Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - BEENDET

Hier könnt ihr eure Fanfictions und Gedichte zu Harry und seiner Welt vorstellen.

Moderator: Modis

Antworten
Benutzeravatar
CaRo94
FeeFee
Beiträge: 567
Registriert: 14.01.2009 17:55

Beitrag von CaRo94 »

Hallo :)

Die anderen beiden, haben eigentlich schon alles gesagt. =) Ich bin auch mal gespannt wie es mit dem Traum weiter geht. Und überhaupt: Mach weiter so. :D

Lg
Caro

Benutzeravatar
Muggelchen
EuleEule
Beiträge: 345
Registriert: 07.06.2008 22:29
Wohnort: Gemälde im 1. Stock

Beitrag von Muggelchen »

Hallo CharLue,

die Kapitel werden bald länger und werden mind. 8.000 Wörter haben, oft auch über 10.000. Allerdings werden dann auch die Cliffhanger fieser :? :wink:
Es ist aber schön zu hören, dass du so richtig Lust auf die Geschichte hast. Oder ist es eher die Handlung um Hermine und Severus herum?
Deine Vermutung bezüglich Susan lass ich einfach mal unbeantwortet stehen. Wirst später schon erfahren, warum :wink:
Demnächst kommt erst die Einschulung (inklusive Lied vom Sprechenden Hut), dann auch ein Einblick in Harrys Unterricht und allem, was dazu gehört. Auch wenn es nicht seine allererste Stunde als Lehrer ist, wird es sicherlich Spaß machen.

Hi Sentara,

glaub mir, es gibt noch viel schlimmere Stellen, an denen ich ein Kapitel enden lassen kann :D
Später werdet ihr merken, dass ein Kapitel nicht mehr nur ein Thema behandelt. Das hat sich einfach so entwickelt. Dieses Mal geht es, was der Titel schon verrät, um die Traumdeutung. Die ist nicht erdacht, sondern wirklich mit Hilfe von Büchern und Internetseiten erstellt, damit eben Leser, die sich damit auskennen *schieltzuSentara*, nichts beanstanden können. :wink:
Susan und Draco: Könnte man meinen, dass da was Kleines unterwegs ist.
Dass jemand, der unschuldig 12 Jahre in Askaban verbracht hat, nicht ohne (seelischen) Schaden davonkommt, kann man sich denken. Sirius hat in dieser Hinsicht sein Kreuz zu tragen und wird es hoffentlich mit Hilfe schaffen, sich dem Jetzt anzuschließen, anstatt immer in der Vergangenheit zu leben.
Vielen Dank auch für dein Lob. Mir liegt viel daran, dass der Leser sich bildlich vorstellen kann, was gerade passiert. Das hat offensichtlich geklappt :smile:

Hallo CaRo,

mit dem Traum und seiner Deutung geht's gleich weiter. Ich denke mal, das könnte dir gefallen. :smile:

Lieben Gruß,
Muggelchen




079 Traumdeutung




Zehn Minuten nachdem Hermine die Kerker verlassen hatte betrat sie mit selbstsicherem Schritt erneut die Bibliothek, um vor dem leeren Pult zu warten. Sie vernahm eilige Schritte, die von Madam Pince herrühren mussten. Da kam sie auch schon mit ihren streng hochgesteckten Haaren. Die tief ins Gesicht gegrabenen Sorgenfalten waren mit den Jahren noch ausgeprägter geworden. Mit zusammengekniffenen, dünnen Lippen begab sie sich hinter ihren Pult und hielt die Hand ausgestreckt. Sogleich überreichte Hermine ihr das Schreiben von Professor Snape. Madam Pince richtete ihre Brille, während sie bereits die Bestätigung las.

„So so, Miss Granger. Eine private Schülerin sind Sie, ja? Nun, das ist selten in Hogwarts, aber nicht ungewöhnlich. Professor Sprout hatte vor drei Jahrzehnten auch mal einen Schüler aufgenommen. Gut, dann werde ich Ihnen noch einmal die Bibliotheksregeln nennen“, sagte Madam Pince mit strenger Miene.
„Ach, bitte entschuldigen Sie, aber ich kenne die Regeln noch sehr gut. Habe sie immerhin sieben Jahre lang eingehalten oder?“, entgegnete Hermine mit einem zuversichtlichen Lächeln, auch wenn ihr nicht danach war. Madam Pince konnte eine echte Nervensäge sein.

Mit hochgezogenen Augenbrauen, was ihr einen seltsam gestrafften Gesichtsausdruck verlieh, musterte die Bibliothekarin die junge Frau vor sich, bevor sie sagte: „Nun gut, ich habe Sie noch als unauffällige Schülerin im Gedächtnis. Außerdem sind Sie ja heute neben mir die Einzige hier. Ich werde schon sehen, ob Sie sich anständig aufführen. Die Bibliothek steht Ihnen zur Verfügung.“
Madam Pince gab ihr die Bestätigung zurück, so dass Hermine sich auf den Weg zu ihrem „Stammplatz“ machen konnte.

Durch die Gänge schlendernd ließ Hermine alle Bücher, die sie damals im Fach „Wahrsagen“ von Trelawney in Bezug auf „Traumdeutung“ hatte durchgehen müssen, außen vor. Was sie suchte waren Bände, die sich mit Psychologie beschäftigten und deren Bestandteil die psychoanalytische Traumdeutung war. Die Wissenschaftler in der Muggelwelt waren sich zwar selbst uneins über die „wissenschaftliche Traumdeutung“, die Siegmund Freud entwickelt hatte, aber ganz falsch konnte es auch nicht sein, zumindest mal einen Blick hineinzuwerfen, dachte Hermine. Selbst wenn sie den Traum von Snape nicht hundertprozentig korrekt deuten könnte, würde sie wenigstens einige Anhaltspunkte über seinen seelischen Zustand erhalten.

„’Oneirologie’, hab ich dich!“, sagte sie triumphierend, als sie das Buch ergriff, welches ihr schon einige Male ins Auge gefallen war, denn es stand recht nahe an dem Buch „Die Seelen der Farben“, welches sie sich heute noch ausleihen wollte.

Am Fenster sitzend las sie zunächst den Traum von Snape und das gleich zweimal. Durch die anderen Bücher wusste sie bereits, dass die Farbe Weiß in den meisten Fällen für etwas Gutes stand, doch das Buch „Oneirologie“ bestätigte ihr das noch einmal. Sie las die ersten Sätze laut, aber plötzlich erinnerte sie sich daran, dass Snape die letzten Male heimlich gelauscht hatte, was ihr eine Gänsehaut über den Rücken laufen ließ. Ein plötzliches Prickeln in der Magengegend nötigte sie, nur in Gedanken zu lesen: ’Weiß: Steht übergeordnet für Unschuld, aber auch für die Verarmung des Gefühlslebens. Diese Farbe symbolisiert Macht und die Spiegelung des Absoluten. Möglicherweise will Ihnen das betreffende Traumbild zeigen, dass es etwas zu bereinigen gibt?’

Hermine notierte sich alles, was sie über die Farbe „Weiß“ in dem Buch fand, denn das war die Farbe des Raumes gewesen, in welchem Snape sich in seinem Traum wiedergefunden hatte, nachdem er appariert war. Jetzt musste sie sein dazugehöriges Gefühl nachschlagen, denn er hatte es dort behaglich und angenehm warm gefunden. ’Wärme: Sie symbolisiert Anteilnahme und Zuneigung, Herzlichkeit und Leidenschaft.’ Hermine stutzte, denn „Leidenschaft“ oder „Herzlichkeit“ waren keine Worte, die sie jemals in einem Satz mit Professor Snape erwähnen würde.

Madam Pince kam den Gang hinunter auf Hermine zu und blickte sie streng an, während sie an ihr vorbeiging. Es war nicht zu übersehen, dass die Bibliothekarin ein Auge auf die einzige Schülerin geworfen hatte, die sich hier aufhielt. Die Frau war ihr nach einer halben Stunde unangenehmer als ein unsichtbarer Snape, der hinter ihr stehen würde, denn der hatte sie zumindest nicht bei ihrer Recherche abgelenkt. Sie würde Snape auf jeden Fall noch einmal fragen wollen, warum er das getan hatte; warum er sich ihr auf diese hinterlistige Art genähert hatte, aber zuerst wollte sie den Traum deuten.

’Eine goldene Sonne’, las Hermine in Gedanken von Snapes Pergament, bevor sie das Buch unter „S“ aufschlug und nach „Sonne“ suchte. Sie fand verschiedene Vorschläge, wie beispielsweise eine aufgehende Sonne, eine rote oder eine erloschene.

’Ist die Sonne jedoch golden und schön, dann darf man von einem Glück verheißenden Traum ausgehen, denn er verkündet Würden und Reichtum, aber auch Ehrenzeichen, doch die positivste Deutung weist auf eine glückliche Ehe hin’, las Hermine still und stutzte noch einmal.

In Gedanken verkuppelte sie Snape mit Madam Pince und sie kam zu der erschreckenden Erkenntnis, dass deren potenzielle Kinder allesamt grantige, strenge, ernste und sarkastische Monstren werden würden. Sie konnte sich Snape einfach nicht vor dem Traualtar vorstellen und schüttelte daher ungläubig den Kopf.

Die Symbole und ihre Bedeutung wurden aber noch viel besser. Während „grüne Reben“ an sich lediglich „Erfolge“ symbolisierten, sollte das Schneiden dergleichen Familienglück versprechen, doch Snape hatte sie im Traum nicht geschnitten – Harrys Stimme hatte ihm lediglich den Hinweis gegeben, ’es wäre an der Zeit, die Reben zu schneiden’.

Sie seufzte. Wenn sie nachher alle Symboliken der verschiedenen Objekte und Erscheinungen erst einmal zusammengesucht hatte, würde der schwierige Teil der Traumdeutung beginnen, nämlich das Zusammensetzen der gedeuteten Symbole zueinander in Bezug auf die Lebenssituation des Träumers. Sie müsste noch herausbekommen, was Harrys Auftritt in Snapes Traum bedeutete, bevor sie genauer sagen konnte, was Harrys Stimme, die ja zudem von der goldenen Sonne zu kommen schien, für eine Relevanz hätte.

’Hätte ich jetzt nur ein Eis’, wünschte sie sich, denn damit würde sie zügiger vorankommen, doch Madam Pince würde ihr mit Sicherheit ein lebenslanges Verbot für die Nutzung der Bibliothek erteilen, würde man sie hier beim Essen erwischen.

’Also weiter mit den Symbolen’, dachte sie, während sie bei dem Wort „Tor“ nachschaute, denn Snape war durch eines gegangen, bevor er auf Harry getroffen war. Jede Kleinigkeit, die Snape aufgeschrieben hatte, könnte wichtige Hinweise liefern und die Traumdeutung am Ende wesentlich runder machen.

Unter „Tor“ standen verschiedene Dinge, so dass sie die ganzen Aufzählungen zunächst überflog und in Gedanken mitlas. ’Verschlossenes Tor, rostiges Tor, eines aus Eisen oder Holz, eines selbst verschließen… Hah, hier haben wir es: Durch ein offen stehendes hindurchgehen weist darauf hin, dass sie freundliche Aufnahme bei einem Menschen finden.’ Sie notierte sich wieder alles, bevor sie nochmals in Snapes Traum las, denn sie wollte mit der Reihenfolge der aufgetauchten Gegenstände nicht durcheinander kommen.

Das nächste Ereignis in Snapes Traum war der grüßende Händedruck von Harry, was sich symbolisch natürlich auf zwischenmenschliche Kontakte bezog und für großes Vertrauen und Treue stand. Snape vertraute also Harry oder dachte Snape, dass Harry ihm vertraute, weil er es ja war, der Snapes Hand ergriffen hatte? Hermine war verwirrt und verstand zum ersten Mal, warum die wissenschaftliche Traumdeutung sehr umstritten war.

In Snapes Pergament kam jetzt der Moment, in welchem er auf die Perlen aufmerksam geworden war, die in dem Thron, auf dem Harry saß, eingearbeitet waren. Wenn jemand anderes als man selbst auf einem Thron sitzen würde, bedeutete dies, durch die Güte und das Wohlwollen anderer zu Wohlstand zu kommen. Die Perle an sich symbolisierte Keuschheit und Reinheit. Hermine schnaufte amüsiert, als sie Keuschheit mit Harry in Verbindung brachte. Sicherlich war er kein Schürzenjäger wie sein Patenonkel und Harry hatte zudem eine sehr lange Zeit auf Ginny warten müssen, aber als keusch wollte sie ihn dennoch nicht bezeichnen.

’Obwohl’, dachte Hermine, ’war denn jemals etwas mit Cho, was über einen Kuss hinausgegangen war? Und bevor sich Harry und Ginny schweren Herzens trennen mussten, hatten sie nicht zumindest einmal…?’ Hermine ließ die Spitze der Feder über ihre Lippen gleiten, als sie sich über ihren besten Freund Gedanken machte. ’Harry hatte schon vor der Trennung für sich selbst kaum Zeit gehabt, aber nach der Trennung und nach dem Schulabschluss noch viel weniger, unter anderem wegen seiner ganzen Trainingsstunden mit Kingsley, Alastor, Minerva und Flitwick. War Harry etwa noch…?’ Hermine schüttelte ihren Kopf, um wieder mit der Traumdeutung vorzufahren.

Eine zähe oder raue Haut – Snape hatte die Haut seiner rechten Hand als „rau“ bezeichnet –symbolisierte das „dicke Fell“, welches man sich zugelegt hatte und Harry hatte diese Haut abgestreift. ’Jetzt wird es interessant!’, dachte Hermine. Mit weit aufgerissenen Augen las sie, dass abgestreifte Haut, ähnlich einer Schlangenhaut, den Träumer dazu aufforderte, sorgenfrei von der belastenden Vergangenheit einen Neuanfang zu wagen. „Bingo!“, sagte Hermine laut und hörte gleich darauf Madam Pince aus irgendeiner Ecke „Ruhe“ rufen. ’Zicke’, schimpfte Hermine in Gedanken.

Gleich darauf wollte Snape fliehen, doch ein Einhorn hatte ihm den Weg versperrt. Fluchtträume hatte Hermine selbst schon häufig gehabt, besonders kurz vor der Trennung mit Ron, was lediglich bedeutete, dass man auch im realen Leben vor einer Entscheidung fliehen wollte. Ein Einhorn, welches laut volkstümlicher Überlieferung seine Wildheit im Schoße einer Jungfrau verlieren würde, symbolisierte daher in einem Traum Unschuld und Reinheit. Zudem war „bedingungslose Liebe“ die übergeordnete Symbolik eines Einhorns im Traum.

Worüber Hermine überhaupt keine Informationen fand waren Begriffe wie „Zauberstab“ oder „dunkles Mal“ – wie auch, denn das Buch war ein Muggelbuch. Begriffe wie „Zauberer“ oder „Hexe“ hatten in den Träumen von Muggeln natürlich eine völlig andere Bedeutung als in denen von Zauberern und Hexen. Das war auch der Grund, warum sie den Anfang nicht deuten konnte, als Snapes dunkles Mal gebrannt hatte. Das Ende von Snapes Traum war ja so schon sehr unbefriedigend, aber jetzt nicht einmal eine Bedeutung der Symbole zu finden, war noch unbefriedigender.

’Was würde wohl geschehen, wenn Harry mit seinem Zauberstab das dunkle Mal auf dem Arm eines Todessers berühren würde?’, fragte sich Hermine still. Sie überlegte, ob man das einmal aufprobieren dürfte oder ob es wömöglich es ein viel zu gefährliches Unterfangen darstellte.

Wie Hermine es sich gedacht hatte stellten sich ihr einige Fragen, die sie auf seine Forderung hin nicht mit ihm diskutieren durfte, aber sie benötigte dringend Antworten. Zum Beispiel eine Antwort auf die Frage, was Snape in Harry sah; ob er ihn als Freund sah oder Snape vielleicht sogar Angst vor ihm hätte. Natürlich könnte sie zig verschiedene Variationen des Traumes schriftlich erstellen, in denen sie sämtliche Deutungsmöglichkeiten berücksichtigen würde, nur um Snape nicht fragen zu müssen, aber diese Mühe wollte sie sich nicht machen, weswegen sie nach ihrer Recherche erst einmal ihre Sachen zusammenpackte.

Mit dem Buch „Oneirologie“ und „Die Seelen der Farben“ unterm Arm ging sie an das Pult von Madam Pince und sie wartete, bis die Bibliothekarin sich ihr erneut näherte.

„Die beiden Bücher möchte ich gern ausleihen“, sagte Hermine mit einem zuckersüßen Lächeln, um Madam Pince prophylaktisch milde zu stimmen und tatsächlich bekam sie beide Bücher ohne Murren.

Während Hermine sich bereits auf den Weg in die Kerker machte, saß Severus in seinem Büro und machte nicht anderes, als gedankenverloren in die Gegend zu starren und sich zu fragen, ob es nicht ein Fehler gewesen war, Miss Granger seinen Traum anzuvertrauen. Er fragte sich, was sie danach wohl von ihm denken könnte, aber viel unerträglicher für ihn war es, nicht zu wissen, was bei der Deutung herauskommen würde. Zum Glück hatte sie bereits unterschrieben und der Vertrag war für drei Jahre gültig. Die nächsten drei Jahre wäre er nicht allein.

Als es klopfte, hörte er es erst nicht, doch das zweite Klopfen war bereits lauter, so dass er „Herein“ rief. Miss Granger trat ein und legte zwei schwer aussehende Bücher auf einem kleinen Beistelltisch ab, der unter der ernormen Last bereits unheilvoll knarrte.

„Professor Snape, ich muss zumindest eine Sache mit Ihnen klären!“, sagte sie bestimmend.
„Miss Granger, wenn es um die Pergamente gehen sollte, habe ich hoffentlich sehr deutlich gemacht, dass ich nicht darüber…“
Sie besaß die Frechheit, ihn zu unterbrechen und sagte: „Wenn ich diese eine Sache nicht von Ihnen weiß, Professor, dann gibt es unzählige Deutungsmöglichkeiten und ich werde keine zwanzig Interpretationsmöglichkeiten niederschreiben, nur weil Sie sich sträuben, mir eine Antwort zu geben.“ Sie klang sehr entschlossen, dachte er, doch bevor er fragen konnte, um was es sich handeln würde, erklärte sie bereits: „Ich muss nur wissen, wie Sie im realen Leben Harry sehen. Ich meine, bezeichnen Sie ihn als Ihren Freund, als Feind oder vielleicht sogar nur als Dummkopf…“ Sie lachte und zuckte derweil mit den Schultern, so dass die Situation für ihn nicht so belastend war, wie er befürchtet hatte.

Er musste nicht lange in sich gehen, bevor er sagte: „’Freund’ oder ’Vertrauter’ wäre die korrekte Bezeichnung. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden?“
„Darf ich hier weitermachen? Ich bin auch ganz still“, sagte sie mit einem aufgesetzten Hundeblick. Mit einem Male krachte es laut und sie erschrak. Der Beistelltisch war unter der Bücherlast zusammengebrochen. Mit vor Verlegenheit ganz rosigen Wangen zauberte Hermine die Bücher zu sich, bevor sie mit einem „Reparo“ den kleinen Tisch reparierte und gleich darauf flüsterte: „Tut mir Leid, Professor.“

Er blickte sie eindringlich an, so dass sie für kurze Zeit ein undefinierbares Prickeln verspürte, bevor er wortlos zu einem anderen, viel kleineren Arbeitstisch hinübernickte, an welchem sie Platz nehmen durfte.

Sie schrieb und schrieb und immer wieder verspürte Severus den Drang, zu ihr hinüberzublicken, um vielleicht Emotionen in ihrem Gesicht ablesen zu können, doch das Einzige, was er dort sehen konnte, war Konzentration. Sie nahm die Sache sehr ernst, obwohl es sich nur um so etwas Albernes wie einen Traum handelte, dachte er. Natürlich würde er ihr nicht gestehen, dass er es viel beunruhigender fand, nach zwanzig Jahren mal wieder einen Traum gehabt zu haben. Vielleicht hätte er den Traum doch lieber von Sibyll deuten lassen sollen, auch wenn dabei am Ende mit höchster Wahrscheinlichkeit ein todbringender Unfall bei herauskommen würde – das wiederum konnte nämlich Severus vorhersagen.

Auf das Pergament schrieb Hermine in Schönschrift mit ihren geschwungenen, bauchigen Buchstaben:


Professor Snape,

Sie haben ja sehr deutlich gemacht, dass Sie über Ihren Traum oder dessen Entschlüsselung nicht reden möchten, doch hier und da erachte ich persönliche Anmerkungen für notwendig, aber zunächst zu Ihrer Traumdeutung.

Über den real wirkenden Anfang kann ich leider nichts schreiben, denn in psychologischen Büchern aus der Muggelwelt finden sich natürlich keine Einträge zu Begriffen wie „dunkles Mal“, „Voldemort“ oder „Todesser“, weshalb ich den gesamten Anfang leider auslassen muss, weil ich nicht auf puren Verdacht hin eine Analyse starten möchte.

Vorweg: Der gesamte Traum zeigt Sie in einer Umgebung, die von Unschuld, Reinheit, Keuschheit, Zuneigung, Herzlichkeit und Leidenschaft eingenommen ist, was die vorherrschende Farbe „Weiß“, Ihr Empfinden von „Wärme“, die Perlen, das Einhorn und Harrys Anwesenheit zeigt. Die Grundlage des Traumes ist somit eine ausgesprochen positive, die überhaupt nichts Schlimmes befürchten lässt. Die einzelnen Bedeutungen folgen noch ausführlicher.

Jetzt, da Sie mir anvertraut haben, dass Sie Harry als Ihren Freund sehen, ist die Deutung des Traumes wesentlich einfacher als ich zunächst dachte. Sieht man im Traum nämlich jemanden, den man als Freund betrachtet, dann zeigt diese Person sich genauso wie auch im realen Leben – also als Freund. Kann man den Träumer hingegen in der Realität als einsamen Menschen bezeichnen, so offenbart das Träumen von einem Freund die Sehnsucht nach Geselligkeit. An dieser Stelle müssen Sie für sich selbst ergründen, ob Sie sich als „einsamen Menschen“ bezeichnen möchten.

Ich vermute zudem, dass die goldene Sonne am Anfang des Traumes Harry symbolisieren könnte, denn Sie, Professor, hatten auch Harrys Stimme deutlich und hallend im Raum vernommen, ohne ihn jedoch selbst gesehen zu haben. Meine Vermutung führe ich darauf zurück, dass eine goldene Sonne, die in ihrer positivsten Deutung auf eine „glückliche Ehe“ hinweist, und zusätzlich das, was Harry sagte, nämlich dass es an der Zeit wäre, die Reben zu schneiden, eine ähnliche Symbolik aufweist, welche wäre, dass Harry Ihnen im Traum das Familienglück allgemein nahe legt oder Sie sich durch ihn dazu bewegt fühlen, es ihm gleichmachen zu wollen.

Anmerkung von mir: Es wäre interessant zu wissen, ob Sie den Traum zu einem Zeitpunkt gehabt hatten, als Sie bereits wussten, dass Harry und Ginny sich verlobt hatten und sie eine Ehe anstreben. Möglicherweise haben Sie die Beziehung der beiden lediglich im Traum verarbeitet und wünschen sich bewusst oder unbewusst etwas Ähnliches oder sind sogar auf Harry neidisch. Bitte reißen Sie mir wegen meiner Anmerkung nicht den Kopf ab…

Zurück zum Traum: Sie sind durch ein offen stehendes Tor geschritten und zwar in den Raum hinein, in welchem Sie Harry das erste Mal begegnen, was bedeutet, dass sie davon ausgehen, bei ihm eine freundliche Aufnahme zu finden, zumal Sie ihn in der Realität ja sowieso als Freund sehen. Die Begrüßung per Händedruck unterstützt meine persönliche Vermutung, dass Sie zwischenmenschliche Kontakte suchen und in dieser Hinsicht besonders in Harry großes Vertrauen setzen. Entweder sind Sie davon überzeugt, dass Harry Ihnen gegenüber Treue empfindet oder es ist genau andersherum – im günstigsten Fall sogar beidseitig.

Da Harry es ist, der auf einem Thron sitzt und nicht Sie selbst, haben Sie ihm gegenüber eine gewisse Erwartungshaltung, denn Sie erhoffen sich durch Harrys Gutmütigkeit oder Selbstlosigkeit einen Reichtum, der sich jedoch nicht nur auf finanzielle Aspekte beschränken muss.

Anmerkung von mir: Dieser „Reichtum“ umfasst meiner Meinung nach eher die Gefühlsebene, wie Annerkennung, tiefe Freundschaft, Zutrauen und Zusammengehörigkeit, die sie offenbar mit seiner Hilfe auszuweiten hoffen. Ich weiß, dass Sie es als respektlos empfinden werden, wenn ich mir erlaube, meine Betrachtungsweise kundzutun, aber Sie möchten ja nicht drüber reden, während ich im Gegenzug nicht mit meiner Meinung zurückhalten möchte.

Die Perlen auf dem Thron unterstützen – wie auch schon die Farbe Weiß – das Gesamtbild des Traumes und sie untermalen die Reinheit und Keuschheit, die Sie ganz offensichtlich mit Harry in Verbindung bringen. Es ist möglich, dass sein Sieg über Voldemort der ausschlaggebende Grund dafür ist, dass Sie diese Eigenschaften mit Harry in Zusammenhang bringen, weil Sie nun keiner Gefahr mehr ausgesetzt sind.

Die raue Haut auf Ihrer Hand symbolisiert das so genannte „dicke Fell“, welches Sie sich als Spion über die Jahre hinweg nicht nur zum Schutz der eigenen Person hatten aneignen müssen. Hier setzen Sie erneut Hoffnung in Harry, denn er war es, der diese Haut wie Schlangenhaut abgestreift hatte. Sie versprechen sich von ihm, dass er Ihnen dabei behilflich sein wird, unbelastet von Ihrer unerfreulichen Vergangenheit einen Neuanfang wagen zu können. Zudem kann die Farbe „Weiß“ auch bedeuten, dass Sie selbst etwas bereinigen wollen; Sie also möglicherweise selbst dazu bereit sind, einen neuen Anfang zu wagen.

Als Sie vor Harry fliehen wollten – im realen Leben also vor Entscheidungen oder Situationen fliehen wollen, die nur Sie selbst benennen können –, wurden Sie von einem weiteren Symbol für Reinheit, Unschuld und „bedingungsloser Liebe“ aufgehalten: dem Einhorn.

Zum Ende hatten Sie geschrieben, dass Sie nach dem Erwachen Tränen gespürt haben. Bei Menschen, die im Alltag nicht befreiend weinen können, lösen sich innere Spannungen oftmals nur im Traum. Häufig verweisen Tränen, die man in einem Traum vergießt, auf Verletzungen oder sogar ein Trauma hin.

Anmerkung von mir: Für mich sieht es so aus, als würden Sie sich von den ganzen positiven Eigenschaften umzingelt fühlen, was Sie einerseits begrüßen, Sie aber andererseits auch bedrohlich finden, weil Sie sich nicht dazugehörig fühlen. Zudem ist es durchaus möglich, dass das Einhorn einen weiteren Menschen personifiziert, dem Sie ähnliche, wenn nicht sogar gleiche Eigenschaften wie Harry zuschreiben. Ich werde an dieser Stelle nicht so frech sein zu behaupten, dass möglicherweise ich selbst dieser Mensch sein könnte, denn das müssen Sie mit sich selbst ausmachen. Überlegen Sie, wer es sein könnte: Dumbledore oder vielleicht sogar Remus? Es ist Ihre Aufgabe, dem Einhorn einen Menschen aus Ihrer Umgebung zuzuordnen.

So, Professor Snape. Ich hoffe, ich konnte den Traum zu Ihrer Zufriedenheit deuten, auch wenn ich jetzt befürchten muss, dass Sie mich die nächsten drei Jahre – denn der Vertrag ist ja verbindlich – eventuell wieder so behandeln werden wie früher.

Das Einzige, das ich nicht deuten konnte, waren der Anfang und das Ende. Ich weiß nicht, ob es zu empfehlen wäre, das beklemmende Ende des Traumes in der Realität nachzuspielen, um zu sehen, was geschehen würde, wenn Harry Ihr dunkles Mal mit seinem Stab berühren würde. Ich habe übrigens noch nie aus der Nähe ein dunkles Mal auf dem Arm eines ehemaligen Anhängers gesehen und habe mir daher noch keine Gedanken darüber machen können, wie so ein Mal „funktionieren“ könnte. Daher kann ich auch keine Theorie anbieten, die erklären könnte, was Harrys Zauberstab auf einem Mal bewirken könnte.

Ich hoffe, diese Deutung hat unserer zukünftigen Zusammenarbeit keinen Abbruch getan.

Hochachtungsvoll,
Ihre Meisterschülerin
Hermine Granger



Am Ende stutzte Hermine, denn sie wollte diese Traumdeutung keinesfalls wie einen Brief enden lassen, aber das hatte sie eben getan, doch sie hatte keine Lust darauf, alles noch einmal abzuschreiben, so dass sie ihre zwei Seiten Pergament zusammenrollte und sich von dem kleineren Arbeitsplatz erhob.

Mit wachen Augen verfolgte Severus jede Bewegung seiner Schülerin, die bis an seinen Schreibpult herantrat und ihm die beiden ineinander gerollten Pergamente mit einem scheuen Lächeln überreichte, während sie sagte: „Ich bin fertig.“ Er nahm sie entgegen und legte sie ungeöffnet auf das Pult, bevor er mit seiner Arbeit fortfuhr.

Sie schmulte auf die Liste, die er schrieb, so dass er sich genötigt fühlte zu erklären: „Eine Liste mit Zutaten, die ich noch bestellen muss. Ich hinke in diesem Jahr mit meinen Vorbereitungen leider etwas hinterher. Mag daran liegen, dass ich jahrelang keinen normalen Schulbeginn mehr erlebt habe.“
Sie nickte ihm zu und wartete einen Moment, bevor sie fragte: „Wollen Sie es nicht gleich lesen?“
Die Feder legte er zur Seite, bevor er sie anblickte und gelangweilt die Gegenfrage stellte: „Ist es so dermaßen wichtig?“ Verschämt schüttelte sie den Kopf, so dass er einmal tief Luft holte.
Dann fragte sie ihn unverhofft: „Heute kommen ja die Erstklässler. Wie verbringen wir… Ich meine, was machen wir heute so?“
„Sie, Miss Granger, dürfen sich bis Viertel vor vier die Zeit vertreiben, wie Sie es für angemessen halten. Ab 16 Uhr werden wir beide in das Lehrerzimmer gehen, um Anweisungen für heute Abend zu erhalten.“
„In das Lehrerzimmer? Ich dachte, ähm, ich…“, stotterte Hermine verdutzt.
Mit ruhiger, tiefer Stimme erklärte er ihr: „Sie sind meine Meisterschülerin, Miss Granger. Demnach werden Sie auch dem Kollegium und den Schülern als solche vorgestellt. Sie werden demnächst in der großen Halle mit am Lehrertisch sitzen, um die Mahlzeiten einzunehmen, es sei denn, Sie bevorzugen die Abgelegenheit Ihres Quartiers.“
„Meines Quartiers?“, fragte sie verdattert.
Er verhakte seine Finger ineinander und lehnte einen Ellenbogen auf das Pult ab, bevor er belustigt fragte: „War einer Ihrer Vorfahren ein Papagei?“ Sie schürzte lediglich die Lippen, so dass er fortfuhr: „Natürlich haben Sie den Vertrag komplett gelesen, richtig? Denn dann werden Sie erfahren haben, dass es zu meinen Pflichten zählt, Ihnen eine Unterkunft, zumindest aber einen Arbeitsplatz zu stellen, Vergütung und Verköstigung natürlich mit eingeschlossen. Sie haben Räumlichkeiten in den Kerkern zugewiesen bekommen, die ich Ihnen nach der Lehrerversammlung, aber noch vor der Ankunft der Erstklässler zeigen werde. Haben Sie noch Fragen?“

Es war ihm bewusst, dass sie den Vertrag nicht aufmerksam gelesen hatte, weshalb ihn ihr entgeisterter Gesichtsausdruck amüsiert stimmte.

Sie schüttelte den Kopf, so dass er sagte: „Dann haben Sie noch etwas Zeit für sich, Miss Granger.“

Zu seinem Erstaunen nahm sie erneut an dem kleinen Arbeitstischlein Platz, um in dem anderen, sehr viel dickeren Buch zu lesen, anstatt ihre Freizeit mit Harry zu verbringen oder einfach spazieren zu gehen. Sie konnte tun und lassen, was sie wollte, doch sie blieb freiwillig in seiner Nähe.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
~ Muggelchen.net ~

Benutzeravatar
CharLue
KelpieKelpie
Beiträge: 2606
Registriert: 20.02.2008 21:42
Wohnort: Hogwarts

Beitrag von CharLue »

Es ist aber schön zu hören, dass du so richtig Lust auf die Geschichte hast. Oder ist es eher die Handlung um Hermine und Severus herum?
Um die Frage zu beantworten:
Ich hab Lust auf die ganze Geschichte, besonders interessant aber finde ich die Handlung um Severus herum ;D

Zu deinem neuen Teil:
Da muss sicher viel Arbeit gemacht haben, den ganzen Traum zu deuten & das auch noch förmlich niederzuschreiben. Du hast meinen Respekt!
Ich bin gespannt, was wir noch von dem Traum zu hören bekommen und ganz besonders freue ich mich auf die Einschulung & Harry's "ersten" Unterricht ^__^

Lg
[img]http://www.oyla15.de/userdaten/439/02437/bilder/RobertSig2.png[/img]

[img]http://www.fotos-hochladen.net/cdft52xp6ro.png[/img] [img]http://www.fotos-hochladen.net/cdft52xp6ro.png[/img] [img]http://www.fotos-hochladen.net/cdft52xp6ro.png[/img]

Benutzeravatar
CaRo94
FeeFee
Beiträge: 567
Registriert: 14.01.2009 17:55

Beitrag von CaRo94 »

Oh Muggelchen :D

Du hattest Recht, es hat mir gefallen!! :)
Ich bin gespannt, wie Severus auf die Traumdeutung und Hermines Kommentare dazu reagieren wird. :P
Ich bin auch schon gespannt dadrauf, wie sich Harry als Lehrer macht. ^^ Bestimmt toll.

Lg
CaRo

Benutzeravatar
Rhea
HauselfHauself
Beiträge: 277
Registriert: 05.09.2006 15:28

Beitrag von Rhea »

Hallo!!

Sehr hübsches Stückchen von der Story. Sehr spannend und sehr einfühlsam.
Ich denke nicht, dass Severus Snape Hermine das ganze übel nimmt. Er wird es eher als Denkanstoß nutzen (er als Analyst^^).

LG
Rhea

Benutzeravatar
Muggelchen
EuleEule
Beiträge: 345
Registriert: 07.06.2008 22:29
Wohnort: Gemälde im 1. Stock

Beitrag von Muggelchen »

Hallo CharLue,

na, das ist doch mal eine Antwort :) Es gab auch Leser, die z.B. die Handlung über die Malfoys nicht interessierte und diese Szenen höchstens überflogen haben. Ist ja auch in Ordnung. Es könnte nur passieren, dass einem wichtige Details entgehen. Freut mich daher besonders, dass dir die gesamte Geschichte gefällt und ich kann an dieser Stelle versprechen, dass du bei der Handlung um Severus und Hermine nicht enttäuscht werden wirst :D
Mit Traumdeutungen habe ich mich einige Jahre ausführlich beschäftigt. Es macht in gewisser Weise Spaß, auch wenn ich es keinesfalls ernst nehme.
Harry muss jetzt erst einmal zur Lehrerversammlung - für ihn auch ein ganz neues Erlebnis.

Hallo CaRo,

ah, habe ich richtig gelegen mit meiner Vermutung.
Severus wird den Traum und die Deutung vielleicht totschweigen, weil ihm das Thema unangenehm ist? Mal sehen, was passieren wird.
Harry wird in diesem Kapitel an den Ernst des Lehrerlebens herangeführt. Er macht sich bestimmt gut, auch wenn er selbst ein wenig Muffensausen hat. :wink:

Hi Rhea,

mit dem Denkanstoß liegst du ganz richtig. Die Hauptsache ist doch, er selbst beschäftigt sich mit dem, was Hermine so herausfindet und ihm mitteilt. Sich selbst zu analysieren könnte ihm aber auch widerstreben. Andererseits wird er sich selbst mit anderen Augen sehen müssen. Es werden noch Dinge geschehen, die Severus ein wenig aus der Bahn werfen.

Lieben Gruß,
Muggelchen




080 Lehrerversammlung




Einen anstrengenden Tag hatte Arthur Weasley bereits hinter sich, aber auch noch vor sich. Seit vier Uhr in der Früh hatte er mit Kingsley diskutiert, mit Tonks Pläne ausgearbeitet und Susan über den Kamin eine gute Besserung gewünscht, denn ihr Unwohlsein hatte sich noch nicht gelegt. Er hoffte, sie würde trotzdem heute Abend mit nach Hogwarts kommen können.

Jetzt, um drei Uhr nachmittags, eilte Arthur mit Kingsley zum St. Mungos, während beide sich noch auf dem Weg ein Sandwich einverleibten. „King, ich hab dir noch gar nicht erzählt, dass mich heute Nacht um zwei ein Mitarbeiter aus dem spanischen Zaubereiministerium kontaktiert hat. Ein gewisser Senior Rodriguez. Er arbeitet in Spanien in der ’Abteilung für internationale magische Zusammenarbeit’.“
„Was wollte er?“, fragte Kingsley erstaunt.
„Sein Nachbar, Mr. Sandoval, hatte ihn aus dem Bett geworfen und gesagt, er hätte einen Mann überwältigt, der offensichtlich etwas im Schilde führte. Versuchte Brandstiftung! Man hat Flaschen mit brennbarer Flüssigkeit bei ihm gefunden, die das bestätigen sollen.“ Da Kingsley ganz große Augen machte, was für den bedachten Mann ein Zeichen größter Skepsis war, erklärte Arthur: „Sandoval hatte beobachtet, wie der Täter um das Haus von Rodriguez geschlichen war und da hat er ihn magisch gefesselt. Es hatte sich schnell herausgestellt, dass es ein Muggel war! Sandoval hat per Legilimentik einiges herausbekommen, aber…“ Arthur stockte und hielt auf dem Gehweg an, so dass Kingsley ebenfalls stehen blieb und aufmerksam zuhörte, als Arthur mit betrübter Miene und leiser Stimme erklärte: „Der Mann, den sie festgenommen haben, das ist Pablo. Er ist der…“

Arthur hielt inne, doch Kingsley wusste auch so, dass Pablo der ehemalige Freund von Ginny war und darüber hinaus der Vater ihres Kindes.

„Rodriguez hat sich bei mir persönlich gemeldet, weil sie per Legilimentik herausgefunden haben, dass Pablo… Na ja, er hat Ginny ausspioniert; sich Informationen über mich und unser Ministerium verschafft, verstehst du? Ich will nicht, dass sie das erfährt. Jedenfalls nicht so schnell.“ Arthur seufzte betrübt, bevor er noch sagte: „Das ist eine organisierte Truppe, Kingsley. Es sind nicht viele, aber sie operieren im Geheimen und wären da nicht zwei, drei Patzer gewesen, dann wären wir bisher gar nicht auf sie aufmerksam geworden. Wir müssen Malfoy dazu bekommen, uns alles zu sagen, was er über diese Organisation weiß!“
Kingsley schluckte den letzten Bissen seines Sandwichs hinunter, bevor er sagte: „Malfoy wird hoch handeln wollen, Arthur. Sagen Sie ihm bloß nichts von dem, was Sie mir eben erzählt haben.“

Sie betraten das Krankenhaus und Arthur folgte Kingsley, der zielstrebig den Weg zu Lucius’ Krankenzimmer ansteuerte.

„Mr. Malfoy?“, fragte Arthur in das Zimmer hinein, ohne es zu betreten.
Eine schmierig arrogante Stimme erwidert: „Was denn, was denn? Duzen wir uns nicht mehr wie alte Kollegen?“

Arthur und Kingsley wurden von Schwester Marie begrüßt, die die beiden in das Krankenzimmer hineinführte, damit sie bei Mr. Malfoy an dem kleinen Tisch am Fenster Platz nehmen konnten.

„Lucius!“, sagte Arthur in einem Tonfall, der heraushören ließ, dass er zwar in gewisser Weise einen angemessenen Respekt, aber keinesfalls Vertrautheit entgegenbringen konnte.
„Arthur, lange nicht mehr ’gesehen’, nicht wahr. Wie geht’s den lieben Kinderchen?“, fragte Lucius, der Spaß an oberflächlicher Konversation fand.
„Die ’Kinderchen’ sind allesamt erwachsen und aus dem Haus und wie geht es deinem Sohnemann?“, fragte Arthur im Gegenzug, denn er wusste von Susan, dass Lucius seinen Sohn nicht mehr sein eigen Fleisch und Blut nennen wollte.

„Kleine Boshaftigkeiten erhalten die Feindschaft, nicht wahr?“, fragte Lucius amüsiert.
„Mir liegt nicht an einer Feindschaft mit dir. Eigentlich möchte ich mit dir gar nichts zu tun haben, aber du warst es ja, der mich eingeladen hat, richtig? Also lassen wir die Spielchen und reden Tacheles!“, konterte Arthur.
„Oh, warum so aggressiv? Ist es, weil ich dich einmal eine Schande für die Zauberergemeinschaft genannt habe?“, fragte Lucius unschuldig.
Arthur holte tief Luft, um sich zu beruhigen, bevor er erwiderte: „Nein nein, über solche albernen Bemerkungen bin ich erhaben. Ich denke, es war eher die Tatsache, dass du meiner elfjährigen Tochter eines von Voldemorts Horkruxen in die Hand gedrückt hast.“
Lucius lachte herablassend, bevor er lapidar erklärte: „Oh, das meinst du! Nun, jeder macht mal Fehler oder? Außerdem hatte Potter ja alles im Griff, also gab es keinen Grund zur Sorge. Zumindest wurde das Horkrux zerstört, richtig? Aber ich will nicht in Erinnerungen schwelgen. Ich nehme an, du bist hier, um so viele Informationen wie nur möglich zu erhalten, während ich im Gegenzug nur ganz wenig Hafterlass erhalten werde. Du weißt jedoch sehr gut, dass meine Informationen viel wert sind und ich mir darüber im Klaren bin. Ich werde gar nichts sagen, wenn meine Vergünstigungen nicht schriftlich festgehalten werden, Arthur!“
„Natürlich kenne ich dich noch sehr gut, Lucius und deshalb habe ich auch etwas vorbereitet. Was ich will sind alle Informationen, die dafür sorgen, die gesamte Muggeltruppe dingfest machen zu können. Im Gegenzug bekommst du fünf Jahre Hafterlass und damit…“
Arthur wurde barsch unterbrochen, als Lucius wild zeterte: „Du kannst mich nicht mit fünf Jahren abspeisen!“
„Mehr kann ich nicht zulassen! Du bist ein Todesser, bei Merlin! Mit deinem Straftatenregister könnte ich den gesamten Fuchsbau neu tapezieren. Glaubst du wirklich, du könntest nach deiner Behandlung gleich als freier Mann aus dem St. Mungos herausspazieren?“, fragte Arthur bestimmend.
„Ich gehe keine sieben Jahre nach Askaban, Arthur!“, fauchte Lucius.

Schwester Marie brachte Getränke, so dass alle drei wegen ihrer Anwesenheit zunächst ruhig blieben, aber die erregte Atmung von Arthur und Lucius wies darauf hin, dass die beiden kurz vorm Platzen waren.

Nachdem die Schwester gegangen war, zwang sich Lucius zu einem ruhigen Tonfall, der jedoch nichts von seiner Aggressivität verheimlichen konnte, als er sagte: „Außer dass ich ein Todesser war hast du doch rein gar nichts gegen mich in der Hand. Snape war auch ein Todesser und was macht der? Er spaziert frei herum und darf sogar wieder kleine Kinder unterrichten. Zählt das zu deinem Resozialisierungsprogramm für ehemalige Todesser? Du hast ihm auch noch einen Orden des Merlin in genau die Hände gedrückt, an denen mindestens so viel Blut klebt wie an den meinen!“
„Das ist nicht wahr! Wir haben Beweise dafür, dass Snape diese Gräueltaten unter dem Einfluss des Imperius…“ Arthur hielt abrupt inne, als Kingsley ihm eine Hand auf den Unterarm legte, um die Unterhaltung zu beenden, denn solche Informationen brauchte Mr. Malfoy nicht zu wissen.

Die Gesprächsführung übernahm Kingsley und er fragte: „Wollen Sie uns damit weismachen, dass Sie ebenfalls die meisten Ihrer Taten unter dem Imperius-Fluch stehend begangen haben?“
„Sie haben doch überhaupt keine Ahnung, Mr. Shacklebolt, wie es den Anhängern des Dunklen Lords ergangen war“, erwiderte Lucius herablassend. Er wechselte das Thema und sagte: „Fudge war lediglich ein ängstlicher Idiot und Scrimgeour ein Blender mit seinen ganzen Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen und den vielen Broschüren, die er an alle Zaubererhaushalte verschickt hat. Letzterer hat Todesser oder jene, die er dafür gehalten hat, ohne jegliche Verhandlung gleich nach Askaban geschickt! Es saßen so viele Unschuldige für Jahre im Gefängnis; sind dort sogar gestorben, so dass sich…“

Lucius beendete seinen Satz nicht und für Kingsley wirkte es so, als hätte er beinahe eine seiner teuren Informationen preisgegeben.

Kingsley schenkte allen dreien eine Tasse Tee ein, bevor er sich selbst zwei Stückchen Zucker genehmigte. Während er umrührte, sagte er gelassen: „Mr. Malfoy, Sie wissen sehr wohl, dass die Öffentlichkeit meutern wird, würde der Minister Ihnen aufgrund von hilfreichen Hinweisen Ihre Haft komplett erlassen. Es sei denn“, Kingsley nahm einen Schluck Tee, „wir könnten in einer Verhandlung einige Dinge klarstellen. Dazu wäre allerdings der Einsatz von ’Veritaserum Plus’, Legilimentik und die Offenlegung Ihrer Erinnerungen für Richter und Zeugen per Denkarium notwendig. Es ist eine aufwendige und möglicherweise gefährliche Prozedur und es könnte auch geschehen, dass Sie nach so einer Verhandlung eine größere Haftstrafe erhalten, als der Minister Sie Ihnen zugute kommen lassen möchte.“
„Ich bin mir über die Gefahren der Anwendung von ’Veritaserum Plus’ im Klaren“, konterte Lucius selbstsicher.

Während normales Veritaserum lediglich dafür sorgte, eine Frage wahrheitsgemäß zu beantworten, zwang Veritaserum Plus einen dazu, alle zu einer Antwort relevanten Dinge zu nennen. Fragen wie „Was haben Sie gestern gemacht?“ hätten schon schwerwiegende Folgen für den Befragten, denn der wäre dazu gezwungen, nicht nur den Tagesablauf und gemachte Beobachtungen in allen Einzelheiten wiederzugeben, sondern auch seine dazugehörigen Gedanken und Emotionen preiszugeben; detaillierte Informationen zu den letzten 10 – 24 Stunden. Die Beantwortung einer so leicht wirkenden Frage würde unter Veritaserum Plus viele Tage beanspruchen und zur totalen Erschöpfung des Befragten führen. Solche Befragungen wurden daher äußerst selten und nur von geschultem Fachpersonal durchgeführt. Kingsley war einer aus diesem Fach.

„Wenn du dich für so unschuldig hältst, Lucius, dann kannst du gern eine solch ausführliche Verhandlung anfordern“, erklärte Arthur etwas grimmig.
„Oh, das mach ich vielleicht auch, mein guter Arthur! Ich erwarte natürlich, dass so eine Verhandlung überlegt vonstatten geht. Ich würde es nicht begrüßen, wenn mein Kopf danach einem Sieb gliche, nur weil deine Leute keine Ahnung von dem haben, was sie tun sollen. Ich würde 5000 Galleonen wetten, dass ich maximal zwei Jahre bekäme, sollte die Verhandlung vorbei sein. Während der Zeit der Verhandlung würde ich natürlich keine Gelegenheit finden, Antworten auf deine vielen Fragen zu geben und das wäre doch sehr bedauerlich“, sagte Lucius berechnend.

Wieder einmal wurde Kingsley klar, dass Malfoy nur auf seinen eigenen Vorteil aus war. Mehr oder weniger war es Erpressung, denn sollte er tatsächlich so eine umfangreiche Verhandlung fordern, würde er für andere Dinge wie für so ein Gespräch, wie sie es gerade führten, nicht mehr zur Verfügung stehen. Und wenn Malfoy tatsächlich seine Unschuld beweisen könnte, wäre er als freier Mann nicht mehr gewillt, auch nur eine weitere Frage des Ministeriums zu beantworten.

Kingsley behielt die Nerven und empfahl: „Mr. Malfoy, wäre es denn nicht angemessen, uns ein oder zwei gewichtige Informationen über jene bedrohlichen Muggel zu geben, damit der Minister eine andere Entscheidung bezüglich Ihres Hafterlasses treffen kann?“ Kingsley blickte zu Arthur und gab ihm zu verstehen, dass sie in den sauren Apfel beißen müssten, um weitere Anschläge auf Zauberer und Hexen vermeiden zu können.

Dieses Mal trank Malfoy genüsslich seinen Tee, aber das verschmitzte, siegessichere Grinsen war noch über den Tassenrand hinaus zu erkennen, was Arthur sichtlich ärgerte, doch Kingsley bewahrte weiterhin die Ruhe. Er wusste, wie man mit solchen Leuten umgehen musste. Der Minister hingegen ließ sich in erster Linie von seinen Gefühlen lenken. Arthur und Lucius waren in ihrem Leben bereits mehrmals aneinander geraten; hatten sich früher sogar schon einmal ein Muggelduell geliefert – einen Faustkampf – weil Zaubererduelle verboten waren.

Nachdem Lucius die Tasse wieder auf den Tisch gestellt hatte, forderte er mit einem breiten Grinsen: „Ein Jahr für zwei wichtige Informationen!“
„Treib es nicht auf die Spitze, Lucius“, drohte Arthur mit leiser Stimme. Kingsley warf Arthur einen fordernden Blick zu, der ihn dazu veranlasste klarzustellen: „Ein Jahr, wenn wir mit den beiden Informationen etwas anfangen können!“
„Einverstanden! Die erste Information: Diese Muggel operieren schon seit etlichen Jahren von zwei Standorten aus, nämlich Spanien und Schottland“, sagte Lucius selbstgewiss.

Arthur wusste nur zu gut, dass dies stimmen musste, denn in Spanien war die Reinblüterfamilie überfallen worden und letzte Nacht hatte man sogar Pablo festgenommen. Es lief ihm eine Gänsehaut den Rücken hinunter, als er daran dachte, dass Pablo offensichtlich einer dieser gewalttätigen Muggel sein musste. Ein Einzeltäter war er mit Sicherheit nicht.

„Die zweite Information, Arthur: Dieser ’Anführer’ ist ein reicher Schotte und lebt in einer großen Stadt im Osten – gelegen an den Mündungen zweier Flüsse. Er findet immer mehr Anhänger für seine Sache! Es sind insgesamt noch übersichtliche Zahlen – vielleicht um die 200 Muggel – aber sie sind sehr organisiert. Sie können erschreckend schnell Informationen untereinander austauschen und manche von ihnen können magische Gebäude erkennen, was ich persönlich äußerst bedenklich finde.“
„Ein Schotte? Weißt du, wie er heißt? Wo wohnt er?“, fragte Arthur drängend.
Überlegen und gespielt gönnerhaft sagte Lucius: „Arthur, Arthur… Jetzt habe ich nicht nur dich an der Angel, sondern gleichzeitig zappelt an meiner Schnur auch noch ein dicker Fisch! Oh, ich mag es, wenn man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann. Du weißt, was du tun musst, um mehr Informationen zu erhalten.“

Ungefähr zur gleichen Zeit verließ Severus zusammen mit Miss Granger sein privates Büro, um zur Lehrerversammlung zu gehen. Auf dem Weg dorthin schwiegen sich beide an, was ihm nur recht war. Im Lehrerzimmer selbst waren bisher Poppy, Rolanda Hooch, Pomona Sprout und Harry anwesend.

„Hermine, grüß dich!“, sagte sein junger Kollege, bevor er sich ihr freudestrahlend um den Hals warf und die beiden sich innig umarmten.
„Severus, hallo!“, sagte Harry dieses Mal zu ihm und er hielt ihm provozierend die offenen Arme entgegen, als würde er eine ebenso vertraute Begrüßung fordern, was Severus lediglich mit einer hochgezogenen Augenbraue kommentierte, so dass Rolanda und Pomona kichern mussten. Sein junger Kollege hingegen lächelte frohmütig, auch wenn er seine Hände wieder an die Hosennaht führte.

Harry schien etwas hyperaktiv zu sein, denn während alle anderen bereits an dem großen Tisch Platz genommen hatten, surrte er wie eine fleißige Biene hin und her und schenkte den Damen und auch Severus etwas Tee ein. An Severus gerichtet fragte er lächelnd: „Haben Sie Ernst gemacht, ja? Hat Hermine den Vertrag bei Ihnen unterschrieben?“
Severus rührte seinen ungesüßten Tee mit dem Löffel, damit er schneller kühlen würde, während er stocksteif antwortete: „Miss Granger konnte dem vielversprechenden Angebot nicht widerstehen und hat sich heute schriftlich dazu verpflichtet, die nächsten drei Jahre unter meiner Beaufsichtigung Ihren Horizont zu erweitern.“
Grinsend hatte Harry der langen Ausführung zugehört, bevor er nickte und mit einem Schalk im Nacken sagte: „Ein einfaches ’Ja’ hätte genügt.“

Severus bemerkte, dass Rolanda arge Mühe hatte, nicht in Gelächter auszubrechen, so dass sie sich eine Hand vor den Mund halten musste. Miss Granger, die neben ihm saß, hatte ein gutmütiges Lächeln auf den Lippen, äußerte sich jedoch nicht.

Es klopfte und alle blickten gespannt zur Tür, denn in der Regel kamen die Lehrer und Angestellten in den Raum hinein, ohne sich vorher anzukündigen. Jeder rechnete damit, dass ein Schüler vor der Tür stehen musste, so dass Pomona die Erste war, die „Herein“ rief. Nachdem sich die Tür geöffnet hatte, lugte ein wohlbekanntes Gesicht in den Lehrerraum hinein. Pomona erhob sich daraufhin von ihrem Platz und begrüßte den Gast freundlich mit den Worten: „Mr. Longbottom, schön, dass Sie so zeitlich hergefunden haben. Treten Sie doch bitte ein!“

Hermine und Harry fielen beinahe die Augen aus dem Kopf, aber trotzdem lächelten sie erfreut und grüßten ihren alten Schulkameraden und Freund mit einem kurzen Winken. Pomona stellte für die bisher Anwesenden vor: „Mr. Neville Longbottom kennen Sie ja noch alle, nicht wahr? Nun, ich dachte mir, was Severus kann, kann ich schon lange.“ Mit gerunzelter Stirn blickte Severus auf seinen ehemaligen Schüler, der in Zaubertränken mehr Chaos angerichtet hatte, als ihm lieb gewesen war, bis Pomona mit einem breiten Grinsen in ihrem rundlichen Gesicht erklärte: „Ich habe Mr. Longbottom recht kurzfristig das Angebot unterbreitet, bei mir eine Fachlehre in Kräuterkunde zu beginnen und ich bin froh, dass er Zeit und Muße gefunden hat, mein Angebot anzunehmen.“

Gratulation für Nevilles Entscheidung und Anerkennung für Pomonas Angebot ließen nicht auf sich warten. Neville setzte sich nach den Beglückwünschungen Hermine gegenüber und fragte sie, während Harry ihm einen Tee einschenkte: „Sag mal, welche Vertragsform hast du unterschrieben?“
Hier lauschte Pomona gespannt der Antwort, die Hermine gleich gab: „Formular A! Und du?“
„Formular C“, erwiderte er lächelnd, doch Pomona schien darüber nicht sehr erfreut zu sein.
Die anderen hatten dem Gespräch ebenfalls gelauscht und Rolanda sagte erstaunt und Respekt zollend: „Severus, das hätte ich gar nicht von Ihnen erwartet.“
Pomona schaute ein wenig säuerlich zu ihrem schwarz gekleideten Kollegen hinüber, der ihr ein schiefes Lächeln in Form eines hochgezogenen Mundwinkels schenkte, so dass sie sich genötigt fühlte, zu ihrem Schüler zu sagen: „Sie bekommen auch Formular A, Mr. Longbottom!“
„Nein nein, C ist völlig in Ordnung und…“
„Nichts da, Sie bekommen das Beste vom Besten und das ist Formular A!“, entschied Pomona, so dass Neville ihr nicht mehr widersprechen wollte.

Mit einem prickelnden Gefühl blickte Hermine zu ihrem Professor hinüber, der sehr wohl spürte, dass sie ihn ansah, ihren Blick jedoch nicht erwiderte. Sie war wegen der heutigen Einschulung der Erstklässler die ganze Zeit über sehr aufgeregt gewesen, doch jetzt, hier im Büro mit alten Freunden, war die Aufregung wie verflogen. Ihr Selbstbewusstsein war eben um einiges angestiegen, als sie miterlebt hatte, dass Snape von den anderen Lehrern aufgrund der Wahl der Vertragsform so honoriert worden war und zwar so sehr, dass selbst die rundliche Professor Sprout ihm nacheifern wollte.

Die Tür öffnete sich ohne vorherige Ankündigung und ein herausgeputzter Professor Svelte trat ein.

„Einen schönen guten Tag, die Damen“, er verbeugte sich elegant vor den Kolleginnen, „und die Herren.“ Ein Kopfnicken folgte seinen Worten. „Oh, Miss Granger. Schön, Sie wieder einmal zu sehen“, sagte er schmeichelnd, bevor er sich ihr näherte. „Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich neben Ihnen Platz nehme?“ Er schenkte ihr ein galantes Lächeln.
„Nein, natürlich nicht, Professor Svelte. Setzen Sie sich doch bitte“, gestattete sie ihm mit einem so breiten Grinsen, dass Harry davon angesteckt wurde, denn er beobachtete seine beste Freundin und ihm war nicht entgangen, dass Professor Svelte ihr zu gefallen schien. Was Harry weniger gefiel waren die Blicke, die Svelte ihm von Gegenüber immer wieder zuwarf.
’Langsam’, dachte Harry, ’müsste sich Svelte doch daran gewöhnt haben, DEN Harry Potter als Kollegen zu haben.’

Nachdem Svelte und Hermine die Köpfe zusammengesteckt hatten, um sich in ein Gespräch über Kniesel zu vertieften, entging Harry auch nicht, dass Severus darüber ungehalten schien. Vielleicht, mutmaßte Harry, wünschte sich sein Kollege, dass Hermine ihm heute mehr Aufmerksamkeit schenken würde.

Albus war der Letzte, der heute das Lehrerzimmer betreten hatte. Er grüßte alle Kollegen, sorgte für reichlich Tee und Gebäck und ließ die heutige Besprechung sehr locker angehen. Der Direktor stellte dem Kollegium Miss Granger als Professor Snapes Meisterschülerin sowie Mr. Longbottom als Professor Sprouts Lehrling vor. Im gleichen Atemzug stellte er klar, dass auch die beiden privaten Schüler in den normalen Schulalltag herzlich aufgenommen werden würden, was auch mit einbeziehen sollte, sie an diversen schulischen Aktivitäten teilnehmen zu lassen und auch, die Kolleginnen und Kollegen beim Vornamen nennen zu dürfen.

Der Ablauf der Zeremonie wurde besprochen und es gab nichts, was für Wirbel sorgte. Schulsprecher waren bereits gewählt und Vertrauensschüler hatte man zunächst provisorisch bestimmt. Hagrid sollte wie üblich die Erstklässler vom Bahnhof in Hogsmeade abholen und Minerva würde pünktlich den Sprechenden Hut aus Albus’ Büro abholen, um ihn den Schülern für die Sortierung in die Häuser aufsetzen zu können.

„Hat noch jemand Fragen?“, wollte Albus wissen, während er seinen Blick übers Kollegium schweifen lief.
„Ähm ja, eine Sache…“, sagte Harry innehaltend, denn natürlich hatte er sofort alle Blicke auf sich gezogen.
Albus lächelte ihm zu und fragte: „Wie kann ich dir helfen, Harry?“
Harry blickte einmal zu Hermine und Severus hinüber, bevor er Albus ansah und etwas verlegen sagte: „Na ja, es gibt da gewisse Gerüchte, die über mich im Umlauf sind und ich frage mich, ob es der Schule nicht schaden würde, sollten diese Gerüchte bald bis an die Ohren der Eltern dringen. Darüber würde ich gern mit Ihnen sprechen.“
Minerva wusste sehr wohl, auf was Harry anspielte und für alle Lehrer, die sich nicht trauten zu fragen, sprang sie ein, indem sie eine verdutzte Miene vortäuschte und fragte: „Was denn nur für Gerüchte, Harry?“
„Minerva“, sagte Albus Einhalt gebietend mit einer erhobenen Hand, bevor er sich Harry zuwandte, „wir können gern darüber reden, Harry? Wann würde es…“
„Wie wär’s jetzt gleich, nach der Lehrerversammlung?“, schlug Harry prompt vor.

In ihrem Innern begrüßte es Hermine, dass Harry den Mut gefunden hatte, Albus auf diese Weise – vor versammelter Mannschaft – zu einem persönlichen Gespräch zu zwingen. Sie bemerkte, dass Snape neben ihr die Konversation mit einer Art unterdrücktem Schmunzeln verfolgt hatte und sie ahnte, dass auch er das klärende Gespräch zwischen den beiden guthieß. Bis auf Minerva wirkten alle anderen tatsächlich sehr verblüfft. Unter den Lehrern schien sich nicht herumgesprochen zu haben, was Albus über Harry laut vermutet hatte. Hermine drückte ihrem Freund die Daumen und hoffte sehr, dass ein offenes Gespräch mit dem Direktor alle Unklarheiten beseitigen würde, damit dessen haltlose Bedenken sich in Luft auflösen würden.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
~ Muggelchen.net ~

Benutzeravatar
CharLue
KelpieKelpie
Beiträge: 2606
Registriert: 20.02.2008 21:42
Wohnort: Hogwarts

Beitrag von CharLue »

Ach, endlich gibt es das Gespräch zwischen Harry & Albus. Ich hoffe auch, dass sich dort das Geheimnis um Albus' Wiederkehr löst ;]
Und wehe Albus lehnt ab! :lol:

Überfliegen würde ich nie etwas, weil, wie du schon sagtest, vielleicht wichtige Informationen deswegen verloren gehen könnten ;D

Lg
[img]http://www.oyla15.de/userdaten/439/02437/bilder/RobertSig2.png[/img]

[img]http://www.fotos-hochladen.net/cdft52xp6ro.png[/img] [img]http://www.fotos-hochladen.net/cdft52xp6ro.png[/img] [img]http://www.fotos-hochladen.net/cdft52xp6ro.png[/img]

Benutzeravatar
Muggelchen
EuleEule
Beiträge: 345
Registriert: 07.06.2008 22:29
Wohnort: Gemälde im 1. Stock

Beitrag von Muggelchen »

Hi CharLue,

ein Gespräch mit Harry und Albus ist wirklich notwendig. So einiges muss geklärt werden. Ich hoffe, es ist nachvollziehbar, warum Albus solche Befürchtungen in Bezug auf Harry hatte.
Das Geheimnis um Albus' Wiederkehr wird jemand anderes erfahren, Harry zunächst nicht und es scheint ihn auch wenig zu interessieren. ;)
Schön, dass du die Geschichte aufmerksam liest. Es könnte sonst tatsächlich verwirrend werden, weil man der Handlung nicht mehr folgen kann. :)

Lieben Gruß,
Muggelchen




081 Eine kleine Aussprache




Das aktuelle Passwort für das Büro des Direktors war „Pfefferkobold“, der Name einer sehr einheizenden Leckerei, und nachdem die Statuen den Weg freigegeben hatten, folgte Harry dem Direktor die Wendeltreppe hinauf. Dort angekommen grüßte Harry zunächst den Sprechenden Hut, der oben auf einem Regal auf die heutige Zeremonie wartete und sich, wie er sagte, schon sehr darauf freute.

„Willst du mein Lied hören, Harry? Gewissermaßen als Probe für heute Abend, also…“
Der Hut begann schon mit der ersten Zeile, da unterbrach Albus und sagte freundlich: „Na na, ich bin sicher, Harry möchte sich überraschen lassen.“
„Aber es ist schon so lange her, Albus. Ich möchte eine Meinung einholen, ob ich es noch kann, bitte“ entgegnete der Hut nörgelnd, doch Albus schüttelte den Kopf.

In der Absicht, den Phönix Fawkes zu begrüßen, der immer auf einer Stange gleich rechts hinter Albus’ Schreibtisch zu finden war, ging Harry einige Schritte auf Tisch zu, doch die Stange war leer.

„Albus, wo ist denn Fawkes?“, fragte Harry besorgt. Ein Phönix konnte zwar nicht sterben, aber möglicherweise war ihm etwas Schlimmes widerfahren, befürchtete er.
„Lass uns erst miteinander reden, Harry. Setz dich doch bitte – ich darf dich doch weiterhin duzen oder?“, fragte Albus mit dem endlich zurückgekehrten Zwinkern in den strahlend blauen Augen, während er selbst hinter seinem Schreibtisch Platz nahm.
„Ja, sicher!“, versicherte Harry dem Direktor freundlich, bevor er sich auf einem gemütlichen Sessel niederließ.
„Einen Zitronenbrausebonbon?“, bot er an, doch Harry lehnte ab, während Albus sich einen genehmigte und zunächst einige Male genüsslich daran lutschte.

Etwas strenger schauend lehnte sich Albus in seinem ledernen Sessel zurück und fragte, wie er es während Harrys zweitem Schuljahr schon einmal getan hatte: „Harry, hast du mir etwas zu sagen?“
Jetzt hielt ihn nichts mehr und freundlich bleibend holte Harry etwas aus: „Ja, hab ich!“ Albus zog die Augenbrauen in die Höhe und Harry begann daraufhin zu erklären: „Es macht mir Angst, dass Sie von mir denken, ich hätte das Potenzial, zu einem dunklen Lord zu werden. Es hat mich traurig gemacht, dass Sie mit anderen Menschen darüber diskutiert haben, ohne mich auch nur ein einziges Mal mit Ihren Bedenken zu konfrontieren.“ Albus senkte den Blick, doch Harry fügte noch an: „Und ich fand es mehr als nur ungehörig, mich und meine Freunde von Hauselfen ausspionieren zu lassen.“

Harry seufzte einmal und ging kurz in sich, bevor er betroffen erklärte: „Ich mag eine hoch entwickelte Magie innehaben, aber das allein macht mich nicht bösartig. Ich habe kein Verlangen, Voldemort nachzueifern – wozu auch? Ich habe andere Pläne, Albus.“
Der Direktor überlegte einen winzigen Moment, bevor er mit ruhiger Stimme fragte: „Was sind deine Bestrebungen, Harry? Wie siehst du deine Zukunft?“
„Meine Zukunft“, wiederholte Harry laut, bevor er erwiderte, „das ist leicht. Ich sehe Ginny und Nicholas an meiner Seite. Wir sind eine Familie, haben ein hübsches Haus, immer viele Freunde zu Besuch und hoffentlich auch bald noch mehr Kinder.“

Ohne es unterdrücken zu können formte sich ein zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht.

Albus hingegen blieb recht nüchtern und wollte mit skeptischem Gesichtsausdruck wissen: „Würde dich das wirklich zufrieden stellen? Das sind sehr bescheidene Aussichten für dein künftiges Leben, mein Junge.“
Ungläubig fragte Harry: „Sie finden es tatsächlich bescheiden, nach dem größten Glück zu streben, das diese Welt zu bieten hat?“ Weil Albus ihn mit in Falten gelegter Stirn anblickte, erklärte Harry mit Sehnsucht in der Stimme: „Das, was ich niemals bewusst erleben durfte, das möchte ich für mich selbst nachholen, Albus: Familienglück! Ich möchte eine eigene Familie mein nennen dürfen! Die Frau, die ich liebe und die mich genauso liebt, die soll mich durch mein Leben begleiten, wie ich sie durch das ihre begleiten werde.“ Voller Freude malte Harry sich aus: „Ich möchte viele Kinder mit ihr haben; möchte mit ihnen auf dem Besen umherfliegen, mit ihnen Sandburgen bauen, Steinchen auf dem See springen lassen und ich möchte mit Ginny hunderte von romantischen Abendessen bei Kerzenschein nachholen, dazu vielleicht etwas Kammermusik“, er schmunzelte, „wenn ich mich Ginny gegenüber durchsetzen kann, mal nicht ’Die Schwestern des Schicksals’ zu hören.“

Er hatte Albus mundtot gemacht, denn der ältere Zauberer blickte vor sich auf seinen Schreibtisch und schien in Gedanken oder Erinnerungen verloren. Harrys Herz raste, aber nicht, weil er die Unterhaltung mit Albus fürchtete, sondern weil er sich seine Zukunft mit Ginny während seiner Erzählung so bildhaft vorgestellt hatte, dass er jetzt nichts anderes mehr wollte als zu ihr zu eilen, um zu fragen, ob sie beide später noch mehr Kinder zusammen haben wollten.

Endlich hatte der Direktor seine Sprache wiedergefunden und Harry erschrak, als sich das erste Mal hörbar das hohe Alter in Albus’ Stimme niederschlug, als der leise und schwächlich sagte: „Ich habe dich völlig falsch eingeschätzt, Harry. Ich dachte, nachdem du Voldemort besiegt hattest, dass dir allein der Gedanke daran, nun selbst der mächtigste Zauberer zu sein, womöglich zu Kopf steigen würde; dass der aufgestaute Hass in dir…“
Harry unterbrach mit warmer Stimme und versicherte: „Albus, da ist kein Hass in mir. Der Einzige, für den ich einmal Hass empfunden habe, der ist nun tot. Wie kann man jemanden nicht hassen, der einen zur Waise gemacht hat? Aber am Ende war es längst kein Hass mehr, sondern ich habe ihn bemitleidet. Mir ist nämlich klar geworden, dass ich trotz meiner Schicksalsschläge so viel mehr im Leben hatte als er. Ich hatte Freunde, ich durfte lieben, aber Voldemort hatte nie so etwas erfahren dürfen. Irgendwann habe ich geglaubt, es wäre nachvollziehbar, dass er so bösartig geworden ist; dass er vielleicht anders geworden wäre, wenn er solch eine Bereicherung im Leben gefunden hätte.“

Einen Moment lang suchte Harry die richtigen Worte, denn es war sehr schwer für ihn, das zu beschreiben, was er im Innersten seines Selbst fühlte. Seine Gefühle waren schon lange Zeit so überwältigend, dass sie nicht zu erklären waren, aber er versuchte es nichtsdestotrotz, indem er sagte: „Was ich seit Voldemorts Tod spüre, das sind alles nur gute Gefühle. In mir hat sich alles eingependelt. Ich bin zur Ruhe gekommen; bin ausgeglichen. Ich fühle mich befreit von allem Schlechten.“ Harry bemerkte, wie die blauen Augen des Direktors mehrmals hintereinander blinzelten, vielleicht, um aufkommende Tränen zurückzuhalten, doch Harry war noch nicht fertig und schilderte: „In dem Moment, in dem Voldemort starb, da“, er fasste sich an die Stirn, „kribbelte meine Narbe, als würde sich etwas aus ihr lösen.“ Harry ließ die Hand zurück in seinen Schoß fallen. „Und dann, als das Kribbeln weg war, da war ich zufrieden“, Harry legte dieselbe Hand auf seine Brust, „und sorglos; verspürte weder Kummer noch Hass. Ich fühlte mich zum ersten Mal frei, Albus.“

Mit einem übergroßen Stofftaschentuch, welches der Direktor möglicherweise einmal von Hagrid geschenkt bekommen hatte, tupfte er sich die Augen trocken, bevor er einmal laut seufzte. Albus stand auf und ging um den Tisch herum, um sich vor ihn zu stellen, damit er Harry direkt in die Augen sehen konnte.

Die ungewohnt betroffen klingende, leise Stimme des Direktors fragte voller Reue: „Kannst du einem alten Narren verzeihen, der geglaubt hat, du würdest wie einst er selbst dem Übermut und der Herrschsucht verfallen und nach Höherem streben wollen?“

Erst jetzt ahnte Harry, dass Albus damals nach dem Sieg über Grindelwald selbst beinahe den dunklen Künsten verfallen sein musste und es ihm daher plausibel erschien, dass jeder Mensch, der einen mächtigen Schwarzmagier zur Strecke gebracht hatte, einen gefährlich schmalen Pfad zwischen Gut und Böse entlangwandelte – auch Harry.

Schon an Harrys Augen konnte Albus erkennen, dass ihm die Vergebung gewiss war, aber noch viel schöner war es, als Harry aufstand und sich ihm näherte. Mit jedem Schritt, der den Abstand zwischen ihm und Harry verringerte, spürte der alte Zauberer am eigenen Leib genau jene überwältigenden Gefühle, von denen Harry zuvor noch gesprochen hatte; sie schienen fühlbar von ihm auszustrahlen.

Der junge Mann lächelte ihn an und nickte zuversichtlich, bevor er seine Arme um den Direktor legte, der die Geste herzlich willkommen hieß und sie erwiderte. Das Einzige, das er in diesem Moment mit Harry in Verbindung bringen konnte, war nichts anderes als Liebe. Harrys magische Kräfte schienen vollends aus ihr zu bestehen. Sie umschloss Albus und er fühlte, wie sie auf ihn übersprang wie ein kleiner Funken, der ein großes Feuer zu entzünden vermochte, um ihn ebenso zu erfüllen. Unverkennbar stellte Harry in seinen Augen einen sehr mächtiger Zauberer dar, denn die älteste Magie der Welt wurde ihm bereits von seiner Mutter ins Herz gepflanzt und sie war nach Voldemorts Tod üppig erblüht.

Albus ließ von Harry ab und bedeutete ihm, auf der Couch Platz zu nehmen, so dass sie beide nebeneinander sitzen konnten. Einmal tief durchatmend legte Albus eine Hand auf Harrys Unterarm, bevor er mit freundlicher Stimme fragte, obwohl er die Antwort zu kennen schien: „Weiß du eigentlich, wie du Voldemort vernichten konntest?“

Auf diese Frage hin konnte Harry nur sachte den Kopf schütteln. Er hatte sich all die Jahre nach Albus’ Tod von anderen Menschen unterrichten lassen und sich in Bereichen, in denen er keine Unterstützung erhalten konnte, wie beispielsweise in Okklumentik, als Autodidakt versucht. Alles, was ihm im Kampf gegen Voldemort hätte nützlich sein können, hatte er sich angeeignet, aber der wortlose Zauber, mit dem er Voldemort letztendlich den Todesstoß versetzt hatte, war ihm völlig unbekannt gewesen. Er war sich nicht einmal mehr sicher, ob er überhaupt einen wortlosen Zauber angewandt oder lediglich seinen Stab auf Voldemort gerichtet hatte.

Die Hand auf Harrys Unterarm drückte einmal zu, als Albus erklärte: „Liebe, Harry, ist eine der mächtigsten Kräfte dieser Welt, wie du weißt. Sie kann Leben retten, so wie die Liebe deiner Mutter dich vor dem sicheren Tod bewahrt hatte, aber sie kann auch ein anderes Gesicht zeigen. Was sie anrichten kann, haben viele Menschen – Muggel ebenso wie auch Zauberer und Hexen – schon einmal am eigenen Leib erfahren müssen. Sie ist nicht immer beflügelnd und zauberhaft; sie kann genauso gut herzlos und grausam sein, verwirren und vernichten.“

Harry hörte sehr aufmerksam zu, ohne den Direktor zu unterbrechen.

„Manch einer kann ohne sie nicht sein; andere hingegen erleiden Pein und vergehen an ihr. Prinzipiell ist Liebe aber eine erfrischende, tugendhafte Macht. Es war jedoch ihr zweites Gesicht, das dich dazu befähigt hatte, Voldemort zu vernichten, denn für ihn war diese Waffe, auch wenn er seit Lilys Tod von ihrer zerstörerischen Kraft wusste, noch immer so fremdartig, dass er sich gegen die Tücken, die sie innehaben kann, nicht zu wehren wusste.“

Die Worte musste Harry zunächst in sich aufnehmen und Albus ließ ihm viel Zeit, um alles zu verstehen.

Flüsternd, weil Harry sich nicht ganz sicher war, wiederholte er in Kurzform: „Ich habe Voldemort mit Liebe bekämpft und gesiegt, weil er sich dagegen nicht zu wehren wusste?“
„So ist es, Harry“, stimmte Albus nickend zu. „Er hatte dich ja nicht nur mit einer Narbe gezeichnet, sondern damit auch eine Verbindung zu dir aufgebaut, wie du weißt. Ich vermute, aber genau kann ich es nicht sagen, dass diese geistige Verbindung zu dir sein Ende beschleunigt hat, denn durch die Narbe ist deine Macht in ihn übergegangen und sie hat ihn von innen heraus zerstört, weil er sie nicht verkraften konnte.“

Der Direktor legte erneut eine kleine Pause ein, damit Harry alles verstehen konnte.
„Aber ich frage mich, was der Auslöser gewesen sein mag, so dass die größte Stärke in dir ihre volle Kraft entwickeln konnte. Kannst du mir das sagen?“, fragte Albus gutherzig, wenn auch sehr neugierig.
Ein kurzes Heben und Senken der Schultern war die erste Antwort, bevor Harrys Versuch einer Erklärung folgte: „Das ging alles so schnell. Als ich Sie plötzlich an meiner Seite gesehen habe, Albus, da war ich so glücklich darüber, dass Sie am Leben waren, dass ich Voldemort beinahe vergessen hätte, weil ich einfach nur noch zu Ihnen gehen wollte, um mich davon zu überzeugen, dass Sie nicht nur meiner Fantasie entsprungen sind.“

Aufgrund von Harrys Worten lächelte Albus und das lebendige Zwinkern der hellen Augen erlebte einen Höhepunkt.

Harry musste ebenfalls lächeln, als er erklärte: „Und dann war plötzlich noch Severus da und Sie beide haben Voldemort mit Flüchen bombardiert. Ich war mit einem Male so erleichtert zu wissen, dass Severus die ganze Zeit über wirklich auf unserer Seite gestanden hatte. Als Sie beide wieder da waren, da hat sich irgendwas in mir geregt.“ Harry suchte nach Worten, denn er hatte diese Gefühle noch nie zuvor in Worte gefasst. „Da ist etwas in mir erwacht und es war so stark, dass ich einfach wusste, wenn ich jetzt meinen Zauberstab auf Voldemort richte, dann wird alles Schlimme endlich vorbei sein und das habe ich dann gemacht.“

Nach dem Sieg über Voldemort hatte Albus befürchtet, dass Harrys besondere Kraft sich in der künftigen Entwicklung nicht von seiner besten Seite zeigen würde. Reumütig gestand Albus: „Meine Bedenken dir gegenüber lagen darin zu glauben, dass die verdorbene Beschaffenheit deiner größten Stärke sich in den Vordergrund drängen könnte und alles Gute und Anständige beiseite schieben würde. Ich habe befürchtet, dass Voldemort die Verbindung durch die Narbe genutzt haben könnte, dir im Augenblick des Todes seinen Hass einzuflössen, denn das, Harry, ist mir damals widerfahren. Doch ich habe mich in dir geirrt, mein Junge.“ Harry blickte ihn mit großen Augen an, so dass Albus seufzte und erklärte: „Weißt du, Harry, ich selbst hatte nach meinem Sieg über Grindelwald bereits einen verheerenden Pfad eingeschlagen, der immer dunkler und dunkler geworden war, je länger ich auf ihm wandelte. Als kein anderer den Mut gefunden hatte, war es einzig Mr. Ollivander, der die Courage besessen hatte, mich auf die Veränderung meines Wesens hinzuweisen und nicht nur das: Er bot mir die Stirn und zerbrach während einer Auseinandersetzung meinen Zauberstab, den ich selbst als Schüler einst bei ihm im Laden erworben hatte.“

Diese Neuigkeiten überraschten Harry, obwohl er Ähnliches bereits vermutet hatte. Ihm fiel nichts ein, das er entgegnen könnte und so beugte sich Harry einfach vor und umarmte Albus erneut. Harry war überglücklich, dass Albus so offen mit ihm gesprochen hatte; dass diese bedrückende Angelegenheit aus der Welt geschafft worden war.

An seinem Ohr hörte Harry plötzlich die geflüsterten und bittenden Worte: „Ihr dürft bei Severus nicht aufgeben. Nur ihr könnt ihm helfen, Harry.“ Abrupt löste Harry die Umarmung, aber seine Hände verweilten an Albus’ Oberarmen. Er blickte den Direktor fragend an, doch bevor er den Mund aufmachen konnte, schüttelte Albus leicht den Kopf und erklärte: „Ich habe es versprochen, Harry. Ich kann dir leider gar nichts sagen, aber ihr seid schon so dicht dran. Lasst das bisschen Zuversicht in seiner Brust nicht erkalten. Gebt ihn nicht auf. Bitte!“

Mit einem Nicken versicherte er dem Direktor, dass sie sich weiterhin um Severus kümmern würden, obwohl er sich natürlich fragte, was Albus alles wusste.

Bevor Harry sich verabschiedete, fragte er noch einmal: „Albus, wo ist Fawkes?“
Mit Wehmut in der Stimme antwortete er: „Fawkes hat mich verlassen, Harry. Ich hätte schon aufwachen müssen, als Minerva sich von mir abgewandt hatte, aber erst Fawkes’ Verlust konnte mir die Augen öffnen.“

Es stimmte Harry traurig, dass erst das Verschwinden des Vogels Albus gezeigt hatte, wie unrecht er gehandelt hatte.

„Vielleicht kommt Fawkes ja wieder zurück?“, sagte Harry lächelnd, denn er hoffte es wirklich. Fawkes und Albus gehörten einfach zusammen.

Der erste Weg nach seinem erleichternden Gespräch mit Albus führte Harry in den Krankenflügel, wo er Ginny, die gerade am Fenster stand, von hinten umarmte und er sie enthusiastisch fragte: „Ginny? Hältst du es für möglich, dass wir später noch weitere Kinder haben werden?“
In seinen Armen drehte sie sich, so dass sie ihn ansehen konnte, bevor sie verdutzt erwiderte: „Ähm natürlich, aber wirklich erst ’später’, Harry. Nicholas ist noch nicht einmal eine Woche alt.“

Mit einem breiten Lächeln und einem Kuss auf die Stirn bedankte sich Harry bei ihr für die erhoffte Aussage, bevor er zum Kinderbettchen hinüberging und hineinschaute. Nicholas schlief und Harry beobachtete für einen Moment, wie sich die kleinen Augen hinter den geschlossenen Lidern hin und her bewegten.

„Er träumt…“, sagte Harry ganz leise und klang dabei selbst ganz verträumt.

Nachdem er sich von Ginny mit einem leidenschaftlichen Kuss verabschiedet hatte, der dazu noch von Poppy unterbrochen worden war, eile er in sein Zimmer hinunter, um die wenigen Stunden bis zur Zeremonie und dem Festmahl mit einem Prickeln im Bauch und Wobbels beruhigenden Worten abzuwarten.

Zur gleichen Zeit einen Stock unter Harry führte Severus seine Schülerin durch die Kerkergänge in ihr Quartier. Es war nicht weit entfernt von seinen privaten Räumen und seinem Privatbüro, was sie zu begrüßen schien, doch es war ihm nicht entfallen, dass Miss Granger das Gesicht verzogen hatte, nachdem sie einen Schritt in das Zimmer getan hatte.

„Missfällt Ihnen der Raum, Miss Granger?“, fragte er ungewohnt unsicher.
„Na ja, ich kann wohl in den Kerkern kaum mit viel Sonnenlicht rechnen. Immerhin liegt hinter diesen dicken Mauern der See“, sie schlug mit der flachen Hand gegen die Steinwand, „aber…“
Sie hielt inne, weshalb Severus nachhalf, indem er wiederholte: „Aber…?“
Miss Granger seufzte, doch sie erwiderte ehrlich: „Ich dachte eigentlich, mit ’Quartier’ wäre nicht nur ein Arbeitszimmer gemeint.“

Severus stutzte und er fragte sich, ob Miss Granger etwa in Hogwarts wohnen wollte. Er war sich nicht sicher, ob er zur Klärung dieser Angelegenheit nachfragen sollte, denn hätte er sie missverstanden, könnte sie ihn womöglich aufgrund seiner Fehlinterpretation auslachen. Als er sich das erdachte Szenario vorstellte, kam es ihm unwirklich vor, denn er war sich darüber bewusst geworden, dass sie ihn noch nie wegen irgendetwas verlacht hatte und es sicherlich auch nicht tun würde.

Er nahm daher seinen Mut zusammennahm und fragte: „Spielen Sie mit dem Gedanken, Ihren Wohnsitz nach Hogwarts zu verlegen?“ Er hörte sie laut schlucken, doch letztendlich hatte er ins Schwarze getroffen, denn mit einem Nicken beantwortete sie ihm seine Frage. „Das ließe sich einrichten, Miss Granger. Auf der anderen Seite meiner Unterkunft liegen ähnlich große Räumlichkeiten wie die meinen, die jedoch noch nicht von den Hauselfen hergerichtet worden sind. Die könnten Sie beziehen, wenn Sie möchten.“
„Oh ja, zeigen Sie sie mir?“, fragte sie unverhofft enthusiastisch.
„Wie ich bereits sagte, sind die Räume nicht hergerichtet. Ich gehe davon aus, dass sie mit Doxys verseucht sind und momentan als Unterschlupf für allerhand Ungeziefer dienen und…“
„Zeigen Sie sie mir trotzdem?“, fragte sie erneut.

Er nickte einmal und bat sie mit einer Geste seiner Hand aus dem Raum hinaus, um wieder an seinen Räumen vorbei bis zu der anderen Unterkunft zu gehen, die sie sehen wollte. Dort angekommen entriegelte er mit Hilfe seines Zauberstabes die Tür, die sich nur unter lautem Ächzen und Stöhnen öffnen ließ. Sie gingen einige Schritte hinein, so dass sie noch in dem spärlichen Schein der Fackeln standen, die vom Gang her etwas in den Raum hineinleuchteten. Hier drinnen war es stockfinster, doch Severus schuf Abhilfe, indem er sämtliche Fackeln, Öllampen und Kerzen mit einem einzigen Zauberspruch entflammte.

„Igitt!“, schrie sie beim Anblick der großen schwarzen Käfer, die sich aufgrund des plötzlichen Lichts in sämtliche Löcher zurückzogen. Sie war einen Schritt zurückgewichen und mit ihrem Rücken an Severus Brust gestoßen. „Tut mir Leid, ich glaube, ich lasse das doch lieber die Hauselfen machen. Ich dachte erst, ich könnte hier allein etwas Ordnung… Igitt!“, sagte sie erneut, als wieder etwas Schwarzes den Boden entlangkroch und gleich darauf in einer Ritze verschwand. „Lassen Sie uns gehen, ja?“, bat sie eindringlich.

Zurück in seinem privaten Büro rief er einen Hauself und forderte, dass die großen Räumlichkeiten neben seinen für seine Schülerin hergerichtet werden sollten, was der Elf mit einem Kopfnicken bestätigte, bevor er verschwand.

Gar nicht so weit von Hogwarts entfernt lag Susans Zuhause und sie hatte gerade Draco nachhause geschickt, nachdem ihre Mutter kommen war, um sich um ihre Beschwerden zu kümmern.

Auf dem Weg nach Hogwarts dachte Draco über Susans Verwandte nach. Die Begegnungen zwischen Susans Familienmitglieder und ihm waren häufig noch etwas unterkühlt, weil sie natürlich genau wussten, wer sein Vater war und wie die damaligen Ansichten seiner Familie über Halbblüter und Muggel gewesen waren. Familie Bones hingegen hatte sich nie darum geschert, Beziehungen in erster Linie aufgrund der Reinblütigkeit – damals als „magisch günstigste Kompatibilität“ bezeichnet – einzugehen, weshalb in Susans Familie etliche Muggel vorhanden waren. Doch auch wenn man Draco als Sohn eines Todessers kannte, so wandten sie auch bei ihm und Susan eine Redewendung aus der Muggelwelt an und die lautete „Wo die Liebe hinfällt“. Ihre Familie hatte ihn akzeptiert. Die meisten hatten ihn warmherzig aufgenommen und nur wenige waren ihm gegenüber noch skeptisch.

Ein Gespräch, welches er zwischen ihren Eltern und zwei Onkeln zufällig belauscht hatte, ging ihm jedoch nicht mehr aus dem Kopf. Man hatte sich über die Beziehung zwischen ihm und Susan unterhalten und die Herren der Schöpfung kreideten ihm an, nicht einmal einen Schulabschluss zu haben.

Als er vorhin mit Susan darüber gesprochen hatte, bestätigte sie ihm, dass ein UTZ und eine folgende Ausbildung in ihrer Familie schon immer hoch angesehen gewesen waren, selbst wenn man Geld wie Heu hatte.

So ganz allein in seinem Zimmer hielt Draco es nicht lange aus, so dass er zu seiner Mutter hinüberging.

„Draco, da bist du ja endlich. Die Zeremonie fängt doch gleich an, Junge!“, sagte sie ganz aufgelöst, während sie einen schwarzen Stoff von der Rückenlehne des Sofas nahm, der sich gleich darauf als sein alter Schulumhang herausstellte.
„Mutter, ich habe mich doch gar nicht für das siebte Jahr angemeldet! Ich gehe nicht mehr zur Schule oder glaubst du, ich hätte es nötig?“, fragte er etwas enttäuscht.
„Es ist wichtig, einen Schulabschluss in der Hand zu haben“, sagte sie belehrend. „Dein Vater hat auch immer gesagt, dass das der wichtigste Start ins Leben sei. Ich will nicht, dass mein einziger Sohn keinen UTZ hat.“

Die beiden stritten ein wenig herum, denn Draco wollte wirklich nicht für ein Jahr die Schulbank drücken; seine Mutter hingegen bestand darauf. Dann fiel ihm wieder die Familie Bones ein, die genauso dachte wie seine Mutter. Selbst Susan hatte eine enttäuschte Miene gemacht, als er vor einigen Wochen auf ihre Frage hin, ob er das Schuljahr nachholen würde, lediglich den Kopf geschüttelt hatte.

„Mutter, das fängt in einer halben Stunde an – das würde ich sowieso nicht schaffen. Ich habe nicht einmal einen Umhang, der mir passt, geschweige denn, eine Schuluniform“, konterte Draco, doch seine Mutter ließ nicht locker.
„Zieh ihn mal an“, bat sie, als hätte sie seine Bedenken gar nicht wahrgenommen.

Draco stöhnte, wagte jedoch nicht, Widerstand zu leisten. Der Umhang war unbequem, denn die Öffnung am Hals war zu klein.
Seine Mutter zupfte und zerrte an dem Stoff herum, während sie sagte: „Du brauchst noch die Schuluniform. Ich habe sie rausgesucht.“
„Mutter, jetzt ist es aber genug. Ich war sechzehn, als ich meine Sachen hier zurückgelassen habe. Du glaubst doch nicht, dass mir auch nur noch ein Hemd passen würde?“, fragte er ungläubig. Leise fügte er hinzu: „Ich werde nicht zur Schule gehen.“

Seine Mutter hielt mit ihren Bewegungen inne und blickte ihn an. In ihren Augen erkannte er Enttäuschung, ähnlich wie in Susans Gesicht.
Draco stöhnte, bevor er fragte: „Was ist so wichtig an den UTZen?“
Traurig erklärte sie: „Ohne wird man dich gesellschaftlich als Zauberer zweiter Klasse sehen, Schatz.“
Er schnaufte ungläubig, bevor er konterte: „Also wirklich, Mutter… Früher hast du Menschen aus ganz anderen Gründen gesellschaftlich herabgesetzt.“
Sie holte aus und gab ihm eine Ohrfeige, die zwar nicht wehgetan hatte, aber Draco bereute seine unüberlegte Anmerkung auf der Stelle. Er führte eine Hand an seine nun rosige Wange, während er sie anblickte und den Kummer in ihren Augen sah. Flüsternd richtete er das Wort an sie: „Es tut mir Leid, Mutter, bitte entschuldige.“

Sie hatten sich wieder ganz schnell vertragen, denn sie war sehr harmoniebedürftig, weswegen er schlussendlich nachgegeben hatte.
Draco schlug weniger begeistert vor: „Gut, wenn wir es in fünfundzwanzig Minuten schaffen, meine Schuluniform anzupassen, dann werde ich die Siebte nachholen, in Ordnung?“
Er hätte nie gedacht, dass es so leicht wäre, ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern.

Egal wie oft seine Mutter einen Änderungszauber durchführte: Das Jackett wollte einfach nicht passen und die Hosen blieben an den Beinen viel zu kurz und oben herum zu eng. Es wären nur noch ein paar Minuten bis zur Zeremonie und die würde er verpassen, aber er hatte es zumindest versucht.

In der großen Halle saßen bereits die älteren Schüler an ihren Tischen und man erwartete jeden Moment die Ankunft der Erstklässler, die wie üblich von Professor McGonagall hereingeführt werden würden. Harry saß direkt neben Severus und er rutschte aufgeregt auf seinem Stuhl hin und her. Er seufzte und stöhnte und machte den Zaubertränkemeister neben sich damit fast wahnsinnig. Hermine, die ebenfalls neben Severus saß, bekam von Harrys Aufregung nichts mit, weil sie viel zu sehr mit ihrer eigenen beschäftigt war.

„Mann, bin ich aufgeregt“, flüsterte Harry immer wieder, obwohl es nicht notwendig gewesen wäre, sein Lampenfieber verbal mitzuteilen, denn man sah es ihm an. „Waren Sie das erste Mal auch so aufgeregt, Severus?“, fragte er gleich darauf.
Völlig gelassen erwiderte Severus: „Jedenfalls nicht so aufgeregt, dass ich vergessen hätte, mir die Haare zu kämmen.“
Erschrocken tastete Harry seinen Kopf ab, bevor er quengelnd beteuerte: „Ich habe mir die Haare gekämmt!“
Ein kurzes Schnaufen war zu hören, bevor Severus entgegnete: „Dann hat sich wohl während Ihres Weges in die große Halle ein Jobberknoll die Freiheit genommen, von Ihnen völlig unbemerkt ein Nest auf Ihrem Haupt zu errichten.“
Harry blickte Severus einen Moment lang nachdenklich an, bevor er leise zischelte: „Warum sind Sie so gemein zu mir? Immer wieder machen Sie solche Kommentare. Ich finde das nicht nett von Ihnen. Ich bin so schon aufgeregt genug. Ich mach mich ja auch nicht über Sie lustig, warum sind Sie dann so zu mir?“
Sehr besonnen antwortete Severus: „Weil ich Sie damit von Ihrer Unruhe abgelenkt habe und Sie nicht einmal bemerkt haben, dass gerade in diesem Moment die Erstklässler auf dem Weg zum Lehrertisch sind!“

Hastig drehte Harry seinen Kopf wieder nach vorn, was ein knackendes Geräusch im Nacken verursachte. Severus hatte nicht gelogen, denn die Kinder reihten sich gerade vor Minerva auf.

Die meisten der neuen Schüler wirkten völlig verängstigt, denn sie kannten die Geschichten rund um Hogwarts. Sie wussten, dass hier ein Basilisk umgegangen war, der Schüler versteinert hatte und sie hatten gehört, dass Voldemort einmal Besitz von einem Lehrer ergriffen hatte. Ihre Eltern hatten ihnen erzählt, dass Voldemort sogar einen Schüler umgebracht hatte und dass eines Tages hier Todesser eingefallen waren und ein Kampf mit ihnen stattgefunden hatte.

Harry wäre am liebsten nach vorn gegangen, um ihnen den Kopf zu tätscheln und zu erzählen, wie viel Angst er selbst damals gehabt hatte, als er neu hier angekommen war, aber er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Minerva den Hut brachte. Sie legte den Sprechenden Hut auf dem Stuhl ab, auf dem später die Kinder sitzen sollten, um in ihre Häuser sortiert zu werden.

Zunächst grüßte der Hut alle Kinder freundlich, grüßte auch Minister Weasley sehr nett, der vorn neben Albus am Lehrertisch saß und dann räusperte er sich, bevor er sang:

„Hogwarts ist, wie sollt es sein,
ein Garten voller Sonnenschein,
der euch lässt wohlauf gedeihen
wie kleine, zarte Blümelein.

Lang ist es her, als ich zuletzt
die kleinen Pflänzchen umgesetzt
und eingetopft hab in ein Haus;
wachst ihr oft über euch hinaus.

Für Ravenclaw der Sanddorn sprießt;
aus ihren Häuptern sich Wissen ergießt.
Sie lernen, tüfteln und sind allgemein
ein überaus weiser und kluger Verein.

Der Aschwurz erblüht für Slytherin;
steht für List und Eifer schlechthin.
Sollt' er zuweilen mal Feuern fangen
ist nicht um ihre Tugend zu bangen.

Für Hufflepuff grüner Efeu rankt;
niemals deren Treue schwankt.
Gerecht und fleißig immerfort
kennen sie kein einz'ges Lügenwort.

Selbst Löwenzahn ein Rückgrat hat,
für Gryffindor es wuchern mag.
Stehen zur Seit’ mit Rat und Tat
und fürchten nicht des Bösen Saat.

Vier Häuser vier Familien sind,
das flüstert schon der Abendwind,
doch drei sind größer als das eine;
ihr versteht, was ich damit meine?

Ein Haus wird wenig Schüler haben,
doch woll’n wir sie nicht untergraben.
Mit Antrieb, Mühe und viel Kraft
erlangt man große Brüderschaft.

Vergang’nes soll vergangen bleiben,
so wispern es die mächt’gen Eiben.
So sollt’ sich jeder daransetzen,
die Scharte wieder auszuwetzen.

Zeigt Respekt, seid ausgewogen,
dann zeigt sich schnell ein Regenbogen,
der farbenfroher nicht sein kann,
wenn einer einen Freund gewann.

Die Türen der Häuser haltet offen,
so könnt ihr auf neue Freunde hoffen,
denn die Reinheit des Herzens aller Familien,
das symbolisieren die weißen Lilien.“

Zur gleichen Zeit, in welcher der Hut mit dem Lied begonnen hatte, klopfte Remus an die Tür von Mrs. Malfoy, denn sie hatte Tonks und ihn eingeladen, doch nur er hatte die Einladung zum Tee und einer Partie Schach angenommen.

„Herein“, hörte er Mrs. Malfoy sagen. Remus trat ein und fand nicht nur Mrs. Malfoy, sondern auch ihren Sohn vor, der offenkundig Kleidung anprobierte. „Oh, Mr. Lupin, treten Sie doch bitte ein. Verzeihen Sie die Unordnung. Ich hatte gehofft, ich würde damit fertig sein, bevor Sie kommen würden.“

Remus begrüßte Mrs. Malfoy und überreichte ihr einen Strauß Blumen, den er, ohne Tonks Wissen, auch in ihrem Namen schenkte, worüber sich die Gastgeberin sehr freute.

Er betrachtete Draco und fragte lächelnd, während er ihn musterte: „Die alte Schuluniform? Sie möchten die siebte Klasse nachholen?“
Ein Kopfnicken war Dracos einzige Antwort, doch Mrs. Malfoy teilte ihre Bedenken mit: „So kann er dort doch nicht auftauchen. Er hat versprochen, er würde seinen Abschluss machen, wenn ich die Kleidung für ihn ändern könnte, aber…“
„Oh“, unterbrach Remus, „daran soll es nun wirklich nicht scheitern. Ich möchte nicht angeberisch klingen, aber Haushaltszauber, besonders Änderungszauber für Kleidungsstücke, sind nicht nur mein Steckenpferd, sondern darin bin ich auch ausgesprochen gut! Darf ich…?“

Das Jackett, welches Draco trug, wurde von Remus sehr genau beäugt. Es war ihm nicht entgangen, dass dem jungen Mann nicht nur allein die Anwesenheit seines Ex-Lehrers etwas Unbehagen bereitete. Da Dracos Beinbekleidung um die Hüften herum zu eng war, stand Mrs. Malfoys Sohn mit offen stehender Hose im Zimmer. Ein Hauch Röte hatte sich auf dem blassen Gesicht des jungen Mannes abgezeichnet, doch Remus ließ sich nicht davon stören.

„An den Nähten des Jacketts ist genügend Stoff vorhanden. Ich kann die Größe ändern. Wenn Sie bitte kurz stillhalten würden, Mr. Malfoy?“, bat Remus, der bereits seinen Zauberstab zückte. Weder Mrs. Malfoy noch Draco gaben ein Widerwort, so dass Remus wortlos das Jackett mit mehreren Zaubersprüchen bearbeiten konnte, was einige Minuten beanspruchte.

„Wunderbar! Passt wie angegossen, finden Sie nicht auch?“, fragte er Mrs. Malfoy, die völlig begeistert zu ihrem Sohn stürmte und das „neue“ Jackett begutachtete, ihrem Sohn über die Schulter strich und ihm liebevoll den Kragen richtete.

„Sie können ein normales, weißes Hemd und eine schwarze Hose anziehen, Mr. Malfoy. Die Hauptsache ist, dass sie das offizielle Schuljackett mit Ihrem Abzeichen tragen“, sagte Remus, während er zum Ende seines Satzes hin mit dem Zeigefinger auf das Slytherin-Symbol auf Dracos Brust tippte.

In der großen Halle hatte der Hut derweil nicht nur sein Lied beendet, sondern bereits die Erstklässler in die Häuser einsortiert. Unter den älteren Schülern, die keine Aufbauklassen besucht hatten, waren viele bekannte Gesichter. Es waren Schüler, die wie Ginny nach der sechsten Klasse aufhören mussten, weil Hogwarts geschlossen worden war. Einige der ehemaligen Schüler, die man eigentlich dieses Jahr als Siebtklässler erwartet hatte, waren jedoch nicht anwesend, wie beispielsweise die Creevey-Brüder Colin und Dennis, die sich schon vor Jahren selbständig gemacht hatten. Selbst den Weasley-Zwillingen hatte Albus eine Einladung für das siebte Schuljahr geschickt, doch die hatten dankend abgewinkt und erklärt, dass sie ihre Scherzartikel nicht für ein ganzes Jahr unbeaufsichtigt lassen wollten, denn an ihrem Laden verdienten sie sich eine goldene Nase.

Severus hatte zwar geahnt, weniger Schüler als sonst in seinem Haus begrüßen zu dürfen, aber die mickrige Anzahl von nur fünf elf und zwölf Jahre alten Jungen und Mädchen, die vom Hut nach Slytherin gesteckt worden waren, machte ihn doch stutzig und stimmte ihn sehr nachdenklich.

Die zwei Mädchen und drei Jungen setzten sich zögerlich an den Tisch zu den wenigen anderen Slytherins, die zuvor die Aufbauklassen mitgemacht hatten. Mit nur insgesamt neunzehn eingeschüchtert wirkenden Schülern zeigte sich eine dramatische Wende für das einst sich überlegen fühlende Haus. Man konnte den Kindern und Jugendlichen ansehen, dass sie sich in ihrer eigenen Haut nicht wohl fühlten. Auch wenn Professor McGonagall im Vorfeld erklärt hatte, dass das Haus gleich einer Familie wäre, so schienen sich besonders die Slytherins zu wünschen, von einem der anderen Häuser adoptiert zu werden. Das Haus Slytherin war schon immer verschrien gewesen, aber nach dem Fall von Voldemort nun offensichtlich auch bei den Slytherins selbst.

Albus richtete das Wort an die Schüler und hielt nur eine kurze und sehr unterhaltsame Rede, doch bevor er in die Hände klatschen konnte, um das Festessen beginnen zu lassen, öffnete sich die Tür zur großen Halle und ausnahmslos alle drehten ihren Kopf, um zu sehen, wer eintreten würde.

Draco hatte die riesige Flügeltür wieder leise hinter sich geschlossen, bevor er selbstbewusst wirkend durch die große Halle und unter den Augen von alten und neuen Schülern und Lehrern bis nach vorn an das Rednerpult von Professor Dumbledore schritt.

Die Augen des Direktors funkelten erfreut, als er das Wort an den jungen Mann richtete: „Mr. Malfoy! Schön, Sie heute Abend hier zu sehen. Möchten Sie vielleicht den Hut aufsetzen?“ Der Direktor deutete mit einer Hand auf den Hut, den Professor McGonagall noch immer hielt. Lächelnd schüttelte Draco den Kopf, bevor er lediglich mit einem Zeigefinger auf das Wappen von Slytherin tippte, welches seine Uniform zierte. „Na dann, Mr. Malfoy, wissen Sie ja, an welchem Tisch Sie Platz nehmen können. Seien Sie ganz herzlich willkommen.“

Draco nickte dem Direktor dankend zu. Seine Unsicherheit überspielte er, indem er erhobenen Hauptes zu den Slytherin schritt, was ihn für einen Moment genauso arrogant wirken ließ wie früher. Er setzte sich neben einen der Erstklässler seines Hauses, der ihn völlig verängstigt anblickte, doch Draco lächelte all seinen neuen Schulkameraden zu, obwohl im eher zum Heulen zumute war.

Ein Jahr Hogwarts, ein Jahr als Schüler, ein Jahr als Schüler mit Harry als Lehrer. Draco seufzte, doch niemand hörte es, weil in diesem Moment die staunenden Ausrufe der Schüler zu hören waren, als vor ihnen auf den Tischen ein üppiges Festmahl auftauchte.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
~ Muggelchen.net ~

Benutzeravatar
CharLue
KelpieKelpie
Beiträge: 2606
Registriert: 20.02.2008 21:42
Wohnort: Hogwarts

Beitrag von CharLue »

Ein sehr schöner Teil!

Natürlich kann/konnte man Albus' Befürchtungen schon nachvollziehen, aber eigentlich hätte er doch wissen müssen, dass Harry von Grund auf gut ist.
Aber sie haben sich ja ausgesprochen & nur das zählt :]
Es freut mich, dass Draco das letzte Schuljahr wiederholt. Es wird bestimmt komisch für Harry und für ihn sein, dass Harry ihn unterrichten wird.
Ich freue mich auch jeden Fall auf den nächsten Teil :]

Lg
[img]http://www.oyla15.de/userdaten/439/02437/bilder/RobertSig2.png[/img]

[img]http://www.fotos-hochladen.net/cdft52xp6ro.png[/img] [img]http://www.fotos-hochladen.net/cdft52xp6ro.png[/img] [img]http://www.fotos-hochladen.net/cdft52xp6ro.png[/img]

Benutzeravatar
Muggelchen
EuleEule
Beiträge: 345
Registriert: 07.06.2008 22:29
Wohnort: Gemälde im 1. Stock

Beitrag von Muggelchen »

Liebe Leser,

99 Prozent von euch sollten sich von folgenden Worten bitte nicht angesprochen fühlen, aber es ist leider notwendig, diesen Weg zu gehen.

Vor wenigen Tagen habe ich entdeckt, dass jemand meine Schatten-FF als seine ausgibt und zwar in dem Blog von BrokenInsanity. Ich habe mich dort sogar angemeldet, um sie deswegen anzuschreiben, aber persönliche Nachrichten hat sie wohl geblockt. Skyrock.com riet mir, ich sollte das Problem erst mit BrokenInsanity klären, was nicht so einfach ist, weil ich sie einfach nicht erreiche. Auf meine beiden Kommentare gab es bisher auch keine Rückmeldung.

An dieser Stelle also meine ganz persönliche Aufforderung an BrokenInsanity – denn von irgendeiner Seite muss sie diese FF ja klauen:

Lösche deinen Blog unverzüglich!

Sollte das nicht geschehen, werde ich mich nochmals mit Skyrock.com in Verbindung setzen und weitere Schritte einleiten.

~ * ~


Hi CharLue,

Albus war sich eben nicht mehr sicher. Die Wandlung, die er damals nach dem Sieg über Grindelwald bei sich selbst verspürt hat, war ihm auch nicht geheuer. Er dachte, wenn es ihm so geht, könnte es Harry auch widerfahren. Aber es hat sich ja alles geklärt. Harry hat ihm auch ein wenig den Wind aus den Segeln genommen, als er seine bescheidenen Wünsche für's Leben nannte.

Mit Draco hast du vollkommen Recht: Es wird komisch für ihn sein, wieder die Schulbank zu drücken, Harry als Lehrer zu haben und mit Ginny in einer Klasse zu sein. Da wird so einiges passieren :)

Lieben Gruß,
Muggelchen




082 Mit List und Tücke




Am nächsten Morgen war Harry ausgeschlafener als er gedacht hatte. Heute hätte er das erste Mal Unterricht mit den Erstklässler, was ihn nicht davon abhielt, zunächst vor dem Frühstück mit Harry auszugehen.

„Wussten Sie, dass Draco das siebte Jahr machen würde?“, fragte Harry seinen Kollegen, nachdem er den Hund wieder zurückgebracht hatte.
„Es war für mich genauso überraschend wie für Sie, Harry“, erwiderte Severus, der einige Unterlagen ordnete. „Wenn Sie mich entschuldigen würden? Ich möchte für die erste Doppelstunde Zaubertränke einiges im Klassenzimmer vorbereiten.“
„Sagen Sie, wo ist Hermine heute?“, fragte Harry noch schnell, während er seinem Kollegen auf den Flur folgte.
Severus deutete im Vorbeigehen auf eine Tür und antwortete: „Miss Granger inspiziert gerade ihre Räume.“

Harry ließ Severus von dannen ziehen und klopfte an Hermines Tür.
„Hi du, komm doch rein“, grüßte sie, nachdem sie ihm geöffnet hatte. Er trat ein und bestaunte das gemütliche Wohnzimmer, welches in warmen Farben gehalten war. Im Kamin knisterte ein Feuerchen.
„Wow, sieht hübsch hier aus, auch wenn es keine Fenster gibt, aber zumindest ist es hier nicht so gruselig, wie bei der Sabberhexe“, sagte Harry lachend, doch dann hielt er inne, als er bemerkte, dass es sich um einen richtigen Wohnraum handelte und nicht nur ein Arbeitsbereich. „Ähm, sag mal, wohnst du jetzt hier?“

Sie zog eine Augenbraue hoch und Harry musste sich arg zusammenreißen, um ihr nicht vorzuhalten, dass sie sich eine Eigenart von Severus angeeignet hatte. Sie antwortete ihm ehrlich: „Ich habe jetzt keine Zeit und Lust mir eine eigene Wohnung zu suchen und da er mir das Angebot gemacht hat…“ Sie hielt inne, als er dieses Mal eine Augenbraue in die Höhe zog.
„Er hat es angeboten?“, fragte Harry ungläubig.
„Na ja, nicht direkt. Ein Arbeitszimmer stand mir zu und da habe ich gesagt, ich hätte mit etwas ’mehr’ gerechnet.“ Sie versuchte abzulenken und sagte erfreut: „Ich wohnte jetzt hier, ist das nicht toll?“

Nickend stimmte er ihr zu, doch irgendetwas an ihrem Verhalten schien ihm merkwürdig. Es kam ihm so vor, als würde sie sich selbst belügen, aber er konnte sich nicht erklären, weshalb.

„Gefällt es dir denn hier? Ich meine, so ganz ohne Tageslicht? Ich wette, es dauert keine zwei Monate, bis sich auch auf deinem Gesicht eine ’vornehme Blässe’ niedergeschlagen hat. Das ist doch gar nichts für…“
„Doch, das ist was für mich. Ich habe ein Dach über dem Kopf, bekomme regelmäßig Mahlzeiten, habe genügend Platz für meine Sache und muss nur ein paar Schritte gehen, dann habe ich schon meine Arbeitsstelle erreicht! Ist das etwa nichts?“, konterte sie zickig.
Resignierend hielt er beide Hände nach oben, bevor er sagte: „Schon gut, schon gut! Zumindest können wir uns häufig besuchen und wenn Ginny aus dem Krankenflügel raus ist, können wir doch auch mal was zusammen unternehmen.“

Ohne auf seinen Vorschlag einzugehen sagte sie mit deutlich hörbarem Triumph in der Stimme: „Snape hat mir gestern seinen Traum gegeben. Ich sollte ihn analysieren!“
„WAS?“, sagte Harry fassungslos. „Wie hast du denn das geschafft?“
Sie grinste überlegen und erklärte: „Ich habe ihn etwas in die Enge getrieben, aber auf nette Art – zumindest glaube ich, dass ich noch nett war. Ich habe ihm klar gemacht, dass ich sein Spionagegehabe nicht dulde und dass ich keine Geheimnisse vor ihm habe. Das habe ich untermalt, indem ich meine Handtasche auf seinem Arbeitstisch ausgekippt habe. Hat ihn ziemlich mundtot gemacht. Als Beweis seines Vertrauens…“
„…hat er dir den Traum gegeben“, vervollständigte Harry ihren Satz, woraufhin sie nickte.
„Natürlich darf ich nicht einmal mit dir drüber reden, aber das muss ich ja nicht, denn du kennst ihn ja bereits. Alles in allem ist es ein Traum mit positiver Symbolik, was ich vorher ja schon gesagt habe. Offensichtlich sucht er menschliche Nähe und er verspricht sich dabei Hilfe von dir, Harry. Er hat mir gestern gesagt, er würde dich als ’Freund’ oder ’Vertrauten’ bezeichnen“, schilderte sie ihm.
Harry strahlte über das ganze Gesicht und fragte trotzdem nach: „Ist nicht wahr? Wirklich? Das finde ich toll! Das freut mich, Hermine.“
„Er hat die Traumdeutung wahrscheinlich noch gar nicht gelesen. Heute früh, als ich angekommen bin, war ihm jedenfalls nichts anzumerken“, sagte Hermine nachdenklich.
„Als ob ihm jemals irgendetwas anzumerken wäre. Außerdem glaube ich nicht, dass er mit dir drüber reden will“, sagte Harry kopfschüttelnd, bevor er Hermines Wohnzimmer genauer betrachtete.

Hermine folgte ihm mit den Augen, während er sich einem Bücherregal näherte und den Inhalt überflog, bevor sie auf seine Anmerkung einging und sagte: „Ja komisch, nicht wahr? Er hat mir nämlich vorher schon gesagt, dass ich mit ihm nicht über den Traum reden soll. Ich konnte es mir aber nicht verkneifen, schriftliche Anmerkungen zu machen. Zumindest zu meinen Äußerungen sollte er etwas sagen. Schön wäre es jedenfalls.“

Einen Moment lang überlegte Harry, ob er Hermine von seinem Gespräch mit Albus erzählen sollte. Er wollte ihr davon berichten, holte daher tief Luft und sagte: „Ich habe übrigens mit ihm gesprochen, mit Albus, meine ich. Er hat wirklich geglaubt, Voldemort hätte kurz vor seinem Tod die Verbindung durch die Narbe genutzt, um mich mit seinem Hass zu erfüllen. Das war der Grund, warum Albus mir nicht getraut hat, aber er hat sich eines Besseren belehren lassen.“
„Gut! Das wurde aber auch Zeit, ansonsten hätte ich mal ein Wörtchen mit ihm reden müssen“, sagte Hermine lächelnd.
Harry lächelte zurück, bevor sein Gesicht wieder ernst wurde und er sagte: „Albus weiß irgendwas über Severus. Er hat gesagt, wir dürfen nicht aufhören und dass wir auf dem richtigen Weg wären. Er meinte, wir sollte das bisschen Zuversicht in seiner Brust nicht erkalten lassen. Wirst du schlau daraus?“ Bevor Hermine ihn unterbrechen konnte, denn sie öffnete schon ihren Mund, sagte Harry noch schnell: „Er hat gleich gesagt, dass er uns nicht helfen kann. Er hätte versprochen, nichts zu sagen. Wir sind völlig auf uns allein gestellt. Ich frage mich nur, mit was genau wir weitermachen sollen?“
Hermine war sprachlos und sie konnte nur mit den Schultern zucken. Nach einem Moment sagte sie jedoch: „Wir machen einfach so weiter wie bisher, Harry. Wir reden mit ihm, streiten mit ihm und…“ Sie verstummte, denn mehr fiel ihr nicht ein.

Zu seinen Unterrichtsräumen hatte Harry es nicht weit, denn wie die Klassen für Zaubertränke lag auch einer der Räume für „Verteidigung gegen die dunklen Künste“ in den Kerkern, je nachdem, wie viel Platz Harry für seinen praktischen Unterricht benötigte. Als er rechtzeitig dort angekommen war überraschte es ihn, dass die Schüler aus Hufflepuff und Ravenclaw überpünktlich waren und niemand fehlte. Sie warteten alle bereits geduldig vor dem Klassenzimmer.

Mit einem wortlosen Zauber öffnete Harry die Tür und bat die Erstklässler herein: „Immer hereinspaziert!“ Seine Freude wollte jedoch nicht auf die Kinder überspringen.

Es war vorhersehbar gewesen, dass sich natürlich immer die Schüler zusammensetzen würden, die sich auch im gleichen Haus befanden. Niemand sagte etwas, nicht einmal ein Wispern war zu hören. Stattdessen blickten sie ihn aus großen Kinderaugen an, als würden sie Schlimmstes erwarten.

Er wollte ihnen die Angst nehmen und stellte sich zunächst vor: „Ihr habt mich ja gestern schon beim Festmahl gesehen, aber ich darf mich nochmal persönlich vorstellen: Professor Harry Potter!“ Die Kinder blieben stumm, doch ihre Augen weiteten sich, wenn es denn möglich war, noch ein wenig mehr und Harry fragte sich ernsthaft, ob sie etwa Angst vor ihm haben könnten.

„Es ist das erste Mal in Hogwarts, dass die Erstklässler in ’Verteidigung gegen die dunklen Künste’ gleich ab der ersten Klasse einen der mächtigsten Schutzzauber erlernen sollen: den Protego! Kann mir einer sagen, woher der Name kommt und was der Zauber bewirkt?“, fragte Harry locker in die Runde, doch niemand hob einen Arm.

’Gut’, dachte Harry, ’Latein ist für Elfjährige vielleicht ein wenig schwer.’
Laut sagte er: „Weiß es niemand oder traut ihr euch nicht zu antworten?“
’Ein totales Desaster… ich bin doch kein Alleinunterhalter. Bitte, nur einer! Einer soll die Hand heben!’, flehte Harry still und sein Bitten wurde erhört.

Zögerlich hob ein junger Hufflepuff die Hand, doch als alle anderen Schüler ihn anstarrten, nahm er sie sofort wieder runter; Harry hatte es jedoch gesehen.

„Ansgar Fox, richtig? Also, Mr. Fox, können Sie die Frage beantworten?“
Ansgar atmete schwer, bevor er leise sagte: „Protego kommt vom lateinischen ’protegere’, was ’beschützen’ heißt.“ Harry nickte, hörte aber weiterhin zu, so dass Ansgar noch hinzufügte: „Der Zauber ruft einen unsichtbaren Schild hervor, weswegen er zu den ’Schildzaubern’ gehört. Er ist der mächtigste Schildzauber, weil er nicht nur schützt, sondern auch Flüche zurückwerfen kann, wenn sie auf ihn prallen.“
Harry lächelte breit und sagte fröhlich: „Wow, das hab ich mit elf noch nicht gewusst. Dafür gibt es zwei Punkte für Hufflepuff!“ Die anderen Hufflepuffs begannen zu lächeln und ihrem Kameraden bewundernde Blicke zuzuwerfen. Ganz langsam tauten die Schüler auf, dachte Harry.
„Woher weißt du das so genau?“, fragte er Ansgar noch.
Der Junge schluckte, als wollte er nicht antworten, doch einem Lehrer gegenüber musste er sich korrekt verhalten, weswegen er flüsternd schilderte: „Meine Mum hat einen Protego um mich und meine kleine Schwester gelegt. Ein“, er stockte, doch er fand den Mut, die Geschichte zu beenden, „Todesser hat den Todesfluch auf mich gerichtet. Der ist abgeprallt und…“ Ansgar verstummte.
Harry fühlte mit dem Jungen mit und fragte leise: „Hat er den Todesser getroffen?“
Der Junge schüttelte den Kopf. Obwohl ihm anzusehen war, dass es ihm schwer fiel, antwortete er: „Nein, er hat meinen älteren Bruder getroffen.“

Ansgar senkte das Haupt und betrachtete die Holzmaserung des Tisches. Harry ahnte, dass es nicht nur der Schildzauber gewesen sein konnte, der Ansgar und dessen Schwester das Leben gerettet hatte, denn in der Regel war ein Avada Kedavra nicht von seinem Ziel abzulenken.

Nicht nur die anderen Schüler, sondern auch er selbst konnten eine ganze Weile lang nichts sagen, bis Harry, weil er der Lehrer war, sich aufraffte und betroffen erklärte: „Ich möchte die erste Stunde gern nutzen, um etwas über euch zu erfahren. Im Gegenzug könnt ihr mir Fragen stellen. Seid ihr damit einverstanden?“ Die Schüler nickten.

In der Zwischenzeit hatet Professor Dumbledore Hermine besucht, um die interne Sperre des Kamins aufzuheben, damit sie nun auch das Flohnetzwerk nutzen konnte.

„Miss Granger“, er verbesserte, „Hermine, es freut mich zu wissen, dass ich Sie in Hogwarts als festen Bestandteil des Kollegiums begrüßen darf. Es war etwas unerwartet, von Professor Snape darum gebeten zu werden, eine private Schülerin aufnehmen zu dürfen. Das geschieht allgemein nicht sehr oft, dass ein Lehrer von einem Schüler so angetan ist.“ Hermine nahm ein lebendiges Funkeln in Albus’ Augen wahr, der jedoch übergangslos weitererzählte: „Professor Sprout hatte zuvor schon einmal einen privaten Schüler gehabt und auch, wenn ich mich recht entsinne, Professor Trelawney.“

Hier zog Hermine die Augenbrauen in die Höhe. Sie konnte sich schwerlich vorstellen, freiwillig drei Jahre lang mit dieser an ein Insekt erinnernde Lehrerin auskommen zu wollen.

Professor Dumbledore blickte sich in ihrem Wohnzimmer um und sagte anschließend mit einem Lächeln auf den Lippen: „Ich habe den Raum noch ganz anders in Erinnerung. Es ist immer wieder ein Wunder, was die Magie der Hauselfen bewirken kann.“

Hermine war zwar noch immer nicht ganz davon überzeugt, dass Hauselfen in Hogwarts gehalten werden mussten, aber der Professor sprach so voller Respekt von ihnen, dass ihr nichts anderes blieb, als ihm zuzustimmen.

„Wenn es Ihnen an etwas fehlt, meine liebe Hermine, dann lassen Sie es mich wissen. Sie werden auf jeder Lehrerversammlung das aktuelle Passwort für mein Büro erfahren, so dass Sie jederzeit mit Ihrem Anliegen bei mir auf eine Tasse Tee vorbeischauen können“, sagte er mit einem fröhlichen Zwinkern in den Augen. Sie lächelte ihn an und ihr Lächeln verblasste auch nicht, als er sich einem kleinen Tischlein näherte, auf welchem sie ihr einziges Bonsai Bäumchen platziert hatte.

„Was ist denn das, Hermine?“, fragte Albus neugierig, während er sich nach vorn beugte – sich derweil den weißen Bart an die Brust presste –, um den Baum besser betrachten zu können.
„Ein Miniatur-Baum aus der Muggelwelt. Ein kleiner Apfelbaum“, erklärte sie.
„Erstaunlich, ganz erstaunlich“, murmelte Professor Dumbledore, bevor er sich wieder aufrichtete.

Bevor er sich verabschiedete, sagte er lobend: „Ich bin wirklich glücklich, Sie willkommen heißen zu dürfen. Sie bringen Eigenschaften mit, die ganz bewundernswert sind. Sie geben nicht auf, selbst wenn eine Situation Sie in Unruhe versetzt. Sie sind aufrichtig und nachsichtig.“ Er war an der Tür angelangt, doch bevor er sie von außen schloss, sagte er noch leise und mit funkelnden Augen: „Bleiben Sie so, wie Sie sind, Hermine.“
Mit offen stehendem Mund schaute sie auf die Tür, durch die der Direktor eben gegangen war.

Einige Gänge entfernt saßen die Gryffindors und Slytherins mucksmäuschenstill auf ihren Stühlen und warfen ängstliche Blicke zu ihrem Lehrer hinüber. Professor Snape hatte zwar auf einen theatralischen Auftritt mit wehendem Umhang verzichtet, doch das machte ihn für die Elfjährigen nicht weniger unheimlich. Seine dunkle Kleidung, die schwarzen, fettigen Haare, die große Hakennase, die gelblichen, schiefen Zähne und die finsteren Augen ließen ihn wirken, als wäre er einem Albtraum entsprungen. Die, die nicht von seiner äußeren Erscheinung eingeschüchtert waren, bekamen eine Gänsehaut von seiner tiefen, leisen Stimme, die manchmal ölig, manchmal bedrohlich klang.

„Wenn Sie nun Arsenius Bunsens Klassiker ’Zaubertränke und Zauberbräue’ aufschlagen würden? Ich gehe nicht davon aus, dass auch nur einer von Ihnen noch vor Schulbeginn einen Blick hineingeworfen hat? Dachte ich’s…“ Er hielt inne, als eine Schülerin ihre Hand in die Luft warf. Gelangweilt wirkend forderte er sie zum Sprechen auf: „Miss Clevick?“
„Ich hab es gelesen, Sir. Vollständig! Es war äußerst interess…“
„Genug!“, machte er kurz und knapp klar. Miss Clevick war kurz zusammengezuckt und verhielt sich dann still.

Er hätte nie gedacht, dass auch nur einer den Mut besitzen würde, auf eine Anmerkung, auf die er sowieso keine Reaktion erwartet hatte, eine Rückäußerung zu geben. ’Typisch Gryffindor’, dachte er verachtend.

„Lesen Sie bitte still das Vorwort von Mr. Bunsen. Danach möchte ich von Ihnen wissen, was Ihrer Meinung nach die Motivation des Autors gewesen sein mag, dieses Buch zu verfassen“, forderte er mit bedrohlich leiser Stimme.

Die Schüler schlugen das Buch auf und begannen zu lesen, außer Miss Clevick. Sie mochte das Buch bereits gelesen haben, was in Severus’ Augen jedoch kein Grund darstellte, sich seiner Anweisung zu widersetzen und so setzte er seinen bekannten, bösen Blick auf, den er der jungen Dame schenkte. Als sie durch Zufall die Augen von ihren Mitschülern auf ihn schweifen ließ, erstarrte sie für einen Moment vor Schreck, bevor auch sie das Buch aufschlug, um das Vorwort zu lesen oder zumindest so zu tun.

Der erste Schultag verlief ohne besondere Vorkommnisse. Für Harry war dieser Tag eine weitere Bestätigung dafür, dass er gern mit Kindern und Jugendlichen arbeitete, während Severus sich beim Abendessen nicht zum ersten Mal während seiner Berufslaufbahn fragte, ob es wirklich das war, was er bis ans Ende seines Lebens machen wollte. Eine Antwort auf die Frage, was für eine Zukunft er alternativ haben könnte, konnte er sich selbst nicht geben.

„Wie war der erste Schultag mit den Erstklässlern für Sie, Severus?“, fragte Harry freundlich, während er sich von dem gemischten Salat auftat.
„Es war für mich kein besonderer Tag. Es war wie immer“, erwiderte sein Kollege gleichgültig.

Sein Lächeln wollte verblassen, aber Harry zauberte es erneut auf sein Gesicht und fragte nach einem Moment sehr interessiert: „Wie machen Sie das jetzt eigentlich mit Hermine? Ich meine, wo sie doch bis 15 Uhr Unterricht haben. Geht’s danach gleich mit ihr weiter?“ Harry beugte sich nach vorn, um an Severus vorbei Hermine sehen zu können.
„Ich konnte mit Albus und letztendlich mit dem Stundenplan vereinbaren, dass ich lediglich mittwochs bis 15 Uhr unterrichte. An den anderen Tagen der Woche habe ich nur bis ein oder zwei Uhr Unterricht. Miss Granger wird die Zeit bis zur Arbeit mit Lesen und Vorbereitungen verbringen“, erklärte Severus, während er zu Hermine hinüberblickte, die zustimmend nickte.

Die erste Woche verlief genauso ruhig wie der erste Schultag. Da nächste Woche, am 10. September, wieder Vollmond sein würde, besuchte Remus am Sonntag das erste Mal in diesem Monat die Kerker, um sich seinen Trank abzuholen und sich seinen Tränkepass von Severus unterschreiben zu lassen.

Am darauffolgenden Montag, den 8., kam Remus für den zweiten Trank vorbei, jedoch zu einer Zeit, in der Severus noch unterrichtete. Hermine gab ihm den nach Vanille schmeckenden Wolfsbanntrank, den sie selbst gebraut hatte.

„Die Unterschrift muss aber Severus geben, weil er ein registrierter Zaubertränkemeister ist“, sagte Remus.
„Der hat jetzt aber noch Unterricht bis 14 Uhr. So lange warten kannst du sicherlich nicht. Wären immerhin vier Stunden. Kannst du später nochmal…“
„Das Problem, Hermine, ist jenes, dass ich heute einen vollen Terminkalender habe. Ich habe vier Vorstellungsgespräche und will keines verpassen. Ich könnte erst sehr spät abends für die Unterschrift nochmal vorbeikommen, aber…“, dieses Mal unterbrach sie ihn.
„Kann er nicht morgen unterschreiben, dass du heute den Trank genommen hast?“, fragte sie, denn das wäre die leichteste Lösung.
Er schüttelte den Kopf und erklärte mit leiser Stimme: „Nein, das Ministerium will am gleichen Tag die Bestätigung haben, dass man den Wolfsbanntrank eingenommen hat. Alle Werwölfe, die bis heute um Mitternacht keinen Nachweis dafür erbringen, würde man festnehmen und wegsperren. Außerdem bekäme man noch eine Klage an den Hals, wegen ’vorsätzlicher Gefährdung der Öffentlichkeit’. Ich muss dann wohl heute Abend noch einmal kommen.“

Hermine versuchte gelassen zu bleiben, obwohl sein Schicksal ihr sehr nahe ging, weil Remus immer ein so gewissenhafter Mann war. Diese Gesetze waren wegen der wenigen, uneinsichtigen Werwölfe gemacht worden, die sich noch immer nicht im Klaren darüber waren, dass sie gefährliche Bestien werden würden und daher musste jeder Werwolf darunter leiden, auch wenn man wie Remus sehr bedacht darauf war, zu keiner Gefahr zu werden.

„Ach Blödsinn, warum solltest du nochmal herkommen? Ich gehe in seine Klasse und lasse ihn unterschreiben. Er wird mir wegen einer kleinen Unterbrechung, die keine dreißig Sekunden dauern wird, wohl nicht gleich den Kopf abreißen. Gib her!“, sagte sie und hielt Remus ihre Hand entgegen, damit er ihr den zu unterzeichnenden Schein geben würde.
„Das halte ich für keine gute Idee“, gestand er ihr. Auf ihren fragenden Blick hin erklärte er: „Wenn Minerva oder ein anderer Lehrer ihn während des Unterrichts um etwas Bitten würde, wäre das kein Problem, aber wenn du ihn vor den Schülern störst und das auch noch wegen mir… Nein, das geht nicht gut. Ich will nicht, dass du Ärger bekommst, Hermine.“ Gegen ihre schnelle Hand, die ihm den Schein entriss, konnte er jedoch nichts machen.
„Ich bin gleich wieder da“, versicherte sie ihm lächelnd und verschwand.

Sie huschte über den Gang, denn der Unterrichtsraum war ganz in der Nähe. Von drinnen hörte sie seine tiefe Stimme, die jedoch so leise sprach, dass sie die Worte nicht verstehen konnte. Nur für wenige Sekunden lang fühlte sie sich in ihre eigene Schulzeit zurückversetzt. Sie wartete, bis es still war, so dass sie ihn nicht mitten im Satz unterbrechen würde und dann klopfte sie. Ein tiefes „Herein“ folgte und Hermine holte tief Luft, bevor sie die Tür öffnete.

Natürlich blickte nicht nur Snape auf sie, sondern auch alle Schüler, die offensichtlich gerade Flubberwürmer mit der flachen Seite eines Messers zerdrückten, um sie in ihren Kessel zu tun. Hermine erkannte am Geruch, der im Raum lag, dass die Schüler einen Trank gegen Erkältungen brauen würden.

In Windeseile war sie vorn bei Snape am Pult angelangt und sagte leise: „Entschuldigen Sie vielmals, Professor Snape, aber gewisse Umstände gebieten es mir, Ihnen den Tränkepass zur Unterschrift jetzt vorzulegen. Wenn Sie die Freundlichkeit besäßen…?“

Sie bemerkte, dass ihre Hand zitterte, als sie ihm Remus’ Tränkepass hinüberreichte. Snape blickte sie aus böse funkelnden, nachtschwarzen Augen an und rührte sich einen Moment nicht, bevor er so plötzlich wie ein Krokodil zuschnappte und ihr den Pass entriss. Er knallte ihn auf sein Pult, zückte die Feder und kritzelte seine winzig enge Unterschrift in das entsprechende Feld. Wieder beobachtete er, wie seine Unterschrift verschwand und der rote Bestätigungsstempel des Ministeriums erschien. Er reichte ihr den Pass, während er sie aus verengten Augenlidern anblickte und ihrer Gestalt mit den Augen folgte, bis sie das Klassenzimmer wieder verlassen hatte. Seinen Schülern, die ihr ebenfalls hinterherblickten, würde er noch abgewöhnen, sich von solchen Störungen ablenken zu lassen.

Ganz herzlich bedankte sich Remus bei ihr, bevor sich auf den Weg zu seinem ersten Vorstellungsgespräch machte; einem Putzjob im Britischen Museum in London.

Die Bücher, die Snape ihr aufgetragen hatte zu lesen, lagen übereinander gestapelt auf dem kleinen Arbeitstisch in seinem privaten Büro, an welchem sie schon die Abhandlung über seinen Traum geschrieben hatte. Sie hätte sie mit in ihre Räume nehmen können, doch sie blieb hier und nahm sich die erste Schwarte vor, die sie letzte Woche schon fast zu Ende gelesen hatte. Nur zwei Kapitel fehlten noch.

Als sie damit endlich durch war, nahm sie das zweite Buch zur Hand – ein Buch über die Verarbeitung von Zaubertränkezutaten und was eine falsche Handhabung alles zunichte machen konnte.

Beim Lesen vergaß sie völlig die Zeit und sie merkte nicht einmal, dass Snape vor dem Arbeitstisch stand, hinter dem sie saß, während sie sich in das Buch vertieft hatte.

Unerwartet belferte eine tiefe Stimme: „Was denken Sie sich dabei, mich während des Unterrichts zu stören?“
Hermine zuckte zusammen und wich dann auf dem Stuhl zurück, so dass sie ihren Rücken gegen die Lehne presste, denn diese abrupte Störung hatte sie sehr erschrocken. Schnell hatte sie sich wieder fassen können und sie erwiderte: „Ich dachte…“
„Nein, das haben Sie offensichtlich nicht getan! Ich habe Ihnen erörtert, dass unsere Zusammenarbeit erst nach meiner eigentlichen Aufgabe hier in Hogwarts als Lehrer stattfinden würde. Bevor mein Unterricht zu Ende ist…“
„Aber…“
Mit leister Stimme drohte er: „Wagen Sie es nicht, mich noch einmal zu unterbrechen, Miss Granger! Mr. Lupin hätte später noch einmal kommen können. Sie werden mich nie wieder während des Unterrichts aufsuchen, wenn ich Sie nicht persönlich darum bitten sollte, haben wir uns verstanden?“

Hermine hatte keine Angst vor ihm, aber sie fühlte sich ungerecht behandelt, so dass vor lauter Wut ihre Unterlippe zitterte. Sie hätte gern die Umstände erläutert, weshalb sie ihn gestört hatte, aber sie wusste, dass sämtliche Erklärungsversuche bei ihm auf taube Ohren stoßen würden, denn der Grund für die Störung war ihm völlig egal. Bei jeder anderen Person – außer vielleicht bei Sirius – hätte er wohl nicht so wütend reagiert, aber weil es wegen Remus gewesen war, hatte sich sein Zorn ungebremst entfesselt. So kniff Hermine ihre Lippen zusammen und nickte, so dass das Thema vergessen schien, doch für sie war es das nicht. Sie ärgerte sich so sehr über ihren Professor, dass sie in diesem Moment den Entschluss gefasst hatte, ihn entweder mit seinem Irrwicht zu konfrontieren, wenn es heute die Gelegenheit dazu geben würde, oder ihm ihren Trank unterzumischen, der seine Magiefarben zum Leuchten bringen würde. Durch seine grantige Art hatte er unwissentlich Rachegelüste in ihr geweckt.

Sie folgte ihm in sein Privatlabor, bemerkte gleich neben der Tür ihren Farbtrank und steckte eines der kleinen Fläschchen unauffällig in ihre Hosentasche, um für passende Gelegenheiten immer eines bei sich zu tragen.

„Sie brauen heute unter meiner Aufsicht einen Armotentia, Miss Granger!“, befahl er, ohne sie dabei anzusehen.
„Wieso denn einen Liebestrank?“, fragte sie verdutzt.
Ihre Frage schien ihm auf den Geist zu gehen, weswegen er mit den Augen rollte und langsam, als würde er zu einer Erstklässlerin sprechen, erklärte: „Weil die Zubereitung von einem Amortentia äußerst kompliziert ist und ich dadurch erfahren werde, wie behände Sie sind.“

Seine Art und Weise missfiel ihr von Minute zu Minute und immer mehr dachte sie bei sich: ’Mach nur so weiter… Das wirst du mir bezahlen!’

Die Atmosphäre war für heute auf dem Nullpunkt angelangt und das änderte sich auch nicht, während sie den Amortentia braute. Das warme Feuerchen, welches er normalerweise ihr zuliebe im Kamin entzündet hatte, fehlte heute. Für sich selbst hatte er seinen Kamin selten benutzt, aber heute blieb er trotz der Anwesenheit seiner Schülerin, die schon einmal die Kälte in den Kerkern angesprochen hatte, aus.

Der Schrank mit dem Irrwicht stand schon seit Wochen in Snapes privatem Büro. Den Armortentia sollte sie in seinem Privatlabor brauen, welches nur ein Zimmer weiter lag und durch eine Verbindungstür zu erreichen war, auch wenn jeder Raum separat über einen Durchgang zum Flur verfügte.

Sie überlegte angestrengt, wie sie es bewerkstelligen könnte, den Irrwicht ungesehen befreien zu können und zwar so, dass Snape ihm näher sein würde als sie selbst. Sie würde es heute versuchen und sie zerbrach sich den Kopf darüber, wie sie es nur anstellen sollte.

„Gut, Miss Granger, jetzt rühren Sie den Trank für zwanzig Minuten nicht an, sonst ist er unbrauchbar. Lassen Sie ihn auf kleiner Flamme köcheln“, sagte Snape mit eiskalter Stimme.
„Ich brauche für nachher noch eine Vanillestange, aber in Ihren Vorratsschränken habe ich keine gefunden“, sagte sie genauso distanziert wie er.
„In meinem Büro habe ich welche...“
Sie ließ ihn nicht ausreden und sagte bereits: „Accio Vani…“
Hier fuhr er ihr über den Mund und schimpfte: „Sie werden hinübergehen und sie holen! Ich werde es nicht gestatten, dass Sie Zutaten per Aufrufezauber hin und her schweben lassen, Miss Granger, denn Unfälle sind dabei absehbar. Selbst wenn es sich heute nur um eine Vanillestange handelt, so können Sie sich gleich angewöhnen, die von Ihnen benötigten Zutaten auf konventionelle Art und Weise an den Tisch zu bringen!“

Erinnerungen flackerten in ihrem Kopf auf. Verzweifelt suchte sie nach Situationen, in denen er oder sie schon einmal eine Zutat per Aufrufezauber an den Tisch befehligt hatte, aber sie hatten es nie getan – sie hatten sie immer selbst geholt. Trotzdem bestärkte seine grimmige Belehrung sie nur darin, es ihm heute heimzahlen zu wollen.

In seinem Büro entdeckte sie die Vanillestangen in einem Glas in der Vitrine des Schrankes, der sich neben dem des Irrwichts befand, der wiederum gleich neben der Tür stand, die in den Flur hinausführte. Ein teuflisches Grinsen formte sich auf ihrem Gesicht. Sie würde mit wortloser Magie den Schrank des Irrwichts öffnen, dann zurück ins Labor gehen und behaupten, sie hätte die Vanillestangen nicht finden können. Sicherlich würde er ihr in diesem Moment einige Beleidigungen an den Kopf werfen, aber trotzdem würde er sich selbst auf den Weg machen, um die Zutat zu holen. Dann müsste er an dem Irrwicht vorbei und sie könnte die ganze Szenerie von der Labortür aus beobachten. So wollte sie es machen!

Im gleichen Augenblick, als Hermine ihren fragwürdigen Plan ausgetüftelt hatte, verabschiedete einige Kilometer von Hogwarts entfernt Susans Mutter gerade den Heiler, der eben einen Hausbesuch gemacht hatte, während Susan diesen Moment nutzte, um das Gespräch, welches sie mit ihm geführt hatte, in Gedanken zu wiederholen.

„Wie lange hält Ihre Übelkeit schon an, Miss Bones?“, hatte der Heiler gefragt, während er derweil seinen Zauberstab gezückt hatte.
„Schon über eine Woche, aber nie musste ich mich so schlimm übergeben“, hatte sie erwidert.
„Nehmen Sie regelmäßig irgendwelche Heilmittel oder Tränke ein?“
Sie hatte gefühlt, wie die Röte über ihre Wangen gekrochen sein musste, denn ihre Mutter war während der Untersuchung im Zimmer geblieben und so hatte sie in ihrer Anwesenheit wahrheitsgemäß antworten müssen, auch wenn ihre Stimme um einiges dünner geworden war: „Ich nehme jeden Abend einen Verhütungstrank ein.“ Ihr war nicht entgangen, dass ihre Mutter daraufhin ebenfalls errötet war.
„Haben Sie die Tränke hier? Ich würde gern einen Blick drauf werfen“, hatte der Heiler vorhin gesagt, weshalb Susan ihrer Mutter erklärt hatte, wo genau im Badezimmer die Tränke verstaut wären, so dass sie eines der Fläschchen holen konnte. Der Heiler hatte das Fläschchen entgegengenommen und entkorkt, um daran zu riechen. Gleich darauf hatte er das Gesicht verzogen.

Susan konnte ihre Gedanken an die Untersuchung nicht weiterführen, denn ihre Mutter war zurück ins Schlafzimmer gekommen. Sie blickte ihre Tochter an, sagte aber eine ganze Weile nichts, bis sie sich ihr näherte und sich zu ihr aufs Bett setzte. Die Realität hatte sie wieder eingeholt und Susan konnte es nicht vermeiden, dass sich Tränen in ihren Augen sammelten, was ihre Mutter bemerkte.

Mit leiser Stimme fragte ihre Mutter: „Ist es dir überhaupt nicht aufgefallen, dass die Tränke anders geschmeckt haben?“ Susan verneinte wortlos. Ihre Mutter seufzte und ergriff zärtlich ihre Hand.
Diese Geste ließ die erste Träne an ihrer Wange hinunterkullern, als Susan schniefend sagte: „Ich hab’s nicht gemerkt. Ich habe sie die ganze Zeit lang genommen und habe nur gesehen, dass sie langsam zur Neige gehen und ich neue besorgen muss. Mir ist wirklich nicht aufgefallen, dass das Haltbarkeitsdatum abgelaufen war.“

Susans Lippen begannen zu zittern und sie zog die volle Nase hoch, so dass ihre Mutter sich dazu aufgefordert fühlte, ihr ein Taschentuch zu reichen, so dass sie sich die Nase putzen konnte.

Nach einer ganzen Weile sagte ihre Mutter: „Ich bin so froh, dass es rechtzeitig bemerkt worden ist, sonst hättest du dich noch selbst vergiftet, Schatz.“ Sie holte tief Luft, bevor sie offen ansprach: „Ich könnte dir immer noch Verhütungsmittel aus der Muggelwelt besorgen, Liebes. Ich bin da noch krankenversichert und könnte mir ein Medikament für dich verschreiben lassen.“ Sie drückte die Hand ihrer Tochter, bevor sie hinzufügte: „Natürlich erst, nachdem dein Kind geboren wurde.“ Susan begann bitterlich zu weinen. Es war alles ihre Schuld.

Ihre Mutter, von der sie die roten Haare geerbt hatte, nahm ihre Tochter in den Arm und wiegte sie, wie sie es schon gemacht hatte, als sie noch ein Kind gewesen war. Susan konnte sich in Ruhe ausweinen, während sie liebevoll getröstet wurde.

Ganz leise flüsterte ihre Mutter ihr ins Ohr: „Du weißt, dass deine ganze Familie dir helfen wird, mein Schatz, ganz egal, was geschehen wird.“

In diesem Moment hatte Susan das Gefühl, jemand würde ihr Herz zerquetschen, weil sich für den Bruchteil einer Sekunde der Gedanke in ihr breit machte, Draco könnte sie womöglich verlassen, nachdem sie ihn darüber informiert hätte. Die flüsternde Stimme ihrer Mutter verdrängte den Gedanken, als diese sagte: „Wir können nur ganz fest hoffen, dass die schlecht gewordenen Tränke sich nicht auf die Schwangerschaft auswirken, aber ich bin mir sicher, dass alles gut gehen wird.“

In den Kerkern hatte Hermine alles gut durchdacht, aber ihr heimlicher Plan wurde unwissentlich von Snape vereitelt. Sie hatte gerade eben per wortlosen Zauber eine Schublade des Schrankes mit dem Irrwicht einen kleinen Spalt geöffnet und sich schnell umgedreht, um ins Labor zurückzugehen, da hörte sie hinter sich die Tür im Büro, die zum Flur führte, zuschlagen. Snape war unerwartet über den Flur ins Büro gekommen. In einer Hand hielt er eine Ampulle und ein dunkelblaues, bauchiges Fläschchen mit Zutaten, die sie nachher noch benötigen würde. Er hatte sie offenbar aus seinem persönlichen Vorratsraum geholt, aus dem sie damals auch die Baumschlangenhaut entwendet hatte und der vom Flur aus gleich neben der Tür seines Büros lag.

Kaum hatte Hermine sich umgedreht, sah sie auch schon, wie er mit dem Zauberstab die Schublade des Irrwicht-Schrankes schloss, bevor er sich zu ihr umdrehte und gereizt und zischend sagte: „Sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen?“
„Ich habe die Vanillestangen nicht gefunden und…“
„Und da haben Sie geglaubt, ich würde Sie in einem Schrank aufbewahren, in dem ein Irrwicht haust?“ Er schnaufte ungläubig und verachtend, bevor er sie zurechtwies: „Sie müssen den Verstand verloren haben! Haben Sie eine Ahnung, was ein Irrwicht alles anrichten kann, außer die Gestalt der größten Angst eines Menschen anzunehmen? Sie können von Glück reden, dass er keine Zeit gehabt hatte zu entkommen, denn Peeves würde nicht mehr Schaden anrichten können, würde ich ihn hierher einladen. Ich möchte nicht, dass mein Büro durch einen manifestierten Körper – welcher Art auch immer – verwüstet wird, haben Sie mich verstanden!“

Der heutige Tag war von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen, dachte Hermine. Sie bemerkte, dass ihre Wangen warm geworden waren, als sie die Schelte über sich hatte ergehen lassen. Verlegen kniff sie die Lippen zusammen und nickte ihrem Professor reumütig zu, der daraufhin zu seinem Schreibpult hinüberging und Ampulle und Flasche darauf abstellte.

Er atmete einmal tief ein und aus, bevor er sich der Vitrine näherte und das Glas mit den Vanillestangen entnahm, während er schimpfte: „Man kann sie sogar durch die Vitrinentüren hindurch erkennen, aber Sie scheinen momentan mit Blindheit gestraft zu sein!“ Er stolzierte auf die zu und hielt ihr das Glas mit den Vanillestangen vor die Nase, welches sie still entgegennahm. „Tun Sie mir einen Gefallen und holen Sie mir ein Glas Wasser.“

Es war zwar untypisch für Snape, sie um etwas zu trinken zu bitten, doch es war auch seit langer Zeit mal wieder das erste Mal, dass er ihr gegenüber so unausstehlich war. Das Glas Wasser wäre ihre Chance für den Farbtrank, dachte sie. Sie stellte sich vor das kleine Schränkchen, auf welchem ein Tablett mit Gläsern und Flaschen stand. Darauf achtend, dass sie mit ihrem Körper das Glas vor seinem Blick verbogen hielt, ergriff sie die durchsichtige Karaffe mit stets frischem Wasser und füllte es. Mit einer Hand stellte sie die Karaffe wieder ab, während die andere Hand zeitgleich ihren Trank aus der Hosentasche fischte. In null Komma nichts war die kleine Flasche entkorkt und deren Inhalt dem Wasser beigemischt. Es war rein gar nichts zu sehen und schmecken würde man es auch nicht. Die leere Flasche steckte sie wieder in ihre Hosentasche, bevor sie zu Snape an das Schreibpult hinüberging, an dem er eine Liste mit benötigten Zutaten überflog, und ihm das Glas Wasser reichte. Mit einem Nicken dankte er ihr, bevor er das Glas nahm und es in einem Zug leerte.

Wie gebannt starrte sie ihn an, doch bisher tat sich nichts. Bei Ron hatte es fast eine halbe Minute gedauert, bis das Glimmen zu sehen war, doch auch nach einer Minute zeigte der Trank keine Wirkung bei Snape. Hermine befürchtete, die Flüssigkeit könnte womöglich nach zu langer Aufbewahrung seine Wirkung verloren haben. Vielleicht musste man ihn vor jeder Anwendung neu brauen, vermutete sie, als sie plötzlich bemerkte, dass Snapes Atmung schneller wurde. Er machte sich gerade Notizen auf dem Pergament, als er sich mit einer Hand an den Hals fasste.

„Professor? Ist alles in Ordnung?“, fragte sie zaghaft. Sie machte sich ernsthaft Sorgen um ihn. Snape antwortete nicht, sondern er begann plötzlich, schnell und kurzatmig nach Luft zu schnappen. Die Feder ließ er fallen, als er fast panisch beide Hände an den Hals führte, um die Knöpfe seines hochgeschlossenen Gehrocks zu öffnen. Hysterisch riss er an dem Kragen, so dass die Knöpfe sich lösten und zu Boden fielen.

„Professor!“, sagte sie nun viel lauter und eilte um das Pult herum, doch da kippte er bereits vom Stuhl zu Boden. „Oh Gott, ganz ruhig. Bleiben Sie ganz ruhig!“, riet sie ihm, obwohl sie selbst der Panik nahe war.

Er hechelte und lief bereits blau im Gesicht an, was ein sicheres Zeichen dafür war, dass er unter akuter Atemnot litt. Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend malte sie sich aus, dass ihr Trank womöglich „umgekippt“ war und sie ihn mit dem schlechten Gebräu versehentlich vergiftet hatte. Andererseits könnte Snape auch an einer Allergie leiden, weswegen seine Schleimhäute zuschwollen und er keine Luft mehr bekam. Sie musste etwas unternehmen, aber ohne Diagnose konnte sie nicht handeln. So zog sie flugs ihren Zauberstab, der wie wild in ihrer Hand zitterte, um einige Diagnose-Sprüche anzuwenden.

Snape japste nach Luft und sein Körper wurde von einem unkontrollierten Zittern übermannt. Die Diagnose-Sprüche, die sie seit ihrer Ausbildung im Mungos blind beherrschte, brachten überhaupt keine Ergebnisse und erst da geriet sie wirklich in Panik. Könnte sie ihn jetzt trotz ihrer zertifizierten Heilerausbildung nicht retten, wäre sie für seinen Tod verantwortlich!

„Um Himmels Willen, Snape!“, schrie sie, als sein Körper sich aufbäumte und sein Rücken sich bog. Seine Augen hatten sich bereits in den Hinterkopf gedreht und er bekam nur noch wenig Luft. „Accio Bezoar!“, schrie sie aufgebracht, während sie seine Hände daran hinderte, sich weitere Kratzwunden am Hals zuzufügen. Kein Bezoar kam geflogen und so versuchte sie es noch einmal, doch wieder kam das beste Mittel gegen Vergiftungen nicht zu ihr.

„Ein Luftröhrenschnitt“, sagte sie laut zu sich selbst, als wollte sie sich vorgaukeln, jemand anderes würde zu ihr sprechen, um ihr zu sagen, was sie nun tun sollte. Sie versuchte Snapes Hände mit Hilfe ihres Zauberstabes zu fesseln, so dass er nicht seinen Hals bedecken konnte, aber es gelang ihr nicht. Es schien, als wäre sie so aufgeregt, dass sie ihre Zauberkräfte nicht mehr unter Kontrolle hatte, was ihr plötzlich vor Augen hielt, dass sie als Heilerin schlichtweg versagte. Vier Jahre Ausbildung zur Heilerin im St. Mungos waren für die Katz gewesen.

Sie ergriff eine von Snape Händen; er drückte, wahrscheinlich unbewusst oder wegen der Krämpfe, sehr fest zu, während Hermine ihren Stab an ihren eigenen Hals führte und einen persönlichen Sonorus-Zauber sprach, damit ihre Stimme ausschließlich im Krankenflügel zu hören wäre: „Ein Notfall, Poppy! Kommen Sie sofort in Snapes Privatbüro!“

Noch während ihres Hilferufes ließ das Zittern ihres Professors mit einem Male nach und sein gesamter Körper entspannte sich auf beängstigende Weise – auch die Hand, die sie hielt, lockerte nun ihren Griff. Tränen rollten über ihre Wangen, während sie mit einer Hand seine Halsschlagader suchte. Als sie kein Leben mehr in ihm fand, begann sie hysterisch zu weinen und zu wimmern. Das hatte sie nicht gewollt. Die Schuld an seinem Tod zu tragen war für sie unerträglich.

Durch ihr kindisches Verhalten würde sie den Rest ihres Lebens in Askaban verbringen und nicht einmal Harry würde ihr aus dieser Misere heraushelfen können. Sie schlug sich verzweifelt eine Hand vor den Mund, während ihre andere noch immer die erschlaffte Hand von Snape drückte, als wolle sie ihm somit wieder Leben einhauchen, doch dann vernahm sie plötzlich seine Stimme, die leise fragte: „Miss Granger?“ Sie blickte erwartungsvoll nach unten, aber Snape rührte sich nicht und sie fragte sich, ob ihre Sinne ihr einen Streich gespielt haben könnten.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
~ Muggelchen.net ~

Antworten