Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - BEENDET

Hier könnt ihr eure Fanfictions und Gedichte zu Harry und seiner Welt vorstellen.

Moderator: Modis

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Rhea
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Beitrag von Rhea »

Oh, Muggelchen!! Das ist sowas von genial, wie du Narcissa endlich klarmachen konntest, dass es da offensichtlich ein etwas spezielles Problem in ihrer Vergangenheit gibt...

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CharLue
KelpieKelpie
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Beitrag von CharLue »

Soo, hab' die letzten Kapitel auch endlich gelesen ^^
Deine Satire werde ich bei Gelegenheit auch mal lesen (:
Freu mich schon auf die nächsten Kapitel!

Lg
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Muggelchen
EuleEule
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Beitrag von Muggelchen »

Hi Nath,

dir nochmal lieben Dank für die netten Worte, da wird man ja rot :wink:

Hallo Rhea,

Narzissa wir noch einige Male mit ihren alten Ansichten konfrontiert werden, aber sie wird hoffentlich Halt bei ihrer "neuen" Familie finden. Es muss für sie schon eine seltsame und unangenehme Situation sein.

Hi CharLue,

die Satire empfehle ich wirklich sehr, aber Achtung: Essen und Trinken während des Lesens auf eigene Gefahr! :shock: :D

Mal an alle: Wenn ich fragen darf, wie alt seid ihr denn? Interssiert mich einfach mal.

Lieben Gruß,
Muggelchen




053 Das verwundete Selbst




Für den regulären Unterricht ab September benötigte Harry etwas ganz Besonderes und er wandte sich daher hilfesuchend an Remus, der ihm bei seiner Suche auch prompt behilflich sein konnte. Remus versicherte ihm, dass im Grimmauldplatz Nr.12 eine alte Chippendale Musiktruhe stehen würde, in der sich erneut ein Irrwicht häuslich eingerichtet hätte. Diese „Truhe“, denn sie sah eher aus wie ein hüfthoher Schrank mit großen Schubladen, hatte Harry mit Leichtigkeit ausfindig gemacht.

Er musste sich während seines Aufenthalts im staubigen Erbe seines Patenonkels das Gezeter von Walpurga Black anhören, denn nachdem er die Haustür geöffnet hatte, war ein starker Wind durch die Eingangshalle geweht, der für einen Moment den samtenen Vorhang, welches ihr Portrait bedeckte, in die Höhe gehoben hatte. Sie keifte und zeterte hinter dem Vorhang weiter und warf mit Beleidigungen um sich, die Harry antrieben, diesen Ort so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Mit der Truhe im Schlepptau machte er sich auf den Weg nach Hogwarts, wo er das Möbelstück im Wohnzimmer abstellte.

Nach einem unglücklichen Zwischenfall mit Anne, die staunend das Stückchen kostbare Muggel-Antiquität begutachtet hatte und plötzlich versehentlich ihrem eigenen Irrwicht gegenüberstehen musste – einem jungen Mann mit Irokesenhaarschnitt, der sie grob beleidigte und sie mit einem Messer bedrohte – suchte Harry nach einem Ort in der Schule, an welchem sich so ein Versehen nicht wiederholen würde. Minerva gab ihm den Ratschlag, einen Raum in den Kerkern zu verwenden, der zu Severus’ Bereich gehörte. Kurzerhand bat Harry seinen älteren Kollegen, nach Feierabend bei ihm vorbeizuschauen und gleich darauf verließ er den Frühstückstisch und einen verdutzten Severus.

Nach einem erstaunlich ruhigen Unterrichtstag kam Severus der Bitte seines jüngeren Kollegen nach. Auf dem Weg nach oben ins Erdgeschoss grübelte er darüber nach, was Harry wohl von ihm wollen könnte. Es hatte sich den ganzen Tag über bedauerlicherweise keine Möglichkeit ergeben, zumindest einen Anhaltspunkt von seinem Kollegen zu erhalten. Severus hasste es, keinerlei Informationen zu haben, weil er sich somit nicht auf ein bevorstehendes Gespräch vorbereiten konnte.

Es würde ihn nicht überraschen, wenn Arthur sich demnächst bei ihm melden würde, um ein Treffen zu vereinbaren, denn der wollte sich noch wegen Tyler erkundigen, dem Attentäter von Miss Beerbaum, den Severus per Legilimentik während der Gerichtsverhandlung ausspioniert hatte. Bisher hatte der Minister offenbar keine Zeit gefunden, was Severus untröstlich fand, denn er wollte ihm unbedingt mitteilen, dass er seinen ehemaligen Schüler Gregory Goyle in Tylers Erinnerungen gesehen hatte. Mit jemand anderem konnte er nicht darüber reden, allein schon deshalb nicht, damit Arthur nicht in Schwierigkeiten kommen würde.

Doch was könnte es sein, weswegen Harry um ein Treffen gebeten hatte? Er könnte alles Mögliche von ihm wollen. Er könnte wegen dem Orden des Phönix ein Gespräch mit ihm suchen oder… Severus wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Harry die Tür in dem Moment öffnete, als er gerade anklopfen wollte. Aufgeregt fasste Harry sich an die Brust, weil er sich erschrocken hatte.

„Severus, gut dass Sie da sind. Ich wollte eben schauen, ob ich Sie schon auf dem Gang sehe.“

Nachdem Severus hereingebeten worden war, fiel ihm sofort die räumliche Veränderung auf. Mitten im Raum stand ein hüfthoher dunkelbrauner Schrank mit vier Schubladen. In einer Ecke des Wohnzimmers erblickte Severus ein wenig Chaos, denn dort waren mehrere große Kisten abgestellt. Offenbar war Harry dabei, ein wenig umzuräumen.

„Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Harry?“
„Möchten Sie erst eine Tasse Tee? Ach nein, um die Zeit bevorzugen Sie ja etwas Anderes. Dann einen Schluck Wein?“, fragte Harry, der bereits für sich und seinen Kollegen ein Glas von dem Weißwein einschenkte, den er von Minerva zu Weihnachten erhalten hatte. Nachdem er Severus das Glas gereicht hatte, erklärte Harry: „Minerva sagte, Sie hätten bestimmt einen Raum in den Kerkern, den Sie nicht nutzen würden. Ich wollte fragen, ob ich dort etwas unterstellen dürfte.“
„Die Kerker stehen mir komplett zur Verfügung. Bis auf einen Raum, in dem Filch seine Reinigungsutensilien aufbewahrt und einen Raum, in welchem ausrangierte Möbel stehen, hat sonst kein Lehrer Verwendung für kühle, feuchte Zimmer“, sagte Severus, der am Ende seines Satzes eine Augenbraue hob und Harry somit aufforderte zu offenbaren, weswegen er einen Raum benötigen würde.

Mit einer Bewegung seines Kopfes zeigte Harry hinüber zur Musiktruhe und sagte: „Da ist ein Irrwicht drin und es, na ja, es gab schon einen Zwischenfall. Ich möchte den Schrank nicht hier stehen lassen. Wenn im Kerker sowieso kaum jemand was abstellt, wäre das doch der ideale Platz. Da könnte ich den Schrank zwischenlagern, damit kein Schüler versehentlich Bekanntschaft mit seiner größten Angst macht. Darf ich den Schrank in den Kerkern lagern?“
„Es gab schon einen Zwischenfall?“, fragte Severus mit zusammengezogenen Augenbrauen.
„Ja, Anne hat sich den Schrank angesehen. Sie meinte, er wäre eine Antiquität. Chippendale ist ein Möbelstil in der Muggelwelt, wissen Sie? Sie hat aus Versehen den Irrwicht befreit und…“
Harry hielt inne, doch Severus forderte ernsthaft und mit großem Interesse: „Oh bitte, erzählen Sie mir, welche Form ein Irrwicht bei einem Muggel annehmen kann!“
„Es war der Mann, der sie einmal überfallen hat. Sie hat im Nachhinein erzählt, dass sie mal in der U-Bahn…“ Aufgrund des fragenden Blickes erklärte Harry kurz: „Das ist ein Beförderungsmittel bei Muggeln. Sie ist in der U-Bahn von einem jungen Mann überfallen worden, der ihr ein Messer an die Kehle gehalten hatte. Die Gestalt dieses Mannes hat der Irrwicht angenommen!“

Nachdem beide auf dem Sofa Platz genommen hatte, dachte Severus einen Moment lang nach und kostete derweil seinen Wein. Nach einer Weile sagte er: „Der beste Platz wäre mein Privatbüro. Die Slytherins sind äußerst erfolgreich darin, verschlossene Türen zu öffnen. Bei den meisten Räumen ist es mir egal, wer die Schutzzauber durchbricht und dort seine Nase reinsteckt, aber die von mir intensiv genutzten Räume sind sicher vor jeglicher Art von unbefugtem Zutritt. Ich möchte nicht riskieren, dass ein Schüler aus meinem Haus…“
„Kein Problem! Wenn Sie der Schrank nicht stört und er keinen Platz wegnimmt… Ich kann ihn morgen vorbeibringen, wenn Sie Zeit haben“, schlug Harry vor.
„Glauben Sie, ich hätte den Vorschlag gemacht, wenn es mich stören würde oder ich der Meinung wäre, der Schrank würde meine Räumlichkeiten voll stellen?“, fragte Snape nicht sehr ernst, woraufhin Harry grinsen musste.

Sie unterhielten sich beide noch ein wenig über das Thema Irrwicht, bis Harry das Gespräch auf Schüler und dann auf Kinder an sich lenkte. Er erzählte seinem älteren Kollegen, wie sehr er Kinder mochte, doch bemerkte er auch, dass Severus sich bei dem Thema nicht wohl zu fühlen schien.

Ehrlich gab Severus zu: „Kinder bedeuten mir nicht allzu viel und noch weniger könnte ich über sie so ins Schwärmen kommen wie Sie es gerade tun, Harry.“
Hier stutzte Harry, bevor er fragte: „Hab ich das missverstanden? Sind Sie nun Dracos Pate oder nicht?“ Nachdem Severus genickt hatte, sagte Harry lächelnd, aber vorsichtig: „Würde mich wirklich mal interessieren, wie Sie sein Pate geworden sind. Ich meine, wenn Sie mit Kindern eigentlich nichts anfangen können, warum…?“
Severus unterbracht ihn und schilderte: „Es war eine Ehre, von einem wohlhabenden und angesehenen Ehepaar gebeten zu werden, der Pate ihres Erstgeborenen zu werden. Das ließ mich nicht lange zögern.“
„Wie alt waren Sie?“, fragte Harry neugierig.
„Zwanzig, aber warum interessiert es Sie so sehr?“, fragte Severus mit hörbarem Misstrauen in der Stimme, was Harry klarmachte, nicht so grob in der Vergangenheit stochern zu dürfen.
„Ach nur so… Sich mit zwanzig darüber bewusst zu sein, für das Patenkind sorgen zu müssen, wenn den Eltern etwas zustoßen sollte, ist schon bemerkenswert, finde ich“, sagte Harry lobend, doch Severus schnaufte nur einmal, als wolle er damit sagen, dass er sich damals keinesfalls über seine Pflichten als Pate bewusst gewesen war.

Harry nippte an seinem Wein und schaute sich in seinem Wohnzimmer um, bis sein Blick auf die Kisten fiel, die die alten Sachen von Sirius und die seiner Eltern beinhalteten. Er hatte sie dort abgelegt, damit er sie demnächst mal komplett durchforsten konnte. Die oberste Kiste hatte er erst gestern hinzugestellt, denn da waren die wenigen Habseligkeiten verstaut, die er von den Dursleys mitgenommen hatte und die er in den nächsten Tagen ebenfalls durchschauen und aussortieren wollte.

Bevor Harry etwas Falsches bezüglich Severus’ Vergangenheit fragen würde, wechselte er das Thema und sagte fröhlich: „Ich hab übrigens Bilder von Ihnen gefunden. Wollen Sie sie vielleicht mal sehen?“ Ohne auf eine Antwort zu warten stand Harry bereits auf und ging zu den Kisten hinüber. Sie waren übereinander gestapelt, weswegen er seinen Zauberstab zückte, um die oberste Kiste mit den Dingen aus dem Ligusterweg per Levitation zu bewegen, damit er an die untere von seinen Eltern herankommen könnte.

Severus folgte ihm erst mit den Augen, erhob sich jedoch gleich darauf von der Couch und kam einen Schritt auf Harry zu.

„Das ist nicht notwendig!“, warf er etwas zu bestimmend ein, denn er sprach sehr laut und klang sehr verärgert. Harry war über den Tonfall so erstaunt, so dass er sich abrupt umdrehte und somit die Kontrolle über die Pappkiste verlor. Die Kiste stieß leicht an Severus’ Oberarm, plumpste seitlich vor dessen Füße und verteilte den Inhalt vor ihm auf dem Boden.

„Tut mir…“, Harry hielt mit seiner Entschuldigung abrupt inne, als er Severus’ schockierten Gesichtsausdruck erblickte. Sein Kollege starrte mit weit aufgerissenen Augen und offen stehendem Mund auf den Boden, auf dem sich der ausgekippte Inhalt der Kiste verteilt hatte, doch es war nicht das aufgeschlagene Fotoalbum mit Bildern seiner Eltern, welches ihm Hagrid Ende des ersten Schuljahres geschenkt hatte, auch nicht die Spielfiguren von berittenen Cowboys und Indianern oder Harrys alte Schulsachen, auf die Severus seinen Blick gerichtet hatte. Es war der Teil einer kleinen, beigefarbenen Decke mit blauen, roten und gelben Quer- und Längsstreifen, die kontrastreich auf dem schwarzen Schuh ruhte. Mit dem anderen Fuß war Severus bereits einen Schritt zurückgewichen, als wollte er fliehen, doch es schien fast, als wäre der Schuh, auf dem der Teil der Decke lag, am Boden festgenagelt. Hörbar beschleunigte sich Severus’ Atmung, so dass dessen Nasenflügel bebten. Sein Gesicht war weiß wie eine Kalkwand und sein Körper schien wie versteinert.

„Severus?“, fragte Harry vorsichtig, doch der war nicht ansprechbar. Er bemerkte, wie Severus versuchte, seinen Fuß unter der Decke hervorzuziehen, doch er schaffte es nicht. „Severus?“, fragte er dieses Mal lauter, aber noch immer reagierte sein Kollege nicht. Stattdessen standen ihm bereits kleine, fast unscheinbare Schweißperlen auf der blassen Stirn und Severus atmete nun nicht mehr durch die Nase, sondern heftig durch den Mund, was Harry sehr besorgte.

Harry blickte hinunter zur Decke. Er maß dem Stück Stoff nicht viel Bedeutung bei, nur soviel, dass diese Decke das Einzige darstellte, das von Anfang an ihm allein gehört hatte. Er konnte sich nicht erklären, warum Severus so seltsam reagierte und realisierte Harry den ersten Gedanken, der ihm durch den Kopf geschossen war, um Severus zu befreien. Er hob seinen Stab und zauberte die Decke zurück in die jetzt leere Kiste. Auf der Stelle, wie er es gehofft hatte, regte sich sein Kollege wieder, nachdem die Decke aus dessen Blickfeld verschwunden war, doch er wirkte weiterhin sehr mitgenommen.

„Severus?“, fragte Harry zum dritten Mal und erst jetzt blickten ihn die sonst immer so pechschwarzen Augen an, die nun mit einem Male einen ungewöhnlich brauen, warmen Schimmer in sich bargen.

Ohne dass Severus sich zu diesem Vorfall äußerte, wandte er sich schlagartig von Harry ab und stürmte aufgebracht zur Tür hinaus. Nach einer Schocksekunde eilte Harry ihm hinterher. Auf der Treppe in die Kerker wäre er beinahe gefallen, doch er schaffte es noch rechtzeitig, sich am Geländer festzuhalten.

Harry durfte ihn nicht aufhalten, indem er ihn am Arm herumriss, wie er es schon einmal getan hatte, denn Severus hatte damals gesagt, er solle sich hüten ihn anzufassen. So blieb ihm keine andere Wahl, als ihm schnell hinterherzulaufen und ihn währenddessen beim Namen zu rufen, doch Severus blieb einfach nicht stehen. Er lief weg und es erweckte den Anschein, als würde Severus nicht vor ihm, sondern vor etwas anderem davonlaufen.

All seine Kraft zusammennehmend sprintete Harry wie ein Olympiasportler hinterher, so dass er tatsächlich Severus überholen und sich einfach vor ihn stellen konnte. Als sein Kollege ihn erblickte, hielt er abrupt inne und stützte sich schnaufend mit einer zittrigen Hand an dem kalten Mauerwerk der Kerker ab.

Etwas aus der Puste gekommen fragte Harry ihn besorgt: „Severus? Was ist geschehen?“
Severus atmete sehr hastig und stockend, aber nicht, weil er gerannt war, doch er riss sich zusammen und antwortete, während er es vermied, Harry in die Augen zu sehen: „Es geht schon. Ich fühle mich nur etwas“, er suchte nach einem Wort und fügte nach einem Moment hinzu, „indisponiert.“

Der Zaubertränkelehrer wollte Harry bereits passieren, als der ihn nun doch ganz zaghaft am Oberarm berührte – nicht festhielt – und mit leiser Stimme sagte: „Irgendetwas ist doch mit Ihnen. Ich bin doch nicht blind. Severus, bitte sagen Sie mir, was los ist!“

Als Severus aufblickte, fielen Harry erneut die dunklen Iriden seines Kollegen auf, die jetzt so außergewöhnlich warm flimmerten, wie er es noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. Sie erinnerten ihn ganz plötzlich an die liebenswerten Augen von Hagrid. Schon im ersten Schuljahr hatte Harry in Gedanken einmal die dunklen Augenfarben der beiden Männer verglichen, doch damals konnten die frostigen Augen von Severus nicht gegen Hagrids ankommen, die so viel Güte ausstrahlten.

Bisher hatte Severus nicht geantwortet, doch er war auch nicht im Begriff, seinen Weg fortzusetzen, so dass Harry ehrlich anbot: „Ich möchte Ihnen helfen, Severus. Sagen Sie mir nur, wie ich das kann!“
Severus schluckte hörbar und zitterte unmerklich am ganzen Leib, bevor er mit flüsternder Stimme verzweifelt entgegnete: „Ich weiß nicht, wie, Harry.“ Die noch nie da gewesenen, warmherzigen Augen blickten Harry eindringlich an und erflehten geradezu Hilfe, doch Severus wiederholte lediglich noch leiser als zuvor: „Ich weiß nicht, wie…“

Harry wusste, dass er handeln musste. Er war sich im Klaren darüber, dass Severus momentan wieder „anders“ war. Irgendetwas musste ihn vorhin aus der Bahn geworfen haben; musste ihn überwältigt haben, so dass er jetzt nicht mehr der Alte war, selbst wenn er es sein wollte, doch Harry war völlig hilflos, denn ohne einen Anhaltspunkt könnte er nichts anderes machen als ihm jetzt beizustehen, was auch immer Severus gerade durchlebte. Es kam schon selten genug vor, in Severus’ Mimik überhaupt einmal ein Gefühl erkennen zu können, doch momentan schien sein Kollege von so vielen Empfindungen auf einmal heimgesucht zu werden, so dass Harry lediglich bitten konnte: „Sagen Sie mir, was in Ihnen vorgeht.“ Sachte schüttelte Severus den Kopf, doch Harry bestand mit seiner ruhigen Art auf eine Antwort, indem er mit friedvoller, vertrauter Stimme erklärte: „Wie soll ich denn helfen können, wenn ich nicht weiß, was mit Ihnen ist? Sie wissen es doch selbst nicht. Severus, bitte! Sagen Sie mir, was jetzt anders bei Ihnen ist als sonst!“

In den wenigen Minuten, die Severus benötigte, um sich zu sammeln, betrachtete Harry sein Gegenüber genau. Die Schweißperlen auf der Stirn waren bereits verdunstet, doch Severus wirkte dadurch nicht weniger aufgewühlt als zuvor. Noch immer atmete er heftig und er zitterte unaufhörlich. Harry konnte einen kurzen Blick auf den sonst immer durch den Stehkragen verdeckten Hals erhaschen und er bemerkte die schnell pulsierende Stelle, unter der sich die Halsschlagader verbarg.

Seine Geduld hatte sich ausgezahlt, denn endlich konnte der Zaubertränkelehrer sich dazu durchringen, zumindest zu versuchen, auf Harrys Bitte hin eine Antwort zu geben. So leise wie das Surren eines Insekts sagte Severus stockend, als wollte er mit Bedacht die richtigen Worte finden: „Da ist“, Severus linker Arm zuckte kurz, „so ein… Druck.“ Severus Augenbrauen zogen sich zusammen, als würde das, was er eben beschrieben hatte, ihm physische Schmerzen bereiten.
Mit einfühlsamer Stimme, fast hauchend, fragte Harry: „Wo?“
Wieder zuckte sein linker Arm, bevor Severus ihn leicht anhob und zögerlich mit seinen Fingerspitzen federleicht auf die Stelle deutete, an der sich sein Herz befand.

Harry glaubte, genau zu wissen, welches Gefühl Severus hatte beschreiben wollen. Es konnte sich nur um so ein Gefühl handeln, wie er es selbst hatte ertragen müssen, als er um Cedric, Sirius und Albus getrauert hatte, denn was sonst könnte der Zaubertränkemeister mit „Druck“ meinen? Was dieses Gefühl in Severus ausgelöst hatte, war ihm jedoch ein Rätsel.

Verständnisvoll nickte Harry, bevor er abermals eine Hand auf Severus’ Oberarm legte und ihm anbot: „Ich werde Sie auf Ihr Zimmer begleiten. Kommen Sie, das wird schon wieder.“ Severus gestattete die Berührung am Arm und ließ sich willig zu seinem Zimmer begleiten.

Wie einen alten gebrechlichen Mann führte Harry ihn am Oberarm stützend durch die Kerker, bis sie an dem Portrait angelangt waren. Das Gemälde von Salazar öffnete kommentarlos den Eingang, wenn auch der Gründer über Severus’ Anblick sehr erschüttert schien. Severus hatte kein weiteres Wort gesprochen, während die beiden nebeneinander gegangen waren. Er ließ sich von Harry zur Couch führen und setzte sich. Wortlos nahm er das Glas Feuerwhisky entgegen, von welchem er jedoch nicht trank. Starr blickte er auf einen Punkt auf den Tisch vor sich und so verharrte er versteinert und regte sich nicht einmal, als Harry sich neben ihn setzte und ihn von der Seite mit bekümmertem Gesichtsausdruck betrachtete. Der Hund kam winselnd angeschlichen, setzte sich vor Severus und legte den weißen Kopf mit den hängenden Ohren auf dessen Knie ab, doch Severus rührte sich auch jetzt nicht.

Besorgt fragte Harry, auch wenn er sich dabei etwas dumm vorkam: „Das ist aber kein Herzinfarkt oder? Ich meine, das würde sicherlich ganz anders aussehen.“ Um Harry zu beruhigen schüttelte Severus verneinend den Kopf, bevor Harry nochmals eine Frage stellte: „Möchten Sie vielleicht zu Poppy? Ich würde Sie begleiten.“
Mit ermattet und hoffnungslos klingender Stimme flüsterte Severus: „Poppy kann mir nicht helfen, Harry.“
Die Antwort machte Harry stutzig, weswegen er es nicht lassen konnte, mitfühlend zu fragen: „Sie sind aber nicht schwer krank oder?“ Wieder verneinte Severus wortlos.

Den Whisky hatte Severus bisher nicht ein einziges Mal angerührt, weswegen Harry ihm das Glas wieder aus der Hand nahm und es auf den Tisch stellte, worüber Severus sich nicht beschwerte. Die beiden Männer saßen eine ganze Weile still nebeneinander auf der Couch und in dieser Zeit bemerkte Harry, dass sein Kollege zwar nicht mehr heftig atmete oder stark zitterte, sondern allgemein ruhiger geworden war, doch dass der Druck, von dem er gesprochen hatte, noch immer auf ihm zu lasten schien. Severus war sichtlich niedergeschlagen.

„Ist der Druck noch da?“, fragte Harry kleinlaut, weil er befürchtete, sein Kollege würde ihn wegen der lästigen Fragerei womöglich für aufdringlich halten. Ein Nicken war die bejahende Antwort auf die Frage, weswegen Harry, dem seine eigene Hartnäckigkeit langsam selbst etwas unangenehm wurde, noch die wichtige Frage stellte: „Wissen Sie, was das ausgelöst hat?“
Für einen Moment schien Severus den Atem anzuhalten, bevor er kurz und knapp erwiderte: „Die Decke…“ Er wollte offenbar mehr sagen, doch Severus verstummte. Harry kam nicht dazu, weitere Fragen zu stellen, denn Severus bat ihn mit ausgelaugt klingender Stimme: „Würden Sie mir einen Gefallen tun?“
„Ja natürlich!“, antwortete Harry wie aus der Pistole geschossen.
„Würden Sie in mein Labor gehen und Miss Granger nachhause schicken? Ich vermag heute nicht mehr zu arbeiten“, sagte Severus sehr schwächlich. Harry nickte, obwohl er diese Bitte beängstigend fand, denn Severus hatte in den ganzen Jahren, die Harry in Hogwarts zur Schule gegangen war, kein einziges Mal wegen Krankheit gefehlt.

Fürsorglich fragte er seinen schwermütigen Kollegen: „Kann ich sonst noch etwas für Sie tun? Soll ich vielleicht noch einen Moment hier bleiben oder später nochmal nach Ihnen schauen?“
Abermals schüttelte Severus den Kopf, bevor er leise bat: „Vielleicht wäre es besser, wenn Sie mich jetzt allein lassen.“

Einen enttäuschten Seufzer konnte Harry nicht unterdrücken, denn „allein gelassen werden“ war besonders bei deprimierten Menschen ein Wunsch, den er nur sehr ungern erfüllen wollte. Doch Harry war lange genug aufdringlich gewesen und verabschiedete sich daher von ihm und wünschte Severus eine gute Besserung, wenn er auch im Dunkeln tappte, was seinem Kollegen wohl fehlen mochte.

Einige Zimmer weiter öffnete Harry die Tür zum Labor, in welchem Hermine bereits Zutaten zerkleinerte. Ohne aufzublicken sagte sie enthusiastisch: „Hallo Professor Snape, wie wäre es, wenn wir heute mit dem…“ Erst jetzt blickte sie freudestrahlend auf, doch sie verstummte und ihr Lächeln verblasste, als sie ihren besten Freund erblickte.

„Harry? Was machst du denn hier?“ Sie betrachtete ihn und bemerkte sofort, dass ihm etwas fehlte, weshalb sie alles stehen und liegen ließ, sich ihrem Freund näherte und besorgt fragte: „Was ist denn nur passiert, Harry? Du siehst völlig fertig aus.“
Er setzte sich auf einen dreifüßigen Schemel, der am Arbeitstisch stand, und erklärte bedrückt: „Ich komme eben von ihm. Hermine, er sieht gar nicht gut aus! Ich weiß nicht genau, was mit ihm los ist, aber…“
Sie unterbrach ihn und fragte neugierig: „Er ist im Moment wieder in diesem ’Ausnahmezustand’?“ Harry bejahte wortlos, weshalb sie besorgt fragte: „Er hat dir doch nichts angetan oder, Harry?“
Er verneinte kopfschüttelnd, bevor er entkräftet Severus’ Botschaft ausrichtete und sagte: „Er hat mich gebeten, dich nachhause zu schicken, Mine. Er fühlt sich nicht besonders. Ich glaube, er leidet.“ Harry fasste sich an die Stirn und schloss die Augen, bevor er hinzufügte: „Ich glaube, ich fühle mich auch nicht wohl.“

Nachdem Harry einmal geseufzt hatte, spürte er plötzlich einen warmen Körper und Arme, die ihn beherzt drückten. Hermine gab ihm das, was in solchen Momenten immer am besten half: Eine liebevolle und kräftige Umarmung.
Zuletzt geändert von Muggelchen am 22.01.2011 04:05, insgesamt 1-mal geändert.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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CharLue
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Beitrag von CharLue »

Mensch, hoffentlich wird der 'Ausnahmezustand' bei Severus irgendwann nochmal genauer erklärt. Aber ich hab' da so meine Vermutungen ... :wink:
Sag' mal ... wird eigtl. noch erklärt, wie Dumbledore es geschafft hat, "wiederzukommen"? Also im 6. ist er ja von Severus umgebracht worden und wie er das trotzdem überlebt hat?

Achja, ich bin fast 16 ^^

Lg

Edit: Ich hab' die Satire gelesen und was soll ich dazu sagen .... sehr interessant xD
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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

Hi CharLue,

Severus' "Ausnahmezustand" wird noch einigen Kummer bereiten und... warum hältst du mit deinen Vermutungen zurück? Ich will sie alle hören :D
Es wird später auch noch erklärt, wie Dumbledore den Tod überwunden hat und den von Sirius gleich noch dazu, aber der Gute ist ja ein Mann, der sich ungern in die Karten schauen lässt. Man muss ihn schon damit konfrontieren oder selbst drauf kommen, um dieses Geheimnis zu lüften. Hast du eine Idee? :wink:

So so, "fast 16 Jahre alt", aber die Satire gelesen... Na ja, ist auch egal, die jüngste Leserin war elf und die fand die FF auch klasse, vor allem so wahr. :smile:

Lieben Gruß,
Muggelchen




054 Herzflimmern




Harry war noch eine ganze Weile bei Hermine im Labor geblieben und hatte mit ihr gesprochen; sich von ihr trösten lassen. Er hatte gehofft, erneut Severus anzutreffen, wenn er den Hund für den abendlichen Spaziergang abholen würde, damit er sich nach seinem Wohlergehen erkundigen könnte, doch offenbar hatte sich sein Kollege für den restlichen Tag komplett zurückgezogen.

Nach dem Spaziergang brachte er den Hund zurück und trottete danach etwas niedergeschlagen in sein Zimmer, nur um dort Sirius anzutreffen, der per Levitation die Unordnung auf dem Boden beseitigte, die Harry zurückgelassen hatte.

Als er seinen Patensohn bemerkte, fragte er: „Was ist hier denn nur los gewesen?“
Nicht ganz ehrlich erwiderte Harry: „Ich musste schnell weg und bin über die Kiste gestolpert.“
Während er die kleine Decke in der Luft schweben ließ, fragte er Harry mit verzogenem Gesicht: „Willst du dieses mottenzerfressene Ding nicht endlich mal loswerden? Ich könnt es gleich in den Kamin…“
„Nein! Nein, leg sie in die Kiste“, sagte Harry, bevor er hinzufügte, „bitte!“

Es schien seinem Patenonkel zu missfallen, dass er sie behalten wollte. Ihm kam es seltsam vor, dass Sirius der Decke immerhin so viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte, dass er sie angesprochen hatte, weswegen Harry sagte: „Das ist die Decke, mit der Albus mich bei meiner Tante abgelegt hat. Die möchte ich behalten.“
Sein Patenonkel schnaufte verächtlich, bevor er sagte: „Ich weiß zwar nicht, warum du dich gerade daran erinnern möchtest, aber bitteschön.“
„Als ob ich mich daran erinnern könnte“, sagte Harry augenrollend. „Ich war doch viel zu klein! Nein, ich erinnere mich nicht dran, aber es ist eben meine Decke – das Einzige, was mir in der ganzen Zeit, in der ich bei den Dursleys gelebt habe, allein gehört hatte. Ich hatte sonst nichts Eigenes, Sirius. Das verstehst du doch oder?“, fragte Harry, woraufhin Sirius mit sich selbst im Zwiespalt zu stehen schien, doch letztendlich nickte er und ließ die Decke in die Kiste schweben.

Eine große Bedeutung hatte die Decke für Harry tatsächlich nicht, aber sie war, wie er es auch Sirius erklärt hatte, das Einzige, was ihm sein Leben lang allein gehört hatte. Während sonst Dudley derjenige gewesen war, der alles besessen hatte, auch wenn er mit all den Geschenken kaum was anzufangen wusste, bekam Harry zwar ab und an die kaputten oder ausrangierten Sachen seines Cousins, doch selbst die gehörten ihm nicht. Wenn Harry damals im Ligusterweg von der Hausarbeit müde gewesen war oder wenn er von Onkel Vernon oder Dudley und seiner Bande eine Tracht Prügel hatte einstecken müssen, dann hatte ihm die Decke abends beim Einschlafen geholfen.

Sirius’ ablehnendes Verhalten kam Harry nicht nur sehr merkwürdig vor, sondern ließ die Frage aufkommen, warum sein Patenonkel beim Anblick der Decke das Gesicht verzogen hatte, ganz so, als würde er Severus persönlich gegenüberstehen.

Nachdem Sirius sich bereits in sein Schlafzimmer zurückgezogen hatte, nahm Harry die Decke in die Hand und starrte sie an, während seine Gedanken sich zu überschlagen schienen. Ganz plötzlich durchfuhr ihn ein Geistesblitz. Natürlich musste die Decke etwas mit Severus zu tun haben; sie musste wenigstens mit irgendeiner Situation aus der Vergangenheit in Zusammenhang stehen, doch seinen Patenonkel konnte und wollte Harry deswegen nicht fragen. Sirius und Severus waren sich noch immer nicht ganz grün, auch wenn sie ihre Feindseligkeiten mittlerweile auf pure Beleidigungen beschränkt hatten. Er musste jemanden wegen dieser Decke fragen und der Einzige, der ihm aus früheren Zeiten etwas Genaueres sagen konnte, war natürlich Remus.

Per Zauber verkleinerte Harry die Decke und steckte sie in seine Hosentasche, bevor er hinüber zum Kamin ging. Trotz der vorangeschrittenen Stunde nutzte er die Gelegenheit, über das Flohnetz mit Remus Kontakt aufzunehmen. Remus meldete sich und er sah etwas müde aus, als er mit ermatteter Stimme fragte: „Harry, ich hoffe, es ist alles in Ordnung. Gibt es ein Problem?“
„Nein, kein Problem, aber etwas Dringendes. Ich weiß, es ist schon nach elf, aber ich würde wirklich gern bei dir vorbeischauen. Nur ganz kurz – versprochen!“
„Harry, ich weiß nicht. Ich bin ziemlich…“, Remus konnte seinen Satz nicht beenden.
Sirius hatte sein Schlafzimmer wieder verlassen und hörte Harry mit Remus sprechen, bevor er sich in die Unterhaltung einmischte und mit breitem Lächeln sagte: „Hey Remus, altes Haus. Lass uns beide vorbeikommen! Wir werden dich auch rundum bemuttern. Du brauchst keinen Finger krumm zu machen.“ Sirius ließ weder Harry noch Remus eine Möglichkeit zu antworten, denn er stand bereits im Kamin, zog Harry zu sich heran und flohte zu Remus.

In seiner kleinen, aufgeräumten Stube neben dem Kamin stand Remus und schaute etwas verdutzt aus der Wäsche, nachdem seine beiden Freunde ihn einfach überrumpelt hatten. Er hatte sich bereits zum Schlafengehen umgezogen und es schien ihm etwas unangenehm zu sein, dass Harry ihn das erste Mal im Nachthemd sah. Mit einem einzigen Blick entschuldigte sich Harry bei Remus, denn er wollte wirklich nicht lange bleiben und schon gar nicht wollte er Sirius mitbringen.

Wie Sirius es versprochen hatte, wollte er seinen alten Freund bemuttern, doch er stellte mit bekümmerter Miene fest, dass es in den Schränken der kleinen Küche nicht sehr viel zu holen gab, was er seinem Freund anbieten konnte. Eine angebrochene Packung Butterkekse und etliche Teebeutel schienen das Highlight der Küche darzustellen. Remus überraschte seinen Besuch jedoch mit einer riesigen Kiste voller Süßigkeiten, aus der sich seine Gäste nach Belieben bedienen duften.

Remus hatte sich ein Morgenmantel übergezogen und auf der schmalen Couch Platz genommen. Es war ihm anzusehen, dass er müde und geschafft war, auch wenn er das seinen Freunden gegenüber niemals zugeben würde. Sirius war bereits auf Hochtouren und plauderte fröhlich drauf los. Er erzählte von Anne und was sie in den letzten Tagen zusammen unternommen hatten. Sogar den unvorhergesehenen Besuch von Narzissas schnitt er an und er machte die Frau derweil nieder, woraufhin Remus lediglich trocken konterte, dass er sie eigentlich sehr nett fand. Nur kurz hatte er mit dieser Aussage Sirius doch tatsächlich mundtot gemacht, aber schon bald machte er wieder Witzchen und erzählte ein paar Anekdoten.

Mit einer Hand knetete Harry die verkleinerte Decke in seiner Hosentasche, während er gelangweilt den Schilderungen seines Patenonkels lauschte, die ihn im Moment nicht einmal auch nur ein wenig aufheitern wollten wie sie es sonst taten. Mit seinen Gedanken war er bei Severus, dem es heute so schlecht gegangen war, dass Harry sich aufrichtig um ihn sorgte. Ihn interessierte es im Augenblick nur, hinter das Geheimnis der Decke zu kommen, denn so könnte er vielleicht Licht ins Dunkel bringen und Severus helfen. Die Frage brannte ihm auf dem Herzen, aber mit Sirius im Raum wollte er das Thema nicht ansprechen. Remus blickte mehrmals zu Harry hinüber, der gedankenverloren auf den Tisch starrte und seine Hosentasche malträtierte.

Remus konnte sich ein Gähnen nicht verkneifen und nahm endlich seinen Mut zusammen, um zu sagen: „Entschuldigt mich, Harry, Sirius, aber ich bin wirklich müde.“ Enttäuscht presste Harry seine Lippen zusammen, denn er wusste, dass er heute keine Antwort erhalten würde, obwohl er sie so dringend bekommen wollte.
„Kein Problem, Remus. Wir sehen uns bestimmt bald wieder. Erhol dich, ja?“, sagte Sirius, während er dem schmalen Mann auf die Schulter klopfte.
Sirius stand bereits am Kamin, als Harry sagte: „Geh schon vor, ich komme gleich nach.“
Stutzend hielt sein Patenonkel inne, bevor er unsicher grinste und fragte: „Habt wohl Geheimnisse vor mir!“ Harry erklärte daraufhin, dass er Remus lediglich eine einzige Frage stellen wollte, doch Sirius ließ nicht locker und warf Harry enttäuscht vor: „Seit wann sagen wir uns nicht mehr alles, Harry?“
Etwas gereizt konterte Harry: „Weil dich das Thema sowieso nicht interessiert. Bitte Sirius, ich komme gleich nach!“
Bockig schnaufte sein Patenonkel, bevor er beteuerte: „Ich bleibe hier! Ich möchte wissen, was ihr im Schilde führt.“

Remus ahnte, dass Harry ihn etwas über Severus fragen wollte und ganz offensichtlich war es für ihn so wichtig, dass es nicht bis Morgen warten konnte, weshalb er ihm freundlich nahelegte: „Dann mal raus damit, Harry.“
Zunächst musste Harry kräftig schlucken, bevor er die alte Decke aus der Hosentasche fummelte, ihr mit seinem Stab ihre normale Größe wiedergab und sie Remus zeigte, der gleich darauf große Augen machte, weil auch er sie wiedererkannte.
Sirius zeterte aufgebracht: „Wozu hast du das alte Ding mitgebracht? Ich hätte es vorhin doch verbrennen sollen!“
Mit einem Blick brachte Harry ihn zum Schweigen, bevor er Remus leise und mit ernster Miene fragte: „Was hat es mit der Decke auf sich?“
Bevor Remus antworten konnte, griff Sirius nach der Decke, um sie ins Feuer zu werfen, doch Remus war schneller. Er zückte seinen Zauberstab und führte einen Aufrufezauber aus, um die Decke an sich zu reißen. Mit ruhiger Stimme empfahl er seinem alten Freund: „Sirius, vielleicht wäre es doch besser, wenn du schon vorgehst. Harry bleibt nicht lange.“ Sirius ignorierte die Worte, setzte sich auf das Sofa und verschränkte eingeschnappt die Arme vor der Brust.

Fast zeitgleich seufzten Harry und Remus, bevor sich beide die Decke anschauten. Remus wollte soeben eine Antwort geben, da fauchte Sirius: „Ich hab nie verstanden, warum Lily diese verdammte Decke überhaupt behalten hat!“
„Sirius bitte: Entweder sei still oder geh, aber störe uns nicht!“, sagte Remus in einem eindringlichen Ton, den man sehr, sehr selten von ihm zu hören bekam. Als Sirius laut wurde, weil er sich den Mund nicht verbieten lassen wollte, drohte Remus sogar damit, ihn aus der Wohnung zu werfen, was Harry langsam zu viel wurde.

Aufgebracht und am Ende enttäuscht klingend sagte er: „Ich wollte hier wirklich keinen Streit entfachen. Ich will doch nur wissen, was es mit dieser Decke auf sich hat. Aber wenn ich das hier so sehe, muss das wohl noch warten.“ Entnervt nahm er Remus die Decke ab, bevor er sie wieder verkleinert in seiner Tasche verschwinden ließ.
Sirius schaute Harry mit vor Wut funkelnden Augen an und zeterte: „Die Decke kann dir genauso egal sein wie der Typ, von dem sie stammt!“
„Es ist genug, Sirius!“, mahnte Remus, der eher ein Problem mit der Lautstärke hatte, die Sirius mittlerweile benutzte.
Verdutzt fragte Harry nach: „Welcher Typ?“
Nachdem er tief ein und aus geatmet hatte, antwortete ihm Remus etwas sarkastisch: „An Sirius’ Reaktion müsstest du doch schon erahnen können, welcher ’Typ’ wohl gemeint sein könnte.“

Natürlich ahnte Harry, auf was Remus anspielte, doch konnte er die Zusammenhänge nicht verstehen, weswegen er unsicher nachfragte: „Wenn die Decke von Severus stammt, wie kommt sie zu meiner Mutter? Hat er sie ihr geschenkt?“
Wieder schaltete sich Sirius ein und sagte sarkastisch: „Der Idiot wusste einfach nicht, wann Schluss ist!“
„Es war nur eine nette Geste von ihm, Sirius, und nicht mehr!“, konterte Remus verteidigend.
„Ach Blödsinn! Die beiden waren längst verheiratet und hatten gerade ein Kind bekommen und gaaanz plötzlich taucht der Verschmähte aus der Versenkung auf und schickt per Eule ein kleines Präsent, um sich wieder ins Gedächtnis zurückzurufen – so sieht das nämlich aus und nicht anders!“, sagte Sirius mit erhobener Stimme, denn er schien sich in seinen alten Hass hineinzusteigern.
Seine Beherrschung behaltend warf Remus in ruhigem Tonfall ein: „Lily hätte das Geschenk ja auch zurückgeben können, aber sie und James… Ja, du brauchst gar nicht mit den Augen zu rollen, Sirius: BEIDE haben das Geschenk angenommen, denn es war an die Eltern gerichtet! Selbst James hat eingesehen, dass man das alte Kriegsbeil vielleicht langsam mal vergraben könnte und Severus wollte damit den Anfang wagen. Aber du konntest es dir ja nicht verkneifen, immer wieder mit deinen Einwänden aufzuwarten und James zu bequatschen, bis es zu spät war.“

Die Ruhe, die Remus während seiner vorwurfsvollen, kleinen Rede ausgestrahlt hatte, schien Sirius nur noch wütender gemacht zu haben. Zornesfurchen bildeten sich bereits auf seiner Stirn, als er konterte: „Er ist ihr nachgestiegen, wo es nur ging und…“
„Nachgestiegen?“, unterbrach Remus ungläubig lachend. „Wenn jemand Mädels nachgestiegen ist, dann warst du das ja wohl!“
Der Beschuldigte imitierte Remus und lachte hämisch, bevor er antwortete: „Ich brauchte überhaupt nichts zu machen, das weißt du ganz genau. Die sind alle auf mich geflogen. Ich brauchte nur eine Hand ausstrecken und…“
Wieder unterbrach Remus, der mittlerweile etwas aufbrausender wurde, aber noch längst nicht so wie Sirius, als er vorwurfsvoll sagte: „Oh ja, ich weiß das noch sehr wohl, mein Guter! War ein kleiner Sport von dir, anderen die Mädchen auszuspannen, nicht wahr? Ein verträumter Blick hier, einen Schokofrosch da und schon hattest du sie um den kleinen Finger gewickelt. Hast du ja nicht nur einmal gebracht in den sieben Jahren!“

Harry traute seinen Augen und Ohren nicht. Weder hatte er die beiden jemals so aufgebracht erlebt noch in dieser Lautstärke streiten hören. Selbst wenn Remus sich damals auf einem Ordenstreffen hatte Gehör verschaffen wollen, hatte er seine Stimme nie so sehr erhoben wie jetzt. Harry selbst wurde gar nicht mehr von den beiden beachtet. Er fühlte sich schlecht, weil er mit seiner plötzlich so unwichtig scheinenden Frage eine solche Auseinandersetzung entfacht hatte, aber das, was ihm hier zu Ohren kam, war viel zu interessant, als dass er es wagen würde, beide zur Vernunft bringen zu wollen. So lauschte Harry weiterhin gespannt und hoffte auf einige Details und die kamen prompt.

„Was kann ich denn dafür, wenn die Mädchen sich in mich vergucken?“, fragte Sirius scheinheilig.
Remus schüttelte genervt den Kopf und warf seinem alten Freund vor: „Du hast sie angemacht, obwohl du wusstest, dass sie mit jemandem fest zusammen waren. So was ist nicht witzig, Sirius! Wie war das denn zum Beispiel mit den Weihnachtsbällen?“ Sirius erwiderte nichts, sondern kniff nur verlegen die Lippen zusammen, während er seinen Blick im Zimmer umherschweifen ließ, als wäre er sich durchaus seiner Missetaten bewusst. Remus erinnerte ihn daran: „Du hast ab der fünften nie eine eingeladen, sondern hast immer bis zum letzten Tag gewartet. Und die ganze Zeit über bis zum Ball hast du wie ein arroganter Macho im Gemeinschaftsraum ständig mit deinem fiesen Grinsen gesagt ’Mal sehen, wen ich am Abend des Balls überreden kann’ – das war wirklich das Letzte, kurz vor Beginn des Weihnachtsballs irgendjemandem das Mädchen auszuspannen!“ Eher zu sich selbst sagend fügte Remus abwertend hinzu: „Schürzenjäger!“
„Jetzt beleidigst du mich auch noch?“, fragte Sirius, der jedoch nicht wirklich beleidigt klang.
Verschmitzt und derweil mit einem Zeigefinger wackelnd entgegnete Remus: „Ohohoho… der Begriff stammt nicht von mir, mein Guter!“ Auf Sirius’ fragenden Blick hin erklärte der: „Ich habe mal James’ Mutter gehört, die dich so genannt hatte. Ja ja, brauchst gar nicht mit dem Kopf zu schütteln. Die wusste nämlich ganz genau, was du für einer warst.“
Verdutzt fragte Sirius: „Hatte sie etwa Angst um Lily? Ich hätte nie…“
Remus unterbrach ihn und machte Sirius den Vorwurf: „Du hast Lily doch nur außen vor gelassen, weil James auf sie stand und weil er dein bester Freund war. Sonst wäre sie doch nur eine von vielen auf deiner Liste gewesen.“
„Du kannst dich ja wohl kaum über meine Bekanntschaften beschweren, Remus. Hast ja reichlich von ihnen abbekommen oder ist dir das etwa entfallen?“, fragte Sirius stichelnd.
„Ich hab die armen Dinger wieder aufgebaut, nachdem du mit ihnen fertig warst. Die brauchten jemanden zum Reden und glaub mir: Nachdem, was ich da so hören musste, war meine Meinung über dich nicht immer die Beste“, rechtfertigte sich Remus.

Sirius stand erbost auf und stürmte auf Remus zu. In diesem Moment wünschte Harry, dass der Streit aufhören sollte. Er wünschte, dass die beiden sich wieder vertragen sollten und er wollte, dass alles wieder gut werden würde und nur deshalb schloss Harry einen Moment die Augen, während er sich das alles wünschte und als er sie öffnete, da waren die beiden nicht mehr da.

Harry war nicht wirklich erschrocken darüber, dass er die beiden nicht mehr sehen konnte, denn irgendwie hatte er damit gerechnet und trotzdem wich er einen Schritt zurück. Im Gegenteil zu den anderen Malen, wo ihm das passiert war, war er dieses Mal völlig angstfrei. So konnte er in Ruhe logisch denken und seinen nächsten Schritt überlegen. Severus hatte ihm gesagt, wenn das noch einmal passieren sollte, sollte er die Leute, die er nicht mehr sehen konnte, mitbringen.

Mutig sagte Harry in den leeren Raum hinein: „Ich sehe euch nicht mehr!“ Er wartete, bevor er seinen Satz wiederholte und stellte sich dabei vor, wie die beiden sich nun beruhigten und ihn besorgt anblickten. Als er davon ausging, die Aufmerksamkeit der beiden Streithähne auf sich gezogen zu haben, fügte er hinzu: „Severus hat gesagt, es wäre besser, wenn die Personen, die ich nicht sehen kann, mitkommen würden, wenn ich zu ihm gehe.“

„Harry?“, fragte Sirius nach einem Moment ungläubig.
Murmelnd sagte Remus: „Verdammt, das hätte ich ahnen müssen. Ich zieh mich an und dann bringen wir ihn zu Severus!“
Bevor Remus ins Schlafzimmer gehen konnte, um sich anzukleiden, hielt Sirius ihn auf. Er schlang einen Arm um die Schultern seines etwas größer gewachsenen Freundes und sagte zu Harry hinüberblickend: „Hier, sieh doch, Harry. Wir vertragen uns wieder!“ Mit der anderen Hand klopfte er von vorn auf Remus’ Schulter, bevor er ihn mit treuen Hundeaugen anblickend und unsicher klingend fragte: „Wir vertragen uns doch wieder?“
Remus rang sich ein Lächeln ab, welches jedoch sehr bald von Herzen kam, als er in die grauen Augen seines alten Freundes blickte. Er brachte Sirius gleich darauf dieselbe freundschaftliche Geste entgegen, indem er ihm einen Arm um die Schulter legte und bestätigte: „Aber sicher, Sirius.“

Dieses Mal war es Sirius, der Harry vorsichtig an die Hand nahm. Nur im ersten Moment erschrak Harry wegen der unerwarteten Berührung, doch dann sagte er in den leeren Raum blickend: „Gehen wir zu Severus. Vielleicht kann er mir helfen!“

Durch den Kamin flohten sie in ihr eigenes Wohnzimmer, bevor die drei Männer mitten in der Nacht durch die dunklen, verlassenen Gänge einen Stock tiefer in die Kerker gingen. Es war bereits kurz nach Mitternacht. Das Gemälde von Salazar schlief noch nicht und informierte daher gleich darüber, dass Severus gerade seine Runden drehen würde, so dass die drei Männer wieder nach oben gingen.

„Ich werde ihn suchen gehen!“, sagte Sirius bestimmend, doch Remus hielt ihn auf.
„Nein, bleib du bei Harry. Ich weiß, wo Severus’ seine Kontrollgänge macht. Wir waren mal Kollegen, schon vergessen?“, sagte Remus, bevor er sich auf den Weg machte.

Kurz nach Mitternacht müsste Severus die Gewächshäuser bereits verlassen haben. Bestimmt war er jetzt auf dem Weg zum Astronomieturm, weswegen auch Remus diesen Weg einschlug. Die Nacht war sternenklar und die Luft kühl, aber angenehm sauber und erfrischend. Nicht einmal seine eigenen Schritte hörte er, als er die Stufen zum Turm hinaufging, denn in der Eile hatte er vergessen, seine Filzpantoffeln gegen Straßenschuhe zu tauschen.

Nach dem Vorfall mit der Decke war Severus den ganzen Tag über so aufgewühlt gewesen, dass er auf seinen nächtlichen Rundgang nicht verzichten wollte. Er hoffte, sich an der frischen Luft von dem Druck ablenken zu können, der noch immer auf ihm lastete.

Auf dem Astronomieturm angelangt stellte sich Severus genau an die Stelle, an der er damals gestanden hatte, als er Albus töten musste. Bei dem Gedanken daran, damals in dieser Nacht seinen einzigen Freund ermordet zu haben, drehte sich Severus’ Magen um. Wie der Direktor den Avada Kedavra überlebt haben konnte, war ihm jedoch bis heute ein Rätsel. Natürlich hatte er Albus deswegen Löcher in den Bauch gefragt, doch die einzigen Antworten waren ein Augenzwinkern und ein geheimnisvolles Lächeln, bevor der Direktor ihm einen Zitronenbrausebonbon angeboten hatte. Selbst die verkohlte Hand, die Albus sich durch einen schwarzmagischen Fluch zugezogen hatte, als er den Ring von Vorlost Gaunt und somit einen der Horkruxe zerstört hatte, schien mit dem vorgetäuschten Tod vollständig genesen zu sein.

Während der Wind ihm die schwarzen Haare ins Gesicht wehte, stellte Severus sich selbst all die Fragen, auf die er noch keine Antwort erhalten hatte. Wenn Albus seinen Tod nur vorgetäuscht hatte, wieso waren dann die Auswirkungen des dunklen Fluchs verschwunden? Sie hatten Monate lang versucht, eine Heilung für Albus’ abgestorbene Hand zu finden, doch letztendlich war klar, dass es keine Heilung gab. Albus selbst war zu dieser Ansicht gekommen und nur aufgrund dieser Aussage konnte sich Severus damals dazu überwinden, den Avada Kedavra gegen seinen Mentor zu richten, denn der wäre ansonsten qualvoll und langsam dahingesiecht.

Der Wind spielte mit seinem Umhang und blies ihn imposant auf, als er seine Augen zur Brüstung des Turms wandern ließ. Hier war Albus nach dem Avada in die Tiefe gestürzt. Wenn nicht der Todesfluch, dann hätte der Sturz dem angeschlagenen, alten Mann das Leben gekostet. Severus zerbrach sich seit einiger Zeit den Kopf darüber, wie Albus es angestellt haben könnte, dem Tod zu entkommen. Harry war bisher die einzige bekannte Person in der Geschichte der Zaubererwelt, die dem Todesfluch getrotzt hatte, aber wie hatte Albus das fertiggebracht? Wann war also der genaue Zeitpunkt, an welchem Albus seinen lebenserhaltenden Plan umgesetzt hatte? War es der Moment gewesen, kurz bevor Severus ihm den Fluch entgegengeschleudert hatte? Möglicherweise sogar währenddessen? Letztere Idee verwarf Severus wieder schnell, weil dies bedeuten würde, Albus hätte wie Harry den Todesfluch überleben können. Was war eigentlich während des Sturzes in die Tiefe geschehen? Konnte überhaupt etwas während des Falls stattgefunden haben? Hatte sich womöglich Fawkes in der Nähe aufgehalten? Schnellen Schrittes stürmte Severus auf die Brüstung zu, um hinunterzusehen.

Die Tür zum Turm hatte Remus endlich erreicht und nachdem er sie geöffnet hatte, sah er nur noch, wie Severus entschlossen auf die Brüstung zustürmte.

„NICHT!“, schrie Remus. In Windeseile zog er seinen Stab und sagte: „Locomor…“, doch er konnte den Zauber nicht beenden.
„Expelliarmus!“, sagte Severus flink, nachdem er sich umgedreht hatte. Remus’ Zauberstab wurde ihm gleich darauf entrissen und landete in Severus’ Hand. „Was zum Teufel haben Sie hier zu suchen, Lupin? Sie haben keine Berechtigung, mitten in der Nacht in Hogwarts umherzuwandern!“, zischelte Severus gefährlich leise, während er sich ihm mit im Wind wehendem Umhang näherte.

Das Herz war Remus in die Hose gerutscht. Erst hatte er gedacht, Severus wollte womöglich springen und einen Moment später war er von ihm bereits entwaffnet worden. In Zukunft müsste er wieder vorsichtiger und aufmerksamer werden, schalt er sich selbst.

„Ich dachte…“ Remus hielt es für besser, nichts über seinen ursprünglichen Gedanken preiszugeben und sagte stattdessen den Satz beendend: „…ich würde dich hier finden. Harry… Er sieht Sirius und mich nicht mehr. Wir haben dich gesucht.“

Innig hoffte Severus, Harrys Problem würde sich heute genauso schnell in Luft auflösen wie das letzte Mal. Ihm selbst ging es immer noch nicht sonderlich gut, weswegen er vorhin zunächst etwas zur Beruhigung eingenommen hatte und etwas später, um seine Besonnenheit zurückzuerlangen, den Astronomieturm aufgesucht hatte. Dabei hatte er zwei Schüler aufgeschreckt, die schnellstens das Weite gesucht hatten. Ihm war das erste Mal im Leben völlig egal, wer die beiden waren und was sie um diese Zeit hier getrieben hatten – obwohl er sich das natürlich denken konnte –, so dass er nicht einmal einen Gedanken daran verschwendet hatte, Punkte abzuziehen, geschweige denn Strafarbeiten aufzugeben.

Als Remus und Severus das Wohnzimmer von Harry und Sirius betraten, fiel Severus sofort etwas Wichtiges auf: Harry grüßte nur ihn.

„Harry, können Sie Lupin sehen?“ Verneinend schüttelte sein junger Kollege den Kopf, woraufhin Severus ungläubig eine Augenbraue hob. „Das letzte Mal konnten Sie ihn sehen, nachdem er einen Moment nicht im Raum war.“ Besorgt kaute Remus auf seiner Unterlippe, während Severus sich Harry näherte und genervt wirkend fragte: „Was war es denn diesmal? Haben Sie sich wieder geärgert, als Mr. Black seine Späßchen zum Besten gegeben hat?“ Severus warf Sirius daraufhin einen gering schätzenden Blick zu, doch der verkniff sich jeglichen Kommentar. „Oder sind Sie vielleicht darüber aufgeklärt worden, was Ihr Vater noch so für tolldreiste Dinge zustande gebracht hat?“, fragte Severus jetzt bereits aggressiver.

Es gab andere Orte auf dieser Welt, die Severus zu dieser Uhrzeit lieber aufgesucht hätte; hier wollte er auf jeden Fall nicht sein! Er wollte nicht in Blacks Nähe sein und er wollte nicht Harry gegenüberstehen, der ihn vor wenigen Stunden noch so gebrechlich erlebt hatte. Severus wollte keinesfalls einen schwächlichen Eindruck vermitteln, auch wenn er sich nicht wohlauf fühlte. Noch immer hatte er mit diesem Druck auf seiner Brust zu kämpfen, nachdem er im Laufe des Tages mit der Decke aus Harrys Hab und Gut konfrontiert worden war. Er hatte nach dem Vorfall verschiedene Tränke zu sich genommen, aber nichts hatte geholfen. Der erste Trank hatte ihn lediglich müde gemacht, ihn aber nicht von seiner Last befreit. Der zweite hatte ihn unstet werden lassen und der dritte Trank hatte seinen Kreislauf so sehr angeregt, dass er geglaubt hatte, sein Blut würde aus purem Koffein bestehen. Mit zittrigen Händen hatte er noch einige selbst hergestellte Pastillen zu sich genommen, die ihn erneut beruhigen sollten, doch die schienen gar nicht mehr anzuschlagen. Der leidige Druck auf seiner Brust ließ einfach nicht von ihm ab; er lastete wie ein Alb auf ihm.

Bevor Harry antworten konnte, forderte Severus bestimmend: „Bringen Sie mir Ihre Tagebücher!“
Harry benötigte einen Moment, um zu begreifen, was sein Kollege von ihm verlangte, bevor er beschämt zugab: „Ich hab keine geführt.“

Severus war sichtlich kurz vorm Explodieren, als er seinen Kollegen rügte: „Was denken Sie sich? Sie erwarten doch ganz offensichtlich von mir, dass ich Ihnen bei Ihrem Wahrnehmungsproblem helfe und was machen Sie? Sie können nicht einmal eine einfache Anweisung in die Tat umsetzen, um mir die Arbeit vielleicht ein klein wenig zu erleichtern. Wissen Sie was, Harry: Das nächste Mal, da werden Sie die experimentellen Tränke selbst testen, die Miss Granger und ich in der Hoffnung zusammenbrauen, Ihre Gabe eines Tages sichtbar zu machen, wobei mir in diesem Sinne langsam Zweifel kommen, ob es sich tatsächlich um eine Gabe handelt. Vielleicht sind Sie einfach nur viel zu sensibel, um…“
„Severus, es ist genug“, sagte Remus mit besonnener Stimme, die jedoch keine Widerrede zuließ.
Kleinlaut sagte Harry: „Es tut mir Leid, Severus.“
„Was erwarten Sie denn, was ich jetzt tun soll?“, fragte Severus aufgebracht und ein wenig verzweifelt klingend.
Harry blieb ruhig, blickte beschämt auf seine Hände und zuckte einmal mit den Schultern, bevor er vorschlug: „Wir könnten Albus um Rat bitten.“
„Ich könnte ihn holen!“, bot Sirius an.
Lachend schnaufte Severus, bevor er spottete: „Ist das das Einzige, was Sie können, Black? In der Vergangenheit schwelgen oder Albus holen? Haben Sie nicht vielleicht noch andere Lebensinhalte?“

Man konnte sehen, wie Sirius die Zähne zusammenbiss, denn die Muskeln seines Kiefers spannten und entspannten sich mehrmals, doch er blieb still. Harry konnte nur das hören, was Severus sagte und daher hörte er nicht, wie Remus erneut bat: „Severus, bitte! Das ist doch kein Grund…“
„Kein Grund für was? Wissen Sie, Lupin… So, wie Sie jetzt ständig schlichtend eingreifen, frage ich mich wirklich, warum Sie nicht schon früher so gehandelt haben!“, warf er seinem ehemaligen Mitschüler vor.

Mittlerweile atmete Severus sehr heftig und seine Hände ballten sich zu Fäusten. Die Erinnerung daran, dass Lupin als Vertrauensschüler seinen drei Freunden alles – wirklich alles – hatte durchgehen lassen, wenn die sich auf ihn gestürzt und ihn gedemütigt hatten, ließ sein Blut vor lauter Wut bereits kochen, so dass er das Pulsieren der Adern an seinen Schläfen verspüren konnte.

Harry konnte dem Gesprächsinhalt nicht ganz folgen. Er konnte nicht einschätzen, ob die Situation eskaliert war. Es war nicht einmal zu erahnen, ob Sirius womöglich laut geworden war. Vielleicht schwieg er auch oder war in sein Zimmer gegangen. Harry hoffte, dass Remus wieder Frieden stiften würde, wie er es früher bei Ordenstreffen gemacht hatte, wenn die Situation mal außer Kontrolle geraten war. Aber eines wusste Harry nur zu gut, nämlich dass ihm diese Situation nicht geheuer war. Auf seine Fragen, die er offenbar nicht laut genug stellte, antwortete überhaupt niemand. Er wurde von den drei Männern, deren einzige Verbundenheit ihre jugendliche Rivalität war, einfach ignoriert.

„Hilf ihm einfach, Severus!“, forderte Sirius mit noch immer zusammengebissenen Zähnen, doch Severus lachte nur über sein Anliegen.
„Oder was? Wollen Sie mich zwingen, Black?“, fragte er spottend.
Ohne zu überlegen zog Sirius seinen Zauberstab, doch hier reagierte Remus und zog den seinen, um ihn auf Sirius zu richten. Severus lachte schnaufend und atmete heftig durch den Mund. Harry bemerkte, wie Severus einen Moment zu schwanken schien, doch dieser Augenblick war so kurz, dass er es sich auch eingebildet haben konnte.

Übertrieben anfeuernd und enthusiastisch sagte Severus: „Oh bitte, Black, tun Sie es! Vollenden Sie endlich, was Sie all die Jahre nicht verwirklichen konnten. Erreichen Sie Ihr Lebensziel! Wenn Sie nicht nochmals in Askaban landen wollen, empfehle ich Ihnen gern einen wirksamen Zauberspruch: Sie brauchen nur ’Sectumsempra’ zu sagen!“
„Nein, hört auf!“, sagte Harry, der von der Couch aufsprang und sich nahe zu Severus stellte.
Er hörte nicht, wie Remus im gleichen Augenblick zu Sirius hinüberbrüllte: „Wenn du auch nur den Mund öffnest…“

Schweißperlen standen Severus bereits auf der Stirn. Dieses Mal bemerkte Harry ganz deutlich, dass Severus schwankte, als würde er sich nicht mehr lange auf den Beinen halten können.
Remus anblickend konterte Severus spottend: „Keine Sorge, Lupin. Miss Granger kann den Trank bereits ganz allein brauen. Mich benötigen Sie nicht… nicht…“ Severus stockte, fasste sich ans Herz und sackte zusammen.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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CharLue
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Beitrag von CharLue »

:shock: Was ist denn mit Sev los ?!
Hoffentlich nichts ernstes ...

Also meine Vermutungen zu Severus' "Ausnahmezustand" sind, dass er, wenn er Harry sieht, an Lily denken muss (der Ausnahmezustand ist ja meistens dann, wenn Harry dabei ist). Schließlich war Sev ja in sie verliebt. Natürlich weiß ich nicht, ob er in deiner Geschichte auch in Lily verliebt war, aber für mich wäre das eine logische Erklärung ;D

Zu Dumbledore:
Tja, wie er den Tod überwunden hat ... da habe ich ehrlich gesagt keine Vermutungen bzw. Vorstellungen ... außer vielleicht, dass er einen Doppelgänger hatte ... aber das scheint mir ein bisschen primitiv zu sein.

Aber ich lass mich gerne überraschen!

Lg
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Rhea
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Beitrag von Rhea »

Zu dem Ausnahmezustand hab ich auch so meine Theorien:
Es hat definitiv was mit Lily und der Liebe zu tun. Und ich glaube, Severus ist deshalb so ausgetickt, weil Sirius genau das gesagt hat, was damals passiert ist... ohne dass Sirius davon was wusste...

zu Severus' Zusammenbruch: Das kann schonmal vorkommen, jetzt weiß er wenigstens, dass er nicht endlos belastbar ist.

zu Albus und die Überwindung des Todes: ich glaub schon, dass es was mit Gefühlen zu tun hat...

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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

@ CharLue: Was mit Sev los ist? Na ja, er ist der Hauptcharakter, also werde ich ihn nicht um die Ecke bringen ;)

Deine Vermutungen zu seinem Ausnahmezustand sind beachtlich. Nach dem fünften Band (Denkarium-Szene) hatten viele Fans die Theorie aufgestellt, dass Sev in Lily verliebt gewesen war; ich bin davon auch immer ausgegangen.

Dumbledore: Vielleicht ist die Antwort auf die Frage, wie er den Avada, den Sturz vom Turm und die fluchgeschwärzte Hand überleben konnte, zu einfach, um drauf zu kommen ;) Man wird ihm vieles aus der Nase ziehen müssen, dem alten Geheimniskrämer...

@ Rhea: Lily und die Liebe. Das könnten durchaus zwei Dinge sein, die Severus unumstößlich miteinander verbindet. Sirius' damaligen "Späßchen" haben offenbar häufig Herzen gebrochen. Da wird es bestimmt noch etwas aus der Vergangenheit geben, was genau erklärt, warum Severus ihn so hasst.

Richtig, Severus ist auch nur ein Mensch, auch wenn er diese Aussage wahrscheinlich als Beleidigung sehen würde ;) Irgendwann sagt der Körper, dass er nicht mehr kann - der Zusammenbruch ist das Resultat.

Albus... da hatte ich oben bei CharLue schon was geschrieben. Die Charaktere werden auf jeden Fall nicht locker lassen und nachfragen.

Lieben Gruß,
Muggelchen




055 Weiß wie Schnee




Am Dienstag wollte Draco seinen Termin für die Untersuchung im St. Mungos schon absagen, weil sein Patenonkel im Krankenflügel bei Madam Pomfrey lag und er sich um ihn sorgte. Wie es aussah, hatte Severus aus lauter Unachtsamkeit, was sich Draco allerdings schwerlich vorstellen konnte, Tränke und Pastillen eingenommen, die aufeinander reagiert hatten.

Während er ihm einen Besuch abstattete, erklärte Severus ihm mit leiser, ruhiger Stimme, fast so als würde er unterrichten: „Der Trunk des Friedens harmonierte überhaupt nicht mit dem Stärkungstrank und den Zutaten der anderen Mittel. Das hat erst unmerkliche Extrasystolen erzeugt, später dann ein Kammerflimmern und zuletzt eine glücklicherweise nicht erstzunehmende, temporäre ventrikuläre Tachykardie.“
Die Stirn in Falten gelegt fragte Draco besorgt: „Aber du wirst doch wieder gesund, Onkel?“
Sein Patenonkel zog die Augenbrauen zusammen und antwortete etwas erbost: „Natürlich! Was habe ich dir denn eben erklärt? Ja hast du denn nicht zugehört?“

Draco hatte kein Wort von dem verstanden, was sein Onkel ihm gesagt hatte, doch es tröstete ihn zu erfahren, dass er keinen bleibenden Schaden davontragen werden würde.

Im St. Mungos wurde Draco auf eine Station geschickt, wo er trotz Termin einige Stunden warten musste, weil zwei Notfälle reingekommen waren, die der sofortigen Aufmerksamkeit bedurften. Unkonzentriert blätterte er in den Magazinen, die im Wartezimmer auslagen, während er ab und an die anderen Wartenden über den Rand der Zeitung hinweg beobachtete. Ihm gegenüber saß ein alter Mann, dessen Kopf und Hände unkontrolliert zuckten und zitterten, doch geistig schien er, was Draco aus einem Gespräch mit einer Schwester entnehmen konnte, völlig normal zu sein.

Den Tagespropheten hielt sich Draco eher als Schutz vor das Gesicht, denn er wollte nicht, dass man möglicherweise mit dem Finger auf ihn zeigte, falls jemand ihn erkennen sollte. Vor lauter Aufregung waren seine Hände ganz schwitzig, so dass die Druckerschwärze sich an ihnen abzeichnete. Mit einem Wink des Zauberstabes würde er sie nachher säubern, wenn er aufgerufen werden würde.

Eine Frau mit ihrem Kleinkind wurde als Erste aufgerufen. Sie wartete bereits seit drei Stunden. Der alte Mann wäre auch noch vor Draco dran. Als auch der endlich das Wartezimmer verließ, war Draco allein. Erleichtert aufatmend legte er die Zeitung weg und säuberte sich die schwarzen Hände. Mit übergeschlagenem Bein wartete er lässig darauf, aufgerufen zu werden.

Plötzlich trat ein neuer Patient ins Wartezimmer und als Draco ihn erkannte, erstarrte er. Neville Longbottom stand in der Tür zum Wartezimmer und blickte ungläubig zu Draco hinüber, bevor er sich zusammennahm und ihn mit einem leichten Kopfnicken grüßte und gleich darauf gegenüber von ihm Platz nahm.

Fast bewegungslos und etwas in sich zusammengesackt saß Neville auf seinem Stuhl, während sich ausschließlich seine langen Finger nervös bewegten. Die Augen hatte er starr auf den kleinen Tisch mit den vielen Zeitungen gerichtet, um sein Gegenüber nicht ansehen zu müssen. Draco blickte demonstrativ aus dem Fenster hinaus und vermied Augenkontakt mit seinem ehemaligen Schulkameraden, doch irgendwann dachte er sich, dass ihr Verhalten kindisch wäre, weswegen er sich räusperte.

Sofort erhielt er Nevilles Aufmerksamkeit. Bevor Draco den Augenkontakt wieder verlieren würde, fragte er recht lässig: "Auch Probleme mit den Genen?"
Neville errötete leicht, nickte jedoch zustimmend, bevor er fragte: "Du offenbar auch?"

Die Situation schien Neville sehr unangenehm zu sein, doch Draco war sichtlich erleichtert, dass nicht nur er Probleme hatte. Ein lockeres Gesprächsthema wollte sich unter diesen Umständen dennoch nicht einstellen, weshalb sich beide weiterhin peinlich berührt anschwiegen.

Eine Schwester trat herein und fragte Neville: "Wir haben bei Ihnen noch kein Blut abgenommen oder?" Neville verneinte wortlos, bevor die Schwester sagte: "Dann können Sie gleich ins Zimmer nebenan gehen, Mr. Longbottom."
Neville erhob sich und staunte nicht schlecht, als er Draco sagen hörte: "Bis später!"

Tatsächlich hielt sich Draco noch immer im Wartezimmer auf, als Neville von der Blutabnahme zurückkam. Er war sehr bleich im Gesicht und rieb sich die rechte Armbeuge, was Draco zum Grinsen brachte. Sich rechtfertigen wollend erklärte Neville mit zarter Stimme: "War eine Auszubildende... Die musste vier Mal ihren Stab ansetzen, bis sie mir endlich Blut abnehmen konnte!" Draco nickte verständnisvoll, womit er Neville ein gezwungenes Lächeln abrang, doch noch immer wollte kein Gespräch zustande kommen, doch da wurde Draco auch schon von einer Schwester aufgerufen.

Nochmals nahm man ihm Blut ab, aber am meisten Zeit beanspruchte die Prüfung der Stärke und Zusammensetzung seiner eigenen Magie, um dort eventuelle Mutationen feststellen zu können. Heiler und Schwestern richteten nacheinander ihre Stäbe auf ihn und sprachen Zauber, die er nie im Leben gehört hatte. Manchmal warnten die Heiler ihn, wenn der nächste Zauber etwas wehtun könnte und er war dankbar dafür. Aufgrund der Erkrankung seines Vaters und Großvaters untersuchte man natürlich besonders seine Augen und das war richtig schmerzhaft – trotz Warnung.

Eine Stunde und vier Heiler später saß Draco mit durch die Untersuchung sehr beanspruchten und daher tränenden Augen einer jungen Frau gegenüber, die er nicht viel älter als sich selbst schätzte. Sie lächelte ihn nett an, bevor sie einige Unterlagen durchging.

Nach einem kurzen Moment fragte die Professorin ihn freundlich: "Mr. Malfoy, wenn Sie sich längere Zeit in der Sonne aufgehalten haben, sind Sie dann jemals braun geworden?"
Draco überlegte nicht lange, sondern antwortete ehrlich: "Nein, ich hab höchstens einen Sonnenbrand bekommen."
Die Professorin blickte ihn an und nickte verständnisvoll, bevor sie einmal tief Luft holte und ihm mit ruhiger Stimme offenbarte: "Ihr Problem, Mr. Malfoy, sind weniger die Augen. Gut, dass Sie sich so zeitlich zu einer Untersuchung entschlossen haben. Ihre Augen werden wir behandeln können, noch bevor sich Beeinträchtigungen bemerkbar machen. Was mir jedoch Sorgen bereitet, ist ein Gendefekt, der Ihre Haut betrifft. Ihre Zellen können kaum noch Farbpigmente herstellen, was Ihren hellen Teint erklärt. Das ist auch der Grund, warum die Haut nach Sonneneinwirkung nicht bräunt, sondern sich gleich entzündet. Wenn das nicht behandelt wird, Mr. Malfoy, dann könnte eine Sonnenallergie die Folge dieses Gendefekts sein. Da müssen wir entgegenwirken!"
Draco schluckte so laut, dass die junge Professorin es gehört hatte und sie ihm Mut gebend eine Hand auf den Unterarm legte, bevor sie beruhigend sprach: "Keine Sorge, es kann behandelt werden – zumindest so behandelt werden, dass Sie sich tagsüber weiterhin völlig normal draußen aufhalten können."

Es war ihm nicht bewusst gewesen, dass er den Atem angehalten hatte, den er jetzt zittrig aushauchte. Draco fühlte sich schlecht. Eigentlich wollte er ihr noch viele Fragen stellen, aber er brachte kein Wort heraus. Die Professorin tätschelte, wie sie es wohl schon so oft bei anderen Patienten gemacht hatte, weiterhin Dracos Unterarm, bis er sich endlich gefasst hatte.

"Ich gebe Ihnen Informationen mit, welche Heilmethoden für Sie in Frage kommen würden. Lesen Sie sich bitte alles in Ruhe durch. Sie können innerhalb der nächsten vier Wochen einen Termin mit mir vereinbaren, damit wir die Behandlung beginnen können. Machen Sie sich nicht zu viele Sorgen, Mr. Malfoy", sagte sie lächelnd, bevor sie sich erhob. Sie gab ihm zwei kleine Heftchen mit Informationen, bevor sie ihn zur Tür begleitete und abschließend sagte: „Ihr Vater ist ja derzeit in Behandlung. Wie sieht es mit Ihrer Mutter aus? Es wäre möglich, dass Sie, Mr. Malfoy, diese Erkrankung von ihr geerbt haben, denn in den Akten Ihres Vaters deutet nichts auf einen Pigmentmangel hin. Sie können Ihre Mutter gern auch beim nächsten Termin mitbringen.“

Bevor er das Hospital verließ, setzte sich Draco in der großen Eingangshalle in einer Ecke auf einen Stuhl, der von hoch gewachsenen Farnpflanzen umringt Schutz vor neugierigen Blicken versprach. Seine jetzt nicht mehr nur von den Untersuchungen tränenden Augen trocknete er mit einem Taschentuch, bevor er seine Stirn in die Hände legte. Er beugte sich leicht nach vorn und versuchte, sich mit kontrollierten Atemzügen zu beruhigen.

Auch wenn der Platz in der Ecke zwischen all dem Grünzeug so versteckt lag, hatte eine Person ihn doch gesehen. Mit drei Informationsbroschüren in der Hand näherte sich Neville der Ecke, in der Draco etwas Ruhe suchte. Vorsichtig nahm er Platz und er räusperte sich, damit Draco auf ihn aufmerksam wurde. Den Kopf hebend blickte Draco seinen ehemaligen Schulkameraden kurz an, bevor er seine Augen wieder auf den Boden richtete.

Seit seiner Schulzeit konnte Neville Draco nicht ausstehen, doch von Harry wusste er, dass er jetzt umgänglicher sein sollte und ganz anders wäre als früher. Er konnte sich gut vorstellen, dass der Krieg und so viele vergangene Jahre eine Person ändern könnten. Auf der Party von Tonks und Remus hatte er Susan und Draco Händchen halten sehen, was er im ersten Moment gar nicht hatte glauben können. Der arrogante Reinblüter war in ein Halbblut verliebt und allein diese Tatsache machte ihm Draco etwas sympathischer, weshalb er sich zu der Frage hinreißen ließ: „Ist mit dir alles in Ordnung?“ Wieder blickte Draco auf, doch er nickte nur, bevor Neville erneut fragte: „Man wird dir doch helfen können oder?“

Neville hatte nicht einmal eine vage Vermutung, mit welcher Art Krankheit Draco sich herumschlagen musste. Das Spektrum und die Variationsmöglichkeiten der vererbten Erkrankungen waren enorm. Luna und er selbst müssten mit keinerlei Krankheitsausbrüchen rechnen, doch die Ärzte legten beiden aufgrund ihrer reinblütigen Abstammung nahe, sich dennoch aus vorbeugenden Gründen untersuchen und gegebenenfalls behandeln zu lassen, damit zukünftig geplanter Nachwuchs es nicht schwer haben würde.

„Was ist mit dir?“, fragte Draco unverhofft, so dass Neville ins Stottern kam.
„Ähm… äh… Das ist… Das ist nur Prophylaxe, weswegen ich hier bin“, antwortete er abgehackt.
Draco zog eine Augenbraue in die Höhe, bevor er fragte: „Und weswegen?“ Er wollte den Namen der Krankheit erfahren, weswegen Neville sich behandeln lassen würde, doch der schien sich wegen des Themas unwohl zu fühlen. Nach kurzem Zögern hielt er Draco einfach eine der Broschüren unter die Nase, die man ihm mitgegeben hatte. Die Überschrift lautete „Arachnodaktylie (Spinnenfingrigkeit)“. Auf dem zweiten Informationsheftchen stand „Veränderungen der Wirbelsäule (Skoliose und Hyperkyphose)“ und der dritte Titel lautete „Schwache Muskulatur (Muskelhypotrophie)“.

Draco begrüßte diese stille Art der Konversation. So konnte man ohne Worte dem Gegenüber mitteilen, welche Erbkrankheiten in einem schlummerten, weswegen er Neville seine beiden Broschüren mit den Titeln „Pigmentstörung (Albinismus)“ und „Makuladegeneration und Retinopathia pigmentosa“ zeigte. Nachdem Neville den letzten Titel gelesen hatte, sagte er überrascht klingend: „Luna hat die Broschüre auch bekommen. Wegen ihrer Augen, weißt du.“

Mit den weniger ernst gemeinten Worten „Vielleicht sieht man sich mal wieder“ verabschiedeten sich Neville und Draco voneinander, nachdem sie zusammen das Hospital verlassen hatte.

Am Abend besuchte Draco nochmals Severus, der laut Madam Pomfrey über Nacht hier bleiben sollte und erst morgen früh den Krankenflügel verlassen durfte, bevor er sich auf zu Susan machte. Als sie ihm öffnete, umarmte er sie sofort und er vergrub sein Gesicht in ihren langen, roten Haaren.

Er drückte sie ganz fest an sich, so dass Susan stutzig wurde, weshalb sie zögernd und leise fragte: „Es ist doch alles in Ordnung mir dir oder?“
Die Umarmung lockerte Draco nur ein wenig, damit er ihr in die Augen blicken konnte, um lächelnd sagen zu können: „Es ist nicht hoffnungslos.“ Er hauchte ihr einen Kuss auf den Mund und sagte danach sehr gefühlvoll: „Ich möchte mich nochmal bei dir bedanken, Susan. Dafür, dass du mir alles gesagt hast, damit ich mich rechtzeitig darum kümmern konnte. Und ich kann gar nicht oft genug um Verzeihung bitten, dass ich dich den Abend so…“ Sie legte eine Fingerspitze auf seinen Mund, bevor ihre Lippen folgten.

Der Kuss war so innig geworden, dass Draco ihn abbrechen musste, um nicht zu weit zu gehen, doch Susan war anderer Meinung. Sie führte ihn zur Couch und setzte sich hin, während sie ihn mit zu sich hinunter zog. Sie küssten sich erneut und fuhren sich gegenseitig durch das Haar oder streichelten die Wange des anderen. Er drückte sie wieder fest an sich und küsste die Seite ihres Halses bis hinauf an ihr Ohr, wo er an der zarten Haut nippte. Die Laute, die Susan von sich gab, versicherten ihm, dass sie seine Liebkosung willkommen hieß. Als seine Lippen wieder nach unten wanderten und an den Kragen ihrer weißen Bluse stießen, überraschte es ihn, als sie sich kommentarlos von ihrem Oberteil befreite und die Bluse achtlos auf den Boden warf. Mit weit aufgerissenen Augen betrachtete er sie voller Verzückung. Ihr Brustkorb hob und senkte sich mit ihrer heftigen Atmung und so auch ihre nur noch leicht bedeckte Weiblichkeit. Der zauberhafte Anblick paralysierte ihn und er konnte nichts anderes mehr tun als ihr beim Atmen zuzusehen.

Weil er mit großen Augen und leicht offen stehendem Mund ihre femininen Merkmale bewunderte, überkam Susan plötzlich Unsicherheit über das eigene Aussehen, so dass sie ihre Arme verschämt vor sich verschränkte, doch Draco ergriff ihre Hände und zog sie dichter an sich heran, bis sich beide erneut umarmten.

Als sich beide eng umschlungen und küssend von der Couch erhoben und Susan die Knöpfe seines Seidenhemdes öffnete, überkam ihn selbst das Gefühl der Unsicherheit. Die einzige Erfahrung, die er auf diesem Gebiet hatte machen dürfen, bestand daraus, sich jahrelang eine aufdringliche Pansy vom Leib zu halten. Als Susan ihn auch noch langsam in Richtung Schlafzimmer führte, während sie weiterhin sein Gesicht mit Küssen bedeckte, wurde ihm mulmig bei dem Gedanken, was jetzt folgen würde, denn während seiner Schulzeit war er keinem Mädchen so nahe gekommen, wie er nun Susan nahe gekommen war. Während sie, wie vorhin schon auf der Couch, dieses Mal auf dem Bett Platz nahm und ihn zu sich hinunterzog, da befürchtete er, etwas falsch machen zu können, weswegen er sie einfach wieder umarmte. Ihre nackte Schulter, auf der sich eine hässliche Narbe aus Kriegszeiten abzeichnete, bedachte er so zart wie der Flügelschlag eines Schmetterlings mit vielen Küssen, denn damit konnte er keinen Fehler begehen. Doch dann legte sie sich auf den Rücken und in diesem Moment befürchtete er, sie womöglich zu enttäuschen. Sie musste die Sorge in seinen Augen erkannt haben, denn sie richtete sich wieder auf und fuhr einfühlsam mit einer Hand über seine Brust, bevor sie sich zu ihm beugte und ihm flüsternd gestand, dass er ihr Erster sein würde und erst in diesem Moment fielen alle Bedenken und Befürchtungen von ihm ab.

Im Krankenflügel in Hogwarts war der Teufel los, denn Severus hatte sich am späten Abend mit Madam Pomfrey angelegt. In seinem Bett sitzend knurrte er zu Poppy hinüber, die gerade einige Fläschchen in die Vitrinen stellte: „Sie können mich nicht gegen meinen Willen hier behalten!“
„Hah! Und ob ich das kann. Severus, Sie bleiben hier und ruhen sich aus, bis die Auswirkungen der Medikamente sich verflüchtigt haben!“, meckerte sie zurück.
„Poppy!“, zischelte er drohend.
„Severus, es ist jetzt genug! Ich werde Sie nicht auf Ihr Zimmer schicken. Da habe ich nämlich überhaupt keine Kontrolle darüber, was Sie sich aus Ihrer kleinen Hausapotheke noch so zu gönnen gedenken. Hören Sie jetzt auf, sich wie ein unreifer Schuljunge aufzuführen!“, rügte Poppy ihn.

Für einen Moment war Severus baff wegen Poppys Bemerkung, er würde sich wie ein unreifer Schüler aufführen, aber er wollte nicht aufgeben. Mit gezwungen ruhiger Stimme sagte er: „Ich kann genauso gut in meinem Bett schlafen und ich verspreche Ihnen, dass ich nichts zu mir nehmen werde!“ Poppy blickte ihn streng durch verengte Augenlider an. Den Blick kannte er von ihr nur zu gut, denn damals hatte er sich oft genug von ihr gesund pflegen lassen müssen, weil die Scherze seiner „vier Freunde“ ihm durchaus auch schon mal Wunden zugefügt hatten. Ihr Blick bedeutete, dass sie nicht nachgeben würde. Nur mit Besonnenheit könnte er an ihren Verstand appellieren und ihr klarmachen, dass er ein beweisen können, wenn man den gestrigen Tag mal außen vorließ.

„Severus?“, fragte sie mit einer hochgezogenen Augebraue.
„Mmh?“, summte er friedvoll zurück.
Sie näherte sich seinem Bett und fragte, während sie eine Hand in die andere legte, fast als würde sie eine Antwort erflehen: „Was war das für ein Druck, den sie schon gestern auf dem Herzen gespürt haben?“
„Wer hat Ihnen davon…? Ah, natürlich! Mr. Potter, richtig?“, fragte er lächelnd, aber nur, um ihr somit seine Zähne zu zeigen.
Mit sanfter, aber ernsthafter Stimme sagte sie: „So etwas ist nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, Severus. Harry hat nur mit mir gesprochen, weil er sich Sorgen um Sie macht. Er meinte, Sie hätten zu ihm gesagt, ich würde Ihnen nicht helfen können und…“ Sie hielt inne, als er ihr nicht mehr zuzuhören schien, denn sein Blick war ganz glasig geworden und seine Zornesfalten im Gesicht hatten sich geglättet. Langsam wandte er seinen Blick von ihr ab und ließ den Kopf hängen.

Ihre Schritte hallten durch das leere Zimmer, als sie sich ihm näherte und, wozu sie sich sonst niemals hinreißen ließ, auf dem Krankenbett Platz nahm, in dem er lag. Sie zögerte sehr lange, denn sie wusste nur zu gut, dass Severus körperlichen Kontakt nicht schätzte, doch dann ergriff sie entschlossen seine beiden Hände, so dass er wieder zu ihr aufblickte. In seinen Augen erkannte sie so viel Kummer und Schmerz, ähnlich wie in den Augen von Meredith Beerbaum, die ihre Familie verloren hatte.

„Was bedrückt dich, Severus?“, fragte sie dieses Mal vertraut klingend, doch er blickte schnell wieder weg, damit sie seine Augen nicht sehen konnte. Schon einmal hatte er Angst gehabt, dass jemand womöglich Gefühle in seinen Augen ablesen konnte – das war der Tag gewesen, nachdem er das erste Mal in Harrys Augen so viel Gemütsbewegung erkannt hatte. Bei ihm selbst sollte das schon lange außer Zweifel stehen, aber so sicher war er sich da nicht mehr und das verwirrte ihn.

Er war in Gedanken verloren und sich nicht mehr bewusst darüber, dass Poppy noch immer seine Hände hielt. Erst als sie sie einmal ermutigend zudrückte, da spürte er die angenehme Wärme an seinen Fingern und in seiner Handinnenfläche, die ihn dazu veranlasste, zögerlich seinen eigenen Griff zu verstärken.

Poppy stutzte. Das erste Mal nach seiner Schulzeit in Hogwarts ließ er eine Berührung nicht nur zu, sondern erwiderte sie sogar. Gestern Nacht, als Harry seine beiden Begleiter weggeschickt hatte, um ihr unter vier Augen einige wichtige Dinge zu erzählen, da glaubte sie ihm nicht, dass mit Severus eine Art Veränderung vonstatten gehen würde, doch jetzt erlebte sie es höchstpersönlich. Er hatte sich verändert. Er zeigte neue Wesenszüge, die man immer an ihm vermisst hatte. Severus schien momentan so verloren wie ein kleines Kind, das man im Wald ausgesetzt hatte.

Mit ungewohnt milder warmherziger Stimme fragte sie voller Hoffnung: „Warum sagst du, dass ich dir nicht helfen kann? Ich hab dich ja nicht einmal untersucht, Severus. Darf ich dich untersuchen?“
Ein leichtes Kopfschütteln sollte als Antwort genügen, dachte Severus, doch er fügte trotzdem noch mit schwacher Stimme hinzu: „Nein.“
Sie ließ jedoch nicht von ihm ab und begann mit der von ihm gefürchteten Fragerei: „Hat der Dunkle Lord dir etwas angetan? Ist es das? Leidest du unter einem unbekannten Fluch?“ Wieder ein Kopfschütteln, doch keine verbale Äußerung seitens Severus. „Was bedrückt dich, Severus?“ Als er nicht antwortete, wollte sie ihm das erleichtern, indem sie einige Beispiele nannte, die ihn ihrer Meinung nach bedrücken könnten, denn sie fragte: „Was sorgt dich? Sind es deine Geldmittel? Möglicherweise deine Arbeit oder vielleicht…“
Er unterbrach Poppy, weil er keinen dritten, möglichen Grund suggeriert bekommen wollte und so sagte er wieder mit viel festerer Stimme: „Es geht schon, wirklich. Der Tag gestern war nur etwas viel für mich, Poppy. Erinnerungen an“, er stockte, um offensichtlich andere Worte zu wählen, „schlechte Zeiten. Ich würde gern in meiner vertrauten Umgebung schlafen. Da fühle ich mich wohl.“

Während sie sein fahles Gesicht betrachtete, welches von den schwarzen, fettigen Haaren umrahmt wurde, versuchte sie zu ergründen, was er wohl vor ihr geheim halten wollte. Dass es ihm nicht gut ging, war ihren wachen Heileraugen natürlich nicht entgangen, aber es war kein körperlicher Schmerz, unter dem Severus litt – auch das hatte sie bemerkt.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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CharLue
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Beitrag von CharLue »

Hach, armer Sev ):
Hauptsache, es geht ihm bald wieder etwas besser!

Freue mich auf den nächsten Teil (:

Lg
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Beitrag von Muggelchen »

Hi CharLue

lange spanne ich euch nicht auf die Folter. Was mit Severus geschehen ist und wie es ihm geht, das kann man in diesem Kapitel lesen :)

Lieben Gruß,
Muggelchen




056 Warnungen




Noch weit vor Mitternacht hatte Severus sich gegen Poppys Einwände durchsetzen können, so dass er sich am Ende ihres Disputs in seine Räumlichkeiten begeben durfte, auch wenn es so ausgesehen hatte, als würde sie mit ihren Gegenargumenten gewinnen. Nur mit dem Versprechen, sich zu schonen und am nächsten Tag keinen Unterricht zu geben, durfte er die Nacht in seinem eigenen Zimmer verbringen.

Das Portrait vor seinen Gemächern hatte ihn seltsam eindringlich angeschaut, ihm die Tür jedoch ohne ein Wort weit geöffnet. Kaum hatte Severus sein Schlafzimmer betreten, erschien in dem einzigen Gemälde, welches er in seinen Räumen zu hängen hatte und eine verschneite Winterlandschaft in der Nacht zeigte, eine Person, die sich in diesem Zimmer äußerst selten aufhielt. Das letzte Mal hatte Salazar Slytherin ihn durch die Winterlandschaft heraus aus dem Schlaf geschrieen, um ihm mitzuteilen, dass er für Ruhe auf dem Gang vor seinen Gemächern zu sorgen hätte, weil sein Hund dort draußen so laut bellen würde. Salazar fror unverkennbar in dem Gemälde, in welchem laut bibberndem Gründer mindestens minus zwanzig Grad herrschen mussten, so dass er sich beide Arme um den Körper schlang, um Wärme bei sich zu behalten. Severus machte sich nicht die Mühe zu fragen, wie ein Portrait aus magischer Farbe überhaupt imstande sein würde, frieren zu können, denn wenn Salazar persönlich in seinem Schlafzimmer auftauchte, war er entweder sehr verärgert oder es handelte sich um etwas äußerst Wichtiges.

„Severus“, sagte Salazar, um sich Gehör zu verschaffen. Nachdem Severus näher an den Gründer herangetreten war, sagte Salazar flüsternd: „Von Slytherin zu Slytherin eine kleine Warnung: Ab morgen werden die Wände Ohren haben und kein Zauber kann Heimliches geheim halten!“ Bevor Severus fragen konnte, was genau Salazar damit meinen würde, verschwand dieser auch schon wieder. Es konnte nur eines bedeuten, nämlich dass Albus plante, ihn ab morgen früh zu überwachen und höchstwahrscheinlich nicht nur ihn, sondern auch Black und Harry.

Mit einer Jogginghose und einem alten Weasley-Pullover bekleidet hatte Harry es sich auf der Couch gemütlich gemacht, nachdem er gerade eben mit den Hausaufgaben seiner Schüler fertig geworden war. Entspannt las er in einem Buch, welches Narzissa ihm ans Herz gelegt hatte, als er plötzlich durch ein ungewöhnliches Knistern im Kamin vom Lesen abgelenkt wurde. Er hörte Mollys Stimme aus dem Feuer heraus in den Raum rufen. Sofort eilte er hinüber zur Feuerstelle und fragte, was los sei. Es war sehr ungewöhnlich für Rons Mutter, sich bei ihm zu melden, aber noch ungewöhnlicher war die späte Stunde, in der sie ihn kontaktiert hatte.

„Harry Schatz, ich wollte dich etwas… etwas Persönliches fragen. Wegen Ginny! Würdest du für zehn Minuten kurz mal bei mir vorbeischauen?“, fragte Molly mit einem gequälten Lächeln auf den Lippen.
„Was denn? Jetzt um halb zwölf?“, fragte er ungläubig zurück. Sie bestätigte nickend und versprach, dass es nicht länger dauern würde, so dass er schleunigst seine Schuhe überzog und in den Fuchsbau flohte.

Als er durch den Kamin in die Küche trat, blickte er in das noch immer mit einem aufgesetzten Lächeln verzierte Gesicht einer eher besorgt wirkenden Molly.

„Also, was ist mit Ginny?“, fragte Harry. Erst nach seiner Frage fiel ihm auf, dass um den großen Küchentisch herum bis auf Ginny alle Weasleys versammelt saßen, sogar Percy. Die sonst so fröhliche Familie blickte ausgesprochen bedrückt drein. Selbst Fred und George, die für gewöhnlich immer ein leichtes Schmunzeln auf den Lippen hatten, schauten betreten zu ihm hinüber, bevor sie ihren Blick auf den Tisch richteten.

Harry fühlte sich plötzlich ganz unbehaglich und fragte sorgenvoll: „Um Gottes Willen… Es ist doch nichts mit Ginny passiert?“
Hier antwortete Arthur mit niedergeschlagener Stimme: „Nein Harry, es geht nicht um Ginny. Bitte nimm doch Platz.“ Molly betrachtete kurz den vor Jahren von ihr gestrickten Pullover mit dem großen „H“ darauf und lächelte bei dem Anblick aus vollem Herzen, auch wenn Tränen in ihr aufsteigen wollten. Dann legte sie eine Hand auf Harrys Schulter und forderte ihn mit einem leichten Druck auf, neben Bill Platz zu nehmen, so dass er Arthur genau gegenüber sitzen würde.

Ein fragender Blick reichte und Arthur erklärte schleppend: „Albus nimmt die Sache etwas zu ernst, Harry. Nicht einmal Minerva konnte ihn davon überzeugen, dass er falsch liegen muss. Er glaubt tatsächlich, du wärst eine Gefahr, mein Junge.“ Arthur seufzte. An dessen Augen bemerkte Harry, dass er müde wirkte und sehr angeschlagen schien. Harry blickte hinüber zu Ron, der ihm einen mitleidigen Blick zuwarf und selbst die Gesichter der Zwillinge waren voller Bedauern. Mit großen Augen lauschte Harry aufmerksam, als Arthur erklärte: „Ab morgen wird man dich beschatten, obwohl mehr als die Hälfte des Ordens gegen diese Entscheidung gestimmt hatte. Keiner glaubt in seinem tiefsten Innern, dass du…“ Arthur hielt inne, seufzte erneut und schüttelte den Kopf. Offensichtlich hatte er schwer damit zu kämpfen, als Freund und Minister nichts gegen Albus und dessen törichtes Verhalten ausrichten zu können. „Aber einige zweifeln an ihrer eigenen Ansicht, weil es nun mal Albus ist, der etwas anderes sagt und sie lassen sich von ihm in die Irre führen.“

Für alle hörbar musste Harry zunächst einige Male schlucken, bevor der Kloß, der sich in seinem Hals gebildet hat, endlich verschwunden war, doch Worte wollten seinen Mund nicht verlassen. Diese Information machte Harry noch viel trauriger als damals, als Arthur in dem Fastfood-Restaurant davon erzählt hatte, dass Albus ihn für einen neuen Dunkelmagier halten würde.

Arthur wollte ihm Mut zusprechen und sagte: „Wir alle und auch Hermine und Remus stehen voll hinter dir. Ich bin mir darüber hinaus sicher, dass keiner dich für gefährlich hält, aber trotzdem musst du ab jetzt auf der Hut sein. Wenn du in Hogwarts bist, dann sage nichts, was nicht auch für die Ohren Dritter bestimmt sein darf. Und achte darauf, dass du keine Fehler machst, für die man dich“, Arthur stockte, bevor er fortfuhr, „für die man dich nach Askaban schicken könnte.“

Molly legte einen Arm um Harry, der sein Gesicht in den zitternden Händen vergrub. Die Arme von Ron folgten, der ihn fest an sich drückte. Die Zwillinge drückten stärkend seine Schultern und tätschelten freundschaftlich seinen Kopf und erst jetzt musste Harry anfangen zu weinen.

Leise sagte Ron zu Harry: „Mich will man auch nicht mehr im Orden haben, weil ich angeblich wegen meiner Quidditch-Karriere keine Zeit hätte. Und bei Mine sagt man das Gleiche: Sie hätte durch ihre Ausbildung im Mungos und ihrer Beschäftigung bei Snape keine Zeit mehr, um für den Orden tätig sein zu können. Fred, George, Bill und Charlie sind aus Protest ausgetreten. Mum und Dad werden aber Mitglied bleiben, damit wir informiert bleiben, was da so abgeht.“

Die Tränen waren schnell wieder versiegt, aber das dumpfe Gefühl im Herzen blieb. Enttäuschung machte sich in Harry breit, doch noch immer – und zum Glück – war das vorrangige Gefühl in ihm jenes zufriedenstellende, welches ihn nach Voldemorts Tod eingenommen hatte. Auch wenn Harrys innere Ruhe nun immer weiter abgedrängt zu werden schien, so war sie doch noch deutlich in ihm vorhanden und dieses Gefühl bewahrte er sich tief im Herzen – dort, wo niemand herankommen könnte. Seine innere Ausgeglichenheit wollte er sich durch diese Neuigkeiten nicht zerstören lassen. Er war der festen Überzeugung, dass er alles, was auf ihn zukommen würde, überstehen könnte. Selbst Albus könnte seinen Einklang mit sich selbst nicht zunichte machen, auch wenn der offensichtlich alles daransetzte, ein wenig an Harrys Seelenfrieden zu kratzen. Nein, dachte Harry entschlossen, Albus würde nicht an ihn herankommen – er könnte ihn nicht mürbemachen.

Molly drückte Harry einmal herzlich an ihre mütterliche Brust und küsste ihm danach die Stirn, bevor sie sagte, es wäre jetzt wieder Zeit für ihn, nachhause zu gehen.

„Hogwarts ist für mich kein Zuhause mehr“, sagte Harry betrübt, aber bestimmt, bevor er sich die Augen trocknete und in sein Wohnzimmer flohte.

Wenige Minuten nach ihm stieg Sirius mit fahlem Gesicht aus dem Kamin. Sein Patenonkel blickte ihn mit wässrigen Augen und mitleidigem Blick an, bevor er sich ihm näherte und ihn fest in den Arm nahm.

„Tut mir so Leid, Harry! So Leid…“ Es war Remus, der Sirius kurz vor halb zwölf zu einem „Schlückchen Wein“ eingeladen hatte, um ihm zu offenbaren, wie die Gesamtsituation mit Harry und Albus aussehen würde.

Während sich Harry von Sirius trösten ließ, klopfte es und nach einer Aufforderung betrat Severus das Wohnzimmer. Mit einigen Bewegungen seines Zauberstabes schoss er blaue Wellen durchs Zimmer, um versteckte Überwachungszauber ausfindig zu machen, bevor er die abhördichte Blase um die drei herum erschuf und sagte: „Wie ich sehe, sind Sie beide offenbar auch informiert worden.“ Harry und Sirius nickten, bevor Severus fortfuhr: „Ab morgen können wir auf diese Art nicht mehr miteinander über vertraute Dinge reden. Die beste Möglichkeit sich auszutauschen, Harry, wären eventuell gemeinsame Spaziergänge mit dem Hund. Ansonsten sollten wir nach anderen Treffpunkten Ausschau halten, an denen wir ungestört sein können, wenn es denn etwas zu bereden geben sollte. Sollte sich die Lage aus unerfindlichen Gründen zuspitzen, sollten wir einen Zufluchtsort haben!“

Harry nickte daraufhin, doch bevor sein Kollege wieder gehen konnte, fragte er ehrlich interessiert: „Severus, wie geht es Ihnen heute?“
Die Frage nach seinem Wohlbefinden brachte ihn ein wenig aus dem Konzept, weil er davon ausgegangen war, dass Harry sich momentan um ganz andere Dinge sorgen würde, aber offenbar war sein junger Kollege nicht mehr so leicht aus der Fassung zu bringen, weswegen er nach einigem Zögern etwas reserviert antwortete: „Gut, danke der Nachfrage.“ Das letzte Mal, als er Harry gesehen hatte, hatte der wieder mit seinem Problem zu kämpfen gehabt, weshalb Severus wissen wollte: „Harry, seit wann können Sie Black eigentlich wieder sehen?“
„Ach, das war gleich, nachdem Sie“, Harry hielt kurz inne, gab sich jedoch einen Ruck und sprach unverblümt den letzten, gemeinsamen Abend und die Eskalation an, „nachdem Sie zusammengebrochen waren. Ich glaube, ich habe mir einfach nur gewünscht, Remus und ihn wieder sehen zu können und da waren sie auch plötzlich schon wieder da. Wir drei hatten Sie dann zu Poppy gebracht.“
„Sie haben es sich gewünscht?“, fragte Severus ungläubig mit einer hochgezogenen Augenbraue, ohne darauf einzugehen, was Harry am Ende erwähnt hatte. Harry nickte daraufhin nur, was Severus nur mit einer Bemerkung kommentierte, denn er sagte lediglich: „Interessant!“

Als Severus sich umdrehte und wieder zur Tür hinausgehen wollte, hörte er ein leises „Au“. Nachdem er sich umgedreht hatte, sah er, wie Black auf einem Bein stehend balancierte und das andere angewinkelt hatte, an welchem er sich das Schienbein rieb, während Harry mit einem aufgesetzten Engelsgesicht neben seinem Patenonkel stand, bevor er sich abwandte und sich auf die Couch setzte, um in einem Buch zu lesen. Black näherte sich ihm einen Schritt und sagte verlegen und stotternd, während er seine Finger ineinander verzweigte, nervös mit seinen Händen spielte und überall hinschaute, nur nicht zu Severus: „Tut mir… Tut mir… Ich hätte meinen Zauberstab nicht ziehen dürfen.“ Black seufzte, denn es fiel ihm schwer, das Wort an Severus zu richten, ohne dabei bösartige Bemerkungen fallen zu lassen, aber noch schwerer fiel es ihm, sich bei ihm zu entschuldigen.

Sirius erinnerte sich an die Standpauke, die er von Harry und selbst von seinem alten Freund Remus über sich ergehen lassen musste, nachdem sie Severus bei Poppy abgeliefert hatten. Besonders sein Patensohn hatte ihm vorgeworfen, sich in Severus’ Nähe immer wie ein dummer Junge aufzuführen. Remus und Harry hatten es geschafft, dass er sich für Severus’ Aufenthalt bei Poppy verantwortlich fühlte. Selbst wenn Sirius nie damit gerechnet hatte: Er fühlte sich tatsächlich schuldig. Außerdem hatte Harry ihm, als sich beide vorhin tröstend in den Armen gelegen hatten, erklärt, dass sie jetzt tatsächlich zusammenhalten mussten, denn Albus würde sicherlich auch Severus beschatten. Harry war so frech gewesen, seine eigenen Worte zu benutzen, denn er hatte gesagt, sie würden alle im gleichen Boot sitzen. Es war kaum vorstellbar, doch Sirius war endlich – wenn auch nur ein wenig – einsichtig, weswegen er nun Severus seine Hand entgegenstreckte und sich leise murmelnd bei ihm entschuldigte.

Einen Moment lang zögerte Severus, jedoch nicht lange genug. Er wollte Black nicht die Genugtuung geben, später behaupten zu können, es wäre gar nicht möglich, ihm entgegenzukommen. So ergriff Severus die ausgestreckte Hand und schüttelte sie einmal kräftig.

Von der Couch aus beobachtete Harry, wie sein Patenonkel mit äußerstem Kraftaufwand sich endlich dazu überwunden hatte, Severus die Hand zu reichen. Am liebsten hätte er diesen Moment irgendwie kommentiert, aber was hier gerade geschehen war, war eine Sache zwischen den beiden. So griff er auch nicht ein, selbst wenn er sich darüber ärgerte, als Sirius leise vor sich hin sagte: „Jetzt muss ich erst einmal was finden, mit dem ich meine Hand desinfizieren kann.“
Harry musste jedoch grinsen, als ein hilfsbereiter Severus trocken entgegnete: „Ich habe da eine antiseptische Seife, die ich Ihnen empfehlen kann. Die nehme ich immer, wenn ich versehentlich mit Ihnen in Kontakt gekommen bin.“ Sirius entgegnete nichts mehr, aber er schien zu schmunzeln, was zumindest schon einmal ein Anfang war. Die beiden verabschiedeten sich sogar höflich voneinander und Sirius, man höre und staune, wünschte Severus eine gute Nacht!

Obwohl Poppy ihm davon abgeraten hatte, genehmigte Severus sich ein kleines Schlückchen Elfenwein, bevor er sich in einem heißen Bad entspannte und sich danach mit einem frischen Nachthemd bekleidete. Die Schlafmütze, die Albus ihm geschenkt hatte, warf er wütend in die Schublade seiner Kommode. Mit einem dicken Buch und Miss Grangers überarbeiteter Theorie machte er es sich in seinem Bett gemütlich.

Manchmal klangen einige Dinge, die sie in ihrer Theorie aufgeführt hatte, für ihn unrealisierbar, doch in diesen Fällen nahm er einfach das dicke Buch zur Hand und blätterte und las so lange darin herum, bis er ihre Gedankengänge nachvollziehen konnte. Sie dachte häufig um viele Ecke, doch er konnte selbstverständlich mit ihr mithalten, auch wenn er hier und da eine kleine Auffrischung seines eigenen Wissens benötigte. Wozu sonst waren Bücher da? Die Hauptsache war doch, dass man wusste, wo man nachzuschlagen hatte.

Während er ans Kopfende gelehnt im Bett saß und die zierliche Handschrift ihrer Arbeit mit ihren geschwungenen, bauchigen Buchstaben – das kleine „g“ mochte er besonders – seine Nerven zu beruhigen schien, gingen ihm wieder die Worte von Salazar durch den Kopf. Das Gemälde, so dachte Severus, hatte vielleicht etwas in Albus’ Büro erfahren, was ihm so unglaublich schien, dass es sich ihm mitteilen musste und deshalb hatte Salazar ihm gegenüber die Warnung ausgesprochen. Grundsätzlich und ausnahmslos waren jedoch alle Gemälde, die in Hogwarts hingen, dem Schuldirektor gegenüber loyal und es benötigte schon eine wirklich abstruse und irrwitzige Situation, wenn sogar schon die Portraits nicht mehr im Sinne des Direktors handelten.

Miss Grangers Handschrift verschwamm kurzzeitig vor seinen Augen, so dass er sie reiben musste, um wieder klar sehen zu können. Da er morgen nicht unterrichten musste, wollte er die Zeit für etwas anderes nutzen. Schlaf war eine der Betätigungen, die ihm wenig bedeuteten; die er sogar für Zeitverschwendung hielt. Vier oder fünf Stunden genügten in der Regel, damit sein Körper am nächsten Tag wieder wohlauf war. So holte er einmal tief Luft und setzte sich wieder etwas aufrechter hin, denn er hatte nicht einmal bemerkt, dass er bereits an dem Kissen in seinem Rücken hinuntergerutscht war.

Plötzlich durchfuhr ihn ein Schmerz, der ihm nur allzu vertraut war. Mit einem schnell unterdrückten Schrei griff sich Severus an den linken Unterarm. Er hatte gehofft, dieses Brennen nie wieder in seinem Leben spüren zu müssen und doch war es da, auch wenn es unmöglich schien. Durch zusammengebissene Zähne zischend riss er den linken Ärmel bis zum Ellenbogen hinauf und erstarrte vor Entsetzen beim Anblick des pulsierenden, lebendig wirkenden dunklen Mals.

Was sollte er tun? Ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es kurz nach drei Uhr nachts war. Sollte er Albus aufsuchen oder doch lieber Harry? Möglicherweise wäre jedoch beides ein Fehler. Wenn das lebhafte Mal auf seinem Arm das befürchten ließ, was am nächsten lag, dann wäre es besser, sich allein auf den Weg zu machen. Erst später, wenn es denn ein Später geben sollte, würde er sich wieder einmal in der Rolle des Spions denen anvertrauen, denen er sich verpflichtet fühlte.

Der Schmerz wurde immer unerträglicher und riss Severus aus all seinen Überlegungen. Es war schon viel zu spät, jetzt noch jemanden im Vorfeld informieren zu können, denn jede weitere Sekunde, die er nicht auf den Ruf antworten würde, könnte ihn mit kontinuierlich stärker werdenden Schmerzen vielleicht sogar das Leben kosten, denn das Brennen war nur noch schwerlich auszuhalten. Schon jetzt war er kaum noch in der Lage, aufrecht zu gehen.

Seine Todesserrobe hatte er schon vor dem Sieg über Voldemort rituell verbrannt, um sich innerlich gereinigt zu fühlen, doch das verblassende Mal auf seinem Unterarm, jetzt wieder lebendig und pulsierend, hatte er nie von sich abschütteln können und ebenso wenig die schrecklichen Erinnerungen, die er damit verband.

Mit einem schwarzen Übergewand über das Nachthemd geschwungen stolperte Severus barfuss und mit schmerzverzerrtem Gesicht durch das finstere und gespenstisch stille Hogwarts bis vor die schweren eisernen Tore und von dort aus aktivierte er mit einem Zauberspruch die Apparation an jenen unbekannten Ort, an dem man seine Anwesenheit erwünschte.

Mit einem Male war der Schmerz vergangen, doch als Severus den Ärmel hinaufschob, schlängelte sich noch immer die pechschwarze Schlange aus dem weit aufgerissenen Kiefer des Totenkopfes hervor. Ohne die Schmerzen konnte er jedoch wieder einen klaren Gedanken fassen und so blickte er sich neugierig, aber vorsichtig um, falls noch andere, ehemalige Todesser dem Ruf gefolgt waren.

Er befand sich in einem weitläufigen, hellen, warmen Raum, der keine sichtbare Decke zu haben schien, denn ganz oben ging eine wunderschöne, goldfarbene Sonne auf. Als Severus seinen Blick von der hellen Sonne anwenden musste, bemerkte er gegenüber an einer weißen Wand eine verdorrte Pflanze, die direkt aus dem Boden zu sprießen schien. Nachdem er sich vergewissert hatte, allein zu sein, ging er zu dem Gewächs hinüber. Es war eine ausgetrocknete Weinrebe. Vorsichtig hob er eine Hand und berührte mit dem schmalen Zeigefinger einen der brüchig wirkenden Rankenäste. In dem Moment, als sein Finger die Pflanze berührte, erblühte sie und grüne Blätter sprossen aus dem nicht mehr trockenen Strauch hervor.

„Vielleicht wäre es an der Zeit, dass du die Rebe schneidest, Severus.“

Severus hatte sich nicht erschrocken, denn die ruhige Stimme war ihm vertraut, auch wenn sie so allumgebend tönte, als hätte die goldfarbene Sonne über ihm gesprochen. Er musste sich nicht einmal umdrehen, um zu wissen, dass Harry hinter ihm stand. Noch immer starrte er verdutzt auf die erblühte Rebe, an der nun sogar Trauben wuchsen, doch als er sich endlich von diesem surrealen Anblick lösen konnte und hinter sich schaute, war niemand da.

Zügig und ohne jegliche Furcht ging Severus den hellen Raum entlang, bis er am Ende an einen Torbogen gelangte, dessen Türen sich mit seinem Näherkommen einladend öffneten, so dass er, ohne sein Tempo drosseln zu müssen, mühelos hindurchschreiten konnte.

Einen Moment lang hielt Severus inne, denn in dem ebenso weißen, deckenlosen Raum befand sich einzig und allein ein bunt schimmernder Thron, auf dem niemand anderes saß als Harry, der verträumt nach oben in die Sonne blickte und dabei sehr entspannt und unbekümmert wirkte. Schnellen Schrittes eile Severus auf Harry zu, um zu erfahren, wie und warum er ihn gerufen hatte. Während er sich Harry näherte, schaute der ihn mittlerweile erwartungsvoll und gutmütig an und er lächelte dabei milde. Nachdem Severus ihn erreicht hatte, bekam er keine Gelegenheit dazu, etwas sagen zu können, denn Harry ergriff bereits freudestrahlend seine rechte Hand und drückte zur Begrüßung zu. Über diese Geste war Severus so perplex, dass er nichts anderes tun konnte als Harry verdutzt anzustarren.

Erst jetzt bemerkte er, dass der Thron, auf dem Harry saß, aus Perlmutt zu bestehen schien, weswegen er auch so farbenfroh im Licht der Sonne schimmerte, und dekorativ waren in dem Thron unzählige weiße Perlen eingearbeitet. Noch spürte er, wie Harry seine rechte Hand hielt und als Severus seinen Blick von dem pompösen Thron abwenden konnte und an seinen Arm hinunterblickte, wurde er Zeuge dessen, wie Harry ihm die raue Haut seiner Hand mühelos abstreifte wie die Haut einer Schlange. Erschrocken zog Severus seine Hand zurück, obwohl er keine Schmerzen verspürte. Die Hand selbst war auch nicht verletzt, sondern wirkte wie erneuert. Trotzdem war Severus darüber beunruhig, weswegen er sich abwandte, um zu gehen, doch da versperrte ihm plötzlich ein Einhorn den Weg. Die ganze Zeit über hatte er in diesen Räumen keine Furcht verspürt, aber jetzt bekam er es mit der Angst zu tun, denn Einhörner waren für Menschen wie ihn, die keine unverdorbene Seele vorweisen konnten, sehr gefährliche Tiere. Das magische Geschöpf griff ihn jedoch wider Erwarten nicht an, sondern schnaubte gelassen durch die Nüstern und schüttelte seine volle, weiße Mähne, während das gedrehte Horn im Sonnenlicht glitzerte.

Der Schreck, einem Einhorn so nahe zu sein, saß Severus noch immer in den Gliedern, als er plötzlich, dieses Mal an seinem linken Arm, Harrys Hand verspürte. Nachdem Severus seinen Kopf gedreht hatte, verfolgte er mit den Augen, wie Harry den Ärmel seines Gewandes nach oben schob und sein heller Unterarm mit dem sich schlängelnden, schwarzen Mal darauf entblößt wurde. Mit nachdenklicher und mitleidiger Miene betrachtete Harry das Mal des Dunklen Lords, während er von dem Handgelenk nicht abließ. Severus’ Atmung beschleunigte sich stetig. Er wollte nichts anderes als das teuflische Erkennungszeichen mit dem Stoff seines Gewandes wieder zu verhüllen. Harry sollte von seinen Arm ablassen, doch es schien für Severus unmöglich, sich bewegen zu können. Als Harry in aller Ruhe seinen Zauberstab zog und sich die Spitze des Elfzöllers aus Stechpalme langsam und unaufhaltsam dem dunklen Mal näherte, da wachte Severus heftig atmend und schluchzend auf.

Voller Entsetzen richtete er sich im Bett auf, so dass das schwere Nachschlagewerk von seinem Schoß glitt und mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden landete. Besorgt riss er seinen linken Ärmel nach oben und entblößte somit Voldemorts Zeichen, welches verblasst und nur noch unmerklich als solches zu erkennen immerwährend in sein Fleisch gebrannt war.

Severus benötigte einen Moment, bevor er sich sicher sein konnte, einen richtigen Traum gehabt zu haben. Einen Traum mit Handlung und Symbolik, doch das machte die Situation nicht weniger bedenklich, denn Severus träumte nie! Er nannte es zwar einen „Traum“, wenn sich in dem Dämmerzustand zwischen Schlaf und Wachsein Bilder in seinem Kopf scharf zeichneten wie damals, als er in einem dösigen Moment Harrys grüne Augen in seinem Geiste erblickt hatte, doch das waren lediglich Gedanken, die durch seinen Kopf huschten, bevor er wieder einschlief. Es handelte sich stets um kurz aufblitzende Erinnerungen, aber niemals um Träume.

Seine feuchten Wangen verrieten, dass er sogar geweint haben musste. Der Inhalt des Geträumten war verwirrend und gleichzeitig ergreifend gewesen, aber wesentlich besorgniserregender blieb für ihn allein die Tatsache, überhaupt einen waschechten Traum gehabt zu haben. Das erste Mal seit zwanzig Jahren hatte Severus wieder so geträumt, wie er es noch aus seiner Schulzeit kannte und das brachte ihn völlig aus der Fassung, denn das durfte gar nicht möglich sein.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
~ Muggelchen.net ~

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