Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - BEENDET

Hier könnt ihr eure Fanfictions und Gedichte zu Harry und seiner Welt vorstellen.

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Muggelchen
EuleEule
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Beitrag von Muggelchen »

Hi CaRo,

na, ich hoffe doch sehr, dass es spannend bleibt :D
Das mit Severus' Stab wird bestimmt interessant werden, falls er einen neuen braucht, kann man schon auf den Stabkern gespannt sein.

Hallo Sentara Snape,

Ollivander wird sich den Stab genau ansehen. Ob er reprarabel ist oder Severus einen neuen benötigt, kommt natürlich noch.
Du hast schon recht, wenn du meinst, dass eine Handvoll Muggel in Hogwarts wohl nichts ausrichten könnte. Erst einmal müssen sie dahin kommen, denn die Schule ist ja mit Muggelabwehrzaubern versehen. Wie Anne Hogwarts betreten konnte, ist allerdigns noch immer nicht geklärt.
Ob, wann und wo es zu einem Kampf kommen könnte, müsst ihr abwarten ;)

Liebe Grüße,
Muggelchen




093 Scharlachrot




Nach vier misslungenen Versuchen hatten Hermine und Severus am heutigen Tage endlich ein wichtiges Projekt beendet. Mit dem beflügelnden Triumph im Herzen saßen sie abends noch in seinem Wohnzimmer und tranken auf ihren Erfolg, denn aufgrund Severus’ Idee hatten sie den Farbtrank optimieren können, weshalb die magischen Farben jetzt länger sichtbar blieben. So könnte man prüfen, wie die Farben sich bei verschiedenen Zaubersprüchen verhalten würden. Zudem, wie Severus bemerkt hatte, zeichnete sich jetzt sehr viel deutlicher ab, in welcher Weise die Magie durch den Körper strömte, denn man konnte genau erkennen, wie sie sich vor einem Zauberspruch bereits im Arm sammelte, bevor sie durch den Stab hindurchglitt.

Natürlich war Hermine diejenige gewesen, die den Trank hatte einnehmen müssen, während sie von Severus Anweisungen erhalten hatte, welche Zauber sie ausführen sollen. Levitation, Aufrufezauber und leichte Haushaltszauber waren einige von den getesteten Sprüchen gewesen. Möglicherweise hatte er sich geirrt, aber er war der Meinung, dass ihre Farben, die er ja schon vor einiger Zeit hatte sehen dürfen, kräftiger geworden waren und er fragte sich, ob beim ersten Mal auch schon ein so tiefes Blau wahrzunehmen gewesen war. Das helle Violett um die gesamten Farben herum war dieses Mal definitiv kräftiger. Braun, Orange und Gelb waren wie beim ersten Mal vorhanden und ließen ihn erneut den Vergleich zu einer fleißigen Biene ziehen. Selbstverständlich hatte er alles penibel notiert. Ihre vorgetragene Bitte den Trank selbst einzunehmen, damit sie auch ein „Testobjekt“ haben würde, hatte er erneut ausgeschlagen, obwohl er heute deshalb befremdlicherweise ein schlechtes Gewissen bekommen hatte. Sie war wirklich äußerst höflich gewesen, als sie ihn darum gebeten hatte und nach seiner Ablehnung hatte es ihn sehr erstaunt, dass sie nicht einmal mehr nachgehakt hatte, warum er sich sträuben würde.

Von seinem besten Elfenwein hatte Severus eine Flasche geöffnet, um mit seiner Schülerin anzustoßen, denn die Farben blieben nicht mehr nur wenige Minuten sichtbar, sondern fast eine halbe Stunde.

„Auf Ihren Erfolg, Hermine. Ich bin mir sicher, dass Sie sich mit diesem Trank einen großen Namen in der Liga der Zaubertränkemeister machen werden“, sagte er, bevor er mit seinem Glas das ihre berührte und ein leises Klirren zu vernehmen war.
„Sie haben aber ganz gut mitgeholfen, Severus. Ich wäre nie drauf gekommen, dass Flubberwürmer dem Trank eine so feste, fast schon klebrige Konsistenz geben könnten. Er bleibt jetzt viel länger an den Magieteilchen haften. Das ist“, Hermine schüttelte ungläubig den Kopf, „so einfach und doch bin ich nicht selbst drauf gekommen.“

Beim dritten Glas Wein waren sie bei allgemeinen Themen der vergangen Zeit angekommen. Ihre Gedanken drehten sich meist um ihn, weil es noch so viele Fragen zu klären gab.

„Mit welchem wortlosen Zauber haben Sie den Irrwicht eigentlich in den Schrank gesperrt?“, fragte Hermine wissbegierig.
Severus lächelte überlegen, weil es nach langer Zeit mal wieder etwas gab, von dem er mehr verstand als sie und so erklärte er herzlich gern: „Es sind zwei aufeinander folgende Befehle; sehr einfache. Der erste lautet ’intromittere’ und der darauf folgende ist ’includere’.“
Severus konnte regelrecht hören, wie Hermines Verstand arbeitete, bevor sie ganz richtig übersetzte: „Hineinschicken und einsperren! Das ist wirklich einfach.“
Lächelnd erklärte Severus: „Es mag einfach sein, aber diese beiden separaten Sprüche, die man leider nicht miteinander vereinen kann, wirken in erster Linie nur bei Wesen, denen es an Körperlichkeit mangelt, wie eben bei einem Irrwicht, der zwar eine feste Gestalt annehmen kann, im Grunde jedoch weiterhin aus seinem rauchigen Ich besteht. Es ist übrigens auch bei Dementoren möglich oder auch bei Geistern und Poltergeistern.“
„Bei Dementoren? Ich dachte, da hilft nur ein Patronus!“, sagte sie erstaunt.
„Es gibt viele Wege, die man gehen kann, Hermine. Ich bevorzuge es, einen Irrwicht ohne Unterhaltungselemente zu verbannen. Zudem könnte mangelnde Konzentration auf eine glückliche Erinnerungen in brenzligen Situationen einen Patronus vereiteln, so dass man eine Alternative parat haben sollte, um einen Dementor auch ohne magischen Schutzherrn vertreiben zu können“, erklärte er mit ruhiger Stimme.
„Haben Sie diesen Zauberspruch etwa selbst entwickelt?“, fragte sie ihn mit großen Augen.
„Nein“, erwiderte er und Hermine bemerkte, wie er den Blick senkte. Nachdem er sich darüber bewusst geworden war, dass sie ihn genau betrachtete, fügte er stocksteif hinzu: „Ich habe ihn von Albus.“ Es war nicht zu überhören, dass ein Zittern in seiner Stimme mitgeschwungen war.

Sie betrachtete ihn eine Weile unverhohlen, was ihm nicht entgangen war, doch Hermine hielt es für besser, ausnahmsweise nicht so penetrant nachzuhaken wie üblicherweise, denn sie fand es sehr angenehm, wie es momentan war. Augenblicke wie dieser, in denen sie entspannt mit ihm reden konnte, ohne dass er sie mit spitzen Bemerkungen malträtierte oder sich einigelte, waren selten und zwar so selten, dass sie solche einzigartigen Momente mittlerweile zu schätzen wusste. Eines hatten Momente wie dieser nämlich gemeinsam: seine Augen waren nicht schwarz! Auf seine plötzlich braunen Augen hatte sie ihn in der vergangenen Zeit nicht mehr angesprochen, sondern es still beobachtet. Diese Woche war es schon dreimal geschehen; nie den ganzen Tag über, aber für ein Weilchen, manchmal für Stunden. Sie lächelte in sich hinein und griff zu ihrem Weinglas.

Neben sich hörte sie ein Räuspern, bevor er sagte: „Womöglich interessiert es Sie, dass Sie mit einer ganz anderen Theorie richtig gelegen hatten.“ Sie blickte ihn erstaunt an, so dass er erklärte: „Ich habe die letzten Hausaufgaben von Miss Beerbaum mit schwarzer Tinte korrigiert und nur für die tatsächlichen Fehler Rot benutzt.“ Hermine lächelte, hörte aber aufmerksam zu, als er schilderte: „In den letzten Tagen habe ich bemerken können, wie die Schülerin damit begonnen hat, sich freiwillig am Unterricht zu beteiligen.“
Sie verkniff es sich, so etwas zu sagen wie „Habe ich es nicht gesagt?“. Stattdessen sagte sie Respekt zollend: „Das ist wirklich schön! Freut mich besonders für die Schülerin.“ Sie nahm zufrieden zur Kenntnis, dass er ihre Anmerkung über rote Tinte nicht vergessen, sondern sich sogar zu Herzen genommen hatte. Sie fragte sich allerdings, warum er einer Schülerin zuliebe so etwas ausprobiert hatte. Vielleicht, dachte Hermine, weil er ihre Meinung Ernst genommen hatte.

„Ich überlege, ob ich Harry den Trank noch einmal verabreiche. Sie müssen sich unbedingt seine Farbe ansehen, Severus. Das war fantastisch!“, schwärmte sie freudestrahlend, doch Severus quälte sich lediglich die Andeutung eines Lächelns ab.
Auf sein Weinglas starrend entgegnete er mit leiser Stimme: „Sicherlich werden Sie mir zustimmen, dass nicht jeder, der des Zauberns mächtig ist, vorzeigbare Farben aufweisen würde.“
Für sie war es klar, dass er sich selbst meinen musste, doch sie entgegnete lediglich unverbindlich: „Das käme auf einen Test an, finden Sie nicht?“ Er schluckte hörbar und damit er sich von ihrer Anspielung nicht eingeengt fühlen würde, wechselte sie das Thema und fragte: „Hat sich schon etwas wegen Ihres neuen Zauberstabs ergeben?“
Er schüttelte den Kopf und erklärte: „Mr. Ollivander scheint nicht in der Lage zu sein, mir einen Zauberstab verkaufen zu können. Ich überlege ernsthaft, ob ich woanders einen erwerben soll. Bei ’Stock und Stab’ in Ullapool könnte ich einen bestellen; ich müsste nicht einmal vor Ort…“
Hermine unterbrach und sagte ernst: „Aber die kümmern sich doch überhaupt nicht darum, ob der Zauberstab zum Kunden passt oder nicht. Bitte, Severus, versuchen Sie es weiterhin bei Ollivanders. Es wäre doch schade, wenn Sie durch einen Stab, der nicht für Sie geschaffen ist, Einbußen Ihrer Magie erleiden würden. Ich würde gern mal mitkommen und mit Mr. Ollivander reden.“ Hier schaute sie Severus verdutzt an, so dass sie ehrlich wiederholte: „Wirklich! Ich möchte mal mit Ihnen in die Winkelgasse gehen.“ Ein kurzes Nicken zeigte seine Zustimmung.

Der Hund, der die ganze Zeit auf einer Decke in der Nähe des Kamins gedöst hatte, kam mit dem Schwanz wedelnd zu den beiden hinübergelaufen und ließ sich erst von Severus, dann von Hermine am Kopf tätscheln. Unerwartet sprang er auf die Couch direkt neben Hermine, die daher etwas näher an Severus heranrutschte. Als Harry auch noch seinen Kopf auf Hermines Oberschenkel legte, schimpfte Severus: „Nicht, Harry! Aus!“
„Nein, ist schon gut. Es macht mir nichts aus“, versicherte Hermine mit ruhiger Stimme, während sie bereits ein Ohr des Hundes knetete. Severus entspannte sich wieder und ließ den Hund gewähren. Neugierig fragte sie nach einem Moment: „Warum haben Sie den Hund eigentlich ’Harry’ genannt?“
„Ich war nie gut darin, mir Namen auszudenken. In dem Moment, als Harry mich besucht hatte und er mich fragte, wie der Hund heißen würde, habe ich einfach seinen Namen gewählt, um eine Antwort geben zu können“, erklärte er etwas gelangweilt.
„Hatten Sie schon mal ein Haustier? Als Kind vielleicht?“, wollte sie wissen.
„Meine Mutter hatte mir mal zwei kleine Katzen zum Geschenk gemacht, die der Nachbar ansonsten ersäuft hätte“, erwiderte er kühl.
„Wie haben Sie die beiden genannt oder hat Ihre Mutter…“
Er ließ sie nicht aussprechen und antwortete: „Sie hießen ’Kater’ und ’Katze’.“ Als er bemerkte, dass sie wegen der Namen lächeln musste, erklärte er schelmisch: „Ich sagte doch, dass ich nie gut darin gewesen war, mir Namen für Tiere auszudenken.“ Er grinste einen kurzen Augenblick, bevor er wissen wollte: „Haben Sie dem Kniesel schon einen Namen gegeben?“
„Nein, mir will einfach keiner einfallen“, erwiderte sie.
„Nennen Sie ihn doch einfach ’Kniesel’. Ich denke nicht, dass es ihm etwas ausmachen würde“, schlug er vorgetäuscht ernst vor, weswegen sie lachen musste. „Sie besaßen doch während der Schulzeit einen Knieselmischling, wenn ich mich recht entsinne. Wie hieß der?“, fragte er interessiert.
„Der hieß ’Krummbein’; war schon zwölf Jahre alt, als ich ihn gekauft hatte. Er ist nur achtzehn Jahre alt geworden“, sagte sie mit etwas Wehmut. „Aber er war ein wirklich schlauer Kater. Er konnte Krätze von Anfang an nicht ausstehen und am Ende wussten wir ja, warum das so gewesen war.“
„Sie meinen Pettigrew“, stellte er ganz richtig fest, so dass sie lediglich nickte. Er trank sein ganzes Glas Wein leer, bevor er mit leiser, zitternder Stimme aufgrund dieser Assoziation heraus erklärte: „Pettigrew als Geheimniswahrer hatte auf einem Treffen des Dunklen Lords alle Anwesenden über den Aufenthaltsort von Harrys Eltern informiert, aber Voldemort hatte zunächst nichts unternommen. Ich dachte, er würde…“ Severus stockte und Hermine bemerkte, dass seine Hände zitterten, doch er erzählte weiter: „Ich dachte, Voldemort würde der unvollständigen Prophezeiung keinerlei Bedeutung beimessen. Ich selbst habe sie für Unfug gehalten.“

Für eine ganze Weile sagte keiner von beiden ein Wort, aber weder Severus noch Hermine wollte den Abend enden lassen, so dass sie, um die Stille zu durchbrechen, wieder das tat, was sie am besten konnte: reden.

„Es ist bald Halloween“, warf sie völlig zusammenhanglos ein.
Er stöhnte genervt und entgegnete schlicht: „Ich finde dieses Fest abscheulich.“
Ohne auf seine Ablehnung einzugehen erzählte sie fröhlich: „Ich finde das lustig. Als Kind hat es mir schon Spaß gemacht mich zu verkleiden und hier, mit der Möglichkeit der magischen Kostümierung, die um einiges perfekter ist als in der Muggelwelt, da macht es mir noch viel mehr Spaß.“
„Ich habe nie Freude daran gefunden mich zu maskieren“, sagte er gelangweilt.
Sie traute ihren Ohren kaum. Er trug doch ständig seine Maske, um sein wahres Ich zu verbergen und so sagte sie halb aus Spaß, halb aus dem Drang heraus, ihn provozieren zu wollen: „Oh, jetzt lügen sie aber!“
„Was fällt Ihnen ein?“ Er klang sehr erbost, so dass sie erschrocken zusammenfuhr. Mit einem seiner bösartigen Ausbrüche hatte sie wirklich nicht gerechnet, doch Angst vor ihm hatte sie nicht.
Sie legte eine Hand auf seinen Unterarm und sagte mit warmer Stimme: „Ich hab es doch nicht so gemeint.“ Es waren weniger ihre Worte, die ihn zähmten, sondern ihre Hand, die er ungläubig anblickte, bevor er sich dazu entschloss, nicht mehr gereizt zu reagieren.

Er schenkte noch etwas Wein nach und reichte ihr das Glas und als sie es mit beiden Händen entgegennahm, streiften ihre Finger unbeabsichtigt die seinen und schnell zog er die eigenen weg, als hätte er sich verbrannt.

„Warum mögen Sie Halloween nicht? Bestimmt nicht, weil man sich verkleidet oder?“, fragte sie mit netter Stimme.

Ein Blick zur Seite ließ deutlich erkennen, dass Severus sich mit einem Male völlig verspannt hatte. Innig hoffte sie, nicht nochmals in ein Fettnäpfchen getreten zu sein, doch da er nicht zornig reagierte, sondern gar nicht, ahnte sie, dass sie traurige Erinnerungen wachgerufen haben musste und dann, ganz plötzlich, kam die Erkenntnis über sie. An Halloween im Jahre 1981 waren Harrys Eltern von Voldemort ermordet worden. Diese Erinnerung hatte sie wirklich nicht in ihm wachrufen wollen und schnell überlegte sie, mit welchem harmlosen Thema sie die Situation retten konnte, da sagte er plötzlich mit gebrochener Stimme: „An einem Abend an Halloween habe ich einen schweren Verlust erlitten. Das ist der Grund, warum ich dieses Fest unerträglich finde. Ich kann mir selbst nicht einmal vorgaukeln, es wäre ein normaler Tag; durch die ganze Dekoration…“
„Es tut mir so Leid, Severus. Ich wollte wirklich nicht…“, sagte sie innehaltend, denn ihr war nicht danach, mit Worten zu trösten und so legte sie erneut ihre Hand auf seinen Unterarm und drückte einmal beschwichtigen zu. Für nur einen kurzen Moment legte er seine andere Hand auf ihre, doch dann, völlig unvorhersehbar, griff er mit derselben Hand nach seinem Weinglas und wie er sich so nach vorn zum Tisch beugte, verlor ihre Hand den Kontakt zu ihm.
Nachdem er einen Schluck genommen hatte, sagte er mit festerer Stimme, ohne Hermine jedoch anzusehen: „Wenn Sie sich so gern zu Halloween verkleiden, warum wählen Sie diesmal nicht das Kostüm eines Einhorns?“

Für einen kurzen Moment war Hermine perplex und gerade, als sie sich gefangen hatte und auf diese Anspielung etwas erwidern wollte, trat Harry ohne zu Klopfen in Severus Wohnzimmer ein. Als er die beiden zusammen auf der Couch erblickte, hielt er abrupt inne und ärgerte sich, dass er diesen Zeitpunkt für seinen Besuch gewählt hatte.

Reumütig fragte er: „Ich störe doch hoffentlich nicht?“
„Nein“, kam von Severus unverzüglich, „Sie stören nicht. Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Harry?“
Harry schloss die Tür hinter sich und setzte sich auf einen Sessel, der seitlich neben der Couch in Severus’ Nähe stand, bevor er sagte: „Ich habe da ein kleines Problem…“
„Können Sie jemanden nicht sehen?“, fragte Severus sofort sehr interessiert, doch Harry schüttelte den Kopf.
„Nein, etwas anderes. Kommt ihr beide kurz mit zu mir?“, bat Harry mit hoffnungsvoller Miene.
„Warum? Weil Ihr Wortschatz nicht dazu ausreicht, uns Ihre Problematik zu schildern?“, fragte Severus amüsiert, doch Harry sah wie üblich über jede spitze Bemerkungen hinweg.
„Fawkes ist wieder da“, offenbarte Harry.
Hermine war die Erste, die sagte: „Oh, da wird sich Albus aber freuen!“
Den Kopf schüttelnd hielt Harry dagegen: „Nein, das glaube ich weniger.“
„Warum…“, sagte Hermine innehaltend, denn Harry rückte gleich mit der Sprach raus.
„Er ist zu mir gekommen. Fawkes ist in meinem Wohnzimmer und er will nicht woanders hin“, erklärte er.
Mit einer hochgezogenen Augenbraue fragte Severus: „Haben Sie Albus darüber schon informiert?“
„Ich wollte“, gab Harry zu, „aber er ist nicht da. Minerva ist auch nicht da und Remus oder Arthur konnte ich auch nicht erreichen, was mich glauben lässt…“
Severus führte den Gedanken zu Ende: „…dass gerade ein Treffen des Phönixordens stattfindet.“ Harry konnte nur nicken, bis er letztendlich den Kopf hängen ließ.
„Warum so niedergeschlagen, Harry?“, fragte Severus mit Unverständnis in der Stimme.
„Ich weiß nicht, warum Fawkes zu mir gekommen ist. Ich will Albus nichts wegnehmen und…“
„Harry“, unterbrach Hermine, „du kannst einen Phönix nicht einfach jemandem ’wegnehmen’; er bleibt aus freien Stücken bei einem Menschen. Wenn er bei dir bleiben will, kann Albus dir gar nichts vorwerfen.“
Trotz der beruhigenden und erklärenden Worte fühlte Harry sich schlecht. Fawkes gehörte zu Albus und nicht zu ihm. „Aber ich habe schon einen Vogel!“, sagte er unüberlegt in den Raum hinein, während er an Hedwig dachte.
„Das, Harry, brauchen Sie nun wirklich niemandem extra mitzuteilen“, stellte Severus sehr trocken und dennoch belustigt fest. Harry kniff daraufhin schmollend den Mund zusammen.

Im Grimmauldplatz Nr.12 fand das Treffen des Phönixordens statt, welches Arthur einberufen hatte. Er hatte von seiner Besprechung mit dem anderen Minister erzählt und von den Verhören mit Pablo Abello und Oliver Shunpike. Minerva hatte sich erschrocken eine Hand über die dünnen Lippen gelegt, nachdem Arthur berichtet hatte, dass die Hexenjäger wüssten, wo Hogwarts liegen würde.

Albus richtete das Wort an alle und sagte: „Um Hogwarts und seinen Schutz brauchen wir uns nicht zu sorgen. Selbst, wenn ein Squib unsere Schule sehen kann, wird es für Muggel unmöglich…“
Das erste Mal in seinem Leben nahm Remus all seinen Mut zusammen, um Albus zu unterbrechen, denn er sagte: „Miss Adair ist ein Muggel und konnte Hogwarts sogar betreten!“

Alle Augen waren auf Remus gerichtet, weil er völlig untypisch für seinen Charakter nicht nur Albus unterbrochen, sondern ihn auch auf dessen Irrtum hingewiesen hatte.

Minerva schaltete sich ein und stimmte ihm zu: „Remus hat Recht, Albus. Warum Miss Adair die Schule sehen und auch betreten konnte, haben wir nie klären können. Wir dürfen nicht ausschließen, dass andere Muggel durch denselben, unergründbaren Weg Zutritt ins Schloss erlangen.“
„Ich bin sicher, dass Miss Adair lediglich durch den mitgeführten Zauberstab des jungen Mr. Malfoy Eintritt erhalten hat“, sagte Albus beschwichtigend.
Jetzt schaltete sich Arthur ein, denn er sagte: „Wenn du damit Recht haben solltest, Albus, dann würde jeder Muggel mit einem Zauberstab in der Hand Hogwarts sehen und betreten können.“ Bevor Albus dagegenhalten konnte, dass kaum ein weiterer Muggel über einen Zauberstab verfügen würde, erklärte Arthur: „Wir haben etliche Zauberer und Hexen tot aufgefunden und keines der Opfer konnte durch den eigenen Zauberstab identifiziert werden, denn der ist nie gefunden worden. Wir wissen, wie Kingsley bestätigen wird, von mindestens fünfundneunzig Zauberstäben, die abhanden gekommen sind. Sie wurden einfach nicht bei den Opfern gefunden, Albus. Als Minister möchte ich nicht riskieren, dass fünfundneunzig wahnsinnige Muggel Hogwarts stürmen und mit ihren abscheulichen Waffen ein Blutbad an Kindern anrichten!“
Albus blickte ihn einen Moment lang ohne jegliches Zwinkern in den Augen an, bevor er tief ein- und ausatmete und gleich darauf fragte: „Willst du damit sagen, dass Hogwarts tatsächlich geschlossen werden muss? Die Schule hat erst vor eineinhalb Monaten begonnen, Arthur. Glaubst du, Hogwarts’ Schutzwälle würden keine Feinde abhalten können? Sie haben es selbst Todessern schwer gemacht.“
„Aber wir haben es nicht mit Todessern zu tun, Albus. Wir haben es mit Menschen zu tun, deren Waffen nicht nur wirkungsvoll, sondern uns auch – und das ist das Schlimmste – teilweise völlig unbekannt sind. Wir dürfen einfach kein Risiko eingehen!“, sagte Arthur bestimmend.
„Es würde die magische Gesellschaft schwächen, wenn die Kinder wieder nicht darin unterrichtet werden können, ihre Magie richtig anzuwenden. Ich kann die Schule nicht schließen!“, sagte Albus tonangebend.
„Das müssen wir auch nicht“, sagte eine bedächtige Stimme. Kingsley hatte wieder etwas Ruhe in die Unterhaltung gebracht und er sagte: „Es reicht, wenn die Schutzwälle um Hogwarts herum ausgeweitet werden, damit man frühzeitig darüber in Kenntnis gesetzt wird, falls sich jemand der Schule nähern sollte. Ich möchte auch vorschlagen, dass mindestens einer von uns für unbestimmte Zeit nach Hogsmeade zieht, um die gesamte Gegend im Auge zu behalten. Außerdem sollten alle Lehrer darüber informiert werden, dass die Möglichkeit einer Gefahr durch diese Muggelsekte besteht. Sorge dafür, Albus, dass alle Schüler, besonders die Erstklässler, sämtliche Schutz- und Tarnzauber so schnell wie möglich beherrschen.“

Albus stimmte dem Vorschlag zu und es verwunderte niemanden, dass Remus sich sofort freiwillig gemeldet hatte, um in Hogsmeade bei Madam Rosmerta unterzukommen. Die meisten gingen davon aus, er hätte sich für die Aufgabe gemeldet, weil er es schlichtweg für seine Pflicht halten würde. Nur Tonks, Arthur und Molly wussten, dass er seit langer Zeit keine Anstellung mehr bekommen hatte und er seine kleine Wohnung über der Bäckerei höchstens noch zwei Monate zu halten vermochte, bevor man ihn auf die Straße setzen würde.

Nachdem sich alle vor dem Grimmauldplatz verabschiedet hatten und niemand mehr in Sicht war, nahm Albus Minervas Hand in die seine und schlenderte mit ihr zusammen ein wenig die dunkle Straße hinunter, bevor sie vor die Tore von Hogwarts apparierten. Der Spaziergang über die schuleigenen Ländereien schien für beide eine willkommene und entspannende Abwechslung zu sein.

Eine ganze Weile liefen sie Hand in Hand still nebeneinander her, bis Minerva plötzlich fragte: „Wäre es nicht an der Zeit, dass du Harry, Sirius, Severus und all die anderen, die Harry dem Orden des Phönix zugeführt hatte, wieder zu den Treffen eingeladen würdest?“
„Meine liebe Minerva, glaubst du vielleicht, wir könnten die Probleme nicht alleine bewältigen?“, fragte Albus mit ruhiger Stimme zurück.
„In erster Linie liegt mir daran, vergangene Unstimmigkeiten bereinigt zu wissen, indem man den jungen Menschen zeigt, dass man sie ernst nimmt und ihnen traut, Albus. Viele Mitglieder im Orden sind nicht mehr die Jüngsten; ich will mich da nicht ausnehmen. Andere Anschauungen und jugendliche Geistesblitze könnten, besonders wenn ich an Hermine denke, den Orden bereichern. Warum sie alle weiterhin ausgrenzen, Albus, wo du mit Harry doch alles geklärt hast?“, fragte sie freiheraus. Sie drückte seine Hand ganz fest, als sie sich giftig zischend erkundigte: „Du hast doch mit Harry alles geklärt, Albus?“
„Ja, natürlich habe ich das, Minerva. Ich habe dem Jungen Unrecht getan und ihm erklärt, warum ich so von ihm gedacht hatte. Manchmal frage ich mich, ob ich nicht viel zu früh von meinen Zweifeln ihm gegenüber abgelassen habe“, sagte er. Bevor Minerva ihm für diese Bemerkung den Kopf waschen würde, fügte er schnell hinzu: „Aber dann erinnere ich mich an das, was ich gespürt habe, als er so dicht bei mir war. Er ist mächtig, Minerva. Viel mächtiger als ich, aber das muss er nicht erfahren.“
„Harry ist aber auch viel selbstloser als du, Albus“, warf sie ihm vor und es fiel ihm kein stichhaltiges Argument ein, um ihre Bemerkung zu widerlegen und so küsste er einfach ihren Handrücken.

Nachdem die beiden Hogwarts betreten hatten, trafen sie im Erdgeschoss auf Severus und Hermine, die gerade Harrys Räume verlassen hatten.

„Albus, Minerva! Kommen Sie gerade vom ’Club’?“, fragte Severus stichelnd.
Von dieser Bemerkung ließ sich Albus nicht verärgern und so antwortete er scherzend: „Ganz Recht, mein Freund. Wir haben gerade eben darüber geredet, einigen ehemaligen ’Clubmitgliedern’ eine erneute Mitgliedschaft zu gewähren.“
„Oh tatsächlich? Wie kommen diese Ehemaligen plötzlich zu dieser Ehre, wo sie doch offensichtlich gegen ’Vereinsregeln’ verstoßen haben müssen, weil man sie mir nichts, dir nichts einfach ihrer Zugehörigkeit beraubt hatte?“, fragte Severus zurück.
Hermine hatte genug von dem heimlichen Gezeter und sagte an Albus gerichtet: „Sie sollten mal zu Harry reingehen, Albus. Es wird Sie sicherlich freuen.“

Albus folgte dem Rat und klopfte bei Harry, der sogleich öffnete und offensichtlich nicht mit vier Gästen gerechnet hatte, denn ihm stand einen Moment lang der Mund offen, bevor er jedoch endlich grüßte: „Guten Abend, Sir, guten Abend Minerva.“ Er bat die vier hinein, denn Severus und Hermine wollten es sich nicht nehmen lassen, Albus’ Reaktion auf Fawkes zu erleben.

„Ich habe Sie heute schon gesucht, Albus. Es geht um Fawkes“, erklärte Harry.
„Um Fawkes sagst du? Hast du ihn gesehen? Ist er etwa wieder in meinem Büro?“, fragte Albus fröhlich und mit vor Vorfreude funkelnden Augen.
„Nein, er ist…“

Ein wohl bekannter, herzerwärmender Gesang drang an Albus’ Ohren, als Fawkes zusammen mit Hedwig aus Harrys Schlafzimmer geflogen kam und beide auf der Rückenlehne der Couch landeten. Für nur einen kurzen Moment erkannte Harry Enttäuschung und Wehmut in Albus’ Gesicht, doch der Direktor schien alle schlechten Gedanken von sich abzuschütteln. Albus fasste sich ans Herz und näherte sich Fawkes, bevor er ihn mit den warmen, aufrichtigen Worten begrüßte: „Mein guter, lieber Freund, bist du endlich wieder in Hogwarts. Ich freue mich so sehr dich wiederzusehen, Fawkes.“ Die lebendig funkelnden Augen des Direktors füllten sich mit Tränen, doch keine von ihnen ließ er fallen. Er trat einen weiteren Schritt an den Phönix heran und streckte seine Hand aus, um das scharlachrote Gefieder zu liebkosen und der Feuervogel gurrte vor lauter Wonne.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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CaRo94
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Beitrag von CaRo94 »

Hey Muggelchen. :)

Interessant, dass mit Fawkes! Ich bin mal gespannt, ob er wieder zu Albus zurückkehrt. ;)

Und ich hoffe ja immer noch da drauf, dass Severus den Farbtrank einnehmen wird. Ich denke, dass Hermine ihn schon irgendwie überredet bekommt. xD

Was den Zauberstab von severus angeht, hoffe ich doch mal, dass er möglichst bald einen neuen, guten Zauberstab bekommt. Was da los ist, interessiert mich auch enorm. :P

Im Moment verfolge ich eigentlich alle deine verschiedenen Handlungsstränge mit viel Interesse und freu mich total auf die Fortsetzung... :)

Mit gaaaanz lieben und freundlich Grüßen
Caro <3
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"Oft?"
"Wie oft genau ist >oft<?"

Sentara Snape
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Beitrag von Sentara Snape »

Hallo Muggelchen

Ja wie immer eine tolle Geschichte.
Ich ärgere mich über Albus. Offensichtlich ist es ziemlich halbherzig von ihm. Minerva hat völlig recht.
Die Sache mit dem Zauberstab von Severus habe ich mir auch überlegt. Ich denke, dass der Zauberstab kaputt ist hat einen Grund und das hängt nicht nur damit zusammen, dass Harry sich draufgesetzt hat.
Vieleicht würde seine Magie sich ja verdoppeln oder verstärken, wenn er sich endlich zu sich selbst bekennen würde. Der Stab passte offensichtlich nicht mehr zu ihm, deshalb ist er zerbrochen. Ich denke Olivander hat das klar und deutlich gesagt. ..."Kommen sie wieder ,wenn sie mehr Farbe haben..." Ich glaube so war die Aussage von Olivander oder so ähnlich??
Ich bin gespannt, was du daraus machst.
Liebe Grüsse^^ :smile:

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Muggelchen
EuleEule
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Beitrag von Muggelchen »

Hi Caro,

Fawkes wird noch eine kleine Rolle spielen, denn es hat einen Grund, warum er bei Harry bleiben möchte.
Irgendwann wird Severus sich bestimmt bereit erklären, den Farbtrank zu nehmen oder es könnte auch etwas Unvorhergesehenes geschehen. Was seinen Zauberstab betrifft, da scheint Ollivander wirklich mal eine Herausforderung in Severus zu sehen. Aber lange wird er nicht ohne Stab bleiben.
Das freut mich, dass dir alle Handlungsstränge gefallen ^^

Hallo Sentara Snape,

nicht über Albus Ärgern. ;) Er wird noch einmal kurz mit Harry sprechen. Dass Fawkes nicht zu ihm zurückkehrt, hat mit seinem Verhalten Harry gegenüber nichts zu tun, aber das kommt gaaanz am Ende.
Eine gute Überlegung, dass der Zauberstab nicht nur kaputt ist, weil er einen Knick hat. Ollivander scheint da ein ganz anderes Problem zu sehen. Severus hat sich in letzter Zeit sehr verändert. Sein alter Stab passt wirklich nicht, aber Ollivander steht nun vor der Herausforderung, einen passenden für ihn zu machen. Die Aufforderung "Kommen Sie wieder, wenn Sie mehr Farbe haben" kann seltsamer nicht sein, aber er ist ja ein Meister seines Fachs und wird das schon hinbekommen.

Liebe Grüße,
Muggelchen




094 Mein Schicksal in meiner Hand




„Schwester Marie?“, fragte Lucius leise, nachdem er erwacht war und einen Schatten im Krankenzimmer bemerkt hatte, der ihre Größe besaß und ein weißes Häubchen zu tragen schien.
Er hörte plötzlich einige Männerstimmen von Personen, die ihn jedoch nicht gehört zu haben schienen. Dann hörte er, wie Marie mit ihren weichen Schuhen zu ihm eilte und gleich darauf vernahm er ihre gedämpfte Stimme recht hastig sagen: „Es ist alles in Ordnung, Mr. Malfoy. Bitte sein Sie still. Es sind Leute vom Ministerium hier.“
„Vom Ministerium? Ist Miss Bones dabei?“, fragte er flüsternd.

Da der Minister und Shacklebolt ihn schon länger nicht mehr aufgesucht hatte, befürchtete er, sie hätten keine Verwendung mehr für seine Informationen, was ihm Miss Bones sicherlich bestätigen könnte.

„Nein, Sie ist nicht hier“, erwiderte Schwester Marie, bevor sie vom anderen Bett aus von einem Mann herbeigerufen wurde.
„Wann genau ist der Patient noch einmal eingeliefert worden, Schwester? Ach, am besten kopieren Sie mir die gesamte Krankenakte für meinen Bericht! Und eine Frage hätte ich noch bezüglich der ganzen Narben hier am Rumpf und an den Armen; vom Gesicht ganz zu schweigen. Waren all diese Verletzungen frisch, als er eingeliefert worden war oder waren einige von ihnen schon älter? Besonders diese hier“, fragte eine Stimme, die Lucius vertraut vorkam. Wenn er sich nicht irren sollte, gehörte diese Stimme dem Auror Dawlish.
„Ich kopiere Ihnen gern die Akte, denn da steht alles sehr präzise drin, aber wollen Sie nicht auch ein Wörtchen mit Professor Puddle wechseln? Ich könnte ihn holen, er hat heute Nachtschicht“, hörte er Marie sagen.
„Nein, nicht notwendig. Ich habe gesehen, was ich sehen wollte. Kopieren Sie uns die Akten!“, sagte Dawlish recht barsch und gleich darauf bemerkte Lucius, dass die Männer das Zimmer wieder verließen. Es musste mitten in der Nacht sein, denn andere Geräusche konnte er nicht vernehmen. An Schlaf war gar nicht mehr zu denken. Lucius fragte sich, warum sich ein Auror plötzlich um seinen Zimmergenossen kümmerte, wo der doch monatelang von keiner Menschenseele Besuch erhalten hatte.

Eine Stunde später hörte Lucius erneut die Tür und wie er es fast schon geahnt hatte, kam Schwester Marie an sein Bett.

„Ich bin wach, Marie. Sagen Sie mir, was…“
Sie unterbrach ihn und erklärte etwas aufgeregt: „Die sind völlig unangemeldet gekommen und wollten ihn sehen. Ich musste eben die Krankenakte kopieren. Besonders seinen linken Unterarm haben sie sich angesehen. Ob er…“
Dieses Mal fiel Lucius ihr ins Wort: „Diese Männer glauben, er wäre ein Todesser? Das kann ich nicht glauben! Die waren doch alle beim letzten Kampf dabei – alle, die der Dunkle Lord mit dem Mal hatte erreichen können. Es waren sehr wenige, die an diesem Tage fliehen konnten. Wer… Ich kann mir nicht vorstellen, um welchen Todesser es sich handeln könnte. Ich kenne doch alle!“
„Er schien den Männern nicht bekannt zu sein. Ich halte es nur für ein Gerücht. Dieser Mr. Dawlish machte den Eindruck, als wollte er nur sichergehen, dass niemand ihm entwischt“, sagte Schwester Marie.
„Ja, das kann ich mir bei Dawlish sehr gut vorstellen“, bestätigte Lucius mit Abscheu in der Stimme. Dawlish war zu 150% dem Ministerium treu und führte alle Befehle, ohne sie in Frage zu stellen, loyal und pflichtbewusst aus oder arbeitete auf eigene Faust, um sich wieder einmal in ein gutes Licht rücken zu können. „Schwester Marie“, fragte Lucius, „wäre es zu viel von Ihnen verlangt, wenn Sie Miss Bones eine Nachricht von mir überbringen würden?“
„Sicher kann ich das tun, Mr. Malfoy. Miss Bones ist die direkte Ansprechpartnerin im Ministerium, wenn es um Sie geht“, erklärte Marie. „Was kann ich Ihr ausrichten?“
Lucius atmete einmal tief aus und wieder ein, bevor er mit fester Stimme sagte: „Ich will, dass Sie mich besucht!“
„Das ließe sich machen, aber jetzt schlafen Sie ruhig noch ein paar Stunden. Es ist erst halb drei mitten in der Nacht“, sagte sie flüsternd, so dass er lediglich nickte und ihr eine stressfreie Nachtschicht wünschte.

Während um sechs Uhr nachts alle Patienten fest schliefen, fand der Schichtwechsel auf der Station statt. Professor Puddle richtete das Wort an die Heiler und wenigen Schwestern und Pfleger und nannte zu jedem Patienten erwähnenswerte Details, wenn es etwas zu berichten gab. In Bezug auf den Patienten Malfoy, der vom Personal – Schwester Marie ausgenommen – den Spitznamen „Der Blonde“ erhalten hatte, sagte Professor Puddle: „Für diejenigen, die es noch nicht wissen“, er blickte zwei braungebrannte Heilerinnen an, die gerade aus dem Urlaub gekommen waren, „bei Mr. Malfoy hat vor wenigen Tagen die Behandlung mit dem Spendermaterial begonnen. Er wird zweimal täglich ins Behandlungszimmer gebracht. Sollte er auf dreimal täglich pochen, ignorieren Sie es einfach.“

Nach dem Schichtwechsel und dem Beginn ihres Feierabends sagte Marie zu Professor Puddle: „Sir, Mr. Malfoy hat darum gebeten, Miss Bones vom Ministerium zu kontaktieren. Er wünscht eine Unterred...“
„Ich habe jetzt Feierabend, Miss Amabilis. Mr. Malfoy wird sich gedulden müssen“, unterbrach der Professor gereizt. Er hatte zwei Schichten hintereinander arbeiten müssen und Marie war ihm daher aufgrund seiner grantigen Art nicht böse.

Zuhause angelangt fütterte Marie zunächst ihre vier schwarzgelben Kanarienvögel, bevor sie sich ihres Umhangs entledigte und sich vor den Kamin hockte. Es dauerte über zehn Minuten, da hatte sie eine Verbindung zu Mrs. Dainty, der Vorzimmerdame von Miss Bones, aufgebaut.

„Guten Morgen, mein Name ist Miss Amabilis und ich möchte bitte dringend eine Nachricht an Miss Bones weiterreichen“, sagte Marie etwas aufgeregt, denn sie hatte selten Kontakt zu hohen Stellen.
„Miss Amabilis, sagen Sie? Um was genau geht es denn?“, fragte Mrs. Dainty zurück.
„Es geht um Mr. Malfoy; Mr. Malfoy senior. Er bittet um ein Gespräch mit Miss Bones“, gab Marie gewissenhaft weiter.
Mrs. Dainty zog die Augenbrauen zusammen und fragte skeptisch: „Mr. Malfoy senior? Wie…“
„Oh, ich hätte es erwähnen sollen. Ich bin Schwester im St. Mungo-Hospital und…“
„Warten Sie bitte, Miss Amabilis, ich denke, Miss Bones möchte mit Ihnen persönlich reden!“

Schon war Marie in der Warteschlange des Flohnetzwerkes angelangt. Von ihrer Mutter wusste sie, dass so etwas auch in der Muggelwelt gängig war.

Plötzlich meldete sich Miss Bones: „Miss Amabilis? Schwester Marie!“ Die beiden Frauen lächelten sich zur Begrüßung an, bevor Marie ihre Nachricht von Mr. Malfoy weitergab. Miss Bones fragte nach: „Mr. Malfoy bittet um ein Gespräch mit mir? Gibt es einen bestimmten Grund oder…“
Da Miss Bones verstummte, sagte Marie: „Heute Nacht waren einige Männer aus dem Ministerium in Mr. Malfoys Krankenzimmer, um den nicht identifizierten Patienten zu begutachten, Miss Bones. Vielleicht möchte er deshalb mit Ihnen reden?“
„Wie bitte?“, fragte Miss Bones völlig irritiert nach. „Es waren heute Nacht Leute aus dem Ministerium im Hospital?“
„Ja“, gab Marie unsicher und knapp als Antwort.
„Sind Namen gefallen? Haben die sich Ihnen vorgestellt?“, fragte Miss Bones besorgt klingend.
„Ja, einer von ihnen hieß Dawlish“, erwiderte Marie.

Für einen Moment schien es ihrer Gesprächspartnerin die Sprache verschlagen zu haben.

Als Miss Bones wieder klare Gedanken fassen konnte, fragte sie: „Hat Mr. Malfoy gesagt, warum er ein Gespräch mit mir wünscht?“
„Nein, aber ich denke, es ist vielleicht deswegen, weil man seinen Zimmergenossen möglicherweise für einen Todesser hält, aber das ist nur eine Vermutung, Miss Bones. Mr. Malfoy hat nur gesagt, er würde gern, dass Sie ihn besuchen.“
„Ja, Miss Amabilis. Ich danke Ihnen für die Nachricht. Einen Termin kann ich nicht ausmachen, aber ich werde kommen, sobald ich die Zeit finde. Ich danke Ihnen vielmals“, sagte Miss Bones, bevor sie sich verabschiedete und Marie sich endlich für ihre „Nachtruhe“ fertigmachen konnte.

Susan marschierte sofort ins Arthurs Büro und sie wartete geduldig, bis der Minister einige Aufgaben an Tonks und Kingsley weitergegeben hatte. Tonks verabschiedete sich alsbald und rannte beim Hinausgehen versehentlich gegen den Türrahmen, doch Kingsley blieb noch im Büro, während Arthur bereits grüßte: „Susan, guten Morgen! Was gibt’s für Neuigkeiten?“
„Mr. Malfoy wünscht mich zu sehen, Arthur“, sagte sie mit bebender Stimme. „Ich habe eben einen Ruf übers Flohnetz erhalten. Miss Amabilis, eine der Schwestern, hat mir eben erzählt, dass Dawlish und weitere Männer aus dem Ministerium in der vergangenen Nacht den bisher unbekannten Patienten aufgesucht hätten und er eine Kopie seiner Krankenakte verlangt hätte“, erklärte Susan.
Kingsley fragte ungläubig nach: „Dawlish soll heute Nacht dort gewesen sein?“ Susan nickte.
Arthur blickte die junge Frau einen Moment lang an, gleich darauf Kingsley, bevor er fragte: „Hat er von irgendjemandem einen Auftrag erhalten?“
„Von mir nicht“, versicherte Kingsley und Susan schloss sich ihm an.
„Gut“, sagte Arthur, „Kingsley, du kümmerst dich bitte um Dawlish und fragst, was seine nächtliche Geheimnistuerei sollte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er eines unserer ’faulen Eier’ im Ministerium sein soll.“
„Warten Sie!“, sagte Susan, bevor Kingsley das Büro verlassen konnte. „Schwester Marie hatte gesagt, dass Dawlish glauben würde, der Unbekannte in Malfoys Zimmer wäre ein Todesser. Ich glaube, deshalb möchte Malfoy mit mir reden. Vielleicht kann er etwas darüber erzählen? Er wird wieder um etwas Hafterlass handeln wollen, aber ich weiß nicht, wie ich ihm gegenübertreten soll. Ich meine, Draco und ich…“ Sie verstummte.

Alle drei dachten angestrengt nach und Kingsley war der Erste, der einen Vorschlag unterbreitete.
„Wer könnte einen Todesser wohl identifizieren?“, fragte er.
Sofort antwortete Arthur: „Severus!“
„Richtig! Wenn der Unbekannte in Malfoys Zimmer ein Todesser sein sollte, dann würde er ihn kennen, wenn der Patient nicht gerade in den fünf Jahren, in denen Severus mit dem jungen Mr. Malfoy ’auf Reisen’ gewesen war, das dunkle Mal empfangen haben sollte. Es wäre einen Versuch wert.“
Arthur wollte diese Angelegenheit so schnell wie möglich erledigt wissen, so dass er Susan auftrug: „Besuchen Sie Professor Dumbledore und teilen Sie ihm mit, dass wir Severus sofort benötigen. Ich will auf der Stelle eine Antwort darauf, ob Severus den Mann kennt oder nicht. Susan, Sie werden mit ihm ins Hospital gehen. Reden Sie auch ruhig mit Mr. Malfoy. Ich bin mir sicher, dass er Ihnen gegenüber zurückhaltender auftreten wird, wenn sein ’alter Freund’ bei Ihnen ist!“
„Aber…“
„Susan, bitte!“, bat Arthur mit Nachdruck und sie nickte resignierend.

Im Büro des Direktors erreichte Susan niemanden, weshalb sie die stellvertretende Schulleiterin anflohte, die glücklicherweise anzutreffen war.

„Miss Bones“, grüßte Professor McGonagall. Nachdem Susan erklärt hatte, weswegen sie mit Professor Dumbledore reden müsste, sagte die betagte Lehrerin: „Oh, das tut mir Leid, Miss Bones. Der Direktor ist gerade nicht im Haus, aber kommen Sie doch bitte in mein Büro.“

Kaum stand die einstige Schülerin aus Hufflepuff in Professor McGonagalls Büro, gab sie Susans Bitte mit ihren eigenen Worten wider: „Sie möchten den Schülern also Professor Snape entreißen, ja? Nun, die Schüler werden sicherlich nichts dagegen haben, aber Professor Snape lässt sich ungern während seiner Arbeit stören. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass er bei gewichtigen Anliegen umgänglich reagieren wird. Möchten Sie, dass ich ihn für Sie aus der Klasse hole?“
Vor ihrer ehemaligen Lehrerin wollte sie sich nicht die Blöße geben, das Angebot feige anzunehmen, weshalb sie antwortete: „Nein danke, ich schaffe das schon. Seine Klasse ist…“
„Wie üblich, Miss Bones: in den Kerkern. In den Räumen, in denen Sie schon unterrichtet worden waren“, vervollständigte Professor McGonagall und Susan machte sich sofort auf den Weg.

Vor der Klasse angekommen lauschte sie und sie vernahm die tiefe, leise Stimme, die immer so bedrohlich gewirkt hatte. Jetzt war sie jedoch keine Schülerin mehr, auch wenn die Erinnerung daran, wie er sie mitten im Unterricht beim Verzehr einer Gummischlange erwischt hatte und ihr Haus deshalb um zehn Punkte erleichtert worden war, wieder in ihr aufkam. Sie durfte jetzt in seiner Gegenwart Gummischlangen essen, so viel sie wollte, dachte sie, und er konnte gar nichts dagegen tun, denn sie war ja nicht mehr seine Schülerin. Außerdem war er Dracos Patenonkel und Draco war ihr Verlobter, Vater ihres zukünftigen Kindes. Snape würde sie als Erwachsene behandeln, wenn sie jetzt an die Tür klopfen und ihn um ein paar Minuten seiner Zeit bitten würde, damit sie ihm ihr Anliegen erklären konnte. Unerklärlich war jedoch, warum sie noch immer nicht geklopft hatte. In dem Moment, als sie einen Fuß in McGonagalls Büro gesetzt, hatte sie sich wieder wie eine Schülerin gefühlt.

Susan riss sich zusammen und klopfte, bis sie seine Baritonstimme „Herein“ sagen hörte. Sie öffnete die Tür, doch entgegen ihren Erwartungen blickte keiner der Schüler sie an. Snape hatte seine Klassen noch immer voll im Griff und jeder wusste, dass Punkteabzug drohen würde, sollte man seinen Blick vom brodelnden Kessel abwenden.

Nachdem er sie angeschaut hatte, erhob er sich von seinem Platz und sagte leise zischelnd an die Schüler gerichtet, während er sich ihr bereits näherte: „Kein Geschwätz, kein Trödeln, keine Ablenkung!“ Er war hinaus auf den Flur gekommen und schloss die Tür in dem Wissen, dass seine Schüler sich an seine Anweisungen halten würden, bevor er ruhelos wirkend fragte: „Miss Bones, ist etwas geschehen?“
„Professor Snape, Arthur hat mich gebeten, Sie sofort mit ins Mungos zu nehmen. Wir vermuten, dass der Zimmergenosse von Mr. Malfoy eventuell ein Todesser sein könnte, aber wir… na ja…“
„Sie wollten daher einen Todesser bitten, den Patienten zu identifizieren“, sagte er kühl, so dass sie lediglich nickte. „Miss Bones, ich bin mitten im Unterricht. Die verwendeten Zutaten sind nicht gerade preiswert und die Kosten für sie werden, wie Sie wissen, teilweise von den Eltern der Schüler getragen und…“
All ihren Mut zusammennehmend unterbrach Susan: „Ich bestehe darauf, dass Sie mitkommen, Professor Snape, und zwar sofort!“ Sein Gesicht blieb nicht ganz emotionslos, denn beide Augenbrauen waren hinauf zum Haaransatz gewandert.
„Lassen Sie mich zumindest versuchen, kurzfristig eine Vertretung zu finden“, bat er höflich, woraufhin sie verständnisvoll nickte. Er ging nochmal kurz zurück ins Klassenzimmer und sagte: „Mr. Malfoy und Mr. Smith, Sie beide sind für einen Moment dafür verantwortlich, dass jeder Schüler mit seiner Arbeit fortfährt. Sollte jemand aus der Reihe tanzen, ist Punkteabzug und eine Strafarbeit gewiss!“
Susan hörte neben der fremden Stimme auch Draco sagen: „Ja, Sir!“

Sie folgte ihm ins Lehrerzimmer, in welchem sich Professor Sprout, Neville und ein gut aussehender, aber ihr unbekannter Lehrer aufhielten.

„Pomona, Neville“, sagte Severus grüßend. Dem Herrn, der weiter rechts saß, nickte Professor Snape zu und sagte dabei distanziert: „Professor Svelte.“
„Severus, wie können wir Ihnen… Nein, ist das etwa Miss Bones? Kommen Sie rein uns lassen Sie sich ansehen, meine Gute!“, forderte Pomona freudestrahlend, denn sie bekam selten einen ihrer ehemaligen Schüler zu Gesicht.
„Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für eine Wiedersehensfeier!“, sagte Snape schnippisch, doch Pomona ließ es sich nicht nehmen, Susans Hand zu schütteln. „Pomona, würden Sie mir einen Gefallen tun? Ich benötige eine Vertretung für Zaubertränke für die nächsten achtzig Minuten“, sagte Snape in kühlem Tonfall.
„Oh, das geht leider nicht, Severus, denn ich werde in zehn Minuten bei einem Händler erwartet, wegen der neuen Orchideen-Samen, aber vielleicht könnte Neville hier…“

Susan bemerkte, wie Neville allein bei dem Gedanken daran, seine alte Klasse für Zaubertränke aufsuchen zu müssen, ängstlich zusammenzuckte.

Pomona kam nicht dazu auszusprechen, denn Professor Svelte bot sich an: „Ich könnte Ihre Klasse übernehmen, mein lieber Kollege.“ Neville atmete erleichtert aus.
„Nein danke, Professor Svelte. Neville, wenn Sie die Freundlichkeit besäßen?“, sagte Professor Snape in einem Tonfall, der kein Widerwort zulassen wollte. Natürlich war Susan aufgefallen, dass Professor Snape zwar Neville, den privaten Schüler von Professor Sprout, beim Vornamen nannte, jedoch seinen gleichaltrigen Kollegen formell mit Nachnamen ansprach.

Nur widerwillig erhob sich Neville von seinem Platz und folgte beiden nach draußen. Auf den Weg in die Kerker fragte Neville verlegen und daher stotternd: „Ich… ähm… Was muss ich tun? Ich bin… Na ja, Sie wissen ja, dass ich nie besonders… jedenfalls nicht in Zaubertränken.“
„Sie sorgen lediglich als Autoritätsperson dafür, dass die Schüler still sind und den Anweisungen aus ihren Büchern folgen. Wenn die Tränke fertig sind, nehmen Sie die abgefüllten Proben der Schüler entgegen. Lassen Sie nach dem Unterricht bitte alles stehen und liegen, bevor noch etwas in die Luft fliegt“, erklärte Snape mit einem amüsierten Schmunzeln auf den Lippen.
„Warum nehmen Sie nicht Hermine?“, wollte Neville wissen.
„Weil sie sich den heutigen Vormittag ausgesucht hat, um ihre Garderobe etwas aufzustocken. Sie ist unterwegs“, erklärte Snape schlichtweg.

Severus erinnerte sich sehr gut daran, wie Hermine erwähnt hatte, sie würde unbedingt neue Kleidung benötigen, weil ihre alte „zerschlissen“ wäre, während Harry ihm nur wenige Minuten später unter vier Augen anvertraut hatte, dass keine ihrer Hosen mehr passen würde. Sie hatten sein Klassenzimmer erreicht und nachdem er seinen Schülern Neville als seine Vertretung vorgestellt hatte, begab er sich wieder zu Susan auf den Gang.

„Ich nehme an, wir müssen erst in Ihr Büro flohen, damit wir von Ihrem Kamin aus den direkten Weg zum Hospital nehmen können?“, fragte er neugierig.
„Nein, ich kann von überall aus direkt ins Hospital gelangen. Meine magische Signatur ist frei geschaltet“, erwiderte sie, bevor er sie in sein privates Büro brachte. Sie murmelte einen Zauberspruch, hielt ihre Zauberstab in den Kamin und sagte, während sie ihm das Flohpulver reichte: „Wir haben zwei Minuten Zeit. Nach Ihnen, Professor Snape.“

Im Hospital traten beide aus einem Kamin, der für gewöhnlichen Publikumsverkehr gesperrt war. „Wenn Sie mir folgen würden, Sir?“, bat sie höflich.

Nach etlichen Gängen, Abbiegungen und Stockwerken waren sie endlich auf entsprechender Station angelangt und plötzlich nahm Professor Snape sie zur Seite und sagte: „Miss Bones, ich möchte Ihnen wirklich nicht zu nahe treten, aber ich bin natürlich durch Draco über Ihren ’anderen Umstand’ informiert. In dieser Hinsicht frage ich mich, ob Mr. Malfoy senior davon Kenntnis hat?“
Sie schluckte und schüttelte den Kopf, bevor sie erwiderte: „Nein, er weiß nichts. Ich war lange nicht bei ihm, nachdem…“ Sie hielt inne, doch sie ahnte, dass Professor Snape wusste, was mit „nachdem“ gemeint sein würde. Sie wechselte das Thema: „Mr. Malfoy hat mir durch die Schwester ausrichten lassen, dass er mit mir sprechen möchte. Ich vermute, es geht darum, ob der Mann in seinem Zimmer wirklich ein“, sie stockte, als sie Snape anblickte, „Todesser ist oder nicht. Vielleicht will er auch wieder verhandeln. Arthur meinte, wenn Sie bei mir wären, würde sich Mr. Malfoy eventuell im Zaum halten, was seinen Umgang mit mir betrifft.“
Snape nickte ihr zu und sagte dann: „Gehen wir rein!“

Der Auror, der seit dem nächtlichen Überfall auf Mr. Malfoy stets vor der Tür Wache hielt, ließ die beiden nach der Kontrolle von Susans Zauberstab, an der er ihre Identität festmachen konnte, ins Zimmer hinein.

„Professor Puddle?“, fragte Lucius.
„Nein, Mr. Malfoy, ich bin es und…“
Er unterbrach sie und sagte in arrogantem Tonfall: „Ah, Miss Bones lässt sich endlich mal wieder blicken. Momentan scheint das Ministerium ja alles im Griff zu haben, so dass man meine…“
Susan schnitt ihm das Wort ab, um ihn über eine Sache zu unterrichten. „Professor Snape ist bei mir.“ Vielleicht, so hoffte sie, würde das seine Boshaftigkeiten etwas eindämmen.
„Severus, du hier? Wie komme ich denn zu dieser…“ Er hielt inne, bevor sich Erkenntnis in seinem Gesicht widerspiegelte. „Ah, ich denke, ich verstehe. Ein freigesprochener Todesser, der über sein uneingeschränktes Augenlicht verfügt, ist dem Ministerium bei der Aufklärung der Identität von Mr. Lethargie wichtiger als einer, der zudem noch viele, interessante Informationen liefern kann, die jedoch zu teuer scheinen“, sagte Lucius etwas enttäuscht klingend.
„Dir auch einen guten Tag, Lucius“, sagte Snape gelassen.
„Sei gegrüßt, Severus. Sag, wie geht es Narzissa? Ich vermute, du besuchst sie regelmäßig, wo sie doch in Hogwarts lebt?“, fragte Lucius neugierig.
„Narzissa geht es gut, wenn sie auch nicht mehr ganz die Frau ist, die du gewohnt sein musst, aber sie ist glücklich und wartet darauf, dich einmal sehen zu können. Einzig Sorgen bereitet mir, dass sie es nicht lassen kann, ihrer Schwester Einladungen zukommen zu lassen“, erwiderte Severus mit ruhiger Stimme.
„Ihrer Schwester? Aber Bellatrix…“ Lucius verstummte. Bellatrix war tot und konnte nicht gemeint sein. „Warum schickt sie dieser Andromeda Einladungen, Severus? Geht es Narzissa doch nicht so gut wie ich erhoffte?“
„Narzissa liegt sehr viel daran, ihre Familie beisammen zu halten, nur dass sie im Gegensatz zu früher keinen Groll mehr gegen einige Verwandte hegt, aber ich bin nicht hier, um dich zu besuchen, Lucius. Du hast schon sehr richtig erkannt, warum das Ministerium mich heute hier haben möchte“, entgegnete Severus, bevor er sich zu Miss Bones ans Bett des unbekannten Patienten stellte.

Lucius stand von seinem Bett auf und tastete sich, während er die von oben bis unten dunkel aussehende Person links als Severus erkannt hatte, ebenfalls zu seinem Zimmergenossen vor, um am Fußende des Bettes stehenzubleiben. Was Miss Bones offensichtlich nicht vernommen hatte, war für Lucius so laut gewesen, dass er es ansprechen musste, denn Severus hatte erschrocken eingeatmet und Lucius trainierte Ohren hatten es gehört.

Mit schmieriger Stimme fragte er: „Was denn, Severus? Etwa einen alten Bekannten wiedererkannt oder warum so schockiert?“
Lucius hörte Miss Bones fragen: „Professor Snape? Haben Sie den Patienten erkannt?“
„Ja, habe ich. Ich dachte, er wäre tot…“, antwortete Severus innehaltend, denn nachdem, was er in Tylers Erinnerung gesehen hatte, hatte er wirklich geglaubt, dass Gregory Goyle den Hexenjägern zum Opfer gefallen sein musste. Genau genommen war er ihnen auch zum Opfer gefallen, denn Mr. Goyle junior befand sich zwar nicht zur Schwelle des Todes, dafür jedoch möglicherweise am Rande des Wahnsinns.
„Es ist Gregory Goyle“, offenbarte Severus, der somit endlich das Geheimnis hatte lüften können.
„Was?“, fragten Miss Bones Lucius gleichzeitig.
Lucius erkannte den kleineren Schatten rechts von sich, der Miss Bones darstellte und sie beugte sich über den Patienten, bevor sie sagte: „Er sieht so anders aus. Er ist so dünn und diese ganzen Wunden und Narben. Sind Sie sich hundertpro…“
„Miss Bones“, unterbrach Severus, „Sie dürfen mir glauben. Ich bin mir sicher! Die niedrige Stirn, die kleinen Augen, die Form von Nase und Kinn. Körpergewicht oder Haare stellen keine Merkmale dar, an denen man eine Person erkennen kann, aber die Schädelstruktur, die für die Gesichtszüge verantwortlich ist, lässt keinen Zweifel aufkommen. Es handelt sich um Gregory Goyle!“
Amüsiert und leise lachte Lucius, bevor er arrogant klingend sagte: „Also handelt es sich nur um einen weiteren Sohn, der eine Enttäuschung für seinen Vater gewesen war.“
Miss Bones stieg, wie er es gehofft hatte, gleich auf seine Bemerkung ein und fragte interessiert: „Wie meinen Sie das, Mr. Malfoy?“
„Nun, ich will Ihnen die Hintergrundgeschichte gern erzählen, denn dafür würde ich sowieso keinen Hafterlass erhalten. Mr. Goyle jr. hier hat kurz nach Draco das dunkel Mal in Empfang genommen. Seine ersten Aufträge vom Dunklen Lord waren wirklich nicht erwähnenswert und er hatte sie alle zur vollsten Zufriedenheit erledigen können. Als es auf einem Treffen jedoch dazu gekommen war, dass der junge Goyle einen Muggel in seinem Alter erledigen sollte, da hatte er schlichtweg versagt. Mr. Goyle jr. war nicht in der Lage gewesen, einen Avada auszuführen. Er wusste einfach nicht, dass es darauf ankommen würde, wirklich jemanden töten zu wollen und so hat er den Auftrag nicht ausführen können. Er war eine Enttäuschung für seinen Vater, der ihn sich natürlich zur Brust genommen hatte.“ Lucius richtete sich auf und führte seine Hände hinter seinen Rücken, um sie dort zu umfassen, bevor er schilderte: „Ich habe nicht mehr mitgezählt, aber ich vermute, es waren mindestens acht Cruciatus-Flüche, die der werte Mr. Goyle jr. erst vom Dunklen Lord hatte ertragen müssen. Gleich darauf folgte die Bestrafung durch seinen Vater, die ganz sicher als ’die Prügel seines Lebens’ bezeichnet werden darf. Wir ließen ihn bewusstlos in einem Zimmer zurück, aber am nächsten Tag war er verschwunden. Seine Blutspur endete, als er die Wiese erreicht haben musste. Es war eine Genugtuung zu sehen, dass nicht nur ich für die Taten des missratenen Sohnes vom Lord zur Rechenschaft gezogen worden war, denn Goyle musste für die Flucht seines Sohnes am nächsten Tag die volle Verantwortung tragen!“

Weder Susan noch Severus sagten ein Wort. Eine Weile wartete Lucius noch, bevor er fragte: „Was? Habe ich nicht nur der behütet aufgewachsenen Miss Bones die Sprache verschlagen, sondern etwa auch dir, mein guter Freund? Diese Schilderung dürfte dir doch am wenigsten nahe gehen, nachdem, was du selbst hast miterleben…“
Severus unterbrach barsch ihn und erklärte: „Ich bin eher darüber verwundert, dass du deinen eigenen Sohn ’missraten’ nennst, wo er doch den Mut hatte aufbringen können, sich von einem Wahnsinnigen abzuwenden, der einem nur das Blaue vom Himmel versprochen hatte.“
„Mut?“, fragte Lucius erbost. „Es wäre mutiger gewesen, wenn er versucht hätte, mich an seine Seite zu holen, aber ich nehme an, dass er seine Zeit lieber damit verbracht hat, sich von deinem philosophischen Geschwafel über die Gleichheit von Muggeln, Squibs, Halb- und Reinblütern in den Bann ziehen zu lassen. Sicherlich hast du ihm all das weismachen wollen; bist ja immerhin selbst…“
„Wage es nicht, meine Herkunft in den Schmutz zu ziehen, wie du es früher getan hast!“, warnte Severus und tatsächlich beendete Lucius seinen Satz nicht.
Miss Bones ignorierte das kleine Intermezzo der beiden Männer und fragte: „Wenn er das dunkle Mal hat, warum haben wir es nicht erkannt?“

Lucius hörte, wie die Bettdecke weggezogen wurde. Scheinbar wollte Severus sich den linken Unterarm ansehen, dachte er, als er auch schon die Stimme seines alten Freundes vernahm, die sagte: „Das dunkle Mal ist wegen der ganzen Verletzungen fast unkenntlich und hebt sich kaum noch vom umliegenden Narbengewebe ab. Selbst ich erkenne es nur schwer, aber es ist da.“
„Wie wäre es“, fragte Lucius, „wenn du, Severus, einfach mal mit ein wenig Legilimentik in Goyles Kopf eindringst, um vielleicht wichtige Hinweise zu erfahren.“
Miss Bones schritt ein und sagte: „Nein, es wurde nie einer Diagnose durch Legilimentik zugestimmt. Mr. Goyle scheint nicht bei klarem Verstand zu sein, was auf die Cruciatus-Flüche zurückzuführen ist.“

Severus wollte widersprechen, doch er durfte nicht offenbaren, dass er Gregory Goyle lebendig und bei vollem Bewusstsein in der Erinnerung von Tyler gesehen hatte und zeitlich gesehen musste der Vorfall im Hexenturm nach der Flucht vom Dunklen Lord einzuordnen sein. Diese Information müsste er Arthur persönlich überbringen. Womöglich würde Arthur nach Miss Bones’ Bericht selbst stutzig werden und ein Gespräch mit ihm suchen, denn der Minister war ja nicht auf den Kopf gefallen.

„Miss Bones?“, fragte Severus. Nachdem sie ihn anblickte, fragte er: „Da ich meiner Aufgabe nachgekommen bin, gehe ich hoffentlich recht in der Annahme, dass meine Person nicht mehr benötigt wird? Ich verspüre das Verlangen, einigen Schülern Punkte abzuziehen.“
Lucius konnte sich einen Kommentar nicht verkneifen, denn er sagte: „Ich habe nie verstanden, wie du wieder als Lehrer in Hogwarts anfangen konntest. Dass das Ministerium das überhaupt zulässt…“ Sein Blick fiel auf Miss Bones schattigen Umriss, während er fies grinste. „Ein Ex-Todesser, der mit Kindern arbeitet. Unvorstellbar!“

Severus verlor kein Wort und Miss Bones ließ sich ebenfalls nicht provozieren, so dass Lucius die Gunst der Stunde nutzte und an Miss Bones gerichtet sagte: „Da ich offensichtlich nicht mehr von Belang bin, weil der gute Arthur kein Interesse mehr an meinen Informationen zeigt, würde ich gern einen Antrag stellen.“ Es war Lucius nicht entgangen, dass Severus, der eigentlich wieder nach Hogwarts zurückkehren wollte, seinen Worten ebenfalls gespannt lauschte. „Miss Bones, ich möchte einen Antrag auf eine Verhandlung mit ’Veritaserum Plus’ stellen.“
Er hörte Miss Bones kräftig schlucken, bevor sie erwiderte: „Sicher, Mr. Malfoy. Ich werde Ihnen einen Antrag zukommen lassen, den Sie mit Hilfe der Schwester ausfüllen können.“
„’Unverzüglich zukommen lassen’ meinten Sie hoffentlich, denn ich möchte nicht Ewigkeiten warten, nur weil Sie das alles absichtlich in die Länge ziehen“, korrigierte er mit aalglatter Stimme.
„Sicher“, antwortete sie kurz und knapp.
„Des Weiteren habe ich eine Frage. Es hieß, die Briefe an meine Frau würden nicht geöffnet werden…“
Miss Bones unterbrach ihn und erklärte: „Ihre Briefe werden lediglich auf Zauber und Flüche geprüft, bevor sie abgeschickt werden.“
„Ich mag es nicht, wenn ich unterbrochen werde, Miss Bones“, fauchte Lucius. „Was ich eigentlich fragen wollte: Werden auch Briefe, die an andere Personen gerichtet sind, auf diese Weise behandelt oder werden diese geöffnet?“
„Das wird sich entscheiden, Mr. Malfoy. Bisher sind nur Briefe an Ihre Ehefrau und Ihren Sohn ohne weitere Überwachungsmaßnahmen gestattet, denn andere Empfänger gab es bisher ja nicht. Sollten Sie einen Brief an jemand anderen schicken, ist es gut möglich, dass er geöffnet und gelesen wird“, erklärte ihm Miss Bones.
„Das wollte ich wissen“, sagte er ohne ein Wort des Dankes.

Susan war aufgrund seiner Frage natürlich stutzig geworden und sie wollte später im Ministerium entsprechenden Mitarbeitern die Anweisung geben, Malfoys Briefe zu öffnen und zu überprüfen, wenn diese nicht an seine Frau oder seinen Sohn gehen würden.

Nachdem die beiden ihn verlassen hatten, setzte er sich an den Tisch und dachte nach. Lucius wusste, dass Arthur mit den wenigen Informationen über Robert Hopkins, die man ihm hinterhältig mit Veritaserum entlockt hatte, das Rätsel um die Muggelbande selbst lösen könnte und mit Sicherheit wären keine weiteren Verhandlungsgespräche notwendig. Das bedeutete, dass Lucius mit dem zuletzt erkauften Hafterlass noch sieben Jahre in Askaban verbringen müsste, doch sieben Jahre waren ihm zu viel.

Wütend über Arthurs heimtückisches Verhalten schnaufte Lucius verärgert. Er musste einen Weg finden, nicht für mehr als zwei Jahre ins Gefängnis gehen zu müssen, denn länger würde er nicht überleben. Lucius war mit seiner ausgeprägten Genusssucht kein Mann für Askaban. Er war ja nicht irgendwer, dachte er, denn er besaß viel Geld, hatte selbst jetzt noch Geschäfte am Laufen und er trug einen bekannten Namen. Er war darüber hinaus mit einer wundervollen Frau verheiratet, die er außerhalb des Krankenhauses und der Mauern von Askaban wiedersehen wollte, doch selbst Draco würde er lieber gegenüberstehen als sieben Jahre lang auf sein luxuriöses Leben verzichten zu müssen. Er war doch immer ein angesehener Bürger gewesen, mit einem ausgezeichneten Beruf im Ministerium, wo er viele der großen Persönlichkeiten kennen gelernt hatte, mit denen er überall prahlen konnte. Seine vielen, angesehenen Bekannten waren etwas Ähnliches wie seine Besitztümer, denn er schmückte sich mit ihnen und dem, was sie taten. Mit einem so einflussreichen Bekanntenkreis hielt er zudem aller Welt seinen hohen Status vor Augen. Viele von ihnen stellten darüber hinaus Autoritäten im Zaubereiministerium dar, die ihm nicht immer nur kameradschaftlich verbunden waren.

Lucius dachte in diesem Moment an die vielen Menschen, die ihm noch einen „Gefallen“ schuldig waren. An die Personen, die er in der Hand hatte, weil er ihnen einmal eine Gefälligkeit hatte erweisen können. Bei einigen Personen hatte er es verhindern können, dass ihr Ruf wegen einer Dummheit, die sie in ihrem Leben angestellt hatten, in der Öffentlichkeit leiden würde. Die meisten von diesen Bekanntschaften würden ihm jetzt wohl nicht mehr so wohlgesinnt gegenübertreten, doch das war Lucius egal. Sie sollten ihn nicht mögen, sondern ihm die Haftzeit verkürzen.

’Das ist es!’, dachte Lucius mit einem Male triumphierend. Ob sich die hohen Tiere im Zaubergamot mit ihm abgeben wollten oder nicht – sie mussten! Sie mussten ihm helfen, denn er könnte ihren Ruf, auch wenn bereits Jahre vergangen waren, auch jetzt noch schädigen.

Wenn Lucius damals hinter die Schandtat eines Mitmenschen gekommen war, hatte er entsprechende Person gleich daraufhin persönlich angesprochen, denn es war wesentlich vielversprechender, wenn die Leute im Vorfeld wussten, dass er über eine Information verfügte, mit der er ihnen schaden könnte. Es waren zwei Gründe, warum er den Personen gern frühzeitig zu erkennen gegeben hatte, wenn auch meist mit versteckten Anspielungen und Äußerungen, dass er von ihrem Fehler unterrichtet war. Der eine Grund war, dass jene Menschen auf diese Art und Weise wussten, dass sie erpressbar waren und sie später nicht aus allen Wolken fallen würden, wenn er eines Tages an sie herantreten würde, aber den zweiten Grund fand Lucius viel schöner, denn die Menschen waren plötzlich aus freien Stücken nett zu ihm; sie hatten ihn freiwillig an ihrem glamourösen Leben teilhaben lassen, hatten ihn zu Empfängen eingeladen, auf denen er weitere Kontakte zu hohen Persönlichkeiten hatte knüpfen können und er konnte im Gegenzug seine Nachsicht und Verschwiegenheit zeigen, um somit Dankbarkeit zu erheucheln. Hier oder da hatten sich daher in den vergangenen Jahren auch immer wieder kleinere Vorteile ergeben – geschäftlich wie auch privat – aber keine der bisher erbrachten Gegenleistung war so überwältigend gewesen, dass sie ihre Schuld für sein Schweigen damit hätten abbezahlen können.

Es war für Anthony Wildfire damals kein großer Akt gewesen, nach Erhalt einer ordentlichen Summe Geld in schulische Angelegenheiten einzugreifen. Lucius hatte im Vorfeld durch Mr. Wildfire erwirkt, dass Draco einen Brief aus Durmstrang und nicht aus Hogwarts erhalten würde, denn er wollte seinen Sohn nicht auf ein Internat schicken, welches auch muggelstämmige Schüler aufnehmen würde. Narzissa war nach Erhalt des Briefes aus Durmstrang jedoch äußerst ungehalten gewesen und bestand auf Hogwarts, so dass Lucius wieder alle Hebel in Bewegung hatte setzen müssen, um erneut in das zukünftige Lebens seines Jungen einzugreifen und so hatte er von Mr. Wildfire alles rückgängig machen lassen, um Narzissa zufrieden zu stellen. Doch dafür, dass dieser Ministeriumsangestellte den magischen Karteikasten manipuliert hatte, und das gleich zweimal, könnte Lucius ihn sogar nach Askaban schicken lassen, denn natürlich hatte er den Beweisbrief aus Durmstrang behalten und sicher bei Gringotts untergebracht.

Da war noch Fortunatos Storm, langjähriges Mitglied im Zaubergamot, von dem Lucius wusste und es sogar beweisen konnte, dass der zwei Vergissmich damit beauftragt hatte, den Geist eines jungen Mannes von jeglichen Erinnerungen an dessen Tochter zu reinigen, so dass die bevorstehende Hochzeit mit ihr und diesem Squib sich von ganz allein erledigt hatte. Mr. Storm war gar nicht davon angetan gewesen, als Lucius in mit seinen Beweisen konfrontiert hatte – im Gegenteil. Der aufgebrachte Mann hatte ihn aus seinem Haus geworfen, während er ihm mit Askaban gedroht hatte. Von Mr. Storms Seite aus waren das jedoch nur eine leere Drohung gewesen, denn der Mann hatte nichts unternommen, um Lucius wegen Erpressung anzuzeigen, weil das nämlich Mr. Storm selbst nach Askaban gebracht hätte. Sicherlich würde der Herr seinen ganzen Einsatz zeigen, wenn es darum gehen würde, dieses dunkle Geheimnis weiterhin zu wahren, auch wenn als Nebeneffekt Lucius Malfoy auf freien Fuß gesetzt werden würde.

Oh, es gab so viele Menschen, die bereits eine Schlinge um den Hals trugen, deren Strickenden von seinen gepflegten Händen mit ihren manikürten Fingernägeln gehalten wurde. Er könnte preisgeben, dass Barry Baltimore, der heute zwölfjährige Sohn der Zaubergamot-Vorsitzenden Rosalind Baltimore, in Wirklichkeit nicht den Lenden ihres Gatten entsprungen war. Das würde vielleicht nur einen kurzen Aufruhr in der Öffentlichkeit geben, aber viel mehr wusste Lucius, dass Rosalind alles tun würde, um ihre Ehe in Sicherheit zu wissen. Das Trara der Presse würde die im Beruf so erbarmungslos handelnde Frau gelassen hinnehmen können, aber wenn ihr Privatleben in Gefahr sein würde, würde sie das Gesuch eines ehemaligen Voldemort-Anhängers mit Sicherheit nicht abschlagen, auch wenn sie nie im Leben etwas mit ihm zu tun haben wollte. So war Rosalind Baltimore seine bevorzugte Wahl von sehr vielen ähnlichen Kandidaten, die eine hohe Stelle im Gamot innehatten. Leute, über die er im Laufe der Jahre unangenehme Informationen hatte sammeln können, die auf die eine oder andere Art und Weise die weißen Westen der so angesehenen Bürger und Ministeriums-Mitarbeiter beschmutzen würden.

Er hatte sich für sie, Rosalind Baltimore, entschlossen, weil sie die Vorsitzende des Zaubergamots darstellte. ’Wozu sich erst mit kleinen Fischen abgeben’, dachte Lucius, ’wenn man bereits einen dicken Fisch an der Angel hatte?’ Er würde sich bei Rosalind zunächst ins Gedächtnis zurückrufen. ’Sie hat doch bald Geburtstag’, rief sich Lucius ins Gedächtnis. ’Ein kleiner Brief mit meinen besten Glückwünschen dürfte für Rosalind ankündigen, dass der Zeitpunkt gekommen war, in welchem sie sich mit mir auseinander setzen müsste. Von mir aus können Miss Bones oder Arthur die Glückwünsche lesen, denn den eigentlichen Brief an die gute Frau werde ich meiner Narzissa zur Weiterleitung senden!’, tüftelte Lucius stillschweigend aus.

Im zweiten Brief, den Narzissa weiterschicken sollte, würde er Rosalind an die „vergangenen Tage“ erinnern und an einen bestimmten Moment im Sommer, als er während einer ministeriumsinternen Feier auf dem Balkon ein Gespräch zwischen ihr und ihrem Liebhaber hatte belauschen können, indem sie dem jungen Mann mitgeteilt hatte, durch ihn in anderen Umständen zu sein. Lucius hatte Rosalind am gleichen Abend daraufhin gönnerhaft lächelnd angesprochen und keinen Hehl daraus gemacht, dass er von dieser Unterhaltung mit pikantem Inhalt Kenntnis hatte.

Ihn aus dem Gefängnis zu holen wäre die einzige Gegenleistung, mit der jeder einzelne Mitarbeiter des Zaubergamots sich reinwaschen könnte. Er würde eine Liste mit all jenen Personen erstellen und in seinem Brief an Rosalind mit Nachdruck „darum bitten“, ebenjene Gamotmitglieder dieser Liste unter allen Umständen zu seiner bevorstehenden Verhandlung in den Gerichtssaal zu setzen. Seine ganzen „Freunde“, die sicherlich seiner Aufforderung Folge leisten würden, würden somit die Mehrzahl der Jury ausmachen und wenn die Mehrzahl für nichtschuldig plädieren sollte, wäre er auf freien Fuß.

Lucius rieb sich genüsslich die Hände.
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Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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095 Schwestern




Der Brief von Lucius an Narzissa wurde wie üblich nach einer Überprüfung auf Flüche ungeöffnet auf seinen Weg geschickt, während der Brief an die Zaubergamot-Vorsitzende Rosalind Baltimore behandelt wurde, als würde er eine Briefbombe enthalten. Arthur war von Susan über Malfoys seltsame Frage, ob alle seine Briefe kontrolliert werden würden, natürlich unterrichtet worden und er hatte in Auftrag gegeben, so vorsichtig wie möglich den Brief an Mrs. Baltimore zu öffnen. Die Übervorsicht der Mitarbeiter brachte nach erst zweieinhalb Stunden ein Glückwunschschreiben zum Vorschein, woraufhin besonders Arthur stutzte. Es war nichts anderes als eine Gratulation zum Geburtstag, der ohne irgendeinen Zauber wie „Zwischen den Zeilen“ versehen war, mit dem man eigentliche Nachrichten magisch per Anagramm verstecken konnte.

Arthur seufzte, bevor er den Angestellten auftrug: „Gut, schickt den Brief ab. Es ist zwar seltsam, aber verstößt gegen keine Regeln.“ Die ungewöhnliche Post an Mrs. Baltimore wurde hausintern weitergeleitet und pünktlich um neun Uhr mit der anderen Post in ihr Büro geliefert.

Die ersten Briefe, die Rosalind geöffnet hatte, beinhalteten leicht verfrühte Geburtstagsgrüße, denn erst morgen würde sie ein Jahr älter werden. Aus aller Welt gratulierte man ihr zum neuen Lebensjahr. Auch ein Brief von ihrem Sohn war dabei, der ihr aus einem Zauberei-Internat aus der Schweiz geschrieben hatte. Es war seine Entscheidung gewesen, in einem anderen Land zur Schule gehen zu wollen und weder Rosalind noch ihr Ehemann konnten ihm diesen Wunsch abschlagen. Der Junge hatte schon sehr früh sein sprachliches Talent gezeigt und sein Wunsch, später in der Abteilung für die internationale Zusammenarbeit Fuß fassen zu wollen, machte den Aufenthalt im Ausland sinnvoll.

Mit einem sanften Lächeln las Rosalind über die neusten Abenteuer ihres Jungen, Barry, der bereits viele Freunde gefunden hatte, obwohl er erst zweieinhalb Monate dort war. Nachdem Rosalind den nächsten Brief in die Hand genommen und den Absender gelesen hatte, verblasste das gleiche, sanfte Lächeln wie in Zeitlupe. Der Name „Lucius Malfoy“ ließ ihr Herz einen Schlag aussetzen und mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend fragte sie sich, was Lucius Malfoy wohl von ihr wollen könnte. Da sie kurz zuvor den Brief von Barry gelesen hatte, erinnerte sie sich an die einzige Verbindung, die sie mit diesem Mann hatte. Ihr Herz schlug schneller, als sie an den Tag der Weihnachtsfeier vom Ministerium dachte. Sie hatte ihrem Liebhaber gestanden, ein Kind von ihm zu erwarten und der hatte sich nach einer kleinen Auseinandersetzung auf dem Balkon aus dem Staub gemacht. Er hatte sie weinend zurückgelassen und wenige Sekunden später war Lucius Malfoy aus einer dunklen Nische aufgetaucht. Ihr war sofort klar gewesen, dass er alles gehört haben musste. Seine Zweideutigkeiten festigten ihre böse Vorahnung, denn er machte es sehr deutlich, über ihren anderen Umstand und über den Liebhaber Bescheid zu wissen. Um nichts in der Welt wollte sie ihrem Ehemann vor den Kopf treten, nur weil sie ein einziges Mal in ihrem Leben schwach geworden war. Sie hatte nach diesem „Zwischenfall“ Lucius Malfoy immer nett behandelt und er hatte im Gegenzug seinen Mund gehalten und ihn auch kaum geöffnet, außer einmal, als er ihr und ihrem Gatten neun Monate später zur Geburt eines gesunden Jungen seine Glückwünsche ausgesprochen hatte. Auf einer kleinen Gesellschaft, zu der ihr Mann sie dazu überredet hatte, den „netten Mr. Malfoy“ einzuladen, hatte Malfoy den Jungen in seiner Wiege begutachtet und mit einem Lächeln zu ihr und ihrem Mann gesagt „Wie ich sehe, kommt der Junge ganz nach dem Vater!“. Bei verschiedenen Gelegenheiten hatte er sie immer daran erinnert, dass er ihr Geheimnis kannte und daher war Rosalind sich jetzt, nach Erhalt seiner Glückwünsche, über eines im Klaren, denn er hatte ihr nur geschrieben, weil er etwas von ihr wollte.

Im gleichen Moment, als Rosalind die Augen schloss und sich wegen der bevorstehenden Unannehmlichkeiten eine Hand auf die Stirn legte, suchte Kingsley in einem anderen Stockwerk des Ministeriums den Auroren Dawlish auf, der an seinem Schreibtisch saß und einer magischen Feder diktierte.

„Guten Morgen, Dawlish“, sagte Kingsley mit einem Klang in der Stimme, der andeutete, dass etwas im Argen lag, weswegen Dawlish die Augenbrauen zusammenzog.
„Shacklebolt“, grüßte Dawlish etwas skeptisch und mit einem Kopfnicken zurück.
„Mir ist zu Ohren gekommen, dass Sie im Mungos waren“, brachte er das Thema gleich auf den Punkt.
Die zusammengezogenen Augenbrauen wanderten zum stoppeligen Haaransatz, bevor Dawlish antwortete: „Ja, war ich und wenn Sie noch zehn Minuten warten, können Sie gleich meinen Bericht haben.“
„Erklären Sie mir vielleicht auch im Vorfeld, was Sie von Mr. Malfoys Zimmergenossen wollten?“
„Wenn Sie es nicht abwarten können?“, nörgelte Dawlish. Weil Kingsley den Kopf geschüttelt hatte, erklärte Dawlish: „Ich hatte nachts eine Eingebung, die ich sofort geprüft sehen wollte. Ich hatte plötzlich die Ahnung, dass der junge Mann ein Todesser sein könnte.“
„Und?“, fragte Kingsley, der zwar wusste, dass es sich tatsächlich um einen Todesser handelte, aber laut Arthur musste das zunächst niemand wissen.
Dawlish stöhnte genervt, bevor er sagte: „Da Sie ja meinen Bericht nicht abwarten können: Ich habe den Mann überprüft. Ein Todesser ist er nicht, aber laut der Krankenakte bin ich davon überzeugt, dass er ein Opfer der Muggel-Radikalen ist.“ Diesmal war es Kingsley, der erstaunt die Augenbrauen hob, jedoch nur, weil Dawlish in diesem einen Punkt daneben lag. Grinsend fügte Dawlish an: „Ja ja, ich habe mir wirklich Mühe gegeben; im Vergleich zu anderen Mitarbeiten. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass der junge Mann von ’unseren Hexenjägern’ gequält worden war. Einige Punkte in der Krankenakte sind eindeutige Hinweise. Ich meine, wer benutzt heutzutage noch Daumenschrauben? Die Quetschungen sprechen für sich. Auch andere Wunden kann ich bestimmten Folterinstrumenten zuschreiben, aber alles mündlich zu schildern würde zu viel Zeit beanspruchen. Wenn Sie also bitte meinen Bericht abwarten würden, Shacklebolt? Ich werde dem Minister übrigens empfehlen, bei dem jungen Mann einem Antrag auf Legilimentik zuzustimmen. Es wird sicherlich einen Heiler geben, der keinen Schaden davontragen würde. Wir könnten somit immerhin Informationen über Hopkins erhalten.“ Dawlish grinste überlegen, weil er davon ausging, sich mit seinem Bericht beim Minister lieb Kind machen zu können.
„Gut, dann warte ich den Bericht ab. Ich werde ihn unverzüglich an den Minister weiterleiten“, sagte Kingsley, bevor er sich verabschiedete.

In just diesem Moment hatte eine Ministeriumseule Narzissa einen Brief von ihrem Gatten gebracht, so dass ihr heutiger Tag bereits einen wunderschönen Beginn erleben durfte, weil sie sich gern von seinen Worten umschmeicheln ließ, die zwar die von früher gewohnte, galante Handschrift missen ließen, jedoch nicht weniger rührend waren. In den letzten Briefen, die eine Schwester oder eine verzauberte Schreibfeder geschrieben haben mussten, hatte Lucius ihr geschildert, dass er schon wieder Schatten und Grautöne wahrnehmen könnte und man bereits mit Spendermaterial sein Augenlicht zurückzuholen versuchte. Von Tag zu Tag würde er besser sehen können, auch wenn es nur Kleinigkeiten wären, an denen er den Fortschritt festmachen konnte.

Narzissa fiel ein Stein vom Herzen und sie sehnte sich nach ihrem Mann, so dass sie ihm die am Briefende genannte Bitte erfüllen wollte, beigelegtes Pergament an Mrs. Rosalind Baltimore weiterzusenden. Ohne den anderen Brief auch nur zu entfalten steckte sie ihn in einen Umschlag und versah ihn mit der Adresse von Mrs. Baltimore. Ihr nächster Weg führte sie zur Eulerei, um mit einer der schuleigenen Posteulen den Brief ihres Liebsten weiterzuleiten.

Nachdem sie von der Eulerei zurückgekommen war und sich gerade das Frühstück von einer netten Hauselfe bringen ließ, klopfte es. Narzissa öffnete die Tür und sagte freudestrahlend: „Albus, wie schön, Sie zu sehen. Möchten Sie vielleicht mit mir das Frühstück einnehmen?“
Albus lächelte milde, lehnte jedoch dankend ab, bevor er mit leicht besorgter Stimme sagte: „Ihnen auch einen guten Morgen, meine Liebe. Ich bin hier, weil jemand unbedingt mit Ihnen reden möchte und…“

Bevor er zu Ende sprechen konnte, drängte sich eine schlanke, schwarzhaarige Frau an ihn vorbei. Narzissas erster Blick fiel auf die vielen, ungeöffneten Briefe, die diese Frau in ihrer Hand hielt, aber dann, als sie die Stimme vernahm, wusste sie, um wen es sich bei der Dame handelte.

„Ich möchte nicht, dass du mich überallhin mit deinen Eulen verfolgst. Ich will nicht, dass du mir Briefe schickst!“, sagte die Frau mit einem angriffslustigen Unterton in der Stimme.
Weder von dem, was sie gesagt hatte noch von dem Tonfall hatte Narzissa sich verschrecken lassen, denn sie war von dem Anblick, der sich ihr bot, ganz verzückt, so dass sie verträumt lächelnd sagte: „Oh, Andromeda, wie lange ist es her?“ Narzissa konnte ihr Glück kaum fassen und sie legte die Finger ihrer rechten Hand wegen der fröhlichen Überraschung auf ihre lächelnden Lippen, bevor sie bat: „Komm doch bitte herein. Das Frühstück ist gerade gebracht worden!“

Narzissa wartete nicht auf eine Antwort, sondern sie ging hinüber zu der Elfe und bedankte sich bei ihr, wie sie es immer tat, seit sie in Hogwarts beheimatet war. Andromeda traute ihren Augen kaum, als sie dem freundlichen Umgang ihrer Schwester mit einer Hauselfe beiwohnen durfte. Von dieser Situation völlig perplex starrte sie ins Wohnzimmer, bis Albus sagte: „Meine liebe Mrs. Tonks, wie wäre es, wenn Sie eintreten würden und Ihrer Schwester ein wenig Gesellschaft leisten? Ich muss mich leider verabschieden.“ Albus schob Andromeda ins Wohnzimmer hinein und schloss die Tür. In diesem Moment war die Hauselfe zurück in die Küche appariert und die beiden Schwestern waren allein. Narzissa lächelte bis über beide Ohren, als sie erneut ihre Schwester erblickte. Vor lauter Freude schlug sie einmal ihre Hände vor dem Oberkörper zusammen, bevor sie auf Andromeda zustürmte und, ohne dass diese es verhindern konnte, sie umarmte.

„Ich habe so sehr gehofft, dass du zumindest einen meinen Briefe öffnen und verstehen würdest“, schluchzte Narzissa vor lauter Wiedersehensfreude, als sie Andromeda fest umarmte.
Endlich wieder bei Sinnen drückte Andromeda ihre jüngere Schwester von sich weg. Sie gab sich viel Mühe, ihre eigene Miene gefühlskalt zu belassen, aber eines hinderte sie daran und sie sprach es unverblümt, wenn auch irritiert, an: „Du freust dich wirklich, mich zu sehen?“
„Aber natürlich freue ich mich! Es ist so lange her“, sagte Narzissa schwärmend. „Deine Tochter ist wirklich bildhübsch, meine Liebe.“

Andromeda konnte nichts erwidern. Eigentlich war sie hergekommen, um ihrer Schwester ein für allemal zu sagen, dass jede weitere Eule an sie reine Zeitverschwendung sein würde, weil sie mit ihr nichts zu tun haben wollte und jetzt fand sie ebenjene Schwester vor, die sie früher ersehnt hatte, als man sie wegen ihrer Verlobung mit Ted erst mit bösen Worten beschimpft und man sie kurz vor der Hochzeit aus der Familienbande ausgeschlossen hatte. Bis heute ließen die Erinnerungen an die Hochzeit nicht nur die Wut darüber in ihr aufkommen, dass ihre Familie sie enterbt und vor die Tür gesetzt hatte, sondern auch der viele Kummer machte sich in ihrem Herzen breit, den ihr dieser Zustand bereitet hatte. Immer wieder hatte sie sich fragen müssen, wie es wohl gewesen wäre, hätte man sie zumindest toleriert, wenn man ihre Entscheidung, einen Muggelstämmigen zu ehelichen, schon nicht hatte respektieren wollen. Von einem Tag auf den anderen hatte sie plötzlich keine Familie mehr gehabt und das war ein Verlust, der nicht nach drei, vier Monaten wieder vergessen gewesen wäre. Nein, dieser Schmerz hatte sie ihr Leben lang begleitet und ihren neuen Weg immer wieder verdunkelt. Wie sehr hatte sie sich für Nymphadora Tanten und Großeltern gewünscht, doch die hatten nichts von Andromedas Nachwuchs wissen wollen.

Jetzt, wo sie ihrer jüngeren Schwester, die wie ausgewechselt schien, gegenüberstand und allein der Anblick an das so lang Vermisste appellierte, da war Andromeda hin- und hergerissen zwischen dem Gefühl der Gutherzigkeit, welches sie dazu anhalten wollte, Nachsicht mit ihrer jüngeren Schwester zu haben und dem Gefühl der verspäteten Rache, welches sie dazu animieren wollte, Narzissa all die Boshaftigkeiten an den Kopf zu werfen, die sich im Laufe ihres Lebens in ihr angestaut hatten. Jetzt und hier könnte sie ein für allemal einen Schlussstrich ziehen und ihre Schwester für immer verlassen oder aber mit einer freundlichen Annäherung einen Neuanfang wagen. Wie sehr hatte sie all die Jahre besonders um ihre Schwestern geweint und gehofft, dass sich alles nochmal dem Guten zuwenden könnte. Eine Hoffnung; eine Chance. Andromedas Herz wollte gewinnen.

„Warum hast du mich eingeladen, Narzissa?“, musste Andromeda unbedingt wissen, um ihre Entscheidung fällen zu können, nun zu gehen oder zu bleiben.
„Ich wollte dich sehen“, antwortete Narzissa sehr überzeugend, denn die gleiche Wehmut, die sie selbst übermannt hatte, hatte sich in der Stimme ihrer jüngeren Schwester hörbar niedergeschlagen. Sie bemerkte, wie Narzissas Freude verblasste, bevor sie ehrlich zugab: „Weißt du, meine Erinnerungen trügen mich manchmal. Ich denke oft an unsere Kindheit und wie viel Spaß wir alle gehabt hatten. Ich meine dich und Bella und auch Sirius. Was haben wir manchmal angestellt…“ In Erinnerungen schwelgend schüttelte Narzissa den Kopf, ganz so, als würde sie gerade an einen Streich von dem Lausbub Sirius denken müssen. Narzissa schluckte und lächelte wieder, als sie beschämt zu erklären versuchte: „Ich weiß, dass ich dir anders vorkommen muss. Ich bin für alle anders, als sie mich in Erinnerung haben. Mein Sohn, du kennst ihn leider noch nicht, hat mich kaum wiedererkannt. Neulich sagte er, er würde es nicht bedauern, wenn mein Verstand so verdreht bliebe.“ Narzissa lachte fröhlich auf, bevor sie gleich darauf schilderte: „Er hat mich angesehen und ganz ernst gesagt, dass diese Wesensart, die ich jetzt an den Tag lege, wahrscheinlich schon immer ein Teil von mir gewesen war, der sich jetzt einfach in den Vordergrund gedrängt hat.“ Narzissa suchte Blickkontakt zu Andromeda und als sie sich in die Augen sahen, fragte sie ihre ältere Schwester: „Verstehst du, was ich meine?“

Von Gefühlen übermannt ließ sich Andromeda auf einem Sessel nieder und versuchte, das eben Gehörte zu verstehen. Narzissa schenkte ihr derweil eine Tasse Kaffee ein, bis Andromeda endlich ihre Stimme wieder gefunden hatte. Verstört erklärte sie: „Ich habe mich über deine Briefe gewundert. Du hättest mir nie geschrieben.“
Narzissa nickte verständnisvoll. „Draco hat gesagt, ich soll damit aufhören, aber ich wollte dich so sehr sehen. Ich weiß nicht, was zwischen uns vorgefallen sein kann, dass du mich nicht besuchen wolltest“, sagte Narzissa so leise, dass das Ticken der Standuhr im Zimmer um einiges lauter war.
Andromeda schnaufte erbost, doch gleich darauf zitterten ihre Lippen, als sie ihre Tränen zurückhalten wollte. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Narzissa nichts mehr von früher wissen wollte. Andromeda forderte Antworten. „Warum ist das so? Warum bist du so anders?“
Starr auf ihre Tasse blickend rief sich Narzissa ihre Erinnerungen ins Gedächtnis zurück und sagte: „Ich war so lange allein, Andromeda. Es war ein schreckliches Gefühl, tagein, tagaus mit niemandem reden zu können. Kein Gelächter zu hören oder auch nur ein Flüstern.“ Ihre Stimme selbst war zu dem Flüstern geworden, welches sie damals in ihrem unter Fidelius stehendem Versteck so vermisst hatte. „Ich habe mir irgendeine menschliche Stimme herbeigesehnt und die habe ich plötzlich vernehmen können und zwar in meinen Erinnerungen. So rief ich mir alles Mögliche ins Gedächtnis zurück, nur um all diese Stimmen hören zu können, damit ich der Einsamkeit entkommen konnte. Weiß du, was ich als Erstes gehört habe?“ Narzissa blickte Andromeda an und gab lächelnd preis: „Ich habe ein Kinderlachen in meinem Kopf gehört und ich habe mich sofort erinnert; an dich erinnert. Ich habe jeden Moment abgespielt, an den ich mich bewusst erinnern konnte, aber das war bald nicht mehr genug. Ich weiß es nicht genau, aber ich vermute, dass ich an jene Erinnerungen herankommen wollte, die sich vor mir tief verborgen in meinem Unterbewusstsein befinden mussten.“ Narzissa schüttelte den Kopf, bevor sie mit zittriger Stimme schilderte: „Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen, Andromeda, aber ich befürchte, ich bin selbst der Grund für mein verändertes Wesen, denn ich habe einen Weg gefunden, ganz bewusst die Schubladen in meinem Kopf zu öffnen, die man höchstens mit Hypnose oder fortgeschrittener Legilimentik erreichen könnte. Ich habe all diese Kindheitserinnerungen befreit und jetzt schwirren sie in meinem Kopf umher, als hätte ich sie niemals so tief vergraben, doch dafür ist der Platz in den Schubladen mit anderen Erinnerungen gefüllt worden; mit all den Erinnerungen an die Dinge, die in meiner neuen Welt keinen Platz gefunden hatten.“

Andromeda wollte verstehen. Sie hörte aufmerksam zu und unterbrach kein einziges Mal, als ihre Schwester erzählte: „Eines Tages hat mich mein Junge besucht und er hatte einen Freund mitgebracht, was er sonst nie getan hatte. In diesem Moment begann meine Welt plötzlich zu schwanken. Ich war völlig irritiert davon, dass jemand mit mir gesprochen hatte, ohne dass ich in Gedanken war und erst mit der Zeit – nach einigen Tagen – war mir klar geworden, dass ich mich wieder in der wirklichen Welt befinden musste, aber ich wusste leider nicht mehr, wie diese wirkliche Welt gewesen war. Ich weiß es bis heute nicht genau.“

Dass ihre jüngere Schwester von Kindheit an ein Naturtalent in Legilimentik gewesen war, hatte Andromeda nicht vergessen. Doch dass es möglich sein konnte, auf diese Weise den eigenen Geist zu betreten und zu verändern, damit hätte sie niemals gerechnet.

„Dein Sohn und ein Freund haben dich gefunden? Wer war der Freund?“, wollte Andromeda wissen.
„Oh, er ist ein netter junger Mann, Andromeda. Du würdest ihn mögen. Er heißt Harry Potter und ist hier Lehrer“, sagte Narzissa, ohne ihr Lächeln zu verlieren.
„Harry Potter?“, wiederholte Andromeda stutzend.
„Ja, er besucht mich ab und an und manchmal leihen wir uns gegenseitig Bücher aus. Er mag Märchen genauso gern wie ich!“, versicherte Narzissa mit einem Kopfnicken.
Nach einem Schluck Kaffee, den sie am liebsten mit einem Schuss Rum zu sich genommen hätte, sagte Andromeda: „Märchen waren schon immer dein Steckenpferd. Hast sogar mir immer welche vorgelesen, obwohl ich älter bin als du.“ Nach einer kurzen Pause sagte sie ehrlich: „Ich wollte dir heute eigentlich ins Gesicht sagen, dass du mir gestohlen bleiben kannst, Narzissa. Ich habe sogar ein Geschenk für dich dabei, welches meine Ernsthaftigkeit untermauern sollte, denn du mit deiner Vorliebe für Märchen hättest es nicht falsch verstehen können.“
„Ein Geschenk?“, fragte Narzissa vorsichtig, denn sie hatte durchaus verstanden, was ihre Schwester ihr eben verdeutlicht hatte.
„Ein Geschenk, dass ich dir nicht mehr geben möchte, denn du hast es nicht verdient. Schicksalsschläge bringen meist schmerzhafte Momente mit sich, ob nun körperlich oder geistig, aber dein Schicksal, Narzissa – und dafür solltest du dankbar sein – hat es gut mit dir gemeint!“, sagte Andromeda mit solcher Ernsthaftigkeit in der Stimme, dass es Narzissa kalt den Rücken hinunterlief. „Lass uns zusammen frühstücken“, fügte ihre ältere Schwester hinzu, doch Narzissa blickte sie mit großen, blauen Augen an.
Mit zittriger Stimme, in der Angst, aber auch Bestimmtheit mitschwang, bat Narzissa: „Überreichst du mir das Geschenk bitte, damit ich verstehe, weswegen du mir vergibst?“
„Nein, das würde nur einen Schatten auf den heutigen Tag werfen. Ich…“
Doch ihre Schwester flehte: „Bitte! Ich möchte wissen, wie du mir meine Fehler verständlich gemacht hättest, wenn nicht dein gütiges Herz dich heute anders hätte entscheiden lassen.“
Für einen Moment zögerte Andromeda, doch sie gab nach und zog ein viereckiges, in Geschenkpapier eingewickeltes Päckchen aus ihrer schmalen Handtasche und hielt es Narzissa entgegen. „Denk dran, dass das nur die Alternative war, Narzissa.“

Narzissa nickte ihrer Schwester zu und öffnete mit zittrigen Fingern die kleine Schleife, bevor sie das Papier entfernte. Zum Vorschein kam ein Muggelbuch, welches Narzissa wie versteinert anblickte, doch dann kamen ihr die Tränen, ohne dass sie etwas dagegen unternehmen konnte. Sie hatte die Botschaft verstanden, denn ihre Schwester hatte ihr ein Märchenbuch geschenkt, in welchem eine blonde und eine dunkelhaarige Schwester die Hauptfiguren waren. Narzissa schlug die erste Seite auf und las leise vor:

„Es waren einmal zwei Mädchen, die waren Schwestern und beide wunderschön anzusehen. Die eine Schwester hatte schwarze Haare und schöne blaue Augen wie das Meer.“ Narzissa blickte auf und schaute ihrer Schwester in die Augen, die der eben vorgelesenen Beschreibung entsprachen. Mit dem Wissen um den Inhalt des Märchens las Narzissa mit bebender Stimme weiter: „Die andere aber hatte Haare wie aus Gold und war von elfenhafter Gestalt. Die eine Schwester war immer gut zu den Menschen, half den Armen und den Schwachen.“ Narzissa schluchzte und die Tränen liefen ihr an den hellen Wangen hinunter, doch den letzten Satz der Einleitung trug sie mit gequältem Gesicht noch vor, denn der betraf sie selbst. „Die zweite Schwester jedoch war schwarz von Herzen und besaß Hexenkräfte und war schlecht zu ihrer Schwester wo sie nur konnte.“

Sie hielt sich eine zitternde Hand vor das Gesicht und weinte ungehemmt, bevor sie stockend herausbringen konnte: „Das ist ein so wunderschönes Märchen, wenn man nicht die Blonde ist.“

Als die Schwestern Narzissa und Andromeda verborgen vor den Augen der Welt ihre Zuneigung zueinander wieder gefunden hatten, suchte ein paar Türen weiter jemand ganz anderes das Wohlwollen einer jungen Dame. Nach dem Frühstück hatte Hermine es sich halb liegend, halb sitzend auf ihrer Couch gemütlich gemacht und sie las in „Flüche und Zaubertränke – Leitfaden für die höhere Magie“, welches ihr Severus ans Herz gelegt hatte, doch der Kniesel tapste immer wieder auf das Buch und hinderte sie am Umblättern.

„Ich muss das lesen, Kniesel!“, sagte sie mit netter Stimme. Erschrocken bemerkte sie für sich selbst: „Nein, ich habe dich eben ’Kniesel’ genannt. Keine Angst, das ist nicht dein Name. Für dich suche ich einen schönen aus!“ Die tätschelte das Tier am Kopf, welches die körperliche Zuwendung als Erlaubnis dafür deutete, sich auf den Bauch des Frauchens legen zu dürfen. Hermine seufzte, legte jedoch das Buch auf den Tisch und nahm sich einen Moment Zeit für das Tier.

Sie kraulte es mit beiden Händen und knetete die Ohren, während sie sagte: „Du hast einen schönen Namen verdient und keinen praktischen, aber mir fällt einfach keiner ein, mein Kleiner. Ich bin kein Künstler, dem mit Leichtigkeit ein so schöner Name wie ’Krummbein’ einfallen würde.“ Der Kniesel stöhnte einmal verschlafen auf, weshalb Hermine sagte: „Hast Recht, ’Krummbein’ war kein wirklich schöner Name, aber er hieß schon zwölf Jahre lang so und er hat auf den Namen gehört. Auf was würdest du denn hören?“ Der Kniesel gähnte, doch Hermine schlug davon unbeirrt vor: „Lass uns mal nachdenken…“ Sie versuchte auf die Namen der Tiere ihrer damaligen Schulkameraden zu kommen. „Wie wär’s mit Trevor? Männlich bist du ja.“ Der Kniesel fuhr die Krallen aus, wie er es immer tat, wenn er sich streckte, doch Hermine tat so, als hätte ihm der Name missfallen, so dass sie aus Spaß versuchte, ihn zu beschwichtigen: „Nein, keine Angst. Wir machen das so: Wenn ein Name dir gut gefällt, dann schnurrst du ganz laut und wenn nicht, dann eben nicht.“ Sie überlegte, während sie die weichen Wangen des Kniesels streichelte und sagte eher zu sich: „Hedwig ist blöd, denn du bist ja ein Männchen. Wie wär’s mit Severus?“ Sie lachte auf. „Ich kann mir jetzt schon vorstellen, was der dazu sagen würde. So etwas wie ’Es erfreut mich nicht, meinen Namen nicht nur mit einem römischen Kaiser teilen zu müssen, sondern jetzt noch mit einem haarigen Tier. Glauben Sie etwa ernsthaft, ich würde Ihre Namenswahl entzückend finden?’.“

Wieder seufzte Hermine. Sie war nicht gut darin, sich Namen für ein Tier auszusuchen, weil sie sich nie entscheiden konnte. Am besten wäre ein spontaner Einfall, doch sie war eine von denen, die stundenlang darüber grübeln mussten, um einen Namen mit einer passenden Bedeutung zu finden, der dann auch ausgefallen klingen durfte, sofern das, was hinter etwas so einfachem wie ein Name verborgen lag, seinen höchst bezeichnenden Hintersinn nicht verlieren würde. Sie spielte lateinische Begriffe durch, die das Fell des Kniesels oder die weißen Pfötchen beschreiben könnten. So war Caligula, was eigentlich „Soldatenstiefel“ bedeutete, zwar ein netter Name, aber er stand für einen schrecklichen Mann, also fiel der leider schon einmal weg. „Peronatos“ für „gestiefelt“ wäre nett, aber jeder würde fragen, warum sie dem Tier so einen seltsamen Namen gegeben hätte. „Albus“, was „weiß“ bedeutete, war nicht wirklich originell. Ihre Gedanken wanderten wieder zu Severus. „Severus“: „streng“, „ernst“. Er machte seinem Namen alle Ehre, dachte sie. Die lateinischen Worte für „lustig“, „spaßig“ oder „witzig“, wie der Kniesel auch charakterlich war, kamen wegen ihres unschönen Klanges nicht in Frage.

Ihre Hände strichen vom Kopf hinunter durch das lange, dichte Fell des Kniesels und da sagte sie Respekt zollend: „Du hast so wunderschönes Fell!“ Plötzlich schnurrte der Kniesel laut, aber weniger wegen des Wortes „Fell“; es waren Hermines gespreizten Finger, die durch dieses hindurchglitten. „Fell?“, fragte Hermine und wiederholte ihre Streichelbewegung, was den Kniesel erneut zum Schnurren brachte. „Irgendwas mit ’Fell’ also… Da gibt es leider nicht viel. ’Fellare’ bedeutet ’schlecken’ und auch wenn du das tust, wenn ich dir mal einen Schluck Milch gebe, würde der Name einfach nicht passen. Hier wünschte ich wieder, wie ein Künstler denken zu können; wie ein Schriftsteller oder ein Filmemacher. Wen gibt es denn da so? Vielleicht passt ja der Name eines Künstlers zu dir?“ Sie nannte vier, fünf Namen von Schriftstellern und Filmemachern und am Ende ihrer Aufzählung sagte sie: „Federico Fellini.“ Hermine stutzte, bevor sie einen Geistesblitz hatte und von sich selbst überrascht sagte: „Benennen wir dich nach einem von Italiens wichtigsten Filmemachern? Immerhin kommt das Wort ’Fell’ in dem Namen vor und außerdem hört es sich süß an; für dich natürlich.“ Sie grinste zufrieden, denn weil sie dem Kater unentwegt das lange Fell streichelte, hörte sich das Schnurren wie die endgültige Zustimmung an. „Fellini also! Konnte ich doch mal einigermaßen spontan entscheiden.“ Hermine lächelte, bevor sie den Kniesel drückte. „Aber jetzt lass mich weiter lesen. Die Hälfte muss ich heute schaffen“, sagte sie und bewegte sich, so dass der Kater wieder aufstand. „Kannst dich auf meine Unterschenkel legen, Fellini“, fügte sie hinzu und sie staunte, als der Kniesel ihr gehorchte und sich auf die Schienbeine legte, damit sie das Buch in Ruhe lesen konnte.

Laut las sie weiter, damit sie den Stoff besser behalten würde: „Nach einem vorangegangenen ’Retinere-Spruch’ (’zurückhalten’, ’anhalten’) kann ein überlegt angewandter ’Inceptor-Spruch’ (’der etwas beginnt’) die Wirkung eines bereits eingenommenen Trankes zeitverzögert aktivieren, was jedoch nicht bei allen Tränken Anwendung finden kann. Versuche mit dem Vielsafttrank haben hingegen gezeigt, dass sich die anhaltende Wirkung eines Trankes auch erfolgreich verlangsamen lässt. So konnte beispielsweise mit einem verlangsamenden ’Tardesco-Spruch’ die Verwandlung durch den Vielsafttrank von einer Stunde auf ganze drei Stunden ausgedehnt werden. Zu beiden Beispielen finden Sie im Anhang eine Liste mit möglichen Zaubersprüchen und deren genaue Handhabe für die verschiedenen Zaubertränke.“

Sie schlug das Buch zu und flüsterte in den Raum hinein: „Ist selbst mir etwas zu trocken, aber interessant. Irgendwann steht da bestimmt mal ein Trank von mir drin.“

Hermine ließ ihre Gedanken schweifen. Am 24. Oktober dieses Jahres würde Ginny nach acht Wochen Zwangsschutz den Krankenflügel verlassen dürfen. So lang war das gar nicht mehr. War es übernächste Woche oder sogar schon nächste? Hermine freute sich darauf, ihre beste Freundin endlich wiedersehen zu können, doch ihr wurde jetzt schon ein wenig schwer ums Herz, wenn sie an Ginnys Sohn dachte. Es konnte auch Neid sein, denn Hermine war trotz ihrer angestrebten Karriere als Zaubertränkemeisterin einer Familie mit Nachwuchs niemals abgeneigt gewesen; nur bei Ron hatte sie ein schlechtes Gefühl gehabt. Auch, wenn sie selbst Kinder haben wollte, so hatte ihr Instinkt sich stets dagegen gewehrt, sie mit Ron haben zu wollen, was letztendlich auch besser gewesen war. Wahrscheinlich würde sie aber bis in alle Ewigkeit die alleinstehende, kinderlose, aber kluge Tante bleiben, die sich mit dem Nachwuchs ihrer Freunde umgeben musste, um überhaupt Kinder in ihrer Nähe haben zu können. Sie schalt sich selbst, dass sie mit erst vierundzwanzig Jahren einen Anflug von Torschlusspanik verspürte; die dürfte erst einsetzen, wenn es wirklich brenzlig werden würde. In der Muggelwelt waren Frauen um die vierzig Jahre noch immer im gebärfähigen Alter, was Hermine ja noch reichlich Zeit gab und sie fragte sich, wie lange eigentlich langlebige Hexen Kinder bekommen konnten. Diese Frage ließ sie nicht mehr los, so dass sie neugierig in ihren Büchern blätterte, um eine Antwort zu finden.

Im gleichen Moment blätterte Susan in ihrem Büro nicht in einem Buch, sondern in Akten, als plötzlich ihre Vorzimmerdame hineingestürmt kam. „Miss Bones, um Himmels Willen! Sie glauben nicht, was ich eben erfahren habe. Sie haben mich doch beauftragt, nach dem Beschwerdebrief von Miss Adair zu suchen. Mrs. Barmy-Bedlam hat gerade eben zugegeben, dass sie den Brief von Anne Adair an sich gerissen hatte. Sie wollte die Sache vertuschen und hat vor wenigen Minuten zwei Vergissmich zu der armen Frau geschickt!“, schilderte Mrs. Dainty völlig außer Atem, während sie Susan ein Stück Pergament mit Annes Adresse reichte.
„Das kann nicht wahr sein!“, sagte Susan aufgebracht. An Mrs. Dainty gewandt befahl sie: „Sagen Sie der Sicherheit, dass Mrs. Barmy-Bedlam festgenommen werden soll. Ich kümmere mich darum, dass ein paar Auroren den Auftrag vereiteln! Los, machen Sie schon!“

Mrs. Dainty stürmte aus Susans Büro hinaus und Susan hinterher, doch sie rannte in den zweiten Stock, bis sie am Ende des Ganges die Tür zu Shacklebolts Büro aufstieß. Kingsley sprach gerade mit Arthur, so dass Susan erleichtert war, zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen zu können.

Aufgebracht erklärte Susan: „Gut, dass Sie beide hier sind. Kingsley, Sie müssen mit ein paar Leuten auf der Stelle zu Miss Anne Adair eilen, sonst löschen die Vergissmich ihr Gedächtnis.“
Arthur fragte: „Aber wie…“
„Bitte, wir müssen einmal im Leben unbürokratisch handeln, denn sonst wird es zu spät sein, Arthur!“ Sie drückte Kingsley ein Stück Pergament in die Hand und sagte: „Hier, Kingsley, das ist die Adresse und jetzt los!“ Nach einem zustimmenden Nicken von Arthur war Kingsley in Windeseile auf und davon.

„Susan, erklären Sie mir…“
Wieder unterbrach Susan den Minister und sie erklärte, während sie sich über Kingsleys Kamin beugte: „Mrs. Barmy-Bedlam hat vor langer Zeit einen Fehler gemacht und damit das nicht ans Tageslicht kommen würde, möchte sie ihn komplett auslöschen, indem sie Miss Adairs Gedächtnis vollständig löschen lassen will. Wir können das nicht zulassen!“ Sie streute das Flohpulver in die Flammen und beugte sich in den Kamin, um eine bestimmte Person anzuflohen.

In ihrem Wohnzimmer hörte Hermine plötzlich Susans Stimme: „Hermine? Bitte sei da!“
„Ja, Moment“, sagte Hermine und erhob sich von der Couch.
„Hermine, du musst Harry und Black Bescheid geben, dass Miss Adair in Schwierigkeiten ist. Jemand hat ihr ungenehmigt Vergissmich auf den Hals gehetzt. Sag den beiden Bescheid!“, sagte Susan kurz und bündig.

Die Farbe hatte nicht einmal die Zeit dafür gefunden, aus Hermines Gesicht zu entweichen, weil sie bereits hinaus auf den Gang gelaufen war und nach oben ins Erdgeschoss hetzte, wo Harry wohnte und auch momentan unterrichtete.

Zuhause in Muggellondon saß Anne auf ihrem Sofa und sie hörte laut Musik über ihren Kopfhörer, doch irgendein Geräusch gehörte nicht zu den vertrauten Klängen, so dass sie die Kopfhörer abnahm und lauschte. Es klopfte an ihrer Tür und ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es zu spät für die Post und zu früh für den Paketlieferdienst war. Es musste einer von diesen Zeitungsdrückern, Versicherungsvertretern oder Sektenmitgliedern sein, der um diese Zeit etwas von ihr wollte. Ihr war zwar nicht nach Scherzen zumute, aber sie wollte zumindest eine kurze, verbale Abfuhr erteilen, weshalb sie zur Wohnungstür ging und sie öffnete.

Zwei gut gekleidete Herren standen vor ihrer Tür. Sie machten einen seriösen Eindruck, so dass Anne verdutzt fragte: „Sie wollen mir aber nichts verkaufen oder?“
Der Mann mit dem langen Gesicht und dem eckigen Kinn sagte leise und schmierig: „Nein, Miss Adair. Wir sind hier, um etwas zu nehmen!“
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096 Vergissmeinnicht




’Wir sind hier, um etwas zu nehmen?’, wiederholte Anne in Gedanken und mit einem Male spielten sich fast zeitgleich sämtliche Szenarien in ihrem Kopf ab, die ihr nun bevorstehen könnten. Erst dachte sie an Diebe, die in ihre Wohnung eindringen und sie ausrauben wollten. Furcht um ihre körperliche Unversehrtheit machte sich breit; Angst um ihr Leben. Die Frage, ob es sich um Hexenjäger handeln könnte, die ihr aus Aberdeen bis hierher gefolgt waren, stellte sich ihr. Alle Gedanken drängte sie beiseite und sie verließ sich einzig auf ihr Bauchgefühlt, denn egal, was für eine Wendung diese Situation jetzt nehmen würde – Anne wusste tief in ihrem Innern, dass es für sie nur sehr schlecht enden könnte.

Sie schlug die Tür zu und drehte sich bereits, um durch den Flur in ihr Wohnzimmer zu hetzten und aus dem Fenster zu fliehen, damit sie sich in Sicherheit bringen konnte, da bemerkte sie aus den Augenwinkeln heraus, dass die Tür wie von Geisterhand wieder aufging und die beiden Männer Zauberstäbe in ihren Händen hielten und da war es ihr plötzlich klar: es waren die Vergissmich! Im Wohnzimmer angelangt waren es noch zwei Schritte zum Fenster, da hörte sie den einen Mann sagen: „Obliviate!“ Zum gleichen Zeitpunkt fiel Anne zu Boden, doch sie wusste nicht, ob der Zauber sie getroffen hatte oder sie aufgrund ihrer Panik gestürzt war. Den anderen hörte sie noch „Verdammt!“ rufen und dann wurde ihr schwarz vor Augen. Das Letzte, was sie wie aus weiter Ferne hören konnte, waren viele laute, ploppende Geräusche, bevor sie das Bewusstsein verlor.

Kingsleys Männer überwältigten die beiden Vergissmich mit einem Petrificus Totalus, bevor man ihnen mit einem Incarcerus Hände und Füße fesselte.

„Bringt die beiden sofort ins Ministerium. Ich will in zwei Stunden die Aussagen haben. Dawlish soll sich drum kümmern“, wies Kingsley zwei seiner Männer an. „Der wird sich richtig reinknien, wenn er hört, dass im Ministerium krumme Dinge laufen.“ Kingsley konnte Dawlish zwar als Menschen nicht leiden, aber als Kollege war er ein absoluter Erbsenzähler und das, was er aus den Festgenommenen herausbekommen würde, hätte mit Sicherheit Hand und Fuß und wäre darüber hinaus sehr ergiebig. Tonks kniete sich neben Anne und atmete erleichtert aus, als sie einen Puls am Hals spüren konnte.

„King, was machen wir? Sollen sich die Muggelärzte um sie kümmern oder…?“
Kingsley fiel ihr ins Wort und bestimmte: „Nein, lass sie ins Mungos bringen. Falls ein Gedächtniszauber sie getroffen hat, können die ihr dort am besten helfen. Vielleicht hat der Zauber sie verfehlt oder nur gestreift. Ich hoffe, wir sind nicht zu spät gekommen.“

Tonks und Kingsley hoben ihre Stäbe, als sie das Geräusch einer unerwarteten Apparation vernahmen, doch sie senkten sie wieder, als sie Harry und Hermine erkannten.

„Was ist passiert?“, fragte Harry aufgebracht und er stürmte bereits hinüber zu Tonks. Hermine bemerkte Anne am Boden und beugte sich über sie. „Ihr seid rechtzeitig gekommen oder?“, wollte Harry wissen.
Kingsley beruhigte ihn und erklärte: „Wir wissen nicht, was geschehen ist oder warum sie ohnmächtig geworden ist. Im Hospital wird man das feststellen können. Im Moment können wir leider nichts machen.“

Zwei von seinen Männern angeforderte Medi-Magier betraten das Wohnzimmer und Hermine machte für die beiden Platz.

Einer der Medi-Magier stutzte, bevor er an Kingsley gerichtet sagte: „Das ist ein Muggel! Sie wollen doch nicht, dass wir einen Muggel ins Mungos bringen oder?“
„Sonst hätten wir Sie wohl kaum gerufen. Die Dame ist eine Bekannte des Zaubereiministers und der erwartet, dass man ihr die best mögliche Behandlung zuteil werden lässt“, erklärte Kingsley, woraufhin die Medi-Magier erstaunt ihre Augenbrauen anhoben, bevor sie Anne mit einigen Zaubersprüchen untersuchten, um gleich darauf mit ihr ins Mungos zu apparieren.

„Wo ist Sirius?“, wollte Tonks wissen, die sich jetzt schon Gedanken darüber machte, wie man ihm den Vorfall mit seiner Verlobten schonend beibringen könnte.
Harry, dessen Sorge in seinem Gesicht geschrieben stand, schüttelte den Kopf und sagte mit angeschlagener Stimme: „Ich weiß nicht. Er war nicht da. Vielleicht ist er mit Hagrid unterwegs. Ich werde ihm Bescheid geben, wenn ich ihn sehe!“
Kingsley nickte, bevor er sagte: „Wir müssen wieder zurück. Ich vertraue darauf, dass ihr hier nichts anstellt.“
„Werden wir nicht“, versprachen Harry und Hermine, so dass die Auroren sich verabschiedeten.

Als sich die beiden allein in Annes Wohnzimmer befanden, ließ Harry sich stillschweigend auf der Couch nieder, während Hermine wieder an alles Mögliche denken musste, wie an den nächsten Schritt, den sie jetzt machen sollten. Sie fragte sich still, ob sie Sirius einen Patronus schicken sollten. ’Lieber nicht’, verneinte sie in Gedanken, ’denn es wäre besser, wenn einer von uns bei ihm ist, wenn er das erfährt.’ Sie sollte auf jeden Fall bald wieder zurück nach Hogwarts und so überlegte Hermine, was man hier in Annes Wohnung noch tun könnte.

„Harry, wir müssen irgendjemandem Bescheid geben. Anne muss bei ihrem Arbeitgeber krankgemeldet werden und…“
Etwas bissig unterbrach Harry, indem er sagte: „Du glaubst doch wohl nicht, dass das Mungos irgendeine Bestätigung für Annes Krankenhausaufenthalt ausstellt? Und was willst du dem Arbeitgeber denn sagen, wenn die fragen sollten, warum…“
„Den Grund brauchen die gar nicht zu wissen, Harry“, konterte Hermine, die sich bereits das schnurlose Telefon gegriffen hatte und nun das gespeicherte Telefonbuch im Display durchging. Die ständigen Piepgeräusche gingen Harry sehr schnell auf die Nerven.
„Was soll das jetzt schon wieder?“, fragte er gereizt.
„Was ist dein Problem, Harry?“, fragte sie mit warmer Stimme, denn sie wollte ihn nicht noch mehr provozieren. Erklärend fügte sie hinzu: „Ich suche… Ah, da ist er schon. Ich habe den Telefonbucheintrag von Annes Freundin gesucht. Wir sollten zumindest dieser Beth Bescheid geben, auch wenn ich sie nur vom Hörensagen kenne.“

Beth war zu dieser Uhrzeit jedoch nicht zu erreichen, so dass Hermine eine knappe Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterließ und sie hatte derweil darauf geachtet, dass sich ihre Informationen für Außenstehende nicht seltsam anhören würden. Hermine und Harry ließen, falls ein Nachbar oder eine Freundin einen Schlüssel für Annes Wohnung besitzen würde, eine Nachricht auf dem Wohnzimmertisch zurück, die nur beinhaltete, dass Anne sich in einem Krankenhaus aufhalten würde und man mehr bei Harry erfahren könnte, bevor sie zusammen vor die Tore von Hogwarts apparierten.

Auf dem Weg zum Schloss war Harry still und er betrachtete nur den Grund, auf dem er lief, während Hermine vor sich her flüsterte und in den Himmel schaute, um darüber nachzudenken, was man jetzt tun könnte.

„Hör mal, Mine. Ich muss wieder zum Unterricht; es ist gerade mal Mittag“, sagte Harry niedergeschlagen, denn ihm war wirklich nicht danach, heute noch seiner Arbeit nachgehen zu müssen.
„Ich werde Sirius meinen Patronus schicken und ihn bitten, dass er sofort zu mir kommen soll und ich werde Tonks fragen, wo Anne im Mungos liegt, damit wir sie besuchen können“, versicherte Hermine, als sie gerade das Erdgeschoss betraten. „Sieh mal, da kommt Albus“, konnte Hermine gerade noch sagen, bevor der alte Zauberer schnellen Schrittes die beiden erreicht hatte.
Mit besorgter Miene fragte der Direktor: „Ist es wahr?“
„Wenn Sie meinen, dass Anne jetzt im Mungos liegt, dann ist die Antwort leider ja“, erwiderte Harry kraftlos.
Hermine richtete das Wort an ihn und fragte: „Albus, wissen Sie vielleicht, wo Sirius sein könnte?“
„Ja, er ist bei Remus“, kam als knappe Antwort.
Harry schüttelte den Kopf: „Nein, das kann nicht sein. Ich habe versucht, Remus über den Kamin zu erreichen, aber…“, er hielt inne, denn er konnte schlecht sagen, dass „die Leitung tot gewesen wäre“.
„Remus lebt seit gestern in Hogsmeade bei Madam Rosmerta, Harry. Ich bin mir sicher, dass er dir heute davon erzählen wollte, denn Sirius hat er bereits zu sich eingeladen“, erklärte Albus. Hermine bot sich an, den beiden Bescheid zu geben, damit Harry weiter unterrichten konnte, doch da warf Albus ein: „Du, Harry, bist heute befreit. Severus hat sich vorhin bereit erklärt, deine heutigen Schüler zu übernehmen.“
Harry nickte betrübt, denn ihm war es jetzt schon ganz schwer ums Herz geworden, bevor er traurig sagte: „Dann geh ich wohl mal.“ Die Nachricht würde Sirius schwer treffen, das wusste er.
„Ich komme mit, Harry“, bot Hermine an und er war ihr wegen der seelischen Unterstützung dankbar, die ihre Anwesenheit versprach.
Bevor die beiden sich auf den Weg in Harrys Wohnzimmer machten, bat Albus: „Haltet mich auf dem Laufenden!“

In Hogsmeade blickte Sirius aus dem Fenster hinunter auf die belebte Straße, bevor er sich freudestrahlend zu Remus umdrehte und sagte: „Nimm es mir nicht übel, aber das hier ist bisher die beste Unterkunft, die du je hattest, auch wenn sich direkt unter dir ein Pub befindet. Der beginnt jedenfalls nicht schon nachts um halb vier mit seiner Arbeit.“
Remus lächelte friedlich, bevor er offenbarte: „Rosmerta hat mir auch gleich einen Job angeboten.“
Mit großen Augen kommentierte Sirius: „Nein, wirklich? Das ist doch spitze, Remus!“ Sirius schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Was für einen Job? Ich meine, als Kellner oder…“
Remus unterbrach seinen Freund, während er ihm etwas Süßes reichte und erklärte: „Nur ab und zu soll ich ihr als Kellner aushelfen, besonders zum Abend hin. Ich helfe überwiegend in der Küche. Na ja, ’helfen’ wäre untertrieben: ich koche!“
„Und bestimmt richtig gut, wie ich wette!“, sagte Sirius, bevor er seinen Freund am Oberarm knuffte.

Gleich darauf nahmen sie Platz auf der Couch und als die beiden Männer nebeneinander saßen und sich unterhielten, knisterte plötzlich der Kamin laut und beide hörten Harrys Stimme.

„Harry, tritt durchs Feuer. Ich wollte dich sowieso heute noch anflohen“, sagte Remus lächelnd. Harry und Hermine traten aus dem Feuer heraus. „Hermine? Schön, dass du auch hier bist. Setzt euch…“ Remus hielt inne, denn an den Gesichtern der beiden hatte er erkannt, dass etwas Schlimmes vorgefallen sein musste, weswegen er sehr besorgt fragte: „Was ist geschehen?“

Zitternd holte Harry einmal Luft, bevor er sehr ernst zu seinem Patenonkel sagte: „Sirius? Anne ist ins Mungos eingeliefert worden.“ Harry wollte am liebsten alles erzählen, was er wusste, aber Sirius’ schockierter Blick machte ihn mundtot.
An Sirius’ Stelle fragte Remus: „Was ist denn nur mit Anne passiert?“
Da Harry nicht antwortete, übernahm Hermine die Details und erklärte: „Susan… Also Miss Bones hat mir gesagt, dass zwei ungenehmigte Vergissmich auf dem Weg zu Anne…“
Abrupt stand Sirius von der Couch auf und fragte aufgebracht: „Was? Die Vergissmich waren bei ihr? Die haben da überhaupt nichts zu suchen! Sie ist meine Verlobte und…“
Dieses Mal unterbrach Hermine und machte nochmal deutlich: „Sirius, die Vergissmich sind ohne Absegnung oder offizielles Einverständnis rausgeschickt worden! Niemand hat das in Auftrag gegeben!“

Sirius wurde ganz bleich und ließ sich erneut auf die Couch plumpsen, denn länger hätten ihn seine Beine nicht mehr halten können. Mit einer Hand fuhr er sich über das Gesicht, damit niemand die dort widerspiegelnde Verzweiflung erkennen konnte.

Einzig Hermine fand einen klaren Kopf und sie sagte: „Tonks wird wissen, auf welche Station man Anne…“
Erneut stand Sirius auf und sagte entschlossen, ohne jemanden anzublicken: „Ich gehe ins Mungos, sofort! Harry, du kommst mit!“
„Oh… okay, ja“, sagte Harry nickend.
„Ihr solltet nicht sofort hingehen. Man wird sie jetzt erst untersuchen oder sogar schon behandeln. Ihr müsstest eh warten und…“
„Ich gehe sofort hin! Und wenn die ihr nicht die Behandlung geben, die sie benötigt, dann werde ich mal mit der Faust auf den Tisch schlagen!“, sagte Sirius aufgebracht und abgehackt atmend. Für jeden war ersichtlich, dass er am liebsten drauf losweinen wollte, es aber nicht tat, weil er es für unmännlich hielt.
Als Tipp gab Hermine noch an: „An der Information im Mungos verlangt ihr am besten nach Gwen. Die wird euch helfen und euch auch Informationen über Annes momentanen Zustand geben, wenn ihr dazu etwas vorliegt.“
„Gwen?“, fragte Harry. „Darf die uns überhaupt was sagen?“
„Nein“, antwortete Hermine, „darf sie eigentlich nicht, aber sie ist ’Harry-Potter-Fan’ und wird sicherlich bei euch ein Auge zudrücken.“

Während Hermine noch ein Weilchen bei Remus blieb, flohten Harry und Sirius direkt in die Eingangshalle des „St.-Mungo-Hospitals für Magische Krankheiten und Verletzungen“. Vor der Information stand eine meterlange Schlange und Harry wusste, dass Sirius nicht die Geduld aufbringen würde, sich hinten einzureihen. Nervenaufreibende Wartezeiten gingen ihm selbst gegen den Strich, doch er beruhigte Sirius und sagte: „Ich werde nach vorn gehen und nach Gwen fragen.“

Als Sirius ihn damals ins Mungos begleitet hatte, damit man sich seines Problems, Leute nicht sehen zu können, hatte annehmen können, war Harry immer bevorzugt behandelt worden. Damals war es ihm unangenehm gewesen, doch jetzt spekulierte er auf genau diese Bevorzugung aufgrund seiner Berühmtheit.

Sirius nickte und lehnte sich an eine Steinsäule, während Harry bereits an den Menschen in der Schlange vorbeiging. Man hatte ihn erkannt, denn hinter sich hörte er die Besucher des Krankenhauses flüstern „Hast du gesehen, wer das eben war?“ oder „Das ist Harry Potter!“. Harry behielt seine ernste Miene bei und als er vorn an der Information angekommen war, räusperte er sich, um die Aufmerksamkeit der älteren Angestellten hinter dem Tresen auf sich zu lenken.

Die Frau um die sechzig wandte ihren Blick vom derzeitigen Gesprächspartner ab und sagte vorwurfsvoll: „Es sind noch einige Leute vor Ihnen dran, Sir.“
Harry nickte, sagte jedoch: „Ich würde gern mit Gwen sprechen.“
Die Frau zog lediglich eine Augenbraue hoch, stand dann jedoch auf und entschuldigte sich mit den Worten: „Einen Moment bitte.“

Während sich die Dame von der Information nach hinten in einen angrenzenden Raum begab, blickte Harry durch Zufall den Ersten aus der Schlange an, der kurz zuvor mit der Frau gesprochen hatte und der schaute ihn auch an. Erschrocken grüßte Harry den Mann: „Guten Tag, Mr. Filch.“
Filch kniff die Augen zusammen und verzog angewidert sein Gesicht, bevor er verbittert sagte: „Professor Potter, wie ich sehe, tanzen Sie mal wieder aus der Reihe.“
Bevor Harry etwas erwidern konnte, kam die ältere Frau mit einer jüngeren zurück, welche sofort mit breitem Lächeln auf Harry zuging. Auf ihrem Namensschild stand Gwen und sie grüßte etwas stotternd: „Mr. Potter, schön… schön Sie mal persönlich… na ja… Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Es geht um eine Patientin, die vor Kurzem eingeliefert worden war. Anne Adair ist der Name“, erklärte Harry, dem nicht entgangen war, dass Filch ihm von der Seite immer wieder böse Blicke zuwarf.
„Oh ja, Miss Adair. Sie ist ein Muggel, richtig?“, fragte Gwen und Harry nickte. „Ich glaube, sie wird momentan noch untersucht, aber ich werde mal auf der Station nachfragen.“

Gwen ging zurück in den kleinen Raum und kam zwei Minuten später wieder hinaus zu Harry. „Wie ich es mir gedacht habe: Man untersucht sie noch. Besucher können im Augenblick nicht zu ihr.“
„Wo liegt sie?“, fragte Harry.
„Nach der Untersuchung wird man sie ins vierte Obergeschoss bringen: ’Fluchschäden und Zauberunfälle’. Miss Adair wird vorübergehend auf der Janus Thickey-Station liegen. Fragen Sie einfach nach…“
Harry unterbrach aufgebracht: „Auf der Janus Thickey-Station? Aber da liegen doch die Unheilbaren!“
„Regen Sie sich nicht auf, Mr. Potter. Sie wird nur vorübergehend dort liegen, bis auf einer anderen Station ein Bett freigeworden ist. Fragen Sie die Stations-Heilerin Miriam Strout“, sagte Gwen beschwichtigend.
Harry nickte und wiederholte nochmal: „Viertes Obergeschoss!“ Gwen bestätigte wortlos.

Als Harry bei Sirius angekommen war, der mit trüben Augen gedankenverloren in die Gegend starrte, sagte er leise: „Man wird Anne in den vierten Stock bringen. Im Augenblick wird sie noch untersucht, Sirius. Wollen wir in den vierten Stock gehen oder später…“
„Gehen wir hoch“, sagte Sirius mit kraftloser Stimme.

Oben angekommen war Harry wieder derjenige, der das Reden übernehmen musste, weil Sirius nichts herausbringen konnte. Mrs. Strout erklärte, dass sie nicht wüsste, wann die Untersuchungen von Miss Adair beendet wären und dass man nichts anders tun konnte als warten.

„Ich könnte Ihnen höchstens anbieten Sie anzuflohen, wenn Miss Adair das Bett auf meiner Station belegt“, sagte Mrs. Strout. Mit dieser Information ging Harry hinüber zu seinem Patenonkel, der auf einem Stuhl im Wartebereich Platz genommen hatte.
„Sirius? Wie wäre es, wenn wir nachhause gehen und auf einen Ruf von Heilerin Strout warten? Sie sagte, Sie würde uns Bescheid geben, wenn Anne hier ist.“
„Nein Harry, ich bleibe hier. Du kannst ruhig zurückgehen und…“
Harry fiel Sirius ins Wort: „Ich kann dich doch nicht einfach hier alleine lassen.“
Sirius musste für einen Moment lächelnd, bevor sein Gesicht sich vor Schmerz verzerrte. Mit gebrochener Stimme versicherte er seinem Patensohn: „Ich bin erwachsen, Harry.“ Sirius machte ein Gesicht, als würde er seine eigene Aussage nicht glauben. „Es mag Zeitverschwendung sein, hier zu warten, aber ich habe nie von mir behauptet, vernünftig zu sein.“ Wieder lächelte Sirius, doch diesmal sah er Harry dabei an und gleich darauf sagte er: „Ich will in ihrer Nähe sein und weil sie hier im Krankenhaus ist, möchte ich hier bleiben.“ Harry nickte mitfühlend. Wäre es Ginny, die hier liegen würde, würde er das Gebäude auch nicht verlassen wollen. „Du kannst gehen, Harry. Ich werde mich sofort melden, wenn ich etwas weiß! Und habe bloß kein schlechtes Gewissen wegen mir; das brauchst du nicht zu haben.“

Harry blieb an Sirius’ Seite.

Zwischen Remus und Hermine war derweil eine hitzige Diskussion entstanden, die über Annes Schicksal hinaus das Schicksal aller Muggel betraf, die bisher von einem Vergissmich Besuch erhalten hatten.

Hermine regte sich über die Machenschaften auf und meckerte: „Das Ministerium sollte mit einer viel höheren Strafe für das Zaubern vor Muggeln drohen, dann würde es gar nicht erst dazu kommen, dass die Vergissmich irgendwelche Erinnerungen löschen müssen.“
„Darum braucht man gar nicht zu streiten. Es sind aber leider nur wenige Hexen und Zauberer, die wirklich Acht darauf geben, in wessen Gegenwart sie zaubern. Vielen sind die Muggel egal. Dann wird halt gezaubert, was das Zeug hält – die Vergissmich werden’s schon wieder richten“, sagte Remus missgelaunt.
Hermine warf in den Raum hinein: „Man müsste eine totale Gesetzesreform durchführen.“ Sie blickte Remus an und fragte leise: „Wie sieht es eigentlich mit Tonks und dir aus? Ihr werdet hoffentlich warten oder?“ Sie meinte die Hochzeit und Remus nickte.
„Ja, wir haben uns das nochmal genau überlegt und wir wollen warten. Kingsley und seine ’kleine Gruppe’ legen sich mächtig ins Zeug, um zumindest die Gesetze für Tierwesen, Halbmenschen und ähnliche Kreaturen…“
Hermine unterbrach und forderte ihn mit warmer Stimme dazu auf: „Nenn dich bitte nicht selbst ’Kreatur’, Remus, nur weil du vom Gesetz her in die Schublade der Tierwesen gesteckt worden bist.“
Remus lächelte milde und nickte, bevor er sagte: „King ist mit der Überarbeitung der Gesetze schon gut vorangeschritten. Es haben immer mehr Leute ihre Hilfe angeboten. Ich glaube, sogar Sanguini und Worple unterstützen ihn tatkräftig. Worple hat King zwei Anwälte vorgestellt, die kostenlos helfen. Es geht immer schneller voran, aber trotzdem ist es zeitraubend.“ Remus seufzte, bevor er anfügte: „Aber die Zeit haben Tonks und ich auch noch.“

Remus bewirtete Hermine und schenkte ihr Tee ein, stellte ein Teller mit etwas Gebäck auf den Tisch und unterhielt sich weiterhin mit ihr. So belanglos klingend wie nur möglich fragte er: „Wie geht’s so mit Severus voran? Kommt ihr gut miteinander aus?“
„Ja, er ist soweit in Ordnung.“ Sie grinste verschmitzt, bevor sie leise sagte: „Manchmal ist er etwas zickig.“
Aufgrund ihrer Bemerkung musste Remus lachend schnaufen, bevor er nachfragte: „Zickig?“
„Ach, das ist…“ Sie hielt inne und suchte nach passenden Worten, doch fand keine. „Ich weiß nicht, wie ich ihn sonst beschreiben soll. Er ’stänkert’ manchmal ganz schön, aber irgendwie macht mir das nichts weiter aus, weil er es entweder nicht ernst meint oder ich einfach dagegenhalte. Insofern komme ich mit ihm klar.“

Nach einer weiteren Tasse Tee atmete Hermine aufgebracht einige Male tief durch, bevor sie leise sagte: „Anne hätte sich nicht beschweren dürfen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Die Erinnerung, die man ihr als Kind gelöscht hatte, hätte sie sowieso nie zurückbekommen. Und ich befürchte, dass es jetzt für sie noch viel schlimmer aussieht.“
„Mal nicht den Teufel an die Wand, Hermine. Du hast selbst im Mungos gelernt und weißt, dass die Leute etwas von ihrer Arbeit verstehen“, mahnte Remus, als plötzlich sein Kamin flackerte und Harry ins Wohnzimmer trat.

„Irgendwelche Neuigkeiten?“, fragte Remus sofort sehr besorgt.
„Nein, wir wissen noch gar nichts“, antwortete Harry. Er erinnerte sich an das, was Hermine vorhin gesagt hatte und blickte sie daher an, bevor er erklärte: „Man untersucht sie noch. Sirius wartet auf sie und er hat mich nach einer halben Stunde weggeschickt.“ Harry ließ sich neben Hermine auf der Couch nieder und Remus schenkte ihm einen Schluck Kürbissaft ein, als Harry plötzlich fragte: „Warum wohnst du jetzt eigentlich in Hogsmeade?“
Remus blickte auf und überlegte einen kurzen Moment, bevor er sagte: „Ich weiß nicht, ob ich es vorweg erzählen darf, aber warum eigentlich nicht? Albus wollte es auf einer der nächsten Lehrerversammlungen sowieso ansprechen.“ Er legte eine Pause ein, doch da Hermine und Harry ihn anstarrten, offenbarte er ganz schnell: „Wir wissen, dass diese Sekte über Hogwarts unterrichtet ist. Die wissen, wo die Schule liegt und…“
Hermine unterbrach: „Das sind Muggel! Die werden Hogwarts gar nicht sehen…“ Sie dachte an Anne, die als Muggel Hogwarts betreten hatte, und fügte letztendlich bestürzt hinzu: „Oh!“
„Nun, ich bin hier, um die Gegend im Auge zu behalten. Ich habe gestern schon damit angefangen, einige Überwachungszauber in der Umgebung zu verteilen und werde damit bald weitermachen“, schilderte Remus.
Harry räusperte sich. „Es wäre vielleicht besser, die Schule zu schließen.“ Remus und Hermine wussten, dass der Satz auch hätte lauten können „Ich möchte, dass Ginny sicher ist.“ Außerdem wollte Harry wissen: „Weißt du von Tonks, was man mit den Vergissmich gemacht hat, die Anne aufgesucht haben?“
„Ja, sie sagte, dass die beiden und die Abteilungsleiterin, die den Auftrag gegeben hatte, entlassen worden sind und alle drei jetzt in Untersuchungshaft sitzen. Arthur hat Susan und Kingsley damit beauftragt, die ’Abteilung für magische Unfälle und Katastrophen’ vorerst zu übernehmen und ein waches Auge darauf zu haben, was für Anträge eingehen und um welche Muggel man sich wirklich kümmern müsste. Alles wird den beiden vorgelegt, bevor die Vergissmich losziehen“, erklärte Remus.
„Noch mehr Arbeit für Susan“, stöhnte Hermine, denn sie hatte sich mit ihr auf ihrem Geburtstag kurz unterhalten – wie mit jedem Gast – und es war erstaunlich, dass Susan bei dieser vielen Arbeit noch immer den Horizont sehen konnte.

Harrys Magen knurrte und während er sich den Bauch rieb, sagte er: „Ich hab Hunger. Ich glaube, wir gehen langsam zurück. Wie spät…“
Remus antwortete schnell: „Nach halb sechs. Ich denke, in Hogwarts beginnt gleich das Abendessen. Ihr wisst ja jetzt, wo ihr mich finden könnt. Wenn sich Sirius bei dir melden sollte, Harry, dann…“
„Ich melde mich sofort, wenn ich was weiß“, versicherte Harry.

Die beiden nahmen den Kamin zurück in Harrys Wohnzimmer. Von Wobbel ließ er sich ein Abendessen für zwei bringen, als plötzlich die Tür aufgeschlagen wurde und ein aufgebrachter Severus im Wohnzimmer stand, der die Tür gleich wieder mit Wucht ins Schloss warf.

„Was gibt es?“, fragte Severus mit Bestimmtheit. Nachdem Hermine und Harry einen Blick ausgetauscht hatten, weil sie sein Anliegen nicht erfassen konnten, erklärte Severus mit schmieriger Stimme: „Harrys Schüler stehen ohne Lehrer da, so dass ich auch noch die Klassen übernehmen muss und Sie, Hermine, sind über dreieinhalb Stunden zu spät zu unserem Unterricht!“ Hermine machte ganz große Augen, weil sie völlig vergessen hatte, Severus in irgendeiner Form Bescheid zu geben, warum sie nicht gekommen war. „Wenn ich also fragen dürfte, warum ein so abrupter Unterrichtsabbruch“, er blickte zu Harry, „und die Abwesenheit beim Lehrmeister“, Severus warf Hermine einen Blick zu, „von Nöten gewesen war? Möglicherweise haben Sie beide einen kleinen Abstecher nach Aberdeen gemacht?“ Es war deutlich herauszuhören, dass er den beiden genau das unterstellte.
Hermine erklärte ehrlich und ohne Umschweife: „Anne hatte ’Besuch’ von zwei Vergissmich und liegt jetzt im Mungos.“
Severus blinzelte erst einmal, dann zweimal, bevor er den Mund öffnete, doch gleich wieder schloss. Er trat zwei Schritte an den Tisch heran und sagte: „Miss Adair ist doch mit einem Zauberer liiert. Warum dann…“
Unterbrechend klärte Hermine ihn auf: „Das war nicht genehmigt. Jemand wollte etwas vertuschen und hat auf eigene Faust ihre Erinnerungen löschen wollen.“

Harry bot seinem Kollegen nicht nur einen Platz an, sondern auch ein gemeinsames Abendessen und Severus nahm beides an.

„Wir haben heute etwas erfahren, das auch für Sie interessant sein könnte“, sagte Harry, um sich von dem nervenaufreibenden Schicksal von Anne und Sirius abzulenken.
„Und was sollte das sein? Hat Svelte sein Lehreramt niedergelegt?“, fragte Severus gefühlskalt.
Harry ging nicht auf die Bemerkung ein, sondern sagte: „Remus hat uns erzählt, dass diese Hexenjäger angeblich wissen sollen, wo Hogwarts liegt!“
Nachdenklich schwenkte Severus sein Glas mit Kürbissaft, bevor er leise sagte: „Wenn das wahr sein sollte, sollten wir Albus dazu bringen, die Schule zu schließen.“
„Albus wird uns auf einer der nächsten Lehrerversammlungen davon berichten, meinte Remus. Remus selbst soll die Gegend um die Schule im Auge behalten und…“
„Einem Werwolf überreicht man so eine gewichtige Aufgabe?“, fragte Severus erstaunt. „Warum keinem Auror?“ Etwas erbost fügte er hinzu: „Warum nicht mir?“ Diese Frage beantwortete sich Severus in Gedanken selbst, bevor er murmelte: „Ich brauche dringend einen Zauberstab!“
„Hat Ollivander noch immer nicht…“
Severus unterbrach Hermine zänkisch: „Haben Sie mich in letzter Zeit mit einem Zauberstab wutschen sehen?“ Sie kniff ihre Lippen zusammen, erwiderte jedoch nichts. „Wie spät ist es?“, fragte Severus plötzlich wieder in normalem Tonfall.
Harry schaute zur Uhr hinüber und sagte: „Zehn vor sechs.“
„Ich gehe in die Winkelgasse“, verkündete Severus, der abrupt aufstand und sich Harrys Kamin näherte.
Hermine informierte ihn darüber: „Ollivanders schließt aber um sechs!“
„Genügend Zeit für mich“, murmelte er. In normaler Lautstärke sagte er zu Hermine: „Sie sagten, Sie wollten mich einmal begleiten. Das ist Ihre Gelegenheit, Hermine. Sie können Zeuge dessen werden, wie ich Mr. Ollivander ein paar unschöne Dinge an den Kopf werfe!“
„Nein, dazu habe ich wirklich keine Lust“, entgegnete sie ungerührt.
„Dann eben ohne die ’unschönen Dinge’. Wie sieht’s aus?“
„Das schaffen wir nie“, nörgelte Hermine, die sich jedoch von der Couch erhob und sich bereits ihren Umhang griff.
„Wir sollten das Geschäft zeitlich erreichen. Am günstigsten wäre es, wenn wir zum Tropfenden Kessel flohen, dann in die Winkelgasse gehen und Mr. Ollivander daran hindern, seinen Laden überpünktlich zu schließen“, sagte Severus selbstsicher, bevor er seiner Schülerin an Harrys Kamin den Vortritt ließ.

Im Pub herrschte bereits reges Treiben. Ein leicht angetrunkener, betagter Zauberer blickte auf, als Hermine und Severus an ihm vorbeigingen und grüßte lallend, während er seinen Becher mit Wein hob: „Auffn Ordnsträger…“ Niemand hörte ihn, so laut war es hier. Der Barbesitzer Tom nickte beiden freundlich zu.

Als sie den Hinterhof erreicht hatten, wollte Severus aus reiner Gewohnheit seinen Zauberstab aus dem linken Ärmel ziehen, um die Backsteinmauer mit ihm zu berühren, damit sich das Tor öffnen würde. Er stöhnte genervt auf, doch bevor er stablose Magie anwenden konnte, zog Hermine einfach kommentarlos ihren Zauberstab und öffnete den magischen Durchgang. Ein Blick auf ihre Uhr verriet, dass sie noch drei Minuten Zeit hatten. Mit Severus konnte sie kaum mithalten, so einen schnellen Schritt hatte er am Leib, doch verlieren konnte sie ihn nicht, denn sie wusste ja, wo sich der alte Zauberstabladen befand.

„Eine Minute vor sechs“, sagte Hermine, als Severus vor der Tür zum Geschäft stand.
„Bitte warten Sie einen Moment draußen, Hermine. Nur einen Moment“, bat er höflich, bevor er den Laden betrat. Sie versuchte, durch ein Fenster zu sehen, doch drinnen war es spärlich beleuchtet und die Scheiben waren zudem nicht die saubersten. Sie konnte absolut nicht hören, was in dem Geschäft vor sich ging, also betrachtete sie einfach die Gegend und ließ ihn einen Augenblick allein.

Im Verkaufsraum sah sich Severus ein wenig um. Überall lagen offene Kisten und deren Inhalt – die Zauberstäbe – herum. Es wirkte so, als hätte Mr. Ollivander etwas gesucht.

„Mr. Ollivander?“, rief Severus in den Verkaufsraum hinein.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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Beitrag von Muggelchen »

097 Zauberstäbe seit 382 v. Chr.




Severus erschrak, als Mr. Ollivander plötzlich hinter ihm stand und flüsternd grüßte: „Professor Snape, welch Überraschung.“ Der Tonfall ließ erkennen, dass Severus’ Besuch keinesfalls eine Überraschung für den alten Zauberer darstellte.
„Bevor wir uns in einer höflichen Konversation verlieren“, Severus schnaufte missbilligend, „lassen Sie sich gesagt sein, dass ich Ihr Verhalten mir als Kunden gegenüber nicht schätze. Wollen Sie mich nur hinhalten oder sind Sie das erste Mal in Ihrem Leben als Zauberstabhersteller an Ihre Grenzen gestoßen?“
Nicht ein kleines bisschen ungehalten über Severus’ Worte antwortete Mr. Ollivander: „Ja, in der Tat. So könnte man es am besten ausdrücken.“ Doch bevor sein Kunde nachfragen konnte, erklärte Mr. Ollivander, der zu seinem Tresen hinüberging, um die vielen Zauberstäbe wieder in ihre Schachteln zu legen: „Ich weiß, Professor Snape, dass ich einen passenden Zauberstab für Sie habe, aber noch nicht jetzt.“
„Was soll ich von so einer Aussage halten?“, fragte Severus zynisch. „Beim ersten Kauf war bereits der zweite Stab, den Sie mir in die Hand gedrückt hatten, der richtige gewesen! Warum sollte es jetzt so unmöglich sein, mir einen anderen zu verkaufen?“
„Bei einem Kind mit seiner unschuldigen und beflügelten Wesensart ist es keine allzu schwierige Aufgabe, den passenden Kern für einen Stab ausmachen zu können. Sie waren ein eher schüchterner, unsicherer Junge und…“
Wegen der unverhofften Erinnerung an früher unterbrach Severus aufgewühlt und er zischelte drohend: „Ich bin nicht hier, um in alten Zeiten zu schwelgen, sondern um etwas zu erwerben!“ Diese in Severus aufschäumende Wut war Mr. Ollivander nicht entgangen, doch er bekam keine Gelegenheit, etwas entgegnen zu können, denn Severus bemängelte nun Ollivanders Handwerk: „Womöglich sind Sie aufgrund Ihres vorangeschrittenen Alters einfach nicht mehr in der Lage, Ihren Beruf ordentlich auszuführen?“
Mr. Ollivander, wie ihn noch niemand zuvor erlebt hatte, schnaufte wütend wie ein Stier und konterte: „Nehmen Sie sich nicht zu viel heraus, Snape! Ich habe schon Stäbe an Ihre Großeltern verkauft und…“
Severus unterbrach mit schmieriger Stimme: „Die ich nicht gekannt habe und die mir nie von Ihrem Geschick als Zauberstabhersteller berichten konnten.“
Ollivander strengte sich an, nicht die Ruhe zu verlieren und sagte daher gezwungen freundlich: „Ich werde mich bei Ihnen melden, wenn ich weiß, welchen Kern ich verwenden kann.“
„Was soll der Unfug?“, giftete Severus. „Was gibt es da noch zu überlegen? Nehmen Sie einfach den Stabkern, den ich schon früher hatte.“
„Aber das ist nicht der richtige!“, schimpfte Mr. Ollivander nun lauter. „Ich verstehe etwas von meiner Arbeit und ich werde Ihnen nicht einfach einen Stab verkaufen, nur weil ich ein bestimmtes Material nicht auf Lager habe.“
„Oh“, machte Severus vorgetäuscht erstaunt, „was ist es denn, das Ihnen fehlt? Ich bin mir sicher, ich könnte mit Hilfe von Harry Potter den fehlenden Stabkern irgendwo auftreiben. Daran soll es nun wirklich nicht scheitern, wenn ich schon Freundschaft mit einem so prominenten Mann geschlossen habe. Was muss ich besorgen?“

Mr. Ollivanders blasssilberne Augen funkelten wütend, denn jetzt schien der Moment gekommen zu sein, in welchem er zugeben müsste, den Kern nicht zu kennen. Er wusste lediglich, denn es war eine Gabe von ihm, dass er „später“ einen passenden Stab für diesen besonderen Kunden anfertigen können würde, aber jetzt war noch nicht der richtige Zeitpunkt.

„Ich warte?“, stichelte Severus.
„Mir ist der Kern nicht bekannt“, gab Ollivander ehrlich zu.
„Wie bitte? Dann heißt das, Sie halten mich nur hin?“, fragte Severus durch zusammengebissene Zähne.
„Missinterpretieren Sie meine Aussage nicht! Ich weiß, dass ich Ihnen ’später’…“
Severus fuhr dem alten Zauberstabmacher über den Mund und sagte aufgebracht: „Was heißt denn dieses ’später’? Warum nehmen Sie nicht einfach den intakten Kern meines gebrochenen Stabes?“
Durch verengte Augenlider blickte Mr. Ollivander ihn an, bevor er offenbarte: „Den alten Stab habe ich entsorgt.“

Wie in Zeitlupe weiteten sich Severus’ Augen vor Entsetzen. Seine Atmung wurde heftiger und er fragte sich, was die gerechte Strafe für einen Mann sein könnte, der ungefragt den ersten Zauberstab seines Lebens ohne Erlaubnis zum Unrat geworfen hatte.

Bebend vor Zorn und mit geballten Fäusten fragte Severus: „Sagen Sie, haben Sie den Verstand verloren?“
„Der alte Stab war verdorben. Von ihm konnte ich nichts mehr gebrauchen“, versicherte der Verkäufer.

Das Geräusch einer auf den Tisch aufschlagenden Faust und der gleich darauf folgende, fast melodische Klang von Holzstäben, die auf Dielen aufschlugen, ließ Mr. Ollivander einmal kurz zusammenzucken. Severus’ Brustkorb hob und senkte sich in schnellem Tempo und die verkrampfte Faust verweilte noch einen Moment auf dem Tresen, bevor sie auch noch die kleine, silberfarbene Klingel von jener Oberfläche fegte, über die er als Kind nicht einmal hatte hinüberschauen können.

„Es ist genug, Professor Snape! Verlassen Sie meinen Laden und…“
Severus wurde lauter. „Sie fegen meinen Zauberstab zusammen mit dem Kehricht einfach aus Ihrem Laden heraus? Und was soll das heißen, der Kern wäre verdorben gewesen?“
„Das bedeutet“, Mr. Ollivander hatte ebenfalls die Stimme erhoben, „dass er unbrauchbar geworden war!“
„Sie reden Unsinn! Wie soll ein Stab ’schlecht werden’ können? Mir kommt es eher so vor, als hätte meine Kaufanfrage Sie in eine persönliche Krise gestürzt. Dann sind Sie wohl doch nicht so gut wie jeder behauptet“, fluchte Severus bösartig.
Das wollte Ollivander nicht auf sich sitzen lassen, weshalb er mit überlegendem Lächeln fragte: „Wo haben Sie Ihren Stab immer aufbewahrt, Professor Snape?“
„Das geht Sie überhaupt nichts…“
Mr. Ollivander fiel ihm ins Wort. „Sie haben ihn an Ihrem linken Unterarm getragen und da fragen Sie noch, warum Ihr alter Stab verdorben war?“ Als Severus nichts erwiderte, stellte Mr. Ollivander klar: „Das dunkle Mal hat nicht nur Sie vergiftet. Geben Sie nicht mir dafür die Schuld; weder für das eine noch für das andere.“
„Was soll das wieder heißen?“, fragte Severus, der gleich darauf auf Mr. Ollivander zugestürmt war, den alten Mann am Schlafittchen packte und gegen den Tresen drückte. Flüsternd fragte Severus: „Wollen Sie mir damit sagen, dass Sie keine Stäbe an ehemalige Todesser verkaufen wollen oder wie sonst soll ich Ihr Gefasel auslegen?“
Angriffslustig zischelte Mr. Ollivander zurück: „Sie interpretieren meine Aussage schon wieder falsch.“

In diesem Moment ertönte die kleine Glocke über der Tür, die ankündigte, dass gerade jemand den Laden betreten hatte. Das Geräusch eines erschreckt klingenden Atemzuges ließ Severus über seine Schulter schauen und er fragte sich, was für ein Bild er jetzt wohl für seine Schülerin abgeben würde: der Ex-Todesser, der einen betagten, angesehenen Bürger der Gesellschaft körperlich bedrohte. Damit sich dieses Bild nicht in Hermines Gedächtnis einbrennen würde, ließ er sofort von dem alten Mann ab. Severus sammelte sich und atmete tief ein und aus, bevor er von einer Hand auf seiner Schulter überrascht wurde.

„Severus? Ist alles in Ordnung?“, hörte er Hermine unsicher fragen.
Am liebsten hätte er erwidert, dass nichts in Ordnung wäre, doch die Wut, die ihn eben noch so sehr übermannt hatte, die war von der auf seiner Schulter liegenden Hand vertrieben worden. Als sich die ausstrahlende Wärme durch die Kleidung bis auf seine Haut hindurchgekämpft hatte, da musste er sich von ihr lösen, um sich nicht zu verlieren und so ging er zwei Schritte von ihr weg, bevor er monoton zu Mr. Ollivander sagte, ohne ihm jedoch dabei in die Augen zu sehen: „Es tut mir Leid, falls ich Sie missverstanden haben sollte. Wenn Sie mir sagen würden, wann Sie einen Zauberstab für mich auf Lager hätten?“
„Ich sagte schon“, Mr. Ollivander klang entkräftet, „dass ich Ihnen keinen Termin nennen kann.“
Der Klang ihrer Stimme in seinem Ohr beruhigte ihn noch mehr, als er ihr lauschte, denn Hermine hatte das Wort an den Zauberstabmacher gerichtet: „Mr. Ollivander, verzeihen Sie mir, wenn ich das sage, aber als ich meinen Stab bei Ihnen gekauft hatte, da haben Sie mir erklärt, dass der Stab sich seinen Zauberer aussuchen würde. Wenn kein passender Stab da ist, dann müssen Sie also extra einen anfertigen?“
„Wie ich Professor Snape schon mitgeteilt habe, fehlt mir ein bestimmtes Bauteil. Spitzenleistungen erzielen die Stäbe nur, wenn für jeden Kunden individuell die Komponenten abgestimmt werden konnten. Ich habe nicht nur schon das perfekte Holz für Professor Snapes neuen Stab, sondern es ist zudem vom richtigen Baum, aber ohne den Kern…“
Severus lenkte ein und sagte zurückhaltend distanziert: „Ich bedanke mich für Ihre Mühe, werde mich jedoch leider woanders umsehen müssen. Auf Wieder…“
„Moment“, unterbrach Hermine, „ich würde gern…“

Weil Severus sie so eindringlich anblickte und ihr damit zu verstehen gegeben hatte, dass er unbedingt gehen wollte, legte sie entschuldigend eine Hand auf seinen Oberarm und in diesem Moment fielen ihr seine warmen Augen auf. Sie blickten sich einen Moment an, bis ein Räuspern des Ladenbesitzers diesen Moment beendete.

Severus ahnte, dass Hermine mit Mr. Ollivander reden wollte, weswegen er leise sagte: „Ich werde draußen auf Sie warten, Hermine.“
„Gut“, flüsterte sie lächelnd zurück.

Sie hoffte, dass er nachher noch immer brauen Augen haben würde, denn ihr war aufgefallen, dass diese Wandlung immer häufiger während ihrer Arbeit mit ihm vonstatten gegangen war, doch sie hatte es ihm gegenüber einfach nicht mehr angesprochen, weil er die letzten Male aufbrausend geworden war oder abweisend reagiert hatte. Sie hatte es daher einfach still genossen, mit einem umgänglichen Severus zusammenarbeiten zu können, denn nicht nur seine Augenfarbe war in diesen Momenten milder geworden.

Höflich nickte Severus dem Zauberstabmacher zur Verabschiedung zu, bevor er den Laden verließ. Hermine wandte sich gleich darauf an den älteren Zauberer und sagte: „Mr. Ollivander, ich würde gern mit Ihnen reden.“

Als sie ihn angesehen hatte, war ihr sofort aufgefallen, dass Mr. Ollivander sie mit seinen großen, leuchtenden Augen starr anblickte und nach einem Moment, in welchem er über etwas nachgedacht zu haben schien, näherte er sich ihr einige Schritte, bevor er ganz dicht vor ihr stand und völlig unverhofft zu lächeln begann. Hermine ließ sich von dem Lächeln anstecken, doch gleichzeitig formte sich die erste Frage in ihrem Kopf, denn sie wollte von dem Zauberstabmacher wissen, warum es für Severus keinen Zauberstab in diesem Laden geben würde.

„Miss Granger“, sagte Ollivander bedächtig, während er eine Hand behutsam auf ihre Schulter legte. „Der neue Stab für Professor Snape war eine berufliche Herausforderung für mich gewesen. Um den Kern seines Zauberstabes bestimmen zu können, musste ich nach langer Zeit wieder in den uralten, handgeschriebenen Aufzeichnungen meines Ururgroßvaters stöbern, doch schlussendlich fiel mir die Antwort gerade wie aus heiterem Himmel in den Schoß.“ Hermine strahlte, nachdem sie herausgehört hatte, dass sich Mr. Ollivander über den Kern im Klaren geworden war und es nicht mehr lange dauern dürfte, bis Severus einen neuen Stab erhalten würde, doch bevor sie danach fragen konnte, nahm Mr. Ollivander seine Hand von ihrer Schulter. Mit seinen knorrigen Fingern strählte er ihr widerspenstiges Haar, als er sie bat: „Sagen Sie doch bitte Professor Snape, dass er seinen neuen Zauberstab in zwei Wochen bei mir abholen kann.“ Sie nickte und er ließ gleich darauf von ihrem Haupt ab.
„Wie viel wird der Stab kosten?“, fragte Hermine noch, während sie sich von dem älteren Herrn zur Tür begleiten ließ.
„Ein Teil des Kerns besteht aus einem kostspieligen Bestandteil, der auch Zaubertränken als Zutat dienen kann und nur deshalb werde ich leider einundzwanzig Galleonen nehmen müssen, aber sagen Sie Professor Snape, dass ich ihm drei Galleonen Nachlass gewähre, weil er so ’geduldig’ gewesen war“, antwortete Mr. Ollivander und öffnete die Tür. „Auf Wiedersehen, Miss Granger.“
„Auf Wiedersehen“, sagte sie verabschiedend.

Nachdem sich die Ladentür hinter ihr geschlossen hatte, blickte sie sich um. Es war schon dunkel geworden und es regnete ein wenig. Die Läden waren jetzt um zwanzig nach sechs bereits geschlossen, die Lichter waren gelöscht. Weit und breit war niemand zu sehen, weshalb sie einige Schritte auf dem Kopfsteinpflaster machte und sich umschaute. Einzig Fortescues Eissalon hatte noch geöffnet, denn in der Ferne konnte sie sehen, wie jemand die Stühle und Tische wegen des schlechten Wetters von der Terrasse entfernte. Da sie Severus nirgends sehen konnte, näherte sie sich dem Eissalon und nach wenigen Minuten stand sie dem Besitzer Florean Fortescue persönlich gegenüber.

„Ein miserables Wetter zum Abend“, sagte er lächelnd.
„Ja, aber der Tag war dafür schön gewesen.“
Den letzten Tisch mit seinem Zauberstab verschwinden lassend sagte Florean freundlich: „Ich habe Ihrem Professor gestattet, drinnen auf Sie zu warten, weil es zu regnen begonnen hat. Eigentlich habe ich schon geschlossen.“
„Das ist nett von Ihnen, Mr. Fortescue. Ich gehe rein und werde ihn holen“, sagte Hermine und nachdem der Besitzer genickt hatte, öffnete sie die Tür und trat ein.

Den Eissalon hatte sie, besonders während ihrer Schulzeit, sehr häufig besucht, doch noch nie hatte sie den Laden ohne eine nette Verkäuferin hinter der jetzt dunklen Theke gesehen. Die umgedrehten Stühle waren bereits mit ihrer Sitzfläche auf den Tischen verstaut. Die Lichter waren, bis auf eines, erloschen und das Einzige, welches im Verkaufsraum noch strahlte, war jenes, welches – ähnlich einer Kerze – auf genau dem Tisch stand, an welchem Severus unbeweglich verweilte. Den sich ihr bietenden Anblick konnte man am besten mit dem Wort „trostlos“ beschreiben, denn Severus stützte seinen Kopf mit einer Hand ab, während die schmalen Finger der andere den runden, magischen Gegenstand betasteten, der für Licht sorgte.

Sie kam auf den Tisch zu und setzte sich, ohne sich vorher angekündigt zu haben. Über ihre plötzliche Anwesenheit, denn gehört hatte er sie nicht, war er sehr erschrocken, aber nur einen kurzen Moment. Sofort streckte er den Rücken und setzte sich aufrecht hin; gab sich so, wie sie ihn kennen durfte.

Er öffnete bereits den Mund, um etwas zu fragen, da kam sie ihm zuvor, denn sie sagte zuversichtlich lächelnd: „Mr. Ollivander lässt ausrichten, dass Sie Ihren Zauberstab in zwei Wochen abholen können.“
Hermine bemerkte, dass Severus’ Augen sich für einen kurzen Moment weiteten, bevor er fragte: „Wie haben Sie denn das geschafft?“
Sie schürzte die Lippen und hob die Schultern, die sie gleich wieder locker fallen ließ, bevor sie schäkernd antwortete: „Wie Frauen das halt so machen: ein freundliches Lächeln, ein paar Scherzchen und ab und an ein wohlüberlegtes Augenzwinkern.“ Sie musste laut lachen, nachdem er ungläubig beide Augenbrauen in die Höhe gezogen hatte und sie klärte ihn schnell auf: „Nein, das war nur ein Scherz. Ich wollte Sie ein wenig aufmuntern.“ Sie lächelte ihm zu und erzählte: „Er sagte, er wüsste jetzt, welcher Kern für Ihren Stab der passende wäre. Es wäre wohl etwas kostenintensiver, aber anstelle von einundzwanzig Galleonen müssen Sie nur achtzehn zahlen.“
Er warf amüsiert ein: „Harry muss achtzehn zahlen!“
Sie grinste, bevor sie von Mr. Ollivander noch ausrichtete: „Mr. Ollivander meinte, das wäre ein kleiner Preisnachlass für Ihre ’Geduld’.“

Ein wenig verärgert kniff Severus die Augen zusammen, aber nicht wegen Hermine, sondern wegen Ollivanders Dreistigkeit, ihm noch im Nachhinein durch seine Schülerin eine spitze Bemerkung zukommen zu lassen. Beide wurden gleichzeitig vom Geräusch einer sich öffnenden Tür auf Mr. Fortescue aufmerksam und Hermine war die Erste, die sich erhob und sich nochmals für die Gastfreundschaft bedankte, bevor sie mit Severus den Laden verließ.

In der halben Stunde, die sie in der Winkelgasse verbracht hatten, hatte sich der Pub „Zum Tropfenden Kessel“ bereits gut mit Gästen gefüllt, so dass kaum jemand auf Severus oder Hermine achtete, bis auf Tom, den Wirt, der den beiden zulächelte.

Irgendetwas hatte Severus zu ihr gesagt, doch sie hatte ihn wegen der lauten Unterhaltungen und dem ausgelassenen Gelächter der vielen Gäste nicht hören können, so dass sie sich ihm zuwandte und nachfragte. Er beugte sich zu ihr hinunter und fragte nochmals: „Möchten Sie auf ein Glas Wein bleiben?“
Diese Frage kam für sie sehr überraschend und gern hätte sie zugesagt, doch stattdessen erwiderte sie: „Würde ich sehr gern, aber nicht unbedingt hier.“ In seinen noch immer warmen Augen spiegelte sich etwas Enttäuschung wider, so dass er lediglich nickte, bevor er an ihr vorbeiging und auf den Kamin zusteuerte. Bevor er jedoch nach Hogwarts flohen konnte, hielt sie ihn am Ellenbogen fest und sagte im ins Ohr: „Ich würde lieber ’Die drei Besen’ besuchen.“ Die Enttäuschung von eben war aus seinen Augen verflogen. Er nickte zustimmend, bevor er ihr den Vortritt ließ.

Hermine kam als Erste in dem Wirtshaus in Hogsmeade an. Diese Gaststube war ihr viel lieber, denn sie war freundlicher und wesentlich sauberer als der Pub an der Winkelgasse, auch wenn es genauso verräuchert war, aber es war hier zumindest nicht so unangenehm laut. Severus stand bereits hinter ihr und er beugte sich nach vorn, bevor er dicht an ihrem Ohr sagte: „Dort hinten ist ein Tisch frei.“

Sie erblickte den freien Tisch und näherten sich ihm, während sie die Gäste im Vorbeigehen betrachtete. An einem Tisch saßen fünf Kobolde, die die Köpfe zusammengesteckt hatten und höchstwahrscheinlich flüsternd über bevorstehende Geldgeschäfte redeten. Mr. Zonko saß nach wohlverdientem Feierabend mit der Inhaberin von „Besenknechts Sonntagsstaat“ an einem Tisch und die beiden amüsierten sich offensichtlich köstlich, denn sie warf den Kopf nach hinten und lachte fröhlich. Hermine bemerkte an einem Tisch zwei Damen aus dem hiesigen Postamt und an aufgeschnappten Wortfetzen erahnte sie, dass die beiden sich über die bevorstehende Erhöhung der Eulenpost negativ ausließen, denn sie befürchteten, dass sie Kunden einbüßen würden, weil das Flohnetz immer größeren Anklang fand.

Zunächst ihren Umhang ausziehend nahm Hermine als Erste auf der hölzernen Bank in der Nische Platz, bevor sie ihre zusammengeworfene Garderobe in die Ecke schob. Severus setzte sich ihr gegenüber und sie bemerkte, dass einer seiner Mundwinkel für wenige Millimeter nach oben gezogen war. Dieses winzige Detail in seiner Mimik, welches seine Freude ausdrückte, ließ Hermine breit lächeln, was wiederum seinen Mundwinkel noch mehr in die Höhe schießen ließ.

Die Speisekarte in die Hand nehmend fragte er Hermine, bevor er die Karte aufschlug: „Wir haben das Abendessen in Hogwarts verpasst, weswegen ich gern mehr als nur ein Glas Wein bestellen möchte. Wie sieht es mit Ihnen aus, Hermine?“ Er öffnete die Karte auf und sein Blick fiel sofort auf das Tagesangebot. „Hätten Sie auch Appetit auf ’Hasenrücken nach Art des Hauses’?“
„Nein, nichts vom Hasen“, sagte sie mit gekräuselter Nase.
„Wieso nicht? Ich versichere Ihnen, aber das wissen Sie sicherlich selbst, dass Madam Rosmertas Küche eine der besten ist“, gab er ihr zu verstehen.
„Aber ich kann nichts vom Hasen essen!“, sagte sie bestimmender. Da er sie fragend anblickte, lachte sie kurz auf, bevor sie ihre kindisch klingende Erklärung gab: „Ich hatte mal Kaninchen als Haustiere.“
Er grinste, meldete sich jedoch erst wieder zu Wort, als er eine andere Spezialität entdeckt hatte und er sagte mit freundlichem Sarkasmus: „Da sich mit Sicherheit niemals ein Rind in Ihrer tierlieben Pflege befunden hat, wie sähe es dann mit dem ’Tafelspitz’ aus?“
Hermine lachte kurz auf, bevor sie wissen wollte: „Nehmen Sie den Hasenrücken?“
„Ich werde mich hüten, ein Gericht zu verzehren, welches Sie an Ihre entschlafenen Lieblinge erinnern würde.“
Hermine und Severus bemerkten nicht, dass die Bedienung eben an den Tisch gekommen war, denn Severus hörte aufmerksam zu, als sie noch amüsiert sagte: „Das ist wirklich sehr aufmerksam von Ihnen, Severus.“

Jetzt lächelte er sie – was überaus selten war – ganz herzlich an und für einen Moment strahlten dabei seine braunen Augen so eine Offenherzigkeit aus, die ihn schlagartig zu einem anderen Menschen werden ließen, bevor beide gleichzeitig ihren Blick auf die Bedienung richteten, die sie eben erst aus den Augenwinkeln bemerkt hatten. Severus’ Lächeln erstarb auf der Stelle, denn er starrte in das altbekannte Gesicht eines gewissen Werwolfs.

Bösartig zischelte Severus: „Lupin, was tun Sie denn hier?“
Remus benötigte einen Moment, um angemessen reagieren zu können, denn die Anwesenheit dieser beiden Gäste hatte ihn verdutzt. Nachdem er sich gefangen hatte, zückte er demonstrativ den Zauberstab und ließ ein kleines Stück Pergament zu sich schweben, welches er einmal antippte, damit es vor ihm in der Luft verweilte, bevor er mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen sagte: „Ich wohne hier, Severus, aber nicht nur das. Ich arbeite auch hier. Also, was darf es sein?“

Hermine schluckte, denn sie hatte nicht mehr daran gedacht, dass Remus seit neustem hier beschäftigt war. Diese Begegnung könnte ihrer Meinung nach Severus sehr unangenehm sein und daher riskierte sie einen Blick zu ihrem Gegenüber und bemerkte, dass Severus des Sprechens unfähig war. Remus rettete die Situation und sagte: „Oh, Ihr habt noch gar nicht gewählt. Dann komme ich in spätestens zehn Minuten noch einmal. Darf es in der Zwischenzeit schon etwas zu trinken sein?“ Severus antwortete noch immer nicht, sondern verarbeitete die momentane Situation, so dass Remus fragte: „Hermine? Einen Kürbissaft?“
Sie schluckte kräftig, bevor sie sich ein peinlich berührtes Lächeln abrang und aufgrund der Situation etwas Härteres bestellte. „Nein, ich nehme diesmal einen Whiskey.“
„Eine besondere Marke?“
„Völlig egal, aber ein Doppelten bitte!“, stellte sie klar.
Endlich hatte sich Severus gefasst und er verbesserte: „Ogdens Old, keinen anderen.“ Wesentlich leiser fügte er hinzu: „Und für mich auch einen Doppelten!“

Nachdem Remus den Tisch wieder verlassen hatte, bemerkte Hermine, dass Severus still geworden war und sie war sich sicher, dass das nur daran liegen würde, weil Severus sich in Remus’ Anwesenheit nicht wohl zu fühlen schien, doch trotzdem blieb er sitzen, obwohl er wahrscheinlich lieber aufgesprungen wäre, um doch den Tropfenden Kessel zu besuchen.

Um die Stille zu durchbrechen und um Konversation zu treiben, sagte Hermine: „Ich bin mir sicher, dass einer der Bestandteile des Kerns das Schwanzhaar eines Einhorns sein muss!“
Severus blickte sie überrascht an. Entweder hatte sie ihn aus seinen Gedanken gerissen oder er hatte einfach nicht mit einer Unterhaltung gerechnet, doch er zeigte Interesse an dem Gespräch und fragte nach: „Einer der Bestandteile? Mr. Ollivander benutzt einen weiteren?“
„Ja, er sagte nämlich, dass ’ein Teil des Kerns aus einem kostspieligen Bestandteil besteht, der auch Zaubertränken als Zutat dienen kann’. Mir fällt keine andere Zutat für Zaubertränke ein als ein Einhornhaar, denn das ist kostspielig. Natürlich dachte ich auch an ’Drachenherzfasern’, aber es gibt ja meines Wissens keinen Trank, in welchem sie verarbeitet wird, obwohl so ein Drachen eine Menge guter Zutaten liefern kann.“
„Wie zum Beispiel…?“, fragte er.
„Na, Dracheblut, das Horn, die Leber, Drachenklauen, selbst die Eierschalen!“, zählte sie fröhlich auf, doch dann stutzte sie. Sie grinste einseitig, bevor sie fragte. „Warum sollte ich die aufzählen? Sie kennen Sie doch sicherlich alle.“
„Ich wollte nur wissen, welche Sie nennen würden. Dass Sie sogar die Eierschalen erwähnt haben, obwohl diese nur in chinesischen Zaubertränken Verwendung finden, ist wirklich bemerkenswert. Ich werde gern welche aus China kommen lassen, damit wir zusammen einmal in den seltenen Genuss kommen können, ostasiatische Tränke zu brauen.“ Damit sie ihn nicht missverstehen würde, erklärte er: „Das würde sich auf jeden Fall positiv auf Ihre Meisterprüfung und Ihren daraufhin folgenden Werdegang als Zaubertränkemeisterin auswirken.“

Beide blickten nach der kleinen Unterhaltung in die Speisekarte und Hermine, die im Moment trotz ausgefallenen Abendessens gar keinen Hunger verspürte, entschloss sich für die gebratene Forelle. Mit seinem Zauberstab ließ Remus zwei Whiskeygläser auf dem Tisch landen, bevor er fragte, ob sie sich für ein Gericht entschieden hatten.

Weil Hermine noch schnell eine Beilage wählte, forderte sie Severus auf, seine Bestellung aufzugeben und sie hörte seine Stimme sagen: „Die Forelle, gebraten, mit allem, was dazugehört.“
Hermine horchte auf, bevor sie verdutzt sagte: „Ähm ja, die hätte ich auch gern.“
„Gute Wahl, ich mach mich gleich ran“, versprach Remus, doch Severus berührte ihn am Arm, so dass er stehen blieb.
„Sie sind derjenige, der das Essen zubereitet?“, fragte er skeptisch.
Sein Griff war nicht fest genug, um Remus festhalten zu können und so drehte der sich einfach um, bestätigte fröhlich, der Koch zu sein und ging nach hinten in die Küche.

Wieder sagten beide eine Weile lang gar nichts und erneut war es Hermine, die mit ihrer beschwichtigenden Stimme für eine lockere Atmosphäre sorgen wollte, denn sie sagte: „Ich habe wirklich vergessen, dass er jetzt hier bei Madam Rosmerta wohnt und auch als Kellner arbeitet. Wenn es Ihnen hier nicht gefällt, dann können wir immer noch…“
„Wir haben bereits bestellt!“, sagte er grantig.
Sie seufzte und versuchte, ein Gesprächsthema zu finden, weswegen sie mutig fragte: „Wie alt waren Sie, als Sie Ihren ersten Zauberstab bekommen haben?“
Er schnaufte und erwiderte gleich darauf missgelaunt: „Ich denke, Sie unterhalten sich regelmäßig mit Harry über mich? Ich bin mir sicher, dass er Ihnen dieses Detail genannt haben muss.“
Sie kniff die Lippen zusammen und gestand: „Ja, er hat es erwähnt, aber ich wollte wissen, ob das stimmt. Mit nur sechs Jahren? Ist das wirklich wahr?“
Am Ende hörte sie sich sehr interessiert an, so dass er bestätigte: „Meine Mutter war der Meinung, ich müsste einen bekommen.“
„Aber es ist doch verboten, als Minderjähriger zu zaubern“, sagte Hermine leise.
Severus grinste verstohlen, bevor er ebenso leise erklärte: „’Artikel 3 des Gesetzes zum Gebrauch des Zauberstabs’ untersagt Minderjährigen zwar gänzlich, einen Zauberstab zu tragen oder zu gebrauchen, aber man darf einen besitzen! Zudem ist der reine Erwerb eines Zauberstabes für eine minderjährige Person nicht illegal; meine Mutter hat für ihn bezahlt. Ich habe ihn lediglich vor dem Kauf einmal in der Hand gehalten und ich musste nicht einmal einen Zauberspruch sagen, um zu sehen, ob der Stab zu mir passt.“
Erstaunt zog Hermine eine Augenbraue hinauf und sagte: „Ihre Mutter war sehr schlau. Ich vermute, Sie haben als Minderjähriger bereits gezaubert, aber nur in der Gegenwart Ihrer Mutter, denn das Ministerium wäre davon ausgegangen, dass Ihre Mutter gezaubert hat und nicht ihr sechsjähriger Sohn.“
Mit seinen lebendigen Augen blickte er sie an, bevor er bestätigte: „Sie haben auch ein sehr helles Köpfchen, Hermine.“

Damit hatte er ihre Interpretation weder bestätigt noch dementiert, was sie amüsiert stimmte.
Irgendwann einmal hatte Sirius erwähnt, dass Severus als Erstklässler schon mehr Zaubersprüche auf dem Kasten gehabt hätte als die Siebentklässler, was ihr Harry anvertraut hatte. Jetzt wusste sie den Grund für seine frühen Kenntnisse, doch über eine Sache war Hermine sich nicht im Klaren, weswegen sie fragte: „Aber warum so früh? Nur, damit Sie in der Schule alle übertrumpfen?“
Er schluckte hörbar und blickte sich flüchtig um, bevor er ihr anvertraute: „Ich konnte leichte Zaubersprüche schon sehr früh anwenden und zwar stablos. Es waren nur Kleinigkeiten wie Levitation, aber das hatte schon ausgereicht, denn…“ er hielt inne, weil Lupin den Fisch brachte. Nachdem er serviert hatte, verließ er die beiden gleich wieder, doch zuvor hatte er sich noch vergewissert, dass die Gäste vorerst wunschlos waren.

Hermine rührte ihren Fisch nicht an, sondern blickte aufmerksam zu Severus hinüber, der sich deswegen dazu aufgefordert fühlte, seinen letzten Satz zu beenden. „Mein Vater hatte Angst vor mir.“
Ihr Mund bewegte sich, doch kein Wort verließ ihre Lippen, so dass er erklärend hinzufügte: „Meine Mutter hatte gehofft, mein Vater könnte die sich wie von selbst bewegenden Gegenstände leichter ertragen, wenn er mich mit einem Stab in der Hand sehen würde, wie er es so von ihr kannte.“
Sie senkte ihren Blick und starrte auf die Forelle, bevor sie niedergeschlagen sagte: „Das ist traurig.“
Sie versuchte gleich im Anschluss, die Stimmung ein wenig aufzuheitern. „Als meine Eltern bemerkt haben, dass die seltsamen Dinge, die um uns herum geschahen, von mir herzurühren schienen, haben sie sich alle möglichen Bücher über Parapsychologie gekauft. Sie wissen schon, Psychokinese und so was.“ Als sie bemerkte, dass ihm dieses Wort nicht sehr geläufig zu sein schien, erklärte sie: „Psychokinese wird in der Muggelwelt die angebliche Fähigkeit genannt, ausschließlich durch Gedankenkraft physikalische Vorgänge beeinflussen zu können. Letztendlich wäre es nichts anderes als stab- und wortlose Levitation und Verwandlungszauber.“
„So etwas gibt es in der Muggelwelt?“, fragte er erstaunt.
„Na ja, es wird eher belächelt so wie man hier jemanden belächeln würde, der behauptet, ’Schrumpfhörnige Schnarchkackler’ sehen zu können. Es gibt immer Skeptiker, aber ich finde, besonders als Wissenschaftler sollte man nicht zu kleingläubig reagieren, denn es sind doch Träume, die einen im Leben den Antrieb und den großen Forschungsdrang schenken und wenn man zu skeptisch ist, dann könnte es doch sein“, sie blickte ihn an, „dass wir bald keine Träume mehr haben.“

Ihre Worte hatten ihm die Sprache verschlagen, so dass Hermine sich nun still ihrem Fisch widmete, während er noch darüber nachdachte, ob sie eben absichtlich auf seinen Traum angespielt hatte oder ob nur er es war, der einen Gedanken an solche Assoziationen verschwenden würde.

Lupin brachte einen von Severus nebenbei bestellten Weißwein und schenkte ein, während er fragte: „Schmeckt’s?“
Hermine, die noch kaute, äußerte sich nicht verbal, sondern lächelte mit geschlossenem Mund und nickte heftig. Severus hingegen roch gerade an dem frisch eingeschenkten Weißwein, bevor er trocken meinte: „Sie sollten in Hogwarts anfangen, Lupin. Ich bin sicher, die Hauselfen könnten noch viel von Ihnen lernen.“

Das kam sehr nahe an ein Lob heran; das wusste Hermine und das verstand Remus, so dass beide herzlich lachen mussten und Remus mit einem unauffällig gesprochenen „Danke“ zeigte, dass er das Kompliment in Severus’ beleidigend klingendem Sarkasmus richtig verstanden hatte, denn die kulinarischen Köstlichkeiten, die die Hauselfen in Hogwarts Tag für Tag auf den Tisch zauberten, waren nicht zu schlagen.

Remus kam ein letztes Mal an den Tisch und sagte, er würde gleich nochmal seine Runden für Hogwarts Sicherheit drehen müssen und er verabschiedete sich, weswegen sich Rosmerta jetzt um beide persönlich kümmern würde. Nachdem Remus gegangen war, war die Atmosphäre auf einen Schlag wieder entspannter. Severus war entspannter. Vorhin hatte Hermine bemerkt, dass Severus’ Augenfarbe in Remus’ Gegenwart wieder ein wenig dunkler geworden war, nicht viel, aber jetzt waren sie auf einen Schlag wieder heller.

Sie ließen sich weiterhin den Wein schmecken, nachdem die Teller bereits abgeräumt worden waren, da fragte Hermine ganz unverhofft: „Warum wollten Sie mich eigentlich als Schülerin haben?“
Severus stutzte, doch er wollte antworten, wusste jedoch keine Antwort auf ihre Frage, weshalb er ungenau erwiderte: „Ich denke, diese Frage können Sie sich selbst beantworten.“
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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CaRo94
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Beitrag von CaRo94 »

Heii Muggelchen!!

Tut miir sehr Leiid das iich so lange niichts mehr geschriieben habe!! Iich kam niicht riichtiig hiinterher miit dem lesen. ^^ Aber jetzt hab´ iich den Anschluss wiieder gefunden.

Das miit Severus Zauberstab fiinde iich sehr iinteressant. Iich biin schon ganz gespannt, was das für eiin besonderer Kern iist.

Wiie alt biist du eiigentliich, Muggelchen??! Du hast eiinen sehr weiit ausgeprägten Wortschatz, fiinde iich. ;) Echt toll!!

Mal sehen, wiie es miit Severus und Hermiine so weiitergehen wiird. Da biin iich schon sehr gespannt...^^

Biis dahiin
liiebe Grüße
deiine Caroo :-)
"Sonst noch was?"
"Meinen Namen hast du auch genannt.",
"Oft?"
"Wie oft genau ist >oft<?"

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Muggelchen
EuleEule
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Beitrag von Muggelchen »

Hi CaRo,

macht ja nichts. Ich erwarte nicht nach jedem Kapitel eine Review. :wink:
Der Kern für Severus' Stab stellt Ollivander wirklich vor eine Herausforderung, aber später dazu mehr.
Wie alt ich bin? Schon 35, da hoffe ich doch, dass mein Wortschatz schon etwas ausgeprägter ist :-))) Danke für die Blumen.
Das mit Hermine und Severus wird noch sehr interessant werden. Zumindest können sie miteinander reden, ohne sich gleich in den Haaren zu liegen - und wenn doch, dann vertragen sie sich auch wieder.

Frohe Ostern wünscht
Muggelchen




098 Karussell




Am nächsten Morgen erwachte Harry mit dem Gefühl, nicht allein zu sein und er hatte sich nicht getäuscht. Sirius saß auf seinem Bett, hatte die Augen jedoch auf den Boden gerichtet.

„Sirius?“, fragte Harry verschlafen, woraufhin sein Patenonkel kurz aufschreckte.
„Harry, ich wollte dich nicht wecken“, sagte er mit entkräfteter Stimme.
Sofort setzte sich Harry auf und fragte vorsichtig, weil er das Schlimmste befürchtete: „Wie geht es Anne?“ Er schaute Harry in die Augen und weil sie so verweint waren und seine Lippen bebten, wusste Harry, dass es schlecht um sie stehen musste. „Oh, Sirius“, hauchte Harry mitfühlend, während er im Bett zu Sirius hinüberrutschte und ihn fest umarmte. Sirius war unfähig zu sprechen. Heiße Tränen rannen ihm über die Wangen, bis sie von Harrys Pyjama aufgesogen wurden.

Immer wieder wollte Sirius erzählen, was er im Mungos erfahren hatte, doch bevor er ein Wort herausbringen konnte, ließ ihn allein der Gedanke an Annes Schicksal wieder in Tränen aufgehen. Geduldig wartete und tröstete Harry, bis Sirius sich nach einer halben Stunde mitteilen konnte.

Schluchzend erklärte er: „Sie können nichts für sie tun, Harry. Die sagen, es muss etwas beim Gedächtniszauber schiefgegangen sein, aber“, Sirius zog die Nase hoch, „sie können nicht in ihren Kopf hinein, um nachzusehen, was geschehen ist.“
„Warum können die das nicht?“, wollte Harry wissen.
Sirius schüttelte den Kopf, während seine gequälte Mimik verriet, dass er gern die Verantwortlichen für Annes Zustand persönlich in die Finger bekommen wollte. Nachdem er sich zusammengerissen hatte, erzählte er: „Die Heiler sagen, sie sei so verwirrt, dass kein Legilimentiker ungeschoren davonkommen würde.“ Sirius seufzte, bevor er ungläubig fragte: „Kannst du dir das vorstellen? Sie könnten helfen, aber sie tun es nicht!“

Harry hoffte nicht, dass Anne den Rest ihres Lebens auf der Janus Thickey-Station verbringen müsste; zwischen Nevilles Eltern und Gilderoy Lockhart.

„Wir werden das irgendwie schaffen, Sirius“, sagte Harry beruhigend, doch Sirius glaubte nicht daran, sondern ließ verzweifelt den Kopf hängen. „Sirius“, sagte Harry forscher, „wir reden mit Arthur und wir werden uns umhören, was man in so einem Fall tun könnte. Es kann doch nicht sein, dass vom Ministerium solche Zauber erlaubt sind, ohne dass man etwas ausrichten kann, wenn so ein Vergissmich-Zauber fehlgeschlagen ist. Es muss…“ Harry verstummte, denn Sirius’ Körper zitterte, so dass er seinen Patenonkel einfach erneut in den Arm nahm.

Mrs. Barmy-Bedlam und die beiden Vergissmich, die sie zu Anne geschickt hatte, waren alle drei verhaftet worden. Mr. Bonanest, ein junger Vergissmich Mitte Zwanzig, wurde wegen seiner Vertrauenswürdigkeit damit beauftragt, die Abteilung vorübergehend zu übernehmen, die neuen Aufträge zu prüfen und zu verteilen und nebenbei alte Aufträge durchzugehen. Zunächst fand er nur kleine Unstimmigkeiten in den Aufzeichnungen, doch je tiefer er in der Arbeit seiner Vorgängerin grub, desto mehr Beweise hatte er dafür auf dem Tisch, dass Mrs. Barmy-Bedlam bereits mehrmals ungenehmigte Aufträge hatte ausführen lassen; meist, um jemandem einen Gefallen zu tun.

Die Verhandlung der drei vor dem Zaubereigamot fand bereits zwei Tage nach der Festnahme statt und Arthur hatte darauf geachtet, dass viele Halbblüter und Muggelstämmige unter den Gamot-Mitgliedern sitzen würden, denn somit – und er hatte richtig kalkuliert – war Mrs. Barmy-Bedlam zu einundzwanzig Jahren Askaban verurteilt worden. Das Urteil fiel jedoch nicht so hoch aus, weil das Gedächtnis eines Muggel scheinbar irreparabel geschädigt worden war, sondern in erster Linie, weil der Vertrauensbruch dem Zaubereiministerium gegenüber unverzeihlich groß gewesen war. Die beiden Vergissmich kamen mit je zwei Jahren davon, weil sie es versäumt hatten, ihre Skepsis beim Auftrag im Fall von Anne Adair einer höheren Stelle mitzuteilen.

Natürlich hatte Harry alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Hilfe für Anne zu finden, doch hier konnte selbst seine Berühmtheit nichts bewirken. Es gab zwar freiwillige Heiler, die das Risiko eines eigenen Schadens in Kauf nehmen wollten, nur um Harry Potter damit einen Gefallen erweisen zu können, aber das wiederum wollte Harry nicht wagen. Auch mit Hermine hatte Harry ausführlich gesprochen, doch sie hatte nur das wiederholt, was sie selbst während ihrer Ausbildung zur Heilerin gelernt hatte und sie sagte: „Das musst du verstehen, Harry. Wenn du in den Geist eines verwirrten Menschen eindringst, dann kann das, was du dort erlebst, deinen eigenen Geist völlig verdrehen; danach hätte man zwei Patienten, anstatt nur einen.“
„Nein, das verstehe ich nicht! Man weiß doch im Vorfeld, dass das, was einen erwartet, ziemlich durchgedreht sein kann. Auf so etwas muss man sich doch innerlich vorbereiten können, vielleicht mit Übungen oder so? Es gibt doch auch Konzentrationsübungen im Bereich Okklumentik. Irgendwas…“
Hermine unterbrach mit erhobener Hand: „Ich kann gern meine alten Profs im Mungos fragen, aber ich vermute, mit denen hast du längst gesprochen. Ich selbst habe leider keine Legilimentik-Prüfung absolviert, aber alles, was ich darüber gelesen habe, rät unbedingt davon ab, in einen verwirrten Geist einzudringen.“
„Das ist unmenschlich!“, meckerte Harry aufgebracht.
„Was genau?“, wollte Hermine wissen und Harry wurde daher deutlicher.
„Einfach in den Gedanken von Muggeln herumzupfuschen und ihnen dann nicht einmal helfen zu können, wenn es vermasselt worden ist. Das meine ich! Muss die Zauberergemeinschaft wirklich so weit gehen, um ihre Existenz geheim zu halten?“
Hermine verstand Harrys Standpunkt, doch sie entgegnete nichtsdestotrotz: „Da es Leute wie Hopkins gibt, ist das leider notwendig.“

Am Abend genügte ein Blick auf seinen auf der Couch zusammengekauerten Patenonkel aus, so dass ihn sein nächster Weg zu Severus führte. Wenn jemand mehr wüsste als die Ärzte im Mungos oder sogar Hermine, dass war es Severus.

„Ich störe hoffentlich nicht?“, fragte Harry, nachdem er in Severus’ Wohnzimmer getreten war und seinen Kollegen und seine beste Freundin auf dessen Couch sitzen sah.
„Nein, Sie stören nicht. Nehmen Sie Platz“, bot Severus höflich an. Nachdem Harry sich gesetzt hatte, brauchte er gar nicht mit dem Thema zu beginnen, denn Severus hatte es offensichtlich von Hermine erfahren. „Sie sind wegen Miss Adair hier?“ Harry nickte. „Dann wird Ihnen Hermine bereits alles zu diesem Thema erklärt haben.“
Entschlossen stellte Harry klar: „Mir ist egal, was in Büchern steht. Ich habe auch Bücher gewälzt und bin dabei ständig auf den Hinweis gestoßen, dass man ’wirre Köpfe nicht betreten darf’, aber was mich interessiert: warum steht nirgends, was geschehen könnte, wenn…“
„Ich habe dir doch erklärt, was geschehen könnte, Harry. Der eigene Geist könnte drunter leiden!“, warf Hermine unterbrechend ein.
„Aber es steht in keinem Buch, warum das so wäre!“, sagte Harry lauter. Er fing sich schnell wieder und erklärte: „In keinem Buch, das ich gelesen habe, war auch nur ein einziger Fall geschildert worden, Hermine. Die beiden Professoren im Mungos haben mir auch keinen Fall nennen können. Woher will man also wissen, dass es gefährlich wäre?“
„Vermutlich weiß man es nicht genau“, antwortete Severus leise. Hermine und Harry blickten ihn erwartungsvoll an, so dass er erklärte: „Mrs. Malfoy konnte zwar nach ihrer Rettung kommunizieren, aber trotzdem war ihr Geist wirr. Dieser Heiler, wie hieß er noch?“ Severus überlegte kurz, bevor er fortfuhr: „Nikolaj Kustrow war der Name. Narzissa hatte kein Vertrauen zu ihm und ihn daher nicht in ihr Gedächtnis eingelassen. Mir hat sie es jedoch gestattet!“
Neugierig fragte Hermine: „Wie war es?“
„Es war verwirrend, das muss ich zugeben, aber nicht so sehr, dass ich den Verstand verloren hätte. Ich bin geübt darin, mich von den Emotionen anderer nicht beeinträchtigen zu lassen“, erklärte Severus nüchtern und beide bezweifelten seine Aussage nicht.
Harry kam hinüber zur Couch und setzte sich direkt neben Severus, bevor er sagte: „Das heißt, Sie könnten auch in Annes Gedächtnis eindringen, ohne irgendein Risiko?“
Von dieser Idee weniger begeistert sagte Hermine: „Nein, Harry. Anne ist nicht ansprechbar. Mrs. Malfoy hingegen war…“
Severus unterbrach sie und fragte spöttisch: „Seit wann antworten Sie an meiner statt?“ An Harry gewandt gab er zu: „Ich vermute, ich würde keinen Schaden davontragen.“
„’Vermute’?“, wiederholte Hermine aufgebracht. „Sie werden sich damit in Gefahr bringen, Severus.“
„Es ist wirklich rührend, wie Sie sich sorgen, Hermine, aber ich würde niemals etwas Unüberlegtes tun. Wie Sie wissen, bedenke ich alle möglichen Konsequenzen und ich gehe im Fall von Miss Adair davon aus, unversehrt zu bleiben“, konterte Severus trocken.
„Würden Sie es machen?“, fragte Harry flehend und er ignorierte all die bohrenden Blicke seiner besten Freundin, die ihm diese Idee ausreden wollten.

Einen Moment lang überlegte Severus, ob er seine Hilfe wirklich anbieten sollte. Einzig weil er mit Black sicherlich häufiger Kontakt haben müsste, zögerte seine Antwort etwas hinaus, aber allein, um Harry damit einen Gefallen zu erweisen, würde er Legilimentik bei der jungen Dame anwenden, gegen die er selbst keinen Groll hegte.

„Es könnte nicht schaden, einen Blick in Miss Adairs Gedächtnis zu werfen, aber ich kann nicht versprechen, dass ich etwas gegen ihren momentanen Zustand ausrichten kann. Ich würde es tun, Harry, aber sorgen Sie dafür, dass es keine Streitigkeiten mit Black geben wird“, stellte Severus klar.

Harry bedankte sich überschwänglich, bevor er sich verabschiedete. Nachdem er wieder zu Sirius gegangen war, setzte er sich neben ihn und fasste ihn an der Schulter.

„Harry“, sagte Sirius schwach lächelnd. Noch nie hatte Harry seinen Patenonkel so mitgenommen erlebt.
„Ich habe eine Möglichkeit gefunden, in Annes Kopf einzudringen, um zu sehen, was schiefgelaufen ist. Es wird dir wahrscheinlich nicht gefallen, aber…“
Sirius unterbrach ihn abrupt, denn er umarmte Harry und drückte ihn fest an sich, bevor er ihm leise ins Ohr sagte: „Alles, Harry! Alles, um ihr zu helfen. Ich würde alles tun!“
Mit einer Hand klopfte Harry ihm auf den Rücken und dann sagte er: „Gut, dann werde ich dafür sorgen, dass Anne herkommt. Falls sich Albus sträuben sollte, wird sie bestimmt bei Remus in Hogsmeade bleiben können, aber er wird sicher nichts dagegen haben. Alles andere werde ich in die Wege leiten.“ Harry drückte Sirius von sich weg, damit er ihm in die Augen blicken konnte, bevor er sagte: „Versprich mir etwas. Versprich mir, dass du Vertrauen zeigst, auch wenn es dir schwer fallen sollte. Versprich mir, dass du dich nicht aufregen wirst und keine Unannehmlichkeiten machst.“
Fassungslos schüttelte Sirius den Kopf, weil er nicht verstand, warum Harry ihm so ein Versprechen abnehmen wollte, doch letztendlich erklärte er: „Natürlich werde ich niemandem im Weg stehen, der Anne helfen will, das verspreche ich!“

Obwohl es schon so spät abends war, wollte Harry mit Albus klären, ob Anne wegen eines Diagnose-Versuchs nach Hogwarts kommen dürfte.

Tatsächlich war Albus noch immer in seinem Büro und er begrüßte seinen späten Gast freundlich: „Harry, hast du Neuigkeiten über Miss Adair für mich?“
Albus winkte einladend mit der Hand auf einen Ledersessel, so dass Harry sich erst setzte, bevor er sagte: „Die Heiler im Mungos können ihr nicht helfen, aber Severus möchte etwas versuchen.“ Albus horchte auf, ließ Harry jedoch weiterreden. „Ich wollte Sie deshalb fragen, ob Anne kurzzeitig hier in Hogwarts bei mir und Sirius bleiben darf.“
„Ist es so schlimm?“, sagte Albus betroffen, denn er selbst war, wie Arthur auch, ein großer Muggelfreund. Nachdem Harry genickt hatte, fragte der Direktor neugierig: „Hat Severus seine Hilfe selbst angeboten?“
„Er sagte, er könnte vielleicht helfen und er hat sofort zugesagt, als ich ihn darum gebeten hatte“, schilderte Harry gewissenhaft. Weil Albus so lange überlegte, fragte Harry besorgt: „Warum fragen Sie, Sir?“
Sofort hatte Harry wieder die volle Aufmerksamkeit des Direktors erhalten, der gleich darauf sagte: „Severus handelt stets sehr überlegt und daher sollte ich mir keine Sorgen machen, aber ich befürchte, dass er sein Wesen unterschätzt, welches womöglich nicht mehr die geforderte Rohheit für ein solches Unterfangen aufweisen könnte.“
Harry wiederholte diesen Satz in Gedanken, bevor er entgeistert sagte: „Sie sprechen in Rätseln, Sir.“
„Tu ich das? Nun, ich werde Severus’ Entscheidung nicht in Frage stellen, aber achte auf ihn, Harry. Solltest du der Meinung sein, er würde sich überschätzen, dann hindere ihn daran weiterzumachen.“
Etwas verwundert über diese Aussage sagte Harry lediglich: „Ja, werde ich.“

Der Satz „Ich bin Harry Potter!“ reichte den Heilern am nächsten Tag aus, um Anne ohne großen Aufwand und ohne Papierkram aus dem Mungos zu entlassen und in die Obhut des jungen Ordensträgers zu übergeben. Natürlich bot der Direktor des Krankenhauses an, jederzeit für Fragen zur Verfügung zu stehen. Hermine hatte Harry begleitet, denn sie kannte sich mit verschiedenen Transportzaubern aus, so dass es eine Leichtigkeit gewesen war, mit der Patientin den Kamin nach Hogwarts zu nehmen.

In Sirius’ Schlafzimmer legten sie Anne, die nicht ansprechbar, aber wach war, ins Bett. Hermine untersuchte sie zusammen mit Poppy und beiden fiel auf, dass Annes Augen sich schnell bewegten; beinahe so, als würde sie eine REM-Schlafphase im Wachzustand und mit offenen Augen durchleben.

„So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagte Poppy leise zu sich selbst, doch Hermine hatte sie gehört.
Sie wollte auch ihre Meinung kundtun und sagte: „Es sieht aus, als würde sie im Zug sitzen und alle Dinge, die am Fenster vorbeihuschen, kurz anblicken, aber“, Hermine hielt Anne ihre Hand vor die Augen und wedelte damit herum, „bewusst scheint sie nichts zu sehen.“
Poppy erhob sich wieder und fragte: „Würden Sie bitte Severus Bescheid geben, damit er sie sich erst einmal ansehen kann?“ Hermine nickte und machte sich auf den Weg in Severus Wohnzimmer.

„Severus? Anne ist jetzt da“, sagte Hermine und Severus hörte heraus, dass sie sich mit dem Gedanken, er könnte seinen Verstand einbüßen, immer noch nicht angefreundet hatte.
„Vertrauen Sie mir, Hermine. Ich weiß, wozu ich mich bereit erklärt habe“, versicherte er ihr, bevor er ihr folgte.

Harry und Hermine saßen auf der Couch, während Poppy sich mit Severus unterhielt und beide dabei eine ernste Miene machten. Severus hörte aufmerksam zu und fragte einige Dinge nach, doch verstehen konnten sie die beiden nicht, so dass Hermine sich Harry zuwandte und fragte: „Wo ist eigentlich Sirius?“
„Er sagt Beth Bescheid. Sie soll sich keine Sorgen machen, weil Anne nicht da ist und sich nicht meldet“, erklärte Harry.

Kaum hatten sie von ihm gesprochen, hörte man brutzelnde Geräusche aus dem Kamin und Sekunden später stand Sirius im Wohnzimmer. Kopf und Schultern ließ er kraftlos hängen, doch dann hörte er etwas und sein Kopf schnellte nach oben: Severus.

Harry hatte seinen Patenonkel beobachtet und wusste genau, dass Sirius jetzt im Zwiespalt mit sich selbst stand. Einerseits hatte er Harry versprochen, zu vertrauen und keinen Ärger zu machen, doch andererseits war Severus der Letzte, den Sirius in Annes Gedankenwelt wissen wollte. Womöglich befürchtete er, dass Severus sich peinliche Momente ansehen würde, mit denen er ihm später das Leben schwer machen würde, glaubte Harry für einen Moment. Sirius sagte jedoch nichts, sondern nickt nur grüßend, als Poppy und dann auch Severus ihn bemerkt hatten.

„Lassen Sie uns reingehen, Poppy“, sagte Severus mit einer zur Schlafzimmertür deutenden Handbewegung. Sirius wollte schon folgen, da empfahl Severus mit Nachdruck in der Stimme: „Wenn Sie hier im Wohnzimmer warten würden?“ Jedes Widerwort kraftvoll hinunterschluckend gehorchte Sirius und setzte sich den beiden anderen gegenüber. Hermine lächelte ihm aufmunternd zu, doch Sirius’ Anflug eines erwidernden Lächelns verwandelte sich sofort in bebende Lippen.

„Was hat Beth gesagt?“, wollte Harry wissen, um ihm ein wenig Ablenkung zu gönnen.
Sirius hob einmal kraftlos die Schultern, bevor er schwächlich entgegnete: „Sie hat sich sehr aufgeregt und dann hat sie nur noch geweint.“ Er seufzte, bevor er anfügte: „Sie möchte Anne so schnell wie möglich besuchen.“
Hermine schlug vor: „Sie könnte ja mal herkommen.“
„Wie soll sie nach Hogwarts kommen, Hermine?“, fragte Harry daraufhin.
„Na, warum soll das nicht möglich sein? Ihr Bruder war ja ein Zauberer gewesen und sie selbst kann sicherlich Hogwarts betreten“, vermutete Hermine laut.

Sirius ließ sich tatsächlich von seinen Sorgen ein wenig ablenken, als er sich am Gespräch beteiligte, denn auch er hielt es nicht für möglich, dass ein Muggel Hogwarts betreten könnte.

„Bei Anne lag es doch an dem Zauberstab, dass sie einen Fuß ins Schloss setzen konnte“, erklärte er.
Hermine grübelte einen Moment, bevor sie sagte: „Weiß man das genau? Ich glaube nämlich, es ist ungeklärt, warum sie tatsächlich herkommen konnte. Es ist ja bewiesen, dass einige Muggel auch die Winkelgasse betreten können.“ Jetzt blickten Harry und Sirius sie mit großen Augen an und beide verneinten, doch Hermine konnte ein gutes Argument liefern, denn sie sagte: „Dann erklärt mir mal, warum meine Eltern mich in die Winkelgasse begleiten konnten. Sie waren vor meinem zweiten Schuljahr in ’Flourish & Blotts’ und haben sich dort mit Arthur angefreundet!“

Plötzlich öffnete sich die Tür zum Schlafzimmer, in welches Poppy und Severus erst vor wenigen Minuten verschwunden waren und Poppy bat Hermine darum, einen Trank gegen Übelkeit aus Severus’ persönlichen Vorratsschränken zu besorgen. Sie konnte keinen Aufrufezauber benutzen, weil Severus den Schrank durch Zauber geschützt hatte, doch es dauerte nicht länger als fünf Minuten, bis Hermine wieder bei Harry und Sirius war.

An Poppy gewandt fragte Sirius hoffnungsvoll: „Ist ihr schlecht? Ist sie aufgewacht?“
Die Heilerin verneinte und sagte: „Der Trank ist für Severus. Er hat sich übergeben müssen.“
Sofort sprang Hermine vom Sofa und bot ihre Hilfe an, indem sie fragte: „Soll ich mit reinkommen? Ich könnte helfen!“
„Nein, das ist nicht notwendig. Er sagte, er versucht es noch ein paar Mal und wenn das nicht hilft…“
Sirius unterbrach und teilte aufgebracht seine Sorge mit: „Aber wenn er nichts ausrichten kann, dann wird niemand ihr helfen können!“

In diesem Moment trat Severus aus dem Schlafzimmer. Seine Stirn war feucht, sein Gesicht kalkweiß; selbst seine schmalen Lippen hatten jede Farbe verloren.

„Mr. Black, gedulden Sie sich. Ich werde versuchen, mich in Miss Adairs Gedanken zu halten, aber das ist schwer, weil…“
Er hielt inne, doch sofort fragte Harry: „Weil?“
„Wie kann ich es erklären? Nun, ich finde keinen Halt, weil die Gedanken von Miss Adair sich wie ein Karussell drehen, nur wesentlich schneller. Ich kann einfach nicht aufspringen.“
„Warum ist Ihnen schlecht geworden?“, fragte Hermine.
„Aus dem gleichen Grund. Das Tempo, in welchem die Erinnerungen vorbeihuschen, ist enorm. Ich vermute stark, dass Miss Adair daher keinen klaren Gedanken fassen kann und sie die Realität nicht wahrnehmen kann, weil in ihrem Kopf eine Reizüberflutung stattfindet“, erklärte Severus fachmännisch.
„Ist etwas gelöscht worden?“, wollte Sirius wissen.
Severus blickte ihn an und verneinte: „Das konnte ich noch nicht feststellen.“

Jeder nahm diese Information zur Kenntnis, ohne auf sie einzugehen, denn Harry und Sirius verstanden kaum etwas von Legilimentik und Hermine nur war froh, dass es Severus gut ging. Er wusste offensichtlich wirklich, was er tat.

Wieder verschwand Severus mit Poppy im Schlafzimmer, doch nach einer halben Stunde kam er erneut heraus. Ein Indiz dafür, dass er sich nochmals übergeben haben muss, war lediglich Hermine aufgefallen, denn ein paar Äderchen in seinen Augen waren geplatzt.

„Es tut mir Leid, aber ich kann allein nichts ausrichten. Ich brauche die Hilfe einer weiteren Person“, sagte Severus in die Runde hinein.
„Ich helfe Ihnen!“, sagte Hermine und stand bereits auf, doch Severus bedeutete ihr sitzen zu bleiben.
„Nein, Hermine. Ich hätte mich genauer ausdrücken sollen, denn ich benötige eine weitere Person, die ebenfalls in Legilimentik Erfahrung hat. Bedaure, aber diese Erfahrung weisen Sie nicht auf“, sagte er gelassen.
„Wir könnten Albus fragen“, bot Sirius an.
Zunächst setzte sich Severus auf den Sessel und nahm ein angebotenes Glas Wasser danken von Hermine entgegen, bevor er erklärte: „Albus kam auch in meine engere Wahl, aber ich würde lieber eine andere Person hinzuziehen. Eine Person, von der ich weiß, dass sie sich in ’Gedankenoptimierung’ sehr gut auskennt.“
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Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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099 Zwei Seelen, ein Gedanke




Wach in ihrem Bett liegend starrte Rosalind aus dem Fenster hinaus in den Sternenhimmel. Der zweite Brief, den sie nach den völlig unverhofften Glückwünschen zum Geburtstag von Lucius Malfoy erhalten hatte, war bereits sehr eindeutig gewesen. Würde sie seiner „Bitte“ nicht nachkommen, für seine bevorstehende Verhandlung die von ihm gewünschten Gamotmitglieder in den Saal zu setzen, würde er der ganzen Welt erzählen, dass sie nicht nur fremdgegangen war, sondern Barry auch noch das Resultat dieses Techtelmechtels darstellte. Sie schloss die Augen und schluchzte. Vielleicht, mit sehr viel Mühe und Offenheit, könnte sie ihrem Mann die Situation erklären, so dass er sich nicht von ihr abwenden würde, doch er hatte mehr als nur einmal während ihrer langjährigen Ehe klargestellt, dass „Treue“ für ihn das Wichtigste sein würde. Um Barry machte sie sich am meisten Sorgen. Der Junge liebte seinen Vater und er würde es schwer oder gar nicht verkraften können, würde jeder wissen, dass es nicht sein leiblicher Vater wäre. Ihre Familie war in Gefahr und die Harmonie bröckelte bereits in ihrer Vorstellung.

Plötzlich spürte sie eine Hand an ihrer Schulter und ihr Mann fragte verschlafen: „Was ist denn, Schatz? Sehnsucht nach unserem Lausbub?“ Sie drehte sich um und lächelte, doch ihren Kummer konnte sie selbst im Mondlicht nicht verbergen, so dass er sie umarmte und an sich drückte. „Mach dir keine Sorgen um ihn. Du hast doch seine Briefe gelesen. Er fühlt sich wohl in der Schweiz!“ Er seufzte müde, bevor er empfahl: „Schlaf weiter, Rosa.“

Die Nacht mit ihren funkelnden Sternen bescherte vielen Menschen einen erholsamen Schlaf, darunter auch Hermine. Als sie am nächsten Morgen aufwachte, war sie froh, dass Severus ihr heute freigegeben hatte, so dass sie nicht nur lange hatte schlafen können, sondern auch den Tag ruhig beginnen durfte. Sie fütterte Fellini, bevor sie sich in einem angenehm warmen Bad entspannte. Wobbel stellte ihr auf Wunsch ein Frühstück zusammen, welches gesund und sättigend sein sollte und so saß Hermine leger auf der Couch und frühstückte, während sie im Tagespropheten einen Artikel über Eintracht Pfützensee las. Auf einem Bild bemerkte sie Ron und Angelina, die sich an den Händen hielten und das erste Mal seit ihrer Trennung von ihm tat ihr der Anblick des Fotos nicht weh. Ihr Augenmerk fiel gleich darauf auf Oliver Wood und, laut Bildunterschrift, seiner Frau. Ihn hatte sie seit dem Sieg über Voldemort nicht mehr gesehen und dessen Ehefrau war sie noch nie über den Weg gelaufen. Frühstück und Morgenzeitung waren zur gleichen Zeit beendet, so dass sie zu Punkt zwei ihrer bescheidenen Tagesordnung gekommen war: Fellinis Fell bürsten! Und das ließ der „Kleine“ sich gern gefallen.

„Bist du ein Brocken geworden“, sagte sie staunend, doch natürlich war sie sich im Klaren darüber, dass Norwegische Waldkatzen wie seine Mutter nicht gerade zierliche Tierchen waren. Nach einer Viertelstunde hatte Fellini genug und brachte sich vor der Bürste in Sicherheit, so dass Hermine sich nun das Buch von Severus zur Brust nehmen konnte, welches er ihr wärmstens empfohlen hatte. Sie war so froh, den sehr trocken geschriebenen Band „Flüche und Zaubertränke – Leitfaden für die höhere Magie“ zu Ende gelesen zu haben. Wäre das Buch noch dicker gewesen, hätte sie wahrscheinlich die Lust verloren. Das neue Buch von Severus war vom Schreibstil her ganz anders und auch vom Inhalt, denn der Titel lautete „Nicht ganz so schwarzmagische Elixiere und Tinkturen – Zaubertränke im Zwielicht“. Sie hatte es gestern Abend bis einschließlich Kapitel neun verschlungen, denn der Band hatte sie gefesselt. Wenn „nicht so ganz schwarzmagische“ Dinge sie schon so begeistern konnten, dann war es leicht nachzuvollziehen, welche Anziehungskraft die tatsächlich schwarzmagischen Tränke haben konnten. Sie begann mit Kapitel zehn und fühlte sich einen Augenblick lang in ihr erstes Schuljahr zurückversetzt, denn es handelte vom „Elixier des Lebens“, welches mit dem Stein der Weisen hergestellt werden konnte.

Im Wohnzimmer von Harry und Sirius war Severus frühzeitig aufgetaucht. Er hatte es gestern Abend mit einem modifizierten Schlaftrunk tatsächlich geschafft, Anne ins Land der Träume zu schicken. Dieser Gedankenstrudel, der ihr gesamtes Bewusstsein eingenommen hatte und jeden Blick in die reale Welt verhinderte, war durch den Trank langsamer geworden. Anne schlief und im Schlaf konnte sich ihr Geist etwas erholen.

„Ich weiß nicht, ob es ratsam ist, während des Schlafs ihre Gedanken zu betreten. Es könnte sie nur noch mehr verwirren, wenn nach dem Aufwachen plötzlich etwas anders ist“, sagte Severus zu Sirius und Harry. Sirius hörte genau zu, was Severus zu sagen hatte und er stellte höchstens mal eine ernste Frage, aber er unterbrach ihn nie. Die Sorge um Anne hatte ihn seine Feindschaft momentan völlig vergessen lassen.

„Severus?“, fragte Sirius und er fand es befremdlich, so höflich mit diesem Mann umzugehen. Nachdem er Severus’ Aufmerksamkeit erlangt hatte, fragte er: „Wer ist die Person, die du fragen willst? Die, die dir helfen soll?“
„Das, Mr. Black, werden Sie erfahren, wenn sie sich bereiterklärt hat“, stellte Severus klar und Sirius unterließ es, ihn deshalb nochmals anzusprechen. Wenn nicht Albus, fragte sich Sirius, wer dann sonst? Sicherlich würde Severus keinen seiner alten „Todesserfreunde“ um Hilfe bitten, aber Severus kannte nicht wirklich viele Menschen sehr gut.

Nach einem zaghaften Klopfen trat Albus herein und für einen Moment glaubten Sirius und Harry, dass es sich bei der Person doch um den Direktor handeln würde, der Severus bei seinem Unterfangen behilflich wäre, doch Albus, nachdem er alle gegrüßt hatte, sagte lediglich: „Ich wollte mich nach dem Zustand der jungen Dame erkundigen.“
Severus übernahm es zu antworten: „Es gibt noch nichts Neues, aber ich denke, ich weiß, wie ich…“ Severus verstummte, denn Albus war auf ihn zugekommen und blickte ihm ohne auch nur einmal zu blinzeln in die Augen. Manchmal war Albus ein seltsamer Kauz, dachte Severus, doch er hatte keine Ahnung, warum Albus ihn so durchdringend anschaute. Als der Direktor auch noch breit zu lächeln begann, da wurde es Severus zu viel und er beendete den Blickkontakt und schnaufte missgelaunt.

Albus setzte sich neben Harry auf die Couch, während Sirius und Severus stehen blieben. An alle drei gewandt sagte der Direktor: „Ich habe mich mit Minerva lange unterhalten und dieses Gespräch hat mir die Augen geöffnet. Ich möchte euch drei wieder in den Orden des Phönix aufnehmen und…“
Mit kraftloser Stimme fiel Sirius ihm ins Wort: „Ich habe dafür keine Zeit, Albus. Ich bin mit“, er schluckte, „anderen Dingen beschäftigt.“
Mit einer hochgezogenen Augenbraue nahm Albus diese Information zur Kenntnis, bevor er sich an Harry wandte, doch der sagte lediglich: „Ginny kommt Freitag aus dem Krankenflügel raus und ich möchte meine Zeit mit ihr verbringen.“ Er fügte leise hinzu: „Obwohl mich schon interessiert, mit welchen Themen der Orden sich jetzt beschäftigt.“
„Das verstehe ich zu gut, Harry. Du hast sie so lange nicht mehr außerhalb des Krankenzimmers sehen können. Dann lass dir und Sirius gesagt sein, dass ihr beide jederzeit willkommen seid“, versicherte Albus verständnisvoll.
Der Direktor blickte seinen Zaubertränkemeister an und wollte gerade etwas fragen, da stichelte Severus: „Warum ich? Benötigst du wieder dringend einen Spitzel oder warum bist du so ’großzügig’, mir erneut einen Platz im Phönixorden anzubieten?“
Durch Severus’ spitze Bemerkung war Albus nicht aufgebracht und so antwortete er ruhig: „Ich habe dich und deine Fähigkeiten immer geschätzt, Severus. Und ich vertraue dir, weil…“
„Jemanden, dem man vertraut, schließt man nicht einfach aus, Albus!“, warf Severus ihm vor, um die Sache auf den Punkt zu bringen. Da niemand etwas hinzuzufügen hatte, übernahm es der Tränkemeister, die Stille zu durchbrechen, indem er fragte: „Wird Hermine auch wieder im Orden aufgenommen werden?“
Albus stutzte und sagte, während er den Kopf schüttelte: „Sie war nie ein Mitglied des Ordens.“
„Nicht?“, sagte Severus gespielt überrascht. „Von Harry weiß ich, dass viele seiner ehemaligen Schulkameraden an der Seite der alten Ordensmitglieder gekämpft haben und zwar für mindestens fünf Jahre!“
„Es geht mir um die Mitglieder des ursprünglichen Phönixordens“, stellte Albus klar.
Hier schritt Sirius ein, der bisher, wie auch Harry, alles nur still beobachtet hatte und er sagte: „Dann dürftest du Harry das Angebot auch nicht unterbreiten, denn er gehört nicht zu den alten Mitgliedern.“

Von Harry ließ sich Albus eine Tasse Tee einschenken, denn er rechnete damit, dass diese Unterhaltung etwas länger dauern könnte. Harry hatte sich am Gespräch nicht mehr beteiligt, aber er genoss den Augenblick, weil Sirius und Severus gemeinsam auf der gleichen Seite standen und sich gegenseitig Recht gaben.

Albus seufzte, bevor er zu Severus sagte: „Ich würde dich wirklich gern wieder an meiner Seite wissen, Severus. All die anderen haben ebenfalls vorgeschlagen, zumindest euch drei wieder in unseren Reihen willkommen zu heißen.“
Auf und ab gehend fragte Severus provozierend: „Warum ’zumindest’ uns drei? Was ist mit den Weasley-Zwillingen? Ich bin mir durchaus darüber im Klaren, dass die beiden nicht nur Feuerwerkskörper und Scherzartikel herstellen, sondern mittlerweile auch vorbildlich funktionierende Überwachungstechnik produziert haben, die dem Orden sicherlich nützlich sein könnten. Was ist mit Miss Weasley, die Harry sicherlich auch im Orden unterbringen möchte?“

Erneut seufzend griff Albus nach seiner Tasse, doch bevor er einen Schluck nahm, fragte er etwas wehleidig: „Severus, warum sträubst du dich so?“ Während er seinen Tee trank, beobachtete er Severus über den Tassenrand hinweg, denn der tigerte weiterhin unruhig durchs Wohnzimmer, ohne eine Antwort zu geben. „Wenn es keinen Grund gibt, Severus, dann…“
Abrupt blieb Severus stehen und blickte Albus mit einem skeptischen Gesichtsausdruck an, bevor er leise sagte: „Du bist mir zu undurchsichtig, Albus.“ Nach einer kleinen Pause, die er nutzte, um sich dem Direktor zu nähern, fügte Severus hinzu: „Es gibt so viele Dinge, die an meinen Instinkt appellieren und das Gefühl des Unbehagens in mir aufkommen lassen.“ Nach einer sorgfältig gewählten Pause fragte er: „Du traust mir?“ Er zog beide Augenbrauen in die Höhe, woraufhin Albus wortlos nickte, doch dann schien der alte Zauberer zu verstehen.
„Severus? Heißt das etwa, du traust mir nicht?“, wollte Albus wissen und er klang verletzt.
„Das, Albus, habe ich nie gesagt!“, stellte Severus klar.

Sirius und Harry beobachteten das Intermezzo eine ganze Weile. In gewisser Weise konnte Sirius sogar nachvollziehen, warum Severus dem alten Zauberer gegenüber so skeptisch war. Ihm war es damals nicht anders ergangen, als Albus ihn ohne große Erklärung dazu aufgefordert hatte, einen Trank einzunehmen und er ihm zu verstehen gegeben hatte, nun für eine Weile „aus dem Leben scheiden zu müssen“, damit Voldemort nichts gegen Harry in der Hand haben würde. Nur Harry zuliebe hatte Sirius dem Plan zugestimmt, auch wenn er nicht gewusst hatte, was er da für einen Trank hatte nehmen müssen. Ob der Schleier im Ministerium Teil des Plans gewesen war oder er nur durch Zufall hindurchgefallen war, wusste Sirius bis heute nicht.

Albus behielt die Ruhe und er fragte Severus: „Was hast du dann gesagt?“
„Ich sagte, du wärst mir zu undurchsichtig!“
„Woran machst du das fest, Severus?“, wollte Albus wissen.

Einer eingesperrten Wildkatze gleich, die hinter Stäben auf und ab ging, schien Severus sich nicht sicher zu sein, ob er das, was ihn so lange schon beschäftigt hatte, wirklich ansprechen durfte. Zu Severus’ Erstaunen erklärte Black es ganz richtig, denn der sagte: „Du gibt’s nie Antworten, Albus.“
Lächelnd verneinte Albus und versicherte: „Das ist nicht wahr! Ich gebe Antworten auf die richtigen Fragen.“
Eine dieser „richtigen Fragen“ brannte Severus schon auf der Zunge, da meldete sich das erste Mal Harry zu Wort, der mit vorsichtiger Stimme wissen wollte: „Wie konnten Sie den Avada überleben?“
‚Volltreffer’, dachte Severus. Harry schien Albus mundtot gemacht zu haben und Black setzte noch einen drauf.
„Was hast du mir für einen Trank gegeben, der mich vor dem Tod bewahrt hatte?“
Zuletzt wollte Severus selbst wissen: „Wie konntest du den tödlichen Fluch besiegen, der deine Hand geschwärzt hatte, wo selbst ich hatte feststellen müssen, dass eine Heilung nicht möglich sein würde?“

Mit seinen Fingern spielend starrte Albus auf seine Tasse Tee und er schien zu überlegen, was er antworten sollte. Er wollte bestimmt, wie Severus vermutete, sich wieder ungenau ausdrücken, so dass seine Antworten unverständlich bleiben würden, doch dem wollte er vorbeugen.

Bevor Albus antworten konnte, bat Severus übertrieben freundlich: „Ich bitte dich, drisch kein leeres Stroh; klare Antworten würden wir alle begrüßen!“
Seufzend lehnte sich Albus auf der Couch zurück und dann endlich sagte er etwas, aber er klang derweil sehr abgeschlagen. „Es gibt viele Dinge, auf die ich nicht stolz bin.“
„Das geht vermutlich allen in diesem Zimmer so“, konterte Severus gereizt, weil er vermutete, Albus würde sich vor klaren Antworten drücken wollen.

Unverhofft legte Harry eine Hand auf Albus’ Schulter, so dass der Direktor neben sich blickte. Beim Anblick der großen grünen Augen, die ihn so vertrauensvoll anschauten, musste der Direktor milde lächeln, bevor er die junge Hand auf seiner Schulter kurz tätschelte und danach erklärte: „Der Trank, Sirius, den ich dir verabreicht habe, das ist der gleiche, der auch mich vor dem sicheren Tod bewahrt hatte.“
„Und welcher Trank wäre das?“, wollte Severus wissen, der natürlich sofort in seinem Kopf alle möglichen Gebräue durchging, die für so ein Unterfangen in die engere Wahl kommen könnten. Dann, abrupt, weiteten sich seine Augen und er blaffte Albus an: „Sag mir nicht, du hättest deinen Tod verkorkt und Blacks auch noch gleich mit!“
Jetzt war es Harry, der große Augen machte, bevor er an Severus gerichtet sagte: „Ich dachte, dass war nur eine Metapher oder so etwas gewesen, die Sie damals benutzt haben. Geht denn das? Kann man den Tod verkorken?“
„Es geht“, erklärte Severus, während er Albus vorwurfsvoll durch verengte Augen anstarrte. „Und es handelt sich dabei um schwarze Magie!“
Sirius und Harry drehten ihren Kopf, um Albus mit weit aufgerissenen Augen anzusehen, doch der beruhigte: „Was auch der Grund gewesen war, weshalb ich von dieser Möglichkeit Abstand genommen hatte, mein Freund.“
Severus ließ nicht locker, denn er forderte: „Bekommen wir dann endlich eine Antwort?“
„Es war kein Trank, den man brauen muss, Severus. Es war eher etwas, das man gewinnen kann.“
„Jetzt wirfst du uns wieder kleine Häppchen zu, an denen wir wohl ersticken sollen? Wie wäre es klipp und klar mit einer Antwort auf diese drei Fragen, Albus?“, forderte Severus grantig und es erstaunte Harry, dass Albus so mit sich reden ließ. Andererseits zeigte es aber auch, wie vertraut die beiden miteinander waren.

Plötzlich erklang ein wunderschöner, heller Gesang aus Harrys Schlafzimmer. Mit einer Handbewegung öffnete Harry wort- und stablos die Tür, so dass Fawkes ins Wohnzimmer fliegen konnte. Er landete auf dem Tisch genau vor Albus und blinzelte ihn an. Albus blickte seinem alten Gefährten lange in die Augen und er ahnte, nein, er wusste, dass dieser Trank, den er zum eigenen Schutz eingenommen hatte, die Barriere darstellte, die Fawkes davon abhielt, zu ihm zurückzukehren.

Gerade, als Albus den Mund öffnete, um sein Geheimnis zu offenbaren, da klopfte es an die Tür. Harry hatte dem Gast persönlich geöffnet und er blickte in das freundliche, wenn auch mit Gram durchwachsene Gesicht von Narzissa Malfoy.

Nachdem sie Harry gegrüßt hatte und eingetreten war, ging sie auf einen vor lauter Schreck ganz still gewordenen Sirius zu und sie ergriff seine Hand, während sie aufrichtig sagte: „Lieber Cousin, ich habe von dem Schicksal deiner Zukünftigen erfahren.“ Sie drückte seine Hand und fügte hinzu: „Ich versichere dir, dass ich alles in meiner Macht stehende tun werde, um…“
„Entschuldigen Sie bitte“, unterbrach Harry, bevor er sich an Severus wandte, „Mrs. Malfoy ist die Person, die Sie um Hilfe gebeten haben?“
„Ja und ich möchte keine Zeit verlieren“, antwortete Severus, bevor er Narzissa mit einer Handbewegung ins Schlafzimmer einlud, in welchem sich die Patientin befand.

Einmal – ganz schnell und kurz – drückte Narzissa ihren Cousin an sich. Es schien, als hätte sie Angst davor, dass er sie wegstoßen würde, doch er rührte sich gar nicht und sagte keinen Ton. Gleich darauf verschwand sie im Schlafzimmer, doch Severus blieb noch einen Moment bei den dreien und sagte an Albus gerichtet: „Du begrüßt es sicher, dass unser Gespräch unterbrochen worden ist. Das heißt nicht, dass wir drei bestimmte Dinge vergessen, Albus.“ Er verabschiedete sich mit einem Kopfnicken und machte sich auf zu Narzissa.

Ein Geistesblitz durchzuckte Harry und er fragte den Direktor: „Albus? Kann Fawkes nicht etwas für Anne tun?“ Harry blickte den feuerroten Vogel an und fragte ihn direkt: „Kannst du ihr nicht helfen?“
„Ich bedaure es sehr, aber die Tränen eines Phönix können keine geistigen Wunden oder seelischen Verletzungen heilen, denn sonst hätte Fawkes, wie ich ihn kenne, längst auf ihrem Bett gesessen und für sie geweint“, erklärte Albus.
Sirius wollte es genauer wissen und fragte: „Weiß man das denn ganz sicher? Vielleicht gibt es ja doch eine Möglichkeit…“
Albus hielt beide Hände in beschwichtigend unterbrechender Geste nach oben, bevor er versicherte: „Glaube mir, Sirius, es ist nicht möglich. Diese Hoffnung hatte auch ich einmal gehabt, doch die Phönixtränen können nur die Versehrtheit eines Körpers beheben, nicht jedoch die des Seelenlebens.“ Albus seufzte bekümmert und dann verabschiedete er sich mit den Worten: „Ich vertraue darauf, dass Miss Adair bald wieder die Alte sein wird und ich verspreche, dass ich mit Antworten nicht zurückhalten werde, doch alles zu seiner Zeit.“ Gleich darauf verließ er die beiden, die dem alten Zauberer noch verdutzt hinterherblickten.

Sirius blinzelte ein paar Mal, als wäre er eben aus einem Schlaf erwacht, bevor er Harry anschaute und mit ruhiger Stimme sagte: „Ich weiß nicht, warum, aber irgendwie bin ich jetzt viel zuversichtlicher.“
Lächelnd blickte Harry zu seinem Patenonkel hinüber, bevor er sagte: „Das ist schön, Sirius. Ich habe auch so ein gutes Gefühl, dass alles in Ordnung kommen wird.“
Das erste Mal seit dem Vorfall mit den Vergissmich konnte Sirius wirklich wieder lächeln und er sagte: „Eines kannst du mir glauben, Harry: Wenn ich sie wiederhabe, dann werde ich sie sofort heiraten! Nichts soll uns noch in die Quere kommen können. Mir ist völlig egal, ob wir in der Muggelwelt in einer Wohnung ohne Kamin oder in der Zaubererwelt in einem Haus mit Flohnetzanschluss leben werden. Die Hauptsache ist doch, dass wir zusammen sein können.“ Sirius blinzelte Harry einmal zu, bevor er sagte: „Ginny kommt also Freitag raus? Kannst es bestimmt kaum noch erwarten.“
Harry grinste wie ein Honigkuchenpferd und bekam etwas Farbe im Gesicht, bevor er ganz aufgeregt erzählte: „Ich habe mit Albus alles besprochen. Weil Ginny und ich verlobt sind, dürfen wir hier auch zusammen wohnen. Wir sollen uns nur vor den Schülern anständig benehmen, aber ansonsten gelten für uns keine Schulregeln.“ Harrys rote Gesichtsfarbe wurde noch einige Nuancen dunkler und er blickte verschämt lächelnd zu Boden, denn Sirius würde bestimmt verstehen, wie das gemeint sein würde.
„Gut zu wissen, Harry. Ich werde ganz sicher nicht mehr unangemeldet hier hereinplatzen, wenn ich euch besuchen möchte“, versicherte Sirius mit breitem Grinsen.

Die beiden hatten sich bei den Hauselfen eine Mahlzeit bestellt und zusätzlich auch eine für Severus und Narzissa, die jedoch durch die Tür hindurch sagten, dass darauf verzichten würden und so machten sich Harry und Sirius allein über die Eierkuchen mit Nougatcreme oder Apfelmus her.

„Du hast nach dem einen Mal mit Narzissa gar nicht mehr gesprochen oder?“, fragte Harry.
Sirius schüttelte den Kopf, schluckte jedoch erst, bevor er antworten konnte: „Nein, ich wusste einfach nicht, über was ich mich mit ihr unterhalten könnte, also hatte ich keinen Grund sie zu besuchen.“
„Das hätte sich schon von allein erledigt, wenn du erst einmal zu ihr gegangen wärst. Ich habe von Albus gehört, dass Andromeda bei ihr gewesen wäre“, erzählte Harry nebenbei.
Hier machte Sirius ganz große Augen und fragte nach: „Wirklich? Da muss ich direkt mal Tonks fragen, ob sie was davon weiß. Ist irgendwas vorgefallen? Gab es einen ’Catfight’ zwischen den beiden; mit ausgefahrenen Krallen?“
Harry schüttelte vorwurfsvoll den Kopf und sagte: „Kommen dir immer nur solche Szenarien in den Kopf? Kannst oder willst du dir nicht vorstellen, dass es auch gut ausgegangen sein kann?“ Sirius sagte nichts, so dass Harry einmal seufzte und erklärte: „Wären die beiden sich an die Gurgel gegangen, hätte ich das bestimmt erfahren. Von Albus oder sogar von Draco.“
„Tut mir Leid, Harry, aber es ist für mich immer noch eine seltsame Situation mit Narzissa“, sagte sein Patenonkel, der sich etwas Kaffee einschenkte und Harrys Tasse auch gleich füllte.
„Narzissa ist jetzt gerade da drin“, Harry nickte zur Schlafzimmertür hinüber, „und hilft dabei, dass Anne hoffentlich bald wieder gesund wird. Meinst du nicht, es wäre mal an der Zeit, sie einzuladen?“
„Zu was denn?“ Sirius klang ein wenig missgelaunt, denn er wusste, dass Harry Recht hatte. Er müsste sich seiner Cousine mal zeigen, wenn sogar Harry mit ihr so gut auskam.
„Na ja, du hast ja erst im nächsten Jahr wieder Geburtstag. Lass mal überlegen“, sagte Harry, der jetzt vorgab, angestrengt nachzudenken, was für Sirius offensichtlich war. „Wie wäre es denn mit eurer Hochzeit? Lade sie und Draco zur Hochzeit ein!“
„Der Schritt wäre gewaltig, Harry. Ich glaube nicht, dass ich sie oder ihren Sohn…“
„Sirius“, sagte Harry in einem sehr drohenden Tonfall. „Spring doch bitte ein einziges Mal in deinem Leben über deinen Schatten! Wenn du es schon bei Severus nicht…“
„Was soll das jetzt wieder? Ich war doch nett zu beiden oder etwa nicht?“, wollte Sirius wissen. Bevor Harry noch Konter geben konnte, erklärte er leise zischelnd, so dass man seine Stimme im Schlafzimmer nicht mehr hören würde: „Ich kann nicht einfach so verzeihen, was damals alles vorgefallen ist. Narzissa war ein hinterhältiges Biest und ihr Mann ist ein Gauner! Außerdem ist sie gemein und nachtragend. Hast du dir mal von Tonks Eltern erzählen lassen, was damals alles geschehen ist? Ich selbst musste von Zuhause abhauen, damit ich zur Hochzeit von Andromeda und Ted gehen konnte! Danach hat sich mein Verhältnis zu meinen Eltern nicht gerade gebessert.“
Harry schnaufte ungläubig, bevor er wiederholte: „Du hältst Narzissa für gemein und nachtragend?“ Sirius nickte zustimmend, so dass Harry schimpfte: „Was bist du denn, Sirius? Fass dir mal schön an die eigene Nase. Du bist doch keinen Deut besser!“

Mit allen Bewegungen hielt Sirius abrupt inne und er blinzelte nicht mal mehr, als er Harrys Worte in Gedanken wiederholte. Er suchte verzweifelt nach irgendeinem Argument, welches Harrys Vorwurf entkräften würde, doch das Schlimme war, dass er keines fand und das bedeutete, dass Harry Recht haben musste. Er selbst war nicht anders. Er war nachtragend, weil er nur den Ereignissen aus der Vergangenheit Bedeutung beimaß und er war gemein, weil er seiner Cousine nicht einmal eine Chance geben wollte, sich von ihrer neuen Seite zeigen zu können; ihrer besseren Seite, wie Harry mehrmals versichert hatte. Selbst Anne hatte ihm nach der einen Begegnung noch einige Male gesagt, dass sie seine Cousine nett finden würde und er sie einmal einladen sollte. Die arme Frau wäre doch so leidgeplagt, hatte Anne gesagt. Obwohl Narzissa seine Verlobte kaum kannte, war sie heute nicht nur bei ihr im Zimmer, sondern höchstwahrscheinlich gerade auch in ihrem Kopf. Plötzlich erschrak Sirius innerlich, denn er fragte sich, was Narzissa denken würde, sollte sie Erinnerungen daran sehen, wie er sich gesträubt hatte, sie besuchen zu wollen. Womöglich, mutmaßte Sirius, würde sie sauer reagieren oder es vielleicht auch gar nicht ansprechen, weil diese Erinnerung sie nichts anging. Er hoffte innig, dass weder Severus noch Narzissa irgendwelche Erinnerungen an Gespräche zwischen ihm und Anne sehen würden, die ihm im Nachhinein peinlich sein könnten.

Gerade, als er an Severus und Narzissa gedacht hatte, da rief Severus aus dem Schlafzimmer: „Harry, Black, kommen Sie schnell!“

Wie von der Tarantel gestochen sprangen die beiden auf und stürmten ins Schlafzimmer. Seitlich auf dem Boden am Fußende des Bettes saß Narzissa und Severus hockte hinter ihr und hielt sie an den Oberarmen fest.

Sofort fragte Harry besorgt: „Severus, was ist los?“
„Hier ist alles in Ordnung“, antwortete Severus, obwohl der Anblick von Narzissa etwas Anderes vermuten ließ. „Miss Adair ist erwacht“, fügte Severus hinzu, so dass Harry und Sirius sich sofort sich Anne zuwandten. Sie atmete heftig, doch sie konnte Sirius und Harry mit den Augen fixieren und als sie ihren Verlobten sah, da lächelte sie, doch ihre Lippen begannen zu zittern und ihre Stimmung schwang von einer Sekunde zur anderen um und sie weinte.
„Anne“, sagte Sirius erleichtert, als er ihr Gesicht mit ihren Händen umrahmte.

In der Zwischenzeit half Severus mit nur wenig Kraftanstrengung Narzissa auf einen Stuhl. Harry bemerkte, dass sie bleich war; bleicher als sonst. ’Ob sie sich auch hat übergeben müssen wie Severus?’, fragte sich Harry in Gedanken. Narzissa schien sehr aufgewühlt zu sein und Severus war erkennbar in Alarmbereitschaft, doch Sirius bekam von alledem nichts mit, denn der packte seine Anne sanft an den Schultern und setzte sie auf, damit er sie an sich drücken konnte.

Während er sie wiegte, sagte er: „Ich möchte, dass wir so schnell wie möglich heiraten, Anne. Wo wir wohnen werden, ist mir ganz gleich, aber ich weiche nicht mehr von deiner Seite. Ich fordere morgen im Ministerium alle notwendigen Papiere an. Was hältst du davon? Heiraten wir am Wochenende?“

Anne konnte nicht antworten. Das leichte Schaukeln in seinen Armen, auch wenn Sirius es nicht einmal zu bemerken schien, sorgte bei ihr für einen heftigen Schwindel, der Übelkeit aufkommen ließ und bevor sie etwas erwidern konnte, ergoss sich plötzlich ihr geringer Mageninhalt über seiner Schulter.

Verwundert und besorgt löste Sirius die Umarmung und er blickte Anne an, als er plötzlich ein vertrautes Schnaufen hörte, bevor er Severus sagen hörte: „Ich weiß nicht, wie Sie das deuten, Black, aber ich denke, das könnte man als ’Ja’ durchgehen lassen.“

Harry rechnete schon mit einem schlimmen Gezanke, doch Sirius lachte plötzlich auf. Er lachte einfach – befreit und sorglos – und stimmte Severus auch noch zu.

Mit einer einfachen Handbewegung beseitigte Sirius die Verunreinigung und fragte Anne: „Hast du Hunger?“
„Das, Mr. Black, sollten Sie für heute lassen. Miss Adair sollte zunächst schlafen, dann wird sich auch die Übelkeit legen“, empfahl Severus. Sirius nickte ihm daraufhin zu und legte Anne wieder behutsam hin.
„Ich will nicht schlafen“, sagte Anne müde.
„Das ist aber besser für dich. Ich bleibe hier neben dir liegen und werde da sein, wenn du wach werden solltest, okay?“
Sie lächelte schwach und wiederholte zustimmend: „Okay.“
Harry lächelte Anne an, drückte einmal ihre Hand und sagte leise: „Schön, dass es dir wieder besser geht. Wir sehen uns bald. Werde schnell gesund, ja?“ Sie nickte und derweil fielen ihr bereits die Augen zu.

Wortlos verabschiedete sich Harry bei Sirius und er wandte sich an Severus, der Narzissa behutsam an einem Arm ergriff und ihr vom Stuhl aufhalf. Nachdem sie das Schlafzimmer verlassen hatten, fragte Harry: „Mrs. Malfoy?“
„Lassen Sie es gut sein, Harry. Ich kümmere mich um…“

Severus verstummte, als Narzissas Atmung sich plötzlich beschleunigte. Vorsichtshalber setzte er sie auf die Couch und reichte ihr ein Glas Wasser, doch sie wollte kein Wasser, hielt sich stattdessen eine Hand vor den Mund.

„Ist dir übel, Narzissa?“, fragte er besorgt. Sie schüttelte den Kopf und bedeckte gleich darauf mit der gleichen Hand ihre Augen. Harry blickte ihn fragend an, doch Severus konnte nur ratlos die Schultern heben und senken.

„Narzissa, ich bringe dich zum Krankenflügel. Madam Pomfrey wird sich um dich kümmern“, sagte Severus, doch wieder schüttelte sie den Kopf. „Was hast du?“, wollte er wissen. Als sie ihm nicht antwortete, wurde er grantiger und sagte bestimmend: „Du musst mir sagen, was geschehen ist, denn sonst werde ich dir nicht helfen können! Befürchtest du, dass du Schäden davongetragen hast?“
Sie atmete noch immer sehr heftig, was Harry den Ernst der Lage vermittelte, doch dann, endlich, konnte sie sich äußern und sie sagte mit bebender Stimme: „Dieser Gedankenstrudel… Er hat meine eigenen Erinnerungen erfasst.“
Severus wollte es genauer wissen und fragte daher neugierig nach: „Wie ist das geschehen? Bist du verwirrt? Kreisen deine Erinnerungen oder wie muss ich mir das vorstellen?“
Sie schluckte hörbar und holte mehrmals tief Luft, während ihre zitternde Hand über ihr Gesicht fuhr, bevor sie mit brüchiger Stimme erklärte: „Ich habe plötzlich Erinnerungen an Dinge… Ich möchte diese Erinnerungen nicht haben, Severus.“ Sie klang verzweifelt und den Tränen nahe.
Völlig fasziniert lauschte Harry der unerwartet sanften Stimme seines Kollegen, der fragte: „Was für Erinnerungen, Narzissa?“
Sie schluchzte und Harry empfand Mitleid mit der schönen Frau, deren Gesicht von Kummer gezeichnet war, als sie verschämt und mit sehr leiser Stimme erklärte: „Das Geheimnis meiner eigenen Natur hat sich mir offenbart, Severus. Über mein Ich mit all seiner Schlechtigkeit bin ich im Bilde und ich ertrage diese Entfremdung nicht.“
Zuletzt geändert von Muggelchen am 25.01.2011 22:52, insgesamt 1-mal geändert.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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