. Den Mann vor sich erkannte er definitiv als seinen ehemaligen Mitschüler, aber Blaise hatte kein freundliches, nicht einmal ein arrogantes Lächeln auf den Lippen.

„Mr. Malfoy“, sagte Blaise distanziert grüßend.
Dass sie sich als Kinder bereits gekannt hatten gab Draco nicht das Recht, ihn jetzt nach all den Jahren wie selbstverständlich zu duzen, weswegen er sagte: „Entschuldigen Sie bitte, Mr. Zabini, ich habe wohl meine Manieren vergessen.“ Hier zog Blaise erstaunt eine Augenbraue in die Höhe.
„Warum sind Sie hier, Mr. Malfoy?“, wollte Blaise wissen.
„Ich wollte Ihnen einen Besuch abstatten und Ihnen etwas überreichen.“

Als er einen Schritt nach vorn machte, da wich Blaise vor ihm zurück, so dass Draco einen Moment innehielt, bevor er sich viel langsamer auf ihn zu bewegte, um ihm die Mitbringsel zu überreichen.

„Der Strauß ist für Miss Parkinson“, sagte Draco höflich, während er ihm die Blumen entgegenhielt, doch Blaise deutete auf den Tisch, weswegen Draco ihn wortlos dort ablegte. Einmal mit der Schachtel Schokolade winkend sagte Draco: „Ich glaube mich daran erinnern zu können, dass Sie mit Likör gefüllte Pralinen bevorzugen.“ Draco rang sich trotz der eisigen Atmosphäre ein Lächeln ab. Da Blaise auch dieses Geschenk nicht in die Hände nehmen wollte, legte Draco die Schachtel unaufgefordert auf den Tisch direkt neben die Blumen. Da er das Kind nicht sehen konnte, reichte er Blaise nicht das Geschenk, sondern den Umschlag mit der Einladung zur Hochzeit, doch der wich abermals einen Schritt zurück und warf der Schwester einen hilfesuchenden Blick zu.

Schwester Marie, die sich die ganze Zeit über äußerst ruhig verhalten hatte, eilte zu den beiden Männern hinüber und streckte die Hand aus, so dass Draco ihr, wenn auch zögerlich, den Umschlag gab. Blaise nickte der Schwester zu, so dass sie den Umschlag öffnete und den Inhalt las.

Sie lächelte verträumt und blickte Draco wohlwollend an, bevor sie sich Blaise zuwandte und sagte: „Die Einladung zu einer Hochzeit, Mr. Zabini.“
Erklärend sagte Draco: „Der Brief war zurückgekommen und da dachte ich, er wäre womöglich intern im Krankenhaus nicht anständig weitergeleitet worden…“
Blaise unterbrach und stellte richtig: „Ich habe die Annahme verweigert.“
„Oh“, machte Draco, der um weitere Worte verlegen war.

Sich die Einladung geben lassend las Blaise den Text selbst, während Draco mit dem Geschenk in der Hand spielte und sich im Zimmer umsah. Unter dem Bett lugte etwas hervor, das Dracos Aufmerksamkeit erregte und neugierig wie er war bückte er sich, um den Gegenstand in Windeseile aufzuheben, so dass Blaise ihn nicht davon abhalten konnte. Verdutzt starrte Draco auf das dünne Buch, welches er nun in der Hand hielt.

„’Die Abenteuer von Zottel, dem Schwarzbären’“, las Draco laut den Titel vor, bevor er lächelte. „Das kenne ich auswendig, das hatte ich nämlich früher auch“, gestand er gleich darauf. Er schlug das Buch auf und genoss den Hauch Kindsein, den das Bild des schwarzen Bären in ihm weckte, doch als er auf die linke Seite – den Buchdeckel – aufmerksam wurde, das las er murmelnd vor: „’Für meinen Patensohn Draco – Severus, 1983.’“ Er stutzte. „Das war ein Geburtstagsgeschenk an mich…“
„Wir haben es nicht gestohlen“, verteidigte sich Blaise mit ruhiger Stimme, der die Hochzeitseinladung im gleichen Moment auf den Tisch gelegt hatte. „Die Aurorin hat es mitgebracht. Du kannst es wiederhaben.“
„Nein!“ Eine gedämpfte Stimme unter dem Bett hatte Widerspruch eingelegt, weswegen Blaise seufzte.
Amüsiert blickte Draco vom Bett wieder hinüber zu Blaise, bevor er sagte: „Dein Bett hat gesprochen.“

Als Draco unter dem Bett nachsehen wollte, da hielt Blaise ihn auf.

„Ich will ganz offen sein, Draco“, begann Blaise, bevor er einmal zu Marie hinüberblickte, die weiterhin im Zimmer blieb. Draco hörte aufmerksam zu, als Blaise sagte: „Du bist ein Todesser und ich traue dir nicht. Die Schokolade kannst du wieder mitnehmen, ich würde sowieso kein Stück davon essen und die Blumen würde ich nicht einmal im Traum auch nur in Pansys Nähe bringen.“
„Aber…“
Draco wurde unterbrochen, als Blaise aufgebracht fragte: „Warum lädst du mich und Pansy überhaupt ein? Mal ganz abgesehen davon, dass sie das Krankenhaus nicht verlassen kann.“
„Weil ich denke, dass die Abwechslung dir und“, er blickte zum offensichtlichen Versteck des Mädchens, „’deinem Bett’ gut tun könnte. Du würdest eine Menge Leute wiedersehen, die du noch von früher kennst.“
„Und welche wären das? Ich habe kein Interesse daran, meine ehemaligen Slytherin-Kameraden zu treffen, denn viele von denen waren ebenfalls Todesser.“
„Zum Beispiel Harry Potter“, prahlte Draco und im gleichen Atemzug, als er den Namen seines neuen Freundes genannt hatte, bereute er es auch schon, ihn auf diese Weise benutzt zu haben.
„Ja klar“, sagte Blaise spöttisch, „jetzt weiß ich ganz sicher, dass du lügst.“
Etwas verärgert sagte Draco: „Hör mal, wenn du nicht kommen möchtest, dann akzeptiere ich dass, aber mich einen Lügner zu nennen geht wirklich zu weit.“ Er holte einmal tief Luft und erklärte ein wenig ruhiger: „Es haben sich in den letzten Jahren sehr, sehr viele Dinge geändert, auch für mich.“

Eine ganze Weile äußerte sich Blaise nicht, denn er schien die Situation beurteilen zu wollen.

„Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“, bot die Schwester an, um die peinliche Stille zu unterbrechen. Draco nickte.

Es war Blaise anzusehen, dass er sich allein mit ihm im Zimmer nicht wohl fühlte, so dass Draco alles tat, um so harmlos wie nur möglich zu erscheinen. Noch immer stand er nahe am Bett; in einer Hand weiterhin das Geschenk für das Mädchen haltend, das sich unter dem Bett versteckt hielt, und in der anderen sein altes Kinderbuch, welches ihm mit einem Male unerwartet aus der Hand gerissen wurde. Draco packte flink zu und ergriff das dünne Handgelenk der Kleinen, um sie unter dem Bett hervorzuziehen. Er fasste sie unter den Armen, hob sie ein wenig an und setzte sie aufs Bett. Alles war so schnell gegangen, dass das Mädchen keine Zeit zum Schreien gefunden hatte und auch ihr Vater nicht hatte reagieren können. Blaise und das Mädchen waren beide sichtlich erstaunt darüber, dass nichts Schlimmes geschehen war, obwohl offensichtlich gerade Blaise davon ausgegangen war.

An das Mädchen mit den großen Kulleraugen gerichtet sagte Draco mit freundlicher Stimme: „Eine so hübsche junge Dame sollte sich nicht verstecken müssen.“ Er hielt ihr das Geschenk entgegen und sagte: „Das ist für dich.“

Das Mädchen schaute zu ihrem Vater hinüber, bevor sie auch nur den kleinen Finger an das Päckchen legte. Draco folgte ihrem Blick und bemerkte, dass Blaise sich langsam näherte und dem Mädchen zunickte. Erst als Schwester Marie mit duftendem Kaffee ins Zimmer zurückgekommen war, lockerte sich die gespannte Atmosphäre wieder ein wenig.

Zögerlich legte das Mädchen Dracos altes Kinderbuch neben sich aufs Bett und nahm das Geschenk entgegen. Kaum hörbar sagte sie: „Danke.“
Unsicher schaute sie zu Blaise, der ihr erklärte: „Du musst es auspacken.“ Ihre kleinen Finger begannen daraufhin zaghaft an dem Papier zu zerren, während Blaise erklärte: „Sie hat noch nie ein Geschenk bekommen, jedenfalls keines, das eingepackt war.“

Weil Marie auch Kuchen gebracht hatte, gingen alle drei hinüber zum Tisch, doch dort befanden sich nur zwei Stühle. Draco zog seinen Zauberstab und in diesem Moment riss Blaise seine Tochter herum, so dass sie hinter seinem Rücken Schutz fand. Von dieser Reaktion schockiert und ein wenig enttäuscht, weil man ihn für gefährlich hielt, richtete Draco seinen Stab auf einen der Stühle, um ihn zu verdoppeln, bevor er ihn wieder in seinen Umhang steckte. Wortlos nahm er Platz und schenkte Blaise und sich eine Tasse Kaffee ein. Das Misstrauen, dass Blaise ihm gegenüber an den Tag gelegt hatte, sprach Draco nicht an.

Die Kleine nahm auf dem neuen Stuhl Platz und riss noch immer sehr vorsichtig an dem Papier, bis Draco empfahl: „Mach das Papier ruhig kaputt.“

Diesem Hinweis folgend hatte das Mädchen das Geschenk in null Komma nichts geöffnet und sie blickte mit weit aufgerissenen Augen auf das Titelbild. Sie tippte auf das karikiert gemalte Tier und schaute ihren Vater fragend an.

„Das ist ein Häschen“, erklärte Blaise mit ruhiger Stimme. Gleich darauf strich sie mit ihrem Finger über die Schrift, so dass er ihr den Titel verriet: „Babbelhäschen und sein schnatternder Stummelschwanz.“
Amüsiert blickte Blaise zu Draco hinüber, der gerade einen Schluck Kaffee nehmen wollte, vorher aber noch mit todernster Miene über den Tassenrand hinweg versicherte: „Noch heute ein absoluter Klassiker!“

Die Kleine blätterte aufgeregt in dem Buch und während die beiden Männer ihren Kuchen aßen, lauschten sie der kindlichen Interpretation der Bilder. Als sie einmal mit dem Buch durch war, hielt sie es Draco entgegen und fragte: „Schreibst du mir was rein?“
Über diesen Wunsch etwas erstaunt konnte Draco nur sagen: „Ich hab keine Feder bei mir.“
Schwester Marie wutschte einmal mit ihrem Stab, so dass ein Tintenfass und eine Feder auf dem Tisch erschien und die Kleine ihn jetzt viel energischer aufforderte: „Schreib was rein!“

Ihrer Meinung nach musste derjenige, der ein Buch zum Geschenk gemacht hatte, auch eine kleine Widmung hinterlassen.

„Was soll ich schreiben? Wie heißt du?“, fragte Draco das Mädchen, doch die blickte zu ihrem Vater hinüber und erhoffte sich von ihm eine Erlaubnis.
„Sag ihm, wie du heißt“, sagte Blaise zustimmend.
Sie lächelte breit und schaute zu Draco hinüber, der aufmerksam darauf wartete, ihren Namen zu erfahren, den sie auch gleich nannte: „Berenice.“

Weder mit einer festen Zu- noch einer Absage von Blaise war Draco nach der kleinen Kaffeepause gegangen. Es war seines Erachtens schon ein Fortschritt, dass Blaise sich die Option offen halten wollte, morgen unangemeldet auf dem Fest zu erscheinen.

Auf seinem Weg durch die ausgestorbenen Gänge der Kerker traf er unverhofft auf Severus, der gerade aus einem Klassenzimmer trat, das er offensichtlich nach Abreise der Schüler auf Vordermann gebracht hatte. Severus machte Draco wortlos klar, dass er ihm ins Klassenzimmer folgen sollte.

Im Klassenzimmer wartete Draco gelassen auf das, was sein Patenonkel ihm zu sagen hatte. Der blickte ihn mit ernster Miene an, streckte den Rücken und führte seine Hände hinter den Rücken, bevor er mit bedrohlich leiser Stimme forderte: „So etwas wie gestern machst du nicht noch einmal mit mir!“
„Was? Dich zum Abendessen einzuladen?“, fragte Draco provozierend nach.
„Nicht du hast mich eingeladen, sondern…“
Draco unterbrach: „Ich hätte euch alle eingeladen, aber Harry ist mir zuvor gekommen. Mir war es egal, wo wir den Abend ausklingen lassen, mir war nur nicht egal, dass es ohne dich geschehen sollte.“
„Deine egoistische Ader schreit geradezu nach einer Phlebotomie. Ich möchte dir gesagt haben, dass ich es nicht gutheiße, wenn man mir keine Wahl lässt oder besser ausgedrückt, dass man die Wahl, die ich getroffen habe, nicht akzeptiert. Nur weil du etwas ’willst’, gibt dir noch lange nicht das Recht dazu, deinen Mitmenschen das Messer an die Kehle zu setzen, damit sie nach deiner Pfeife tanzen.“
Draco blinzelte ungläubig, bevor er herunterspielend sagte: „Herrgott, es ging nur um ein Abendessen! War das wirklich so schlimm für dich gewesen? Ich hatte eher das Gefühl, dass du dich amüsiert hast.“
„Ich lasse mich sehr ungern zu etwas zwingen, Draco“, schoss Severus zurück.
Murmelnd vervollständigte Draco: „Besonders nicht zu deinem Glück.“
„Was war das bitte?“ Severus hatte sehr bärbeißig geklungen.
Ausweichen sagte Draco: „Ich verstehe nicht, warum du so einen Wirbel darum machst.“
„Mir sind solche Situationen unangenehm“, gestand Severus unerwartet ehrlich. „Und ich muss aufgrund der gestrigen Situation befürchten, dass morgen ähnliche folgend könnten.“

Jetzt ging Draco ein Licht auf. Severus wollte während der Hochzeitsfeier nichts erleben, das ihm Unbehagen bereiten könnte. Doch was, fragte er sich selbst, könnte schon geschehen?

Verunsichert wollte Draco wissen: „Du wirst morgen aber kommen oder?“
„Wenn ich davon ausgehen kann, in Ruhe gelassen zu werden…“
„Severus.“ Momentan hatte Draco wirklich Angst, dass sein Patenonkel seiner Hochzeitsfeier fernbleiben könnte. Leise machte Draco ihm klar: „Es würde sich ein schwarzer Schatten über meine Hochzeit legen, wenn du nicht kommen würdest.“
„Die meisten würden wohl genau das Gegenteil behaupten“, konterte der Zaubertränkemeister verbittert.
Ehrlich offenbarte Draco: „Es würde mir viel bedeuten, wenn du morgen erscheinen würdest. Bitte Onkel.“

Draco bemerkte, wie sich Severus’ Körper aufgrund der sehr persönlichen Anrede, die an alte Zeiten erinnerte, entspannte und dessen Gesicht die harten Züge verlor.

„Ich lass dich morgen ganz sicher in Ruhe, Severus. Ich werde anderweitig beschäftigt sein“, sagte Draco lächelnd. „Aber vielleicht solltest du mit Mutter noch reden, denn sie wird die Absicht haben, mit dir tanzen zu wollen.“
Mit milder Stimme versicherte Severus: „Das werde ich ihr ausreden.“ Draco wollte bereits gehen, da sagte sein Patenonkel noch: „Wäre es mir wohl gestattet, ein wenig früher zu erscheinen als in der Einladung vermerkt?“

Es war herauszuhören, dass Severus schon anwesend sein wollte, bevor die anderen Gäste kommen würden, um somit zu vermeiden, von allen angegafft zu werden, wenn er den grünen Salon betreten würde.

„Ja sicher, du kannst mit meiner Mutter und Hermine mitgehen. Beide kommen auch früher.“ Es war unter anderem die Aufgabe einer Trauzeugin, sich vor und während der Hochzeit um das Paar zu kümmern. Lächelnd riet Draco: „Vielleicht solltest du nicht nur mit meiner Mutter sprechen, wenn du morgen nicht in die Verlegenheit kommen möchtest, zum Tanzen aufgefordert zu werden.“
„In der Regel ist es die Aufgabe des Mannes, eine Dame aufzufordern und nicht umgekehrt.“
„Die Zeiten haben sich geändert Severus“, versicherte ihm Draco, der noch ganz genau wusste, dass es Hermine gewesen war, die am Abend der Ordensverleihung seinen Patenonkel aufgefordert hatte, das Tanzbein zu schwingen, nur dass Severus damals abgelehnt hatte.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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147 Lampenfieber




Sehr früh morgens am Tag der Hochzeit von Draco und Susan hatte Albus noch vor dem Frühstück eine unerwartete Nachricht aus dem St. Mungos erhalten. Das Schreiben war von Blaise Zabini, der sich und seine Situation zunächst erklärte und schilderte, wie ungewöhnlich und obskur viele der Ereignisse für ihn klangen, von denen er aus älteren Ausgaben gängiger Zeitungen erfahren hatte.

Gerade hatte Albus den Brief einmal gelesen, da trat Minerva herein. Als sie sein freundliches Gesicht bemerkte, verschwanden die strengen Züge aus ihrem eigenen.

„Minerva, komm doch herein und setz dich. Möchtest du einen Tee?“, bot er mit schmeichelnder Stimme an.
„Ja gern, Albus.“
Minerva setzte auf einen Sessel, doch Albus, der auf dem Zweisitzer Platz genommen hatte, strich zaghaft mit der flachen Hand über das Polster neben sich und fragte schäkernd: „Möchtest du nicht lieber neben mir sitzen?“

Sie zögerte nur einen kurzen Moment, bevor sie sich vom Sessel erhob. Mit einem unterdrückten Lächeln setzte sie sich neben ihn und ließ sich eine Tasse Tee reichen.

Nachdem beide einen Schluck purpurfarbenen Früchtetee genommen hatten, fragte er, während sich derweil seine eigene Vorfreude in der Stimme niederschlug: „Freust du dich schon nachher auf die Vermählung?“
„Oh ja“, versicherte sie. „Ich mag Hochzeiten!“ Albus hörte heraus, dass sie nicht nur von den Hochzeiten anderer Menschen schwärmte. Bevor er jedoch Fragen konnte, was ihr auf dem Herzen lag, fasste sie sich selbiges und fragte mit unsicherer Stimme: „Albus, nimmst du ’es’ noch?“

Zunächst stellte er seine Tasse ab und wandte sich ihr zu. Diese eine Sache, die zwischen ihnen stand, wollte er beseitigt wissen und daher antwortete er ehrlich: „Nein, Minerva.“

Ihr war nicht einmal bewusst gewesen, dass sie die Luft angehalten hatte, die sie gleich nach seiner positiven Antwort erleichtert ausatmete. So viel wollte sie ihm sagen; ihm für seine Entscheidung um den Hals fallen, aber sie wollte gleichzeitig noch im Nachhinein mit ihm schimpfen, doch keine einzige Silbe wollte sich über ihre bebenden Lippen wagen. Stattdessen nahm sie seine Hand in die ihre und hoffte, dass diese Berührung mehr sagen würde als tausend Worte. Albus verstand die Geste.

Für einen Moment schwiegen beide und sie blickten sich an. In den Augen des jeweils anderen stand so viel geschrieben, so dass Albus nach einer Weile seufzte, als hätte er eine anstrengende und aufwühlende Unterhaltung hinter sich gebracht. Er drückte ihre Hand, bevor er sie an seinen Mund führte und ihr einen Kuss auf den Handrücken hauchte.

„Ich habe dir so viel Kummer bereitet“, sagte er reumütig. „Nicht die Angst vor meinem eigenen Ableben hat mich dazu bewegt, das Elixier zu nehmen, sondern die Furcht, nicht mehr genügend Zeit zu haben für einen ganz besonderen Menschen, dem ich noch so viel zu geben wünsche.“ Er drückte ihre Hand, bevor er schuldbewusst gestand: „In diesem Sinne habe ich sehr eigennützig gehandelt.“

Seine Hand, einst fluchgeschwärzt und abgestorben, zog etwas aus der Innentasche seines farbenfrohen Umhangs. Beim Anblick des Gegenstandes, den er zwischen Daumen und Zeigefinger in die Höhe hielt, verspürte Minerva einen tiefen Schmerz im Herzen, doch der verging, als Albus sie anblickte und sagte: „Mein Versprechen, Minerva, möchte ich noch immer einhalten, denn es ist die Zweisamkeit im Leben, die erstrebenswert ist.“ Sich an das sehr offenherzige Gespräch entsinnend, das er mit Harry geführt hatte und in Erinnerung an dessen Worte fügte er hinzu: „So jedenfalls versicherte mir vor nicht allzu langer Zeit ein sehr weiser Mann.“

Minerva betrachtete den Ring, den sie vor einigen Monaten von ihrem Finger gelöst und Albus zurückgegeben hatte. Gleich darauf blickte sie den Mann an, der ihr schon vor sehr langer Zeit das Herz gestohlen hatte und sie erkannte, dass er zwar milde lächelte, seine Unsicherheit damit jedoch nicht überspielen konnte. Dass ihre Hände zitterten bemerkte sie erst in dem Moment, als sie ihm die Hand entgegenstreckte und ihre Finger ein wenig spreizte so dass er ihr den Ring überstreifen konnte. Seine Hände waren von der Aufregung nicht minder befallen, doch den Ring hatte er mühelos an seinem rechtmäßigen Ort platzieren können. Erneut küsste er ihren Handrücken.

„Meinen Glückwunsch“, erklang es plötzlich von der Wand. Die Gemälde hatten dem aufgefrischten Antrag mit Spannung beigewohnt und jeder der ehemaligen Direktoren und Direktorinnen von Hogwarts bekundete seine Freude über die Verbindung.

Während im Büro des Direktors die Atmosphäre sehr gelöst war, schien die Spannung in den Kerkern bereits die Luft zu elektrisieren. Draco eilte von einem Raum in den anderen, schaute auf Listen nach oder trug seine Hochzeitsbekleidung zusammen, die er erst in seinem Heim anziehen würde. Er war kreidebleich. Seine Mutter, die bereits das schöne Kleid trug, welches sie sich für die Hochzeit ihres Sohnes besorgt hatte, versagte bei dem Versuch ihn zu beruhigen.

„Schatz, wie oft willst du die Listen noch durchgehen? Du hast alles getan, was du tun solltest. Um die anderen Dinge kümmert sich Mr. Bones und seine reizende Gattin. Setz dich doch bitte einen Moment, tust du mir den Gefallen?“

Sie hatte absichtlich sehr ruhig gesprochen, obwohl die Aufregung ihres Sohnes längst auf sie übergesprungen war. Draco kam ihrer Aufforderung nach und setzte sich, doch sein Körper war dem Drang erlegen, sich bewegen zu müssen, so dass seine Hände durch seine Haare fuhren oder über die Hose strichen, seine Augen nervös von den Listen zu seinem an die Tür gehängten Anzug und den Hochzeitsumhang blickten. Seine Füße, obwohl er saß, gingen auf der Stelle, so unruhig war Draco.

„Ich halte das nicht aus! Am besten, wir gehen sehr zeitig los, damit ich mich in Ruhe umziehen kann. Ich habe das Gefühl, ich hätte etwas vergessen.“ Wieder suchten seinen Augen die Umgebung ab und er hoffte, ihm würde wieder einfallen, was ihm vermeintlich entfallen war.
„Du hast alles. Du hast den Anzug, die Ringe und all die anderen Sachen, die du dir notiert hattest“, beruhigte sie ihn.
„Wir gehen besser jetzt gleich nach Malfoy Manor.“ Abrupt stand er von der Couch auf.
„Draco, die Hochzeitsgäste sind zu 14 Uhr geladen. Es ist jetzt nicht einmal acht. Du hast noch gar nicht gefrühstückt. Wir sollten in die große Halle gehen und…“
„Nein, wir gehen jetzt. Ich bekomme sowieso nichts hinunter. Hermine soll mitkommen! Sagst du ihr Bescheid?“

Sich die Aufregung der eigenen Hochzeit ins Gedächtnis zurückrufend seufzte Narzissa leise, bevor sie zustimmte, denn am heutigen Tage würde es nichts geben, dass ihren Sohn beruhigen könnte und so machte sie sich auf den Weg in den vierten Stock.

„Einen Moment bitte“, sagte Hermine, nachdem es an ihrer Tür geklopft hatte. Sie hatte sich gerade das Kleid übergezogen, um es sich im Spiegel anzuschauen. Zum Frühstück in der großen Halle wollte sie es noch nicht tragen. Nachdem Hermine geöffnet hatte wurde sie von Mrs. Malfoy mit der Nachricht überrannt, dass Draco sofort nach Malfoy Manor gehen wollte und er seine Trauzeugin an seiner Seite wünschte.

„Ich habe mir nicht einmal die Haare gemacht und gefrühstückt habe ich auch noch nicht“, sagte Hermine, die aus allen Wolken gefallen war. Sie selbst war wegen des heutigen Ereignisses sehr aufgeregt.
„Keine Sorge, Miss Granger. Für ein Frühstück werde ich sorgen.“ Mrs. Malfoy betrachtete Hermines feuchtes Haar, das nach dem Waschen weniger buschiger wirkte, bevor sie versicherte: „Und um eine hübsche Frisur brauchen Sie sich ebenfalls nicht zu sorgen.“

Mrs. Malfoy zog ihren Zauberstab und benutzte ihn wortlos, so dass Hermine fühlte, wie einzelne, trockene Strähnen sie auf dem Weg nach oben am Gesicht kitzelten. Da sie sich kein Bild von der Auswirkung des Zauberspruches machen konnte, ließ sie Mrs. Malfoy an der offenen Tür stehen, um schnell einen Blick in den nächsten Spiegel zu werfen. Mrs. Malfoy hatte ihr eine elegante Hochsteckfrisur gezaubert. Noch während sie sich ihre Haare betrachtete, näherte sich Mrs. Malfoy, bis sie direkt hinter ihr stand. Mit der Spitze ihres Stabes fuhr sie durch Hermines Haar und löste eine Strähne, die sich auf wundersame Weise wie ein Korkenzieher um den Zauberstab kringelte und ihr Gesicht umspielte.

Weitere Strähnen folgten, bis Mrs. Malfoy lächelnd sagte: „Ich würde meinen, man könnte an Ihrem Haar nun nichts mehr verschönern.“ Hermine bedankte sich herzlich und nahm sich vor, sich mit Mrs. Malfoy wegen solcher Sprüche mal etwas inniger zu unterhalten. „Miss Granger, wären Sie ansonsten bereit?“
„Ja, ich muss mir nur noch die Schuhe anziehen, meine Handtasche holen und…“ Hermine hielt inne und machte große Augen, während sie zur gleichen Zeit den Mund aufriss. „Oh mein Gott, ich habe das Hochzeitsgeschenk noch nicht abgeholt!“
„Beruhigen Sie sich, wir werden es bringen lassen. Dann können wir jetzt gehen?“

Von der Aufregung in den Kerkern und im vierten Stock war absolut nichts im Büro des Direktors zu fühlen. Albus und Minerva saßen weiterhin gelassen auf der Couch, tranken Tee und hielten sich an der Hand. Manchmal strich Albus über den Ring, den er ihr wiedergegeben hatte und das zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht.

„Meine Teuerste“, begann er, „wäre es dir recht, wenn wir heute eine Stunde früher aufbrechen würden?“
„Sicher Albus, aber warum?“, wollte sie wissen.
„Nun, ein junger Mann hat mich gebeten, sich uns anschließen zu dürfen.“
„Welcher junge Mann?“
Erklärend sagte Albus: „Mr. Zabini, er hat mir heute Früh eine Eule geschickt und seine Situation erklärt. Er selbst ist, das konnte ich seinen Worten entnehmen, äußerst unsicher. Sehr lange hatte er sich nicht mehr frei bewegen können; hatte keine Menschen um sich herum gehabt bis auf seine Tochter und….“
Sie nickte. „Kingsley hat mir von seinem Schicksal erzählt, auch von dem von Miss Parkinson. Er hatte erwähnt, die beiden hätten eine gemeinsame Tochter.“
„Mr. Zabini würde das Mädchen gern mitbringen. Er hatte mir geschrieben, dass er von allen Menschen mir das größte Vertrauen entgegenbringt, auch wenn ihn die etwas veraltete Schlagzeile von meiner Unversehrtheit sehr überrascht hätte. Die Tatsache, dass aus Hogwarts die erste hilfreiche Antwort gekommen war, mit der man sich eine Heilung seiner Partnerin verspricht, hatte ihn dazu bewogen, sich vertrauensvoll an mich zu wenden.“ Er blickte sie an und sagte: „Minerva, ich möchte dem jungen Mann gern beistehen. Sein Schicksal lässt mich keineswegs unberührt.“
Sie lächelte zuversichtlich, bevor sie sagte: „Dass du nobel bist habe ich schon immer gewusst.“
„Nicht doch, meine Gute, du bringst mich zum Erröten“, flüsterte er kichernd. „Ich werde Mrs. Malfoy Bescheid geben, dass wir Mr. Zabini aus dem Krankenhaus abholen und nachher nach Malfoy Manor begleiten werden.“

Kaum hatten Hermine und Mrs. Malfoy ihr Zimmer im vierten Stock verlassen kam auch schon der Direktor, der Mrs. Malfoy bereits von weitem auf sich aufmerksam machte.

„Oh, Miss Granger, tun Sie mir doch bitte den Gefallen und sagen Sie Severus Bescheid, dass wir bald aufbrechen wollen.“
„Was denn, er kommt mit? So früh, meine ich?“
„Ja, es war sein Wunsch gewesen.“ Mrs. Malfoy blickte zu Albus hinüber, bevor sie Hermine erneut bat: „Bitte tun Sie mir den Gefallen.“

Der Bitte nachkommend eilte Hermine vom vierten Stock hinunter in die Kerker, während einige Gemälde ihr Komplimente aufgrund ihrer äußeren Erscheinung hinterherriefen. An der Tür zu seinen Privatgemächern blickte Salazar sie verdutzt an. Es schien, als würde ihm ebenfalls eine Schmeichelei auf den Lippen liegen, welche er jedoch aus Prinzip – immerhin war sie eine Gryffindor – nicht kundtun wollte und so öffnete er wortlos die Tür.

Der Hund war offensichtlich nicht da, denn der kam normalerweise mit dem Schwanz wedelnd auf sie zugelaufen, selbst wenn er bei Severus im Schlafzimmer döste.

„Severus?“, fragte Hermine laut in den Raum hinein. Sie wartete eine Minute, bevor sie noch viel lauter rief: „Severus?“

Die Tür hinter ihr öffnete sich und der Gesuchte kam gerade mit dem Hund zurück. Als er sie erblickte, wollte er sie grüßen, doch etwas hatte ihm die Stimme verschlagen.

„Severus, gut dass ich Sie antreffe. Mrs. Malfoy lässt ausrichten, dass wir sehr bald nach Malfoy Manor gehen. Sie wollten mitkommen?“, fragte Hermine, obwohl sie genau das gerade eben von Mrs. Malfoy erfahren hatte.

Ihre Frage schien er nicht gehört zu haben, denn er betrachtete sie von oben bis unten und schien angenehm überrascht zu sein. In einer derartig eleganten Robe hatte er sie noch nie zu Gesicht bekommen.

„Machen Sie sich bitte fertig?“ Sie klang sehr flehend.
„Ich, ähm, ja sicher. Wenn Sie einen Moment warten möchten?“

Er verschwand in seinem Schlafzimmer und kam keine fünf Minuten später wieder zurück ins Wohnzimmer. Im ersten Moment fiel Hermine die Veränderung gar nicht auf, denn natürlich trug er schwarz. Allerdings war der Umhang aus einem sehr edlen Stoff geschneidert und durch die eingearbeiteten Falten umspielte er gekonnt die gut sitzende Zauberergarderobe, die Severus darunter trug.

Grinsend erlaubte sich Hermine einen Scherz, indem sie schmeichelte: „Sieh an, heute mal in dunkelschwarz. Steht Ihnen wirklich gut, Severus! Kommen Sie jetzt bitte?“ Sie hielt ihm bereits die Tür auf, so dass er es unterließ, auf ihre Bemerkung einzugehen. Bevor sie zu den Malfoys gingen, machte Hermine einen kleinen Abstecher ins Labor, um sich eine kleine Ampulle mit einem Beruhigungstrank zu holen, den sie in ihrer ungewohnt zierlichen Damenhandtasche verstaute.

Malfoy Manor begrüßte seine neu eingetroffenen Gäste mit viel Hektik, so dass Draco von dem Gefühl übermannt wurde, heute vor der Eheschließung nicht mehr zur Ruhe zu kommen. Etliche Fremde in schicker, weißer Arbeitskleidung ließen Tabletts, Bouquets und andere Dinge hinter sich her schweben. Es duftete nach Essen, welches in der Küche bereits vorbereitet wurde, denn einige der von Draco gewünschten Köstlichkeiten aus aller Herren Länder benötigten eine lange Zubereitungszeit.

„Was tun wir jetzt?“, fragte Hermine ein wenig unsicher.
Dracos Stimme klang zwar sehr bestimmend, aber sein Äußeres verriet seine Aufregung. Kleine Schweißperlen standen ihm auf der blassen Stirn. „Ich werde erst einmal mit Mr. Bones reden“, sagte er, bevor er seine Mutter, Severus und Hermine einfach in der Eingangshalle zurückließ.
„Wir wollen ihm verzeihen“, begann Narzissa entschuldigend, „er meint es nicht so.“
Hermine winkte ab. „Es ist verständlich, dass er aufgeregt ist. Das wird sich schon noch legen.“
Narzissa holte plötzlich erschrocken Luft, als wäre ihr etwas eingefallen und dann legte sie eine Hand auf Hermines Oberarm, bevor sie sagte: „Sie haben noch keinen Bissen zu sich genommen. Ich werde ein Frühstück arrangieren.“ Sie blickte Severus an. „Hast du schon etwas gegessen?“ Der schüttelte den Kopf. Wieder Hermine anblickend sagte Narzissa lächelnd: „Ich denke, Sie waren das letzte Mal vom Kaminzimmer ganz angetan. Wir werden dort in Ruhe das Frühstück zu uns nehmen. Gehen Sie beide doch bitte schon vor.“

„Mr. Malfoy“, sagte Mr. Bones grüßend. Nachdem Draco zurückgegrüßt hatte, erkundigte sich der Vater von Susan: „Warum sind Sie schon so früh hier? Susan wird nicht vor Mittag herkommen.“
„Ich wollte nur sehen, ob alles problemlos verläuft.“ Draco ließ seinen Blick im Raum umherschweifen und bemerkte die schicke Bar an einem Ende des Salons, die gerade von Personal aufgebaut wurde.
„Es ist alles im grünen Bereich, Mr. Malfoy“, bestätigte Mr. Bones sehr selbstsicher. Als er seinen baldigen Schwiegersohn näher betrachtete, fragte er: „Geht es Ihnen gut? Sie wirken ein wenig blass.“
„Mir geht es bestens“, log Draco. „Sagen Sie mir bitte Bescheid, wenn ich Ihnen helfen kann.“
„Wir haben doch im Vorfeld ausgemacht“, konterte Mr. Bones amüsiert, „dass ich mich um die gesamte Ausstattung der Hochzeit kümmern werde. Machen Sie sich keine Sorgen!“
Der kleine Tisch in der Mitte des Saals erweckte Dracos Aufmerksamkeit, so dass er sehr beunruhigt nachfragte: „Wo ist die Hochzeitstorte?“
„Mr. Malfoy.“ Sein Schwiegervater in spe legte ihm beruhigend eine Hand auf die Schulter, bevor er erklärte: „Die Torte wird um Punkt ein Uhr geliefert.“ Draco wollte gerade etwas sagen, da packte Mr. Bones die Gelegenheit am Schopfe und zählte seelenruhig auf: „Die Musiker werden zu elf Uhr eintreffen und in aler Ruhe ihre Instrumente aufstellen. Die Fotografen kommen gegen halb zwei, um schon im Vorfeld die Räumlichkeiten mit all ihrer herrlichen Dekoration festhalten zu können.“ Jetzt fiel Draco etwas ein, doch abermals ließ Mr. Bones ihn nicht zu Wort kommen, denn er schien Dracos Gedankengänge zu erahnen. „Der Hauself hat sich für neun Uhr angemeldet. Er müsste also jeden Moment…“

Ein Plop war zu hören. Wobbel hatte sich eine Minute vor neun Uhr in Malfoy Manor eingefunden, um den letzten Schliff bei der Ausschmückung durchzuführen.

„Ich bin doch wohl nicht zu spät, Sir?“, fragte der Elf verlegen, weil die beiden Männer ihn anstarrten.
Mr. Bones wandte sich an Wobbel und sagte sehr freundlich: „Nein, mein Guter. Pünktlicher geht es kaum. Wenn Sie möchten, können Sie in der Küche noch ein Frühstück einnehmen. Meine Frau hat vorsorglich etwas zubereitet.“
„Nein danke, Sir. Ich würde gern sofort anfangen.“

Wobbel wandte sich lächelnd ab und ging gemächlich durch den grünen Salon, schnippte derweil rechts und links mit seinen langen Fingern, so dass Blumenschmuck und kunstvolle Gewinde aus Laub die Wände verschönten.

„Wie Sie sehen, Mr. Malfoy, habe ich alles fest im Griff.“ Als Mr. Bones ihn anlächelte, lächelten auch dessen Augen und Draco wurde sich darüber bewusst, dass Susan dieses Merkmal von ihrem Vater geerbt haben musste. „Ach, mit nur einer Sache könnten Sie mir tatsächlich behilflich sein.“ Draco lauschte aufmerksam. „Ich konnte die Sitzordnung noch nicht endgültig bestimmen. Dazu benötige ich die Zusagen der Gäste.“
Dracos Augen fielen ihm beinahe aus dem Kopf, denn daran hatte er wirklich nicht mehr gedacht, so dass er sich nur stotternd mitteilen konnte: „Ich… Ich hab es vergessen. Es tut mir so Leid. Ich…“
„Nun mal ganz ruhig.“ Mr. Bones führte ihn zu einem der bereits gedeckten Tafeln, an denen er und Draco Platz nahmen. „Wie viele Gäste ungefähr haben abgesagt?“
Erleichtert atmete Draco aus, denn selbst wenn er keine Liste hatte, so war die Situation nur halb so schlimm. „Es hat niemand abgesagt, nur werden einige Personen erst nach der Trauung hinzustoßen.“
„Und wieder ein Problem gelöst“, sagte Mr. Bones beschwingt. „Dann kann ich mich ja doch an die Sitzordnung halten, die ich aufgrund der Gästeliste erstellt hatte. Für alles andere ist ebenfalls gesorgt. Die geladenen Muggel werden persönlich abgeholt, einige Übernachtungen sind bereits arrangiert worden… Kein Grund zur Panik, Mr. Malfoy. Ich schlage vor, Sie gehen in die Küche und lassen sich von meiner Frau oder Ihrer Trauzeugin ein wenig verhätscheln.“

Mr. Bones hatte ihn durch die Tür aus dem grünen Salon geschoben, weswegen Draco in der Küche zunächst Mrs. Bones begrüßte. Die klärte ihn darüber auf, dass seine Mutter und die beiden anderen im Kaminzimmer frühstücken würden und obwohl er selbst keinen Hunger verspürte, suchte er deren Gesellschaft.

Im Kaminzimmer schenkte Hermine erst sich und danach Severus eine Tasse schwarzen Tee ein, von dem er gleich einen Schluck nahm.

„Severus“, sagte Narzissa erstaunt. „Seit wann trinkst du keinen Kaffee mehr?“
Mit regungsloser Miene antwortete Severus mit seiner Lehrerstimme: „Seitdem Miss Granger mir während der gemeinsam eingenommenen Mahlzeiten ungefragt Tee einschenkt.“
„Das ist doch überhaupt nicht wahr“, war Hermines schmollende Antwort gewesen. „Sie hätten mir ja sagen können, dass Sie lieber Kaffee möchten.“
„Ich wollte Sie nicht vor den Kopf stoßen.“ Er klang ein wenig amüsiert, so dass Hermine klar war, dass er nur scherzte.

Nach einem zaghaften Klopfen trat Draco herein und Hermine würde schwören, dass er noch ein wenig blasser war als vorhin.

„Setzt dich doch und iss ein wenig“, bat seine Mutter. Draco setzte sich zwar, trank aber nur einen Kaffee. Er war mucksmäuschenstill.

Gegen Mittag traf Susan ein, aber Draco bekam sie wegen der alten Tradition vor der Trauung nicht zu Gesicht. Stattdessen hatte er sich in sein Zimmer zurückgezogen, während Narzissa dem Ehepaar Bones zur Hand ging und Hermine und Severus sich weiterhin im Kaminzimmer die Zeit vertrieben, weil niemand ihre angebotene Hilfe annehmen wollte.

„Wollen wir nicht ein wenig Feuer machen?“, fragte Hermine gelangweilt. „Es ist doch immerhin ein Kaminzimmer und es ist Winter. Ich finde, das Feuer sollte brennen.“
Sie zückte bereits ihren Stab, den sie im langen Ärmel ihres Kleides versteckt hatte, doch bevor sie einen Incendio sprechen konnte, erhob Severus Einhalt gebietend die Hand und sagte: „Nicht doch mit einem plumpen Zauberspruch.“ Er erhob sich vom Sofa und näherte sich dem riesigen, weißen Kamin, während er erklärte: „Die Familie Malfoy legte immer besonderen Wert darauf, die Stimmung in diesem Zimmer auf natürliche Art zu erzeugen.“
Er kniete sich vor dem Kamin nieder, weshalb sie fragte: „Machen Sie das etwa per Hand?“
„Gewisse Dinge sollte jeder Zauberer ohne Stab erledigen.“ Er legte dünnes Anzündholz unter und zwischen die Holzscheite, die bereits im Kamin lagen. „Zusehen zu dürfen, wie das Feuer sich von allein ausbreitet, kann zu den angenehmen Erlebnissen gehören. Ein Incendio hingegen würde von einer Sekunde zur anderen einfach ein großes Feuer entfachen.“ Er nahm eine Packung mit langen Streichhölzern, die ganz nach Muggelart gestaltet waren. „Und außerdem könnte dieser doch etwas explosive Zauberspruch den Sandstein angreifen. Ich möchte gar nicht wissen, wie kostspielig es sein würde, den Kamin herrichten zu lassen, sollte er beschädigt werden.“

Den Zündkopf an der rauen Fläche reibend entzündete er das Streichholz, mit dem er die dünnen Holzstückchen entflammte, die laut knisternd von dem Feuerchen verzehrt wurden, damit es groß und stark werden würde.

Während Hermine und Severus dem Knistern des Kaminfeuers lauschten, hörten Albus und Minerva just im gleichen Moment den Wachmann der Station, auf der Mr. Zabini anzutreffen war, mit seinem Tagespropheten rascheln. Kurz darauf hörte man Schritte.

„Ah“, machte der Wachmann. „Da ist die Schwester ja schon. Tut mir Leid, Professor Dumbledore, dass ich Sie nicht einfach eintreten lassen durfte. Die Regel, Sie verstehen?“
„Ja, ich verstehe“, sagte Albus freundlich, bevor eine junge Schwester sie auf der Station in Empfang nahm.
Albus Dumbledore war eine bekannte Persönlichkeit und so überraschte es ihn nicht, als die Schwester ihn zu kennen schien, denn sie grüßte mit viel Ehrfurcht: „Professor Dumbledore, einen schönen guten Tag.“ Auch Minerva wurde freundlich auf der Station willkommen geheißen. Auf dem Weg zum Krankenzimmer sagte die Schwester: „Mr. Zabini hatte mich darüber informiert, dass er heute möglicherweise mit einem Gast rechnen kann. Er schien sehr auf Ihren Besuch zu hoffen.“
„Dann bin ich froh, dass ich ihn nicht enttäuschen werde.“

Als der Besuch in sein Zimmer geführt wurde, stand Blaise stocksteif in der Mitte des Raumes. Vor lauter Aufregung schien er den Atem anzuhalten. Berenice stand direkt hinter ihrem Vater und lugte an dessen Oberschenkel vorbei, um die beiden älteren Gäste zu betrachten. Als sie den langen Bart erblickte, da wurde sie magisch von ihm angezogen, denn so etwas hatte sie noch nie gesehen. In null Komma nichts stand sie vor Albus. Sie blickte mit weit aufgerissenen Augen neugierig an dem großen Mann empor und als sie seine Augen freundlich zwinkern sah, da strahlte sie über das ganze Gesicht. Das Mädchen hob unerwartet ihre beiden Hände und vergrub sie in dem langen weißen Bart.

„Berenice, nicht…“ Mit einer beruhigenden Geste unterbrach Albus den aufgeregten Vater, während er dabei zusah, wie das kleine Mädchen seinen Bart bewunderte, bevor sie ihn an ihre Wange führte, um zu spüren, ob er wirklich so weich war wie er aussah.

Ganz überwältigt und mit funkelnden Augen drehte sich das Mädchen zu ihrem Vater um und forderte voller Vorfreude: „Papa, du musst dir auch einen Bart machen!“
„’Wachsen lassen’, Schatz“, verbesserte er nachsichtig. „Vielleicht später.“

Sich dem Direktor nähernd erblickte er hinter dessen großer Gestalt mit dem ausladenden Gewand seine ehemalige Lehrerin für Verwandlung, weswegen er erst die Dame begrüßte, wenn auch etwas verunsichert.

„Wenn ich ehrlich bin“, Blaise sah den Direktor an, „dann habe ich nicht damit gerechnet, dass Sie meiner Bitte nachkommen würden. Nicht etwa, weil Sie nicht wollten, sondern weil ein Mann Ihres Ansehens sicherlich sehr vielbeschäftigt ist.“
„Die Zeit, Mr. Zabini, nehme ich mir einfach“, erklärte Albus mit warmer Stimme.

In Malfoy Manor lief alles nach Mr. Bones’ Wünschen und vor allem war endlich ein wenig Ruhe eingekehrt, nur nicht bei Draco. Er hatte sich bereits seinen Anzug angezogen, jedoch den Umhang und das Jackett sofort wieder ausgezogen, weil ihm viel zu warm war. Vorhin hatte er gehört, dass Susan und Hannah gekommen wären und wie die Tradition es verlangte, würde er seine Braut nicht sehen, bevor die Zeremonie beginnen würde. Sein Herz raste und der Schweiß stand ihm nicht mehr nur auf der Stirn, sondern lief ihm an den Schläfen und am Nacken hinunter. Mit einem frischen Stofftaschentuch tupfte er Stirn und Hals ab, bevor seine Hände das Taschentuch kneteten.

Schwer atmend öffnete er den Kragen des Hemdes, weil er das Gefühl hatte, keine Luft mehr zubekommen. Zusätzlich riss er das Fenster weit auf, um ein wenig frische Winterluft hereinzulassen. Für einen kurzen Moment stand er am Fenster und er ahnte, dass es heute noch schneien würde. Wieder ging er auf und ab und er wies seine Mutter, die bereits mehrmals geklopft hatte, jetzt schon ein sechstes Mal mit den Worten „Mir geht es bestens, ich möchte nur allein sein“ zurück.

Erneut klopfte es, doch bevor er seinen Standardsatz aufsagen konnte, hörte er Hermines Stimme sagen: „Mach auf! Ich bin dazu da, mich um dich zu kümmern. Hannah ist heute nicht eine Minute von Susans Seite gewichen. Ich nehme die Aufgaben, die man mir auferlegt, auch sehr ernst und jetzt mach auf, bevor ich die Chance wahrnehme, meinen ’Bombarda Maxima’ auszuprobieren!“

Eingeschüchtert öffnete er die Tür mit einem Wink seines Zauberstabes. Sie trat sofort herein und schloss die Tür hinter sich, damit er es sich nicht doch noch anders überlegen würde.

Als sie Draco betrachtete, da empfand sie Mitleid. Seine eigentlich locker frisierten Haare waren an den Schläfen und am Nacken feucht und klebten auf der kreideweißen Haut. Nicht einmal seine Lippen hatte etwas Farbe. Aufgeregt trat er von einem Fuß auf den andern, während er ein weißes Taschentuch wie einen Teig durcharbeitete.

„Was hat dir das arme Taschentuch getan, dass du es so malträtierst?“ Sie wollte ihm die Angst nehmen, scheiterte jedoch – wie zuvor schon seine Mutter – kläglich.
„Ich schwitze“, gestand er mit kaum vernehmbarer Stimme.
„Und dass Reibung Wärme erzeugt hast du noch nie gehört?“ Sie kam auf ihn zu und nahm ihm das Taschentuch ab, das bereits genauso klamm war wie seine Hände. „Gott, ist das kalt hier drin.“
Gerade wollte sie das Fenster schließen, da hob er eine Hand und bat: „Nein, lass es offen. Ich gehe sonst ein. Bitte…“
„Du holst dir höchstens eine Erkältung“, warf sie ihm sehr milde vor und schloss das Fenster. Gleich darauf ging sie zu ihm und führte ihn zu einem Stuhl. „Setz dich einfach und sag mir, was los ist.“
„Was los ist? Ich heirate in nicht weniger als einer halben Stunde.“ Seine Unsicherheit hatte er mit seiner Lautstärke zu überspielen versucht.
„In einer halben Stunde kommen doch erst die Gäste und die erhalten zunächst einen Aperitif – wir beide haben noch mindestens eineinhalb Stunden Zeit. Als Sirius geheiratet hat war der jedenfalls nicht so…“ Sie suchte nach einem Wort, doch ihr wollte keines einfallen, das für Dracos Zustand wirklich treffend war. „Vor was hast du nur solche Angst?“, fragte sie sehr vorsichtig.

Da sein Hemd nicht zugeknöpft war, konnte sie sehr gut erkennen, dass er kräftig schluckte, doch er sagte nichts. Seufzend öffnete sie ihre kleine Handtasche. Die Ampulle mit dem Beruhigungstrank hatte sie selbst noch nicht genommen, obwohl ihr bei dem Gedanken daran, bald von 250 Menschen angesehen zu werden, sehr mulmig wurde. Ganz plötzlich kam die Erkenntnis über sie.

„Du hast Angst vor den vielen Menschen.“ Eine Tatsache, die sie richtig erfasst hatte.

Draco stand von seinem Stuhl auf und ging einige Schritte, bevor er an einem großen Spiegel stehenblieb und sich anblickte. Als er einen Schweißtropfen erblickte, der sich in einer Augenbraue verfangen hatte, wischte er ihn wütend weg, bevor er sich das Hemd auszog und ins Bad ging. Hermine wartete geduldig, doch Draco blieb sehr lange im Badezimmer. Er müsste sich wirklich langsam anziehen, dachte Hermine.

Vorsichtig klopfte sie an der Tür, doch einzig das laufende Wasser des Waschbeckens konnte sie vernehmen. Da er sie wegen des Rauschens nicht zu hören schien, öffnete sie die Tür. Draco hatte den Rücken krumm gemacht; er hatte beide Unterarme in das Becken gelegt und ließ das kalte Wasser über sie laufen.

Zaghaft, um ihn nicht zu erschrecken, sagte sie: „Ich habe etwas für dich.“ Den Beruhigungstrank benötigte er viel mehr als sie selbst. Vorsichtig ging sie auf ihn zu und berührte seine Schulter, weswegen Draco zusammenfuhr, denn anscheinend hatte er sich auf das plätschernde Geräusch konzentriert, um sich etwas abzulenken. Er hatte sich aufgerichtet und sich umgedreht, so dass sie seinen nackten Oberkörper sehen konnte, der mit vielen kleinen weißen Narben übersät war, doch eine war auffällig groß.

Draco blickte an sich hinunter und strich mit dem Finger über die große Narbe, die von der Mitte seines Brustkorbes seitlich hinunter bis zur Hüfte verlief, bevor sie unter dem Hosenbund verschwand.

Nicht vorwurfsvoll erklärte er flüsternd: „Das war Harry.“
„Oh“, machte sie betroffen und sie erinnerte sich auch sofort daran, was Harry ihr damals über die Auseinandersetzung mit Draco auf der Mädchentoilette erzählt hatte. „Draco?“ Er blickte auf. „Du solltest dich fertig anziehen. Hier, nimm das.“ Sie hatte ihm die Ampulle gereicht, die er sofort leerte, ohne zu fragen, was sie beinhalten würde.

Der Trank wirkte sofort. Sie hatte ihm gesagt, die Wirkung würde sechs Stunden anhalten, womit sie gelogen hatte, aber das war nur zu seinem Besten.

Er hatte seine Frisur wieder in Ordnung gebracht und sich angezogen. Vor dem Spiegel stehend betrachtete er sich in voller Garderobe. Als er Hermine hinter sich im Spiegel sah, da sagte er scheu: „Ich habe Angst, dass es Buhrufe geben wird.“ Viel leiser fügte er hinzu: „Wie damals bei Severus.“ Sie nickte verständnisvoll und lauschte, als er sich seine Sorgen von der Seele redete. „Ich möchte nicht, dass es einen solchen Vorfall gibt; ich würde es nicht ertragen.“ Er schluckte und richtete sich seine Haare, die keinerlei Aufmerksamkeit bedurften. „Ich habe Angst, dass jemand während der Trauung aufsteht und gute Gründe nennt, warum Susan mich nicht heiraten sollte.“

Diese Ängste konnte Hermine ihm nicht nehmen und so reichte sie ihm lediglich ein Glas Wasser, damit er seinen trockenen Mund befeuchten könnte.

In Hogwarts setzte Harry gerade das dritte Glas mit dem Kürbissaft an, da schimpfte Ginny: „Herrgott Harry, du wirst nachher noch auf die Toilette gehen müssen, bevor die Trauung überhaupt angefangen hat!“
„Ich habe Durst“, verteidigte er sich kleinlaut.
„Nimmst du Nicholas?“, fragte Ginny, obwohl sie ihm den Jungen bereits in den Arm drückte. „Warum sind wir überhaupt so spät dran?“ Die Frage einfach ignorierend, weil er die Schuld nicht Ginny geben wollte, riskierte er einen Blick zu ihr hinüber, bevor er das volle Glas austrank. Er wiegte den Kleinen im Arm, schnitt für ihn komische Gesichter und lauschte Ginnys Ausführungen über all die Dinge, die sie längst besprochen hatten.

„Ich nehme die Tragetasche. Am besten mache ich sie kleiner…“, murmelte Ginny, während Harry seelenruhig wartete. „Wie spät ist es?“, wollte sie wissen. Die Wand an der Uhr sagte fünf nach halb zwei, was er ihr auch mitteilte. „Wir werden zu spät kommen… Warum nur?“ Sie war wahnsinnig aufgeregt, weil sie so viele alte Schulkameraden treffen würde.

An den Jungen in seinem Arm gerichtet, der ihn breit anlächelte, wiederholte Harry ihre Frage mit leiser Stimme: „Ja, warum nur? Ich bin schon seit Stunden fertig und du auch.“

Bevor Harry und Ginny sich endlich auf nach Malfoy Manor machen konnte, streichelte Harry noch seine Hedwig und den gleich daneben auf einer Stange sitzenden Phönix. Als er ihm über den Bauch strich, bemerkte Harry eine kleine Verhärtung. Er nahm sich vor Hermine zu fragen, ob ein Phönix krank werden könnte.
Zuletzt geändert von Muggelchen am 28.04.2010 04:12, insgesamt 1-mal geändert.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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