Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - BEENDET

Hier könnt ihr eure Fanfictions und Gedichte zu Harry und seiner Welt vorstellen.

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Muggelchen
EuleEule
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Beitrag von Muggelchen »

100 Ein neuer Anfang




Am nächsten Morgen brachte Schwester Marie einen Umschlag aus dem Ministerium, der für Lucius per Eule angekommen war. Es handelte sich um die angeforderten Papiere, damit er ein neues Verfahren vor dem Zaubergamot beantragen konnte. Lucius hatte sich bei Marie bedankt und sie gebeten, wenn es ihre Zeit erlauben würde, ihm die Papiere vorzulesen, denn Schrift konnte er nur verschwommen wahrnehmen.

Während sie die fünf Blatt Pergament entfaltete, betrachtete Lucius sie und sagte nebenher: „Sie sind sehr jung, nicht wahr? Nicht einmal dreißig, würde ich meinen.“
Er erkannte sehr wohl, dass sie lächelte, auch wenn er feinere Gesichtskonturen nicht genau ausmachen konnte und dann antwortete sie: „Man fragt eine Dame doch nicht, wie alt sie ist.“
Lucius lachte galant, bevor er sich auf nette Weise rechtfertigte: „Ich habe nicht nach Ihrem Alter gefragt, sondern nur laut vermutet, dass Sie sicherlich sehr jung wären.“
Jetzt musste Marie lachen und sie gab nach: „Ja, Sie haben ja Recht. Ich bin jung; unter dreißig. Siebenundzwanzig, um genau zu sein.“
„Siebenundzwanzig Jahre“, sagte Lucius schwärmend. „Was für ein wundervolles Alter! Sie sind jung genug, um sich fortzubilden, meine Gute. Sagten Sie nicht einmal, Sie würden gern Ihre Legilimentik-Prüfung machen?“
„Das sagte ich einmal, ja. Aber ich sagte auch, dass mir dazu entweder Zeit oder Geld fehlt. Es ist eine sehr aufwendige und kraftraubende Ausbildung, aber die Arbeit selbst schreckt mich nicht ab“, erklärte sie.
„Nein, arbeitsscheu stelle ich Sie mir auch nicht vor. Es bliebe eher zu befürchten, dass Ihre finanziellen Einnahmen versiegen würden und Sie, Merlin bewahre, vielleicht sogar Hunger leiden müssten oder Ihr Haus nicht mehr halten könnten, sollten Sie sich voll und ganz einer Ausbildung widmen. Unfair, nicht wahr?“
Er hörte Schwester Marie seufzen, doch bevor sie ihm den Antrag vorlas, sagte sie noch: „Aber so habe ich zumindest noch etwas, von dem ich träumen kann.“

Sie überflog die Papiere und sagte: „Miss Bones hat einige Stellen schon ausgefüllt, Mr. Malfoy.“
„Hat Sie das? Sie biedert sich ja geradezu an. Hat wohl noch immer Hoffnung…“
Marie unterbrach ihn: „Sie hat es wahrscheinlich nur aus reiner Nettigkeit getan, Mr. Malfoy.“
Er entgegnete nichts mehr zu diesem Thema und forderte lediglich: „Lesen Sie bitte vor. Einige Stellen kann ich mit Ihrer Hilfe vielleicht heute schon ausfüllen. Ich möchte das so schnell wie möglich wieder ans Ministerium zurückschicken.“

Es gab noch jemand anderen, der sich heute die Formulare anschaute, die mit einer Posteule vom Ministerium gekommen waren und das war Sirius. Er hätte nie gedacht, dass so viel zu beachten wäre, wenn ein Zauberer einen Muggel ehelichen wollen würde. Man musste die engsten Freunde von Seiten des Muggels angeben, die man ins Vertrauen ziehen wollte, damit sie später nicht versehentlich von den Vergissmich Besuch bekommen würden. Anne hatte verständlicherweise sehr viel Angst vor diesen Ministeriumsangestellten, so dass sie niemanden mehr aus ihrem Bekannten- und Verwandtenkreis zur Hochzeit einladen wollte.

„Das ist doch Unfug, Anne. Zumindest Beth kannst du einladen, denn die wird ja wegen ihres Bruders offensichtlich als ’Eingeweihte’ in den Akten geführt“, sagte Sirius mit ruhiger Stimme, während er sie näher an sich heranzog, damit sie gemeinsam auf der Couch liegen konnten.
„Und meine Eltern?“, fragte sie eingeschüchtert. „Ich will nicht, dass ihnen etwas geschieht. Es würde sowieso nur einer von beiden kommen.“

Sie hatte ihm recht früh davon erzählt, dass ihre Eltern geschieden wären und man beide zusammen nicht mehr zu Gesicht bekommen könnte; nicht auf Geburtstagsfeiern, nicht zu Beerdigungen und zur Hochzeit ihrer Tochter mit Sicherheit auch nicht.

„Wie wäre es denn, wenn wir gar keinem sagen, dass der komische Typ, den du heiraten willst, in Wirklichkeit ein Zauberer ist?“, fragte Sirius ernsthaft.
„Und deine Freunde?“, wollte sie wissen.
„Die meisten, die ich einladen würde, können sich benehmen. Wenn ich bei der Gästeliste einige Abstriche mache“, er dachte an Mundungus, „dann kann ich sogar guten Gewissens sagen, dass sich alle benehmen werden. Sie werden artig Muggelkleidung tragen, kein Wort über Quidditch verlieren und sich an das Zauberverbot halten, welches ich mit der Einladung aussprechen werde. Keine Angst, Anne, das wird eine schöne Hochzeit werden!“ Und um seine Worte zu untermalen, küsste er ihre Stirn.
„Wo wollen wir denn heiraten? Hast du schon einen Ort?“, fragte sie mit dünnem Stimmchen.
„Nein, hast du etwas im Auge? Dann sag’s mir“, forderte er. „Wir sollten langsam ein paar Dinge aufschreiben. Eine Gästeliste machen und überlegen, was wir zu Essen haben möchten. Ich will eine riesige Hochzeitstorte haben, mit viel Marzipan!“ Er hatte währenddessen mit beiden Händen eine große Torte in die Luft gezeichnet.
Sie lachte schwächlich auf, sagte dann jedoch betrübt: „Du wirst den Großen nicht einladen können.“
„Wen? Oh ja, Hagrid und Olympe. Die würden auffallen. Ich hoffe, er nimmt es mir nicht übel, wenn er keine Einladung bekommt.“
„Aber das kannst du doch nicht machen, Sirius. Du kannst ihn nicht einfach übergehen, nur weil er groß ist“, sagte Anne mit warmer Stimme.
„Aber er wird…“, sagte Sirius innehaltend. Hagrid wollte er wirklich nicht außen vor lassen. „Dann müssen wir deinen Freunden etwas von der Zaubererwelt erzählen und das heißt, wir müssen ihre Namen in diesem Formular“, er wedelte mit dem Stück Pergament, „eintragen. Anne, was wollen wir denn jetzt tun? Geheimhalten oder es an die große Glocke hängen?“
„Ich weiß nicht“, sagte sie schlapp. Mit entkräfteter Stimme fügte sie hinzu: „Vielleicht sollten wir es lassen.“

Für einen Moment verstand Sirius nicht, was ihre Aussage zu bedeuten hatte. Die Befürchtung machte sich in ihm breit, dass sie womöglich gar keine Hochzeit mehr wollte – oder viel schlimmer noch, dass sie ihn nicht mehr wollte.

„Das kannst du mir nicht antun, Anne“, sagte Sirius mit Furcht in der Stimme. „Nicht nach alledem, was ich durchgemacht habe; was du durchgemacht hast! Willst du die gewinnen lassen?“ Er wurde lauter. „Diese alten, bescheuerten Gesetze, die von Reinblütern geschaffen worden waren, um die Hochzeit mit einem Muggel so mühevoll wie nur möglich zu gestalten, die gehören ins Museum! Ich lasse mich nicht davon unterkriegen! Das soll uns nicht aufhalten, Anne. Nichts soll uns aufhalten. Ich sag dir was…“ Er stand von der Couch auf und holte etwas zu schreiben. „Du schreibst alle auf, die du einladen würdest, wenn ich ein ganz normaler Muggel wäre. Mach dir keinen Kopf um Zaubererwelt oder Muggelwelt, das ist völlig egal! Du schreibst jeden auf, den du gern dabeihaben möchtest und ich werde Vorkehrungen treffen, damit die Gäste nicht vor Schreck umkippen, wenn sie auf Hagrid treffen.“

Während Anne artig ihre Liste schrieb, flohte Sirius den Fuchsbau an, doch dort war niemand anzutreffen. Er wusste nicht, dass der Fuchsbau seit geraumer Zeit leer stand, weil Arthur Übergriffe befürchtete. So nahm er eine weitere Hand Flohpulver, um Hermine einen Stock tiefer anzuflohen und da noch Unterricht stattfand und Severus somit beschäftigt war, hatte Hermine zum Glück Zeit, um den beiden Gesellschaft zu leisten.

„Hermine, meine Gute“, grüßte Sirius. „Wir brauchen deine Hilfe. Es geht um diese Papiere vom Ministerium.“ Er reichte ihr den Antrag, den sie überflog, denn über dieses Thema hatte sie bereits viel gelesen.
„Wie kann ich helfen?“, wollte sie wissen.
„Es geht um die Regeln zu einer Hochzeit zwischen Zauberer und Muggel. In die eine Spalte muss man ja alle Muggel eintragen, denen man stecken möchte, dass ich ein Zauberer bin“, sagte Sirius, der auf entsprechende Spalte gezeigt hatte und Hermine nickte daraufhin. „Gibt es da eine gesetzliche Begrenzung? Ich meine, die Spalte ist ja recht klein. Passen höchstens vier Namen rein.“
„Nein, gibt es nicht, aber kaum einer trägt da mehr Namen ein als notwendig“, antwortete Hermine.
„Wie soll man denn da eine anständige Hochzeit feiern? Die Muggel hält man völlig im Dunkeln und die geladenen Zauberer und Hexen müssen sich die ganze Zeit über verstellen?“
Hermine seufzte und schilderte: „Ich weiß, was du meinst. Seamus hat einmal erzählt, dass seine Mutter seinen Vater in der Muggelwelt geheiratet hat und ihm erst danach gebeichtet hätte, dass sie eine Hexe wäre. Hat ihn wohl ziemlich von den Socken gehauen, meinte Seamus.“
„Wie machen die Bones’ das? Die haben doch Haufenweise Muggel in der Familie! Ich werde am besten Miss Bones persönlich fragen, wenn ich sie denn erreichen kann.“ Er machte eine kurze Pause und überlegte, was er Hermine noch fragen wollte. „Hast du eine Ahnung, wo man sich als geschlossene Gesellschaft mit gemischten Gästen niederlassen könnte?“, war Sirius noch eingefallen.
„Puh, du kannst vielleicht Fragen stellen. Magisch verborgene Orte kannst du vergessen. Du könntest aber eine Örtlichkeit nehmen, die von Squibs geführt wird. Die kennen sich mit beiden Gesellschaften bestens aus. Es gibt da sogar Prospekte für Zauberer und Hexen, die mal ’unter Muggeln’ Urlaub machen möchten und die geben darüber hinaus viele Kleidungs- und Verhaltenstipps. Da gibt es ein hübsches Herrenhaus in… ähm… Müsste ich nachsehen, aber ich habe so einen Prospekt noch!“
„Bringst du es mir?“, bat Sirius und Hermine konnte diese Bitte natürlich nicht abschlagen.

Während Sirius und Anne das Formular vom Ministerium ausfüllten, schrieb zeitgleich Schwester Marie alles auf den Verhandlungsantrag, was Lucius ihr sagte. Sie setzte die Haken dort, wo er es wollte und im Nu hatte er mit ihrer Hilfe den fünf Seiten langen Antrag komplett ausgefüllt. Andere hätten Tage dafür benötigt, denn diese bürokratischen Formulare klangen verwirrend, doch er hatte lange genug im Ministerium gearbeitet, um die komplizierte Ausdrucksweise auf Anhieb verstehen zu können.

„Schwester Marie, ich danke Ihnen!“, sagte Lucius honorierend.
„Mr. Malfoy, warum möchten Sie keinen Fürsprecher beantragen?“, fragte sie, denn an entsprechender Stelle hatte sie ein Häkchen bei „Nein“ setzen sollen.
„Ein Fürsprecher wird mir nicht helfen können. Die Aussagen, die ich unter Veritaserum Plus machen werde, werden Verwendung finden, ob sie nun zu meinen Gunsten ausfallen werden oder nicht. Meine Joker finden sich in anderen Reihen wieder und ich gehe davon aus, dass sie mir dort von größerem Nutzen sein werden als jemand, der direkt an meiner Seite sitzen würde“, erwiderte Lucius selbstgefällig grinsend. „Tun Sie mir den Gefallen und schicken Sie es noch heute zurück; per Einschreiben bitte! Wir wollen doch nicht, dass der Antrag auf dem Postweg oder im Ministerium auf mysteriöse Weise verloren geht.“
„Wird gemacht, Mr. Malfoy“, sagte Marie, als plötzlich die Tür zum Krankenzimmer aufgerissen wurde.
„Marie, was machst du denn hier noch? Mr. Malfoy müsste längst bei der Behandlung sein“, sagte ein Mann Mitte dreißig.
„Schon gut, Mike, ich mach das schon“, antwortete sie und der Pfleger ließ die beiden daraufhin wieder allein, wenn er auch missgelaunt gewirkt hatte. „Sie haben den Pfleger gehört, Mr. Malfoy. Wir sind zu spät für Ihre Behandlung.“
„Dann werden wir die beiden Professoren nicht länger warten lassen. Letzte Woche sagte Professor Chillum, dass er ab dieser Woche mit sehr gutem Spendermaterial rechnet. Das heißt, es dauert nur noch wenige Wochen und ich werde wieder sehen können“, schwärmte Lucius.

Zu dem Zeitpunkt, als Professor Chillum die Krankenakte von Mr. Malfoy aus einer Schublade zog, um sie auf dem Laufenden zu halten, zog Hermine in ihrem Zimmer einen Prospekt aus der Schublade ihres Schrankes, um damit zurück zu Sirius und Anne zu gehen.

„Hier, Sirius. Das sind sehr schöne Gasthöfe, Herrenhäuser und Villen in ganz Schottland, die man für verschiedenste Anlässe mieten kann. Alle werden von Squibs geführt und sie vermieten an Muggel und Zauberer gleichermaßen“, erklärte sie, als sie ihm den Prospekt überreichte.
„Wundervoll! Vielen Dank, Hermine, da finden wir bestimmt etwas Hübsches.“ Sirius begann sofort damit, in dem Hochglanzprospekt zu blättern und Anne schaute ihm neugierig über die Schulter.
„Sirius?“ Als er Hermine anblickte, empfahl sie: „Wenn du mit Susan sprechen möchtest, wirst du über die Ministeriumsleitung kein Glück haben, denn sie hat viel zu tun, aber du könntest Draco bitten ihr zu sagen, dass du mit ihr sprechen möchtest. Das ginge auf jeden Fall schneller.“
„Ich“, er hielt inne und überdachte seine Wortwahl, bevor er neu begann. „Ich denke, das wird nicht notwendig sein. Wir bekommen das schon irgendwie hin.“
Anne blickte ihn verdutzt an, bevor sie ihm vor Augen hielt: „Aber wenn die Familie Bones schon mehrmals das gleiche Problem überwunden hat, dann könnten sie uns wichtige Tipps geben, Sirius. Ich möchte bitte alles wissen, was es zu wissen gibt.“
„Wir können ja demnächst…“
„Sirius! Wir möchten diesen Samstag heiraten und das sind nur noch ein paar Tage. Fragen wir Draco und hoffen drauf, dass Susan Zeit für uns findet, ja?“ Sie blickte ihn mit großen, treuen Hundeaugen an, so dass er ihr diesen Wunsch einfach nicht abschlagen konnte.
„Gut, dann gehen wir aber gleich“, stellte er klar, damit er es sich nicht noch einmal anders überlegen würde.
Hermine warf ein: „Es ist noch Unterricht. Draco hat heute um vierzehn Uhr Schluss.“ Sie wusste es genau, weil sie heute ab vierzehn Uhr mit Severus rechnen konnte. Dracos Klasse hatte danach keinen weiteren Unterricht.

Nach dem Mittagessen hatten Anne und Sirius ein Herrenhäuschen in Nord-Schottland gefunden, welches ihren Ansprüchen genügte. Es lag verträumt an einem kleinen See, verfügte über genügend Räumlichkeiten und war sogar mit Hochzeitsfeiern vertraut. Ein Anruf übers Flohnetzwerk genügte und das gesamte Haus war für diesen Samstag für die bevorstehende Hochzeit gebucht. Sirius und Anne erhielten eine Bankettmappe und weitere Informationen, so dass sie endlich ein Menü zusammenstellen konnten.

„Sie mal, Sirius. Die machen Hochzeitstorten und hier ist eine aus Marzipan abgebildet“, sagte Anne fröhlich lächelnd, bevor sie ihm das Bild zeigte. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen.
„Schreib die Torte auf die Liste“, forderte er mit einem wonnigen Brummen.
„Es ist kurz nach zwei. Wir sollten Draco besuchen, meinst du nicht? Komm schon“, sagte sie und nahm ihn an die Hand, denn er wäre allein nicht aufgestanden, um den Sohn seiner Cousine aufzusuchen.

In den Kerkern fanden sie gleich die richtige Tür und Anne war es, die anklopfte. Gleich darauf wurde ihnen geöffnet. Mit einem Gesicht, welches ernster nicht hätte sein können, hatte Draco geöffnet und er erschrak nur kurz, als er Sirius erblickte.

„Mr. Black, wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte Draco höflich.
„Ich, ähm… Harry hat mir mal erzählt, dass Sie mit Miss Bones verlobt seien und…“
Draco unterbrach sehr höflich: „Mr. Black, verzeihen Sie bitte, wenn ich Ihnen das Wort abschneide, aber der Zeitpunkt ist momentan nicht sehr günstig.“ Der Tonfall den Blonden ließ erkennen, dass es sich nicht um eine Ausrede handelte.
Hinter Draco hörte man Narzissas Stimme, die verschnupft klang und die Frage stellte: „Draco, ist das etwa Sirius? Lass ihn doch bitte herein, Schatz.“

Draco hatte sich nicht abgewandt, sondern die ganze Zeit über Sirius im Auge behalten. Der bohrende Blick, den er dem Gast schenkte, sollte ihn ermahnen sich zu benehmen und Sirius nickte unmerklich, als würde er seine stille Versicherung geben, keinen Ärger zu machen. Gleich darauf öffnete Draco die Tür und sagte: „Treten Sie beide doch bitte ein.“

Drinnen, bei gedämmtem Licht, saß Narzissa nur wenig zurechtgemacht auf der Couch im Wohnzimmer ihres Sohnes. Ihre langen, blonden Haare waren nicht hochgesteckt wie sonst, sondern fielen über ihren Busen hinunter bis in den Schoß. Ihr Gesicht war noch immer sehr fahl und ihre Augen schimmerten feucht.

„Sirius“, sagte Narzissa schwächlich und sehnsüchtig zugleich. Sie schlug zweimal mit der flachen Hand auf das Sofapolster neben sich, so dass er die Aufforderung zum Sitzen annahm. Draco bot Anne mit einer Geste seiner Hand einen gemütlich aussehenden Sessel an und fragte höflich: „Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Einen Tee oder ein Glas Wein?“ Bevor Sirius wie üblich jede Nettigkeit ablehnen würde, entschied sich Anne für einen Tee, den Draco im Anschluss bei den Hauselfen bestellte.

„Warum bist du hier, mein lieber Cousin?“, fragte Narzissa mit niedergeschlagener Stimme, so dass Sirius nicht recht wusste, was er von dem Verhalten seiner Cousine denken sollte. Sie war nett zu ihm und klang doch so traurig.
„Wir wollten mit Miss Bones sprechen und man hatte uns nahe gelegt, den Weg übers Ministerium zu umgehen, daher wollten wir Mr. Malfoy besuchen“, erklärte Sirius ehrlich.
Draco schenkte den Tee ein und versicherte: „Ich werde ihr Bescheid geben, dass sie sich bei Ihnen melden soll, Mr. Black.“
„Das wäre nett von Ihnen, Mr. Malfoy“, erwiderte Sirius.
Narzissa blickte die beiden nacheinander an und sagte dann mit Erschütterung in der Stimme: „Wir sind eine Familie und doch gehen wir so förmlich miteinander um.“

Es war lediglich eine Feststellung gewesen, die sie in den Raum hineingeworfen hatte. Weder Sirius noch Draco änderten ihre Anreden, denn keiner von beiden bot eine familiärere Umgangsweise an.

„Na ja, das war es auch schon, weshalb wir hier…“
Anne unterbrach Sirius und forderte ihn auf: „Trink deinen Tee, Sirius, bevor er kalt wird.“
Narzissa blickte Anne an und lächelte milde. „Oh, Miss Adair. Es ist schön, Sie wieder wohlauf zu sehen“, sagte Narzissa sehr ehrlich klingend.
Anne hatte gerade einen Schluck Tee genommen, bevor sie sagte: „Danke, Mrs. Malfoy. Ich bin so froh, dass Sie“, sie kam ins Stocken, „dass Sie und… Sie und Mr. Snape…“
„Schon gut, meine Liebe. Ich bin so froh, dass alles gut gegangen ist und sie wieder ganz die Alte sind. Es hätte auch anders enden können. Diese Vergissmich sind nicht immer bestens ausgebildet oder sie verlieren im Laufe ihres beruflichen Werdegangs einfach die Feinfühligkeit für ihre Arbeit“, erklärte Narzissa betrübt. „Aber jetzt“, sie senkte den Blick, „ist ja wieder alles wie früher“.

Sie begann ganz plötzlich still zu weinen, so dass Sirius es nicht einmal bemerkte, sehr wohl aber Anne und Draco, da sie ihr gegenübersaßen. Narzissa zog lautlos ein elegantes Spitzentaschentuch aus ihrem Ärmel und tupfte ihre Augen und ihre Nase trocken, bevor sie ein fröhliches Gesicht aufsetzte und sagte: „Andromeda war neulich bei mir, Sirius.“ Er blickte sie verdutzt an, denn genau davon hatte ihm Harry erzählt. „Weiß du, was sie gesagt hat?“ Nachdem Sirius perplex den Kopf geschüttelt hatte, erzählte Narzissa: „Sie sagte, wenn Bella als Älteste nicht so einen großen Einfluss auf mich gehabt hätte, dann wäre ich vielleicht wie sie geworden; wie Andromeda.“

Andromeda war schon immer Sirius’ Lieblingscousine gewesen und das, was sie gesagt haben sollte, könnte sogar stimmen. Bellatrix hatte mit ihren rassistischen Ansichten bei Andromeda auf Granit gebissen und sich daher an die Jüngste gehalten, um sie mit ihrem Hass zu verderben.

Aus lauter Verlegenheit griff Sirius endlich zu seinem Tee und der war schon so sehr abgekühlt, dass er ihn in einem Zuge trinken konnte. Nachdem er die Tasse abgesetzt hatte, rutschte er auf der Couch herum, um Narzissa anzublicken. Sie sah heute so anders aus. Von ihrer Anmut war nichts verloren und doch wirkte sie schlicht und bescheiden, so wie eines dieser gutherzigen Dienstmägde aus den Märchen, die sie so gern las.

Die in Gedanken widerhallenden Worte seines Patensohnes ließen Sirius die Frau vor sich in anderem Lichte sehen und da nahm er ganz unverhofft ihre Hand in seine und sagte: „Ich habe dir gar nicht gedankt, dass du Anne geholfen hast, Narzissa.“ Seine Worte hatten in ihr eine so große Freude ausgelöst, dass sie nichts anderes tun konnte als ihn anzulächeln. Als er bemerkt hatte, dass allein sein Dank ihren Trübsinn verdrängt hatte, gab er sich einen Ruck und drückte sie an sich; drückte die Cousine an sich, die er Jahrzehnte lang nur hassen konnte, weil ihr vergifteter Geist einen Keil zwischen die einstige Kinderfreundschaft getrieben hatte. Narzissa schluchzte und klammerte sich wie eine Ertrinkende an die schöne Erinnerung mit dem Namen Sirius.
Zuletzt geändert von Muggelchen am 25.01.2011 22:53, insgesamt 1-mal geändert.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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101 Feuerrotes Haar




Am 24. Oktober war Harry seit dem Aufstehen schon nicht mehr er selbst. Es schien fast, als würde er den ganzen Tag lang neben sich herlaufen und seinem Körper dabei zusehen, wie er Severus während des Frühstücks ungefragt etwas Kaffee einschenkte oder den Kindern auf dem Hof während der Pause zurief, es nicht zu dolle zu treiben. Dieser eine Teil, der seinen eigenen Körper bei den alltäglichen Aufgaben beobachtete, war jener Teil, der nur an eines denken konnte.

„Wie geht’s Ihnen, Harry?“, fragte Minerva während einer kleinen Pause.
Ohne es aufhalten zu können, sprudelte es aus Harry heraus: „Ginny kommt heute aus dem Krankenflügel!“

Das war zwar keine Antwort auf die Frage seiner Kollegin gewesen, doch trotzdem konnte er damit den Hauch eines Lächelns auf ihre dünnen Lippen zaubern, denn in gewisser Weise hatte diese Information ihr klargemacht, wie gut es ihm heute ging.

„Das freut mich für Sie, Harry“, sagte Minerva noch immer unmerklich lächelnd, bevor sie ihren Weg fortsetzte.

Das war das Einzige, an das Harry heute denken konnte. Ginny würde heute raus kommen. Sie würde heute Nacht das erste Mal bei ihm übernachten; neben ihn gekuschelt in seinem Bett schlafen!

Zum Ende des Unterrichtstages war er vollends dieser Ablenkung erlegen, denn erst die Stimmen seiner Schüler brachten ihn zurück in den Klassenraum, in welchem er bewegungslos vor seinem Pult stand und verträumt in die Gegend grinste.

„Professor Potter?“, fragte eine Schülerin vorsichtig.
Er schüttelte unmerklich den Kopf, um ihn frei zu bekommen, doch es schien unmöglich.
„Ähm, wie wäre es, wenn wir früher Schluss machen, aber nur, wenn Sie mir versprechen, bis Montag die nächsten beiden Kapitel zu lesen?“, schlug er den Schülern vor.
Die verdutzten Jugendlichen blickten ihn an, als hätte er den Verstand verloren. Den Unterricht früher zu beenden war unüblich, wie Harry es selbst wusste, aber da kam der rettende Einwurf von Gordian Foster, denn der schlug vor: „Sir? Sie könnten es uns doch einfach als Aufgabe für den Rest der Stunde aufgeben.“
„Ja!“, sagte Harry von dieser Idee begeistert. „Ja, so machen wir es! Sie packen still Ihre Sachen zusammen, suchen sich ein ruhiges Plätzchen und lesen bis vierzehn Uhr die nächsten beiden Kapitel.“

Die Schüler gehorchten und verhielten sich sehr ruhig, als sie den Klassenraum verließen und in alle Richtungen strömten. Harry schwamm zunächst mit dem Strom mit, doch sein Weg führte ihn in den Krankenflügel.

„Harry“, grüßte Albus, der ein Schwätzchen mit Poppy gehalten hatte. „Es hätte mich auch gewundert, wenn du den Unterricht bis zuletzt fortgeführt hättest.“
„Ich hoffe, das ist in Ordnung, Sir. Es bleibt die Ausnahme! Die Schüler haben nicht frei bekommen, sondern erledigen eine Aufgabe“, versicherte Harry.
Mit zwinkernden Augen sagte Albus: „Sicher, es lässt sich auch viel entspannter arbeiten, wenn man nebenbei ungestraft ein paar Gummischlangen oder Zucker-Federhalter naschen kann. Ich spreche da aus Erfahrung.“
Poppy meldete sich zu Wort und erklärte: „Miss Weasley hat bereits alles gepackt und wartet geduldig auf Sie, Harry.“

Ohne anzuklopfen betrat Harry ihr Krankenzimmer. Sein Eintreten war unbemerkt geblieben und so ergötzte er sich an ihrem feuerroten Haar, welches von der Sonne geflutet wurde, als sie mit Nicholas im Arm am Fenster stand. Nach einem Moment trat er näher an sie heran und da schien sie ihn gehört zu haben, denn sie drehte sich um.

Fröhlich lächelte Sie über das ganze Gesicht und hauchte erwartungsvoll seinen Namen. Er umarmte sie und küsste sie, falls unerwartet Poppy eintreten sollte, sehr geziemt auf den Mund und Nicholas auf die Stirn, bevor er sagte: „Ich habe seit heute Morgen an nichts anderes mehr denken können als daran, dass du heute zu mir kommen wirst.“
„Ging mir nicht anders, Harry“, bestätigte sie ihm. „Dein Elf hat mir beim Packen geholfen.“ Sie lachte, bevor sie verbesserte: „Was heißt ’geholfen’: Er hat einmal mit den Fingern geschnippt und schon war alles fertig. Ich hab ihn richtig gern, Harry. Bisher war er mir eine große Hilfe und er liebt den Kleinen über alles.“
„Ja, das glaube ich gern. Wer tut das nicht?“, fragte Harry lächelnd zurück. „Komm, lass uns ins Erdgeschoss gehen.“

Auf dem Weg nach unten erklärte Harry: „Nur noch heute werden Sirius und Anne bei uns sein. Ich habe dir ja erzählt, dass schon morgen die Hochzeit sein wird und sie haben sich auch bereits ein Haus gekauft, aber besonders er möchte erst den Ring am Finger haben, bevor sie das neue Heim beziehen. Ich hoffe, das macht dir nichts aus.“
„Natürlich nicht, Harry. Ich bin so froh, dass ich endlich wieder unter Leute komme. Ich hätte mich wirklich geärgert, hätte ich seine Hochzeit verpasst. Mit Anne ist weiterhin alles in Ordnung?“
„Ja, hat sich nichts geändert. Ihr geht es gut. Severus hat neulich erwähnt, dass der Obliviate sie nicht gestreift, sondern durchaus getroffen hatte, nur war er nicht aktiviert worden. Der Fluch war in ihrem Kopf und hat ihn mächtig durchgewirbelt, aber zum Glück ohne etwas zu löschen. Dabei hätte sie trotzdem den Verstand verlieren können, aber mit Mrs. Malfoys Hilfe konnte er den Fluch unschädlich machen und den Wirbel stoppen, wobei er meinte, dass Mrs. Malfoy diejenige gewesen wäre, die die meiste Arbeit getan hätte, denn den Gedankenwirbel hätte sie angehalten.“ Harry blickte neidisch auf das Kind in ihrem Arm, bevor er fragte: „Darf ich ihn tragen?“
Sie lachte auf, erwiderte jedoch: „Natürlich Harry, er ist aber ziemlich müde. Kann sein, dass er einschläft, bevor wir unten angekommen sind.“

Die Schüler, die sie auf ihrem Weg antrafen, blickten Harry mit dem Jungen im Arm entweder verdutzt oder verträumt lächelnd an. Die meisten wussten von seiner Verlobung mit der Schülerin, mit der er selbst schon die Schulbank gedrückt hatte. Plötzlich kamen drei Mädchen auf sie zugestürmt und sie umarmten Ginny und sagten, wie sehr sie sich freuen würden, sie endlich wieder sehen zu können. Bei den Mädchen handelte es sich um die wenigen Klassenkameradinnen, die schon vor der Verlobung genau gewusst hatten, dass es zwischen ihrer Mitschülerin und dem Professor für Verteidigung mächtig gefunkt hatte. Genau genommen waren es die Schülerinnen, die immer so gern kicherten, doch dieses Mal verhielten sie sich sehr erwachsen, denn sie begrüßten ihre Freundin und beglückwünschten sie gleich zweimal, nämlich zur Geburt des Jungen und zur Verlobung, aber nach weniger als drei Minuten hatten sie Ginny auch schon wieder in Ruhe gelassen.

„Hi Sirius, schau mal, wer hier ist“, sagte Harry, der stolz den dösenden Jungen in seinem Arm präsentierte, nachdem er sein Wohnzimmer betreten hatte.
Anne und Sirius, die am Kamin gestanden hatten, kamen auf die beiden zugestürmt und begrüßten sie erst einmal herzlich, bevor Nicholas herumgereicht wurde. Ginny nutzte die Gunst der Stunde, um ihre Sachen, die Wobbel gebracht hatte, im Schlafzimmer zu verstauen und so war sie schon vorgegangen.

„Passt ihr kurz auf Nicholas auf? Ich würde Ginny gern einige Dinge im Schlafzimmer zeigen“, sagte Harry, bevor er sich abwandte und er hörte seinen Patenonkel schelmisch zu Anne sagen, Harry sollte nicht vergessen, ihr das Bett zu zeigen. Dieser witzig gemeinte Kommentar hatte plötzlich wieder Hemmungen in ihm aufkommen lassen und Harry fragte sich, was der Grund dafür sein könnte.

Im Schlafzimmer sah sich Ginny gerade interessiert um, als Harry hinzukam und nachdem sie ihn bemerkt hatte, sagte sie schwärmend: „Oh Harry, das ist so wunderschön eingerichtet. Das gefällt mir mit den warmen Farben und überhaupt...“ Sie schüttelte den Kopf, weil ihr die Worte fehlten. Sie konnte nur noch einmal wiederholen: „Wunderschön!“

Er stand ungefähr zwei Meter von ihr weg und betrachtete sie. Wie schon im Krankenflügel umschmeichelte die Sonne ihr rotes Haar und es zog ihn magisch an. Wie verzaubert näherte er sich ihr und er vergrub seine Hände ihn dem Feuer auf ihrem Haupt, so wie ein Kind ganz verzückt die Hände im Sand eines schönen Strandes vergraben würde. Sie schauten sich einen Moment lang tief in die Augen, als Ginny plötzlich den Abstand verringerte und ihn küsste, als würde ihr Leben davon abhängen. Zeit und Ort waren vergessen, denn sie hatten sich ineinander verloren, bis ein Räuspern, welches immer aufdringlicher werden musste, beide zeitgleich aus ihrer raum- und zeitlosen Verbindung herausriss.

„Tut mir Leid euch zu stören, aber der Kleine hat, nun ja, die Windeln voll“, sagte Sirius am Türrahmen lehnend. Sirius musste sich beim Anblick von Harrys knallrotem Gesicht ein Grinsen verkneifen, was ihm nicht überzeugend gelang. Ginny hingegen nahm selbstbewusst ihren Sohn aus Sirius’ Arm, bedankte sich bei ihm und begann gleich darauf, in einer von Harry eingerichteten Babyecke dem Jungen die Windeln zu wechseln.

Während Nicholas von seiner Mutter gewickelt wurde, folgte Harry ins Wohnzimmer und er lenkte das Gespräch gleich in andere Bahnen, denn er fragte: „Hast du eigentlich Severus für morgen eingeladen?“
Sirius schüttelte den Kopf, bevor er sachlich klingend erwiderte: „Ich habe Narzissa und Draco eingeladen, Harry. Das muss reichen, um meinen guten Willen zu zeigen.“
„Hätte Severus nicht an Narzissa gedacht, als er bei Anne gewesen war…“
„Ich muss Harry zustimmen, Sirius“, warf Anne ein, „lad ihn ein. Wenn er nicht kommt, hast du es wenigstens versucht.“
„Das werde ich nicht tun! Ich weiß noch sehr gut, was er auf Remus’ Verlobungsfeier getan hat“, rechtfertigte sich Sirius.
Harry zog beide Augenbrauen in die Höhe und fragte: „Und darüber bist du ernsthaft sauer? Ich bin froh, dass ich dadurch erfahren habe, was Remus und Tonks durchmachen müssen und noch froher bin ich darüber, dass die beiden sich aufgrund des Vorfalls anders entschieden haben und nun warten, bis sie heiraten können, ohne dass irgendjemand auf wichtige Körperteile verzichten muss.“
„Severus wird sowieso nicht kommen, also wozu soll ich ihn dann einladen?“, wollte Sirius nörgelnd wissen.
Anne erklärte ihrem Verlobten: „Das mache ich manchmal nicht anders. Ich lade jemanden aus reiner Höflichkeit ein, obwohl ich weiß, dass derjenige nicht kommen wird. Damit rückt man sich selbst in ein besseres Licht und der andere wäre am Zug. Aber ehrlich gesagt, Sirius, würde ich mich wirklich freuen, wenn er morgen kommen würde, denn immerhin ist er der Grund, warum es für mich ’morgen’ überhaupt gibt.“

Eine ganze Weile überlegte Sirius, bevor er leise fluchte – zu sich selbst – und am Ende sagte: „Dann schreibe ich eben eine Einladung und schicke sie ihm.“
„Sirius, er wohnt genau unter uns! Geh einfach runter und sag’s ihm persönlich. Macht einen noch besseren Eindruck“, empfahl Harry lächelnd, weil er genau wusste, dass Sirius es tun würde.
„Ihr hängt mir zum Hals raus, alle beide!“, sagte er nicht wirklich erbost, denn er ärgerte sich nur darüber, dass er Harry und Anne wie ein gut dressierter Hund gehorchte.

Hermine war gerade dabei, die Wurzel einer Unterwasserpflanze zu zerkleinern, da klopfte es. Sie hörte Severus, der am Tisch hinter ihr arbeitete, „Herein“ sagen und gleich darauf vernahm sie die Stimme des Besuchers und erkannte ihn als Sirius.

„Severus?“ Die ganze Aufmerksamkeit, die er dem unerwünschten Gast zuteil kommen ließ, beschränkte sich auf eine hochgezogene Augenbraue, doch Sirius deutete diese Mimik als Aufforderung, mit seinem Anliegen fortzufahren und so sagte er: „Ich möchte dich zu meiner Hochzeit morgen einladen. Ort und Uhrzeit…“
Severus unterbrach in schleppendem Tonfall, was ihn äußerst gleichgültig klingen ließ. „Bedaure, aber ich werde nicht kommen.“
Diese Antwort schien Sirius zu begrüßen, denn seine Erleichterung konnte er kaum verbergen, als er sagte: „Oh schade, aber da kann man nichts machen. Bis dann.“ Schon war er wieder weg.

Im nächsten Moment kam es Hermine so vor, als wäre das eben gar nicht passiert; als hätte Sirius eben nicht hier an der Tür gestanden und Severus eingeladen. Das er es überhaupt versucht hatte, das musste sie zugeben, war schon surreal genug gewesen, aber dass Severus danach einfach weiterarbeitete als wäre nichts geschehen, machte sie doch stutzig. Zumindest hätte sie gedacht, er würde über Sirius herziehen, aber nicht einmal das tat er, so dass sie sich zu ihrem Zaubertränkemeister umdrehte und ihn beobachtete.

„Warum haben Sie abgesagt?“, wollte Hermine wissen nach einer Weile wissen.
„Warum hätte ich zusagen sollen?“, stellte er nüchtern als Gegenfrage.
„Sie sind doch auch zu Remus’ Verlobungsfeier gegangen. Ich dachte, wir könnten morgen auch wieder zusammen hingehen“, sagte sie offenherzig.
Er brummte kurz und sagte dann: „Sie finden bestimmt jemand anderen. Sie verfügen sicherlich über einige Männerbekanntschaften, von denen sich jemand bereit erklären würden, Sie morgen zu begleiten.“

Hermine stutzte und wiederholte in Gedanken das Wort „Männerbekanntschaften“, was ihrer Meinung nach einen sehr bitteren Nachgeschmack mit sich brachte. In der Muggelwelt war es in erster Linie ein Synonym dafür, verschiedene oder schnell wechselnde Partner zu haben, doch da gab es nur Ron als ihren einzigen Ex.

„Von Harry weiß ich, dass Mrs. Malfoy und Draco auch eingeladen sind und morgen da sein werden“, warf sie ihm als Fakt hinüber.
„Das ist nun einmal das Los des Verwandtschaftsgrades, den die beiden innehaben. Ich gehöre glücklicherweise nicht dieser Familie an und sehe es daher nicht als meine Pflicht dort aufzutauchen“, konterte Severus.
„Kommen Sie, Severus. Sie tun genau das, mit dem Sirius gerechnet hat. Er hat aus Höflichkeit gefragt und Sie haben abgelehnt. Er schien nicht gerade sehr traurig darüber zu sein“, sagte sie.
Severus blickte auf und fragte leicht erbost: „Wollen Sie mir damit unterstellen, ich sei berechenbar?“
Ihre einzige Antwort war eine hochgezogene Augebraue, die ihn veranlasste zu schimpfen: „Wenn ich sowieso nicht erwünscht bin, warum sollte ich dann hingehen?“
„Wer sagt, dass Sie nicht erwünscht seien? Ich bin mir sicher, dass von Seiten der Braut die Einladung ernst gemeint war“, antwortete sie gewissenhaft.
„Ich habe keine Zeit. Ich werde morgen meinen neuen Zauberstab bei Ollivanders abholen“, erklärte er trocken.
„Oh ja, und das wird den ganzen lieben langen Tag dauern“, stichelte sie.
„Warum interessiert es Sie überhaupt so sehr, ob ich der Feierlichkeit beiwohne oder nicht?“, wollte Severus wissen.
Sie rollte genervt mit den Augen, bevor sie bockig erklärte: „Weil ich fest damit gerechnet habe, mit Ihnen zusammen hinzugehen!“
„Und ich sagte bereits, dass sich bestimmt jemand im Kreise Ihrer Herrenbekanntschaften finden würde…“
Sie unterbrach ihn ruppig und verbat sich: „Hören Sie auf, von Männer- oder Herrenbekanntschaften zu reden. Was denken Sie denn von mir? Dass ich an jedem Finger zehn habe?“ Sie schüttelte aufgebracht den Kopf, bevor sie noch säuerlich anfügte: „Der Einzige, den ich regelmäßig sehe, Severus, das sind Sie!“

Schon während ihr dieser Satz herausgerutscht war, hatte sie ihn bereut, doch jetzt, wo es gesagt war, war sie auf eine Reaktion seinerseits gespannt. Es waren nur wenige Sekunden vergangen, da räusperte er sich fast unhörbar, bevor er sich mit schmieriger Stimme dazu äußerte: „Das ist überaus bedauerlich, nicht wahr?“

Unangemessener hätte seine Bemerkung nicht sein können und es verletzte sie, wie er sie behandelte. Seine Anmerkung war in vielerlei Hinsicht zu interpretieren und keine der Deutungsmöglichkeiten gefiel ihr.

„Ich werde am besten Valentinus fragen. Er wird sich, im Gegensatz zu anderen ’Herren’“, sie blickte mit verengten Augen zu Severus hinüber, „sicherlich freuen, mich begleiten zu dürfen“, sagte sie kühl.
Als Severus belustigt schnaufte, wappnete sie sich innerlich gegen seinen Rückschlag und der kam prompt, denn er sagte in zynischem Tonfall und mit einem fiesen Grinsen auf den Lippen: „Ah, ich bin sicher, dass Sie in Ihrem Alter keine bessere Wahl hätten treffen können.“

Jetzt hatte sie genug von ihm und seinen boshaften Andeutungen. „In Ihrem Alter“ konnte alles Mögliche bedeuten; zum Beispiel, dass er sie für jung und unerfahren halten würde, was sinngleich auf „dumm“ zu münzen wäre und „keine bessere Wahl“ bedeutete wahrscheinlich, dass er ihren Geschmack scheußlich fand. Seinen Sarkasmus glaubte sie mittlerweile „übersetzen“ zu können und was sie aus seinen Worten herausgehört hatte, hatte sie richtig wütend gemacht. Dabei hatte sie ihn lediglich aus seinem Schneckenhaus herauslocken wollen, doch so eine verletzende Bemerkung wollte sie sich von ihm nicht bieten lassen. Eine verbale Auseinandersetzung würde sie jetzt in ihrem aufgewühlten Zustand mit Sicherheit verlieren und so tat sie das Einzige, das ihr in der knappen Zeit und mit ihrem vor Wut beeinträchtigtem Verstand einfiel, denn sie Griff sich eine Handvoll Nixenkraut und Seegras von ihrem Arbeitstisch und warf das glitschige, grüne Etwas auf Severus.

Als die nassen, langen Blätter um sein Gesicht peitschten wie die Tentakel eines Riesenkraken, da ließ er erschrocken von seinem eigenen Messer ab, um sich mit beiden Händen von dem Grünzeug zu befreien und als er es geschafft hatte, blickte er auf, um seine Schülerin zurechtzuweisen, doch was er von ihr noch erspähen konnte, war ein Teil ihres braunen Haares, bevor sie die Tür zu seinem privaten Labor von außen zuwarf.

Wütend stürmte Hermine in ihr Wohnzimmer, um ihre Tasche dort abzustellen und sich schnell die Hände zu waschen, weil ihre Finger, besonders aber die Fingernägel, durch die Wasserpflanzen ganz grün geworden waren. Im Anschluss wollte sie gleich weiter zu Harry gehen, falls Severus es wagen würde, sie jetzt auf ihr Verhalten hin ansprechen zu wollen. Sie wollte ihm aus dem Weg gehen, falls er so töricht sein sollte, sie jeden Moment aufsuchen zu wollen, denn sehen wollte sie ihn heute nicht mehr.

’Seine blöden Wasserpflanzen kann er gefälligst von einem Schüler schneiden lassen’, dachte Hermine zornig, denn zu ihrer Aufgabe als Meisterschülerin hatte das nicht gehört. Im Gegenteil, denn sie hatte sich netterweise dazu bereit erklärt, ihm bei der vorbereitenden Verarbeitung der neu gelieferten Zutaten für seinen privaten Vorratsschrank zu helfen. Sie verließ gleich wieder ihr Wohnzimmer; Fellini begleitete sie diesmal. Im Erdgeschoss angekommen klopfte sie, noch immer mit großer Wut im Bauch, an Harrys Tür und ihr wurde sofort geöffnet.

„Hey Ginny, schau mal, wer hier ist“, wurde sie von Harry fröhlich angekündigt, während er sie am Arm gepackt hatte, um sie hineinzuziehen. Fellini folgte und hüpfte auf die Couch zu Anne, wo er es sich gemütlich machte.
„Hermine!“, schrie Ginny voller Freude, bevor sich die beiden jungen Frauen in die Arme fielen und sich drückten. Hermine hörte nicht auf, ihre beste Freundin zu umarmen und dann, völlig unverhofft, fing sie an zu schluchzen. Natürlich erklärte sie allen, während sie ihre Nase mit einem Taschentuch abtupfte, dass sie sich nur so darüber freuen würde, Ginny nach den vielen Wochen endlich wiedersehen zu können, doch Harry ahnte, dass der Grund für Hermines Tränen nicht nur im Gefühl der Freude zu finden war.

Ginny führte Hermine zur Couch hinüber und gleich darauf waren die beiden nicht mehr zu bremsen, denn sie erzählten und erzählten und sie beachteten weder Harry noch Sirius oder Anne. Harry ging derweil zum Kinderbettchen hinüber und als er bemerkte, dass Nicholas hellwach war und die bunten Gegenstände beäugte, die über seiner Wiege hingen, nahm er ihn in den Arm und ging zu Hermine zurück.

„Hermine? Möchtest du mal…?“, fragte Harry, während er ihr den Jungen bereits an die Brust presste. Sie schloss ihre Arme um das kleine Bündel und blickte das Baby an und als Nicholas ihr Gesicht sah, da lächelte der Junge ihr zu. Mit warmer Stimme sprach Hermine zu ihm und der hörte mit großen Augen aufmerksam zu und quietschte ab und an vergnügt. Harry hatte seine beste Freundin genau beobachtet und er wusste, selbst wenn Hermines Wunsch nach einer großartigen Karriere immens war, würde sie um nichts in der Welt darauf verzichten wollen, eines Tages ihr eigenes Kind in dem Armen halten zu können.

Sirius und Anne verabschiedeten sich gegen halb sechs, denn sie wollten in Hogsmeade zu Abend essen und den Besuch bei Rosmerta gleich noch nutzen, um Remus einen Besuch abzustatten, denn der sollte morgen neben Bethany der Trauzeuge sein. So kam es, dass Ginny und Harry zusammengekuschelt auf der Couch saßen und dabei zusahen, wie Hermine sich die Zeit mit Nicholas vertrieb. Sie ließ ihren kleinen Finger von ihm ergreifen und machte lustige Gesichter für ihn, über die sogar Harry lachen musste.

Den Jungen wollte sie gar nicht mehr hergeben, doch Ginny machte ihr einen Strich durch die Rechnung, denn sie sagte: „Stillzeit.“ Sie hielt ihre Arme ausgestreckt und wartete darauf, bis ihre Freundin ihr den Jungen reichte. Hermine verabschiedete sich von Nicholas, als würde er jetzt eine monatelange Weltreise antreten, dabei wollte Ginny nur mit ihm ins Schlafzimmer gehen.

Einen Moment lang schwiegen sich Harry und Hermine an, bevor er leise fragte: „Also, was ist los? Und bevor du mir weismachen willst, dass alles in Ordnung wäre, will ich dich nur wissen lassen, dass ich dich sehr gut kenne. Ich kenne deine Mimik und dein Verhalten und ich weiß, dass heute irgendwas passiert sein muss, weswegen du dich geärgert hast.“
„Wow, Harry. Lass das nicht Trelawney hören, sonst will sie dich noch als ihren persönlichen Schüler in Wahrsagen haben“, sagte Hermine spöttisch. Harry ließ sich von ihren Worten nicht beirren und schaute sie geduldig an, bis sie einmal tief seufzte und endlich mit der Sprache herausrückte: „Severus ist ein Mistkerl!“
Harry schürzte die Lippen und wollte wissen: „Ist er das? Warum?“
Sie schüttelte den Kopf und überlegte, wie sie die Situation am besten schildern könnte und da sagte sie einfach: „Sirius war vorhin da und hat ihn für morgen eingeladen.“
„Ja, ich weiß. Wir haben ihn dazu genötigt“, bestätigte Harry lächelnd.
Sie stöhnte, bevor sie erzählte: „Severus hat natürlich abgelehnt und ich habe gefragt, warum. Na ja, ein Wort hat das andere gegeben und am Ende habe ich ihn mit Seegras beworfen.“
Harrys Augen wären am liebsten aus den Augenhöhlen gefallen, nachdem er das gehört hatte. Zur Sicherheit, falls seine Ohren ihm einen Streich gespielt haben sollten, fragte er nach: „Du hast ihn beworfen? Mit Seegras?“ Sie nickte lediglich, so dass er nicht sehr ernsthaft anfügte: „Du kannst von Glück sagen, dass du noch lebst!“
„Ich lebe nur noch, weil er noch keinen neuen Zauberstab hat“, erklärte sie breit grinsend, doch der Schalk in ihrem Nacken verschwand sehr schnell wieder. Sie schluckte und sagte kleinlaut: „Ich denke, ich werde morgen alleine auf der Hochzeit erscheinen.“

Jetzt verstand Harry, um was es ging. Sie musste Severus gefragt haben, ob er sie begleiten würde und da er die Einladung von Sirius ausgeschlagen hatte, glaubte Hermine, niemanden an ihrer Seite zu haben. Harry war sich nicht darüber im Klaren, ob Hermine betrübt darüber war, einfach nur keine Begleitung zu haben oder darüber, dass es nicht Severus sein würde.

„George hat keine Freundin. Kannst ihn ja fragen, wenn du morgen auf keinen Fall alleine…“
Sie unterbrach barsch und meckerte: „So verzweifelt bin ich auch nicht, Harry. Ich dachte eher, ich frage Valentinus.“
„Oh nein, bitte tu das nicht“, sagte er sehr ernst. Nach einem fragenden Blick ihrerseits erklärte er: „Ich habe vorgestern Pomona und Rolanda im Lehrerzimmer miteinander reden hören und sie haben über Svelte gesprochen. Er hätte Zuhause Beziehungsprobleme und ich vermute, dass er, wenn überhaupt, woanders nur Abwechslung für sich selbst sucht, aber nichts Ernstes. So etwas brauchst du nun wirklich nicht, Hermine.“ Sie presste ihre Lippen zusammen und schien mit einem Male wieder richtig sauer zu sein. Sauer, weil nichts so klappen wollte, wie sie es sich ausgemalt hatte.

Hermine und Ginny hatten sich während des Abends noch so viel zu erzählen, dass beide es nicht einmal mitbekommen hatten, als Harry sich verabschiedete, denn er wollte mit Severus’ Hund den letzten Spaziergang des Tages machen. Das wäre eine Sache, die er demnächst auch einschränken wollte, weil jetzt Ginny wieder da war. Er hatte einfach nicht den Kopf dafür, weiterhin mit dem Hund auszugehen, doch noch nicht heute wollte er mit Severus darüber reden, dass sie vielleicht ein anderes Arrangement finden sollten.

„Guten Abend, Severus“, grüßte Harry, nachdem er eingetreten war. Severus grüßte nur mit einem Kopfnicken zurück und wandte sich gleich wieder seinem Buch zu, womit er Harry zu verstehen gab, dass er nicht vorhatte, eine Unterhaltung zu führen, also nahm Harry den Hund an die Leine und spazierte los. Auf seinem Weg traf er auf einige Schüler und viele Pärchen und nur einmal musste er einen Schüler dazu auffordern: „Mr. Smith, behalten Sie Ihre Hände bei sich!“

Bei Hagrids Hütte angelangt ließ er Harry von der Leine, weil Fang gerade draußen war. Die beiden Hunde mochten sich und sollten ruhig ein wenig miteinander spielen.

„Harry, komm doch rein. Ich hab gerade ’nen Tee fertig“, hörte Harry die tiefe Stimme des Halbriesen sagen.
„Ja gern“, sagte er die Einladung annehmend, bevor er sich in die Hütte begab. Drinnen war es angenehm warm, denn Hagrid kochte irgendwas in einem riesigen Kessel, der über dem Kaminfeuer hing.
„Setz dich doch, Harry“, bot Hagrid an, der kurz darauf an einem kleinen Tisch etwas zu suchen schien. „Ich muss dir was zeigen. Ich habe ’nen Brief von Charlie bekommen. Er schickt mir ein paar Bilder.“

Endlich hatte Hagrid den Brief und die Bilder gefunden und reichte beides Harry, der sich erst die Bilder ansah. Auf ihnen war Charlie zu sehen, der seine roten, langen Haare wie üblich zum Pferdeschwanz gebunden hatte und neben Charlie…

„Sag mal, ist das ein bestimmter Drache auf dem Bild?“, wollte Harry wissen.
„Erkennst du ihn etwa nicht?“, fragte Hagrid zurück.
„Erkennen? Wen?“
„Na, da ist Norbert! Du hast ihn doch als Baby gesehen, Harry“, erklärte Hagrid, während er mit einem seiner fleischigen Finger auf den Drachen im Bild tippte.
„Oh ja! Jetzt, wo du es sagst“, log Harry, denn erkennen konnte er den Drachen am Aussehen nicht, aber natürlich war ihm Norbert noch ein Begriff. Hagrid hatte verbotenerweise in Harrys erstem Schuljahr einen Drachen aus einem Ei schlüpfen lassen, welches er beim Kartenspiel im Eberkopf von einem vermummten Fremden gewonnen hatte. Er war todtraurig gewesen, als man ihm Norbert weggenommen hatte, damit er in Rumänien bei seinesgleichen leben konnte. Es war jedoch ein Trost für Hagrid gewesen zu wissen, dass Charlie Weasley sich dort um die Drachen kümmern würde.

„Charlie schreibt, dass Norbert der liebste Drache im ganzen Reservat ist“, sagte Hagrid stolz. Man hörte deutlich heraus, dass er sich noch immer für Norberts „Mutter“ hielt, was Harry zeigte, dass Hagrids Herz nicht nur deswegen so groß war, weil er ein Halbriese war. Harry betrachtete das Bild genauer und er bemerkte, dass Norbert nicht angekettet zu sein schien und Charlie direkt neben dem Drachen stand und völlig gelassen für das Bild posierte.

Plötzlich bellten draußen die Hunde und Harry und Hagrid liefen sofort hinaus. Man hörte das Geräusch von Pferdehufen, die den Waldboden aufrissen und die beiden Hunde rannten kläffend an der Grenze des Verbotenen Waldes entlang.

„Fang, du dummer Hund. Hörst du wohl auf und lässt die Zentauren in Ruhe!“, schimpfte Hagrid und schon war Fang still und kam winselt zurückgelaufen; Harry hinterher.

Nach diesem kleinen Vorfall verabschiedete sich Harry von Hagrid, um den Hund zu Severus zurückzubringen. Der saß noch immer auf seiner Couch, las jedoch nicht mehr in seinem Buch, sondern notierte sich einige Dinge, während er sich einen Rotwein zu Gemüte führte.

„Severus?“, fragte Harry vorsichtig, um zu sehen, ob sein Kollege in Stimmung war, ein Schwätzchen zu halten.
„Wie kann ich Ihnen helfen?“, fragte Severus und klang dabei sehr gelangweilt.
„Warum wollen Sie morgen nicht zur Hochzeit kommen?“
Severus blickte ihn an und fragte spöttisch: „Schickt sie Sie?“
„Nein, ich möchte nur wissen, warum Sie nicht kommen möchten. Es war doch ein netter Zug von Sirius und…“
„Ihr werter Patenonkel ist mir völlig egal, Harry! Mir ist egal, ob er heiraten wird, ob er Minister wird oder ob er sterben wird. Tut mir Leid, wenn ich so offen bin, aber es gibt da Dinge zwischen Black und mir, die sich nicht ausradieren lassen. Um nichts in der Welt möchte ich mit diesem Mann mehr zu tun haben als notwendig“, erklärte Severus unterbrechend.
„Aber warum haben Sie dann Anne geholfen?“, wollte Harry wissen.
„Weil Sie, Harry, mich darum gebeten haben. Black hat damit überhaupt nichts zu tun. Miss Adair betrachte ich als Ihre Bekannte, weswegen ich Ihnen meine Hilfe zugesichert hatte.“

Nach einer kurzen Pause fragte Harry, der sich den Anflug eines Lächelns nicht verkneifen konnte: „Ist es wahr? Hermine hat Sie mit Seegras beworfen?“
„Ja, hat sie“, antwortete Severus. Er drehte sich, um Harry besser ansehen zu können, bevor er mit böse funkelnden Augen fragte: „Haben Sie alle Ihren Spaß dabei gehabt, als sie über ihre Tat berichtet hatte?“
„Was? Nein! Sie hat es ja nicht ’rumerzählt’, sondern nur mir gesagt. Nicht einmal Ginny weiß davon“, versicherte Harry.
Einen Moment lang überlegte Severus offensichtlich, ob er weitere zynische Bemerkungen oder unbegründete Vorwürfe machen sollte, doch dann nahm er ein anderes Thema in Angriff und sagte: „Ah ja, Miss Weasley kann ja nun wieder am Unterricht teilnehmen. Ich hoffe, sie hat ihre Hausaufgaben gemacht, sonst wird es am Montag Punkteabzug geben.“

Wegen dieser Bemerkung musste Harry lächeln, denn Severus war wieder ganz der Alte. Trotzdem wollte er wissen: „Sind Sie böse auf Hermine?“
Severus hob und senkte die Schultern gelangweilt, bevor er erklärte: „Mir sind weitaus schlimmere Dinge im Leben widerfahren. Eine Attacke mit Seegras kann ich ruhigen Gewissens in die Kategorie ’harmlose Auseinandersetzungen’ einordnen.“
Ein weiterer Moment des Schweigens verging, den wieder Harry durchbrach, als er fragte: „Sie gehen also morgen nicht hin, weil es Sirius’ Hochzeit ist und Sie mit ihm nichts zu tun haben wollen.“ Nachdem Severus genickt hatte, fragte Harry neugierig: „Sind es bestimmte Dinge, die noch immer zwischen Ihnen beiden liegen oder…“
„Black hat auf mein Leben eingewirkt wie kaum ein anderer. Viele Dinge wären anders gekommen, hätte er nicht…“ Severus verstummte.

Bevor es erneut Harry sein würde, der die kleine Pause für sich nutzen wollen würde, ergriff Severus das Wort, um seinem jungen Kollegen die Abneigung gegen Black näher zu bringen.

„Ich versichere Ihnen, Harry, dass ich während meiner Schulzeit eine reale Chance bei einer bestimmten Dame gehabt hatte, doch ein enormer Störfaktor hatte all meine Versuche, mich ihr auf eine werbende Weise nähern zu können, mit so genannten ’Scherzen’ vereitelt“, sagte Severus zum Ende hin durch zusammengepresste Zähne, denn die Wut auf Black war mit einem Male wieder so lebendig wie damals in der Schule.

Plötzlich wurde Severus sich darüber bewusst, was er da eben gesagt hatte und er hoffte, nein, er flehte innig, dass Harry diese Aussage auf Brenda münzen würde und niemanden sonst.

„Sie meinen, Sirius hat Sie immer gestört, wenn Sie mal mit ihr allein sein wollten?“, fragte Harry unsicher. Severus war froh, dass sein junger Kollege nicht einmal auf Brenda eingegangen war.
„Nicht nur ’gestört’, Harry. Black lag stets viel mehr daran, mich öffentlich zu demütigen. Er war es, der unseren Hass aufeinander immer zur Schau gestellt hatte und Ihr werter Vater“, Severus blickte Harry kurz in die Augen, „lag mit Black auf der gleichen Wellenlänge. Wahrscheinlich hätte ich ihn und seine Freunde die gesamte Schulzeit über einfach ignoriert, wenn besonders von Black nicht mehr als ab und an ein paar dumme Bemerkungen gekommen wären, aber er war handgreiflich geworden; er hat mich körperlich angegriffen und…“ Severus verstummte erneut, denn er wollte vor Harry nicht von „seelischen Attacken“ sprechen, um sein jugendliches Ich nicht so schwächlich darzustellen wie es in Wirklichkeit gewesen war.

Harry schenkte sich ungefragt etwas von dem Wein ein, der auf dem Tisch stand und nahm einen Schluck, während er sich das gerade Erfahrene noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Derweil bemerkte er, wie Severus wie hypnotisiert auf sein eigenes Glas starrte, weil er offensichtlich einer Erinnerung nachhing, aus der Harry ihn befreien wollte.

„Hat Lily nie gemerkt, dass es immer Sirius gewesen war, der Sie schlecht dastehen ließ?“, fragte Harry mit leiser Stimme.

Severus hatte heraushören können, dass sein Gegenüber trotz Zugehörigkeit des Hauses Gryffindor momentan befürchtete, die Situation könnte aufgrund seiner Frage eskalieren, denn es war nie Brenda gewesen, um die es tatsächlich gegangen war. Harrys ganzer Mut war von der Frage verschlungen worden, so dass er keinen mehr übrig hatte, um ihrer Konsequenz furchtlos gegenüberstehen zu können.

„Nein, Harry, hat sie nicht“, sagte Severus leise, bevor er seufzte. „Während Black nämlich damit beschäftigt gewesen war, mich von ihr fern zu halten, weil er sie für sich selbst beanspruchen wollte und ich mich tagein, tagaus gegen ihn zur Wehr setzen musste, war bedauerlicherweise uns beiden entgangen, dass Lily bereits eine andere Wahl getroffen hatte. Natürlich hatte Black mich dafür verantwortlich gemacht, weswegen die Streiche nicht aufgehört hatten, sondern nur noch derber geworden waren“, sagte Severus, der sich erneut das Glas füllte, von welchem er sich selbst eine lockere Zunge versprach. Nach einem Schluck erzählte er: „Ich war enttäuscht gewesen, dass Lily sich mit einem derjenigen liiert hatte, die mir jahrelang diese Qualen bereitet hatten.“

Severus schaute Harry in die Augen und hielt diesmal den Blickkontakt, während er fragte: „Erinnern Sie sich an jenen Moment Ihrer Schulzeit, als Sie von allen verachtet worden waren und sogar mit Ansteckern gegen Sie mobil gemacht worden war?“ Harry nickte, während er sich die Situationen rund um das Trimagische Turnier ins Gedächtnis rief, weshalb Severus fortfuhr: „Stellen Sie sich vor, Harry, dass Miss Weasley sich in diesem Moment von Ihnen abgewandt hätte, um sich mit denen zu verbünden, die diese Anstecker erstellt und verteilt hatten. Können Sie diese Enttäuschung nachvollziehen?“ Harry stellte sich das fiktive Szenario vor und nickte sympathisierend. „Aus dieser Enttäuschung heraus habe ich Lily mit einem Schimpfwort bedacht, an welches Sie sich sicherlich noch erinnern können.“ Er nickte nochmals, denn ihm war sofort die Szene aus dem Denkarium eingefallen, in welcher Severus zu seiner Mutter „Schlammblut“ gesagt hatte. „Ich konnte es nicht zurückhalten; in diesem Moment wollte ich sie verletzen“, fügte Severus mit schwacher Stimme hinzu, aus der herauszuhören war, dass er sein jugendliches Temperament bedauerte.

Alles, was Severus erzählt hatte, war für Harry nachvollziehbar, sogar der Grund dafür, Lily mit diesem schrecklichen Schimpfwort bedacht zu haben.

Nach einer Weile erzählte Harry anscheinend zusammenhanglos: „Ich bin so froh, dass Ron und Hermine sich im Guten getrennt haben. Ich glaube, ich hätte es nicht ertragen, wenn sie sich zerstritten hätten und ich immer nur einen von beiden sehen könnte.“
Severus ging auf das neue Thema ein und sagte: „Mich hat die Auflösung der Verlobung sehr überrascht. Alle Anzeichen hatten dafür gesprochen, dass die beiden ihr Leben gemeinsam verbringen würden.“
„Was denn für Anzeichen?“, fragte Harry verdutzt.
„Ich glaube, ich habe die ersten Anzeichen bereits in Ihrem dritten Jahr festmachen können. Ab dem vierten war mir klar, dass die beiden, wie Molly und Arthur damals, sich gefunden haben mussten“, erklärte Severus.
Harry zuckte einmal mit den Schultern und gab seine Meinung von sich. „Ich glaube eher, das ist der Grund, warum es am Ende bei den beiden nicht geklappt hat. Ich meine, dass sie so früh zueinander gefunden haben. Bei Fred und Angelina war es auch so gewesen. Die kannten sich ebenfalls von Kind auf und waren so vertraut miteinander, dass es über diese enge Vertrautheit hinaus nicht funktionieren wollte. Hat mir jedenfalls Angelina mal erzählt.“

Nach seiner Ausführung hatte Harry plötzlich das Gefühl, dass dieses Gespräch eine Richtung eingeschlagen hatte, die Severus gar nicht gefallen würde. Der jedoch reagierte nicht aufbrausend oder abweisend, sondern erstaunlicherweise offenherzig, denn er sagte: „Wissen Sie, es wäre gut möglich, dass es sich bei Lily am Ende um so einen Menschen gehandelt hatte, den Hermine für Sie darstellt.“
„Sie meinen, eine beste Freundin?“, fragte Harry neugierig.
„Ja, eine beste Freundin. Diese von mir gestoßen zu haben hat mich so sehr beschäftigt, dass es mir wichtiger gewesen war, wieder einen Kontakt ihr zu knüpfen, anstatt mich auf meinen Hass auf Black zu konzentrieren, doch während der Schulzeit hatte ich nie die Gelegenheit dazu gefunden. Erst nach der Schule habe ich damit begonnen ihr zu schreiben, doch sie hat nicht geantwortet, bis mir dieser eine Gedanke gekommen war: Ich wollte sie nur als Vertraute zurückgewinnen, weswegen ich ihr zu verstehen geben musste, dass meine Interessen lediglich freundschaftlicher Natur waren und so habe ich einen Brief verfasst, den ich an beide adressiert hatte; an Lily und James, denn er war ihre Entscheidung gewesen, die ich respektieren musste“, sagte Severus mit etwas Wehmut in der Stimme. „Sie haben tatsächlich geantwortet und es war ein kleiner Briefkontakt entstanden, dem ich sehr enthusiastisch gegenübergestanden hatte. Einzig die von ihr übermittelten Grüße von Lupin, den sie ganz offensichtlich über den Kontakt zu mir unterrichtet hatte, hatte ich als etwas störend empfunden; nicht der Rede wert. Bevor es jedoch zu einem Treffen kommen konnte…“

Severus hatte innegehalten, denn die Erinnerung an ihren Tod war viel zu schmerzhaft, als dass er unberührt von den Gedanken an sie berichten könnte.

Etliche Minuten lang waren beide Männer still. Harry hatte verstanden. Endlich hatte er begriffen, wie Severus sich fühlte und so sagte er, um zu erkennen zu geben, wie sehr er mitfühlen konnte: „Das wäre genauso, als hätte ich Hermine verloren.“

Ihm war bewusst geworden, dass er Hermine in Aberdeen hätte verlieren können; nein, er hatte sie bereits verloren und sein zukünftiges Ich hatte darum gebeten, in das eigene Leben einzuwirken, damit er sie wieder an seiner Seite wissen konnte. „Ihr müsst gehen, Harry! Verändere meine Zukunft, bitte!“ hatte sein zukünftiges Ich erfleht, denn er, Harry, hatte bereits den Schmerz erfahren müssen, die ihm so sehr ans Herz gewachsenen Menschen verloren zu haben.

Severus hatte sich nicht mehr geäußert und so ergriff Harry diesen Moment und fragte: „Wenn Lily für Sie am Ende so jemand gewesen war wie Hermine für mich ist…“ Severus blickte ihn neugierig an und wartete gespannt auf den Rest des Satzes, den Harry nur mit viel Selbstüberredung hervorbringen konnte: „…was ist dann Hermine für Sie?“ Möglicherweise, so dachte Harry, wäre spätestens jetzt eine Situation eingetreten, die Severus wortlos beenden wollen würde, doch der Versuch war es wert gewesen.

Nachdem er gewissenhaft überlegt hatte, gab Severus erstaunlicherweise eine Antwort und er versuchte zu erklären: „In erster Linie sehe ich sie als“, das Wort kam ihm schwerer über die Lippen als er gedacht hatte, „Freundin. Sie ist diejenige, die Lily für mich hätte sein sollen.“ Da Harry ganz große Augen machte, erklärte Severus nur ein klein wenig erbost: „Ich meine damit, dass Hermine den Platz einer engen Vertrauten einnimmt; das, was ich nach meinem Verlust ihrer Gunst in Lily gesucht hatte!“

Er seufzte und Harry machte es ihm gleich. Beide hatten an ihrem Wein genippt, bevor Severus leise fragte: „Harry? Welche Möglichkeit der wortlosen Entschuldigung könnten Sie mir empfehlen?“
Harry wiederholte die Frage zunächst in Gedanken und dann laut: „’Wortlose Entschuldigung’? Ich… ähm… Ach so, verstehe! Lassen Sie mich kurz überlegen.“
Zuletzt geändert von Muggelchen am 25.01.2011 22:54, insgesamt 1-mal geändert.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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Beitrag von »

endlich :bounce:

severus hats geschafft sich zu öffnen :smile: ein wirklich intressantes & aufschlussreiches kapitel (:

freu mich schon aufs nächste :)

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CaRo94
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Beitrag von CaRo94 »

Hey Muggelchen!!

Wurde ja auch langsam mal Zeit, dass Severus ml redet!! =)

Echt wieder einmal super tolle Kapitel. :)

Liebe Grüße
Caro
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Fabi¢¾
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Beitrag von Fabi¢¾ »

Hallo Muggelchen :)

Nachdem ich jetzt -endlich- deine Geschichte bis hierhin gelesen hab, schreib ich mal was=)
Also erstmal ein gaaaanz großes Lob, du hast einen wnuderbaren Schreibstil, und er fesselt einen wirklich. Ich hab erst dann aufgehört, als meine Augen vom Bildschirm schon leicht getränt haben :D
Was mir natürlich besonders gut gefällt, sind deine Paare^^ Besonders die Idee von Susan und Draco find ich toll=) Und die langsame Annäherung von Severus und Hermine mit immer-mal-wieder-Aussetzern ist wirklich genial=)
Aber natürlich sind nicht nur deine Paare gut... ;P
Deine ganzen Ideen, ich wär nie so kreativ sind hammer.. und ich mag besonders die Geschichte mit dem Irrwicht=)
Und nachdem ich ja jetzt immer haufenweise Kapitel auf enimal gelesen hab, ist es ungewohnt für mich auf eins zu warten :D Also lad gaaanz schnell eins hoch, weil cih sehnlichst drauf warte ;)
Ich bin ein riesengroßer Fan von der Geschichte=) Du hast ja schonmal gemeint irgendwo, dass das kein 7. Band darstellen soll.. Aber nur so zum Vergleich find ich deine Ideen besser als JKR im 7. Band...
Also weiter so :smile:

Liebe Grüße,
Fabi
[img]http://www.fotos-hochladen.net/hethledgere6u80593.jpg[/img]

Danke an Nathalie Haid =)

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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

Sorry, dass Ihr warten musstet. Ich hatte Urlaub, aber dafür gibt es jetzt zwei Kapitel auf einmal :)

Hallo ,

so ein bisschen hat sich Severus schon geöffnet. Später (viel später) kann er noch mehr aus sich raus ;)

Hey Caro,

Gespräche zwischen Harry und Severus laufen zwar nicht immer unbedingt "liebevoll" ab, aber zumindest erfährt Harry ein wenig von seinem Kollegen.

Hallo Fabi,

ja, es dauert ein wenig, bis man mit der Geschichte durch ist. ;) Vielen Dank für die netten Worte. Eine lange Geschichte durchweg interessant zu gestalten ist nicht leicht. Ich finde schön, dass du nicht nur die Paare gut findest, obwohl gerade Draco und Susan wohl sehr ungewöhnlich sind. Und die langsame Annäherung zwischen Severus und Hermine wird langsam bleiben, aber keinesfalls zum Halt kommen. Gerade bei Severus sollte man nichts überstürzen.
Ich weiß, wie das ist, wenn man erst viele Kapitel vor sich hat und man dann plötzlich auf ein neues warten muss. Einige Male bin ich böse reingefallen, weil eine FF nicht mehr fortgesetzt wurde. Das wird hier nicht passieren.
Wenn dir der Irrwicht schon gefällt, wirst du den Fortlauf der Handlung auch lieben. Es wird manchmal vielleicht etwas düster, aber es wird nicht böse enden.
Den 7. Band kenne ich ja noch immer nicht. Trotdzem vielen Dank für dein Lob. :)

Liebe Grüße,
Muggelchen




102 Gesellschaftsübergreifende Eheangelegenheiten




Nachdem Harry seinem älteren Kollegen einen Tipp bezüglich „wortloser Entschuldigungen“ gegeben hatte, machte er sich zurück auf den Weg in seine Räume. Es erstaunte ihn nur einen kurzen Moment, dass Ginny und Hermine seine Abwesenheit nicht einmal bemerkt zu haben schienen, doch kaum war er da, wurde er auch schon mit neu gestrickten Plänen überrannt.

„Harry? Wie wäre es, wenn wir mal zusammen mit Hermine in Urlaub fahren? Nur wir drei! Natürlich auch Nicholas, aber der zählt ja im Moment nicht mal eine halbe Person.“ Sie strahlte über das ganze Gesicht. „Das wird sicher Spaß machen“, schwärmte Ginny, die schon einmal mit Hermine das Vergnügen des gemeinsamen Urlaubs erleben durfte.
„Vielleicht sollten wir erst einen Termin für unsere Hochzeit aussuchen, Ginny. Mit Hermine können wir immer noch zusammen verreisen, aber unsere Flitterwochen hätte ich dann doch gern für uns“, entgegnete Harry.
„Ich werde mich langsam verabschieden“, sagte Hermine, nachdem sie gerade die Uhrzeit an Harrys Wanduhr abgelesen hatte. „Wir müssen ja morgen schon um zehn Uhr da sein und vorher wird noch mein Kleid von Besenknechts Sonntagsstaat geliefert. Ich hoffe, das kommt rechtzeitig! Ich habe denen gesagt, ich brauche es spätestens um neun Uhr.“
Ginny grinste und sagte: „Mein Kleid soll morgen auch geliefert werden!“
„Also, ich musste mir nichts Neues kaufen“, warf Harry ein. „Remus und Tonks hatten mir mal zu Weihnachten diesen Muggelanzug geschenkt, dessen Größe sich automatisch anpasst.“
„Männer brauchen ja auch nur einen Anzug, während die Damen eine Vielzahl an Kleidungskombinationen…“
Harry unterbrach Ginny und witzelte: „Was soll das wieder heißen? Dass die Männer morgen alle gleich aussehen werden? Schwarze Anzüge und Krawatten?“
Die drei lachten, bis Hermine sagte: „Ich bin mal gespannt, wen die beiden alles eingeladen haben und wie es mit den Muggeln aussieht. In der Einladung stand ja was von absolutem Zauberverbot, aber nichts davon, dass man seine Identität als Hexe oder Zauberer geheim halten muss.“
„Ich bin schon gespannt“, warf Harry ein, „was die Muggel zu Mad-Eye sagen werden. Ich meine, den fand selbst ich gruselig, als ich ihn das erste Mal gesehen habe.“
„Gehen wir morgen zusammen hin?“, wollte Hermine wissen und die Hoffnung in ihrer Stimme war so rührend, dass beide sofort zugesagt hatten.

Nachdem Hermine gegangen war, kuschelte sich Ginny auf der Couch noch ein wenig an Harry, bevor sie sagte: „Lass uns ins Bett gehen, Harry.“

Erschrocken blickte er sie an, doch er brachte es zustande, ihr wenigstens zuzunicken, wenn ihn ihre harmlose Frage auch etwas unruhig gestimmt hatte. Sie waren immerhin verlobt! Sie durften die Nacht zusammen verbringen und doch fühlte sich Harry wie ein Schuljunge, der kurz davor stand, etwas Verbotenes zu tun.

Als sie von der Couch aufstand und ihn an der Hand ins Schlafzimmer führte, war ihm das Herz in die Kehle gerutscht und er musste kräftig, sehr kräftig, schlucken, damit er wieder imstande war, etwas sagen zu können, doch als er es versuchte, versagte seine Stimme erneut, denn Ginny begann gerade damit, die Knöpfe seines Hemdes zu öffnen und seine Brust freizulegen. Seine Atmung beschleunigte sich und durch die Nase bekam er nicht mehr den Sauerstoff, den sein Gehirn benötigte, also atmete er durch den leicht offen stehenden Mund weiter. Ab und an schaute sie ihm lächelnd in die Augen und in den ihren war ein freches Funkeln zu sehen, welches ihm veranschaulichte, was sie heute noch vorhatte. Sie teilte sein weißes Hemd und legte seine Brust frei, die sie gleich darauf mit den flachen Händen berührte. Harry wollte unbedingt etwas tun, jedenfalls etwas mehr als gar nichts, und vor lauter Unsicherheit packte er einfach zu und küsste Ginny leidenschaftlich. Ja, das war ein vertrautes Gefühl, denn geküsst hatten sie sich schon häufig und jeder Kuss schien schöner und inniger zu sein als der vorherige. Er streichelte über den durch eine dünne Bluse bedeckten Rücken und streifte den Verschluss ihres BHs und schon jetzt malte er sich aus, wie er sich wohl anstellen würde, sollte er diesen Verschluss nachher öffnen müssen und dann, ganz plötzlich, fing Nicholas an zu weinen.

Ginny beendete den Kuss und blickte ihn mit Schlafzimmeraugen an, bevor sie witzelnd bemerkte: „Das Leid junger Eltern. Ich kümmere mich um ihn.“

Mitten in der Nacht wachte Hermine mit einem unguten Gefühl auf und dann wusste sie auf einmal, warum das so war. Fellini war nicht bei ihr! Abrupt setzte sie sich im Bett auf und verwendete einen der wenigen wort- und stablosen Zaubersprüche, die sie beherrschte, um Licht zu entzünden.

„Fellini?“, fragte Hermine laut in den Raum hinein, doch das Tierchen kam nicht aus dem Wohnzimmer zu ihr gelaufen wie sonst, wenn sie nach ihm rief. „Oh Gott, wo bist du nur?“

Sie warf sich einen Morgenmantel über und blickte auf die Uhr. Es war drei Uhr mitten in der Nacht, aber sie konnte nicht schlafen, wenn ihr Haustier unauffindbar war. Mit warmen Hausschuhen verließ sie ihre Räumlichkeiten und bibberte, als die kühle, feuchte Luft der Kerker durch ihren Morgenmantel kroch. Sie blickte nach links und dann nach rechts, bevor sie leise rief: „Fellini?“ Kein Maunzen war zu hören, kein Fellknäuel zu sehen und so ging Hermine nach rechts und hielt auf ihrem Weg die Augen offen.

Zur gleichen Zeit, wie üblich in einer Nacht zum Samstag, huschte ein lautloser Schatten über die Gänge und kontrollierte Nischen, Vorsprünge, Ecken und leer stehenden Klassenzimmer auf der Suche nach Schülern, die sich um diese Zeit ihrer eigenen Nachtruhe beraubten. Im Erdgeschoss auf einem überdachten Gang im Freien bemerkte Severus eine helle Gestalt, die er im ersten Moment für einen Geist hielt, aber dann fiel ihm auf, dass die Gestalt Beine hatte und lief, weswegen er sich ihr einfach an ihre Fersen heftete. Er benötigte nicht lange, um zu erkennen, dass es sich um Hermine handelte, doch es war ihm ein Rätsel, warum sie mitten in der Nacht nur mit einem Morgenmantel bekleidet umherlief. Schmunzelnd fragte er sich, ob sie womöglich eine Schlafwandlerin sein könnte, wie Harry es von sich in seinem dritten Schuljahr behauptet hatte.

„Hermine?“, fragte er leise, als er nur noch vier oder fünf Meter von ihr entfernt war. Obwohl er so leise gesprochen hatte, hatte seine plötzliche Stimme sie wahnsinnig erschreckt, so dass sie sich umdrehte und eine Hand auf ihre Brust schlug.
„Severus, was tun Sie denn hier?“, fragte sie doch glatt zurück.
„Für meine Person ist es nicht ungewöhnlich, mich um diese Uhrzeit hier aufzuhalten, aber es ist ungewöhnlich für Sie, Hermine. Was für ein Grund treibt Sie um kurz nach drei Uhr dazu an, durch Hogwarts Gänge zu schleichen?“
„Ich schleiche nicht, ich suche etwas. Haben Sie Fellini gesehen?“, wollte sie wissen.
„Wen bitte?“, fragte er nach, während er ein verdutztes Gesicht machte.
„Oh, das hatte ich Ihnen ja noch gar nicht gesagt. So heißt der Kniesel. Fellini! Er ist weg und ich weiß nicht, wo er sein kann“, erklärte sie aufrichtig und sehr besorgt klingend.
Severus presste seine Lippen zusammen, bevor er sagte: „Es wird ihm schon nichts geschehen sein. Wahrscheinlich hat er die Freuden der Jagd entdeckt und hat sich in der Eulerei auf die Lauer gelegt, um sich ein paar Mäuse zu fangen oder schlimmer noch, ein paar Eulen.“

Sie hörte heraus, dass der letzte Teil seines Satzes nicht ernst gemeint war und sie nickte, als sie erkannte, dass Severus Recht haben musste. Fellini würde sich sicherlich die Zeit zu vertreiben wissen, doch trotzdem sorgte sie sich.

„Aber es ist doch so kalt.“
„Er hat ein dickes Fell“, beschwichtigte er sie. „Wo haben Sie ihn denn zuletzt gesehen?“, wollte Severus im Anschluss gleich noch wissen.
„Er ist mir gestern Abend zu Harry gefolgt, aber ich weiß nicht, ob er mit mir zurückgegangen ist. Ich glaube aber nicht, dass er noch dort ist, denn Harry hätte ihn bestimmt zu mir gebracht. Der Kniesel kann nämlich richtig laut werden, wenn ihm etwas nicht passt, wissen Sie?“, sagte sie mit so viel Sorge in der Stimme, dass Severus ihr Attentat mit Seegras und Nixenkraut bereits vergessen hatte.
„Ich werde die Augen aufhalten, Hermine. Sie sollten zurückgehen, denn wie Sie ganz richtig bemerkt haben, ist es recht kalt und, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf: Ihr Morgenrock sieht nicht gerade sehr wärmend aus.“
„Aber…“
„Kein ’aber’. Sie wissen genau, wie groß Hogwarts und die anschließenden Ländereien sind. Sie würden das Tier bei Nacht sowieso nicht finden, also gehen Sie bitte, bevor Sie sich noch erkälten“, sagte er fast im Befehlston und sie gehorchte.

Auf seinem Rundgang fand Severus den Kniesel nicht, dafür aber zwei Schüler, die er kurz belauschte, bevor er sich dazu entschloss, nicht einzuschreiten. Sie hielten sich zwar zu einer mehr als nur unangemessenen Zeit außerhalb ihrer Schlafräume auf, doch wie er aus dem Gespräch erkennen konnte, war eine Unterhaltung zwischen den beiden zur Tageszeit offensichtlich kaum möglich. Mr. Foster, ein Schüler seines Hauses, und Miss Beerbaum, die junge Dame aus Hufflepuff, die nach dem Tode ihrer Familie in Pomonas Obhut gekommen war, unterhielten sich sehr ernst über die Möglichkeiten, zusammen zum Halloweenfest zu erscheinen, ohne sich dem Spott ihrer Mitschüler auszusetzen. Besonders Meredith sorgte sich darum, von ihrem eigenen Haus ausgegrenzt zu werden, sollte herauskommen, dass ihr Freund ein Slytherin wäre. Sie hatten sich nicht getroffen, um ihren Hormonen nachzugeben, weshalb Severus sich unerkannt wieder auf den Rückweg machte.

Als er in seinem Wohnzimmer angekommen war, staunte er nicht schlecht bei dem Anblick, der sich ihm bot, denn Hermines Kniesel musste vorhin von ihm unbemerkt hineingekommen sein, als er seinen Kontrollgang gestartet hatte. Jetzt lag das schwarze Tier in Harrys Korb und beide schliefen fest und eng aneinander gekuschelt. Severus raffte sich dazu auf, Hermine Bescheid zu geben, damit sie eine ruhige Nacht haben würde und so ging er auf den Flur hinaus und eine Tür weiter, um zaghaft zu klopfen. Sofort wurde ihm von ihr geöffnet.

„Ihr Kniesel hatte sich Zutritt zu meinen Räumen verschafft und liegt bei meinem Hund. Ich wollte Ihnen nur Bescheid geben. Vielleicht möchten Sie das Tier abholen?“, fragte er. Sie nickte daraufhin und folgte ihm ihn sein Wohnzimmer. Als sie die beiden Tiere im Korb bemerkte, da wollte sie Fellini nicht wecken, denn der schlief gerade so süß und selig.
„So haben die beiden auch zusammen gelegen, als ich sie von Hagrid abgeholt habe“, sagte sie lächelnd, bevor sie aufblickte und Severus ansah. „Severus? Würden Sie morgen vielleicht auf ihn aufpassen und ihn füttern, während ich auf der Hochzeit bin? Ich weiß ja nicht, wie lange das dauern wird.“
„Das ließe sich einrichten“, erwiderte er kühl.
„Das ist nett von Ihnen“, sagte sie, während sie ihn einmal dankend anlächelte. Gleich darauf fügte sie hinzu: „Wenn Sie nichts dagegen haben, dass er heute schon hier…“
„Kein Problem, Hermine. Sie sollten jetzt versuchen, etwas Schlaf zu finden“, sagte er und begleitete sie zur Tür.

Nachdem er die Tür geöffnet hatte, erstarrte er zur Salzsäule, genau wie Gordian Foster, der gerade eben auf seinem Rückweg zum Slytherin-Schlafsaal ertappt worden war. Das Problem, das Severus jedoch sah, war von ganz anderer Natur, denn Hermine war nicht nur aus seinen Räumlichkeiten getreten, sie war darüber hinaus auch nur leicht bekleidet. Gordian schaute seinen Hauslehrer verschämt an, erhaschte einen Blick auf dessen Privatschülerin und schaute verlegen und mit roten Wangen zu Boden.

„Mr. Foster“, begann Severus mit seiner gemeinen, öligen Stimme. „Ich hoffe doch, ihr eben stattgefundenes Gespräch mit Miss Beerbaum hat Sie Ihrer Problemlösung näher gebracht.“ Gordian blickte erstaunt auf und wunderte sich, wie sein Hauslehrer davon hatte erfahren können. Er hatte sich doch erst vor wenigen Minuten mit ihr getroffen. Völlig eingeschüchtert konnte Gordian nichts anderes tun als zu nicken. Er lauschte sehr aufmerksam seinem Hauslehrer, als dieser erneut das Wort ergriff und sagte: „Ich hoffe doch, Sie sind sich darüber im Klaren, wie Sie sich mir für das Ausbleiben einer Strafarbeit und dem nicht eingetretenen Punkteverlust erkenntlich zeigen können!“
„Ja, Sir“, versicherte Gordian leise, denn er hatte sehr wohl verstanden, dass sein Hauslehrer ihm gedroht hatte und ihm nahe legte, den Mund zu halten.
„In den Schlafsaal, aber sofort!“, zischelte Severus und der Junge rannte los.

Hermine war ein wenig perplex, verabschiedete sich jedoch von Severus, um wieder ins Bett zu gehen. Vor dem Einschlafen dachte sie daran, wie übertrieben Severus bei dem Schüler reagiert hatte. Sicherlich musste es seltsam ausgesehen haben, dass sie um kurz vor halb vier mit nur einem dünnen Morgenmantel bekleidet seine Räume verlassen hatte, aber andererseits musste Severus sich nicht vor seinen Schülern rechtfertigen. Letztendlich war es jedoch besser, wenn nur ein einziger Schüler falsche Schlüsse gezogen hatte, aber den Mund halten würde, anstatt dass hunderte von Schülern anstelle von Zaubertränken die Gerüchteküche brodeln lassen würden.

Am nächsten Morgen wachte Hermine viel zu früh auf, doch schlafen konnte sie nicht mehr, weswegen sie sich bereits fürs Frühstück fertig machte. Sie zog sich nur eine Jogginghose und einen Weasley-Pullover über, denn um spätestens neun Uhr sollte ihr Kleid kommen, das sie extra für die Hochzeit von Anne und Sirius bestellt hatte. Die Haare hatte sie sich bereits zurechtgemacht und sie hatte auch etwas Make-up aufgelegt, bevor sie sich auf die Couch setzte. Als sie auf die Posteulen und das Frühstück wartete, wurde ihr erst bewusst, wie aufgeregt sie wegen der Hochzeit war.

Die erste Eule brachte den Tagespropheten, der schon in der Schlagzeile über das heute stattfindende und sehr wichtige Spiel „Eintracht Pfützensee gegen die Tutshill Tornados“ berichtete. Daran hatte Hermine gar nicht mehr gedacht, aber da sie nicht mehr mit Ron zusammen war, war sie über die anstehenden Spiele nicht sehr gut informiert. Das heutige Spiel bedeutete, dass Ron nicht zur Hochzeit erscheinen würde. Einerseits war sie erleichtert, weil sie dann nicht zusehen müsste, wie Angelina und er die ganze Zeit über turteln würden, doch andererseits wäre ihr das mittlerweile sicherlich egal. Sie hätte Ron gern mal wieder zu Gesicht bekommen. Die zweite Eule brachte den Klitterer, der über verwaiste Heliopathen berichtete, die nach dem Tod von Cornelius Fudge rastlos umherirren sollten. Eine dritte Eule brachte die Hexenwoche und Hermine stutzte, denn die Zeitschrift hatte sie gar nicht abonniert. Es stellte sich heraus, dass es sich um ein Probeexemplar handelte und sie fand während des Frühstücks sogar gefallen an dem Magazin, denn es wurden die zehn begehrtesten Junggesellen aufgelistet. Harry stand an erster Stelle, jedoch wurde berichtet, dass Gerüchte im Umlauf wären, er würde seine alte Flamme heiraten wollen: die Tochter des Zaubereiministers.

Um Viertel vor neun war das Kleid noch immer nicht da und Hermine wurde langsam ungeduldig. Um fünf vor neun brachten sechs Eulen ein längliches Päckchen und Hermine riss es in Windeseile auf, nur um fast ohnmächtig zu werden.

„Die haben mir das falsche Kleid geschickt!“, meckerte sie laut.

Mit dem Kleid unterm Arm rannte sie einen Stock höher zu Harry und nachdem er ihr geöffnet hatte und Hermine eingetreten war, erblickte sie Ginny, die fassungslos auf ein blaues Kleid starrte. Als Ginny erst Hermine und gleich darauf das rote Kleid in deren Hand erblickte, sagten beide Frauen gleichzeitig, währen sie auf die jeweilige Lieferung des anderen zeigten: „Das ist mein Kleid!“

Besenknechts Sonntagsstaat hatte zum Glück nur die beiden Empfänger in Hogwarts vertauscht. Da es langsam spät geworden war, zogen sich Hermine und Ginny im Wohnzimmer um. Harrys Proteste, doch ins lieber Schlafzimmer zu gehen, hörten sie nicht und da sich die beiden gerade nackig machten, hielt er es für besser, kurz vor die Tür zu gehen.

„Harry, Sie sehen ja heute mal richtig präsentabel aus“, hörte er Severus’ Stimme sagen.

Stolz grinsend strich sich Harry mit einer flachen Hand über die Brust und genoss das Gefühl des gut sitzenden, weichen Jacketts. Severus war gerade die Treppe aus den Kerkern hinaufgekommen und er hatte Harry an der Leine. Frei nebenher lief Hermines Kniesel und da Harry ein verdutztes Gesicht machte, erklärte Severus: „Der Kniesel folgt dem Hund auf Schritt und Tritt.“

Harry lächelte, als er die beiden Tiere zusammen erblickte.

„Guten Morgen, Severus. Heute mal selbst mit dem Hund unterwe…?“ Harry hielt inne und drehte sich um, als die Tür hinter ihm aufgerissen wurde und Hermine und Ginny in ihren hübschen Kleidern im Türrahmen standen. Ginny trug ein feuerrotes, aber dennoch schlicht wirkendes Kleid, welches wunderbar zu ihren Haaren passte und Hermine hatte sich ein dunkelblaues Kleid mit schwarzer Spitzenverzierung besorgt. Die Herren der Schöpfung würden sagen, Hermines Kleid sähe fantastisch an ihr aus, während die Damenwelt sicherlich der Meinung wäre, es würde viel zu eng sitzen.

„Guten Morgen, Hermine“, grüßte Severus und Harry war nicht entgangen, dass sein älterer Kollege einmal fast unmerklich Hermine von oben bis unten betrachtet hatte. „Miss Weasley, Ihnen auch einen guten Morgen.“
Der Kniesel streifte Severus’ Bein und kam auf Hermine zu, so dass sie gar nicht anders konnte als sich lächelnd hinzuhocken und da geschah es. Jeder hörte ein lautes „Ratsch“ und für einen Moment schien die Zeit stehen geblieben zu sein, bis Hermines Lächeln verblasste und sie leise zu sich selbst sagte: „Das kann nicht wahr sein!“
Ginny ging eine Schritt zurück und sagte mitfühlend: „Lass mal sehen.“ Ganz plötzlich fing sie an zu lachen, warf sich jedoch schnell eine Hand über den Mund.
Nervös tastete Hermine ihr Gesäß ab und dann, als sie den Riss spürte, schloss sie die Augen und schimpfte leise: „Verdammt.“ Ohne Umscheife verschwand sie ins Innere des Wohnzimmers, gefolgt von einer giggelnden Ginny.

Harry schloss die Tür wieder, damit Ginny und Hermine sich das Malheur in Ruhe betrachten konnten. „Ist gar nicht so groß, Hermine. Sieht man kaum. Mama könnte das richten.“
„Aber ich kann doch nicht mit einem Riss im Kleid hingehen!“
„Warum nicht? Du hast doch einen Umhang drüber und man sieht ihn nicht. Ich glaube, Remus ist auch ganz gut in solchen Änderungszaubern“, erklärte Ginny.
„Ja sicher, wir können ja über Sonorus alle Hexen und Zauberer dazu auffordern, sich mal den Riss anzusehen. Ich will da so nicht hingehen!“
„Hermine, jetzt mach aber mal einen Punkt! Das sieht niemand und wir werden jemanden finden, der das wieder in Ordnung bringen kann!“, sagte Ginny rügend, bevor sie sich die Tragetasche mit Nicholas schnappte. „Komm, wir müssen los. Wirf dir den Umhang drüber und gut ist!“

Die drei marschierten vor die Tore von Hogwarts, damit sie apparieren konnten, denn weder Ginny noch Hermine wollten sich das Kleid im Kamin schmutzig machen. Sie hatten das Herrenhaus, in welchem Sirius und Anne die Hochzeit arrangiert hatten, in null Komma nichts erreicht und man konnte schon ein wenig Trubel sehen. Viele schick angezogene Leute waren mit Autos vorgefahren, aber hier und da hörte man auch das Plopp von Zauberern und Hexen, die per Apparation ankamen.

„Sieh mal, da sind Remus und Tonks mit ihren Eltern!“, sagte Ginny aufgeregt. Mit Tonks war sie schon immer bestens zurechtgekommen und sie musste jedes Mal daran denken, wie sie damals zusammen im Grimmauldplatz gesessen hatten und Tonks ihre Schweinenase vorgeführt hatte. Ginny winkte hinüber und Tonks winkte fröhlich zurück.
Harry blickte sich um und diejenigen, die er erkannte, waren durchweg Bekannte und Freunde seines Patenonkels und er bemerkte ganz richtig: „Das sind alles Leute vom Orden!“

Er erkannte auch Beth, die neben einer anderen, jungen Frau stand, die einen vielleicht zehnjährigen Jungen an der Hand hielt. Diese Frau, deren Name ihm unbekannt war, hatte er bereits an dem Abend gesehen, an welchem er in Annes Küche den Antrag für einen eigenen Hauself ausgefüllt hatte.

Plötzlich kam Molly auf ihn zugestürmt und sie drückte ihn fest an sich und grüßte: „Mein lieber Harry, lass dich ansehen. Hast dich nicht verändert!“ Sie richtete seinen Kragen, der keinerlei Aufmerksamkeit bedurfte, und sagte: „So ein Anzug steht dir, mein Guter!“ Sie lächelte ihn warmherzig an, bevor sie ihre Tochter drückte und sagte: „Ginny-Schatz, es ist so schön, dass du kommen konntest. Bill hat kurzfristig einen privaten Auftrag als Fluchbrecher angenommen und wird leider nicht kommen und Charlie kann auch nicht, weil die neuen Ukrainischer Eisenbäuche bald schlüpfen und er ist dazu verdonnert worden, auf die Viecher aufzupassen.“
„Das ist aber schade“, sagte Hermine und gleich darauf wandte sich Molly ihr zu, um auch sie herzlich zu umarmen.
„Hermine, wie geht’s? Lass dich ansehen“, Molly trat einen Schritt zurück und betrachtete Hermine, der dies etwas unangenehm zu sein schien. „Hübsches Kleid, wirklich sehr hübsch!“, kommentierte Molly das blaue Kleid.
Ginny grinste und sagte: „Ja, es ist hübsch, aber etwas luftig.“ Hermine warf Ginny einen bösen Blick zu, während ihre Mutter nur fragend die Augenbrauen zusammenzog, so dass Ginny erklärte: „Da ist ein kleines Missgeschick passiert und ich habe gehofft, du könntest…“

Sie wurde unterbrochen, als Remus alle Gäste dazu aufforderte, doch endlich hereinzukommen, denn draußen hatten sich hier und da kleine Menschentrauben gebildet, die sich aufgeregt miteinander unterhielten. Alle folgten Remus’ Bitte und auch Molly war der Aufforderung nachgekommen, hatte sich aber schnell noch die Tragetasche mit Nicholas geschnappt und ihrer Tochter gesagt, dass sie sich etwas um den Jungen kümmern würde, damit Ginny ein wenig Zeit für sich und Harry haben würde.

„Also“, begann Harry, „wenn wir mal Zeit für uns haben möchten, dann weiß ich schon, wohin wir Nicholas geben können.“ Danach hielt er den beiden Frauen seine Armbeugen entgegen und Hermine und Ginny hakten sich bei ihm unter, bevor sie den anderen Gästen folgten.

Das Herrenhaus war ein wunderschön beigefarbenes Dreiflügelhaus mit weißen Fensterrahmen und zinnoberrotem Dach. Die rundliche Grünanlage direkt vor dem Haus konnte man rechts oder links umgehen und so teilte sich die Gästeschar auf dem Weg zum Haus. Während sie sich dem Haus näherten, unterhielten sich Ginny und Hermine darüber, wie hübsch das Anwesen wäre und als sie die paar Stufen des Hauses hinaufgingen, hielt Hermine kurz inne, um die Bronzeplatte an der Wand zu begutachten, die ihr verriet, dass dieses Haus seit 1706 hier stehen würde.

Drinnen traf Hermine auf die erste Hürde, denn die Gäste gaben ihre Mäntel und Jacken an einer Garderobe ab, doch sie hatte noch immer den Riss im Kleid. Ginny bemerkte, dass Hermine sich versteift hatte und sagte daher: „Wir beide behalten die Umhänge eben an. Wird schon keiner meckern.“ Unmerklich hielt Ginny Ausschau nach ihrer Mutter oder zumindest nach Remus, denn beide könnten Hermine helfen, aber es war nur Remus zu sehen und der hatte alle Hände voll zu tun. Es schien so, als hätte man ihn damit beauftragt, sich um die Gäste zu kümmern und ihnen zu zeigen, wo sie sich hinbegeben sollten.

Harry betrachtete weiterhin still die anderen Anwesenden und er bemerkte – natürlich in einer Ecke stehend – Alastor, der sich einen Schluck aus seinem Flachmann gönnte. Kingsley war auch hier und unterhielt sich mit Arthur. Etwas weiter ab standen wieder Beth und ihre Freundin, die recht eingeschüchtert wirkte, doch der Junge an ihrer Hand schien sehr munter und aufgeregt und er schaute sich mit großen Augen alle Leute an.

Die Zauberer und Hexen waren leicht zu erkennen, denn die trugen ihre Umhänge oder ihre wallenden Kleider, während die Muggel normale Anzüge trugen und die Damen in dezente Garderoben gehüllt waren, ähnlich denen von Hermine und Ginny. Dann fiel Harry plötzlich etwas auf und er sagte zu seinen beiden Begleiterinnen: „Wenn ihr euch mal so umseht, dann gehen wir drei eindeutig als Muggel durch, jedenfalls was die Kleidung betrifft.“
Hermine stutzte, doch nachdem sie kurz die Gäste überflogen hatte, stimmte sie zu: „Ja, hast Recht. Ist doch auch in Ordnung. Muss ja nicht jeder so bunt angezogen sein wie Dädalus.“ Gleich nach ihrer Anmerkung nickte sie in eine bestimmte Richtung und da sah man ihn. Dädalus Diggel, Mitglied im Orden des Phönix, wie er mit seinem lilafarbenen Zylinder und pflaumenfarbenem Umhang von einer Person zur anderen lief, um alle zu begrüßen, selbst die, die er gar nicht kannte. Harry fiel eine Frau Mitte fünfzig auf, die etwas verloren wirkte, weil sie sich unsicher umschaute. Dem Aussehen nach zu beurteilen könnte sie Annes Mutter sein, denn sie sah genauso unscheinbar und nett aus wie die Braut. Seine Vermutung bestätigte sich, als Beth sie zu sich rief und sie Mrs. Adair nannte.

Plötzlich verdunkelte sich der Raum ein wenig, jedoch nur, weil Hagrid zur Tür hineingekommen war und das Tageslicht, welches von draußen hineinschien, mit seinem massigen Körper völlig verdeckte. Jetzt konnte man mit Sicherheit sagen, bei welchem Gast es sich um einen Muggel oder einen Zauberer handelte, denn den Muggeln stand der Mund offen und die Augen waren weit aufgerissen, während die anderen Hagrid höchstens kurz grüßten, ohne ihn weiter zu beachten.

Als Hagrid an den Gästen vorbeischritt und jedes Muggel-Augenpaar auf ihn gerichtet war, hörte man plötzlich den Jungen, der bei Beth und ihrer Freundin stand, erstaunt rufen: „Wow, Mister. Sie haben auch zweimal ’Hier!’ gerufen, als Gott die Größe verteilt hat oder?“
Die Mutter des Jungen sah aus, als würde sie wegen der Bemerkung ihres Sohnes am liebsten im Erdboden versinken, doch Hagrid lächelte nur, was man nicht an seinem vom Bart verdeckten Mund erkennen konnte, sondern an den fröhlichen Lachfalten um die Augen herum, bevor er mit seiner brummigen Stimme freundlich antwortete: „Dreimal sogar, mein Junge. Dreimal!“ Die Gäste lachten; einige aus Erleichterung, andere aus reinem Vergnügen.

Während die meisten noch Hagrid hinterherschauten, fiel Harrys Blick erneut auf die große Haustür, denn es traten gerade Albus und Minerva ein und sie hielten, wie er es am Tag nach Voldemorts Tod schon ein einziges Mal hatte bemerken dürfen, sich an der Hand. Als Minerva und Albus recht nahe an Harry, Ginny und Hermine standen, kam Alastor zu den beiden, um sie zu begrüßen und man hörte ihn zu Albus sagen: „Hübscher Umhang, mit den ganzen Sonnenblumen und Schmetterlingen.“
Albus stimmte Alastor zu und erklärte: „Ich dachte mir, zu einem so fröhlichen Anlass gehört eine Garderobe, die die Freude des heutigen Tages widerspiegelt.“ Minerva hingegen trug kein Schwarz wie üblich, denn man konnte bei genauerem Hinsehen erkennen, dass es sich um Dunkelrot handelte.

Plötzlich hallte Tonks Stimme durch den Raum und sie sagte noch im Gehen: „Wenn mir alle bitte…“ Sie stieß gegen einen leeren Schirmständer, der laut scheppernd zu Boden fiel. Tonks hob ihn schnell auf und fuhr fort, als wäre nichts geschehen. „…in den nächsten Raum folgen würden? Dort gibt es einen kleinen Aperitif und ein paar Häppchen, bevor die Hochzeit beginnt.“

Bevor Albus und Minerva der Aufforderung ebenfalls folgten, hielt Ginny ihre Lehrerin für Verwandlung auf und fragte: „Professor McGonagall, vielleicht könnten Sie helfen? Sie sind ja eine Könnerin in ’Verwandlung’ und möglicherweise wäre es ein Klacks für Sie, den Riss in einem Kleid verschwinden zu lassen?“
Minerva ließ ihren strengen Blick über Ginnys rotes Kleid schweifen, während sie steif fragte: „Ist Ihnen ein kleines Missgeschick geschehen?“
„Nein, nicht mir“, antwortete Ginny und blickte hinüber zu Hermine und als Minerva ihrem Blick gefolgt war, bemerkte sie die gut durchbluteten Wangen ihrer ehemaligen Schülerin.
„Ich bin sicher“, sagte Minerva zu Hermine, „dass wir das Problem trotz Zauberverbots lösen können, wenn wir einen etwas privateren Raum finden könnten.“ Ginny zeigte hinter die beiden auf ein Schild, welches den Weg zu den Toiletten auswies und die beiden Damen verschwanden kurz, während Albus, Harry und Ginny, wie alle anderen Gäste auch, bereits in den anderen Raum gingen. Nach dem kleinen Aperitif und nachdem nun alle Gäste eingetroffen waren, wurde man in einen anderen Raum gebeten.

Drinnen waren die Stühle so aufgereiht, dass jeder nach vorn auf eine Bühne sehen konnte, die mit vielen Blumenbouquets geschmückt war. Dort verweilte an einem Podest lehnend ein älterer Herr, der unverkennbar die Arbeitskleidung des Zaubereiministeriums trug. Von Sirius wusste Harry, dass Susan diesen Mitarbeiter empfohlen hatte, während sie Anne und Sirius einige Tipps bezüglich der Hochzeit gegeben hatte. Bevor Harry jedoch nachfragen konnte, erklärte Ginny: „Dad hat’s mir erklärt.“ Sie lehnte sich an Harrys Schulter und sprach nahe an seinem Ohr: „Der da vorn ist einer aus der ’Abteilung für Gesellschaftsübergreifende Eheangelegenheiten’ und wenn der ein Paar traut, von dem einer ein Muggel ist, dann wird automatisch die Hochzeit auch im Standesamt der Muggelwelt dokumentiert. Die Papiere erscheinen dort einfach und ordnen sich automatisch in die richtige Ablage ein. Es würde später keine Probleme geben, sollte Anne zum Beispiel einen Ausweis neu machen lassen. Die Muggelbehörden wissen dann, dass sie ’Black’ heißt.“
„Was es alles gibt“, sagte Harry erstaunt, während er Ginny folgte, die ihn zwischen die Stuhlreihen führte, damit sie sich setzen konnten. Sie nahmen neben Molly und Arthur Platz, der die beiden auch gleich grüßte; seine Tochter mit einem Kuss auf die Wange und Harry mit einem kräftigen Schlag auf die Schulter. Molly hielt den schlafenden Nicholas im Arm und war überglücklich, ihren Enkel mal ganz allein für sich zu haben.

Minerva und Hermine traten fast als Letzte in den Saal ein, in der die Trauung stattfinden sollte und gleich darauf trennten sich ihre Wege, denn Minerva steuerte auf Albus zu und Hermine auf Harry und Ginny.

„Und? Konnte sie was machen?“, wollte Ginny wissen.
„Ja, der Riss ist nicht mehr da. Man fühlt überhaupt nichts mehr. Sie versteht wirklich etwas von ihrem Fach!“, erwiderte Hermine voller Respekt.

Während alle darauf warteten, dass der Bräutigam mit seinem Trauzeugen eintreten würde, ließ Harry seinen Blick erneut über die Gästeschar schweifen. Es waren definitiv weniger Leute hier als zu Hermines Geburtstag. Grob geschätzt waren es an die dreißig Gäste, von denen er die Hälfte kannte. Hagrid und Olympe saßen weiter hinten auf Steinbänken, die ihr Gewicht aushielten. Verstreut konnte er noch Hestia Jones neben jemanden mit silbergrauen Haaren entdecken, den Harry als Elphias Doge erkannte und gleich daneben, der mit den strohblonden, dicken Haaren, musste Sturgis Podmore sein, die alle dem Phönixorden angehörten. Kingsley hatte er vorhin schon kurz gesehen und der saß nun neben Alastor, der sich tatsächlich mal nicht mit dem Rücken zur Wand präsentierte. Plötzlich blitzte hellblondes Haar in der Menge auf und Harry machte Draco und Narzissa aus, die Susan in die Mitte genommen hatten. Narzissa selbst saß neben – und das erstaunte ihn sehr – Andromeda, gefolgt von Ted. Tonks hatte gleich hinter ihrer Mutter Platz genommen, weil in der gleichen Reihe kein Stuhl mehr frei gewesen war.

An dem Tag, als Harry Wobbel zugeteilt bekommen hatte, da saßen insgesamt drei junge Frauen in Annes Wohnzimmer, rief sich Harry ins Gedächtnis zurück. Die eine war Bethany gewesen, die andere, deren Namen er noch nicht kannte, war die mit dem Jungen, die neben Annes Mutter saß, aber die dritte war nicht hier.

Endlich schritt Sirius herein, gefolgt von Remus. Sirius hatte sich voll in Schale geworfen, denn er trug einen beigefarbenen, stark taillierten Gehrock und darunter ein weißes Rüschenhemd. Seine sonst so wilden schwarzen Haare waren etwas gezähmt und fielen ihm lockig über die Schultern.

Im dem Moment, als Sirius den Gang zwischen den Stuhlreihen nach vorn ging, marschierte Severus die Winkelgasse entlang, um Mr. Ollivander einen Besuch abzustatten, damit er sich seinen neuen Zauberstab abholen konnte. Die Klingel über der Tür kündigte ihn als Kunden an und von weit hinten im Laden hörte er Mr. Ollivander rufen: „Bin gleich bei Ihnen, Mr. Snape.“

Wie üblich wartete Severus stocksteif in der Mitte des Ladens, bis Mr. Ollivander sich endlich zu ihm gesellte. Der ältere Zauberer hielt eine Schachtel in der Hand und stellte einen triumphierenden Gesichtsausdruck zur Schau. Theatralisch langsam hob er die Schachtel und winkte Severus einmal damit zu, bevor er sagte: „Der so lang ersehnte Zauberstab, Mr. Snape.“ Ollivander hielt ihm die Schachtel entgegen und erst da ging Severus bis nach vorn an die Theke, um einen Blick auf seinen neuen Zauberstab zu werfen.

Zum Vorschein kam ein Stab, der aus einem sehr hellen Holz gefertigt war. Kaum hatte Severus ihn in der Hand, spürte er genau das gleiche, wohlige Gefühl, welches ihm schon beim Kauf des ersten Stabes überwältigt hatte und ihm verinnerlichte, dass dies der perfekte Stab für ihn war.

„Probieren Sie ihn ruhig aus, Mr. Snape“, ermutigte Mr. Ollivander ihn und Severus kam der Aufforderung nach. Ein einfacher Levitationszauber ging ihm so leicht von der Hand wie noch nie zuvor.
„Das ist unglaublich“, sagte Severus verblüfft. Er hatte immer angenommen, dass sein alter Stab der beste für ihn gewesen war, doch nun war es ihm unbegreiflich, wie er es mit dem alten so lange hatte aushalten können. Ein wortloser Aufrufezauber benötigte kaum noch Konzentration seinerseits.
Bevor er sich erkundigen konnte, erklärte Ollivander: „Der Kern Ihres neuen Stabes besteht aus…“
Severus unterbrach und sagte: „Einhornhaar.“
Verdutzt hob Mr. Ollivander beide Augenbrauen, bevor er bestätigte: „Das Schweifhaar eines Einhorns, ganz genau!“ Mr. Ollivander kam um den Tresen herum und fügte murmelnd hinzu: „Und Frauenhaar.“
Severus hatte es gehört und fragte nach: „Etwa Veela-Haar? Ich dachte, mit solchen Stabkernen arbeiten Sie nicht.“
„Oh, auf Wunsch fertige ich Stäbe auch mit ungewöhnlicheren Kernen an, aber nicht regulär, da haben Sie Recht. Aber es ist kein Veela-Haar. Das Haar einer Hexe ist es; sorgfältig mit dem Einhornhaar verknüpft“, erklärte Ollivander. Severus wollte gerade nachfragen, warum das Haar einer Hexe den Teil des Kerns ausmachte, da erklärte Mr. Ollivander weiter, während er einmal auf den Stab zeigte: „Zehneinhalb Zoll; das Holz – Sie werden sicherlich bemerkt haben, dass dieser wesentlich heller als Ihr letzter Stab ist – stammt von einer Weiß-Birke. Es ist ein sehr hartes Holz mit hohem Brennwert.“
„Hohem Brennwert? Ich will damit nicht meinen Kamin befeuern“, warf Severus spöttisch ein, doch Mr. Ollivander ließ sich davon nicht stören.
„Die Weiß-Birke stellt in vielen Kulturen seit altersher einen heiligen Baum dar und wird mit Erfreulichem in Verbindung gebracht“, erklärte Mr. Ollivander gewissenhaft. „Der Baum ist ein Symbol des Frühlings. Darüber hinaus stellen Birken nur einen geringen Anspruch an ihre Umwelt und…“
Severus unterbrach ihn und zischte böse: „Wollen Sie mit Ihren Erklärungen Parallelen zum Besitzer ziehen?“
„Ich rede nur über Bäume, Mr. Snape“, rechtfertigte sich Mr. Ollivander. „Ich erkläre jedem Kunden, was es mit einem Stab auf sich hat. Nun, wenn Ihnen die Informationen ausreichen, dann geben Sie mir achtzehn Galleonen und der Handel ist besiegelt.“
„Würden Sie die Rechnung für diesen Stab freundlicherweise an Mr. Potter senden?“, fragte Severus so höflich wie es ihm möglich war.
„Aber sicher, das werde ich tun. Dann wünsche ich Ihnen ein frohes Schaffen mit dem neuen Stab“, wünschte Mr. Ollivander, während Severus sich bereits abgewandt hatte, um den Laden wieder zu verlassen.

Severus hatte Ollivanders hinter sich gelassen und spielte auf seinem Weg zum Tropfenden Kessel mit dem Zauberstab herum, indem er kleine Steinchen auf dem Kopfsteinpflaster tanzen ließ. Er entschied sich dazu, vor die Tore von Hogwarts zu apparieren, damit er auf dem Weg über das Gelände seinen Stab noch ein wenig ausprobieren konnte. So marschierte er nach der Apparation langsam auf das Schloss zu, während er nebenbei kleine Äste mit einem Incendio entzündete oder größere Steine in Vögel und wieder zurück in Steine verwandelte.

Bevor er Hogwarts betrat, schob er seinen Stab in den linken Ärmel, doch da hielt er auf seinem Weg plötzlich inne und zog ihn wieder hinaus. Dieser jungfräuliche Zauberstab, der bisher keiner Menschenseele auch nur ein Haar gekrümmt hatte, verdiente es nicht, an der einzig bösen Stelle zu verweilen, die seinen Körper verunstaltete. Der Stab war unverdorben und Severus wollte ihm einen neuen Platz geben, um ihn zu hüten wie ein Kind ein neu erworbenes und heiß geliebtes Spielzeug hüten wollen würde und so öffnete er seinen Umhang und ließ den hellen Zauberstab in seine Innentasche gleiten, so dass er ihn nahe am Herzen tragen konnte.

Severus’ nächster Weg führte ihn in Gewächshaus Nummer vier, denn Pomona hatte vor einiger Zeit auf seine Bitte hin die neue Orchideenart angepflanzt und nun wollte er sich erkundigen, wie es mit den Pflanzen vorangehen würde. Er öffnete die Tür des Glashauses und bemerkte Neville, wie der sich mit einer Schere an den Orchideen zu schaffen machte, bevor er ihn bemerkte.

„Oh, Professor Snape“, sagte Neville überrascht, aber dennoch grüßend.
„Was ist aus der persönlichen Anrede geworden, die uns vom Direktor nahe gelegt worden war?“, fragte Severus stichelnd. Er fuhr jedoch gleich mit seinem Anliegen fort und fragte: „Wo ist Pomona? Ich wollte mit ihr wegen der Orchideen sprechen.“
„Oh, die ist gerade“, Neville geriet ins Stottern, „gerade bei… bei dem einen Händler, weil… weil der die falschen Samen…“
„Die falschen Samen sind geliefert worden?“, fragte Severus aufgebracht nach.
„Ja, es sind zwar sympodial wachsende Orchideen, aber sie bilden einfach keine Pseudobulben aus, sondern nur fleischige Blätter“, erklärte Neville gewissenhaft.
Severus blickte ihn mit starrer Miene an, bevor er fragte: „Und für eine in Kräuterkunde nicht über alle Maßen bewanderte Person bedeutet das was?“
„Oh, tut mir Leid“, entschuldigte sich Neville, bevor er erklärte, „damit sind die Sprossglieder gemeint, denn die werden nicht gebildet, aber die sind doch wichtig, weil in ihnen die Stoffe gespeichert werden, die für Ihre Zaubertränke notwendig sind, Sir. Die Speicherorgane dieser Orchideenart fehlen komplett. Es sind nur Zierpflanzen und nicht mehr.“
Severus kam einen Schritt auf die weißen Orchideen mit ihren roten Tupfen zu und sagte: „Das ist bedauerlich.“
„Ja, finde ich auch, aber sie sind hübsch. Pomona hat mir erlaubt, mir so viele zu nehmen, wie ich möchte“, erzählte Neville, der gleich darauf wieder die Schere ansetzte und eine der Orchideen abschnitt, um sie zu den anderen zu legen.

Kurz in sich gehend rief Severus sich ins Gedächtnis zurück, was Harry ihm für einen Tipp bezüglich einer „wortlosen Entschuldigung“ gegeben hatte. Es war ein einfacher Tipp gewesen, auf den er auch selbst hätte kommen können und da er gerade so nahe an einer Quelle stand, fragte er Neville: „Würden Sie mir den Gefallen erweisen, für mich ebenfalls ein paar zu schneiden?“
„Aber wofür denn? Die sind als Zutat nutzlos“, sagte Neville erstaunt.
„Wofür nehmen Sie die Blumen?“, wollte Severus wissen und er musste sich arg zusammenreißen, wegen Nevilles leicht errötetem Gesicht die spitze Bemerkung, mit der seine Zunge bereits spielte, nicht auszusprechen.
So leise wie das Zirpen einer Grille antwortete Neville verlegen: „Ich wollte sie Luna schenken.“ Severus blickte Neville mit einer hochgezogenen Augenbraue an und wartete darauf, bis bei dem der Knut gefallen war und so lange, wie Severus es eigentlich vermutet hatte, dauerte es gar nicht. „Oh, Sie wollen einfach nur einen Strauß. Ja sicher, ich werde Ihnen einen zusammenstellen“, sagte Neville erleichtert. Er blickte neben sich, wo bereits ein sehr üppiger Strauß lag und fügte hinzu: „Sie können gleich den hier haben. Dann schneide ich für mich neue.“

Die Orchideen band Neville in er Mitte locker zusammen und er überreichte Severus den Strauß, doch der fragte: „Haben Sie Papier dafür?“ Er wollte nicht mit einem Blumenstrauß in der Hand auf Schüler treffen und besonders nicht auf Mr. Foster, der sicherlich eins und eins zusammenzählen würde.
„Tut mir Leid, aber wir sind kein Blumengeschäft“, ulkte Neville mutig, doch sein zaghaftes Lächeln verschwand beim Anblick des griesgrämigen Gesichts vor sich. „War nur ein Scherz“, stellte Neville kleinlaut klar.
„Ich danke Ihnen, Neville“, sagte Severus, der die Blumen entgegengenommen hatte und auf eine Ablage legte. Mit seinem neuen Zauberstab formte er mit Leichtigkeit aus einem leeren Sack, in welchem einmal Erde aufbewahrt worden war, eine große, weiße Kiste, in die er den großen Strauß legte und mit einem Haltbarkeitszauber versah, bevor er ihn verschloss.

Blumen spielten auch gerade auf der Hochzeit von Sirius und Anne eine Rolle, denn die Braut wollte, da die weiblichen Gäste sie dazu drängten, innerhalb der nächsten Viertelstunde bereits den Strauß werfen, obwohl ein Ende der Feier noch lange nicht in Sicht war. Das Jawort hatten sie sich bereits gegeben und Molly hatte sich die Augen ausgeweint; mehr noch als Annes Mutter, die sich ebenfalls in Tränen aufgelöst hatte. Nach der Trauung, die mit einer standesamtlichen Trauung bei den Muggel zu vergleichen war, hatte man sich im „gelben Salon“ zum Essen begeben und nachdem die Gäste sich satt gegessen hätten, würde Anne den Strauß werfen.

Trotz des sehr kleinen Frühstücks hatte Hermine keinen Hunger mitgebracht und stocherte lustlos in ihrem Dessert, welches sie nach wenigen Minuten von sich schob, ohne auch nur einmal von dem Mousse au Chocolat gekostet zu haben.

„Was ist denn nun los, Hermine?“, fragte Harry besorgt, denn ihm war aufgefallen, dass sie weder von dem Fasan noch von dem Hirschbraten gegessen hatte und jetzt hatte sie sogar noch das Dessert beiseite gestellt.
„Ich glaube, wenn ich auch nur einen Happen esse, dann platzen alle Nähte an dem Kleid“, sagte sie witzelnd, doch ihre Bemerkung hatte sie so gemeint, wie sie es gesagt hatte, denn es war nicht bei dem einen Malheur geblieben. Viel ernster und verbittert klingend fügte sie hinzu: „Ich habe einfach keinen Appetit.“
Ginny bediente sich an Hermines verschmähter Nachspeise und sagte, bevor sie den ersten Löffel nahm: „Du hättest fünfundvierzig Galleonen drauflegen sollen, dann hätten die dir dein Kleid für mindestens ein halbes Jahr reißfest gemacht!“
„Ich hab’s vergessen, okay!“, konterte Hermine ein wenig missgestimmt, so dass Tonks, die neben ihr saß, sie mit großen Augen anblickte.
„Was ist denn in dich gefahren, Hermine?“, wollte Tonks wissen, doch Hermine winkte nur ab.

Die Sitzordnung war nicht eingehalten worden und so tingelten einige Gäste von Tisch zu Tisch, um sich mit jedem, den sie länger nicht gesehen hatten, unterhalten zu können. An Harrys Tisch saßen neben Hermine, Ginny und Tonks noch Hagrid und Olympe, die sich beide die Steinbank mitgenommen hatten, weil keiner der Stühle für sie groß genug gewesen war, geschweige denn, ihr Gewicht ausgehalten hätte. Mit den beiden war der Tisch auch schon voll. Harry bemerkte, dass hinter Hagrid der Junge von vorhin stand und er langsam um die beiden großen Gäste herumging, bis die ihn bemerkt hatten.

Da der Junge mit leuchtenden Augen Hagrid anblickte, fragte der mit seiner warmen Brummstimme: „Was kann ich für dich tun, Kleiner?“
Der Junge lächelte und fragte freiheraus, während er verlegen mit seinen Fingern spielte: „Warum sind Sie so groß?“
Hagrid lächelte zurück und fragte: „Was glaubst du?“
„Na ja, meine Mutter sagt, dass Sie beide wahrscheinlich artige Kinder gewesen waren, die immer aufgegessen haben“, antwortete der Junge. Der Aussage seiner Mutter aber keinen Glauben schenkend fügte er hinzu: „Ich glaube aber, sie hat mich nur auf den Arm genommen.“ Hagrid und Olympe mussten schmunzeln, wie jeder andere am Tisch auch und dann sagte der Junge plötzlich: „Ich habe mir den ’Herrn der Berge’ immer so vorgestellt wie Sie!“
In diesem Moment dachte Hermine, dass Hagrid mit diesem Muggelbegriff möglicherweise nichts anzufangen wüsste, doch da hatte sie sich getäuscht, denn er antwortete: „Ganz Recht, Junge. Ich bin zu guten Menschen freundlich, aber die, die mich verspotten, bekommen meinen Zorn zu spüren.“ Hagrid hatte es nicht so gemeint, wie es geklungen haben mochte, was jeder hatte heraushören können.
Der Junge freute sich und lachte breit, bevor er sagte: „Ich wusste, dass Sie beide Riesen sind. Meine Mutter hat es mir nicht geglaubt. Ich werde es ihr gleich sagen.“ Und schon stürmte der Junge los, um ihr die Neuigkeit mitzuteilen.

Anne bewegte sich langsam auf die freie Fläche zu, auf der später noch das Tanzbein geschwungen werden sollte und Remus verkündete, dass nun der Brautstrauß geworfen werden würde. Alle ledigen Damen standen auf und verteilten sich auf der Tanzfläche. Alle, bis auf eine.

„Ähm, Hermine? Willst du nicht auch…“
Harry wurde arg unterbrochen, als sie beleidigt zeterte: „Um mich zum Idioten zu machen? Jeder weiß doch, dass du und Ginny die nächsten sein werden. Vielleicht sogar Draco und Susan, aber doch nicht ich, die ja nicht einmal einen Freund hat!“ Harry wollte das Thema fallen lassen, bevor Hermine noch bösartig hinzufügte: „Ich frage mich nur, warum Tonks gleich aufgesprungen ist. Ihre Chancen stehen ja wohl noch schlechter als meine.“
Diesmal war es Hagrid, der sie wegen ihrer Gehässigkeit ermahnte und enttäuscht und gleichzeitig rügend sagte: „Hermine! Sei nicht so.“
Unerwartet stand Remus hinter ihr und fragte höflich: „Hermine, möchtest du nicht auch nach vorn gehen?“

Um sich nicht die Blöße zu geben, stand sie auf und marschierte mit einem verbissenen Gesichtsausdruck auf die Tanzfläche, um sich seitlich von der Mitte zu positionieren, damit der Brautstrauß nicht auch nur annähernd in ihre Richtung fliegen würde. Weiter vorn sah sie Susan, die über das ganze Gesicht strahlte und immer wieder zu Draco schaute. Es waren gar nicht mal so wenige Frauen, die sich hier versammelt hatten, so dass Hermine sich nicht völlig fehl am Platz fühlte. Selbst Bethany und Olympe hatte sich eingefunden, natürlich auch Tonks, die sich keinen festen Platz ausgewählt hatte, sondern freudig auf dem Tanzparkett hin und her lief und sich somit die besten Chancen auszurechnen hoffte, den Strauß fangen zu können. Die andere Freundin von Anne stand ebenfalls hier und wie Hermine schien sie sich nur wenig Hoffnung zu machen, weswegen auch sie ganz am Rande stand, aber noch viel weiter hinten als Hermine. Lächeln konnte Hermine erst wieder ein wenig, als sie Minerva unter den vielen ledigen Frauen bemerkte. Die ältere Dame schien sich nicht auf einen Hechtsprung vorzubereiten, sondern stand einfach nur stocksteif und geduldig hinter der wild umherhüpfenden Tonks und hoffte offensichtlich darauf, dass der Strauß ihr direkt in die Arme fallen würde. Es war Hermine ganz Recht, dass Tonks mit ihrem überdrehten Auftreten die gesamte Aufmerksamkeit auf sich zog und sie selbst deswegen kaum Beachtung fand. Nur Harry blickte ab und an zu ihr hinüber, sowie auch Albus, der mit Alastor und Remus an dem Tisch saß, der Hermine am nächsten war, doch Albus schien eher an ihr vorbeizublicken, um Minerva im Auge zu behalten.

Sirius, der liebevoll eine Hand auf Annes Schulter gelegt hatte, kündigte an, dass sie den Strauß nun werfen würde und er drehte seine Braut um, damit sie mit dem Rücken zur wartenden Schar lediger Damen stand. Dann begann er von drei an rückwärts zu zählen. Hermine schaute gar nicht nach vorn, sondern betrachtete die anderen Frauen, besonders Tonks, die die Spannung kaum auszuhalten schien. Erst als Sirius zu Ende gezählt hatte blickte Hermine gelangweilt nach vorn und da sah sie plötzlich den Strauß auf sich zufliegen. Völlig geschockt von dem näher kommenden Objekt blieb sie wie angewurzelt stehen, so dass der Strauß sie an der Wange streifte und an ihr vorbeiflog, so dass Tonks mit einem gekonnten Sprung die Blumen noch in der Luft fangen konnte. Dass sie gleich darauf auf den Tisch von Albus fiel und am Ende auf Alastors Schoß landete, war ihr der Körpereinsatz offensichtlich wert gewesen. Die Menge klatschte und pfiff und Hermine hörte Alastor scherzen: „Ich hoffe doch, du willst den Strauß nicht bei mir einlösen!“

Seiner Verlobten auf die Beine helfend küsste Remus sie zaghaft auf den Mund mit dem Wissen, dass alle Augen auf die beiden gerichtet waren. Hermine nutzte diesen Moment, um sich etwas zurückzuziehen und dann, ungesehen von den Gästen, ihre Hand an die brennende Wange zu führen, an welcher der Strauß sie gestreift hatte. Es hätte ihrer sein können, dachte sie sich. Allein schon wegen seiner Symbolik wünschte sie sich, ihn doch gefangen zu haben. Aber auch wenn der Gedanke daran, die nächste Braut sein zu können, romantisch war, so war er doch auch genauso unrealistisch und Hermine war immer ein Mensch der Logik gewesen. Sie bemerkte, dass die Wange langsam zu brennen begann und es war ihr nicht entgangen, dass ihre Augen ebenfalls ganz heiß wurden. Weinen wollte sie hier nun wirklich nicht, obwohl es ihr gerade jetzt so schwer ums Herz geworden war. Als Sirius auch noch mit der Braut zu tanzen begann und die ganzen anderen Pärchen auf die Tanzfläche folgten, da hielt sie nichts mehr hier und sie verschwand auf die Damentoilette, um vor dort aus vor die Tore von Hogwarts zu apparieren.

In ihrem Wohnzimmer riss sie sich das blaue Kleid vom Leib und das ging erstaunlich leicht. Niemandem, nicht einmal Ginny, hatte Hermine anvertraut, dass das Kleid zwei weitere Male gerissen war und zwar einmal an der Seite, als sie sich vor der Zeremonie gesetzt hatte und das zweite Mal am Rücken, als sie die Arme nach oben gestreckt hatte, um Hagrid innig begrüßen zu können. Sie zog sich eine zerrissene Jeans und einen alten Weasley-Pullover über und ließ sich entmutigt auf der Couch nieder. Als sie den ganzen Tag Revue passieren ließ, da begann sie leise zu weinen.

Einen Raum weiter rollte Severus mit den Augen, bevor er zu dem Kniesel sagte: „Ich denke nicht, dass sie schon zurück sein wird, also sei still!“ Doch der Kniesel machte Geräusche, die einem gequälten Tier gleichkamen und die Severus nicht länger zu ertragen bereit war. Genervt stand er von seiner Couch auf, legte das Buch auf den Tisch und ging zur Tür hinüber. Kaum hatte er sie geöffnet, stürmte der Kniesel nach draußen und setzte sich vor Hermines Tür, um jämmerlich zu Schreien. „Dummes Tier“, meckerte Severus, der sich der Tür näherte. In dem Glauben, Hermine würde noch auf der Hochzeit sein und fröhlich nacheinander mit allen anwesenden Junggesellen tanzen, öffnete er die Tür mit dem Passwort, welches sie ihm einmal gegeben hatte.

„Fellini“, hörte er ihre Stimme sagen, als sie den Kniesel erblickt hatte.
„Tut mir Leid, Hermine. Ich hätte nicht gedacht, dass Sie schon zurück sein würden. Der Kniesel hat so einen ohrenbetäubenden Lärm gemacht, weshalb ich ihn davon überzeugen wollte, dass Sie noch nicht hier wären. Offensichtlich hat sein Gespür ihn nicht getäuscht“, sagte er in kühlem Tonfall. Als er ihr Gesicht erblickte, sagte er trocken: „Sie sehen scheußlich aus.“
„Was?“, fragte sie erstaunt.
„Sie sehen aus, als hätte man Sie mit Farbkugeln bombardiert“, erklärte er nüchtern und ihr wurde klar, dass er nur das verlaufende Make-up meinen konnte, welches sie sofort komplett mit einem Wink ihres Zauberstabes und einem Spruch entfernte, den Ginny ihr einmal beigebracht hatte. „Da Sie schon so früh zurück sind, möchten Sie mir vielleicht ins Labor folgen?“

Hermine brauchte nicht lange nachzudenken, denn mit Arbeit konnte sie sich immer am besten ablenken.

„Ich werde mir nur etwas anderes anziehen“, sagte sie.
„Das ist nicht notwendig“, versicherte er ihr, so dass sie Fellini noch einmal kraulte, bevor sie mit Severus mitging, um sich ein wenig mit ihrer Arbeit zu zerstreuen.

Im Labor öffnete Severus eine weiße Kiste und er entnahm mit einer Hand einen üppigen Strauß Orchideen, den er ihr entgegenhielt. Als sie nicht zugriff, drückte er ihr den Strauß einfach an die Brust und ließ ihn los, so dass sie zugreifen musste. Er entfernte sich einen Schritt von ihr und sortierte einige Ampullen, die unordentlich auf einem Tisch herumstanden. Als Hermine die Blumen betrachtete, fiel ihr sofort ein, dass Pomona und Neville diese Orchideen züchteten, weil Severus seine Vorräte aufstocken wollte. Sie legte den Strauß auf den Tisch und nahm sich ein Messer, um die Pseudobulben von den Stängeln zu trennen.

Im gleichen Moment, in welchem ihr auffiel, dass die Pflanzen gar keine Pseudobulben aufwiesen, hörte sie Severus verdattert fragen: „Was machen Sie denn da?“
Sie blickte auf und sagte: „Ich dachte, ich sollte die Orchideen verarbeiten, aber…“ Sie blickte auf die Blumen und fügte hinzu: „Die haben gar keine Pseudobulben.“
„Die Orchideen von Pomona bekommen ich erst später geliefert. Diese dort sind für Sie!“, sagte er wenig romantisch klingend, bevor er sich seinen Ampullen widmete, die keinerlei Aufmerksamkeit bedurften.

Hermine blinzelte einmal, dann noch einmal, bevor sie das Messer weglegte und den Strauß Orchideen in die Hand nahm, um an ihnen zu riechen, was Severus aus den Augenwinkeln heraus beobachtete.

„Aber wofür…?“
Er unterbrach sie und erklärte, ohne sie anzublicken: „Für meine beleidigenden Worte Ihnen gegenüber bezüglich Ihres Alters und Ihrer Entscheidungsfähigkeit.“
’Ah ja’, dachte Hermine. ’Weil ich gesagt hatte, ich würde Valentinus fragen und er mich deswegen runtergeputzt hatte.’
Laut sagte sie: „Aber das wäre doch nicht nötig gewesen. Wir waren doch quitt.“ Als er sie fragend anblickte, fügte sie schelmisch lächelnd hinzu: „Das Seegras.“
Severus lächelte einseitig, weil er nicht dazu in der Lage war, es komplett zu unterdrücken. Er legte seinen Kopf schräg, bevor er sagte: „Lassen Sie sich eines gesagt sein, Hermine. Dame oder nicht: Das nächste Mal werfe ich zurück!“
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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103 Blutdurst




An dem Samstag, an dem sich seine Frau merkwürdigerweise auf der Hochzeit ihres Cousins, was sie ihm im letzten Brief geschildert hatte, die Zeit vertreiben würde, hatte Lucius am Nachmittag Besuch von seiner Lieblingsschwester erhalten.

„Mr. Malfoy? Es ist heute früh Post aus dem Ministerium für Sie gekommen. Meine Kollegen haben es mir überlassen, Ihnen den Brief zu überreichen“, sagte Schwester Marie mit zarter Stimme.
„Es war bisher nur ein Verdacht“, sagte Lucius arrogant, „aber ich scheine Recht in der Annahme zu gehen, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen sich vor mir fürchten.“
Schwester Marie kam zu dem Tisch hinüber, an dem er saß und sagte nicht vorwurfsvoll: „Sie haben Ellen eine tölpelhafte Planschkuh genannt und Mike haben Sie das Dessert hinterhergeworfen.“ Er hörte heraus, dass sie lächeln musste, was ihn auch zum Lächeln brachte, als er in diesen Erinnerungen schwelgte.
„Schwester Ellen verfügt über die Grazie eines Ukrainisches Eisenbauchs. Jedes Mal, wenn sie an mein Bett gestoßen war, hatte ich geglaubt, ein Erdbeben wäre ausgebrochen und Pfleger Mike hat – und da bin ich mir hundertprozentig sicher – meinen Nachtisch mit seinem Speichel verfeinert. Es ist gut, dass diese beiden sich nicht mehr in meine Nähe trauen“, erklärte er völlig gelassen.
Sie ließ das Thema fallen und kam zum Hauptgrund ihres Besuch zurück, indem sie fragte: „Soll ich Ihnen den Brief vorlesen oder möchten Sie es erst selbst probieren?“

Schriften konnte er bisher nur lesen, wenn sie sehr groß waren. Vom Fenster aus konnte er das neue Werbeplakat von „Bertie Botts Bohnen jeder Geschmacksrichtung“ erkennen und Schwester Marie hatte vorgestern die Geduld aufgebracht ihm zuzuhören, ob er die Werbezeilen auch richtig wiedergeben würde. Kleine Schriftarten wie die im Tagespropheten oder in Briefen konnte er mit seinen Augen noch nicht fixieren, doch probieren wollte er es.

„Geben Sie mir bitte den Brief. Ich will es versuchen“, bat er und sie öffnete den Umschlag und zog das Pergament heraus, welches er mit seinen gepflegten Händen entgegennahm.
Er starrte auf das Blatt und versuchte, die Augen ruhig zu halten, doch alles verschwamm, so dass er entmutigt ausatmete, bevor er zugab: „Das Einzige, was ich erkennen kann, ist der Stempel des Ministeriums, aber auch nur schemenhaft. Wenn Sie also so freundlich wären?“
Er hielt ihr den Brief entgegen und sie begann sofort vorzulesen: „Sehr geehrter Mr. Malfoy. Ihr Antrag auf ein Verfahren mit Einbeziehung des Wahrheitsserums ’Veritaserum Plus’ ist eingegangen und wird bearbeitet. Mit freundlichem…“
„Ich fasse es nicht“, fauchte Lucius, „dass die mir mit ihrer Hinhaltetaktik kommen! Ich will mit Miss Bones sprechen! Machen Sie einen Termin mit ihr aus, Marie.“
„Mr. Malfoy, beruhigen Sie sich bitte. Das ist völlig normal, erst eine Eingangsbestätigung zu bekommen. Das war bei mir bisher auch immer so, wenn ich etwas mit dem Ministerium zu tun gehabt hatte“, sagte Marie, um ihn zu besänftigen.
„Ich will, dass das schneller vonstatten geht! Ich will diese Verhandlung! Ich lasse mich nicht hinhalten!“, zeterte er und er beruhigte sich erst, als er eine Hand auf seiner Schulter spürte.
„Es ist heute erst Samstag. So lang ist es doch gar nicht her, als Sie den Antrag gestellt haben. Warten Sie doch nächste Woche noch ab und wenn bis Ende der Woche nichts gekommen ist, werde ich Miss Bones kontaktieren“, sagte sie beruhigend. Um ihn aufzumuntern fügte sie hinzu: „Vielleicht können Sie den nächsten Brief des Ministeriums sogar schon allein lesen?“ Er seufzte, doch dann hob er eine Hand, um kurz die ihre zu tätscheln, die noch immer auf seiner Schulter ruhte und plötzlich bekam er Schluckauf.

Narzissa saß während der Hochzeitsfeier ihres Cousins neben Andromeda an einem Tisch und dachte an Lucius und wie sehr sie es bedauerte, dass er heute nicht an ihrer Seite sitzen würde; dort, wo jetzt die Verlobte ihres Sohnes saß. Als sie Susan kennen gelernt hatte, da fand sie die junge Dame auf Anhieb nett und das hatte sich auch nicht geändert, nachdem ihr vor wenigen Tagen erst bewusst geworden war, dass sie früher ein Gräuel gegen Halbblüter gehegt hatte. Diese Abneigung stieg jetzt wieder in ihr auf, aber als unbegründetes Gefühl und sie handhabte es mit großer Distanz, denn sie konnte selbst nicht verstehen, warum sie einst so gedacht hatte. Sie fühlte sich schlecht dabei, als sie sich die lang verdrängten Erinnerungen ins Gedächtnis zurückrief; Erinnerungen an Situationen, in denen sie Menschen wehgetan hatte, nur weil diese nicht in ihr mit Vorurteilen gespicktes Bild gepasst hatten. Narzissa war sich bewusst darüber, dass sie rassistisch gewesen war und sie wollte das wiedergutmachen. Sie wollte so sein und vor allem so bleiben, wie sie jetzt war, denn ihr Sohn hatte ihr mehrmals versichert, er hätte nie eine liebenswertere Mutter gehabt. Narzissa blickte um sich und betrachtete still die anderen Gäste. Die Hälfte von ihnen waren Muggel. Damals hätte sie sich vielleicht sogar die Mühe gemacht, jeden Einzelnen mit einem schmerzhaften Kommentar zu verletzen und diese Erkenntnis verletzte sie selbst. Ein Blick auf das fröhlich lächelnde Brautpaar brachte sie ebenfalls dazu, verträumt zu lächeln. Als sie ihren Blick schweifen ließ, fiel er auf den Tisch mit Albus, Remus, Tonks und einem Herrn mit künstlichem Auge, dessen äußerliches Erscheinungsbild sehr abschreckend war, woran sich jedoch niemand zu stören schien. Sie betrachtete Albus und wusste mit einem Male wieder, dass ihr Mann den Direktor abgrundtief hasste. Sie erinnerte sich daran, wie Lucius damals die anderen elf Gremiumsmitglieder des Schulbeirates erpresst hatte, damit diese für die Suspendierung des Direktors stimmen würden. Sie fragte sich ernsthaft, wie wohl Lucius heute reagieren würde, sollte er wissen, dass seine Gattin den Direktor von Hogwarts nicht nur freundlich beim Vornamen nannte, sondern sich ab und an auch mit ihm zum Tee verabredete. Gedankenverloren betrachtete sie Remus, den netten Verlobten ihrer Nichte Nymphadora. Remus war von Anfang an nett zu ihr gewesen und Narzissa fühlte sich bei dem Gedanken daran, dass sie Tierwesen damals als Wesen betrachtet hatte, die des Lebens unwürdig waren, ganz miserabel. Ihre Nichte hatte bei ihrem bisher einzigen Besuch sehr wohl gewusst, wie ihre Ansichten über Werwölfe und ähnliche Geschöpfe gewesen waren, doch nun schämte sich Narzissa dafür und erst jetzt war ihr klar geworden, dass Remus ihr eine neue Chance gegeben hatte; genau wie die liebe Schwester, die neben ihr saß.

„Narzissa, hast du zugehört?“, fragte Andromeda.
Unmerklich den Kopf schüttelnd versuchte Narzissa zunächst, ihre Gedanken zu ordnen, bevor sie sagte: „Verzeih mir, Andromeda, ich war etwas abwesend. Was hattest du gesagt?“
„Ich sagte, ich würde dich, deinen Sohn und dessen Verlobte gern zu uns“, Andromeda blickte zu Ted, „einladen. Ein kleines Familientreffen mit Remus, Nymphadora, Sirius und Anne. Wie wäre das?“, fragte Andromeda mit einem freundlichen, doch noch immer ein wenig unsicherem Lächeln auf den Lippen.
„Oh, das wäre schön“, antwortete Narzissa ehrlich, obwohl die Einladung ihrer Schwester Tränen in ihr aufkommen lassen wollte.

Am Tisch von Sirius und Anne herrschte eine sehr gemütliche Stimmung. Tonks hatte sich gerade zu ihnen gesetzt, weil ein Stuhl frei geworden war. Gleich danach kam Beth und nahm neben ihrer Freundin Anne Platz, weil Ginny sich eben wieder auf den Weg zu Harrys Tisch gemacht hatte. Tischordnungen waren etwas für Langweiler, hatte Sirius vorhin erst noch gesagt.

„Anne?“, sagte Beth vorsichtig. Als sie die Aufmerksamkeit ihrer besten Freundin erlangt hatte, sagte sie leise: „Jetzt, denke ich, ist der Zeitpunkt gekommen, dir etwas Wichtiges zu sagen.“ Anne und Sirius, der mitgehört hatte, machten große Augen, unterbrachen jedoch nicht, als Beth erklärte: „Ich hatte ja deinem Arbeitgeber Bescheid gegeben, dass du im Krankenhaus liegen würdest. Trotzdem hat er dich, na ja, wie soll ich es sagen?“
Anne empfahl scherzend: „Wie üblich: einfach frei von der Leber weg, Beth!“
„Man hat dir gekündigt“, sagte Beth geradeheraus.
Annes Augenbrauen wanderten in die Höhe und sie benötigte einen Moment, um diese Information zu verarbeiten, doch dann, endlich, fand sie ihre Stimme wieder und sie zeterte: „Haben die einen Knall? Ich habe mir für diesen Saftladen dreizehn Jahre lang den Hintern aufgerissen, habe so gut wie nie gefehlt und unzählige unbezahlte Überstunden geschoben und so dankt man es mir?“
Beth hob und senkte die Schultern, erwiderte jedoch nichts, so dass Sirius eingriff: „Dir hat der Job doch eh nicht gefallen und ich möchte an dieser Stelle nicht wiederholen, mit welchen derben Bezeichnungen du deinen Chef betitelt hast. Reg dich darüber doch nicht auf.“
„Doch, ich rege mich auf. Diese verdammten…“ Sie brummte wie ein gereizter Bär, bevor sie feststellte: „Ich könnte mich sicherlich zurück in die Firma klagen, aber wer will schon bei jemanden arbeiten, der einen nur einstellt, weil das Gericht so entschieden hat?“
„Du bist dir aber schon darüber im Klaren, Anne, dass du nicht mehr arbeiten gehen musst“, hielt Sirius ihr vor Augen, der in diesem Moment an sein gut gefülltes Verlies bei Gringotts dachte.
„Ja, damit ich mich in eine Rolle zwängen lasse und wie ein artiges Frauchen schön Zuhause bleibe“, meckerte Anne zurück.
Sirius schmunzelte, unterdrückte es aber, laut zu lachen, denn er wusste, dass es unmöglich sein würde, Anne irgendeine Rolle aufzudrängen. Beth hingegen schlug vor: „Du kannst einen anderen Job suchen. Die Jobangebote haben sich ja mit deiner Hochzeit gerade vervielfacht. Kannst ja einfach in der Zaubererwelt was machen oder ich sehe mal, ob man dich bei mir unterbringen kann. Ich glaube, wir bereiten gerade Stellenausschreibungen vor.“
„Lass mal gut sein“, warf Sirius ein, „denn wir werden zu allererst unsere Flitterwochen genießen und dann kann sie immer noch schauen, was sie machen möchte.“

Als Ginny sich zwei Tische weiter wieder neben Harry gesetzt hatte, fragte er sofort: „Und? Wissen Sirius und Anne etwas?“
„Nein“, antwortete sie geschlagen, „sie haben Hermine nicht mehr gesehen, nachdem der Brautstrauß geworfen worden war.“
Ginny sah, wie Harry die Zähne zusammenbiss, denn die Muskeln seines Kiefers arbeiteten, bevor er meckerte: „Das kann sie doch nicht machen? Sie kann nicht einfach gehen, ohne auch nur irgendjemandem Bescheid zu sagen. Vielleicht ist ihr ja was passiert?“
„Nein, das glaube ich nicht. Ich denke, es ist ihr zu langweilig geworden, aber ich bin auch der Meinung, dass sie sich wenigstens hätte verabschieden können“, sagte Ginny.
Harry atmete einmal heftig ein und aus, bevor er fragte: „Aber warum hat sie sich nicht verabschiedet?“
Ginny wurde es langsam zu viel und erwiderte daher ein wenig grantig: „Was weiß ich? Weil wir gefragt hätten, warum sie schon gehen will und sie das aber nicht sagen wollte? Lass sie einfach, Harry. Hermine ist erwachsen und kann gut auf sich selbst aufpassen.“

Besagte Hermine war noch immer bei Severus im Labor. Den Strauß Orchideen hatte sie in eine Vase gestellt und jetzt half sie ihm wieder, das Nixenkraut und Seegras zu verarbeiten, damit sie es in Gläser abfüllen konnten. Beide hatten kaum miteinander gesprochen, aber die Stimmung war trotzdem sehr entspannt.

Sie erschrak, als Severus plötzlich ein wenig aufgebracht sagte: „Ich habe die Zeit völlig vergessen.“ Er kam einige Schritte auf sie zu und sagte: „Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe, aber ich möchte Sie bitten, jetzt zu gehen.“ Hermine war völlig perplex. Die Wasserpflanzen hatte sie nicht einmal zur Hälfte geschnitten und jetzt wollte er sie plötzlich loswerden.
„Es ist doch gerade erst kurz vor sechs. Warum soll ich gehen?“, wollte sie wissen.
„Gehen Sie einfach. Wir können später weitermachen oder…“ Severus hielt inne, als es an der Tür klopfte und an seiner Mimik konnte sie erkennen, dass er sich unwohl bei dem Gedanken daran fühlte, sie jetzt um sich zu haben.
„Hermine, wenn Sie sich bitte dort hinten an meinen Schreibtisch setzen würden? Verhalten Sie sich ruhig“, sagte er mit gedämpfter Stimme und sie folgte seiner Aufforderung ohne zu Murren.

Severus wartete geduldig, bis sie sich gesetzt hatte und öffnete erst dann die Tür.

„Mr. Worple, guten Abend. Mr. Sanguini, treten Sie doch bitte ein“, grüßte er seine Gäste.
Mit weit aufgerissenen Augen betrachtete Hermine die beiden, die sie bereits von der Initiative her kannte. Mr. Worple hatte seinen Blick durchs Labor streifen lassen und sie bemerkt, weswegen er sich ihr freudestrahlend näherte und ihr die Hand entgegenhielt.

„Miss Granger, richtig? Guten Abend“, grüßte er lächelnd und sie reichte ihm die Hand, die Severus vor ihrer Arbeit netterweise mit einem Zauberspruch versehen hatte, damit sich ihre Finger nicht mehr grün färben würden.

Ohne auf Severus’ Bitte zu achten, erhob sie sich von seinem Stuhl und ging auf Mr. Sanguini zu, den sie höflichkeitshalber auch begrüßen wollte, doch als sie ihm die Hand entgegenhielt und ihn willkommen hieß, da blickte er ihr nur flüchtig in die Augen und nickte ihr zu, was sie sehr unhöflich fand. Sie ging nicht zurück zu dem Platz, an dem sie hätte sitzen sollen, was ihr einen bösen Blick von Severus einhandelte, doch Mr. Worple lenkte ihn sehr schnell ab, denn er sagte: „So, da sind wir. Wie Sie unschwer erkennen können, konnten wir Ihr Angebot einfach nicht abschlagen.“

Severus nickte dem kleinen, gedrungenen Mann zu und ging gleich darauf an einen seiner Schränke, um eine Kiste herauszuholen. Hermine beobachtete alles ganz genau. Diese Kiste hatte sie noch nie zuvor gesehen und sie wusste daher nicht, was sie beinhalten würde. Worple und Sanguini näherten sich dem Tisch, auf dem Severus die Kiste platziert hatte und Hermine war ihnen gefolgt. Sie stand direkt neben Sanguini, der sie jedoch bemerkte und scheinbar grundlos seine Position änderte, so dass Worple nun von ihr und dem Vampir in die Mitte genommen worden war.

Sie lauschte aufmerksam, als Severus den beiden Männern mit seiner leisen Stimme erklärte: „Das hier“, er öffnete die Kiste, „sind die Ampullen.“ Es kamen mehrere, aneinander gereihte kleine Fläschchen mit einem Fassungsvermögen von vielleicht je fünfzig Millilitern zum Vorschein. Der Inhalt der Fläschchen leuchtete blutrot. „Was alles zu beachten ist liegt dem Trank bei“, fügte Severus hinzu, als er der Kiste ein gefaltetes Blatt Pergament entnahm, es einmal zeigte und wieder an seinen Platz legte. „Was Ihre Beobachtungen betrifft, so möchte ich Sie“, Severus blickte Sanguini an, „höflichst darum bitten, äußerst genau zu sein.“ Sanguini nickte, so dass Severus die Kiste wieder verschloss und dem Vampir entgegenhielt, der sie so gierig entgegennahm als würde sie Blutkonserven beinhalten. Severus ging gleich darauf an seinen Schreibtisch und holte ein kleines Säckchen hervor, dessen Inhalt klimpernde Geräusche von sich gab, was ihn als Geldbeutel enttarnte. Den hielt er ebenfalls Sanguini entgegen, doch der betrachtete weiterhin die Kiste in seinen Händen und schien unbeeindruckt von den Galleonen, so dass Mr. Worple einmal gelassen mit den Schultern zuckte und die Hand ausstreckte, um den Beutel entgegenzunehmen.

Bevor die beiden Männer sich verabschiedeten, sagte Sanguini noch: „Ich werde die Beobachtungen zu Ihrer vollsten Zufriedenheit niederschreiben, Professor Snape.“ Snape nickte, bevor er beide zur Tür begleitete. Nachdem er sie verschlossen hatte, blickte er Hermine an, doch er rügte sie nicht, sondern ging wieder an seinen Platz, um die Pflanzen zu schneiden.

„Severus?“, sagte Hermine, damit er sie anblickte. Als er aufgeschaut hatte, fragte sie: „Erklären Sie es mir?“ Sie wusste selbst nicht genau, wie sie eine Frage formulieren sollte, aber sie wollte alles über die Kiste mit den Ampullen wissen und was es mit den Beobachtungen auf sich hatte, die Sanguini notieren sollte.
„Was eben geschehen ist, Hermine, hat Sie nicht zu interessieren“, sagte er trocken.
Sie zog eine Augenbraue hoch und kniff den Mund zusammen, doch dann lächelte sie, bevor sie offenbarte: „Das hat mit dem Trank zu tun, an dem Sie arbeiten, richtig? Der Trank, der den Blutdurst bei Vampiren stillen soll.“

Severus hielt mit seiner Arbeit inne und vergegenwärtigte sich, dass Harry ihr davon erzählt haben musste, denn niemand sonst hatte davon Kenntnis. Er antwortete daher vorsichtig: „Mit diesen Forschungen wandle ich auf sehr dünnem Eis, Hermine, und ich bewege mich am Rande der Legalität.“ Sie wollte gerade den Mund öffnen, da hob er eine Hand, um sie am Reden zu hindern und fügte hinzu: „Ich weiß, was Sie sagen wollen. Ja, ich gebe es zu: Die Forschungen sind durchweg illegal. Nichtsdestotrotz erachte ich eine Fortschritt auf diesem Gebiet für erstrebenswert.“

Sie unterhielten sich einen Moment lang über Vampire an sich und was Severus’ Trank bewirken könnte, da kam die Sprache auf das Verhalten von Sanguini, denn Hermine sagte: „Ich fand ihn sehr unhöflich. Er hat mir nicht einmal die Hand zur Begrüßung gegeben.“
„Mr. Sanguini hat sich Ihnen gegenüber angemessen verhalten“, verteidigte Severus seinen Gast. Da sie fragend die Augenbrauen zusammenzog, näherte er sich ihr, um ihr seine Aussage zu verdeutlichen. „Mr. Caedes hatte Ihnen die Hand gegeben, richtig?“, wollte er wissen. Sie kniff erneut die Lippen zusammen, da sie gehofft hatte, nie wieder über Caedes reden zu müssen, doch sie nickte bejahend. Severus hielt ihr seine Hand entgegen und sagte: „Geben Sie mir Ihre Hand.“ Wortlos ergriff sie seine rechte Hand, so dass er sagte: „Ich bin mir sicher, dass er seine Finger so gehalten hatte.“ Er nahm Zeige- und Mittelfinger und legte sie leicht auf die Innenseite ihres Handgelenks und erklärte im Anschluss: „Er hat unbemerkt von Ihnen Ihren Puls erfühlt. Und ich bin mir ebenfalls sicher, dass er nicht widerstehen konnte, Ihnen einen Handkuss zu geben.“ Severus führte ihre Hand in die Nähe seiner Lippen, doch anstatt ihren Handrücken zu küssen, erklärte er mit lehrerhafter Stimme: „Aus Büchern wissen Sie, dass Vampire verfeinerte Sinne haben. Sie können besser hören, besser riechen… Er hat Ihr Blut gewittert, während er Ihnen einen Handkuss gegeben hat.“ Er senkte seine Hand wieder und ließ die ihre los. „Sie wissen über Vampire wahrscheinlich alles, aber Sie können manchmal nicht zuordnen, inwiefern sich die Eigenarten dieser Gattung auf das alltägliche Leben auswirken. Die Höflichkeiten von Vampiren werden oftmals, besonders von Damen, mit Schmeicheleien verwechselt; häufig auch mit zaghaften Annäherungen.“ Er legte den Kopf etwas schräg und unterstellte: „Er hat Ihnen Nettigkeiten zugeflüstert, nicht wahr?“ Severus hob seine rechte Hand und strich Hermines lockiges, wirres Haar von ihrer Schulter, bevor er sich ihrem Gesicht näherte, doch anstatt, wie Caedes, irgendwelche Komplimente zu machen, sagte Severus sehr leise und nahe an ihrem Ohr: „Was glauben Sie, wie viele Zentimeter meine Zähne nun von Ihrem Hals entfernt sind?“

Ein leichtes Zittern übermannte sie, als ihr klar geworden war, wie dumm sie sich bei Caedes verhalten hatte oder womöglich, weil Severus ihr nie so nahe gewesen war; das konnte sie nicht deuten.

„Ich habe verstanden, was Sie meinen“, sagte sie sanft, während sie noch immer seinen Atem an ihrer Wange spürte.

Er bat sie, Platz zu nehmen, damit er ihr von seiner Forschung erzählen konnte. Severus versprach sich von dem Trank etwas Ähnliches wie vom Wolfsbanntrank. Die Vampire, die diesen Trank regelmäßig einnehmen würden, wären keine Gefahr mehr, da ihre Instinkte – der Durst – erfolgreich unterdrückt werden würden. Die Unterhaltung verlagerte sich, nachdem die Wasserpflanzen komplett zerteilt und in Vorratsgläser eingelegt worden waren, in Severus’ Wohnzimmer. Die Blumen in der Vase hatte sie mitgenommen.

Um kurz nach einundzwanzig Uhr wurde ihre angeregte Unterhaltung von Harry gestört, der erst sehr böse dreinblickte, als er Hermine erspähte, dann jedoch erleichtert schien, als er sagte: „Schön, dass es dir gut geht, Hermine. Es gab nämlich einige auf der Hochzeit, die sich Sorgen gemacht haben, weil du plötzlich weg warst.“
„Ich hätte ja Bescheid gesagt“, rechtfertigte sie sich, „aber es haben alle getanzt, als ich gehen wollte.“

Es war eine Ausrede gewesen und das hatte selbst Severus herausgehört. Er hatte sich sowieso gewundert, warum Hermine schon um kurz nach sechzehn Uhr von der Hochzeit zurückgekommen war, aber er hatte sich nicht daran gestört und daher nicht nach einem Grund gefragt.

„Setzen Sie sich doch, Harry. Möchten Sie etwas trinken?“, fragte Severus.
„Ich weiß nicht“, sagte Harry, bevor er sich auf dem Sessel niederließ. „Ich habe heute schon ziemlich viel getrunken. Ginny wartet außerdem auf mich. Ich wollte ja nur sehen, wo Hermine steckt.“
„Na ja, ich bin hier und mir geht’s gut“, sagte sie keck.

Harry lächelte gequält. Er hatte sich wirklich Sorgen um sie gemacht, weil er sich immer wieder vor Augen gehalten hatte, dass er sie in Aberdeen hätte verlieren können. Als der Hund auf Harry zugelaufen kam, tätschelte er ihn, bevor er sich Severus zuwandte und sagte: „Ich wollte mit Ihnen wegen dem Hund reden. Ich werde nicht mehr die Zeit haben, dreimal am Tag mit ihm auszugehen, Severus. Ab und an schon, aber nicht mehr regelmäßig. Ich hoffe, das ist in Ordnung?“

Das fand Severus gar nicht in Ordnung. Er war nicht der Typ dafür, mit einem Hund spazieren zu gehen, obwohl ihm der Ausflug nach Little Whinging gefallen hatte. Er wollte sich gerade äußern und sagen, dass er an der Abmachung, die er mit Harry hatte, festhalten wollte, da schlug Hermine unerwartet vor: „Ich könnte mit dem Hund rausgehen. Natürlich nur, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“
Darüber sehr erstaunt, denn Severus blickte Hermine einen Moment lang verdutzt an, sagte er: „Das wäre sehr nett von Ihnen.“
Harry wollte sich schon wieder auf den Weg machen, da fiel ihm plötzlich etwas ein, weswegen er sich erkundigte: „Ach ja, Severus. Mit Ihrem Zauberstab hat alles geklappt? Haben Sie ihn bekommen?“
Daran hatte Hermine gar nicht gedacht und deswegen interessierte sie die Antwort genauso brennend. Severus nickte und bestätigte: „Ja, ich habe ihn heute bekommen. Die Rechnung wird Ollivander übrigens an Sie schicken, Harry.“
Harry lächelte verlegen. Es war ihm immer noch peinlich, dass er Severus’ Zauberstab auf so bizarre Weise zerstört hatte. „Zeigen Sie mal!“, forderte Harry ihn auf.

Sein Kollege kam der Aufforderung nach und zog, wie Harry und Hermine bemerkten, den neuen Stab nicht wie üblich aus dem linken Ärmel, sondern aus einer Innentasche.

Mit Daumen und Zeigefinger hielt Severus den Stab in die Luft, doch Hermine war neugierig und fragte, während sie die Hand aufhielt: „Darf ich mal?“
Severus überreichte ihr den Stab, den sie sofort inspizierte und sie erkannte ganz richtig: „Birke?“
„Weiß-Birke, um genau zu sein“, vervollständigte Severus.
„Und was ist nun der Kern?“, wollte Hermine wissen.
Severus räusperte sich, bevor er antwortete: „Wie Sie schon ganz richtig vermutet hatten, handelt es sich dabei um das Schweifhaar eines Einhorns.“
„Ja, das war ja klar, aber es sollte doch noch einen zweiten Kern geben“, rief Hermine ihm ins Gedächtnis zurück.
Er sträubte sich zunächst, gab dann aber zu: „Mr. Ollivander faselte etwas von dem Haar einer Hexe.“
Hermine stutzte und blinzelte, bevor sie ungläubig wiederholte: „Das Haar einer Hexe?“ Sie schüttelte den Kopf und sagte: „Ich bin zwar nicht allzu bewandert in der Zauberstabherstellung, aber darüber habe ich noch nie gelesen. Von Veela-Haar habe ich schon gehört, aber das Haar einer Hexe? Ist damit womöglich eine Sabberhexe gemeint?“ Bevor ihr irgendjemand widersprechen konnte, sagte sie selbst: „Nein, Unsinn. Aber ich verstehe nicht…“

Sie hielt inne, als sie sich daran erinnerte, wie Mr. Ollivander ihr mit einer Hand durchs Haar gefahren war, während er ihr davon erzählt hatte, dass er sich nun im Klaren über den Kern sein würde, aber das, was sie gerade dachte, konnte ihrer Meinung nach nicht wahr sein.

Vorsichtig fragte sie: „Hat er noch etwas über dieses Hexenhaar gesagt?“
„Nein, ich wollte mich nicht länger mit ihm unterhalten als notwendig, denn ich war der Meinung, dass er recht dreist geworden war.“
„Sie haben doch nicht etwa wieder gezankt?“, wollte Hermine wissen.
„Ich ’zanke’ nicht“, versicherte Severus und sie nahm diese Aussage mit einem Schmunzeln zur Kenntnis.

Die beiden schienen Harry völlig vergessen zu haben, denn Hermine fragte Severus: „Darf ich damit mal etwas wutschen?“
„Tun Sie, was Sie nicht lassen können“, erwiderte er gleichgültig, sah aber gespannt dabei zu, wie sein Stab mit ihrer Magie funktionierte.

Sie wutschte und wedelte und schon schwebte der Sessel samt Harry einen halben Meter über dem Boden.

„Wahnsinnig witzig, Hermine! Lass mich bitte runter; ich möchte wieder zu Ginny gehen“, bat er höflich und sie kam seiner Bitte frech grinsend nach.

Als der Sessel wieder auf dem Boden stand, sagte Harry noch: „Ach ja, ich habe mich auf der Hochzeit viel mit Arthur unterhalten und er meinte, die Themen, um die sich der Orden kümmert, würden sich um diese Hexenjägerbande drehen. Vielleicht, Severus, sollten wir dem Orden doch wieder beitreten? Ich mach’s, wenn Sie auch mitmachen. Hermine und Ginny bekommen wir bestimmt auch dort unter, wenn wir erst einmal wieder Mitglied sind.“ Da weder Hermine noch Severus sich dazu äußerten, fügte Harry noch hinzu: „Arthur hatte mit dem anderen Minister gesprochen“, Harry stockte, „und Pablo ist an uns ausgeliefert worden. Der sitzt jetzt in Untersuchungshaft. Viel hat man bisher nicht aus ihm herausbekommen. Außerdem weiß Ginny nichts davon.“
Hermine war von dieser Information sehr bestürzt, doch dann fasste sie sich und sagte: „Ich möchte zu gern wieder in den Orden, Harry!“
An Harrys statt antwortete Severus: „Albus wird sich sträuben. Er hatte neulich erst gesagt, er hätte gern Black, Harry und mich im Orden.“
„Sie haben mit Albus darüber gesprochen?“, fragte sie verdutzt.
Severus blickte Harry an und fragte: „Was denn? Das haben Sie ihr noch nicht mitgeteilt? Sie reden doch sonst über alles.“
„Das war doch erst Mittwoch und wegen der ganzen Aufregung mit Anne, Ginny und der Hochzeit hab ich’s völlig vergessen“, rechtfertigte er sich. An Hermine gewandt schilderte Harry: „An dem Tag, an dem Anne geheilt werden konnte, hatte Albus uns dreien angeboten, wieder dem Orden beizutreten. Allerdings haben Sirius und wir beide“, Harry zeigte auf Severus und sich selbst, „abgelehnt. Was aber viel interessanter war: Wir haben Albus gefragt, wie er den Avada überleben konnte.“
„Und?“, fragte Hermine gespannt auf die Antwort wartend.
Severus übernahm und erklärte: „Er hat sich wie immer nicht zu einer Antwort hinreißen lassen. Auf keine der Fragen haben wir eine Antwort erhalten. Warum er überleben konnte, was aus seiner fluchgeschwärzten Hand geworden war und was er Black für einen Trank gegeben hatte, damit er nicht stirbt.“
„Wie bitte? Er hat Sirius einen Trank verabreicht?“, fragte Hermine völlig baff. „Was für einen…“
Severus unterbracht: „Er hat nicht mit der Sprache herausgerückt, Hermine. Ich denke mittlerweile, dass wir keine Antworten bekommen werden, sollten wir nicht selbst nach ihnen suchen.“
Harry zog die Augenbrauen zusammen und fragte: „Wie sollten wir nach der Antwort suchen?“
Severus lehnte sich gemütlich an die Rückenlehne, bevor er laut dachte: „Man könnte eventuell nachsehen, ob in dem hübschen Grab am See eine Leiche liegt.“
„Das wäre Grabschändung“, warf Hermine ein.
Severus jedoch entgegnete ruhig: „Aber doch nicht, wenn es keine Leiche geben sollte.“
Zuletzt geändert von Muggelchen am 25.07.2009 17:47, insgesamt 1-mal geändert.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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Jupiter
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Beitrag von Jupiter »

Hallo Muggelchen,

ich muss zugeben, ich konnte es diesmal nicht abwarten und hab schon vor ein paar Tagen beide Kapitel auf fanfiction.de gelesen ^^ Aber ich werd jetzt wieder hier bleiben, weil ich doch meist nicht Zeit für einen schnelleren Rhythmus habe und das hier irgendwie persönlicher ist, weil man dann auch immer das letzte Kapitel liest. Das gefällt mir besser.
Aber auf der anderen HP sieht man ja schon, wie irsinnig lang die Geschichte ist! Wie lang schreibst du schon daran? Hattest du direkt die ganze Geschichte im Kopf (bzw. das Ende) oder hast du direkt angefangen zu schreibe? Wie bist du auf all diese Ideen gekommen?! Kurzum: Ein bisschen Entstehungsgeschichte zu dieser einzigartigen Story interessiert uns sicher alle ;-)

Liebe Grüße
Jupiter

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Rhea
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Beitrag von Rhea »

Hallo Muggelchen!!
Schön, dass du deine Geschichte weiterschreibst...

Ich hoffe doch, Hermine lernt aus ihrem Fehler...

LG
Rhea

P.S.: Wendy, was soll das??

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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

Hallo Jupiter,

nicht jeder mag viel auf einmal lesen, was völlig in Ordnung ist. Schön, dass du hier bleibst :)
Ich schreibe schon seit Juni 2007. Sie geht aber langsam dem Ende zu. Ich hatte bestimmte Szenen im Kopf, die ich einbauen wollte. Das Ende stand recht bald fest. Ich habe also ein Ziel mit vielen kleinen Zwischenstationen, die ich nach und nach erreiche. Entstehungsgeschichte? Das hier ist meine erste FF, die ich je begonnen habe. Eigentlich war es nur eine persönliche Antwort auf die FF von John Xisor. Er hat sie auf einigen Seiten hochgeladen, wovon ich erst später erfahren habe. Erst nach dem ca. 15. Kapitel wurde der Verlauf der FF geplant. Ich finde, man merkt auch einen stilistischen Unterschied zwischen den ersten Kapitel und den jetzigen.

Hi Wendy,

warum hast du so viele Beiträge mit deine unzähligen "fff" hinterlassen - allein schon bei den ganzen Steckbriefen? Um deine geschriebene Beitragszahl hochzujagen? Lass das doch bitte. Man könnte sonst meinen, deine Tastatur klemmt ... ;)

Hallo Rhea,

viele Kapitel sind bereits fertig, aber ich lade sie nicht zu schnell hoch.
Hermine wird bestimmt aus ihren Fehlern lernen. Sie war ja nie auf den Kopf gefallen.

Liebe Grüße,
Muggelchen




104 Stabkerne




Am Mittwoch vor Halloween wurde Arthur von Susan darüber informiert, dass der Antrag von Lucius eingegangen war und bearbeitet werden würde.

„Sehr schön, Susan. Ich werde gleich Mrs. Baltimore aufsuchen“, sagte Arthur gut gelaunt. Er wusste, dass sie in ihrem Beruf sehr abgebrüht war und er ging davon aus, dass Malfoy die höchst mögliche Strafe erhalten würde. Im Büro von Rosalind grüßte er: „Guten Morgen, Rosalind. Wie geht es Freddie? Und Barry fühlt sich wohl in der Schweiz?“
Rosalind war im ersten Moment ein wenig erschrocken, denn sie hatte heute die Akte Malfoy auf den Tisch bekommen, doch sie antwortete ehrlich: „Freddie geht’s wunderbar. Er hat am Montag ein Geschäft mit den Kobolden abschließen können und Barry hat jetzt schon die besten Noten bekommen.“
„Wunderbar! Das sind doch mal schöne Neuigkeiten“, sagte Arthur lächelnd. „Weswegen ich hier bin…“. Er blickte auf ihren Schreibtisch und deutete mit einem Finger drauf, während er sagte: „Ah, ich sehe, Sie haben die Akte schon bekommen. Ich habe da vollstes Vertrauen in Sie, Rosalind. Malfoy soll ruhig mal spüren, wie es ist, in die Mangel genommen zu werden. Sie haben sich ja bisher nie von einem Angeklagten täuschen lassen.“
Rosalind schluckte, sagte jedoch: „Ich werde die Gamotmitglieder persönlich auswählen, Arthur.“
„Ja, Sie bekommen das schon hin! Irgendwie bin ich jetzt beruhigt, wo ich weiß, dass Sie den Fall in die Hand nehmen“, sagte er zuversichtlich, bevor er ihr Büro verließ.

Nachdem er gegangen war, schloss sie die Augen. Nur kurz überlegte sie, ob sie dem Minister die Wahrheit sagen sollte, doch der Gedanke daran, was dann folgen würde, ließ sie diese Möglichkeit sofort wieder verdrängen. Einmal tief durchatmend griff sie in ihre Handtasche und fischte die Liste mit den Gamotmitgliedern heraus, die Malfoy ihr geschickt hatte. Natürlich kannte sie jeden Einzelnen und mit den meisten war sie so eng vertraut, dass man sich auch privat häufig sah.

Sie fragte sich, ob es womöglich jedem auf dieser Liste so erging wie ihr; ob sie Malfoys Liste mit erpressbaren Menschen in den Händen hielt. Sie schüttelte kraftlos den Kopf, bevor sie die Akte auf ihrem Tisch öffnete und das Formular herauszog, mit welchem sie die Verhandlung vorbereiten wollte. Sie notierte die Gamotmitglieder, die unbedingt anwesend sein sollten, doch es fehlten noch welche für die Verhandlung, denn es mussten insgesamt fünfunddreißig sein. Zwölf fehlten noch! Zwölf Gamotmitglieder, die nicht erpressbar waren. Sie wägte ab, ob sie vielleicht jene Kollegen aufschreiben sollte, die sich von Malfoy definitiv nicht beirren lassen würden. Sollte es dann jedoch dazu kommen, dass Malfoy durch die Argumente dieser zwölf Menschen doch hart verurteilt werden würde, könnte der sich immer noch dazu entschließen, sich zu rächen. Malfoy zählte zu den Menschen, die anderen Menschen mit in den Abgrund reißen würde, denn er hätte ja nichts mehr zu verlieren. Sie entschloss sich schweren Herzens dazu, die letzten zwölf Gamotmitglieder aus unerfahrenen Mitarbeiten zusammenzustellen; junge Gamotmitglieder, die die Entscheidungen und Argumente von dreiundzwanzig erfahrenen Kollegen sicherlich nicht bezweifeln würden.

Mit dem fertigen Formular ging sie persönlich zu Arthur, von dem sie es abzeichnen lassen musste. „Arthur? Ich habe die Zusammenstellung fertig“, sagte sie kraftlos.
„Schon? Das ging ja fix. Zeigen Sie, zeigen Sie“, sagte er heiter, während er sie mit einer Hand heranwinkte.

Er nahm das Formular entgegen und las die Namen der von Rosalind gewählten Gamotmitglieder, die während Malfoys Verhandlung anwesend sein sollten. Er nahm sich die Zeit, sich zu jedem Namen die Person ins Gedächtnis zu rufen.

„Oh, Sie haben Fortunatus Storm ausgewählt? Der hasst Malfoy!“, sagte er gehässig.
’Warum nur?’, dachte Rosalind. ’Wahrscheinlich hat Malfoy ihn genauso in der Hand wie mich.’
„Mrs. Winstone, Mr. Driscoll, Mr. Lavin“, las Arthur mit glitzernden Augen vor, denn er wusste, dass keiner von denen auf Malfoy gut zu sprechen war und dann überkam ihn plötzlich ein Schuldgefühl, denn er ahnte, dass Lucius keine Chance haben würde, wenn die für seine Verhandlung gewählten Gamotmitglieder überwiegend einen persönlichen Groll gegen den Angeklagten hegen würden. Eigentlich musste jeder dieser Verhandlungsanträge beim Minister, also bei ihm, vorgelegt werden, damit kein Schindluder getrieben werden würde, doch jetzt trieb er es selbst zu weit, indem er es darauf anlegte, Malfoy auflaufen zu lassen. Er beruhigte seinen Gerechtigkeitssinn, indem er sich sagte, dass mindestens zehn von den auserwählten Gamotmitgliedern bisher unbeleckt waren und keinen persönlichen Hass gegen Malfoy hegten, womit sich alles wieder etwas die Waage halten würde.

„Ich möchte, dass ein Termin für die Verhandlung erst festgelegt wird, wenn Malfoys Behandlung im Mungos beendet ist, Rosalind“, erklärte Arthur und sie nickte bejahend.

Er nahm seine Feder und Rosalind schaute resignierend zu, als Arthur mit seiner vollen Unterschrift die Verhandlungsanweisung gültig zeichnete.

Auch Albus hielt eine Feder in der Hand. An seinem Schreibtisch sitzend verfasste er eine Liste, auf der er die Lehrer festhielt, die für die Halloween-Feier am Freitag die Aufsicht übernehmen sollten. Severus stand bereits ganz oben als Erster, denn nur so konnte Albus ihn dazu bringen, am 31. Oktober überhaupt seine Räume zu verlassen. Minerva hielt auch nicht viel von diesem Fest, weswegen er ihr ebenfalls die Aufgabe übertragen wollte, an diesem Tag auf die Schüler zu achten. Filius hatte sich schon am Montag freiwillig bereit erklärt, diese Funktion zu übernehmen.

’Fehlen noch zwei’, dachte Albus. In der Regel reichten fünf Lehrer aus, die sich präsent verhalten würden und sich nicht am Fest beteiligten, sondern unkostümiert nach dem Rechten sahen. Pomona wollte er nicht auf die Liste setzen, denn sie liebte es, sich zu verkleiden und mit den Schülern zu flunkern. Albus atmete einmal durch und setzte Sibyll auf die Liste, denn sie würde aus eigenen Stücken auch nicht zum Fest erscheinen, also sollte sie zumindest als Aufsichtspersonal fungieren, damit sie ihrem Turm mal den Rücken kehren würde.
’Einer noch’, dachte Albus angestrengt nach.

Das Portrait von einer freundlich wirkenden, älteren Hexe mit silbernen Ringellocken, die üppig über ihre Brust fielen, meldete sich zu Wort und empfahl ungefragt: „Setz Svelte auf die Liste, Albus. Der ist neu und kann gleich für so eine Aufgabe herangezogen werden.“
„Meine liebe Dilys, wenn darum geht, die neuen Lehrer die Arbeit machen zu lassen, während die alteingesessenen sich vergnügen, dann kann ich genauso gut Harrys Namen auf die Liste setzen“, erklärte Albus der ehemaligen Direktorin von Hogwarts. „Professor Svelte darf ruhig dem Spaß beiwohnen, denn ich denke, es wird hier für ihn sein erstes und letztes Jahr gewesen sein.“
„Oh, ist er so gut?“, fragte Dilys Derwent spöttisch.
Albus schmunzelte und antwortete: „Der gute Professor Svelte ist nur bedingt fähiger als Gilderoy Lockhart es damals gewesen war.“ Er blickte auf und erklärte Dilys: „Von Schülern habe ich erfahren, dass er ihnen einen ganz normalen Zweig als Bowtruckle vorgeführt hatte.“ Er seufzte und schüttelte enttäuscht den Kopf, bevor er anfügte: „Hätte Hagrid sich nicht so kurzfristig dazu entschlossen, diesen Posten abzugeben, wäre ich nicht in die verzweifelte Lage geraten, auf die Schnelle einen Professor für die Pflege magischer Geschöpfe zu finden. Minerva hatte neulich geäußert, dass Sveltes Bestrebungen offensichtlich nicht jene wären, den Schülern ein guter Lehrer zu sein.“
„Der Gute will sich profilieren“, sagte ein anderes Portrait. Es war Armando Dippet gewesen, der das gesagt hatte.
„Will er das?“, fragte Albus nach.
Armando streifte sich seinen Umhang glatt und erwiderte: „Warum sonst kommt er so oft, um mit dir einen Tee einzunehmen? Er will sich beliebt machen. Ich kann ihn jedenfalls nicht ausstehen.“
„Das“, sagte Albus, während er sich die Brille gerade rückte, „ist jedoch kein Grund, ihn vom Fest auszuschließen. Nein, er soll ruhig daran teilnehmen. Ich werde Aurora fragen.“ Schon setzte er die Lehrerin für Astronomie auf die Liste, bevor er sich auf den Weg machte, um jeden einzeln auf die Aufgabe am Freitag anzusprechen.

Der Weg über die Strickleiter zu Sibylls Turmzimmer war für Albus nicht allzu anstrengend. Oben angekommen atmete er tief durch, um die ätherischen Düfte zu genießen, bevor er sich ihr näherte. Sie hatte ihn nicht bemerkt und zuckte daher zusammen, als er sie mit Vornamen ansprach.

„Albus“, sagte sie erschrocken, während sie sich eine Hand aufs Herz legte.
„Ich wollte dich nicht erschrecken, meine Gute. Ich bin hier, wegen…“
Sie unterbrach ihn und sagte: „Wegen der Feier am Freitag. Ich soll darauf achten, dass die Schüler keine Dummheiten machen. Ja, ich werde da sein.“ Sie lächelte, während sie ihn durch ihre dicken Brillengläser hindurch anstarrte.
„Oh, Sibyll! Jetzt weiß ich genau, warum ich dich für das Fach Wahrsagen eingestellt habe“, sagte er schäkernd, denn er wusste natürlich, dass sie damit gerechnet hatte, wie üblich von ihm diesbezüglich gefragt zu werden.

Sein nächster Weg führte ihn in die Nähe des Astronomieturms, wo sich Auroras Räumlichkeiten befanden. Sie war gerade eben, obwohl es bereits später Nachmittag war, aufgestanden und hieß den Direktor herzlich willkommen. Ohne Umschweife hatte sie sich bereit erklärt, seinem Wunsch nachzukommen, so dass er hinter ihrem Namen einen Haken setzen konnte, wie schon bei Sibyll.

Minerva und Filius brauchte er nicht mehr zu fragen, da sie sich freiwillig gemeldet hatten und so wanderte Albus von einem der höchsten Örtlichkeiten Hogwarts nach ganz unten in die Kerker.

Er traf Severus auf dem Gang an, denn er hatte eben Zutaten aus seinem Vorratsraum geholt.

„Severus“, sagte Albus und er wurde gleich unterbrochen.
„Wenn es um Freitag geht: Ja, ich erkläre mich bereit, aber nur, wenn du keinen anderen findest.“
„Das ist nett von dir, Severus. Freiwillig haben sich auch Minerva und Filius gemeldet.“
„Ich sagte, wenn du keinen anderen findest. Hast du Svelte oder Harry gefragt?“, wollte Severus wissen.
Albus blickte ihn mit funkelnden Augen an, bevor er sagte: „Ich möchte ehrlich gesagt nicht auf dich verzichten. Du bist immerhin derjenige gewesen, der regelmäßig bei den Schülern die meisten Flaschen Feuerwhisky konfisziert hatte.“
„Aber nur, weil die anderen Kollegen ihre Aufsichtspflicht nie ernst genommen haben“, konterte Severus, während er sich langsam wieder auf den Weg in sein Labor machte, in welchem Hermine auf ihn wartete.
Albus rief ihm lachend hinterher: „Und genau deswegen bist du der Richtige, Severus.“

Allein im Labor auf den Nachschub an Zutaten wartend fuhr Hermine sich durchs Haar und bemerkte, dass zwischen ihren Fingern einige Haare zu finden waren, was sie gleich an Mr. Ollivander denken ließ. Es schien auf der Hand zu liegen, dass er, als er ihr durchs Haar gefahren war, eines ihrer Haare genommen, um es als Kern für Severus’ Zauberstab verwendet hatte, aber sicher konnte sie sich nicht sein. Wenn sie mit ihrer Vermutung richtig liegen sollte, dann müsste sie eigentlich böse auf ihn sein, dass er sie nicht zuvor gefragt hatte. Der Gedanke daran ließ ein wenig Unwohlsein in ihr aufkommen, aber nicht, weil möglicherweise eines ihrer Haare den Stabkern ausmachen könnte, sondern weil sie nicht wusste, wie Severus reagieren würde, würde sie ihm von ihrer Ahnung erzählen. Sie fuhr sich ein weiteres Mal durchs Haar und wieder hielt sie lose Haare in der Hand. Es waren zu viele, dachte sie, bevor sie ein drittes Mal durch ihr Haar strich. Ihre Augen wurden ganz groß, denn sie hatte plötzlich eine ganze Strähne in der Hand.

Gerade als sie diese erschreckende Erkenntnis gemacht hatte, kam Severus ins Labor und ohne zu überlegen sagte sie schnell hintereinander und sehr aufgebracht: „Ich verliere meine Haare!“
Seine Augen weiteten sich nach dieser Aussage ein wenig, bevor er beruhigend sagte: „Kein Grund zur Sorge.“
„’Kein Grund zur Sorge?’“, äffte sie ihn nach. „Hier, sehen Sie“, sagte sie und fuhr mit ihrer rechten Hand durch ihre Mähne, nur um gleich darauf noch mehr Haare in ihr zu halten als zuvor. „Oh Gott!“, sagte sie panisch, als sie sich die braunen Locken zwischen ihren Fingern anschaute.
„Jetzt hören Sie auf, sich absichtlich die Haare auszureißen!“, meckerte er und kam auf sie zu.
Ungläubig wimmerte sie: „Das nächste Mal, wenn ich sie mir wasche, werde ich bestimmt eine Glatze haben!“
„Unfug!“, sagte er widersprechend und ging hinüber zu einem Schrank.

Er stieg auf einen Hocker, um eine riesige Flasche, die bis zur Hälfte mit einer dicklichen, gelben Flüssigkeit gefüllt war, zu entnehmen. Ohne das Wort an Hermine zu richten entkorkte er die große Flasche und füllte etwas von der Flüssigkeit in einen kleineren Behälter, der über 500 Milliliter Fassungsvermögen verfügte. Anstatt die kleinere Flasche wieder zu verkorken, befestigte er daran einen Zerstäuber, bevor er damit zu Hermine hinüberging.

Er hielt ihr die Flasche entgegen und empfahl: „Jeden Morgen nach dem Waschen benetzen Sie Ihr Haar damit und“, er zog eine Augenbraue in die Höhe, „massieren es ein wenig ein.“
„Was…?“
Bevor sie ihre Frage zu Ende stellen konnte, erklärte er: „Ein Balsam, welches nicht nur vor dem Austrocknen schützt.“ Da sie ihn verdutzt anblickte, fragte er: „Wenn Sie sich die großen Zaubertränkemeister ins Gedächtnis rufen, was haben die alle gemeinsam?“

Hermine dachte an das Bild aus einem Buch von Arsenius Bunsen, das ihn mit seiner dicken Brille, der Knubbelnase und der Halbglatze darstellte. Gleich darauf musste sie an Phyllida Spore denken, die ein dürres Gesicht mit spitzem Kinn hatte und eine sehr kurze Stoppelfrisur trug. Horace Slughorn, ihr ehemaliger Lehrer mit seinem rundlichem Äußeren und…

Plötzlich fiel es ihr auf und sie sagte: „Die hatten alle wenig Haare oder eine Glatze!“
„Richtig“, stellte Severus lediglich fest.
„Aber warum passiert das?“, fragte sie ängstlich.
Völlig gelassen erklärte Severus: „Sobald man regelmäßig mit etwas aggressiveren Zutaten arbeitet, greifen die warmen Dämpfe eines Trankes oftmals die Haare an, manchmal auch die Haut. Falls Sie also jemals Hautunreinheiten bei sich bemerken sollten, die unnatürliche Dimensionen annehmen sollten…“ Er hielt inne, weil sie völlig erschrocken zu einer Vitrine lief, um im Spiegelbild ihr Gesicht zu betrachten. Vorwurfsvoll sagte er: „Hermine, ich hätte Ihnen längst Bescheid gegeben, wenn mir etwas bei Ihnen aufgefallen wäre.“ Sie blickte ihn an und nickte lediglich, so dass er sagte: „Wir werden demnächst mit dem Trank beginnen, den ich eigentlich heute mit Ihnen brauen wollte. Für heute habe ich kurzfristig etwas anderes geplant, denn ich habe vor dem Frühstück eine interessante Nachricht erhalten. Möchten Sie mich in die Winkelgasse begleiten?“

Etwas verdutzt sagte sie zu, so dass beide sich ihre Umhänge überwarfen.

In der Winkelgasse angelangt steuerte Severus auf einen unscheinbar wirkenden Laden namens „Phantasmplantare“ zu. Er öffnete die Tür und wartete, bis Hermine eingetreten war und dann staunte sie. Der Laden entpuppte sich als gut sortiertes Geschäft für Zaubertrankzutaten und botanische Artikel. Schlichtweg gab es alles, was Pomonas oder Severus’ Herz begehrte.

„Professor Snape, haben Sie meine Nachricht erhalten, ja? Kommen Sie doch bitte“, sagte der ältere von zwei Verkäufern, der Severus zu sich winkte.

Der ältere Herr grüßte Hermine und stellte sich als Mr. Heed vor. Nach der Bekanntmachung betraten Severus und Hermine den Nebenraum, in den sie von Mr. Heed gebeten worden waren. Der Verkäufer holte eine Kiste aus einer Ecke und stellte sie vor Severus und Hermine auf den Tisch.

Während er vorsichtig auspackte, erklärte der Mann: „Sind erst heute Morgen angekommen. Ich habe Ihnen sofort geschrieben.“ Als der Mann den Deckel anhob, verbreitete der Inhalt einen kaum wahrnehmbaren, üblen Geruch, was Severus sofort explodieren ließ.
„Die sollen frisch sein?“, zeterte er unverhofft. Dann nahm er eine der gebrochenen, gelben Eierschalen in die Hand und wollte sie zur Nase führen, doch auf halben Wege hielt er inne und meckerte: „Das riecht man doch schon durch das Paket hindurch, dass die Ware faul ist! Glauben Sie ja nicht, dass ich dafür bezahlen werde.“
Der Verkäufer sagte nichts, sondern roch selbst an einer der Eierschalenstücken und verzog das Gesicht. Mit erröteten Wangen entschuldigte sich der Mann: „Das ist mir außerordentlich peinlich, Professor Snape. Man hat mir versichert…“
Severus unterbrach: „Woher stammen die?“
„Aus Frankreich“, entgegnete der Verkäufer kleinlaut.
„Ein Tipp, Mr. Heed: Besorgen Sie schnell verderbliche Zutaten vorzugsweise aus den Ländern, in denen sich direkt eine Quelle befindet. Chinesische Dracheneier also aus China oder einem Land mit Reservat.“
„Ich kann sofort neue bestellen“, bot Mr. Heed an, doch Severus winkte ab.
„Nein, danke. Ich werde mich diesbezüglich mit einem anderen Händler in Verbindung setzen.“
„Aber…“
„Auf Wiedersehen, Mr. Heed“, sagte Severus kurz und knapp, bevor er Hermine mit einem Blick zu verstehen gab, dass sie ihm nach draußen folgen sollte.

Außerhalb des Ladens äußerte Hermine sich nicht dazu, dass Severus so grantig zu dem Verkäufer gewesen war, denn es war seine Angelegenheit, wie er mit seinen Mitmenschen umgehen wollte.

„Ach, Hermine“, sagte Severus, als er stehen blieb und sie anblickte. „Ich würde gern noch“, er zögerte, „woanders hingehen. Es wird nicht länger als zehn Minuten dauern. Wenn Sie hier warten würden?“

Es war offensichtlich, dass er sie nicht dabeihaben wollte. Sie ahnte, dass er der Nokturngasse einen Besuch abstatten wollte und dahin wollte sie ihn wirklich nicht begleiten.

„Kein Problem“, sagte sie nickend, so dass er von dannen zog. Die Frage war jetzt nur, was sie in zehn Minuten erledigen könnte. Für ein Eis bei Fortescue reichte die Zeit nicht und als sie ihren Blick schweifen ließ, fiel er auf das Geschäft von Mr. Ollivander, auf welches sie einfach zuging.

Im Zauberstabgeschäft war kein Kunde anwesend, doch Mr. Ollivander stand an seiner Theke und prüfte einige Stäbe.

„Miss Granger, welch eine Überraschung. Ich hoffe doch, mit Ihrem Stab ist alles in Ordnung?“, fragte er.
„Mit meinem schon, aber ich habe da eine Frage bezüglich des Kerns von Professor Snapes neuem Stab“, sagte sie und Mr. Ollivander begann breit zu lächeln.

Gar nicht mal so weit weg von der Winkelgasse befand sich das Mungos, in welchem Lucius gerade zufrieden lächeln musste, denn Professor Puddle hatte ihm soeben versichert, dass er mit dem neuen Spendermaterial voraussichtlich in zwei Wochen mit der Wiederherstellung von mindestens achtzig Prozent seiner Sehkraft rechnen könnte.

„Eine wundervolle Nachricht, Professor Puddle“, sagte Lucius freundlich, bevor ihn der Professor wieder verließ. Als Marie sein Zimmer betrat, erzählte er ihr fröhlich davon und sie freute sich mit ihm.
„Dann werden Sie auf jeden Fall sehen können, wenn Sie Ihren Verhandlungstermin wahrnehmen werden“, sagte sie.
„Ich hoffe nur, die Herren und Damen im Ministerium werden sich nicht allzu viel Zeit lassen. Ich bin in solchen Angelegenheiten nicht sehr geduldig“, gab er offen zu.

Zurück in der Winkelgasse hatte Hermine den Laden von Mr. Ollivander acht Minuten später wieder verlassen und jetzt – da Severus immer sehr präzise war – hatte sie noch zwei Minuten für sich allein, um über das nachdenken zu können, was sie eben von Mr. Ollivander erfahren hatte. Das Haar in Severus’ Stab stammte tatsächlich von ihr. Eine genaue Erklärung, warum er eines ihrer Haare verwendet hatte, hatte er ihr nicht geben können, aber allein die Tatsache, dass er ihr Haar war, brachte sie zum Grübeln. Severus würde wahrscheinlich in die Luft gehen, würde er davon erfahren, also versprach sie sich selbst, ihm nichts davon zu erzählten. Nicht einmal Harry sollte das wissen. Einerseits fühlte sie sich geehrt, dass ein Teil von ihr den Kern eines Stabes darstellte, doch andererseits hatte sie dabei ein komisches Gefühl.

Während sie noch nachdachte, näherte sich ihr Severus und ihm war nicht entgangen, dass sie ganz offensichtlich tief in Gedanken versunken war. Ihr war nicht einmal aufgefallen, dass er nun geduldig neben ihr stand und wartete. Er musste erst ihren Namen sagen, damit er ihre Aufmerksamkeit erlangen konnte. Sie hatte sich erschrocken, ihn so plötzlich neben sich zu sehen und er fühlte sich unbehaglich, für einen Moment Furcht in ihren Augen wahrgenommen zu haben.

„Gehen wir“, forderte er sie mit milder Stimme auf. Bevor sie höflichkeitshalber fragen konnte, ob er in der Nokturngasse das bekommen hatte, was er gesucht hatte, hörten beide hinter sich eine Frauenstimme.

„Severus?“, fragte die Fremde. Gleichzeitig drehten sich Severus und Hermine um. Hinter ihnen stand eine Dame in Severus’ Alter, die verlegen mit ihren langen, hellbraunen Haaren spielte.
Hermine richtete ihre Augen wieder auf Severus, doch der starrte nur mit gekräuselter Stirn die Frau an, während er sich offensichtlich Mühe gab dahinter zu kommen, wer sie sein könnte. Dann fiel es ihm ein.
„Linda?“, sagte er erstaunt.

Die Frau lächelte, nachdem er sie wiedererkannt hatte. Sie kam auf ihn zu und hielt ihm die Hand entgegen, die er sofort ergriff. Auch wenn es bei ihm immer sehr schwer zu erkennen war, so war ihm doch anzusehen, dass er dieses zufällige Zusammentreffen zu begrüßen schien.

Hermine kannte Severus bereits so gut, um bemerken zu können, dass er sich über die Begegnung freute, aber seltsamerweise schien Linda dies auch erkannt zu haben.

„Ich habe gelesen, dass du wieder in Hogwarts arbeitest?“, wollte sie unaufdringlich wissen.
„Ja, ganz recht. Und was machst du?“, fragte er zurück. Hermine staunte nicht schlecht, denn es war selbst unter den Kollegen in Hogwarts sehr selten, von Severus geduzt zu werden.
„Ich arbeite beim Besenregulations-Kontrollamt“, erwiderte sie freudestrahlend.
Severus erlaubte sich ein kurzes Schmunzeln, bevor er sagte: „Beim Ministerium also.“

Die Frau nickte und blickte kurz verlegen zu Boden, bevor sie ihm wieder in die Augen sah und derweil stetig lächelte. Erst dann bemerkte sie Hermine, die einen Schritt hinter Severus stand, so dass sie ihn fragend anblickte.

Severus folgte ihrem Blick und als er Hermine ansah, begann er: „Das ist Miss Granger“, er blickte wieder Linda an, „meine private Schülerin.“
Höflich begrüßte Linda Hermine mit einem Handschlag, bevor sie Severus fragte: „Irgendwas mal von den anderen gehört?“
Er reagierte nicht bösartig oder ablehnend, sondern erzählte ganz offen: „Lupin sehe ich regelmäßig jeden Monat. Du kannst dir denken, warum.“
„Oh“, sagte sie erstaunt, denn mit der Erwähnung von Remus hatte sie anscheinend gar nicht gerechnet und just in diesem Moment begriff Hermine die Zusammenhänge. Diese Frau war die damalige Freundin von Remus gewesen, mit der er zum Ball hatte gehen wollen, doch sie hatte auf der Krankenstation verweilen müssen, da sie in den teilweise gefrorenen See gefallen war.

„Wie geht es ihm?“, fragte Linda zaghaft.
„Den Umständen entsprechend gut. Er ist seit einigen Jahren mit einer jungen Aurorin liiert“, sagte er nur ein klein wenig gleichgültig.
„Das ist schön. Grüß ihn doch bitte von mir, wenn du ihn das nächste Mal siehst“, bat sie zurückhaltend. Dann fügte sie schnell und ablenkend hinzu, als wäre ihr das vorherige Thema unangenehm gewesen: „Ich gratuliere übrigens zum Orden des Merlin!“
Hier huschte tatsächlich ein Lächeln über Severus’ Gesicht, bevor er kurz und knapp erwiderte: „Danke.“

Das Gespräch zwischen den beiden empfand Hermine als zurückhaltend und sie wurde das Gefühl nicht los, dass es an ihrer Anwesenheit liegen könnte, doch dieses Stückchen Vergangenheit von Severus wollte sie nicht einfach aus den Augen lassen. Sicherlich könnte sie sich einige Schritte von den beiden entfernen, doch sie wollte weiterhin zuhören. Sie wollte sehen, wie Severus mit Linda sprach, aber vor allem, wie Severus mit einer Frau umging.

„Ich habe Pamela neulich getroffen“, sagte Linda mit einem permanenten, zarten Lächeln auf den Lippen.

Hermine hatte auch diesen Namen in Remus’ Tagebuch gelesen. ’Pamela, Pamela’, wiederholte sie in Gedanken und dann fiel auch das ihr wieder ein. Pamela war das Mädchen aus Ravenclaw gewesen, die sich von Sirius hatte abschleppen lassen. Es musste die Pamela gemeint sein, die sich zum Weihnachtsball den begehrten Sirius mit Brenda geteilt hatte.

Verlegen schmunzelnd erklärte Linda im Anschluss: „Sie ist eine richtige Zicke geworden.“
„Geworden?“, wiederholte Severus amüsiert spöttisch. „War sie das nicht schon damals?“
Linda musste laut lachen und nickte zustimmend. Plötzlich kam ein junges Mädchen auf die drei zugelaufen und sie hatte einen noch jüngeren Buben an der Hand.

„Mama, dürfen wir in den Eissalon?“, fragte das Mädchen, das Hermine auf neun oder zehn Jahre schätzte.
Völlig unerwartet fragte Severus sehr interessiert: „Deine Tochter?“ Nachdem er kurz den Jungen, vielleicht sechs oder sieben Jahre alt, betrachtet hatte, fügte er noch hinzu: „Und dein Sohn?“ Er hob beide Augenbrauen und wartete auf die Antwort, die sie ihm nur wortlos mit einem Nicken gab.
Gleich darauf richtete sie das Wort an ihre Tochter und sagte: „Aber nur, wenn du Daniel mitnimmst und pass auf, dass er nicht einfach anfängt, alles zu essen, was er sieht.“
„Mach ich“, sagte die Kleine freudestrahlend, bevor sie sich ihres Bruders annahm und mit ihm zu Fortesque hinüberging.

„Belinda ist jetzt zehn und wird nächstes Jahr hoffentlich Hogwarts besuchen“, erklärte sie, woraufhin er erneut ganz unmerklich lächeln musste.
„Und der Vater?“, fragte er diesmal etwas ungalant, auch wenn er es nicht so gemeint hatte.
Sie schenkte ihm ein gequältes Lächeln, bevor sie leise offenbarte: „Ist im Krieg gefallen.“
„Oh“, sagte Severus bedauernd, „mein aufrichtiges Beileid.“
Damit er sich wegen der Situation nicht unwohl fühlen würde, erklärte sie: „Das ist schon vor vier Jahren geschehen.“ Sie machte ihm klar, dass sie darüber hinweg war und seine Bemerkung sie nicht todtraurig gemacht hatte. Um vom Thema abzukommen, bat sie ihn: „Es wäre nett, wenn du alle Lehrer grüßen würdest, die mich noch kennen.“ Er versicherte, dass er das tun wollte, was sie dazu brachte, über das ganze Gesicht zu strahlen, bevor sie noch wissen wollte: „Siehst du ab und zu noch jemanden von früher?“
Er nickte und zählte auf: „Molly und Arthur.“
„Oh ja, Arthur“, wiederholte sie Respekt zollend. „Ich finde, er ist ein großartiger Minister, auch wenn vieles bestimmt nicht so läuft, wie er es gern hätte.“ Sie wartete, bis er weitere Namen nannte.
„Black“, sagte er mit Abscheu in der Stimme, woraufhin sie beide Augenbrauen in die Höhe zog. „Ja, wirklich!“, versicherte er ihr. „Er hat letzte Woche erst eine Dame aus der Muggelwelt geehelicht und wohnt nun“, er atmete durch, um nicht zu grantig zu klingen, „nicht mehr in Hogwarts.“

Das „glücklicherweise“ hatte er weggelassen, weil es zu verbittert geklungen hätte. Dieses Mal ließ Linda keine Bemerkung fallen, sondern wartete darauf, falls er noch etwas zu sagen hatte.

„Narzissa sehe ich fast täglich.“
Hier wurden Lindas Augen tellerrund und sie fragte nach: „DIE Narzissa?“
Severus nickte und erklärte: „Sie hatte“, er suchte die richtigen Worte, „ein Erlebnis, welches sie sehr verändert hat. Glaub mir, du würdest sie jetzt sehr mögen, so wie ich dich noch in Erinnerung habe.“

Hier war es Hermine, deren Augenbrauen in die Höhe schossen, denn sie hörte heraus, dass Linda und Severus sich vermutlich viel besser und inniger gekannt hatten, als sie anfangs vermutet hatte.

„Wenn du es sagst, wird es wohl so sein“, sagte Linda zustimmend, obwohl sie noch immer staunen musste.

Plötzlich kam Belinda zurück und sagte aufgebracht: „Mama, Daniel isst bei den anderen Leuten einfach Eis mit und er hört nicht auf mich.“
Linda tätschelte ihre Tochter am Kopf und sie nahm sich noch die Zeit, sich bei Severus zu verabschieden.

„Na dann“, sie reichte ihm die Hand, „ich muss los. Ein ’Notfall’, wie du gehört hast.“ Sie gab auch Hermine die Hand, obwohl sie mit ihr kein einziges Mal gesprochen hatte. Linda wandte sich, obwohl ihre Tochter schon an ihrem Arm zerrte, noch einmal Severus zu und sagte: „Ich weiß ja jetzt, wo ich dich erreichen kann.“

Wieder bemerkte Hermine, wie Severus ein wenig lächelte, bevor er Linda zunickte und sie gleich darauf ihrer Tochter folgte. Severus schaute ihr hinterher und Hermine beobachtete ihn dabei, bis er, ohne ihr auch nur einen Blick zu schenken, grantig sagte: „Was starren Sie mich so an und warum haben Sie mir nicht einen einzigen Moment mit meiner Bekannten allein gegönnt?“
’Huch’, dachte Hermine, ’ich hätte doch lieber ein paar Schritte gehen sollen.“
Severus wandte seinen Kopf und schaute sie eindringlich an, so dass sie ohne zu überlegen fragte: „Sie kennen sie aus der Schule?“
Er rollte demonstrativ mit den Augen, was sie ungemein ärgerte, bevor er spottete: „War das denn nicht offensichtlich?“
Natürlich wusste Hermine, dass Severus damals Linda aus dem See gerettet hatte, doch das durfte er nicht wissen und so fragte sie: „War sie Ihre Freundin?“
„Was interessiert Sie das?“, blaffte er sie an, woraufhin sie nur einmal die Schultern hob und wieder senkte. „Ah, verstehe“, murmelte er. „Das ist wieder einer dieser Momente, in denen Sie vor Neugierde platzen, nicht wahr?“ Hermine kniff beleidigt die Lippen zusammen, aber sie – und darüber erschreckte sie selbst – nickte, woraufhin er schmunzeln musste.
Mit einem Male fiel ihr wieder ein, was er eines Tages gesagt hatte und sie wiederholte seine Worte inhaltlich, indem sie sagte: „Es war Ihnen doch lieber, wenn ich Ihnen Fragen stelle, wo ich bei Ihnen doch schon direkt an der Quelle bin.“

Ihre Aussage verdutzte ihn einen Moment lang und dann wandte er sich langsam ab und ging ein paar Schritte. Einmal blickte er über seine Schulter, um ihr zu verständlich zu machen, dass sie folgen sollte.

Während sie nebeneinanderher zum Pub schlenderten, von dem aus sie wieder nach Hogwarts flohen wollten, erzählte er plötzlich aus freien Stücken: „Ich habe der Dame einmal aus einer prekären Situation geholfen und sie war mir dafür sehr dankbar.“ Gut, das hatte sie sich selbst denken können, doch Severus wiederholte nochmals: „Sie war mir“, er schaute Hermine mit festem Blick an und betonte, „überaus dankbar!“
Sie benötigte einen Moment und runzelte die Stirn, während sie überlegte, doch mit einem Male wurde ihre Stirn von Erkenntnis geglättet, denn sie wusste, was damit gemeint war. Das Einzige, das sie darauf erwidern konnte, war ein verlegen klingendes: „Oh.“
„Aber nicht, was Sie jetzt vielleicht denken mögen, Hermine. Nach der Schule waren Linda und ich“, er blickte sie erneut an, „liiert, wenn auch nur für vier Monate.“

Diese Information hatte Hermine schlichtweg von den Socken gehauen, denn bis dato war er für sie und alle anderen immer nur der Zaubertränkemeister gewesen, der ehemalige Lehrer, ein Griesgram und ein Todesser, aber niemals war ihr bewusst gewesen, dass man all das, was er bisher nach außen hin verkörpert hatte, auch auf einen einzigen, simplen Nenner bringen konnte. Plötzlich sah sie ihn mit völlig anderen Augen, denn egal, was man noch alles mit ihm in Verbindung brachte: Severus war auch nur ein Mann.
Zuletzt geändert von Muggelchen am 25.01.2011 22:55, insgesamt 1-mal geändert.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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