Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - BEENDET

Hier könnt ihr eure Fanfictions und Gedichte zu Harry und seiner Welt vorstellen.

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Muggelchen
EuleEule
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Beitrag von Muggelchen »

067 Mädchen weich vom Wege nicht




Mitten in der Nacht ließ Harry sich erneut von Wobbel in Ginnys Krankenzimmer bringen, um sie im Schlaf zu beobachten, doch sie erwachte recht schnell, fast so als würde sie seine Anwesenheit spüren. Leise stellte er einen Besucherstuhl an das Bett heran, bevor er sich setzte, ihre Hand ergriff und sie bis über beide Ohren anstrahlte.

„Wenn du keine Ohren hättest, Harry, würde dein Lächeln einmal rundherum um deine Kopf reichen“, flüsterte sie schelmisch grinsend. Gleich darauf verschwand ihr eigenes Lächeln und sie sagte: „Aber nicht, dass du erwischt wirst!“ Sie klang besorgt, doch Harry strahlte sie nur verträumt an.
„Nein, das wird nicht passieren. Da passt Wobbel schon auf mich auf, nicht wahr?“, fragte er seinen Elf, der daraufhin mit großen Augen und noch größerem Grinsen nickte, bevor er wieder Ginnys dicken Bauch bewunderte und sich daran erinnerte, was er alles während seiner Ausbildung als Hauself in dem Fach „Kinderbetreuung“ erlernt hatte. Er konnte gar nicht abwarten, sein Können in die Praxis umzusetzen.

Einen Moment schien Ginny betrübt, doch Harry musste gar nicht nachfragen, weil sie von sich aus sagte: „Es tut mir Leid, dass alles so gekommen ist, Harry. Ich wollte wirklich nicht, dass das passiert, aber im Nachhinein…“
„Nein“, unterbrach Harry, „das muss dir gar nicht Leid tun. Es ist doch alles ganz wunderbar, wie es ist oder nicht?“

Sie fasste sich an den Bauch, bevor sie Harry tief in die Augen blickte. Den Kummer, den er in ihnen ausmachen konnte, küsste er einfach weg. Er wollte nicht, dass sie sich darum sorgte, das Kind von einem anderen Mann zu bekommen, denn das war ihm völlig egal. Es war ihr Kind und er war mit Ginny zusammen, also würde er sich auch um das Kind kümmern und zwar ohne Wenn und Aber.

Wobbel blickte Ginny verzückt an, bevor er leise, aber fröhlich sagte: „Oh, wie sehr ich mich auf das Baby freue!“
Ginny schaute Harry etwas verdutzt an, der daraufhin erklärte mit einem Schmunzeln auf den Lippen: „Na ja, wo ich das Formular ausgefüllt habe, um einen Hauself zu beantragen, da habe ich wohl angekreuzt, dass Kinder im Haushalt vorhanden wären.“
Jetzt lächelte Ginny, obwohl ihre Augen ein wenig feucht wurden, aber nur aufgrund des Glücksgefühls und der Erleichterung und beides sammelte sich gleichermaßen in Freudentränen, bevor sie sagte: „Ach Harry, komm her…“

Sie riss ihn an sich, so dass er beinahe auf sie fiel, doch er konnte sich noch rechtzeitig mit beiden Händen neben ihrem Kopf abstützen.

Nachdem sie ihm mit beiden Händen durch die eh schon wirren Haare gefahren war, sagte sie gerührt: „Wobbel wird mir eine große Erleichterung sein!“ Als sie den Elf betrachtete, der noch immer voller Vorfreude auf ihren Bauch blickte und sich offenbar schon in Gedanken ausmalte, welch lebensfrohe Arbeit auf ihn zukommen würde, fragte sie: „Wobbel? Hast du schon Erfahrung mit Kindern?“
Wobbel machte große Augen, vergaß alles um sich herum und zählte stolz auf: „Ich bin in allem ausgebildet, Miss Weasley. Ich kann Wickeln und Füttern, kleine Babys behutsam waschen und anziehen, mit ihnen spielen oder sie in den Schlaf wiegen, an die frische Luft gehen, für sie singen“, er nickte kräftig, „Krankheiten von ihnen fern halten, ihnen beibringen, aufs Töpfchen zu gehen…“
„Halt, halt, das reicht. Wie ich sehe, kennst du dich wirklich gut aus“, sagte Ginny lachend.

Niemand, nicht einmal Wobbel, weil er so aufgeregt erklärte und erzählte, was man ihm in Sachen Kinderpflege alles beigebracht hatte, bemerkte den schwarzen Schatten, der an der offenen Tür zu Ginnys Krankenzimmer lungerte und sie nach einem kurzen Moment leise wieder schloss.

Am Morgen besuchte Hermine für ein paar Minuten wieder Harry, bevor der zu Snape gehen und sie selbst sich auf den Weg in die Bibliothek in den vierten Stock machen würde. Womit Hermine nicht gerechnet hatte, war, dass sie hier ihren Professor antreffen würde und zwar in einem Gang der Abteilung „Wahrsagen“, den sie gestern auch schon aufgesucht hatte.

„Oh, guten Morgen, Professor Snape. Harry holt gerade Ihren Hund. Ich dachte eigentlich, Sie wären immer da, wenn er kommt.“
Professor Snape schob mit einem schmalen Finger ein Buch zurück ins Regal, bevor er, während sein Blick weiterhin über die Buchtitel schweifte, mit langsam fließender Stimme sagte: „Ihnen auch einen guten Morgen, Miss Granger. Hat Harry Ihnen nie gesagt, dass er freien Zutritt zu meinen Räumen hat? Er hat den Hund schon häufiger während meiner Abwesenheit abgeholt.“ Erst jetzt drehte er sich zu ihr um, aber er bewegte sich nicht vom Fleck.
Mit ihrer vollen Tasche über die Schulter geworfen näherte sie sich ihm, bevor sie etwas skeptisch fragte: „Wollten Sie etwas von mir oder sind Sie nur durch Zufall hier?“
Ihre Frage beantwortete er nicht direkt, indem er sich erkundigte: „Geht es mit Ihrer Recherche voran?“ Sie nickte lediglich, gab ihm aber keinerlei Information, was ihn veranlasste zu sagen: „Gut, dann werde ich Sie nicht länger stören. Miss Weasley dürfte in zwei, drei Tagen entbinden und ich werde Madam Pomfrey bis dahin noch zur Hand gehen. Sie finden mich im Krankenflügel, falls Sie mich suchen sollten.“ Er nickte ihr reserviert zu und ließ sie allein.

Hermine schaute ihm noch eine Weile hinterher, selbst als sie ihn gar nicht mehr sehen konnte. Weswegen sollte sie ihn suchen wollen? Von diesem merkwürdigen Zusammentreffen ließ sie sich jedoch nicht weiter irritieren. Wie gestern machte sie es sich auch heute wieder am Fenster bequem, holte sich die fünf Bücher und blätterte darin herum, las laut oder führte Selbstgespräche.

Wie schon am Vortag hatte sich Severus erneut angeschlichen, um seine Schülerin zu beobachten. Gestern erst hatte er sich selbst nach einem Grund für sein Verhalten gefragt, aber er hatte keinen gefunden, der erklären würde, warum er seine Zeit damit verbrachte, Miss Granger zu observieren. Zum Glück benötigte Poppy seine Hilfe kaum noch, weswegen er auch keinen weiteren Pflichten nachkommen musste. Er war lediglich noch für den Vorrat vom „Trank der lebenden Toten“ verantwortlich, den er für das neue Schuljahr etwas aufstocken sollte, weil Poppy nicht dazu gekommen war. Diesen Trank braute er seit Tagen jeden Morgen und jeden Abend, so dass bereits sein privater Vorrat an Bitterem Beifuß zur Neige gegangen war. So stand er jetzt wieder hier an der gleichen Stelle hinter dem Bücherregal wie gestern schon und betrachtete ihre buschige Mähne von hinten.

Nachdem sie auch wegen ihrer Farben alle fünf Bücher durchgeblättert hatte, wiederholte sie laut für sich: „’Kräftiges Orange: Zuverlässigkeit, Loyalität, Vertrauenswürdigkeit’. Hey, das hätte Snape mal wissen müssen, BEVOR er in meinen Kopf eingedrungen ist!“

Sie seufzte, als sie sich daran erinnerte, wie sehr sie sich in diesem Moment vor Snape gefürchtet hatte, aber sie schüttelte den Gedanken schnell wieder von sich ab und widmete sich ihrer Recherche.

„Was gibt’s noch für Orange? ’Immerwährende Ausführung und Anwendung des Guten’ – klingt doch mal gar nicht so schlecht! ’Guter Wille’ – ja, den hab ich! Orange gefällt mir schon mal sehr gut!“, sagte Hermine lächelnd zu sich selbst.

Wenn sie von anderen Menschen schon keine Bestätigung ihrer Person erhielt, dann gab es immer noch die Bücher. Sie nahm sich das Pergament mit ihren Aufzeichnungen, auf welchem Ron sie als Strichmännchen verewigt hatte und las die Farben, die er zu den schiefen Pfeilen geschrieben hatte.

„So, mal sehen: ’Gelb und Braun oder Goldbraun’. Das hättest du aber besser beobachten müssen, Ron“, schalt sie ihren Freund in Abwesenheit.

Seinen Notizen entnahm sie, dass er selbst sich für die Farbe „Goldbraun“ entschieden hatte, weil es dick unterstrichen war. Sie erinnerte sich auch daran, dass Harry während des Experiments „Goldbraun“ gesagt hatte, so dass sie nur nach dieser Farbe suchte und fündig wurde.

„’Goldbraun: Steht für Arbeitsfreude, Strebsamkeit und Ordnung, außerdem für Lebhaftigkeit.’ Ja, da sehe ich mich auch drin“, murmelte Hermine stolz.

Severus hatte all ihr Gemurmel sehr gut verstehen können und innerlich stimmte er den Bedeutungen ihrer Farben zu. Beim ersten Test hatte er ihre magischen Farben bereits bewundern können. Damals lag es ihm auf der Zunge, aber er hatte es sich verkniffen zu sagen, dass sie wie eine Honigbiene aussehen würde, obwohl das die erste Assoziation gewesen war, die ihm in den Sinn gekommen war. Er hatte jedoch befürchtet, sie könnte sich beleidigt fühlen, weswegen er den Kommentar unterlassen hatte.

Nachdem Miss Granger nach zwei Stunden die fünf Bücher an ihren Platz zurückgebracht hatte, kam sie mit einem einzelnen Buch zurück, doch Severus konnte leider den Titel nicht erkennen, aber er erkannte, dass es sich um dasselbe Buch handelte, in welchem sie bereits gestern stehend im Gang gelesen hatte. Vorhin hatte er es in den Regalen nicht ausfindig machen können, als er nach diesem bestimmten Buch gesucht hatte.

Er ärgerte sich darüber, dass sie still darin las, anstatt laut mit sich zu reden. Er mochte ihre Stimme und hatte sich daher nie drüber beschwert, wenn sie von ihren ganzen Reisen berichtet hatte und den vielen Erfahrungen, die sie währenddessen hatte sammeln können. Doch jetzt sagte sie keinen Mucks und ihm blieb nichts anderes übrig, als auf ihren Kopf zu starren.

’Buschige Haare’, wiederholte er in Gedanken. Sie selbst hatte sie „buschig“ genannt und schien sich daran zu stören, doch er konnte nichts an ihren braunen Haaren aussetzen. Sie waren voll und lang. ’Würde man sie glätten’, dachte Severus, ’würden sie sicherlich bis zum Gesäß reichen.’

Sie langte in ihre Tasche und zog abermals etwas zum Essen heraus, doch dieses Mal war es eine Tüte. Durch das Regal hindurch erkannte Severus, dass es sich um mit Schokolade überzogene Mandelsplitter handelte. Sie war wohl eine kleine Naschkatze, dachte er. Bisher war es ihm nie aufgefallen, dass sie sich gern an Süßem gütlich tat, aber es lag auf der Hand, dass ihr momentan danach war.

Er ließ seine Gedanken schweifen und erinnerte sich daran, wie er sie an seinem Denkarium hatte stehen sehen und wie er sie beschuldigt hatte. Dass sie zu dem Zeitpunkt die Wahrheit hätte sagen können, war ihm gar nicht in den Sinn gekommen, denn kaum jemand in seinem Leben war ihm gegenüber jemals ehrlich und aufrichtig gewesen. Im Nachhinein fragte er sich, warum er sie überhaupt beschuldigt hatte, sich an seinen Erinnerungen vergangen zu haben. Sicherlich war sie neugierig – immerhin hatte sie den Schutzzauber seines Schrankes durchbrochen –, aber warum sollte sie etwas über ihn herausfinden wollen? Er war doch keines ihrer Projekte, für welches sie recherchieren musste. Vielleicht hatte er wirklich nur überreagiert, wie Harry es später in einer ruhigen Minute laut vermutet hatte. Bis heute war es ihm ein Rätsel, dass sie sich trotz dieses Vorfalls weiterhin seine Schülerin nennen wollte, doch er war froh darüber, dass sie seine Entschuldigung angenommen hatte, auch wenn er selbst der Meinung war, dass es mehr als nur eine verbale Entschuldigung benötigt hätte, diesen Vorfall wiedergutzumachen.

Per Zauber ließ Miss Granger das Buch zurück ins Bücherregal schweben und leider konnte er immer noch nicht erkennen, wie der Titel des Buches lautete, in welchem sie eben zwei Stunden fast bewegungslos gelesen hatte. Während sie noch ihre Sachen zusammenpackte, verschwand Severus heimlich und ungesehen aus der Bibliothek.

Hermine besuchte noch vor dem Abendessen Harry und fragte ungeniert: „Hast du heute Abend Zeit?“
„Ähm, ja. Ich wollte eigentlich zu Remus, wegen seiner Tagebücher, aber er hat leider abgesagt. Warum fragst du?“, fragte er etwas skeptisch zurück.
„Na ja, du hattest ja gestern vorgeschlagen, dass wir beide zusammen mal unter die Leute gehen könnten. Ich würde gern, dass du mich heute Abend begleitest“, erklärte seine Freundin.
Er bekam schon Muffensausen allein bei dem Gedanken, dass fremde Menschen ihn um Autogramme bitten würden oder junge Mädchen und reife Frauen sich ihm an den Hals schmeißen könnten, doch trotzdem sagte er nicht sofort ab, sondern fragte zunächst: „Wohin soll es denn gehen?“
Hermine druckste nicht herum, sondern erklärte offen: „Das ist ein Informationsabend von der ’Initiative für die Forderung eines Anti-Diskriminierungsgesetzes für magische und nichtmagische Halbwesen’ und ich darf eine Begleitung mitbringen. Werden nicht viele da sein, falls du dir darüber Sorgen machst.“
Grübelnd murmelte Harry: „Das sagt mir irgendwas…“ Hatte er von denen nicht mal einen Bittbrief erhalten?
„Ja, sicher sagen dir die was. Ich gehe davon aus, dass die dir auch mal eine Eule geschickt haben. Ich hab schon Remus gefragt, ob er mitkommen möchte, aber er hat heute auch leider keine Zeit für mich. Er versucht aber noch nachzukommen. Hat er versprochen!“, sagte Hermine, die innig hoffte, dort nicht allein aufschlagen zu müssen.
Harry seufzte einmal, bevor er zögerlich zusagte, aber gleich noch seine Bedenken äußerte, indem er sagte: „Ja, ich komme mit, aber wenn mir das zu viel werden sollte, dann sei mir nicht böse, wenn ich wieder gehen möchte.“
„Schon gut, Harry. Ich bin froh, dass du mitkommst. Alleine möchte ich da wirklich nicht hin…“, sagte sie innehaltend.
„Wieso? Gibt es da irgendwas, von dem ich wissen sollte?“, fragte er mit großen Augen.
Hermine zuckte einmal gelangweilt mit den Schultern und erwiderte: „Da kommen natürlich auch Tierwesen und andere Geschöpfe. Du weißt schon: Werwölfe, Vampire, Mischlingskinder von Riesen oder Kobolden, aber natürlich nicht nur. Es kommen auch Leute, die die Sache einfach nur finanziell unterstützen, wie ich halt, aber trotzdem – allein würde ich da nicht hin wollen.“

Es blieb ihm keine Zeit, sich großartig Gedanken über den kommenden Abend machen zu können, denn Hermine wollte sofort mit ihm los. Zum Glück war er mit dem Hund heute schon zum letzten Mal draußen gewesen, so dass er zustimmte. Er kleidete sich etwas schicker, aber nicht zu elegant, um nicht ins Auge zu fallen. Sie entschlossen sich, den Ort per Apparation aufzusuchen, so dass sie über das Gelände von Hogwarts bis hin vor die Tore liefen. Während sie bereits die Eingangspforten sehen konnten, fiel beiden eine dunkle Gestalt auf, die etliche Meter vor ihnen ebenfalls zu den Toren ging und bald darauf nicht mehr zu sehen war.

„Sag mal, hast du erkennen können, wer das war?“, fragte Harry seine Freundin.
Sie blickte nochmals genauer hin, aber da die Sonne schon fast untergegangen und die Umgebung um die Tore herum bereits in Schatten gehüllt war, sagte sie aus Spaß: „Also, bei schwarzen Gestalten muss ich immer unweigerlich an Snape denken. Ist komisch oder?“ Sie lachte auf, bevor sie hinzufügte: „Ich hab keine Ahnung, wer das war.“

Nachdem sie das Portal passiert hatten, nahm Hermine ihn an die Hand und übernahm die Apparation, weil sie genau wusste, wo das Treffen dieser Initiative stattfinden würde. Als Harry wieder festen Boden unter den Füßen spürte, wäre er beinahe hingefallen, denn der Weg, auf dem sie gelandet waren, war leicht abschüssig und mit Kieselsteinen bedeckt. Rings ums die beiden herum eröffnete sich ihnen ein dichter dunkler Wald.

„Hier lang“, sagte Hermine und sie nahm Harry an die Hand.

Mit ihm im Schlepptau machte sie sich auf den Weg. Nach nur wenigen Minuten lichtete sich der Wald und Harry blickte auf ein finster aussehendes Schloss, welches einzig über eine Brücke zu erreichen war.

„Das ist nicht dein Ernst oder?“, fragte er etwas verdattert. Das Schloss wirkte nicht sehr einladend und schien einem Gruselfilm entsprungen.
„Harry, glaubst du etwa, die können sich für ihre Versammlung das Convention-Center eines Hotels mieten? Die würde man achtkantig rausschmeißen, sobald die ersten Halbriesen da auftauchen würden“, erklärte Hermine.

Die Schlossbrücke hatten die beiden hinter sich gelassen, während sie sich bereits der riesigen hölzernen, eisenbeschlagenen Tür näherten, die sich wie von Geisterhand öffnete, um beide Gäste einzulassen. Im Eingangsbereich befand sich jedoch niemand, der ihnen die Tür geöffnet hatte, was Hermine zu erklären versuchte: „Hier kommt wahrscheinlich sonst eh keiner her. Wird eine Art Zauber sein, der die Tür jedem öffnet, der sich ihr nähert, aber ich bin sicher, der Gastgeber wurde über unser Kommen informiert.“

Harry blickte sich ein wenig in der Halle um, die spärlich durch Gaslicht an den Wänden erleuchtet war. Auf gruselige Art und Weise war es hier wohnlich, zumindest was das Gebäude an sich betraf. Wände und Boden waren in dunklen Rottönen gehalten und in der Eingangshalle stand ein kleines, elegantes Tischchen mit einem frischen Blumengesteck als Dekoration darauf. Furchteinflößend waren jedoch die Portraits, die dicht an dicht an den Wänden aufgehängt worden waren. Sie zeigten düstere Gestalten, die der Maler verzerrt und fast schon karikaturistisch dargestellt hatte, mit entweder zu rundem Kopf, zu großem Mund oder zu eckigem Kiefer. Eines zeigte einen Scharfrichter mit Kapuze und Axt, ein anderes eine alte dürre, heimtückisch dreinschauende Frau mit weißen, hochgesteckten Haaren, langem Kinn und einer schwarzen Katze auf dem Buckel. Neben ihr auf dem Tischchen standen etliche Flaschen mit Totenköpfen auf den Etiketten, was sie für den Betrachter als Giftmischerin entlarvte. Aber das Gruseligste an allem war, dass auch diese skurril dargestellten Portraits am Leben waren!

Bevor sich Harry in den böse funkelnden Augen der Giftmischerin verlieren konnte, wurden Hermine und er von einer großen schlanken Gestalt mit wehendem Umhang abgelenkt, die sich ihnen näherte. Mit einer besonnenen Stimme, wie Harry sie auch von Severus kannte, sagte der jung aussehende, attraktive Mann: „Guten Abend, meine Dame“, er nahm Hermines Hand und küsste sie, bevor er sich Harry mit einer leichten Verbeugung zuwandte, „mein Herr, ich begrüße Sie beide herzlich zu unserer Versammlung.“

Noch immer hielt der Gastgeber Hermines Hand in seiner, was Harry ein wenig suspekt vorkam, aber anscheinend ließ sie sich davon nicht stören. Im Gegenteil, denn sie schien geradezu verzaubert zu sein. Harry umfasste Hermine an ihrer Taille, so dass dem Gastgeber deutlich werden sollte, dass er die Finger von ihr zu lassen hatte und tatsächlich ließ der Mann endlich von Hermine ab, die ihn noch immer verzückt anlächelte.

„Ich bin Sir Castus Caedes, aber Sie können mich ruhig mit Mister anreden. So viel Wert lege ich nicht auf meinen niedrigen Adelsstand“, sagte Mr. Caedes mit warmer, leiser Stimme.

’Was für ein Angeber’, dachte Harry. Wenn der Kerl schon keinen Wert auf seinen Stammbaum legte, hätte er seine adlige Abstammung auch gar nicht erwähnen brauchen, aber es war für Harry eindeutig, dass der Gastgeber nur Hermine imponieren wollte und die fiel voll drauf rein, so wie sie ihn mit ihren brauen Augen anhimmelte. Für einen kurzen Augenblick erinnerte sich Harry daran, wie Hermine damals in der zweiten Klasse Feuer und Flamme für Lockhart gewesen war, denn den hatte sie ganz genauso verträumt angeschmachtet.

„Folgen Sie mir doch bitte, Miss… ähm?“, fragte Mr. Caedes.
„Miss Granger“, stellte sich Hermine leicht errötend, aber breit lächelnd vor.

Es war für Harry tatsächlich mal etwas Neues, als „der Harry Potter“ so völlig links liegengelassen zu werden, denn Mr. Caedes hatte ihn nicht nach seinem Namen gefragt und gerade das fand Harry einfach nur unhöflich. Bevor Mr. Caedes mit seinen geraden, strahlend weißen Zähnen und seinen schwarzen, vollen Haaren, dem zuckersüßen Lächeln und den dunklen Augen sich über Hermine hermachen konnte, nahm Harry ihren Arm und schlang ihn um den seinen. Sofort verblasste das Lächeln von Mr. Caedes, denn er hatte die Botschaft verstanden.
Er warf Harry für einen kurzen Moment einen drohenden Blick zu, bevor er nun weniger enthusiastisch sagte: „Folgen Sie mir bitte, hier entlang!“

Mr. Caedes führte sie an eine große Flügeltür, hinter der schon Stimmengewirr zu vernehmen war. Hinter der Tür offenbarte sich ein großer Saal und das Erste, was ihnen unter der Gästeschar sofort ins Auge fiel, waren insgesamt fünf Halbriesen.

An Hermine gewandt sagte Harry: „Sag mal, ist das da hinten Hagrid? Zusammen mit Olympe?“

Schmachtend blickte Hermine noch Mr. Caedes hinterher, der sich bereits von ihnen entfernt hatte, bevor sie Harry anschaute und dann seinem Blick folgte.

„Ach du meine Güte, ja! Du hast Recht!“, sagte sie freudestrahlend. Gleich darauf stieß sie Harry mit dem Ellenbogen an, nickte mit ihrem Kopf in eine Richtung und sagte gleich darauf: „Da ist Professor Flitwick, siehst du?“ In der Schule hatte man nie offen drüber gesprochen, aber jeder Schüler schien zu wissen, dass einige von Professor Flitwicks Ahnen Kobolde gewesen sein mussten.

„Oh Gott…“, sagte Harry verstummend, denn schon kam jemand auf ihn zu, den er am heutigen Abend ganz bestimmt nicht treffen wollte – Horace Slughorn.
„Harry, mein lieber Freund!“, sagte der kleine rundliche Mann recht laut, bevor er Harry an sich drückte, als wären sie die dicksten Freunde. „Was für eine Freude, Sie hier zu treffen! Harry, ich möchte Ihnen jemanden vorstellen. Kommen Sie, kommen Sie mit mir!“, waren Slughorns letzte Worte, bevor er Harry entführte und Hermine unbeachtet stehen ließ.

Sie warf Harry noch einen mitleidigen Blick hinterher, während er von dem dicken Ex-Lehrer für Zaubertränke zu einer Gruppe von Gästen geführt und wie ein Schmuckstück den gaffenden Augen präsentiert wurde. Der ganze Saal hatte durch die laute und innige Begrüßung mitbekommen, dass „der Harry Potter“ anwesend war. Offensichtlich war Hermine zur Befriedigung von Slughorns Profilierungssucht nicht geeignet, aber sie blieb nicht lange allein.

Von hinten hauchte ihr jemand ins Ohr: „Oh, arme Miss Granger…“ Als sie sich erschrocken umdrehte, wurde alsbald ihre Hand ergriffen und geküsst.
„Oh, Mr. Caedes, ich…“
Er unterbrach Hermine und bot an: „Nennen Sie mich doch Castus. Ich möchte meinen Vornamen gern aus ihrem Mund hören“, schmeichelte er ihr, während er ihr tief in die Augen blickte. Sie spürte, wie ihr die Röte über das Gesicht kriechen musste, als sie leise seinen Vornamen hauchte und er sie dabei ganz verträumt anlächelte.

„Ja, is’ das nicht uns’re Hermine?“, sagte Hagrid vor Freude strahlend. Kurzerhand hatte er Mr. Caedes unabsichtlich mit seinem massigen Körper abgedrängt, um Hermine herzlich zu begrüßen.
„Hallo Hagrid! Hallo Olympe, lange nicht gesehen“, sagte Hermine freundlich, bevor sie der Halbriesin die Hand gab und darauf hoffte, sie in einem Stück und ohne Quetschungen wiederzubekommen. Nachdem sie die beiden begrüßt und ein wenig mit ihnen geredet hatte, blickte sie sich kurz um, nur um zu bemerkten, dass Castus sich wieder entfernt hatte. Jetzt verweilte er in einer hinteren Ecke des Raumes und beobachtete sie still. Hermine fand es angenehm, auf diese Weise von einem Mann betrachtet zu werden. Es war ein gutes Gefühl, einen Verehrer zu haben.

Am Buffet ereignete sich eine ähnliche Situation wie die mit Hagrid. Voller Frust füllte Hermine gerade ihren Teller hauptsächlich mit Süßspeisen, bevor Castus sich ihr näherte, nur um kurz darauf von dem kleinwüchsigen Filius verscheucht zu werden, der ebenfalls seine ehemalige Schülerin persönlich begrüßen wollte. Er hielt mit ihr solange ein Schwätzchen, bis der Leiter der Initiative, Mr. Bloom, in einen anderen Raum bat, um von einer kleine Bühne aus das Wort an die Gäste richten zu können.

Die zweite Portion Mousse au Chocolate aß sie während der Rede, auch wenn sie so ein Verhalten eigentlich für unhöflich hielt, doch in der letzten Reihe bemerkte sie sowieso kaum jemand. Harry hatte sie zwar begleitet, aber letztendlich war sie nun doch allein hier, denn ihr bester Freund war von Slughorn herumgereicht worden und musste sich momentan vorn in der ersten Reihe zwischen dem Vampir Sanguini und dessen Freund und Begleiter Eldred Worple sitzend von beiden Seiten vollquatschen lassen.

Mr. Blooms Rede brachte für die stets auf dem aktuellsten Stand bleibende Hermine keine Neuigkeiten, so dass sie sich ein wenig geknickt aus der letzten Reihe davonstahl, um sich noch einmal in dem anderen Zimmer am Buffet zu bedienen.

„Hermine?“, hauchte es wieder an ihrem Ohr, doch dieses Mal musste sie sich nicht umdrehen, um zu wissen, dass Castus hinter ihr stand. Sie ließ es zu, als seine Arme sich von hinten um ihre Taille schlängelten und sie genoss seine sinnliche Stimme, die flüsternd und mit einer betörenden Melodie in der Stimme zu ihr sagte: „Das ist also dein Name?“ Er stöhnte wonnig, bevor er wie ein Echo wiederholte: „Hermine… Hermine… Ich wusste, dass der Name mir bekannt vorkommt.“ Er drehte sie langsam in seinen Armen herum und küsste sie keck auf die Stirn, bevor er sie mit seinen Augen hypnotisierte und ihr ins Ohr hauchte: „Das ist der Name, den mir der Wind geflüstert hat, als ich in einer lauen Sommernacht am See gesessen hatte und ich mich fragte, wann mir wohl die Frau meiner Träume über den Weg laufen würde.“

Hermine wusste gar nicht, wie ihr geschah. Seine Worte klangen so einfühlsam und betörend, so dass sie sich nicht einmal wehrte, als er sie aus dem Raum hinausführte und mit ihr einen Stock höher ging, was sie normalerweise niemals zugelassen hätte, denn sie war ihm heute das erste Mal begegnet und hatte nur wenige Worte mit ihm gewechselt. Er öffnete eine Tür und ließ sie herein.

„Es ist stockdunkel hier drin!“, sagte sie mit ein wenig Sorge in der Stimme.
Daraufhin ergriff er leicht ihre Oberarme, drückte sie an seine Brust und entgegnete: „Deine Augen strahlen hell genug, Hermine.“

Irgendetwas stimmte nicht, doch Hermine konnte einfach nicht mit dem Finger drauf deuten. Warum war sie mit einem ihr völlig fremden Mann einfach mitgegangen? Doch das schöne Gefühl, dass endlich jemand Interesse an ihr zeigte und dazu noch ein so eleganter, gutaussehender, wohlerzogener…

„Au! Was… Was war das?“, fragte sie ängstlich. Hermine war der Meinung, eine Art Stich an ihrem Hals verspürt zu haben. Sie führte eine Hand an ihre Kehle und fühlte etwas Warmes. Ihre Atmung beschleunigte sich, denn sie ahnte plötzlich Böses. Hermine wollte Castus von sich stoßen, doch der ließ sie nicht los. „Ich möchte gehen!“, schrie sie, doch ihre Stimme war erschreckend leise. Sie fragte sich, was Castus getan hatte und warum ihr auf einmal so schwindelig war. Sie konnte nicht einmal mehr klar denken.

Castus bedeckte ihr Gesicht mit federleichten Küssen, doch seine Liebkosungen widerten sie an. Schwach zischelte Hermine: „Hören Sie auf! Lassen Sie mich gehen.“ Plötzlich spürte sie seine Lippen erneut an ihrem Hals und mit jedem seiner gierigen Küsse wurde sie schwächer und schwächer. Mit ausgezehrt klingender Stimme flehte sie: „Nicht… nicht… Hören Sie auf…“ Sie versuchte, nach ihrem Zauberstab zu tasten, nur um zu bemerken, dass sie keine Kontrolle mehr über ihre Gliedmaßen besaß.

Ihr war bereits ganz schwummrig und jegliches Zeitgefühl war verschwunden. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie plötzlich Licht vom Flur in den finsteren Raum schien. Ein schwarzer Schatten mit wallendem Umhang stand im Türrahmen und feuerte einen Fluch auf Castus ab. In dem Moment, in welchem Castus getroffen wurde, fiel Hermine wie ein nasser Sack zu Boden, denn sie war viel zu kraftlos, um sich noch allein auf den Beinen halten zu können.

Das Bild vor ihren Augen war verschwommen und alles drehte sich. Sie erkannte die Gestalt nicht, die sich ihr in dem dunklen Raum näherte, aber sie spürte mit einem Male einen Druck an ihrem Hals, gleich so, als wollte jemand sie erwürgen. Hermine geriet in Panik und wollte die Hand an ihrem Hals abwehren, doch ihre flügellahmen Arme gehorchten ihr nicht und fielen plump auf den Boden.

„Das wird schon wieder“, hörte sie eine tiefe brummende Stimme sagen, die sie aus unerfindlichen Gründen beruhigend fand. Da Hermine noch atmen konnte, schien die Hand an ihrem Hals gar nicht zuzudrücken und so gab sie jeglichen Versuch sich zu wehren auf. Mit einem Male fühlte sie etwas Kaltes, Rundes an ihren Lippen und gleich darauf wurde ihr Mund geflutet, so dass sie aus purem Reflex schluckte. Trotz ihrer benebelten Sinne schmeckte sie etwas aus dem Trank heraus. Es war Feuersalamander-Blut, eine hochwirksame Zutat für Heil- und Kräftigungstränke. Sie atmete erleichtert auf, als sie erkannte, dass der Schatten ihr nichts Böses wollte, doch gleich darauf ließ die schemenhafte Gestalt sie allein im Zimmer zurück. Draußen auf dem Flur hörte sie plötzlich einen höllischen Lärm.

Der Leiter Mr. Bloom sowie die Gäste schreckten auf, als sie ein lautes Scheppern hörten. Harry und Filius waren die Ersten, die der Ursache für den Lärm auf den Grund gehen wollten. Hagrid und Olympe folgten sogleich. Mr. Bloom hinderte zunächst alle anderen Gäste, die sich ebenfalls erheben wollten, mit netten Worten daran, den Saal zu verlassen, bevor er selbst den Raum verließ. Im Flur angelangt blickten alle auf die Scherben einer ehemals hüfthohen, blauen Vase, die offensichtlich jemand vom ersten Stock die Treppe hinuntergeworfen haben musste.

„Hermine!“, war das Einzige, was Harry in den Sinn kam, bevor er ohne nachzudenken nach oben rannte.
„Warten Sie doch! Was ist denn nur geschehen?“, fragte Mr. Bloom aufgebracht, doch Harry war bereits oben angelangt und zückte seinen Zauberstab.
„Lumos!“, sagte er, bevor er den dunklen Raum betrat, dessen Tür offen stand. „Gott, HERMINE!“, schrie er aufgebracht, als er ihren bewegungslosen Körper auf dem Boden liegen sah. Etwas weiter hinter ihr lag Mr. Caedes, der augenscheinlich mit einem Petrificus Totalus überwältigt worden war.

Filius drängte sich nach vorn und beugte sich über Hermine, als plötzlich von Mr. Bloom das Licht im Zimmer angemacht wurde und sich alle erschraken, besonders Hagrid. Ein Teil des Schlosses verfügte offenbar über eine Stromversorgung.

„Was ist mir ihr?“, fragte Olympe besorgt, während Filius derweil die nicht ansprechbare und beunruhigend blasse Hermine untersuchte, indem er vorsichtig ein Augenlid öffnete, um ihre Pupillen zu betrachten. Harry kniete sich neben sie und hielt ihre Hand wie er es damals schon gemacht hatte, als sie in der zweiten Klasse versteinert im Krankenflügel gelegen hatte.

Mr. Bloom beäugte in der Zwischenzeit den bewegungslosen Mr. Caedes und als er dessen blutverschmiertes Gesicht sah, hielt er sich vor Schreck eine Hand vor den Mund, bevor er murmelte: „Er hat sie gebissen…“
Von dieser Bemerkung aufgescheucht entfernte der kleinwüchsige Professor für Zauberkunst ein weißes Tuch, welches auf Hermines Hals lag und da erschrak Harry, denn das Tuch hatte eine leicht blutende Bisswunde bedeckt.

Völlig außer sich beteuerte Mr. Bloom, dass so etwas noch niemals geschehen wäre. Er versicherte, sofort Hilfe zu holen und verließ gleich darauf das Zimmer.

„Hermine, kannst du mich hören?“, fragte Harry. Sie reagierte jedoch nur, indem sie ihren Kopf in seine Richtung drehte und versuchte, ihre Augen zu öffnen, was ihr jedoch nicht gelang.

Mit Mr. Worple und Sanguini im Schlepptau kam Mr. Bloom zurück in das Zimmer. Der Vampir-Experte Worple beugte sich über Hermine und betrachtete ihren Hals. Mit den Fingern tastete und drückte er ein wenig um die Bisswunden herum, bevor Sanguini sich zu ihm gesellte und ihm über die Schulter schaute.

Harry hörte, wie Sanguini leise zu Worple sagte: „Sie ist nicht verwandelt, aber er war zu gierig.“ Mr. Worple nickte daraufhin zustimmend und zog derweil zwei Fläschchen aus seiner Jackeninnentasche.
„Moment, was ist das? Was wollen Sie ihr da geben?“, fragte Harry beschützend.

Mr. Worple behielt die Ruhe, so als wäre es für ihn nicht die erste Situation dieser Art. Er erklärte Harry, dass er die Wunde desinfizieren wollte und dass die andere Flasche einen Trank enthalten würde, der für eine schnellere Neubildung des Blutes sorgte. Erst nach Harrys Einverständnis durfte der Vampir-Experte mit der Behandlung fortfahren.

Nachdem Mr. Worple sich um Hermine gekümmert hatte, legte er das weiße und mit Desinfektionslösung benetzte Seidentuch locker um ihren Hals, um die Wunde vor Verschmutzungen zu schützen.

Sanguini stand auf und ging zu dem noch immer bewegungslosen Mr. Caedes hinüber, den er verachtend anblickte. Gleich darauf sagte er für alle im Raum: „Dieser Zwischenfall ist sehr bedauerlich, aber ich versichere Ihnen allen, dass Vampire wie er, die so verantwortungslos und eigennützig handeln, selbst in unseren Kreisen unerwünscht sind.“

Gerade erst kam Hermine langsam wieder zu Bewusstsein, da hörte man von unten einen lauten Knall wie von einer Bombe. Gleich darauf folgten Schreie, so dass Hagrid, Filius, Olympe und Sanguini auf den Flur hinausliefen, um die Ursache der Explosion zu ergründen. Völlig unerwartet hörte man von unten einen der Gäste rufen: „TODESSER!“

Geschockt blickten sich Hagrid und Filius an, während Sanguini, der den Tod nicht zu fürchten hatte, bereits die Treppe hinunterstürmte. Obwohl jeder den warnenden Ruf vernommen hatte, wiederholte Hagrid aufgebracht: „Todesser! Harry, da unten sind Todesser!“ Harry nickte, drückte noch einmal Hermines Hand und erhob sich, um sich mit den anderen ins Getümmel zu stürzen.

Mr. Bloom erweckte Mr. Caedes aus seiner Starre, denn als Vampir wäre er für Todesser ein schwieriger Gegner. Caedes hatte sich zwar die ganze Zeit nicht bewegen können, doch er hatte alles um sich herum bewusst wahrgenommen, so dass er gleich fragend wiederholte: „Unten sind Todesser?“ Nachdem Mr. Bloom genickt hatte, verließen beide die junge Frau, die noch immer auf dem Boden lag und sich unmerklich regte. Von außen verschloss Mr. Bloom die Tür und belegte sie mit zwei starken Schutzzaubern, so dass die angeschlagene Miss Granger keine leichte Beute für Angreifer sein sollte.

„Warten Sie…“, sagte Hermine schwach, doch sie war bereits allein. Nur mit viel Kraftanstrengung war es ihr möglich gewesen, sich aufzusetzen und als sie es endlich fertig gebracht hatte, ihren Oberkörper in eine aufrechte Position zu bringen, fiel ihr das weiße Seidentuch in den Schoß. In ihrem Kopf drehte sich alles und sie fühlte sich ausgelaugt. Geistesabwesend nahm sie das weiße Seidentuch aus ihrem Schoß und drückte es sich an die brennende Stelle am Hals. Als sie Blut auf dem Boden und am Tuch bemerkte, durchfuhr sie ein großer Schreck, weil ihr bewusst wurde, dass es sich ausnahmslos um ihr eigenes Blut handelte. Ganz plötzlich kamen alle Erinnerungen an das zurück, was ihr widerfahren war. Sie war so dumm gewesen, auf die hypnotische Wirkung eines Vampirs hereinzufallen. Sie schalt sich selbst für ihre Einfältigkeit, denn sie wusste doch im Vorfeld, dass auch solche Wesen auf der Versammlung anwesend sein würden, weshalb es doppelt so unverzeihlich war, Mr. Caedes nicht als Vampir erkannt zu haben.

Während sie versuchte, sich an Details zu erinnern, hörte sie von unten laute Rufe und ein furchtbares Getöse wie bei einer Schlacht. Lautstark gingen viele Dinge zu Bruch und einmal hörte sie ein ohrenbetäubendes Klirren, als wäre ein riesiger Kronleuchter auf den Boden gefallen. In Gedanken ging sie nochmals alles durch, was geschehen war, und plötzlich erinnerte sie sich an Hagrids Stimme, die gesagt hatte, es wären Todesser unten.

Hermine wollte blitzschnell aufspringen und zu Hilfe eilen, doch die ersten beiden Versuche missglückten, denn sie torkelte und fiel beim ersten Mal auf die Knie und beim zweiten Versuch auf den Allerwertesten. Es war ein Wunder, dass sie überhaupt schon sitzen konnte, denn so ein Vampirbiss raubte einem nicht nur Blut, sondern auch körperliche und geistige Kraft. Hinzu kam, dass man sich schwerlich an alles erinnern konnte, aber nichtsdestotrotz hatte Hermine im Hinterkopf, dass da jemand gewesen war, der ihr einen Stärkungstrank eingeflösst hatte, doch die Frage, um wen es sich dabei handeln könnte, war nicht zu beantworten. Vielleicht war der Schatten auch nur ihrer Einbildung entsprungen.

Nachdem sie zur Tür gerobbt war, benötigte sie selbst in ihrem geschwächten Zustand nicht sehr lange, um die beiden Schutzzauber zu durchbrechen. Während unten noch immer ein Heidenlärm herrschte, öffnete sie oben langsam die Tür. Die Klinke benutzte sie zudem, um sich daran hochzuziehen, um endlich in eine aufrechte Position zu kommen. Sofort wurde ihr wieder schwindelig, doch sie wollte einfach nicht auf dem faulen Hintern sitzen, während da unten die Menschen gegen Todesser kämpften. Sie hatte immer alles gegeben, um anderen zu helfen, auch wenn sie selbst dafür hatte einstecken müssen.

Das Geschrei war lauter geworden, nachdem sie die Tür geöffnet hatte. Sie hörte die Schritte von durcheinander laufenden Menschen und vernahm das Zischen und Grollen von abgefeuerten oder abgewehrten Flüchen. Mittendrin dröhnte Hagrids tiefe Stimme und sie konnte sich gut vorstellen, denn das hatte sie schon mehrmals erleben dürfen, wie er die Todesser nicht mit seinem Regenschirm, in welchem sein gebrochener Zauberstab eingearbeitet war, angriff, sondern einfach mit seinem gewaltigen Körper auf sie zustürmte und die Feinde – im wahrsten Sinne des Wortes – regelrecht umrannte. Wo Hagrids mülldeckelgroßen Hände hinschlugen, wuchs kein Gras mehr.

Sich mit den Händen am Treppengeländer festhaltend ging Hermine schwankend an einer geschlossenen Tür vorbei und steuerte bereits auf die erste Stufe nach unten zu, als eine zweite Explosion zu hören war. Gleich darauf folgten wieder die Schreie und die verzweifelten Hilferufe von Verletzten, was Hermine an die schlimmen Zeiten erinnerte, als sie mit ihren Freunden gegen Feinde kämpfen musste.

Aufgeregt zog sie ihren Zauberstab und da wurde ihr auf einmal klar, dass sie ihn gar nicht benutzen konnte, denn sie musste sich mit beiden Händen am Geländer festhalten, damit sie das Gleichgewicht nicht verlieren würde.

Plötzlich rannte eine Gestalt in schwarzer Robe und heller Maske im Erdgeschoss durch eine Tür hinaus auf den Flur, blickte nach oben und sah Hermine am Geländer. Hermine holte mit ihrem Stab aus, verlor das Gleichgewicht und ließ ihn fallen, so dass ihr Zauberstab genau vor den Füßen der finster gekleideten Gestalt landete. Sie hörte ein tiefes, schmutziges Lachen von unten, während sie ihre Augen schließen musste, weil der Raum sich zu drehen begann. Auf einmal fühlte sie einen Arm um sich und sie bemerkte, wie ein wortloser Fluch an ihr vorbei nach unten geschleudert wurde, der den Todesser außer Gefecht setzte. Der Körper des Todessers sackte bewusstlos zusammen, während zur gleichen Zeit die Person hinter ihr sie umfasste und nach hinten schleifte. Hermine blinzelte, konnte aber nichts erkennen. Ihr Verstand war diesmal jedoch viel wacher als beim ersten Mal. Sie roch erneut etwas Vertrautes, nämlich den Duft vom „Bitteren Beifuß“ und sie fragte sie, wo sie das schon einmal vernommen hatte.

Wieder spürte sie eine Ampulle an ihren Lippen und gierig trank sie den Stärkungstrank, den der Unbekannte ihr einflösste. Geschwächt bedankte sie sich bei der dunklen Gestalt, die sie gleich darauf allein in der Besenkammer zurückließ und die Tür schloss. Hermine verhielt sich ruhig. Sie lehnte sich an die Wand der kleinen Kammer und wartete ungeduldig und mit einem flauen Gefühl im Magen, bis der Kampf unten vorbei sein würde.
Zuletzt geändert von Muggelchen am 22.01.2011 04:06, insgesamt 2-mal geändert.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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saphira
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Beitrag von saphira »

boah ich liebe diese fanfiction!!! Aber sag mal wie iele word sieten wären das wenn du alles aneinander hängst?!? xDDD
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CharLue
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Beitrag von CharLue »

Mensch, da hatte ich aber viel nachzulesen xD
Ich liebe diese FF auch. Sie ist echt toll! Und sie scheint auch kein Ende zu nehmen ^^
Das finde ich auch toll ;D
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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

Hi saphira,

danke für deine Rückmeldung. Ich freue mich wirklich sehr, dass dir die FF gefällt. Ist da irgendwas bei, was du besonders gelungen findest?
Zu deiner Frage, wie viele Seiten es wären: In Word habe ich bisher 1.333 Seiten fertig (Arial 10). Das mag abschrecken, wenn man aber jetzt schon mit dem Lesen begonnen hat, wohl nicht mehr so :)

Hi CharLue,

oh doch, ein Ende hat die FF auf jeden Fall. Das ist nämlich schon lange fertig. Ich weiß, wo ich hin will und was ich in der Geschichte unterbringen möchte. Mehr FFs wollte ich nie schreiben, aber meistens kommt es anders als man denkt ;) So hab ich z.B. als Dankeschön für alle Leser "Mehr Farbe ins Leben" geschrieben.

Lieben Gruß,
Muggelchen




068 Todesser




Nachdem sich die Tür der Besenkammer geöffnet hatte, hörte Hermine Harrys erleichterte Stimme sagen: „Gott sei dank, Hermine. Wir haben uns solche Sorgen gemacht! Du warst auf einmal nicht mehr in dem Zimmer.“

Hermine konnte endlich wieder klar sehen und sie blickte in die besorgten und teilweise blutverschmierten Gesichter ihrer Vertrauten: Hagrid, Filius, Olympe und Harry. Ihr Körper wollte ihr trotz der beiden Stärkungstränke noch immer nicht ganz gehorchen, so dass sie lediglich mit schwacher Stimme Harry zu sich rufen konnte. Sofort kniete er sich neben seine beste Freundin auf den Boden, die gleich darauf bitterlich zu weinen begann.

Der Schreck, in ihrem Zustand beinahe durch einen Todesser das Leben verloren zu haben, saß ihr tief in den Gliedern und kurz zuvor einem Vampir im wahrsten Sinne des Wortes in die Fänge geraten zu sein, machte die Lage für sie nicht erträglicher. Sie konzentrierte sich auf den Vampir. Caedes hätte sie als Kreatur der Nacht erkennen müssen, wo sie doch genau wusste, dass auch Vampire heute anwesend sein würden. In der dritten Klasse war sie sogar dahinter gekommen, dass Remus ein Werwolf war, aber heute war sie nicht einmal stutzig geworden, als sie die hypnotischen Kräfte von Mr. Caedes am eigenen Leib gespürt hatte, denn sie hatte dieses seltsame Gefühl in sich einfach mit Schmetterlingen im Bauch erklärt.

Das fiese Lachen des Todessers, der sie beinahe das Leben gekostet hatte, klang ihr noch immer in den Ohren und sie versuchte, dieses gemeine Geräusch zu verdrängen; den Gedanken an ihren eigenen Tod zu verdrängen, dem sie um Haaresbreite entkommen war.

Als sie dem Todesser gegenübergestanden hatte, war ihr Leben an ihr vorübergezogen und es war erschreckend kurz gewesen, viel zu kurz und dennoch ereignisreich. Sie fragte sich für einen Moment, was nach dem Fluch des Todessers mit ihr geschehen wäre; was nach dem Tod passieren würde. Schlagartig war sie wieder da, die Angst vor dem Nichts und die Furcht, dem nächsten Abenteuer noch nicht gewachsen zu sein. Nicht zum ersten Mal in ihrem Leben hatte das Schicksal es gut mit ihr gemeint, denn schon früher, im Krieg, hatte es brenzlige Situationen gegeben. Sie würde sich später damit befassen, aber nicht jetzt. Sie wollte sich nicht vor Augen halten, wie viele trauernde Menschen sie zurückgelassen hätte, wäre ihr nicht jemand zu Hilfe geeilt.

Ihr Körper wurde von einem Zittern übermannt, welches sie nicht zu stoppen vermochte. Es schien fast so, als würde sich jeder Muskel in ihrem Leib am Leben erfreuen. Nur nicht an den Tod denken, nahm sich Hermine vor und so fixierte sie ihre Gedanken auf den peinlichen Vorfall mit dem Vampir.

Harry tröstete seine beste Freundin und sagte: „Wir bringen dich und die anderen ins Mungos!“
„Nein“, wimmerte Hermine ein wenig lauter, so dass Harry ihr einen fragenden Blick zuwarf. Leise und schluchzend, so dass nur er es hören konnte, beichtete sie ihm: „Meine ehemaligen Kollegen werden sich über mich totlachen, Harry.“ Ihr Gesicht verzog sich zu einer kummervollen Miene, so dass ihre Worte nur gequält über ihre Lippen kamen: „Ich will das nicht! Ich will nicht ins St. Mungos. Bitte…“ Sie schluchzte, bevor sie selbstironisch schimpfte: „Die ’phänomenale’ Miss Granger… zu naiv, um sich vor einem Vampir in Acht zu nehmen. Ich werde das Gespött im Krankenhaus sein. Harry, das würde ich nicht ertragen!“

Je kräftiger Harry schluckte desto trockener wurde sein Mund und er brachte kein Wort heraus. Er hatte gehofft, solche Momente nie wieder erleben zu müssen. Den Todesser, der bewegungslos unten an der Treppe lag, hatte er gesehen, während er in den ersten Stock geeilt war, um nach Hermine zu sehen. Die Sorge um seine Freundin beförderte ihn in Sekundenschnelle einige Jahre zurück und ließ Erinnerungen an Kämpfe aufkommen, nach denen auch Opfer in den eigenen Reihen zu beklagen waren. Hermines Verhalten kannte er gut. Oft hatte er erlebt, dass seine Freunde das Schlimmste verdrängt hatten und sie sich auf Kleinigkeiten konzentrierten, um so den Schock besser überwinden zu können. So hatte Ron, dessen Knie nach einem Angriff völlig zertrümmert gewesen war, weswegen jeder schon befürchtet hatte, man könnte sein Bein nicht retten, mit leichenblassem Gesicht und entkräfteter Stimme über die Todesser geflucht, weil die seine Hose zerrissen hätten. Momentan verdrängte Hermine das Erlebte auf die gleiche Art.

Zwei gestresste Medi-Magier kamen aufgebracht an die Tür zur Besenkammer und fragten: „Hier auch jemand verletzt? Wir transportieren jetzt ab.“
„Nein, hier ist alles im grünen Bereich“, log Harry.

Filius, Hagrid und Olympe wagten es nicht, Harrys Kommentar zu widersprechen. Die Medi-Magier gingen wieder nach unten und leisteten erste Hilfe bei den anderen Verletzten, während sie zeitgleich alles für die Überführung ins Hospital organisierten.

Filius trat einige Schritte in die Besenkammer hinein. Er brauchte sich nicht einmal zu bücken, klein wie er war, und man konnte ihn gut verstehen, als er suggerierte: „Wir sollten diesen Ort verlassen. Es wäre vielleicht besser, Miss Granger mit nach Hogwarts zu nehmen, Harry.“ Harry nickte und Hermine ahmte geschwächt seine Kopfbewegung nach.
„Kannst du aufstehen?“, fragte Harry fürsorglich, während er bereits behutsam ihre Hand nahm und ihr den anderen Arm um die Schulter legte. Mit seiner Hilfe richtete sie sich auf, aber sie stand auf sehr wackligen Beinen, so dass Hagrid sich kurzerhand anbot, sie zu tragen.

Auf den Stufen, die nach unten führten, trafen sie auf Remus. Als der seine Freunde erkannte, eilte er auf sie zu und erklärte aufgebracht, ohne dabei merklich Luft zu holen: „Bei Merlin, bin ich erleichtert, euch zu sehen! Ich bin nachgekommen. Hab die Todesser draußen schon gesehen, kurz bevor sie angegriffen haben. Konnte noch deren erste Bombe abschwächen, aber sie sind dann ins Schloss eingedrungen und haben drinnen gewütet. Die meisten haben wir geschnappt – insgesamt acht Todesser.“ Als sein Blick auf Hermine fiel, die in Hagrids Armen lag, fragte er voller Sorge: „Oh Hermine, du bist doch nicht etwa schwer verletzt?“ Harry schüttelte den Kopf und sagte Remus, dass sie sie jetzt nach Hogwarts bringen wollten.

Mitten im Getümmel sah Harry etliche Gäste, die verletzt auf dem Boden lagen und von Medi-Magiern versorgt wurden. Die beiden Explosionen – magische Bomben, die von der Verwüstung her genauso schlimm wie Muggelbomben waren – hatten mehr Verletzungen hervorgerufen als die Flüche der Todesser. Harry erkannte Tonks, die gerade dem bewegungslosen Todesser, der unter der Treppe lag, die Maske vom Kopf nahm und damit das Gesicht von Macnair freilegte.

Aus dem Raum, in welchem das Buffet angerichtet gewesen war, kam Alastor heraus auf den Flur und er hatte seinen Blick starr auf Harry gerichtet. Harry wusste, dass Mad-Eye ihn mit seinem magischen Auge schon durch die Wand hindurch gesehen haben musste. Für einen Moment schien es so, als würde Mad-Eye es verdächtig finden, Harry hier anzutreffen. Sein skeptischer Gesichtsausdruck verschwand jedoch sehr schnell, als Harry Hermines Zauberstab vom Boden aufhob, der ihr vorhin über das Geländer gefallen sein musste. Alastor nickte ihm grüßend zu, bevor er sich neben Tonks stellte und sich, so gut es seine Beinprothese erlaubte, zu ihr hinunterbeugte.

Die dunklen Gänge in Hogwarts waren wie ausgestorben. Hagrid steuerte bereits die Treppe in den ersten Stock an, die hinauf zum Krankenflügel führte, da warf Hermine ihre Bedenken ein. Sie wollte nicht zu Madam Pomfrey und auch nicht zu Snape.

„Harry, kann ich nicht bei dir übernachten?“, fragte Hermine mit flehendem Blick. Natürlich konnte er ihr das nicht abschlagen und nickte daher zustimmend, so dass Hagrid sie in seine Zimmer brachte.

„Wenn Sie mich benötigen, Harry, dann bin ich für Sie da. Rufen Sie mich über das Flohnetzwerk, wenn ich Ihnen behilflich sein kann“, sagte Filius entgegenkommend, bevor er sich verabschiedete und Hermine noch eine gute Besserung wünschte. Olympe blieb betroffen an der Tür stehen, als sie ihren Hagrid dabei beobachtete, wie der die angeschlagene Hermine auf das Sofa in Harrys Wohnzimmer ablegte.

„Danke Hagrid“, flüsterte Hermine mit Tränen in den Augen.

Hätte Harry es nicht mit seinen eigenen Augen gesehen, hätte er niemals geglaubt, dass es möglich sein könnte. Die großen plumpen Finger von Hagrid wischten voller Zärtlichkeit die Tränen von Hermines Wangen, bevor er ihr über das buschige Haar strich und ihr zuflüsterte: „Wenn du Hilfe brauchst, dann sind wir beide“, er deutete auf Olympe, „für dich da!“ Dann verabschiedeten sich die beiden von Harry und Hermine.

Jetzt hielt Hermine nichts mehr und sie begann zu heulen wie ein Schlosshund, während sie zwischendurch immer wieder sich selbst schalt und sich dafür rügte, wie dumm sie gewesen wäre, wie peinlich ihr die Situation war und wie unangenehm es war zu wissen, dass ihr ehemaliger Lehrer für Zauberkunst, Professor Flitwick, und auch noch Hagrid und Olympe sie in so einer Lage gesehen hatten. Hermine wollte nur noch, dass sich der Erdboden auftun würde, um sie mit Haut und Haaren zu verschlingen, so dass sie sich niemandem gegenüber jemals wieder zu diesem Vorfall äußern müsste. Dass Hermine bei dem Überfall durch die Todesser ihr Leben hätte verlieren können, kam ihr offenbar gar nicht mehr in den Sinn, was Harry an eine Bemerkung erinnerte, die Ron damals in Bezug auf Hermine hatte fallen lassen, nachdem sie das erste Mal dem dreiköpfigen Hund Fluffy begegnet waren. Da hatte Hermine gesagt, sie hätten alle sterben können oder noch schlimmer, von der Schule verwiesen werden, woraufhin Ron zu Harry gesagt hatte, sie sollte lieber ganz, ganz dringend ihre Prioritäten klären. Schon früher war es ein Schutzmechanismus bei Hermine gewesen, die Dinge, die sie nur schwer verarbeiten konnte, als Nichtigkeit abzuhandeln.

„Ach Hermine, sei lieber froh, dass du am Leben bist. Das kann doch jedem passieren, von einem Vampir hypnoti…“
Hermine unterbrach ihn und schimpfte laut: „Aber nicht mir!“ Sie schluchzte und erklärte gleich darauf: „Ich hatte ein ’O’ für meinen Aufsatz über Vampire bekommen; wie man sie erkennt und sich vor ihnen schützt. MIR passiert so was nicht, Harry!“
Harry lachte auf und sagte, um seine Freundin zu erheitern: „Hermine, du hattest doch immer ein ’O’, egal über was du geschrieben hast.“ Sie ließ sich nur widerwillig von seiner guten Laune anstecken, was sich mit einem nicht sehr überzeugenden Lächeln zeigte.

„Gott, das ist mir so peinlich, das glaubst du gar nicht, Harry. Ich kann doch“, sie schniefte, „niemandem mehr in die Augen schauen, wenn das die Runde macht. Was werden die nur von mir denken?“
„Die werden denken, dass du einen Fehler gemacht hast und sie werden alle erleichtert sein, dass du so glimpflich davongekommen bist. Jeder macht Fehler, Mine. Fehler machen uns menschlich“, sagte er am Ende fast schon philosophierend.
Sie seufzte nochmals, bevor sie mit geschlagener Stimme entgegnete: „Trotzdem ist das so peinlich. Ich wusste doch, was für eine Versammlung das war und was dort für Wesen anwesend sein würden und doch…“
Harry hatte genug und schimpfte aufgebracht: „Verdammt Hermine, du hättest auch sterben können!“

Sie blickte ihn schockiert an und ihre Wangen wurden ein wenig bleicher, weil seine Aussage sie dazu zwang, sich endlich darüber bewusst zu werden, dass sie mit einem Bein schon im Grabe gestanden hatte.

Bei ihrem erschrockenen Anblick seufzte er, bevor er ihre Hand in seine nahm, einmal zudrückte und zuversichtlich sagte: „Jetzt ist es ja vorbei.“ Kurz darauf forderte er: „Zeig mal deinen Hals her.“

Er nahm darauf Rücksicht, dass sie noch nicht bereit dazu war, sich über das Erlebte Gedanken zu machen und lenkte das Thema deswegen wieder absichtlich auf den Biss. Sie streckte willig ihren Hals, so dass Harry den Knoten des Seidentuches lösen konnte und er eine freie Sicht auf die Wunde erhielt. Aus der Nähe hatte er noch nie einen Vampirbiss gesehen und er fragte sich daher, ob die dunkelblaue Färbung und die geschwollenen Hautpartien um die runden Eintrittslöcher herum normal wären.

Die Verfärbung war großflächig und sah sehr bedenklich aus, was Harry veranlasste besorgt vorzuschlagen: „Du solltest das doch lieber von Poppy anschauen lassen. Das sieht irgendwie nicht gut aus, Mine.“
„Das wird schon, ganz sicher. Ich hab ja Stärkungstränke bekommen und…“
Harry unterbrach und sagte: „Nein, Hermine. Worple hat die Wunde nur desinfiziert und dir etwas gegeben, damit sich dein Blut schneller erneuert.“

Plötzlich fielen Hermine die beiden Begegnungen mit dem helfenden Unbekannten ein, so dass sie erschrocken Luft einatmete und ihr ganzer Körper sich vor Schreck verspannte, bevor sie aufgeregt und mit weit aufgerissenen Augen schilderte: „Oh Gott, Harry… da war jemand bei mir! Ich habe nicht viel gesehen, weil ich ziemlich benommen war, nachdem der Vampir mich gebissen hat, aber ich schwöre, da war jemand! Ich glaube, derjenige hat Caedes verhext und mir den Trank gegeben, damit ich bei Sinnen bleibe.“
„Was meinst du mit ’da war jemand’? Du hast jemanden gesehen?“, fragte er erstaunt, weil er sich nicht sicher war, ob Hermine sich das womöglich nur eingebildet haben konnte.

Sie schilderte ihm das erste Erlebnis und dass die schattenhafte Gestalt einmal sogar zu ihr gesprochen hatte, um sie zu beruhigen. Das zweite Mal hätte die Gestalt den Todesser erledigt, der unter an der Treppe gestanden hatte, bevor er sie in die Besenkammer gezogen und ihr einen zweiten Stärkungstrank gegeben hatte.

„Es roch nach Bitterem Beifuß, Harry. Das habe ich mir nicht eingebildet!“, versicherte sie.

Eins und eins konnte Harry durchaus zusammenzählen und das Ergebnis war für ihn Severus, was er Hermine nicht sagen musste, wenn sie genauso darüber denken würde, doch sie äußerte keine Vermutung, wer in ihren Augen der Fremde gewesen sein konnte. Womöglich konnte sie momentan nicht mehr klar denken. Harry fragte sich jedoch, was Severus überhaupt auf so einer Veranstaltung zu suchen hatte.

Er strich Hermine über das Haar, bevor er sagte: „Schlaf jetzt ein wenig, Hermine. Ich werde mal in Büchern nachschauen, was man alles bei einem Vampirbiss beachten muss und vielleicht werde ich Mr. Worple kontaktieren, falls der noch einen Ratschlag hat.“

Sie war so mitgenommen, dass der Schlaf sie schnell übermannte und sie vot der Reizüberflutung in ihrem Kopf bewahrte. Harry rief Wobbel zu sich und trug ihm auf, über Hermine zu wachen und ihm sofort Bescheid zu geben, falls sich ihr Zustand verschlechtern sollte. Dann machte er sich auf den Weg zu Severus, weil er ahnte, dass der längst von Hermines Zustand wusste.

Es war bereits kurz vor ein Uhr nachts, als Harry die Kerker ansteuerte. Noch bevor er Salazar erreicht hatte, hörte er Schritte hinter sich, so dass er sich umdrehte.

In dem dunklen Gang kam Severus mit wehendem Umhang auf ihn zu und als der ihn fragend anblickte, konnte Harry es sich nicht verkneifen, provozierend zu fragen: „Wo kommen Sie denn jetzt her?“
Nur einen Moment stockte Severus, bevor er mit sicherer Stimme antwortete: „Vom Astronomieturm natürlich!“
Harry glaubte ihm nicht und fragte eher scherzend: „Und? Jemanden erwischt?“
Die einzige Antwort war eine hochgezogene Augenbraue, bevor Severus fragte: „Was führt Sie zu so später Stunde zu mir?“
Beiläufig klingend erklärte er: „Ich war mit Hermine heute auf so einer Versammlung. Es gab einen kleinen Vorfall…“

Er war sich so sicher, dass sein Kollege darüber längst im Bilde war.

Severus ließ sich von Salazar die Tür öffnen, bevor er Harry hineinbat und ihm einen Schluck Whiskey anbot, den er jedoch ablehnte. Stattdessen schilderte Harry, der sich derweil auf das Sofa gesetzt hatte: „Auf dieser Versammlung waren jede Menge Tierwesen und Halbmenschen anwesend. Ein gefundenes Fressen für Todesser.“ Hier schaute ihn Severus mit zusammengezogenen Augenbrauen an, doch ohne auf einen Kommentar zu warten, schilderte Harry: „Die haben diese Versammlung gleich genutzt, um ein wenig Chaos zu stiften.“
„Wie bitte? Todesser haben die Versammlung gestört?“, fragte Severus verdutzt klingend.
Harry nickte, doch er verbesserte: „Vielleicht ist ’gestört’ nicht ganz das richtige Wort. Das war ein brutaler Überfall. Einige Todesser wurden überwältigt, aber nicht alle. Zum Glück ist Remus noch rechtzeitig auf der Bildfläche aufgetaucht, nachdem er bei Hermine für heute Abend ja erst abgesagt hatte. Er hatte das Schlimmste bei der ersten Attacke verhindern können und dann hat er Tonks mit einem Patronus zu Hilfe gerufen. In null Komma nichts waren dreißig Auroren da und haben für Ordnung gesorgt.“
Severus hatte sich selbst ein Glas Feuerwhiskey eingeschenkt und fragte neugierig: „Haben Sie sehen können, wer sich unter den Todessern befand, denen man habhaft werden konnte?“
„Ich habe nur Macnair gesehen. Keine Ahnung, wer die anderen waren, die man festgenommen hatte, aber vielleicht kann ich das über Remus erfahren. Tonks wird ihm das bestimmt verraten, meinen Sie nicht?“, antwortete Harry.

Nachdem Severus die Information hatte sacken lassen, fragte er: „Ich hoffe, es wurden nicht viele Menschen verletzt?“
Nach einem Kopfschütteln sagte Harry: „Zwölf Verwundete sind sofort ins Mungos gebracht worden. Es gab nur einen Toten.“ Nach einer kleinen Sprechpause fügte er hinzu: „Mr. Caedes wurde bei der zweiten Explosion von einem abgesplitterten Stück Holz getroffen. Er war fast tot und hat sich nur noch gequält. Sanguini hat“, Harry atmete einmal tief durch, „etwas nachgeholfen.“
„Sanguini ist ein Vampir, richtig? Ich glaube, Professor Slughorn hatte ihn etliche Male erwähnt…“, sagte Severus innehaltend, weil er das Gespräch mit Harry nicht auf andere Themen lenken wollte. Er nahm einen weiteren Schluck von seinem Whiskey, bevor er fragte: „Warum sagen Sie, Sanguini hätte ’nachgeholfen’? Was ist denn mit diesem Mr….“
Harry half ihm auf die Sprünge und nannte nochmals den Namen: „Caedes!“
„Richtig, was ist denn mit Mr. Caedes geschehen?“, fragte Severus.
„Na ja, Mr. Caedes, müssen Sie wissen, war auch ein Vampir. Er hat sich auf dieser Veranstaltung ziemlich daneben benommen. Ich glaube, er war Sanguini schon länger ein Dorn im Auge. Niemand außer Mr. Worple und mir hat gesehen, wie Sanguini das Stück Holz mit seinem Fuß noch tiefer in Caedes’ Herz getrieben hat. Er ist auf der Stelle gestorben. Er war der Einzige, der heute Abend den Tod gefunden hatte, wenn man das bei einem Vampir überhaupt so sagen kann.“

Severus schenkte sich bereits ein zweites Glas ein, während Harry ihn still beobachtete. Ihm war aufgefallen, dass sein älterer Kollege Blickkontakt vermied.

Nach einer Weile sagte Severus sehr selbstsicher: „Klingt, als hätte Sanguini eine Rechnung mit Mr. Caedes offen gehabt.“
Ungläubig schnaufte Harry, denn er war sich so sicher, dass Severus heute Abend selbst an Ort und Stelle gewesen war, weshalb es seinen Verdacht prüfen wollte. So sagte er, um Severus’ Reaktion abzuwarten: „Möglich, aber vielleicht war Sanguini auch nur ungehalten darüber, dass Mr. Caedes Hermine gebissen hat!“
„Wie bitte? Miss Granger ist von einem Vampir gebissen worden? Wie geht es ihr? Ist sie im Mungos?“, fragte Severus sofort nach.
Harry vermisste ein wenig die Schocksekunde, die er erwartet hatte, so dass er beiläufig erwähnte: „Ach, ich ging davon aus, Sie würden das längst wissen, weil Sie ihr doch zwei Stärkungstränke verabreicht hatten.“

Es war von Harry beabsichtigt, es wie eine Tatsache klingen zu lassen und dieses Mal zeigte Severus die erhoffte Reaktion, denn er hätte beinahe sein Glas fallen lassen.

Jetzt hatte Harry ihn in die Enge getrieben, denn diese Reaktion konnte Severus nicht mehr wettmachen. Es schien, als würde sein Kollege befürchten, ausgefragt zu werden, doch Harry blieb völlig gelassen und beobachtete Severus, der um einige Worte verlegen war. Er gab ihm reichlich Zeit, falls Severus aus eigenem Antrieb etwas beichten wollte, doch der schwieg. Es war eindeutig, dass Severus sich ertappt fühlte, denn er blickte mehrmals verlegen zu Harry hinüber, dann auf den Boden und wieder zu Harry, bevor er seufzte.

„Warum spionieren Sie ihr nach?“, fragte Harry freiheraus.
„Ich habe niemandem nachspioniert!“, rechtfertigte sich Severus, der das letzte Wort mit Abscheu aussprach. Harry ließ bewusst beide Augenbrauen in die Höhe wandern, während er Severus eindringlich anschaute, so dass der sich genötigt fühlte zu erklären: „Es geht Sie zwar überhaupt nichts an, Harry, aber ich hatte heute dort eine Verabredung!“
„Mit wem?“, fragte Harry kurz und knapp.
„Mit Mr. Caedes“, entgegnete Severus.
„Warum?“, fragte Harry erneut, während er bemerkte, wie Severus sich über sein dreistes Benehmen zu ärgern schien.
„Weil er ein Vampir ist…“

Severus beendete den Satz nicht, doch Harry blieb stur und ließ nicht locker.

„Sie hatten eine Verabredung mit Mr. Caedes, weil er ein Vampir ist?“, gab Harry kombiniert und skeptisch klingend wider. Das „Warum“ hatte Severus nicht genügend erklärt, weshalb Harry unerbittlich stocherte: „Warum hatten Sie eine Verabredung mit ihm?“
„Es geht Sie überhaupt nichts…“
„Es geht mich sehr wohl etwas an, wenn Hermine von einem Vampir gebissen wurde und kurz darauf Todesser die Versammlung stürmen!“, stellte Harry mit Bestimmtheit klar. Mit sehr viel ruhiger Stimme fügte er hinzu: „Ich bin nicht hier, um über Sie zu urteilen. Ich möchte nur Ihre Geschichte zum heutigen Abend hören.“

Severus seufzte. Seine Lippen schürzten sich und er dachte nach, bevor er sich erhob und zu einem Schrank hinüberging. Aus einer Schublade entnahm er etwas, das wie eine Zeitung aussah. Nachdem er sich Harry wieder genähert hatte, hielt er ihm einen an einer bestimmten Seite gefalteten Tagespropheten unter die Nase.

Eine Anzeige, die Severus mit roter Tinte markiert hatte, las Harry laut vor: „’Desmodus rotundus’ zu Testzwecken gesucht; gute Entlohnung; Kontakt unter Chiffre…“ Harry hörte Mitte im Satz auf zu lesen und blickte verdutzt zu Severus hinüber, bevor er die Frage stellte: „Was soll das?“ Seine Frage untermalend winkte er zwei-, dreimal mit der Zeitung in seiner Hand.
Erläuternd erwiderte Severus: „’Desmodus rotundus’ ist die lateinische Bezeichnung für den ’gemeinen Vampir’ – für die Fledermausgattung. Jedem Vampir, der meine Anzeige gelesen hat, musste klar gewesen sein, dass ich keine Fledermaus suche.“
„Was sind das denn bitte für ’Testzwecke’ und warum die Heimlichtuerei in der Anzeige?“, wollte Harry wissen.
Mit schmieriger Stimme erklärte Severus: „Glauben Sie denn, es sei legal, neue Tränke an Vampiren zu testen? Ich könnte dafür nach Askaban…“
Harry ließ ihn nicht ausreden und fragte: „Von was für einen Trank sprechen wir hier?“
„Sie, Harry, als Genie in Zaubertränken“, Harry verzog beleidigt das Gesicht, „sollten zumindest erahnen können, dass ich an einem Trank arbeite, der Vampiren zugute kommen könnte.“ Bevor Harry nochmals frage konnte, erläuterte Severus: „Es gibt keine Heilung, aber man könnte den Blutdurst mäßigen. Gerade für, sagen wir, ’unersättliche Gesellen’, wie Mr. Caedes einer gewesen war, wäre so ein Trank gewiss eine Erleichterung. Er hatte sich bei mir gemeldet und sich bereit erklärt, den Trank zu testen.“

Severus seufzte erneut, nahm einen Schluck Alkohol und versicherte, während er derweil den Whiskey schwenkte: „Mir war ja nicht einmal bekannt, dass Sie auch auf der Veranstaltung sein würden. Dass Miss Granger anwesend sein könnte, hatte ich selbstverständlich in Erwägung gezogen, so oft wie sie von dieser Initiative gesprochen hatte. Es war nicht meine Schuld gewesen, dass Mr. Caedes unsere Verabredung nicht eingehalten hatte und er heute Abend seinen Durst nicht unter Kontrolle bringen konnte. Die Situation eskalierte, wie Sie wissen. Es war reiner Zufall gewesen, als ich ihn endlich gefunden hatte und Miss Granger…“
„Warum haben Sie sich ihr nicht zu erkennen gegeben?“, unterbrach Harry.
Rechtfertigend antwortete Severus: „Ihre Sinne waren von dem Biss benebelt! Ich habe mich nicht vor ihr verborgen gehalten, aber sie hat mich einfach nicht erkannt.“
„Und warum haben Sie sich nicht später noch uns allen gezeigt?“, wollte Harry wissen.
„Oh ja, sicher! Glänzende Idee, Harry!“, konterte Severus spöttisch. „Wie hätte es wohl ausgesehen, wenn ich, ein ehemaliger Todesser, während eines Angriffs von anderen Todessern ’ganz zufällig’ auf der Bildfläche auftauche?“, fragte Severus mit provozierendem Unterton, doch Harry blieb gelassen. Er wollte sich Severus’ Version des Abends anhören und sich nicht herausfordern lassen. Unmerklich schüttelte Severus den Kopf, bevor er noch sagte: „Ich mag einen Merlin bekommen haben, aber ich bin nicht so dumm zu glauben, dass jeder mich als resozialisiert betrachtet. Moody hätte mich sofort niedergestreckt, hätte er mich dort gesehen.“

Eine ganze Weile dachte Harry nach, bevor er zusammenfassend wiedergab: „Sie haben sich also mit Mr. Caedes dort wegen Ihres Trankes getroffen. Alles andere – sein Übergriff auf Hermine und die Todesser-Attacke – das war reiner Zufall.“
Severus nickte und seufzte erneut.

Harry machte es ihm gleich und seufzte ebenfalls. Er wusste, dass Severus ihm die Wahrheit gesagt hatte. Weiter wollte er nicht darauf eingehen, weswegen er offenbarte: „Ich bin eigentlich hier, um Sie wegen Hermine um Hilfe zu bitten. Muss ich noch irgendwas beachten? Ich habe keine Ahnung, wie man mit einem Vampirbiss umgeht. Ihre Wunde sieht ziemlich übel aus. Ich dachte, Sie könnten sie sich vielleicht mal ansehen?“
Severus war sichtlich erleichtert, dass das Thema endlich gewechselt wurde, doch zu seinem Erstaunen antwortete Severus: „Miss Granger sollte ins Mungos gehen.“
„Nein, das möchte sie nicht“, entgegnete Harry wie aus der Pistole geschossen.
„Dann zu Poppy…“, doch auch hier wurde Severus von Harry unterbrochen.
„Hermine will gar nicht, dass überhaupt irgendjemand darüber Bescheid weiß. Sie weiß nicht einmal, dass ich jetzt hier bei Ihnen bin. Es ist ihr schon peinlich genug, dass Filius, Hagrid und Olympe miterlebt haben, was passiert ist. Aber ich mach mir Sorgen um den Biss. Der sieht…“, Harry suchte nach medizinischen Fachausdrücken, fand jedoch keine und fuhr fort, „…wirklich gefährlich aus. Hermine schläft jetzt. Sie könnten doch einfach mal einen Blick drauf werfen, Severus?“

Nachdem Severus wortlos zugestimmt hatte, verschwand er kurz in seinem privaten Labor, um einige Dinge zu holen, bevor er Harry folgte.

Hermine schlief fest auf der Couch und Wobbel wandte nicht einmal seinen Blick von ihrer schlafenden Figur ab, nachdem Harry wieder das Zimmer betreten hatte. Erst nachdem Harry sich flüsternd bei Wobbel bedankt hatte, verschwand der mit einem Fingerschnippen.

Leise stellte Severus drei Fläschchen und eine kleine Dose auf den Couchtisch, bevor sich vorsichtig neben Hermine auf die Couch setzte. Mit federleichten Berührungen legte Harry die Wunde frei, indem er das Tuch mit viel Fingerspitzengefühl entfernte, damit Severus einen Blick drauf werfen konnte. Harry beobachtete Severus, der beim Anblick der Wunde angewidert sein Gesicht verzog.

Vorsichtig führte Severus einen Zeigefinger unter eine der stichartig aussehenden Wunden und drückte zaghaft. Es quoll etwas dunkles Blut hervor und gleich darauf floss frisches, was Severus dazu veranlasste, seine Lippen fest zusammenzupressen, bevor er die kleine Dose vom Tisch nahm und sie öffnete. Die Dose beinhaltete ein gelbes Pulver, welches Severus mit einem kleinen, metallenen, flachen Gegenstand entnahm und Prise für Prise mit klopfenden Bewegungen seines Zeigefingers über der Bisswunde verteilte. In diesem Moment drehte Hermine ihren Kopf und sie schien etwas von dem Pulver eingeatmet zu haben, so dass sie laut niesend erwachte.

Mit großen Augen blickte sie ihren Professor an, bevor ihr endlich klar wurde, dass es kein Traum war und er tatsächlich bei ihr auf der Couch saß. Sie schluckte und blickte dann verlegen an ihm vorbei, bevor sie leise hauchte: „Danke.“ Severus wusste nicht, wie er reagieren sollte, also reagierte er gar nicht.
Um Hermine etwas aufzuheitern, fragte Harry: „Soll ich Ron übers Flohnetz rufen? Der würde bestimmt noch vorbeikommen, Hermine.“ Harry war sich sicher, dass Ron alles stehen und liegen lassen würde, um Hermine beizustehen. Das hatte Ron immer getan – für Hermine und für ihn.

Sie nickte, denn Ron würde ihr jetzt wirklich wohltun. Sie vermisste ihn, die Umarmungen und seine tröstenden Worte, die er in solchen Situationen immer parat hatte und die ihr so gut taten. Harry ging hinüber zum Kamin und verband sich mit der noch gemeinsamen Wohnung von Ron und Hermine.

Severus nutzte die Gelegenheit, um sachlich mit seiner ruhigen leisen Stimme zu erklären: „Das Pulver wird die Wirkung des Vampirspeichels aufheben, der die Wunden daran hindert, sich wieder verschließen zu können. Morgen früh sollten Sie es noch einmal anwenden.“ Er war sich sicher, dass Miss Granger all dies seit ihrer dritten Klasse in- und auswendig wissen musste, doch er wollte nicht einfach wortlos neben ihr sitzen und sie anschweigen. Miss Granger war offenbar froh darüber, dass seine Stimme die ansonsten peinliche Stille durchbrach, auch wenn er sie währenddessen nicht ansah, sondern verlegen die Fläschchen auf dem Tisch umherschob. „Ich habe einen Stärkungstrank und zwei blutbildende Tränke mitgebracht.“

Während Professor Snape mit ihr oder besser in den Raum hinein über die Tränke redete, hörte sie, wie Harry per Kamin Kontakt zu Ron aufnehmen wollte, doch es meldete sich eine Frauenstimme. Eine verschlafene Angelina fragte muffelig: „Hey, Harry. Ein bisschen spät, findest du nicht?“

Als Hermine ihre Stimme vernahm, drehte sich ihr der Magen um. Noch viel schlimmer war, dass ihr Professor ebenfalls Zeuge dessen wurde, wie Harry anstelle von Ron nun eine andere Frau am Kamin hatte. Sie schämte sich in Grund und Boden. Sie fühlte sich verletzt und ungeliebt, alleingelassen und verraten, selbst wenn es Rons gutes Recht war, sich mit einer anderen Frau zu treffen.

„Ist schon gut, Harry. Ron muss nicht…“, sagte Hermine, die die letzten Worte wegen eines Schluchzers verschluckte.
Völlig unbewegt von der Situation und mit gefühlskalter Stimme, was Hermine fast noch mehr verletzte als Angelinas Stimme zu hören, sagte Professor Snape: „Einen von den beiden Tränken für die Neubildung des Blutes nehmen Sie heute noch, die anderen beiden Flaschen morgen. Dann sollte es Ihnen wieder wesentlich besser gehen.“

Für die späte Störung entschuldigte Harry sich bei seiner ehemaligen Schulkameradin und verabschiedete sich. Auch bei ihm hatte sich ein Kloß im Hals gebildet, denn er ahnte, wie schmerzlich diese Situation für Hermine sein musste.

Severus kam nicht dazu, noch etwas sagen zu können, denn seine Schülerin griff nach dem Kissen unter ihrem Kopf, um es sich gleich im Anschluss auf das Gesicht zu pressen. Harry vermutete, sie würde dort leise hineinweinen, doch Severus schien dieser Gedanke nicht zu kommen. Er schien über ihr Verhalten verwirrt und fragte daher unsicher, aber hilfsbereit: „Miss Granger? Kann ich Ihnen irgendwie… behilflich sein?“

An ihren jetzigen Geräuschen, dachte Harry, müsste selbst Severus erkennen, dass sie bitterlich weinte, was den armen Mann völlig zu verschrecken schien. Unter dem Kissen hervor wimmerte es mit hoher Stimme: „Ich will ein Eis haben!“ Gleich darauf wurde ihr ganzer Körper geschüttelt und sie ließ ihren durch das Kissen unerkannten Tränen nun freien Lauf.

Severus erhob sich abrupt von dem Sofa und blickte Harry hilfesuchend an, während er mit einer Geste seiner Hände seine Ratlosigkeit untermauerte.

„Schon gut, Severus. Ich kümmere mich drum. Danke, dass Sie gekommen sind.“ Mit einem kurzen Nicken verabschiedete sich Severus ihm, bevor er nochmals unschlüssig zu Hermine hinunterblickte und im Anschluss ein wenig verwirrt das Zimmer verließ.

Nachdem Severus gegangen war, dauerte es gar nicht lange und da knisterte das Feuer im Kamin, bevor man Rons Stimme hörte: „Harry? Ist alles okay? Wo bist du?“
„Hier Ron!“, sagte Harry, der an den Kamin rannte, um den Ruf entgegenzunehmen.
„Was ist los, Harry? Angelina hat mich geweckt und gesagt, dass du hast mich eben erreichen wolltest. Soll ich vorbei kommen? Mach Platz, ich komm vorbei!“, sagte Ron, der keine Antwort abwartete und einfach zu Harry ins Wohnzimmer kam.
Ron ergriff Harrys Oberarme dicht bei den Schultern und musterte seinen Freund besorgt von oben bis unten, bevor er fragte: „Was ist los, Kumpel?“

Harry nickte hinüber zur Couch, wo Hermine sich noch immer das Kissen vors Gesicht hielt und weinte. Langsam näherte sich Ron ihr und kniete sich mit besorgter Miene neben sie. Eine Ecke des Kissens ergreifend zog er es zaghaft weg. Sie hatte ihn nicht kommen hören, doch sie war froh, so plötzlich sein Gesicht zu sehen, so dass sie sich gleich aufraffte, um sich ihm an den Hals zu werfen. Tröstend strich Ron mit der flachen Hand und Kreisbewegungen über den Rücken, während seine andere Hand ihren Kopf kraulte.

„Minchen, was ist denn nur passiert?“ Er drückte sie leicht von sich weg, damit er sie ansehen konnte und erst da sah er die Bisswunde unter dem weißen Seidentuch hervorblitzen. „Bei Merlin, wie ist denn das passiert? Ist Snape etwa doch ein Vampir?“, fragte Ron mit großen Augen. Noch immer rannen Tränen über ihre Wangen, doch über seine Bemerkung musste Hermine tatsächlich lachen, denn diese Vermutung Snape betreffend hatte wohl jeder Schüler in Hogwarts schon einmal gehabt.

An ihrer statt erzählte Harry von dem Vampir und dem Todesser-Angriff, während Hermine einwarf, dass ihr jemand das Leben gerettet hätte. Harry erzählte nichts von dem, was Severus ihm offenbart hatte, um besonders Hermine nicht noch mehr aufzuregen.

Alle drei waren über das Geschehene so aufgebracht, dass an Schlaf kaum zu denken war. Abwechselnd erzählten Harry und Hermine ihrem besten Freund alles, was am heutigen Abend passiert war, doch Hermine war wegen ihres körperlich geschwächten Zustands nach einer Stunde bereits so müde geworden, dass sie die Augen nicht mehr aufhalten konnte.

Sie schlief bereits selig, während Ron und Harry sich noch immer angeregt über die Gefahr der noch frei umherlaufenden Todesser unterhielten, aber ihretwegen hatten sie die Lautstärke gedrosselt. Letztendlich verabschiedete sich Ron, um zu Angelina zurückzukehren und Harry bat Wobbel darum, während der Nacht ab und an ein Auge auf Hermine zu werfen.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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Beitrag von CharLue »

Wenn ich die Zeit dazu finde, dann werde ich mir mal die Geschichte anschauen. So wie du schreibst, kann sie ja nur gut sein! (:
1.333 Seiten! Wow, bist du verrückt?! Das ist ja hammermäßig! *staun*
So viel könnte ich nie schreiben.

Ich freue mich auf den nächsten Teil. Hoffentlich geht's Hermine bald wieder besser...
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Beitrag von Muggelchen »

Hi CharLue,

du wirst meine anderen Oneshots ganz sicher nicht bereuen :)
1.333 Seiten - ja, ist viel. Ich schreibe ja nicht erst seit gestern ;) Eigentlich wollte ich nur meinem Freund eine auswischen. Seine FF "Harry Potter und der Orden der Macht" war mir viel zu bitter, deswegen wollte ich ihm diese FF als Fluff-Antwort schicken. Er hat sie aber veröffentlicht und meinte, ich soll jetzt mal "anständig" schreiben. Man merkt evtl. vom Stil her, dass ca. nach Kap. 15 die FF den Kurs wechselt. Ich sag daher gern, man kann den Anfang als Art "Vorwort" sehen - eine Erklärung, was die Charaktere machen und wie sie "drauf" sind.

Lieben Gruß,
Muggelchen




069 Erkenntnisse




Nach seinem Besuch bei Susan war Draco nicht zurück nachhause gegangen, sondern übernachtete stattdessen bei ihr. Er holte sich gerade mitten in der Nacht einen Schluck Wasser, da hörte er den Kamin im Wohnzimmer knistern, als würde jemand Kontakt aufnehmen wollen.

In der Feuerstelle erschien das Gesicht von Minister Weasley, der verschlafen aussah, aber sehr aufgebracht agierte, als er sagte: „Oh, Mr. Malfoy. Bitte entschuldigen Sie die nächtliche Störung, aber es handelt sich um etwas sehr Dringendes. Wenn ich bitte mit Miss Bones sprechen dürfte?“ Draco nickte lediglich und begab sich ins Schlafzimmer.

Er betrachtete die selig schlummernde Susan und rief sich währenddessen den Moment ins Gedächtnis zurück, in welchem sie ihm verschämt lächelnd offenbart hatte, auf welche Art sie von ihm am liebsten geweckt werden wollte. So beugte er sich vor, stützte sich auf der Matratze ab und überflutete ihr Gesicht mit Küssen, bevor er seinen Kopf in ihrer Halsbeuge vergrub und sich nippend zum Ohrläppchen hocharbeitete.

Wonnig stöhnend erwachte sie und sagte verschlafen, aber breit lächelnd: „Ist es doch kein Traum.“

Wenige Minuten später betrat Susan mit einem Morgenmantel bekleidet allein das Wohnzimmer und kniete sich vor den Kamin nieder, bevor sie fragte: „Mr. Weasley, was gibt’s?“
„Susan, vor wenigen Stunden fand ein Übergriff von Todessern auf eine Versammlung von Halbmenschen und Tierwesen statt!“, antwortete Arthur aufgebracht.

Die Schlafzimmertür hatte Draco nicht geschlossen und er konnte es nicht lassen, das Gespräch zu belauschen. Ein unangenehmes Gefühl beschlich ihn, als er allein das Wort „Todesser“ vernehmen konnte.

Er hörte Susan fragen: „Was kann ich für Sie tun, Arthur?“
Der Minister sagte laut genug, so dass Draco es hören konnte: „Wir müssen mit der Befragung von Mr. Malfoy senior beginnen. Wir können nicht warten, bis er sein Augenlicht wiedererlangt hat. Kingsley hat Macnair“, Dracos gesamter Körper wurde bei letzterem Namen von einer Gänsehaut befallen, „unter dem Einfluss von Veritaserum befragt und wissen Sie was? Macnair hat ausgesagt, dass dieser Überfall der Erste gewesen war, den die übrigen Todesser nach dem Sturz von Voldemort begangen haben. Der Erste, Susan! Verstehen Sie?“ Draco hörte sie nicht antworten, weshalb er davon ausging, dass sie lediglich nickte. „Am besten wäre es, wenn Sie recht bald ins Ministerium kommen könnten, um sich die Aussagen durchzulesen, bevor Sie morgens mit Kingsley zu Mr. Malfoy ins Mungos gehen“, sagte Arthur.

Nach dem Gespräch kam Susan zurück ins Schlafzimmer und sie suchte sich bereits Kleidung aus dem Schrank, während sie zu Draco sagte: „Du hast es gehört. Ich muss weg, Draco.“
Er hätte sich ertappt fühlen müssen, aber sie hatte es nicht einmal vorwurfsvoll klingen lassen, weshalb er nur empfahl: „Pass bei meinem Vater auf. Gib ihm im Vorfeld keine Informationen von den Aussagen der“, er stockte und schluckte kräftig, „Todesser. Er könnte sich daraus Information basteln, die er dir als neue verkauft.“

Susan lächelte Draco zu, nachdem sie sich ihre Unterwäsche angezogen hatte und jetzt nach einer Bluse suchte. Seine Augen weideten sich an ihrer leicht bekleideten Erscheinung, weshalb er verführerisch fragte: „Merlin, musst du wirklich sofort gehen?“
„Leider ja und es wird voraussichtlich auch sehr lange dauern. Ich bin nicht böse, wenn du nachher zurück nach Hogwarts gehst. Kannst natürlich auch hier bleiben, aber es wird dir bestimmt langweilig werden. Ich melde mich auf jeden Fall, wenn ich von deinem Vater zurück bin.“

Im Ministerium suchte Susan zunächst das Büro von Arthur auf, der sie gleich darauf zu Shacklebolt führte.

„Guten“, Kingsley schaute demonstrativ auf seine Uhr, „Morgen, Susan. Drei Uhr in der Früh… Tut uns Leid, aber es ging nicht anders. Wir brauchen Hinweise von Malfoy, wenn er tatsächlich etwas über diese Radikalen wissen sollte.“

In dem Moment kam Tonks ohne anzuklopfen ins Shacklebolts Büro hineingestürmt und stieß ungeschickt an einen kleinen Aktenschrank, dessen Schubladen daraufhin aufsprangen, bevor sie ihm eine Akte mit den Worten reichte: „Die Aussagen von Crabbe und den beiden Mulcibers! Senior hat unter Veritaserum ausgesagt, dass seine Tochter und sein jüngster Sohn bei dem Überfall auch dabei waren, aber fliehen konnten. Dürfte nicht allzu schwer sein, die zu finden. Die anderen vier werden noch verhört, aber das sind definitiv keine Todesser. Sie tragen kein dunkles Mal, aber laut der bisherigen Aussagen sind es Sympathisanten des Dunklen Lords gewesen, die ihn immer und überall unterstützt haben und nicht nur finanziell.“

Beim Anblick der ausladenden Dokumente in Shacklebolts Händen bekam Susan ganz große Augen. Die magischen Federn mussten in einem Affentempo mitgeschrieben haben, um solch dicke Akten hervorbringen zu können. Sie würde Stunden benötigen, um die Schriftstücke nicht nur zu lesen, sondern auch Malfoys Befragung vorbereiten zu können, doch Kingsley würde ihr helfen und sie auch später begleiten.

In ihrem Büro machte Susan es sich mit schwarzem Kaffee und ein paar Keksen, die Kingsley ihr zusammen mit den ersten vier Aussagen gereicht hatte, soweit es ging gemütlich, bevor sie die Mappe mit der Aussage von Macnair aufschlug. Schon nach der ersten Seite war klar, dass dieser Mann völlig verblendet war und von Hause aus einen bösartigen Charakter innehatte. Er hatte in Voldemorts rassistischem Sinne weitergehandelt, obwohl er auf keinerlei Belohnung seines Meisters mehr hoffen durfte, denn der war ein für allemal besiegt. Macnair hatte drei Verstecke von Todessern genannt, die bereits in dieser Stunde von Auroren aufgesucht wurden. Susan hoffte innig, dass Dracos Vater noch andere Informationen geben konnte, für die man ihm im Gegenzug einen Straferlass zugutekommen lassen könnte.

Von Tonks bekam Susan zwei Stunden später noch die anderen vier Akten von den insgesamt acht Anhängern Voldemorts gereicht, die sie ebenfalls alle durchgehen musste. Die bereits durchgeschauten Akten gab sie durch Tonks an Kingsley zurück. Hier und da machte sie sich mit ihrer magischen Feder Notizen für das spätere Gespräch mit Mr. Malfoy.

Erschreckend war die Tatsache, dass alle acht Gefangenen ausgesagt hatten, dass dies ihr erster Angriff nach Voldemorts Fall gewesen wäre, was bedeutete, dass die Todesser mit all den anderen Anschlägen auf Reinblüter und Todesser-Angehörige überhaupt nichts zu tun haben konnten. Nur Macnair hatte eine vage Vermutung geäußert, wer dahinter stecken könnte, doch letztendlich hatte man keinen hilfreichen Anhaltspunkt auf die Täter der anderen Anschläge bekommen. Hoffentlich konnte Mr. Malfoy hier weiterhelfen, dachte Susan.

Schwester Marie weckte Lucius sehr früh, der daraufhin aggressiv knurrte, nachdem er die von der Behandlung brennenden Augen aufgeschlagen hatte.

„Tut mir Leid, Mr. Malfoy. Miss Bones und ein Mann sind hier und sie sagt, es wäre dringend. Sie möchte mit Ihnen sprechen. Soll ich Ihnen helfen?“, fragte sie hilfsbereit.
„Legen Sie mir bitte nur die Kleidung aufs Bett. Den Rest schaffe ich schon allein“, antwortete er etwas zurückhaltender. Es war nicht Schwester Marie, die ihn aus dem Bett geworfen hatte, sondern Miss Bones und auf sie sollte er sauer sein.

Nachdem die morgendliche Routine im Bad heute etwas schneller erledigt war und er sich einen der Standard-Hausanzüge des Hospitals übergezogen hatte, wartete er still, bis er es klopfen hörte. Gleich darauf hörte er zwei Fußpaare den Raum betreten, so dass er gleich angriffslustig fragte: „Wie früh ist es, Miss Bones? Und was bitteschön ist so dringend, dass es nicht bis nach dem Frühstück warten könnte?“

Seine Wut war sofort verflogen, als er über seine ehemaligen Todesser-Kollegen und deren Überfall unterrichtet worden war. Er merkte sich jeden einzelnen Namen von denen, die man in Gewahrsam genommen hatte, bevor Miss Bones ihn fragte: „Mr. Malfoy, kennen Sie auch noch andere Verstecke von Todessern als jene, die Macnair uns genannt hat?“

’Dieser Hund’, dachte Lucius. Niemand außer Macnair und ihm kannte die drei Verstecke und ausgerechnet ihn mussten sie schnappen und somit auch die Information, die ihn aus Askaban hätte freikaufen können.

Seufzend antwortete Lucius: „Ich bin wirklich außerordentlich untröstlich, Miss Bones. Macnair hat Ihnen genau die Verstecke genannt, die ich Ihnen ebenfalls hätte nennen können, wenn allerdings auch etwas früher.“ Ohne es zu wollen hatte Lucius etwas niedergeschlagen geklungen, doch er lenkte gleich davon ab, indem er fragte: „Warum kommen Sie ausgerechnet jetzt in den frühen Morgenstunden und geben vor, es gäbe nichts Wichtigeres als meine Antworten auf Ihre Fragen? Befürchten Sie etwa, dass ich nichts mehr hätte, was ich preisgeben könnte, um mich aus dem Gefängnis freizukaufen, womit Sie sich möglicherweise noch mehr in das Herz meines Sohnes schmeicheln könnten? Oder wollen Sie mich so dringend herausholen, damit Sie sich meiner Dankbarkeit ein Leben lang sicher sein können?“

Eine tiefe, gemütlich klingende Männerstimme antwortete an Miss Bones statt und sagte: „Mr. Malfoy, es ist nicht nur der Angriff Ihrer ehemaligen Freunde“, Lucius schnaufte verachtend, „der das Ministerium zwingt, sich Ihnen frühzeitig zu nähern. Wir wissen, dass die Behandlung Ihrer Augen schmerzhaft und zeitaufwendig ist, weswegen der Minister es für angemessen gehalten hatte, sich zunächst nur einer Sache zu widmen.“
„Oh, wie großzügig vom Minister“, höhnte Lucius.
Ohne sich aus der Fassung bringen zu lassen, erklärte der Mann: „Sie hatten Miss Bones gegenüber einmal etwas von einem ’Pendant der Todesser’ erwähnt. Darüber möchten wir gern einige Informationen haben, Mr. Malfoy.“
„Und wer bitte sind Sie? Ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich von Ihnen noch nie aufgesucht worden bin“, sagte Lucius gereizt.

Kingsley erklärte Malfoy nicht, dass er nach dem Überfall auf Schwester Marie schon einmal mit Susan bei ihm im Zimmer gewesen war, zu dem Zeitpunkt allerdings kein Wort verloren hatte. So erklärte er lediglich, wer er war und worin seine Aufgabe im Ministerium bestehen würde, so dass Malfoy tatsächlich höflich die Hand ausstreckte, um ihn zu begrüßen.

Lucius führte die beiden an einen kleinen Tisch in seinem Zimmer, der am Fenster stand und an welchem er gern saß, wenn es draußen regnete, weil er es mochte, den an die Scheiben schlagenden Tropfen zu lauschen.

Nachdem sich die drei gesetzt hatten, erklärte Lucius seinem hochrangigen Besuch: „Das ganze Ministerium ist voll von diesen… Wie nannten Sie sie noch, Miss Bones? Eine radikale Gruppierung? Die haben sich in jeder einzelnen Abteilung niedergelassen. Ich selbst habe einige von denen“, er suchte nach passenden Worten, „etwas näher in Augenschein genommen, als ich noch Angestellter des Ministeriums gewesen war.“
„Können Sie Namen nennen?“, fragte Kingsley mit besonnener Art.
Lucius grinste selbstzufrieden, bevor er arrogant antwortete: „Natürlich kann ich Namen nennen. Viele sogar! Aber sagen Sie, Mr. Shacklebolt und Miss Bones: Was genau stellt die Gegenleistung für meine Antworten dar?“
Lucius vernahm ein nicht boshaftes, aber dafür sehr amüsiert klingendes, tiefes Lachen, bevor Mr. Shacklebolt sagte: „Immer darauf bedacht nicht leer auszugehen, nicht wahr, Mr. Malfoy?“
Schnaufend erwiderte Lucius: „Ich bin wohl lange genug ’leer ausgegangen’, wie Sie sich auszudrücken pflegen. Sie können es mir glauben, Mr. Shacklebolt, wenn ich Ihnen versichere, dass ich meine Informationen niemals unter ihrem Wert verkauft habe. Wenn Sie mir ein Angebot machen, dann können wir gern weiterreden. Ansonsten möchte ich Sie bitten zu gehen, um über eine, sagen wir, ’verlockende Vergünstigung’ nachzudenken, die mir die Zusammenarbeit mit dem Ministerium schmackhaft machen könnte.“
Susan meldete sich zu Wort und erklärte: „Sie wissen aber schon, dass wir Ihre Informationen auch einfach mit Veritaserum aus Ihnen herauskitzeln könnten?“ Susan bluffte, denn so leicht war das nicht.

Mit schmieriger Stimme antwortete Lucius: „Miss Bones, Miss Bones, es müsste Ihnen doch längst aufgefallen sein oder etwa nicht? Solange ich über meinen Verstand verfüge, ziehe ich ganz klar einen Handel vor. Was Sie letztendlich daraus machen, ist Ihnen überlassen. Ich für meinen Teil halte eine Abmachung per Handschlag für kultivierter und darüber hinaus für wesentlich einfacher. Sollten Sie mir einfach Veritaserum geben, so bedeutet das nämlich nicht, und darüber sind Sie sich sehr wohl im Klaren, dass Sie alle Informationen erhalten werden, die für Sie wichtig wären, denn Sie wüssten wohl kaum, nach was Sie gezielt fragen müssten, nicht wahr? Eine Vereinbarung hingegen macht mich zu einem folgsamen Handelspartner, der darauf erpicht sein wird, seinen Teil des Handels zu erfüllen, damit er von Ihrem erfüllten Teil profitieren kann!“

Lucius hörte Shacklebolt erneut lachen, doch wieder klang es vergnügt und nicht spöttisch, bevor er fragte: „Sie haben viel Erfahrung mit Veritaserum, Mr. Malfoy?“
„Der Dunkle Lord hat es nicht gerade selten angewandt und doch hat er nie alles erfahren, was für ihn von Bedeutung gewesen wäre. Sie wissen sehr wohl, Mr. Shacklebolt, dass Veritaserum zwar die wahrheitsgemäße Antwort auf eine Frage erzwingt, aber es animiert einen nicht dazu, von sich aus alle wichtigen Details zu nennen, wenn nicht gezielt danach gefragt wird. Das ist wohl auch der Grund, warum Veritaserum vom Zaubereiministerium nicht bei jedem Verhör eingesetzt wird, habe ich Recht?“, erwiderte Lucius grinsend, denn er wusste, dass er Recht hatte.

Ein Moment lang herrschte Stille und Lucius wartete geduldig, bis Shacklebolt zu einer Entscheidung gekommen war.

Mit seiner tiefen Stimme legte der Auror fest: „Zwanzig Jahre, Mr. Malfoy!“ Lucius sträubte sich, doch Shacklebolt machte ihm klar: „Nur zwanzig Jahre anstelle von lebenslänglich; das ist eine sehr gute Basis. Bei der hohen Lebenserwartung von Zauberern ist das doch ein Klacks.“
Galant entgegnete Lucius: „Es mag für Sie ’ein Klacks’ sein, Mr. Shacklebolt, aber für mich ist es viel zu viel. Machen wir zehn Jahre draus und Sie erhalten Informationen, die viele Leben retten können.“
„Sie sind hier nicht in der Position, um…“
Lucius unterbrach Shacklebolt höflich und sagte: „Entschuldigen Sie, aber ich dachte, genau das wäre ich momentan? Was machen wir hier?“ Lucius fügte eine kleine Pause ein, bevor er sagte: „Verhandeln! Erst einmal schaffen wir eine Basis, für die es sich für mich überhaupt zu handeln lohnt. Natürlich sind mir zehn Jahre noch immer zu viel, aber ich bin ja nicht völlig realitätsfremd. Zehn Jahre Haft sind für mich zu viel und für Sie zu wenig – das wäre doch eine ideale Grundlage, meinen Sie nicht?“
Wie aus der Pistole geschossen antwortete Shacklebolt: „Fünfzehn Jahre Haft als Basis. Weiteren Hafterlass gibt es je nach gewichtiger Information ihrerseits. Das ist mein letztes Angebot.“

Kingsley war erstaunt, als Mr. Malfoy ihm unverhofft die Hand entgegenstreckte, um den Handel bestätigt zu wissen. Als er die Hand des blinden Mannes ergriff, wiederholte dieser: „Fünfzehn Jahre Haft Maximum!“
Bestätigend wiederholte Kingsley Malfoys Worte, bevor er von dessen Hand abließ und sagte: „Gut, Mr. Malfoy. Jetzt nennen Sie uns Namen!“

In den Kerkern lag Severus wach in seinem antiken, vierpfostigen Himmelbett und starrte abwechselnd auf die Falten, die der offen stehende Vorhang warf und auf das Gemälde, das die verschneite Landschaft zeigte. Geschlafen hatte er noch nicht, denn der Abend oder besser gesagt die Nacht war sehr aufwühlend gewesen. Miss Granger hätte ihr Leben beinahe durch den Todesser Macnair verloren und sie war darüber hinaus auch noch von Caedes gebissen worden.

’Dummes Ding’, dachte Severus, der dabei leicht seinen Kopf schüttelte. Ihm war nicht entgangen, dass Miss Granger schon lange vor dem Besuch dieser Veranstaltung nicht in der besten Verfassung gewesen war, aber den Grund dafür hatte er noch nicht herausgefunden.

Ein Knistern aus dem Wohnzimmer ließ ihn aus dem Bett springen. Nur im Nachthemd bekleidet verließ er sein Schlafzimmer und kniete sich vor den Kamin, um den Ruf entgegenzunehmen.

Es war Arthur, der sehr abgeschlagen wirkte, aber aufgebracht fragte: „Severus, es tut mir so Leid, dass ich dich um diese Zeit stören muss, aber...“
„Ich war noch wach“, erwiderte Severus kühl.
Arthur stutzte kurz, denn es war bereits kurz nach halb fünf in der Früh, bevor er fragte: „Oh, wäre es vielleicht möglich, dass wir uns über du-weißt-schon-was unterhalten können?“
„Ich habe mich schon gefragt, wann du mich wohl kontaktieren würdest, Arthur.“ Severus entfernte sich einen Schritt vom Kamin, damit Arthur hindurchtreten konnte, bevor er zu seinem Gast sagte: „Wenn du mich einen Moment entschuldigen würdest? Ich werfe mir nur einen Umhang über.“

Nachdem Severus im Schlafzimmer verschwunden war, schaute Arthur sich im Wohnzimmer um. Er hatte es bisher nur einmal betreten und das war kurz nach Dumbledores Tod gewesen. Der Orden des Phönix hatte sich noch vor den Ministeriumsangestellten Einlass in die Kerker verschafft, um Anhaltspunkte über Severus’ Handeln in Erfahrung zu bringen, doch sie hatten nichts gefunden, genauso wenig wie die Auroren des Ministeriums, die erst sieben Stunden später Severus’ Gemächer auf den Kopf gestellt hatten. Mitgenommen wurde damals nichts, denn es schien hier nichts Persönliches zu geben. Alles in Severus’ Wohnräumen – die Bücher, die Aufzeichnungen und Notizen, die Gegenstände – gehörten der Schule oder zu seiner Aufgabe als Lehrer. Heute schien es nicht anders zu sein, denn nichts wies auf eine Persönlichkeit des Zaubertränkemeisters hin. Keine Bücher, die nichts mit Tränken oder Verteidigung gegen dunkle Künste zu tun hatte, kein Bild von Vater oder Mutter, kein Nippes oder Tinnef weit und breit.

„Arthur, kann ich dir Tee oder Kaffee anbieten?“, fragte Severus, der gerade aus dem Schlafzimmer zurückkam.
„Oh ja, Kaffee wäre nett!“, sagte Arthur begeistert, denn sein Ordensbruder hatte ihn noch nie bewirtet, aber Severus selbst hatte sich auch noch nie bewirten lassen. Bei den Treffen damals im Grimmauldplatz war Severus immer vor dem gemeinsamen Abendessen gegangen, egal wie häufig Molly versucht hatte, ihn zum Bleiben zu überreden. Nur nach der Verleihung des Merlins hatte Severus sich im Fuchsbau eingefunden, aber auch da hatte er nichts zu sich genommen.

Die gerufene Hauselfe brachte Tee, Kaffee und Gebäck, bevor sie wieder verschwand, um sich in der Küche den Vorbereitungen für das Frühstück in der großen Halle zu widmen.

Ohne ihn auffordern zu müssen, erzählte Severus: „In Tylers Erinnerungen habe ich einen rothaarigen, gut situierten Herrn gesehen. Tyler wurde von ihm dafür gerügt, mit der Brandstiftung im Haus der Familie Beerbaum zu voreilig gehandelt zu haben, da die Ferienzeit noch nicht begonnen hatte und die Tochter Meredith nicht Zuhause gewesen war. Um die Tochter sollte sich Tyler später kümmern und das wollte er mit Sicherheit mit dem Attentat während der Beerdigung nachholen. Beides, die Brandstiftung und das Attentat auf Meredith, war ein Auftragsmord von dem Rothaarigen.“
„Weißt du, wie der Rothaarige heißt?“, fragte Arthur.
Severus schüttelte den Kopf, bevor er erklärte: „Nein, das wäre wohl die erste Information gewesen, die ich dir gegeben hätte.“
„Hast du noch etwas sehen können? Wie sah es dort aus? Konnte man erkennen, wo sie waren?“, wollte Arthur wissen.
Severus kniff die Lippen zusammen, sagte jedoch lediglich: „Nein, leider nicht. Ich kann nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob der Rothaarige ein Zauberer war oder nicht, denn einen Stab habe ich nie gesehen. Allerdings sitzen Zauberer auch nicht ständig mit ihrem Zauberstab in der Hand herum, nicht wahr?“ Arthur betrachtete seine Hände und stimmte ihm innerlich zu, bevor Severus fortfuhr: „Aber es gab noch etwas sehr Interessantes!“ Mit aufmerksamer Miene zeigte Arthur sein Interesse, so dass Severus erzählte: „In einer anderen, möglicherweise etwas älteren Erinnerung von Tyler sprach der Rothaarige von einem ’Hexenturm’. Tyler bekam den Auftrag, diesen Hexenturm aufzusuchen, um bei einem neuen Gefangenen die ’Territion’ durchzuführen. Tyler sollte dem Gefangenen irgendwelche Instrumente zeigen, die…“ Severus hielt inne, weil er etwas in Arthurs Augen erkannte, was er dort seit langer Zeit nicht mehr gesehen hatte: Angst.

„Arthur?“, fragte Severus vorsichtig.
„Erzähl erst zu Ende, Severus“, forderte Arthur mit bebender Stimme und beschleunigter Atmung.
Severus nickte und kam Arthurs Wunsch nach, indem er sagte: „Tyler sollte dem Gefangenen die Instrumente zeigen und ihm damit drohen, sie auch anzuwenden, wenn er nicht reden würde.“

Mit zittrigen Händen schenkte Arthur sich unter den wachen Augen seines Gastgebers noch eine Tasse Kaffee ein, wovon er gleich einen Schluck nahm. Danach atmete er tief ein, um sich innerlich zu beruhigen, bevor er Severus in einem Tonfall fragte, der suggerierte, dass er selbst die Antwort kannte: „Weißt du, was eine Territion ist?“ Nachdem Severus wortlos verneint hatte, erklärte Arthur mit zittriger Stimme: „Während einer Territion werden einem Gefangenen“, Arthur musste einmal kräftig schlucken, „Folterinstrumenten gezeigt und ihre Verwendung wird erklärt.“ Arthur fasste sich an die Stirn und wirkte äußerst verzweifelt, bevor er fragte: „Hast du diese Instrumente gesehen?“
Wieder schüttelte Severus den Kopf, aber gleich darauf sagte er: „Ich habe aber den Gefangenen gesehen.“
Wie aus der Pistole geschossen fragte Arthur: „Wie sah er aus?“
Sehr reserviert entgegnete Severus: „Eine Personenbeschreibung kann ich mir sparen, denn ich habe den jungen Mann erkannt. Es war mein ehemaliger Schüler Gregory Goyle! Das war alles, was ich in der kurzen Zeit in Erfahrung bringen konnte.“

Arthur hielt sich vor Schreck eine Hand vor den Mund, bis er sich wieder gefangen hatte und fragen konnte: „Goyle? Der Sohn von dem Todesser? Der war mit Ron im gleichen Jahrgang… Wir müssen ihn da rausholen! Severus, kannst du nicht irgendetwas über den Ort…“
Seinen Gast unterbrechend sagte Severus mit ruhiger Stimme: „Arthur, diese Erinnerung kann mehrere Jahre alt sein, denn der Rothaarige sah dort ein wenig anders aus als in der vorigen. Er trug eine leicht veränderte Frisur, hatte etwas mehr Körpergewicht. Möglicherweise ist Goyle junior längst tot. Vielleicht konnte er sich aber auch befreien oder wurde sogar von jemandem befreit. Man darf sich niemals von fremden Erinnerung mitreißen lassen – niemals! Wir können nichts tun! Wir wissen nicht, wer der Rothaarige ist und wir wissen nicht, wo sich dieser Hexenturm befindet. Wir können nicht einmal Tyler fragen, weil dann herauskommen würde, dass ich in deinem Auftrag in seinem Kopf gestöbert habe und dafür würden wir beide teuer bezahlen!“

Sich die zittrigen Hände reibend starrte Arthur auf die Tasse Kaffee. Es war schrecklich, trotz dieser Informationen nicht handeln zu können, weil man einfach keinen vielversprechenden Anhaltspunkt hatte. Nur einen Hinweis gab sie.

Arthur setzte sich etwas aufrechter hin und sagte zu Severus: „Wenn die Todesser tatsächlich zuvor niemals einen Anschlag verübt haben oder für eines dieser armen Folteropfer verantwortlich sind, wie sie es ausgesagt haben, dann bedeutet das, dass wir es mit mindestens einer weiteren, feindlichen Gruppierung zu tun haben. Ehrlich gesagt machen mir diese Leute mehr Angst, als die restlichen Todesser, die noch auf freiem Fuß sind!“
„Warum das?“, fragte Severus verdutzt. Todesser waren bisher neben Voldemort das Schlimmste, was der Zaubererwelt widerfahren war.
„Warum? Weil Tyler ein Muggel ist und weil ich davon ausgehe, dass dieser Rothaarige ein Muggel ist! Weil sie von ’Territion’ und von ’Hexentürmen’ sprechen. Weil immer wieder Zauberer und Hexen gefunden werden, die mehr tot als lebendig sind, weil sie ganz offensichtlich übel gefoltert worden waren. All das, Severus, lässt mir eine Gänsehaut über den Rücken laufen, weil es so etwas schon einmal gegeben hat!“, sagte Arthur zum Ende hin recht aufgebracht.
Verblüfft legte Severus die Stirn in Falten, bevor er fragte: „Schon einmal?“
Arthur nickte und erläuterte gleich darauf: „Schon einmal! ’Territion’ ist ein Begriff der mittelalterlichen Inquisition und stellt die Vorstufe zur ’peinlichen Befragung’ dar.“

Erst jetzt verstand Severus, warum Arthur von diesen Informationen so erschüttert war und auch ihm lief es nun eiskalt den Rücken hinunter.

Mit leiser Stimme warf Severus unsicher in den Raum hinein: „Hexenjäger?“
Arthur nickte, fasste sich erneut an die Stirn und wimmerte: „Oh Merlin, was passiert hier nur?“
Zuletzt geändert von Muggelchen am 22.01.2011 04:06, insgesamt 1-mal geändert.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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CharLue
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Beitrag von CharLue »

Der Teil erinnert mich ein bisschen an einen Krimi ^__^
Mach' weiter so (:
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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

Hi CharLue,

na, wenn das keine Abwechslung verspricht, dass das letzte Kapitel etwas von einem Krimi hatte, dann weiß ich auch nicht :wink: Langweilig soll es ja nun wirklich nicht werden.

Lieben Gruß,
Muggelchen




070 Der Hüter




„Guten Morgen!“, sagte Harry freudestrahlend, als er das Wohnzimmer betrat und seine beste Freundin grüßte, die sich gerade auf dem Sofa liegend streckte. Nachdem sie zurückgegrüßt hatte, fragte er: „Wie geht’s dir heute?“
Hermine fasste sich an den Kopf. Ihr war nur noch etwas schwummrig, weshalb sie antwortete: „Geht schon. Ich fühle mich jedenfalls viel besser als gestern.“ Die Erinnerungen an den Vortag kamen zurück, weshalb sie sich eine Hand über die Augen legte und sagte leise: „Ich hätte dabei draufgehen können.“

Ihre Hand fand wie von allein den Weg zu dem seidenen Tuch, welches Professor Snape ihr gestern nach dem Auftragen des Pulvers wieder um den Hals geschlungen hatte.

„Zeig mal“, sagte Harry, während er schon an dem Knoten des Tuches zurrte. Er betrachtete die freigelegte Wunde und bemerkte: „Wow, die Wunden sind kaum noch zu sehen. Ist eigentlich nur noch ein großer blauer Fleck.“ Um sie aufzumuntern, fügte er noch schäkernd hinzu: „Sieht aus wie der Knutschfleck von einem Bergtroll.“
„Wahnsinnig witzig, Harry“, entgegnete sie etwas übel gelaunt, doch sie musste letztendlich über diesen Kommentar schmunzeln.
„Snape hat gesagt, ich soll das Pulver heute nochmal über die Wunde streuen. Kannst du mir damit helfen?“, fragte sie.

In null Komma nichts hatte Harry die Wunde mit dem gelben Pulver bedeckt und er konnte fast dabei zusehen, wie sich die winzigen Bissstellen noch weiter zusammenzogen.

„Gehen wir in der großen Halle frühstücken oder lieber…“
Er wurde unterbrochen, als sie aufgeschreckt sagte: „Hier!“

Sie wollte niemanden sehen und schon gar nicht jemanden von gestern. Harry nickte nur und rief Wobbel, um ein Frühstück zu ordern.

„Einen schönen guten Morgen, Miss Granger“, grüßte der Elf sie lächelnd, aber sie konnte sehr wohl den mitleidigen Blick in seinen großen Augen ausmachen.
Sie grüßte den Hauself, bevor sie eine Hand an ihren Hals führte und ihm versicherte: „Das sieht schlimmer aus als es ist.“ Wobbel nickte erleichtert, nahm die Bestellung für das Frühstück entgegen und verließ das Wohnzimmer. „Sag mal, Harry. Jetzt, wo die Hauselfen uns nicht mehr bespitzeln, da könntest du Wobbel doch etwas Kleidung schenken.“
„Ich… ähm… Weißt du, Mine, ich mag ihn. Ich hab ihn richtig gern! Ich glaube, ich möchte, dass er bei mir bleibt“, sagte Harry, der darauf geachtet hatte, nicht zu sagen, dass er Wobbel wie ein Haustier „behalten“ wollte.

Harry hatte so eine komische Vorahnung und die bestätigte sich, als Wobbel das Frühstück brachte, denn Hermine begann damit, den Elf auszufragen; zu fragen, wie Harry ihn behandelte, ob Wobbel Spaß an seiner Arbeit hätte, ob er sich selbst bestrafen würde oder ob er sogar lieber frei wäre.

Wobbel versicherte ihr, dass Harry ein vorbildlicher Meister wäre und er ihm jegliche Selbstbestrafung verboten hatte. Harry würde ihm viel zu viel Freizeit schenken, mit der er kaum etwas anzufangen wusste und aus Wobbels Mund klang das fast schon wie eine Beschwerde. Überlegen grinste Harry seine Freundin an, die den Elf weiterhin ausfragte.

Bei einer Frage druckste Harrys Elf jedoch herum und zwar, als es um seine Kleidung ging. Bisher war Wobbel in einen Fetzen Stoff gewickelt, ähnlich einer Toga, und aufgrund Hermines penetrantem Gefrage gab der Elf zu, dass seine „Kleidung“ ihm nicht gefallen würde, aber er versicherte, dass dies nur ein unbedeutender Punkt wäre, der nicht im Geringsten seine Beschäftigung für Harry beeinträchtigen würde. Nach zehn Minuten stoppte Harry die Befragung, weil er endlich Wobbel erlösen und mit Hermine frühstücken wollte.

Beide hatten sich an dem üppigen Frühstück mit Rührei, gebratenen Würstchen und Speck, Toast bis zum Abwinken, Marmelade und Aufschnitt satt gegessen, bevor Harry sagte, er würde sich jetzt mit den verbleibenden Schülern die Zeit auf dem Quidditch-Spielfeld vertreiben.

„Willst du nicht erst Remus oder Tonks fragen, was nach dem Überfall von den Todessern noch geschehen ist? Ob vielleicht jemand verletzt wurde, den wir kennen?“, fragte Hermine.
„Nein, will ich nicht. Er wird sich schon melden. Die Medi-Magier waren gestern sehr schnell da und es war nur einer, der…“, Harry hielt inne und blickte zu Boden, weil er den Namen Caedes in Hermines Gegenwart noch nicht nennen wollte.
„Es gab einen Toten?“, fragte sie mit großen Augen, doch Harry nickte nur und gab ihr keine weiteren Informationen. Er reichte ihr den Seidenschal, den sie sich wieder um den Hals wickelte, um wegen des riesigen blauen Flecks keine Blicke auf sich zu ziehen.

„Was machst du heute?“, fragte Harry seine beste Freundin, die noch immer sehr geknickt war.
Sie zuckte mit den Schultern und antwortete: „Ich weiß nicht. Ich könnte hier bleiben und faulenzen.“ Harry blickte sie schon ganz schräg an, bevor sie lächelte und sagte: „Ach, was soll’s: Ich geh in die Bibliothek. Deine Farben habe ich noch nicht rausgesucht.“

Auf den Weg in den vierten Stock sah Hermine auf einem Gang schon von weitem Professor Flitwick mit zwei weiteren Lehrern, die sie nicht kannte, an einer Ecke stehen. Hermine bemerkte, wie ihre Wangen vor Scham rot glühen mussten, denn sie wurden ganz heiß.

Als sie sich ihm näherte, lächelte er sie an und grüßte freundlich, bevor er sagte: „Ich sehe, es geht Ihnen wieder wesentlich besser, Miss Granger. Ihre Wangen sind ganz rosig.“

Sie lächelte nur und nickte beschämt, bevor sie ihren Weg um die Ecke fortsetzte. Leise sagte sie zu sich selbst: „Natürlich sind meine Wangen rosig. Ich schäme mich ja auch in Grund und…“
„Miss Granger?“, hörte sie eine ihr mittlerweile vertraute, leise und tiefe Stimme sagen.
Sie drehte sich um und blickte Professor Snape ins Gesicht, bevor sie schluckte und gleich darauf sagte: „Guten Morgen, Professor Snape.“ Sie hoffte innig, dass er ihr Selbstgespräch nicht belauscht hatte.
„Ich ging davon aus, Sie würden den heutigen Tag nutzen, um sich auszuruhen“, sagte er mit einem leicht vorwurfsvollen Unterton.
„Es geht mir schon wieder besser und ich werde mich auch ausruhen. Ich gehe nämlich in die Bibliothek und wenn es einen Ort gibt, an dem Ruhe herrscht, dann wohl dort!“, konterte sie etwas gereizt, denn sie wollte tatsächlich ihre Ruhe und dazu gehörte auch, von ihrem Professor nicht auf ihren gesundheitlichen Zustand angesprochen zu werden.
Er zog lediglich eine Augenbraue in die Höhe und musterte ihr errötetes Gesicht, danach den seidenen Schal, bevor er kühl entgegnete: „Wie Sie meinen, Miss Granger. Einen angenehmen Tag noch.“

In der Bibliothek wählte sie erneut ihren Lieblingsplatz am Fenster. Sie breitete ihre Unterlagen auf dem Tisch aus und holte sich per Levitation die Bücher, die sie zuvor schon wegen Rons und ihrer Farben konsultiert hatte. Sie bemerkte nicht den Schatten, der sich ihr näherte und an dem Bücherregal hinter ihrem Rücken Halt machte.

Severus konnte sich nicht erklären, was ihn dazu antrieb, seine Schülerin zu belauern, als würde er etwas Böses im Schilde führen, denn das war nicht seine Absicht. Er wollte nur hier stehen und ihrer Stimme lauschen und wenn er nebenbei noch etwas über ihre Recherche erfahren würde, wäre das ein netter Bonus. Doch anstatt laut zu lesen oder ihre Gedanken mitzuteilen, seufzte Miss Granger nur und fasste sich immer wieder an den Hals oder an die Stirn. Er fragte sich für einen Moment, ob sie sich womöglich nicht wohl fühlte. Würde sie jetzt zusammenbrechen, dachte er, wäre er zum Glück gleich zur Stelle und er überlegte sich jetzt schon eine Ausrede für sein „zufälliges“ Erscheinen in der Bibliothek.

Miss Granger las still, was ihn sehr ärgerte. Die anderen beiden Male konnte sie ihren Mund kaum halten, aber heute war ihr nicht danach. Wieder seufzte sie, bevor sie endlich etwas sagte. Severus strengte sich an, um ihre Worte zu hören und er hörte sie sagen: „Ich wünschte, Wobbel wäre hier…“

Plötzlich erschien Harrys Hauself und Severus’ Herz setzte vor Schreck einen Schlag aus. Elfen waren nicht dumm und sie verfügten über sehr ausgeprügte Sinne. Severus hoffte, der Elf würde ihn nicht bemerken.

Miss Granger fragte den Elf erstaunt: „Warum kommst du denn, wenn ich dich rufe?“
„Mr. Potter hat gesagt, ich darf auch Ihnen dienen, wenn ich möchte. Es ist meine Entscheidung, Miss Granger und ich möchte Ihnen dienen“, antwortete der Elf ganz verzückt, so dass Severus beinahe schlecht wurde, aber er war froh, dass dieser „Wobbel“ ihn nicht zu sehen schien und so lauschte er einfach, als Miss Granger den Elf um eine bestimmte Eissorte bat.

„Aber Miss Granger, in der Bibliothek darf doch nicht gegessen werden“, sagte der Elf fast schon etwas verängstigt.
„Es wird ja niemand erfahren, Wobbel. Außerdem haben die Bücher sich bisher nicht beschwert. Ich passe schon auf, dass nichts beschmutzt wird“, erwiderte Miss Granger, um den Elf zu beruhigen, der gleich darauf mit einem lauten Plop verschwand.

Severus wagte es nicht, sich zu bewegen, denn Hauselfen waren schnell und er wollte nicht riskieren, gerade dabei erwischt zu werden, wie er aus der Bibliothek schlich, also wartete er.

Auf dem Quidditch-Feld ging es sehr spaßig zu. Es waren nur neun Schüler über die Ferien in Hogwarts geblieben. Mit Madam Hooch, einem neuen, jungen Lehrer namens Professor Svelte und ihm waren sie zwölf, so dass sie zwei Mannschaften mit je sechs Personen aufstellen konnten. Man einigte sich darauf, dass es nur einen Klatscher im Spiel geben sollte und auch nur zwei Jäger pro Mannschaft. Harry mimte den Hüter und er war darin miserabel, was der anderen Mannschaft schon einen Vorsprung von 40 Punkten gebracht hatte, doch niemand nahm dieses Spiel sehr ernst, so dass er nicht befürchten musste, nach dem Spiel für seine schlechte Darbietung womöglich noch eine Abreibung zu bekommen.

Als Harry vor seinem mittleren Ring schwebend Gordian beobachtete, der als Sucher der gegnerischen Mannschaft gerade dem Schnatz auf den Fersen war, hörte er lautes Plop hinter sich und er wäre beinahe vor Schreck vom Besen gefallen, als Wobbel unerwartet in dem runden Tor saß.

„Mr. Potter, entschuldigen Sie bitte, falls ich Sie erschreckt habe“, sagte Wobbel mit etwas Furcht in der Stimme.
„Schon gut, aber was machst du hier? Warum sitzt du in meinem Tor?“, fragte Harry aufgeregt atmend. Er hatte heute beim Spiel mit allem gerechnet, sogar damit, einen Klatscher abzubekommen, aber nicht damit, von Wobbel in schwindelerregender Höhe aufgesucht zu werden.
Während Harry ab und an immer wieder nach vorn zum Spielfeld schaute, erklärte Wobbel, dass Miss Granger ihn gerufen hätte, bevor er sagte: „Ich weiß nicht recht, Mr. Potter, ob es mir zusteht, Ihnen davon zu berichten.“
„Von was?“, fragte Harry, der nur halb bei der Sache war, weil er immer wieder auf das Spiel achtete und auf Gordian, der dem Schnatz gefährlich nahe gekommen war.
„Nun, Mr. Potter, wie soll ich das sagen? Als ich Miss Grangers Wunsch entgegengenommen habe, da stand jemand hinter ihr und beobachtete sie“, erklärte Wobbel vorsichtig.
„WAS?“, fragte Harry, der sich ruckartig zu Wobbel umdrehte. In diesem Moment wurde Harry von einem Quaffel gestreift, der gleich darauf durch den Ring fiel und Wobbel mit sich in die Tiefe riss.

Harry nahm eine kleine Auszeit, so dass er Wobbel, dem zum Glück nichts passiert war, vom Boden aufhelfen konnte. Er staubte Wobbels Toga ab und fragte derweil: „Es steht jemand in der Bibliothek hinter Hermine? Weißt du, wer das war?“
„Sir, ich muss gehen, sonst fällt es auf, dass ich solange wegbleibe“, sagte Wobbel und verschwand mit einem Fingerschnippen. Harry wusste, dass Wobbel ihn nötigen wollte, sich selbst darum zu kümmern und er war auch nicht böse darüber. Er fragte sich nur, wer wohl hinter Hermine stehen würde und sie beobachtete. Ganz sicher nicht Albus, dachte Harry und auch kein Hauself, denn das hätte Wobbel ganz sicher gesagt. Natürlich hatte Harry eine Ahnung und sein Bauchgefühl hatte ihn selten im Stich gelassen.

„Harry? Alles okay?“, rief Rolanda von ihrem Besen hinunter.

Nach einem kurzen Gespräch mit Rolanda machte sie Professor Svelte zum Hüter und sich selbst zur Schiedsrichterin, so dass jede Mannschaft mit fünf Spielern und je nur einem Treiber weiterspielen konnte. Harry flog mit seinem Besen bis zum Haupteingang und rannte in Windeseile hinauf in den vierten Stock, auch wenn er gar nicht damit rechnete, dass Hermine in Gefahr sein könnte.

Zur gleichen Zeit wurde Lucius erneut von Mr. Shacklebolt und Miss Bones aufgesucht. Mit Absicht schenkte er dem Herrn mit der tiefen, besonnen Stimme mehr Aufmerksamkeit als der Lebenspartnerin seines Sohnes.

„Mr. Malfoy, es wird Sie freuen zu erfahren“, sagte Mr. Shacklebolt, nachdem sie alle Platz genommen hatten, „dass der Minister mit Ihren Aussagen und Hinweisen sehr zufrieden ist und Ihnen drei weitere Jahre Hafterlass zusichert. Nach dem aktuellen Stand wären es noch…“
Lucius unterbrach: „Zwölf Jahre Haft! Ich bin durchaus in der Lage, einfache kaufmännische Rechenaufgaben im Kopf zu lösen.“

Mr. Shacklebolt schien amüsiert, denn ein leises, tiefes Lachen war zu hören, bevor er sagte: „Der Minister hat es begrüßt, die faulen Eier, die im Ministerium gearbeitet haben, festnehmen zu können. Noch mehr würde er es begrüßen, wenn Sie uns neben den Anhängern von Voldemort“, Lucius schüttelte sich bei dem Namen, „die nicht das dunkle Mal tragen, ihn aber dennoch unterstützt haben, auch endlich Hinweise über diese andere Gruppierung geben könnten.“
„Immer langsam mit den jungen Pferden, Mr. Shacklebolt. Ich gebe Ihnen Informationen, mit denen der Minister zufrieden ist oder etwa nicht? Wozu gleich alle Karten auf den Tisch legen?“, sagte Lucius fies grinsend.

Miss Bones schaltete sich ein und sagte: „Ihre Begründungen für die verschiedenen Anschuldigungen waren fast alle nachweisbar, nur eine Sache bereitet uns Sorgen. Sie sagten, dass die gesamte Familie Umbridge schon zu Voldemorts“, Lucius verzog bei dem Namen angewidert das Gesicht, „Zeiten finanzielle Unterstützung für die Todesser gewährleistet hatten. In dieser Angelegenheit verliefen Ihre Hinweise, denen wir nachgegangen sind, leider im Sand. Haben Sie vielleicht…“
„Miss Bones! Wenn die Familie Umbridge alle Spuren ihrer finanziellen Aktivitäten verwischt haben sollte, dann blieben lediglich die drei Konten in Gringotts, die Mrs. Dolores Umbridge nebst Gatten dort eröffnet hatte. Sie würden, wenn die Kobolde dem Ministerium tatsächlich Einsicht in die Akten der Bank gewähren würden, was ich für unvorstellbar halte, sehr schnell erkennen, dass von Familie Umbridge lediglich Geldeingänge in die Verliese vermerkt worden sind. Alle Abhebungen hingegen sind von drei verschiedenen Personen vorgenommen worden, deren Namen unwichtig sind, da sie eh nur Pseudonyme darstellen. Sie würden jedoch feststellen, dass die magischen Signaturen auf den Schriftstücken, die die Abhebungen von den drei Konten belegen, mit denen von drei Todessern übereinstimmen: Walden Macnair, Vincent Crabbe und“, Lucius schluckte kräftig, „Bellatrix Lestrange.“

Um Familie Umbridge also die Unterstützung Voldemorts nachweisen zu können, müsste man lediglich Einsicht in die Akten der Zaubererbank Gringotts erhalten und das schien aussichtslos. Nicht einmal das Zaubereiministerium hatte genügend Einfluss auf die Koboldbank, um dies ermöglichen zu können.

„Mr. Malfoy, die Kobolde werden niemals zulassen…“
Lucius unterbrach Miss Bones und entgegnete barsch: „Verdammt nochmal, es ist an der Zeit, genauso vorzugehen, wie die Todesser vorgegangen sind. Gehen Sie bloß nicht den rechtschaffenen Weg, denn der führt unweigerlich in eine Sackgasse!“
Mr. Shacklebolt räusperte sich und fragte: „Was genau wollen Sie uns damit suggerieren?“
Schnaufend lachte Lucius, bevor er entgegnete: „Was denken Sie denn? Ein wenig Vielsafttrank und ein ganz leichter Verwirrungszauber werden die Angestellten von Gringotts nicht daran zweifeln lassen, dass Mr. Bonce alias Macnair vor ihnen steht. Sie benötigen lediglich ein wenig Haare von einem von Macnairs Opfern. Macnair hat die Haare für den Vielsafttrank in einem Glas aufbewahrt. Den Aufenthalt des Behältnisses und die Verliesnummer kann ich Ihnen gern nennen – für ein weiteres Jahr Hafterlass, versteht sich.“
Aufgeregt äußerte sich Susan zu diesem Thema, indem sie sagte: „Das geht nicht! Wir können nicht auf diese Art und Weise…“
Wieder unterbrach Lucius und er empfahl: „Wenn es Ihnen mit Vielsafttrank zu kompliziert erscheinen sollte, dann suchen Sie sich doch einfach jemanden, der jemanden kennt, der bei Gringotts arbeitet. Sie verstehen?“

In der Bibliothek brachte Wobbel das gewünschte Schokoladeneis, bevor er wieder verschwand. Severus atmete leise, aber erleichtert, aus, denn der Elf hatte ihn offensichtlich nicht bemerkt. So konnte er in Ruhe mit ansehen, wie Miss Granger wieder die Schutzfolie vom Eis zog und erst nach zehn Minuten damit begann, es langsam zu verspeisen. Endlich begann sie auch wieder damit, mit sich selbst zu reden, so dass er doch noch in den Genuss ihrer wohltuenden Stimme kam.

Neugierig verfolgte er ihr Selbstgespräch, in welchem es um Harrys Farben ging. Als er vor einigen Tagen auf ihre Notizen geschaut hatte, hatte er die Farben seines Kollegen gar nicht mehr lesen können, weil er von dem schrecklichen Gekritzel von Mr. Weasley abgelenkt gewesen war.

„So“, sagte Miss Granger, bevor sie wieder zum ersten Buch griff, es aufschlug und zu sich sagte, „jetzt ist Harry dran. Wird einfach sein; war ja nur eine einzige Farbe.“ Severus spitzte die Ohren. Nachdem sie die entsprechende Seite gefunden hatte, hörte er sie erstaunt sagen: „Wow, sollte man vielleicht mal Dumbledore zeigen. Könnte ihn womöglich von seiner absurden Idee abbringen!“

Hier wurde Severus sehr neugierig, so dass er am liebsten sein Versteck aufgegeben hätte, um sich zu ihr an den Tisch zu setzen, doch dann müsste er seine Anwesenheit erklären und das wollte er nicht. So lauschte er also weiterhin ihrem Gemurmel, als sie sagte: „Gold: Bedingungslose Liebe, Herzensgüte, Gnade, Barmherzigkeit. Oh Mann, dann hatte Malfoy mit seinem ständigen ’Sankt Potter’ ja doch Recht! Harry ist offenbar ein kleiner Heiliger.“

Sie hatte es nicht ernst gemeint und lachte selbst über ihre eigenen Worte, doch die Begriffe sprachen für sich. Dass Harry allein durch den Tod seiner Mutter von Liebe umgeben war und zwar so stark, dass es ihm schon als Kleinkind bereits das Leben gerettet hatte, war selbst für Severus nichts Neues. Bei den Erinnerungen an den Tod der Potters zog sich alles in ihm zusammen, als er abrupt von einem anderen, viel stärkeren Gefühl übermannt wurde. Severus fühlte sich… beobachtet!

In der Bibliothek angekommen traute Harry seinen Augen nicht, als er Severus hinter dem Bücherregal stehend vorfand, welches ihn von Hermine trennte. Die Szenerie wirkte auf Harry nicht bedrohlich, denn es sah so aus, als würde sein Kollege nicht als Spion hier stehen, sondern nur als stiller Beobachter, der keine bösartigen Hintergedanken hegte. Severus hielt den Kopf leicht schräg, um Hermines Stimme hören zu können und während Harry sich leise seinem Kollegen näherte, redete Hermine noch immer über die Bedeutungen der Farbe Gold, als Severus’ Körper sich plötzlich sichtlich versteifte.

Miss Granger blätterte weiterhin bedenkenlos in ihren Büchern, weswegen Severus davon ausgehen durfte, dass sie ihn nicht entdeckt hatte, aber das Gefühl, observiert zu werden, war so stark, dass Severus seinen Kopf blitzschnell drehte und dann vor Schreck erstarrte. Harry stand seitlich hinter ihm und blickte ihn mit ernster Miene sehr eindringlich an. Ganz offensichtlich wollte sein junger Kollege nur seine Freundin besuchen, um sich nach ihrem Wohlergehen zu erkundigen, was er für seine „Observation“ von Miss Granger leider nicht eingeplant hatte. Er hoffte innig, dass Harry ihn vor seiner Schülerin nicht als ungebetenen Gast bloßstellen würde, aber ganz sicher, denn dass konnte er an der vorwurfsvollen Miene erkennen, würde Harry ihn später deshalb zur Rede stellen. Außerdem ging er davon aus, dass Harry seine beste Freundin – unzertrennlich wie sie waren – mit Sicherheit darüber informieren würde.

Schon lange war Severus nicht mehr in eine so unangenehme Situation geraten und wenn es mal eine Peinlichkeit in seinem Leben als Lehrer und Spion gegeben hatte, dann war es ihm egal gewesen, was die Menschen von ihm dachten, aber bei Harry und Miss Granger war es ihm nicht egal. Plötzlich änderte sich Harrys Gesichtsausdruck und Severus deutete es als Neugierde und Faszination. Sein junger Kollege näherte sich ihm einige Schritte und er schaute ihm direkt in die Augen. Für einen langen Moment hielten sie den Blickkontakt.

Dass es Severus unangenehm war, erwischt zu werden, war in dessen Mimik und an seiner Körpersprache zu erkennen, doch es war etwas ganz anderes, was Harrys Aufmerksamkeit erlangt hatte. Von Severus’ Augen ganz fasziniert näherte er sich ihm, so dass er direkt in sie blicken konnte, denn sie waren jetzt definitiv braun, viel heller und nicht mehr so nachtschwarz. Am liebsten hätte er Severus sofort gefragt, warum dessen Augenfarbe plötzlich eine andere war, aber dann würde er Hermine aufschrecken und das wollte er nicht. Er könnte ihr später erzählen, dass Severus hinter ihr gestanden hatte.

Ertappt und daher beschämt blickte Severus zunächst zu Boden, bevor er mit entschuldigendem Blick zu Harry schaute. Der kniff nur einmal kurz die Lippen zusammen, sagte jedoch nichts, um Severus’ Anwesenheit nicht zu verraten. Stattdessen ging sein junger Kollege leise an ihm vorbei und sprang, um Miss Granger zu erschrecken, mit einem Satz vor dem Bücherregal hervor. Severus hörte Miss Granger kreischen, dann mit Harry schimpfen und letztendlich laut und erleichtert lachen. Während sich die beiden umarmten, war Miss Granger so abgelenkt, dass er selbst ungehört und ungesehen das Weite suchen konnte, aber er machte sich jetzt schon Gedanken darüber, was er antworten könnte, wenn Harry ihn später fragen würde, warum er sich heimlich in der Bibliothek aufgehalten hatte.

„Harry! Schön, dass du hier bist. Bin gerade mit deiner Farbe durch. War ja nicht wirklich schwer, mein Goldjunge“, sagte sie schäkernd, so dass er lachen musste. Im Hinterkopf hatte er noch immer Severus warme braune Augen, die ihn entschuldigend anblickten und er fragte sich, ob die Veränderung der Augenfarbe etwas mit dem zu tun haben könnte, was Severus über die Farbe Gold erfahren hatte. Auf jeden Fall müsste er mit seinem Kollegen mal ein ernstes Wörtchen reden, denn so ein Verhalten konnte Harry nicht dulden, wenn es um seine Freundin ging.

Von Hermine ließ sich Harry in Stichpunkten erklären, was seine Farbe zu bedeuten hatte, während er ungefragt von ihrem Eis kostete, von dem nur noch ein winziger Rest im Becher übrig war. Sie schob ihm den Becher in stillem Einverständnis ganz hinüber, so dass er den Rest verzehren konnte, während sie die fünf Bücher per Levitation wieder zurück in die Regale befehligte. Gleich danach holte sie ein anderes Buch auf gleichem Wege zu sich, nur war dieses sehr viel dicker. Sie hatte die letzten Male immer nach ihrer Recherche darin gelesen.

„Was ist das für eins?“, fragte Harry.
Hermine stellte das dicke Buch auf den Tisch, so dass er den Titel lesen konnte, den er gleich darauf laut wiederholte: „’Die Seelen der Farben’? Was ist denn das bitteschön?“
„Das geht hier allgemein um Farben. Ist nicht ganz so esoterisch angehaucht wie ähnliche Bücher. Zum Beispiel wird die Bedeutung der Farben von Flüchen und Zaubern, der Farben von Zaubertränken und von Streelern – das sind diese Riesenschnecken, die stündlich ihre Farbe ändern – behandelt. Es erklärt, warum Wichtel blau sind oder Gnome die Farbe einer Kartoffel haben. Aber auch über Augenfarben steht was drin und was sie über das Wesen einer Person aussagen können. Ich bin noch nicht durch, aber ich habe schon ein paar interessante Abschnitte gefunden.“
Harry unterbrach sie und fragte: „Hast du wegen Severus’ Augenfarbe recherchiert oder bist du eher durch Zufall drauf gestoßen?“

Sie zog skeptisch eine Augenbraue in die Höhe, weil sie offensichtlich nicht wusste, ob Harry damit auf etwas anspielen wollte, bevor sie antwortete: „Erst einmal habe ich angefangen es zu lesen, weil es sich sehr ausführlich mit Farben an sich befasst, aber für meine Recherche wegen unserer Magiefarben hat es wenig geholfen. Trotzdem fand ich es vom Thema her sehr interessant. Ich werde aber noch ewig brauchen, bis ich es fertig gelesen habe. Siehst ja selbst, was das für ein Wälzer ist. Montag fängt die Schule an und da werde ich es mir offiziell bei Madam Pince ausleihen.“

Sie tätschelte das dicke Buch, als wäre es ein Haustier, bevor sie sagte: „Ginny müsste ja morgen oder übermorgen entbinden; der Blasensprung war gestern Abend, aber das weißt du ja sicherlich.“ Hermine grinste und fragte vorsichtig: „Hast du wieder mal bei ihr…“ Sie hielt inne, weil sie vermeiden wollte, jemand könnte dahinter kommen, dass Harry seine Angebetete heimlich mit Wobbels Hilfe besuchte. Harry jedoch nickte und strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Er war über Ginnys Zustand bestens informiert und zwar aus erster Hand.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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Beitrag von CharLue »

Langweilig finde ich die Kapitel nie!
Ich finde sie ziemlich fesselnd (:
Du hast einen sehr angenehmen Schreibstil. Hast du vielleicht vor, später Schriftstellerin zu werden? Würde ich dir sehr empfehlen ^__^
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Beitrag von Muggelchen »

Hallo CharLue,

na, dann ist gut, dass die Kapitel nie langweilig werden! Sonst hätte ich längst aufgehört.
Ob ich mal Schriftstellerin werden will? Mmmh, vielleicht wird diese FF ja nur gelesen, weil es sich um Harry Potter dreht. Würde ich nicht in Rowlings Kielwasser schwimmen, wäre möglicherweise kein Interesse an meinen Geschichten da.

Lieben Gruß,
Muggelchen




071 Zweisam - einsam




In der Nacht zum Donnerstag, den 28. August, wurde Harry von Wobbel geweckt, der ihm aufgeregt erzählte, dass Miss Weasleys Baby jetzt kommen würde. Die Wehen waren seit Stunden bereits sehr intensiv und die Zeitabstände wären immer kürzer geworden. Auch wenn der Drang groß war, so wollte Harry nicht mit Wobbel, selbst wenn er dann für alle anderen unsichtbar wäre, in diesem Moment zu Ginny gehen. Dafür ging er in seinem Wohnzimmer nervös auf und ab, fuhr sich durch die zerzausten Haare und bekam immer wieder neue Informationen von Wobbel, der zwischen Krankenzimmer und Wohnzimmer ungesehen hin und her apparierte.

Als Wobbel um halb fünf morgens wieder im Wohnzimmer erschien, fröhlich auf und ab hüpfte, in die Hände klatschte und derweil vergnügt rief „Es kommt, es kommt!“, da hielt Harry nichts mehr in seinem Wohnzimmer. Nur mit seinem Pyjama und ein paar warmen Hausschuhen bekleidet rannte er vom Erdgeschoss hinauf in den ersten Stock, um dort weiterhin in einem kleinen Vorraum auf und ab zu gehen wie schon in seinem Wohnzimmer. In diesem Moment konnte er so gut nachvollziehen, warum viele Herren der Schöpfung in gleicher Situation eine Zigarette nach der anderen rauchten, auch wenn er immer geglaubt hätte, das wäre nur ein Klischee in Filmen.

Die Tür zum Krankenzimmer öffnete sich und Harry hielt inne – genau wie Severus, der ihn mit in Falten gelegter Stirn aus schwarzen Augen anblickte, sich jedoch wieder fing und ohne einen Kommentar an das Schränkchen ging, welches sich in dem kleinen Vorraum befand. Die gestrige Begegnung in der Bibliothek schien momentan völlig vergessen. Harry beobachtete Severus dabei, wie der ganz gemächlich zwei kleine Ampullen aus dem Schrank nahm und darüber hinaus einige Handtücher per Levitation hinter sich herzog, bevor er wieder wortlos in Ginnys Zimmer verschwand.

Zehn Minuten später kam Severus erneut vor die Tür und dieses Mal blickte Harry ihn so flehend wie nur möglich an, sagte jedoch nichts, weil er wusste, dass Severus sowieso nichts preisgeben würde. Vielleicht könnte er ihn mit einem geübten Hundeblick zu einem kurzen Statement überreden, aber er hatte sich in Severus getäuscht. Der schaute nur hin und wieder zu Harry hinüber, während er betulich leere Ampullen auf ein Tischchen abstellte und andere Dinge zusammensuchte, die er mit in das Krankenzimmer nahm.

Als Severus zum dritten Mal mit leeren Fläschchen hinauskam, stürmte Harry auf ihn zu und fragte: „Sind Sie etwa mit dabei? Ich meine, so richtig nahe dran?“
Severus schnaufte einmal, bevor er mit ruhiger Stimme antwortete: „Ich bringe lediglich das hinein, was Poppy benötigt und stelle es in dem Vorraum ab. Ich gehe davon aus, dass ich der Letzte bin, den Miss Weasley jetzt an ihrer Seite sehen möchte. Und Sie können mir glauben, dass auch ich mich nicht darum reiße, dem Geschehen näher beizuwohnen als notwendig.“ Und bevor Harry noch etwas fragen konnte, verschwand Severus wieder mit Handtüchern, Ampullen und zwei kleinen Dosen, die ihm schwebend folgten.

Seufzend setzte sich Harry auf einen der Stühle und wartete. Er beobachtete ungläubig sein rechtes Bein, welches sich selbständig gemacht zu haben schien, denn es wackelte zitternd auf und ab. Wobbel erschien nicht mehr, weil es zu auffällig wäre, falls man ihn jetzt flüsternd an Harrys Seite sehen würde. Für einen Moment fragte er sich, ob es ratsamer gewesen wäre, in seinem Wohnzimmer zu bleiben, denn dort hätte er weiterhin alle Informationen erhalten, auf die er jetzt so brannte. Hier hingegen, direkt an der Tür zu Ginnys Zimmer, war er ihr zwar räumlich näher, aber niemand ließ auch nur ein Sterbenswörtchen über den Geburtsverlauf fallen. Er fragte sich, wie weit Ginny schon wäre oder ob womöglich alles schon vorbei war. Er hatte nicht im Vorfeld wissen wollen, ob es ein Mädchen oder ein Junge werden würde und so nagte besonders diese Frage an seinen Nerven.

Wieder kam Severus hinaus und dieses Mal fragte Harry gezielt: „In welcher Phase sind wir?“
„Wir?“, fragte Severus spottend zurück.
„Sie wissen schon… Ist es schon da?“, wollte Harry neugierig wissen, doch Severus antwortete nicht. „Ich möchte ja gar keine Details haben. Ich möchte nur wissen…“
Diesmal unterbrach ihn Severus sehr ungehalten, was Harry deutlich an der Stimme seines Kollegen hören konnte, als der sagte: „Ich verstehe nicht, warum Sie so einen Wirbel veranstalten. Es ist nicht einmal Ihr Kind!“
Aufgrund dieser Worte entglitten Harry sämtliche Gesichtszüge, bevor er gekränkt entgegnete: „Aber das ist doch völlig egal! Verstehen Sie das denn nicht?“ Severus verzog daraufhin nur den Mund, während er weiterhin Schubladen und Schränke öffnete und Dinge entnahm, auf die Harry nicht mehr achtete, denn in diesem Moment war er sich über eine Sache klar geworden und das sprach er auch offen aus: „Nein, Sie verstehen es wirklich nicht!“

Er konnte Severus nicht einmal böse deswegen sein, dass der seine Gefühle für Ginny und ihr Kind nicht nachvollziehen konnte. Severus warf ihm nur einen warnenden Blick zu, bevor er eine Feder nahm und etwas niederschrieb.

Harry näherte sich seinem Kollegen und fragte mit warmer Stimme: „Ich will doch niemanden etwas Böses. Ich möchte nur wissen, wie es Ginny und dem Kind geht. Warum können Sie das nicht verstehen?“
Genervt atmete Severus aus und entgegnete danach grollend: „Aber es geht Sie nichts an!“ Severus murmelte ein Schimpfwort, welches Harry nicht verstehen konnte, bevor er fortfuhr: „Sie sind nicht mit Miss Weasley verwandt und Sie haben nichts getan, um Ihre Situation zu ändern. Jetzt tun Sie mir den Gefallen und entfernen Sie sich aus dem Krankenflügel, bevor ich Poppy dazu auffordere, ein Machtwort zu sprechen!“
Jetzt war es Harry, der schnaufend ausatmete, um gleich darauf gereizt zu fragen: „Sie haben nie eine Freundin gehabt oder? Sonst könnten Sie…“

Severus warf die Feder weg und packte Harry mit beiden Händen an seinem Pyjama-Oberteil, bevor er ihn herumschleuderte und gegen die Wand presste, wodurch sich die obersten beiden Knöpfe des Hemdes lösten und auf den Boden fielen. Sie waren sich so nahe, dass sich fast ihre Nasen berührten. Severus atmete durch seine gelben, schiefen Zähne aufgebracht ein und aus, während Harry nichts anderes tat, als sich gegen die Wand zu pressen lassen. Die schwarzen Augen drohten ihm, nicht ein einziges weiteres Wort zu verlieren, doch Harry ließ sich nicht einschüchtern.

Mutig sagte er mit ruhiger Stimme: „Ich liebe Ginny und ich liebe ihr Kind und es ist völlig egal, ob es von einem anderen ist und...“

Harry hielt inne, weil er zum ersten Mal die farbliche Veränderung den Augen vor sich zum Anfassen nahe wahrnehmen konnte. Das warme Braun hatte sich während Harrys Worte langsam durch das Schwarz gekämpft, doch als er innegehalten hatte, hatte auch die Veränderung pausiert. Dunkle Wolken wollten den warmen Schein in Severus’ Augen wieder verdrängen, so dass Harry sich genötigt fühlte, einfach weiterzureden, indem er sagte: „Ich hab das Kind schon geliebt, als ich das erste Mal ihren Bauch angefasst habe.“

’Was geschieht hier nur?’, fragte sich Harry stille. Harry konnte es sehen, aber nicht begreifen und er wunderte sich darüber, was mit Severus’ Augen los war. Wie Ron schon erwähnt hatte, war es unmöglich, dass sich die Augenfarbe nach der Pubertät verändern konnte, aber jetzt war er sogar Zeuge dessen, wie sich die Augenfarbe seines Kollegen in nur wenigen Sekunden wandelte. Nach Harrys Ansicht durfte das gar nicht möglich sein! Für einen Moment dachte Harry, dass Severus womöglich irgendwann einmal in seinem Leben von einem Fluch getroffen worden war, der dafür verantwortlich zu machen wäre, doch er hatte keine Ahnung, was für ein Fluch sein sollte. Er müsste unbedingt Hermine davon berichten, notierte sich Harry in Gedanken, als gleich darauf die Tür zu Ginnys Zimmer aufgerissen wurde und Poppys Stimme zu vernehmen war, die sagte: „Severus, wo bleiben die…“

Poppy stockte, als sie Severus erblickte, der Harry am Schlafittchen hielt und ihn gegen die Wand presste. Nur langsam ließ Severus von seinem Kollegen ab, während Poppy bereits mit barschem Befehlston verlangte: „Severus, Sie bringen mir die Sachen rein, die ich brauche.“ Wortlos kam Severus ihrer Anweisung nach. Sie wandte sich an Harry und sagte in schroffem Tonfall: „Sie, Harry, gehen auf der Stelle!“ Auch Harry gehorchte, wenn auch mit betrübter Miene. Hier im Krankenflügel hatte Poppy das Sagen.

In seinem Wohnzimmer ließ Harry sich demotiviert auf das Sofa fallen. Wobbel war nicht da und er verspürte auch keinen Drang ihn zu rufen. Während er über Ginny nachdachte, nickte er ein.

Kurz nach halb sieben wurde er von einem zarten Klopfen geweckt. Harry wollte gerade schon vom Sofa aufstehen, da erschien Wobbel und öffnete die Tür. Severus trat ohne Aufforderung ins Wohnzimmer hinein. Es war offensichtlich, dass er Augenkontakt vermeiden wollte, denn sein Kollege blickte überall hin, nur nicht zu Harry.

Nachdem er die Tür geschlossen hatte, waren seine einzigen, mit Bedacht gesprochenen Worte: „Es ist ein Junge. Mutter und Kind sind wohlauf.“

Danach verschwand Severus gleich wieder und Harry und Wobbel grinsten sich breit an, bevor sich beide zusammen auf die Couch setzten und auf den Jungen mit einem ganz winzigen Schlückchen Elfenwein anstießen.

Zuhause auf ihrer Couch liegend und unter einer dicken Wolldecke gekuschelt ließ Hermine den Abend Revue passieren. Sie war nach dem Besuch in der Bibliothek recht spät nachhause gekommen, nur um Ron und Angelina vorzufinden, die beide auf genau der Couch gesessen hatten, auf der sie jetzt hoffte, endlich einmal Schlaf zu finden.

Sie erinnerte sich daran, wie Ron vorhin gesagt hatte: „Oh, Hermine, ich dachte, du würdest heute nochmal bei Harry übernachten. Ich hatte Angelina eingeladen. Ist doch okay oder?“ Natürlich hatte sie eine gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Es war offensichtlich nie leicht, wenn die Ex und die Neue aufeinander trafen, doch mit Angelina kam sie einigermaßen gut zurecht, denn man kannte sich ja bereits ganz gut.
„Ich kann auch gehen“, hatte Angelina nach Mitternacht vorgeschlagen, doch es war Hermine gewesen, die gesagt hatte, sie selbst könnte ja auf der Couch übernachten, wenn es für die beiden kein Problem wäre. Natürlich war es keines, denn Ron würde Hermine, die ja keine andere Bleibe hatte, nicht einfach vor die Tür setzen, weshalb er ihren Vorschlag begrüßt hatte. Eigentlich hatte Hermine gehofft, Ron würde Angelinas Vorschlag vorziehen.

Man unterhielt sich noch eine Weile, doch die ganzen Bemühungen, das Gespräch locker zu gestalten, ließen es ins Gegenteil mutieren. Die Atmosphäre war angespannt und bedrückend. Als Hermine den Gast gefragt hatte, warum sie beim ersten Date mit Ron alles Mögliche über Fred in Erfahrung hatte bringen wollte, kam man auf die ehemalige Beziehung an sich zu sprechen und Angelina hatte erklärte: „Weiß du, das mit Fred hat einfach nicht richtig geklappt. Wir kannten uns schon, seit wir Kinder waren. Ich liebe ihn noch immer und ich weiß, dass er mich auch liebt, aber wir passen nicht zusammen – jedenfalls nicht als Paar.“

Hermine hatte sehr lange gebraucht, um den Kloß hinunterzuschlucken, der sich auch jetzt wieder in ihrem Hals formte, wo sie nur an dieses Thema dachte. Anderen Menschen ging es also genauso wie Ron und ihr und trotzdem war diese Erleuchtung kein Trostpflaster gewesen, denn Ron hatte jetzt jemanden und sie war noch immer allein.

Sie würde keinen Schlaf mehr finden und so zog sie sich an, versorgte ihre fast verheilte Wunde am Hals, packte eine kleine Tasche mit Kleidung zum Wechseln, einigen Hygieneartikeln und anderen wichtigen Dingen, bevor sie einen Zettel schrieb:

„Guten Morgen, ihr beide,
ich werde außerhalb frühstücken und danach mit meinen Recherchen weitermachen.
Lieben Gruß,
Hermine“

Sie schlang sich den weißen Seidenschal um den Hals und verknotete ihn, so dass er nicht verrutschen konnte und den Biss zeigen würde. Sie seufzte, bevor sie ihren eigenen Zettel noch einmal las und ganz unten anfügte:

„P.S.: Ich werde heute bei Harry übernachten“

Hoffentlich würde Ron sich später einmal für die sturmfreie Bude revanchieren, dachte sie. Hermine hoffte innig, dass Harry nicht anderweitig beschäftigt wäre, denn ansonsten müsste sie sich nach einem anderen Platz zum Schlafen umsehen. Vor einiger Zeit hatte Ron erwähnt, dass beide sich eine eigene Wohnung suchen sollten und so fasste Hermine den Entschluss, erst einmal in der Winkelgasse einige Tageszeitungen mit entsprechenden Annoncen zu besorgen.

In einem kleinen Shop wählte sie drei Zeitungen: „Der Tagesprophet“, „Die Morgeneule“ und „Die Muggelpost“. Sie machte einen kleinen Abstecher in die Muggelwelt, um sich einen Becher Eis zu besorgen, den sie mit einem Kältezauber belegte, bevor sie vor die Tore von Hogwarts apparierte. Sie wollte jetzt unbedingt mit Harry reden, mit ihm gemütlich frühstücken und sich von ihm trösten lassen, doch nachdem sie an seine Tür geklopft hatte, öffnete Wobbel ihr und erklärte, dass Harry noch schlafen würde, weil er eine anstrengende Nacht gehabt hätte. Sie nickte verständnisvoll und starrte noch einen Moment auf die Tür, die Wobbel wieder geschlossen hatte. Sie wusste nicht, was sie jetzt unternehmen sollte. Sie hatte Hunger, aber sie konnte doch nicht so einfach in die große Halle gehen. Flitwick wäre sicherlich dort und würde sich womöglich wegen der Bisswunde erkundigen und das im ungünstigsten Fall vor allen Schülern. Andererseits, dachte Hermine, würde er das nicht tun, denn etwas mehr Feingefühl sprach sie ihm letztendlich doch zu.

Sie könnte ja mal heimlich einen Blick in die große Halle werfen, um zu sehen, wer schon am Tisch sitzen würde und so verwirklichte sie ihre Idee. Die Tür zur großen Halle lehnte nur an, so dass sie durch den Spalt den Tisch vorn sehen konnte. Sie betrachtete die Anwesenden: zwei Schüler, ein gertenschlanker Lehrer, den sie nicht kannte, Madam Hooch und Professor McGonagall. Weit und breit kein Flitwick und kein Snape. Hermine stählte ihre Nerven, indem sie die Augen schloss und tief ein- und ausatmete, bevor sie die Tür weiter öffnete und hindurchschritt.

Während sie den ganzen langen Weg bis nach vorn zum Frühstückstisch ging, hatte sie bereits die Aufmerksamkeit aller Anwesenden erhalten, die ihr ab und an einen Blick zuwarfen, jedoch warteten, bis sie am Tisch angelangt war, um das Wort an sie zu richten. Die beiden Schüler, ein Junge und ein Mädchen, grüßten knapp als Erste mit einem fröhlichen „Hallo“, bevor Professor McGonagall freudestrahlend ihren Platz verließ, um ihre ehemalige Schülerin persönlicher zu empfangen.

„Miss Granger! Schön, Sie wiederzusehen. Man sieht Sie ja kaum, obwohl Sie fast jeden Tag hier sind. Setzen Sie sich doch neben Professor Svelte“, schlug Professor McGonagall formell vor, denn nur aufgrund der anwesenden Schüler nannten sie sich nicht wie üblich beim Vornamen.

Professor Svelte zeigte seine guten Manieren und erhob sich von seinem Stuhl, um Hermine zu begrüßen, bevor er ihr den Stuhl neben sich anbot, indem er ihn hervorzog. Nachdem sie sich gesetzt hatte, nahm auch er wieder Platz.

Nach einem Smalltalk mit Minerva und Rolanda richtete Professor Svelte das Wort an Hermine und sie kamen prächtig miteinander aus, als sie so locker miteinander redeten. Es stellte sich heraus, dass Professor Svelte das Fach für die „Pflege magischer Geschöpfe“ ab Montag unterrichten würde, weil Hagrid der Meinung war, er wäre als Wildhüter und Hüter der Schlüssel von Hogwarts genügend ausgelastet. Hermine würde es niemals laut aussprechen, aber Hagrid hatte sich in ihren Augen als Lehrer nicht wirklich geeignet. Sicherlich war er immer nett gewesen, aber sie hatten einfach zu wenig Lernstoff verarbeitet, worüber sich Ron und Harry natürlich nie beschwert hatten.

Während Professor Svelte von magischen Tieren sprach, denen er schon einmal begegnet war, nutzte sie die Zeit, um ihn etwas genauer zu betrachten. Er war nicht nur sehr grazil und wirkte vornehm, er war auch noch gebildet und in ihren Augen gutaussehend. Sein Alter schätzte sie ähnlich wie das von Snape und Sirius, nämlich etwas über vierzig. Sein längliches Gesicht mit den hervorstehenden Wangenknochen ließen ihn edel wirken und sie fand es besonders niedlich, wenn sein hellbraunes Haar ihm über die Augen fiel. Er hatte wohl ein ähnliches Problem mit seinem Schopf wie Harry, denn die Haare waren sehr wirr und sie schienen unbändig.

„Miss Granger?“, fragte er. Sie fühlte sie ertappt, denn sie hatte ihm schon lange nicht mehr zugehört.
„Ähm, was hatten Sie bitte zuletzt gesagt?“, fragte sie verschämt.
„Ich fragte nur, ob Sie Haustiere haben. Haben Sie welche?“, wiederholte er lächelnd.
„Nein, nicht mehr. Ich hatte einen Kniesel-Mischling, aber der war schon sehr betagt, als ich ihn gekauft hatte. Da war er schon zwölf Jahre alt. Er ist mit achtzehn gestorben; ganz friedlich eingeschlafen“, sagte Hermine etwas traurig.
„Ich habe doch hoffentlich keine schlimmen Erinnerungen wachgerufen?“, fragte Professor Svelte bekümmert, doch Hermine rang sich ein Lächeln ab und schüttelte den Kopf.

Krummbein hatte ein erfülltes Leben gehabt und er hatte nicht leiden müssen, als er diese Welt verließ, was ihr den Abschied wesentlich erleichtert hatte. Danach hatte sie zwar mit dem Gedanken gespielt, sich nochmals einen Kniesel oder eine Knieselmischling zuzulegen, doch bisher hatte sie es nicht in die Tat umgesetzt, selbst wenn Arabella Figg ihr mehrmals ein Tierchen ans Herz hatte legen wollen.

Nach dem sättigenden Frühstück und der angenehmen Begegnung mit Professor Svelte machte Hermine sich auf in die Bibliothek, um noch in dem Buch „Die Seelen der Farben“ zu lesen. Harry hatte gestern ganz Recht gehabt, dass sie überwiegend wegen Snapes veränderter Augenfarbe darin gelesen hatte, aber aus einem unerfindlichen Grund hatte sie es nicht zugeben wollen.

„Hermine!“, rief plötzlich eine ihr bekannte Stimme. Harry konnte von Glück reden, dass Madam Pince die Bibliothek noch nicht wieder in ihre Gewalt gebracht hatte, denn lautes Rufen war hier verboten. „Hermine!“, sagte er aufgeregt atmend, als er bei ihr angekommen war. „Ron hat gesagt, dass du wahrscheinlich hier sein wirst.“ Er stellte sich an ihren Tisch und sagte grinsend: „So so, du übernachtest heute also bei mir. Wusste ich davon?“ Noch bevor sie antworten konnte, überbrachte er ihr die wichtigste Nachricht des Tages: „Ginny hat heute Nacht ihr Kind bekommen!“
„Nein, wirklich? Das ist ja... Ist denn auch alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt, bevor ihre Begeisterung aus ihr herausbrechen könnte. Nachdem Harry genickt hatte, schrie auch sie vor Freude: „Das ist ja fantastisch. Oh, ich freu mich für sie!“
Harry setzte sich ihr gegenüber und sagte lächelnd: „Ich wollt’s dir sofort sagen. Ron hat mich kontaktiert und mir Bescheid gegeben, dass es ein Junge ist.“
Sie grinste nur zurück und sagte verschmitzt lächelnd: „Warum habe ich nur das Gefühl, dass Rons Neuigkeit für dich keine Neuigkeit mehr war?“
„Dir kann man nichts vormachen oder? Na ja, ich weiß es aber nicht von meinem Elf. Severus hat’s mir gesagt!“, erklärte er flüsternd.
Sie machte große Augen und entgegnete: „Das hätte er gar nicht gedurft, das weißt du!“

Selbst wenn sie wussten, dass sie Ginny nicht besuchen durften, obwohl besonders er sie so gern umarmen wollte, gingen Harry und Hermine in den ersten Stock hinauf, um vielleicht Poppy abfangen zu können, damit sie die Glückwünsche übermitteln konnte. Ginny lag jetzt nach der Geburt in einem anderen, viel kleineren, aber dafür komfortableren Zimmer. Im Vorzimmer angelangt hörten sie bereits eine Menge Stimmen hinter sich, die sich näherten und gleich darauf kamen bereits die ersten Weasleys um die Ecke.

„Fred, George. Hi!“, grüßte Harry salopp. In nur wenigen Minuten hatten sich alle aufgeregten Weasleys im Vorraum zu Ginnys Krankenzimmer versammelt. Ganz zum Schluss kam Ron und natürlich war auch Angelina mit dabei. Die Zwillinge standen bei Harry und machten Scherze; nannten ihn „Onkel Harry“. Hermine musste mit ansehen, wie Angelina und Fred sich mit einem vertrauten Kuss auf den Mund grüßten, was Ron offenbar missfiel, doch als er selbst bemerkt hatte, dass er Hermine ja genauso begrüßte, da verflüchtigte sich seine Eifersucht.

Niemand bemerkte, wie Severus den Trubel aus einer dunklen Ecke heraus beobachtete.

Molly kam auf Harry zugestürmt und sie umarmte und drückte ihn an sich, als wäre er der Vater des Kindes, während sie sagte: „Harry, mein Lieber. Lass dich umarmen! Hach, ich bin ja so aufgeregt…“

Nicht weniger aufgeregt war Arthur, der von Fred und George jetzt nur noch „Opa“ genannt wurde und er freute sich sogar über diese Bezeichnung, die er leise und grinsend für sich selbst wiederholte. Keiner seiner Söhne hatte es bisher geschafft, ihn zum Großvater zu machen. Poppy kam aus Ginnys Zimmer heraus und sagte, sie alle müssten sich noch etwas gedulden, so dass sich kleine Grüppchen bildeten, die sich aufgeregt über den bevorstehenden Besuch von Mutter und Kind freuten. Harry wollte so gern dazugehören und Ginny besuchen, aber das war nicht möglich und so freute sich einfach mit den Weasleys mit. Es schien, als hätte sich das breite Lächeln in sein Gesicht eingebrannt.

Die Zwillinge, Ron und Angelina standen die ganze Zeit über bei Harry und Hermine. Hermine blieb ungewöhnlich stumm und lächelte höflichkeitshalber die ganze Zeit, hielt sich aber sehr im Hintergrund, während sie abwechselnd Angelina eifersüchtige Blicke zuwarf oder zu den anderen Weasleys hinüberschaute.

Erneut kam Poppy heraus, die nun die Weasleys hereinbat und schon prophylaktisch schimpfte, dass es bei der Menge an Besuchern unbedingt notwendig sein würde, die Lautstärke zu drosseln. Derweil hatte sie Fred und George streng angeblickt, als würde sie darüber nachdenken, bei den beiden eine Taschenkontrolle durchzuführen, um potenzielle Feuerwerkskörper zu beschlagnahmen.

Nach alle seinen Brüdern Ron wollte in das Krankenzimmer gehen und Harry bemerkte, dass er Angelina mit hineinnehmen wollte, weshalb er verdutzt fragte: „Was denn, sie darf mit rein?“
Ron druckste verlegen drumherum, doch Angelina nahm ihm die Antwort ab und sagte geradeheraus: „Wir sind jetzt verlobt, deshalb darf ich mit reingehen!“

’Das ging aber schnell!’, dachte Harry verdutzt. Die beiden waren verlobt, was bedeutete, dass Angelina nun zur Familie gehörte. Harry bemerkte nicht, wie Hermine bei der Neuigkeit kräftig schlucken musste und das Zittern ihrer Unterlippe mit einem Lächeln zu vertuschen versuchte, denn in seinem Kopf legte sich ganz plötzlich ein Schalter um.

Er stürmte zur leicht geöffneten Krankenzimmertür hinüber und Poppy zog schon ihren Zauberstab, um ihn aufzuhalten, da rief Harry so laut er konnte, damit er durch die vielen Weasleys in dem Zimmer überhaupt zu hören war, durch den Türspalt hindurch: „GINNY, WILLST DU MICH HEIRATEN?“
Schlagartig verstummten die Stimmen der Großfamilie im Krankenzimmer, so dass man Ginnys schwächliche Stimme antworten hörte: „Na klar!“

Poppy steckte ihren Zauberstab wieder weg und nickte Harry einmal befürwortend zu, so dass er die Tür weiter öffnete und noch vor Ron und Angelina das erste Mal mit offizieller Erlaubnis das Krankenzimmer betrat. Molly weinte wegen des überraschenden Heiratsantrages bereits Krokodilstränen, während Harry durch die Schneise schritt, die sieben Weasleys für ihn erstellt hatten, so dass er ohne Hindernisse bis nach vorn an Ginnys Bett gehen konnte, neben dem eine kleine Wiege stand. Zu seinem breiten Lächeln formten sich Freudentränen in seinen strahlenden Augen. Harry näherte sich ihrem Bett und bemerkte, dass er momentan genauso aussehen musste wie sie, denn auch sie lächelte und weinte gleichzeitig. Als sie ihre Arme nach ihm ausstreckte, war er mit einem Satz an ihrem Bett und drückte sie an sich. Molly musste daraufhin so laut weinen, dass Arthur seine Arme um sie schlang und sie mit streichenden Bewegungen über ihren Rücken tröstete.

Hermine stand noch immer in dem nun stillen Vorraum zu Ginnys Zimmer und wurde sich mit einem Schlag wieder über eines bewusst: Sie war allein. Selbst Harry war jetzt nicht mehr bei ihr. Er durfte zu Ginny und auch Angelina durfte zu Ginny, aber sie blieb vergessen vor der Tür stehen. Leise zitierte sie ein Hinweisschild, welches nicht gerade selten in der Muggelwelt gesehen werden konnte, indem sie murmelte: „’Wir müssen draußen bleiben!’“ Ohne dass sie etwas dagegen tun konnte, verzerrte sich ihr Gesicht und ein Schluchzer entwich ihr, doch mit einer Hand, die sie über Mund und Nase legte, konnte sie sich wieder beruhigen. Es durfte ihr nicht so viel Schmerz bereiten, denn sie hatte doch alles richtig gemacht, dachte sie. Sie hatte Ron gehen lassen, weil es das Beste für beide gewesen war, aber das war keine Erklärung dafür, warum es ihr jetzt so wehtat; warum das Alleinsein so schmerzte.

Sie schluckte erneut, bevor sie mit gesenktem Haupt zum Ausgang schlenderte, als sie nach einigen Metern plötzlich schwarze Schuhe vor sich wahrnahm und erschrocken aufblickte. Professor Snape stand an die Wand gelehnt und betrachtete sie mit ausdrucksloser Miene. Da ihr nicht nach einem Gespräch war, grüßte sie ihn im Vorbeigehen lediglich mit einem Kopfnicken, während sie sich fragte, was er hier zu suchen hatte.

Niedergeschlagen setzte Hermine ihren Weg mit schwerfälligen Schritten fort und sie hörte hinter sich, wie die Tür von Ginnys Zimmer erneut geöffnet wurde. Einen Moment später hörte sie Poppys Stimme freundlich sagen: „Ah, da sind Sie ja, Severus. Ich brauche Sie ab heute nicht mehr. Danke für Ihre Hilfe!“
„Nichts zu danken, Poppy.“
Zuletzt geändert von Muggelchen am 08.01.2009 02:22, insgesamt 1-mal geändert.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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