Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - BEENDET

Hier könnt ihr eure Fanfictions und Gedichte zu Harry und seiner Welt vorstellen.

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Sonea Ginevra Inava
DracheDrache
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Re: Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit (172)

Beitrag von Sonea Ginevra Inava »

ahh - ein schönes Kapitel.
Meine Vermutung bezüglich Hermine, wurden ja direkt bestätigt. Ihre Eltern mag ich total liebevoll & cool.
Endlich mal die komplette Aufklärung, was mit Dumbeldore und Sirius geschehen ist - echt gut ausgedacht!
Und das Gespräch zwischen Remus und Severus ist auch total gut. Du triffst Remus einfühlsamen Charakter aus den Büchern echt super. ;)
Ausführlicheren Rview gibts heute nicht, hab dieses Wochenende zu wenig geschlafen um anständig zu reviewn. ;)
Every villain is a hero in his own mind.
Tom Hiddleston

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Muggelchen
EuleEule
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Beitrag von Muggelchen »

Hallo Sonea Ginevra Inava,

Dumbledore hat sich immer ein wenig bedeckt gehalten. Am Ende hat er bei Severus doch nachgegeben und die Wahrheit gesagt. Vielleicht kann Severus ein bisschen verstehen, wie es Sirius ergangen ist. Dicke Freunde werden sie wohl nie werden. Mit Remus sieht das schon anders aus. Der ist ihm gegenüber aufgeschlossen.
Das mit Hermine und der Apotheke wird noch viel mehr Form annehmen :D

Vielen Dank für deine Review,
Muggelchen




173 Die Trumpfkarte




„Warum ist der Laden so günstig?“, fragte Mr. Granger die ältere Dame, die sich als Mrs. Cara vorgestellt hatte. Hermine wusste noch von ihrem Besuch, dass ein Kunde sie mit dem Namen Gretchen angesprochen hatte.
Gebrechlich nahm die Dame nach der für sie anstrengenden Führung durch die Apotheke auf einem Höckerchen Platz, bevor sie offen entgegnete: „Ich habe viel zu spät daran gedacht, das Geschäft zu veräußern. Mein Mann und ich habe es über siebzig Jahre gemeinsam geführt.“ Sie musste tief Luft holen. „Er ist vor einigen Jahren erkrankt und ich habe immer gehofft, er würde sich wieder erholen. In meinem Alter allein eine Apotheke zu führen hat mich überanstrengt, aber mein Herz hing so sehr daran.“ Ein Rasseln war zu hören, als sie durchatmete. „Das Geschäft ist so günstig, weil über die letzten sechs Jahre immer mehr Kunden fernblieben. Es war einmal einer der meist besuchten Läden in der Winkelgasse, aber seit Jahren kann ich nicht einmal mehr den Wolfsbanntrank anbieten.“
„Wie viele Kunden haben Sie denn im Durchschnitt noch?“, wollte Mr. Granger wissen.

Hermine hörte aufmerksam zu, wie ihr Vater das Geschäftliche regelte, damit sie davon etwas lernen könnte. Sie selbst hatte noch nie so einen Schritt gewagt. Ihre Mutter schaute sich derweil um, kräuselte einmal die Nase, als ihr die dicken Wollmäuse in den Ecken aufgefallen waren. Das Geschäft wirkte oberflächlich sauber, aber schwer zugängliche Stellen zeugten von fehlender Reinlichkeit.

„Ich habe elf Stammkunden, die alles, was sie benötigen, hier kaufen. Sie kommen regelmäßig, weil sie durch Krankheiten ihre Mittel benötigen. Die Einnahmen...“
„...reichen nicht aus, um das Geschäft zu halten“, vervollständigte Mr. Granger und Mrs. Cara nickte daraufhin.
„Eine junge Frau wie Ihre Tochter“, die knorrigen Finger deuteten auf Hermine, „wird das Geschäft in Windeseile ankurbeln. Es wird sich schnell herumsprechen.“
„Hat sich sonst noch jemand für dieses Geschäft interessiert?“
„Nur zwei Herren, aber keinen von denen hat sein Interesse aufrecht erhalten können.“ Mrs. Cara stand von dem Hocker auf und watschelte mit gekrümmten Rücken auf Hermine und ihren Vater zu. „Ich bin ganz ehrlich zu Ihnen: Die Wasserleitungen müssen gemacht werden, aber das ist das Einzige, was finanziell belastend sein wird. Der letzte Kostenvoranschlag lag bei 5.500 Galleonen. Für das Geschäft kann ich deshalb schon nicht viel nehmen.“
Mr. Granger nickte, schaute gleich darauf seine Tochter an. „Was meinst du?“

Hermine nahm sich die Zeit, über all die Informationen nachzudenken. Das Geschäft selbst würde 11.000 Galleonen kosten, was sehr günstig war, denn über dem Laden befand sich eine Wohnung mit vier großen Zimmern, die im Preis inbegriffen waren. Damit würde sie sich zusätzliche Kosten für ein eigenes Heim ersparen. Außer den reparaturbedürftigen Wasserleitungen, die gemacht werden mussten, müsste sie nur noch anständig reinemachen, ein paar Zutaten bestellen und schon könnte sie die Türen für die ersten Kunden öffnen – wenn die überhaupt kommen würde. Werbung wäre angemessen. Ein paar Informationszettelchen könnte sie drucken lassen, mit denen sie die Briefkästen der in der Winkelgasse lebenden Menschen füllen könnte.

„Es hört sich gut an“, sagte sie ein wenig unsicher, denn sie wäre mit dem Geschäft auf sich allein gestellt. Sie konnte nur hoffen, dass sie niemals so krank werden würde, dass sie das Geschäft nicht mehr halten könnte.
Die ältere Dame legte eine Hand auf Hermines Unterarm und sagte in beruhigendem Tonfall: „Sie müssen sich nicht sofort entscheiden. Ich gebe Ihnen zwei Wochen Vorkaufsrecht, schriftlich. Lassen Sie sich alles durch den Kopf gehen. Wenn Sie Fragen haben“, sie wandte sich an Hermines Vater, „oder Sie noch etwas wissen möchten, dann melden Sie sich einfach bei mir.“

Mit wenig Aufwand gestaltete Mrs. Cara ein Schriftstück, mit welchem sie das Vorkaufsrecht für die nächsten zwei Wochen schriftlich festhielt und unterzeichnete. Auch Hermine unterschrieb. Es fühlte sich gut an, sich dabei vorzustellen, bereits den Kaufvertrag zu unterschreiben.

Während sie wieder mit ihren Eltern zurückging, um die Möglichkeiten und die Zukunft zu erörtern, wurde sie in Hogwarts gesucht. Mit seiner Fragerei, wo Hermine stecken könnte, hatte Severus ungewollt die Pferde scheu gemacht. Harry hatte sich bei Ron erkundigt, ob er von Hermines momentanen Aufenthalt wusste, der wiederum bei seinen Brüdern und Eltern nachfragte, während Harry gerade Luna anflohte.

„Harry“, sagte Ginny ein wenige genervt, „meinst du nicht, dass du überreagierst?“
„Nein, das meine ich nicht“, erwiderte er störrisch. „Hermine ist seit halb vier verschwunden und jetzt haben wir es acht Uhr! Das ist nicht normal.“
„Meine Güte...“ Sie schüttelte den Kopf. „Vielleicht hat sie im Mungos jemanden kennen gelernt, mit dem sie essen gegangen ist?“ Harry warf ihr einen ungläubigen Blick zu. „Warum nicht? Traust du ihr das nicht zu?“
„Nein“, kam als knappe Antwort.
„Ich schon!“

Er ignorierte Ginny und fragte sich selbst, wen er noch außer Luna anflohen könnte, da klopfte es ans Fenster.

Ginny staunte. „Eine Eule! So spät?“ Der Brief war für Harry. Es war ein offizieller Briefkuvert vom Ministerium. „Ist für dich, Harry. Der Brief ist von Dean.“
„Wieso schreibt er mir aus dem Ministerium?“
„Das wirst du erfahren, wenn du den Brief liest“, empfahl sie schmunzelnd.

Für einen Moment war Hermine vergessen, während er sich den Brief vornahm.

„Das gibt's nicht“, murmelte er. Viel aufgebrachter fügte er hinzu: „Ich kann es nicht glauben.“ Bevor Ginny die Chance hatte, nach dem Inhalt des Briefes zu fragen, rief Harry ein wenig laut: „Wobbel!“
Sofort erschien der Hauself, den Harry mit zusammengekniffenen Augen betrachtete, dabei weniger wütend als vielmehr erstaunt war. Er hielt dem Elf den Brief unter die Nase. „Kannst du mir das erklären?“
Wobbel warf nur kurz einen Blick drauf, hob dann das Kinn und sagte selbstsicher: „Es ist mein gutes Recht, mich zu beschweren.“
„Was?“ Ginny verstand überhaupt nicht, um was es ging, weswegen Harry ihr den Brief von Dean gab, der bei der Abteilung für die Neuzuteilung von Hauselfen arbeitete. Ginny las den Brief, musste dabei grinsen. Dean war bei seiner Wortwahl nicht sehr ernst geblieben, brachte das Anliegen dennoch auf den Punkt. Sie lachte auf.
„Ich finde das nicht witzig!“, sagte Harry gekränkt. „Wobbel.“ Seine Stimme war sehr sanft geworden. „Du hättest mit mir drüber reden können.“
„Sir, ich habe mehrmals meinen Unmut darüber geäußert, dass mich die Arbeit bei Ihnen unterfordert.“
Harry rollte mit den Augen, doch er gab sich trotzdem Mühe, Wobbels Beschwerde ernst zu nehmen. „Gut, dann gebe ich dir eine Aufgabe. Ich will“, er zeigte mit beiden Händen unpräzise im Wohnzimmer umher, „dass du hier sauber machst.“

Wobbels Augen glänzten. Er schnippte mit den Finger und überall im Wohnzimmer glimmte es plötzlich. Mit einem Male war alles staubfrei.

„Und sonst noch etwas, Sir?“
„Ich fasse es nicht... Wie soll ich dich zu deiner Befriedigung völlig auslasten, wenn bei dir immer alles so schnell geht?“ Jetzt musste Harry lachen. „Ruft Severus dich nicht manchmal, damit du etwas für ihn erledigen kannst?“
„Nein Sir, das hat er noch nie.“
„Und Hermine?“ Bevor Wobbel antworten konnte, fiel Harry etwas ein. „Ja, du kannst Hermine suchen! Sag ihr, dass sich jeder in Hogwarts Sorgen macht.“
„Nein!“, legte Ginny rechtzeitig ihr Veto ein, bevor Wobbel verschwinden konnte. „Harry, das kannst du nicht machen! Stell dir vor, Hermine ist gerade mit diesem gut aussehenden Mann aus dem Mungos beschäftigt und da taucht Wobbel auf.“
„Was für ein gut aussehender Mann?“, fragte Harry skeptisch.
Ginny schnitt eine Grimasse. „Ich meine doch keinen bestimmten, irgendeinen eben.“
„Hermine würde nie mit irgendeinem...“
„Sir?“, unterbrach Wobbel. „Kann ich noch etwas – irgendetwas – für Sie tun?“ Wobbel flehte geradezu.
„Es ist wirklich anstrengend“, Harry setzte sich aufs Sofa, „einen Hauself zu beschäftigen, dabei dachte ich immer, das würde das Leben erleichtern.“

Vier Stockwerke über Harry unterhielt sich Remus über den Kamin gerade mit Sirius und wurde prompt eingeladen, gleich vorbeizukommen, was Remus nicht abschlagen wollte.

„Mein alter Freund“, grüßte Sirius erfreut, als er Remus auf die Schulter klopfte. „Komm her, setz dich! Kann ich dir was Gutes tun? Einen Brandy? Oder doch lieber Feuerwhisky?“
„Wie wäre es mit einem Tee?“
„Oh, das ist Annes Gebiet. Würdest du...?“
„Natürlich“, sagte sie freundlich.

Nachdem Sirius den letzten Wasserkocher kaputt gemacht hatte, durfte er vorerst nicht mit den Muggelhaushaltsgeräten hantieren. Magie in der Küche war verboten, das störte nämlich die Mikrowelle, die Sirius neulich zum Explodieren gebracht hatte, als er einen einfachen Aufrufezauber in der Küche anwandte. Er strengte sich an, wenig Magie zu verwenden, auch weil viele von Annes Freunden nicht wussten, dass er ein Zauberer war.

Die drei unterhielten sich über vieles. Zum Beispiel, wie es sich nach der Hochzeit so lebte oder was Sirius als Beschäftigung im Auge hatte, was Remus sehr interessierte.

Sirius stand an einem Schrank und zog eine Schublade auf, als er Remus fragte: „Mr. Bloom kennst du?“
„Wen?“

Remus beobachtete, wie Sirius etwas aus besagter Schublade entnahm und es ihm hinhielt. Es war ein Prospekt der „Initiative für die Forderung eines Anti-Diskriminierungsgesetzes für magische und nichtmagische Halbwesen“.

„Ach, den Mr. Bloom meinst du. Ja, den kenne ich persönlich.“
Sirius hatte eines der seltenen, zufriedenen Lächeln auf den Lippen. „Er war hier. Ich hab ihn eingeladen und wir haben miteinander gesprochen. Ich denke, ich werde dort aktiv einsteigen und auch finanziell unter die Arme greifen.“
„Warum?“, wollte Remus wissen.
„Weil zufällig einer meiner besten Freunde mit einem haarigen Problem und dessen Auswirkungen zu kämpfen hat. Ich möchte ja wirklich niemanden schräg ansehen.“ Sirius starrte Remus eindringlich an, der daraufhin zu lachen begann. „Außerdem ist mir aufgefallen, wie viele Menschen ich kenne und sehr gern hab, die genauso diskriminiert werden wie du.“
„Ich werde nicht...“
Sirius unterbrach. „Doch, wirst du. Nicht in Hogwarts und nicht von deinen Freunden, aber von Außenstehenden. Ich habe mitbekommen, wie du händeringend einen Job gesucht hast. Es ist gut, dass du wieder als Lehrer arbeitest und dass die Eltern der Schüler sich nicht daran stören.“
„Den Job hab ich Severus zu verdanken.“
„Blödsinn“, murmelte Sirius.
„Wirklich! Albus hat mir gesagt, er hätte mich nicht in Betracht gezogen, hätte Severus das nicht angesprochen.“
„Willst du ihm dafür noch dankbar sein? Er hat damit nur einen Bruchteil dessen wiedergutgemacht, was er im Laufe seines Lebens...“
Diesmal unterbrach Remus. „Nein, Sirius. Er muss gar nichts wiedergutmachen. Das zwischen mir und ihm ist erledigt. Wir sind quitt, würde ich meinen.“
„Tatsächlich?“ Sirius schien es nicht glauben zu wollen. „Zählt er jetzt zu deinen dicken Kumpels?“
Remus hörte eindeutig heraus, dass aus Sirius der Neid sprach. „Wir würden nie 'dicke Kumpels' werden. Nicht so, wie wir beide, Sirius“, sagte er mit besonnener Stimme und tatsächlich wirkte sie auf Sirius beruhigend, denn er schien erleichtert.

Als Sirius die Toilette aufsuchte, nutze Anne die Gelegenheit, um etwas zu fragen.

„Remus? Sag mal, hat Sirius früher irgendwelche Hobbys gehabt?“
Er blinzelte ein paar Mal, weil ihre Frage ihn erstaunte und dann noch einige Male, weil er angestrengt nachdachte. „Er hatte früher nicht viele Hobbys. Er hat Schokofroschkarten gesammelt, aber welches Kind hat das nicht?“ Remus musste an seine eigene kleine Sammlung denken, was ihn in Erinnerungen schwelgen ließ.
Anne wurde deutlicher. „Nein, ich meine später, nach der Schule.“
„Mmmh“, summte Remus, während er bei seinen Überlegungen die Augen zusammenkniff. „Er mochte Motorräder, hatte sogar ein eigenes.“
„Wirklich? Das wusste ich ja gar nicht“, sagte sie erstaunt. „Wo ist es geblieben? Oder ist es schon zu Schrott gefahren?“
Remus lachte auf. „Nein, es sollte noch intakt sein. Lass mich überlegen.“ Er nickte sich selbst zu. „Der Letzte, der es hatte, war Hagrid. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er es weggegeben haben soll.“
„Hagrid ist der Riese, oder?“

Auf ihre Nachfrage nickte Remus und er bemerkte, dass sie gerade noch eine weitere Frage stellen wollte, bevor Sirius wieder ins Wohnzimmer kam. Sie verbot sich den Mund.

„Also“, begann Sirius, „wegen Mr. Bloom: Ich habe mich dazu überreden lassen, ein wenig Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Er meinte, ich wäre eines ihrer bekanntesten Mitglieder, dabei ist selbst Albus eines, aber er hält sich im Hintergrund.“
„Albus kann sich nicht für alles gleichzeitig einsetzen“, warf Remus ein. „Er macht viel für Kinder. Ich habe von Harry gehört, dass er das Geld, das man ihm mit dem Merlin überreicht hat, an ein Heim gespendet hat.“
„Und was hat Harry mit seinem Geld gemacht?“, fragte Sirius, obwohl sich Remus sicher war, dass er das von seinem Patensohn erzählt bekommen haben musste.
„Harry wollte es mir 'spenden'“, entgegnete Remus mit gekräuselter Nase. „Ich hab es natürlich nicht angenommen.“
„Idiot“, murmelte Sirius, bevor er laut sagte, „du hättest dir damit was aufbauen können, für dich und Tonks meine ich. Ihr wollt doch auch mal ein eigenes Haus haben.“ Er grinste. „Vielleicht auch ein paar Kinderchen?“
Von dem Kommentar ein wenig gekränkt machte Remus auf die momentane Lage aufmerksam. „Du weißt doch, dass das nicht geht. Wir dürfen nicht...“
„Ja, noch nicht. Die Betonung liegt auf 'noch', Remus. Ich würde schon einmal damit anfangen, für ein Haus zu sparen. Anne und ich hatten neulich im Ministerium mit Kingsley gesprochen, als wir da was zu erledigen hatten. Er ist mit der Gesetzesänderung so gut wie fertig. Für die Elfen musste er sich etwas Besonderes überlegen, aber wie es aussieht, steht Tonks und dir bald nichts mehr im Weg!“

Remus' Augen glänzten wie die eines Kindes, das gerade beim Weihnachtsmann auf dem Schoß saß. Von Tonks wusste er, dass Kingsley und eine Gruppe, die er ins Leben gerufen hatte, die Gesetze ändern würde, aber dass es schon bald in Kraft treten könnte, hatte er nicht vermutet.

Severus hingegen hätte nicht vermutet, dass es ihn unruhig machen würde, nichts über Hermines Aufenthaltsort in Erfahrung zu bringen. Sie war wie vom Erdboden verschluckt. Normalerweise hatte sie immer Zettelchen geschrieben. Auch als er eines Tages verschlafen hatte, lag ein Zettel auf dem Tisch, auf dem sie geschrieben hatte, dass sie bei ihm gewesen war. Anfangs überlegte er, ob es ihm zustehen würde, sich im Mungos zu erkundigen, ob sie schon gegangen war. Als er sich endlich einen Ruck gab und das Mungos anflohte – in Gedanken schon zig Rechtfertigungen ausgetüftelt hatte, falls Hermine ihn für das Hinterherschnüffeln zur Rede stellen würde –, da hatte er nur eine Dame von der Information erreichen können. Die sagte ihm, dass der Personalchef heute bereits um 18 Uhr gegangen wäre.

Eine Sorge kam in ihm auf, wie er sie schon einmal vor zwanzig Jahren gespürt hatte. Severus entschloss sich, ein weiteres Mal bei Harry nachzufragen, falls der vergessen hätte, sich zu melden.

Im Erdgeschoss öffnete ihm Harrys Verlobte.

„Professor Snape? Es ist schon nach elf“, wies sie ihn höflich auf die späte Stunde hin.
Er kniff missgestimmt die Augen zusammen. „Und ich habe Sie offensichtlich noch nicht gestört, wie es aussieht.“ Ginny war noch vollständig bekleidet und schien putzmunter.
„Ich hole Harry“, sagte sie genervt, als sie die Tür weit öffnete, damit er eintreten konnte.

Im Wohnzimmer betrachtete Severus für einen Moment den Phönix, der sein zerfleddertes Gefieder putzte, welches nicht mehr scharlachrot ins Auge stach, sondern angegraut und daher schmutzig wirkte. Unter der Stange des Vogels befand sich eine feuerfeste Schale, die Harry vorsichtshalber dort angebracht hatte. Fawkes sah schlimm aus: alt und kränklich.

„Severus?“ Der Angesprochene wandte seinen Blick vom Vogel ab, um Harry anzusehen.
„Irgendetwas gehört?“, fragte der Tränkemeister.
„Von was? Ach, Sie meinen Hermine. Nein, niemand hat etwas gehört. Ginny meint, wir sollten uns keine Sorgen machen.“
„Keine Sorgen machen? Sie haben sicher gelesen, dass neulich ein Zauberer verschwunden ist und zwar aus Hogsmeade. Er war in den Drei Besen einquartiert und...“
„Schon gut, schon gut“, beruhigte Harry. „Aber was soll ich jetzt machen?“
„Man kann's auch übertreiben“, warf Ginny ein, womit sie den bösen Blick ihres Zaubertränkelehrers auf sich zog. „Ich mein' es so! Lasst sie doch einfach mal in Ruhe. Sie kann auf sich selbst aufpassen.“
Harry nickte und stimmte Ginny zu, auch wenn es ihm schwerfiel. „Ich würde bis morgen früh warten, danach können wir immer noch handeln.“
„Bitte!“ Es war eine Mischung aus Wut und Enttäuschung in Severus' Stimme zu vernehmen. „Dann ist wohl das Einzige, was ich jetzt machen kann, Sibyll einen Besuch abzustatten.“ Er ging bereits zur Tür. „Ich werde sie bitten, die Karten zu legen. Vielleicht erfahre ich ja dann, ob die Vermisste noch unter den Lebenden weilt oder längst von einem aufgebrachten Muggelmob zu Tode gefoltert wurde.“

Die Tür, die Severus von außen zuknallte, schreckte Fawkes und Hedwig auf und sorgte auch dafür, dass Nicholas, der eben eingeschlafen war, zu wimmern begann.

„Kanaille“, schimpfte Ginny leise, bevor sie durch die Tür ins Schlafzimmer verschwand.

Mitten im Wohnzimmer stand Harry allein – dachte er zumindest, denn Wobbel hatte alles beobachtet und blickte ihn nun mitleidig an.

„Wie man's macht, macht man's falsch“, murmelte Harry.
„Sir? Ich dürfte sowieso nicht in die Muggelwelt, wenn Sie es mir befehlen würden. Sie wissen schon, wegen des Gesetzes zum Schutz der Muggel.“ Der Elf hob eine Augenbraue und schaute sich um, bevor er flüsterte: „Wenn Sie mir jedoch gestatten würden, Sie an einen Ort mitzunehmen, weil ich eine Überraschung für Sie habe...“
Harry grinste. „Ein Schlupfloch gefunden, wie?“ Ein breites Lächeln kroch über Wobbels Lippen.

Durch die Tür zum Schlafzimmer sagte Harry Bescheid, dass er kurz weggehen würde. Ginny fragte gar nicht erst nach, verzog aber das Gesicht und machte Harry damit klar, dass ihr sein übertrieben besorgtes Verhalten nicht gefiel.

„So, Sir“, Wobbel hielt ihm die kleine Hand entgegen, „bereit für die 'Überraschung'?“
Harry ergriff die Hand seines Elfs. „Ja, aber es wäre schön, wenn wir niemanden erschrecken würden.“

Für den Hauself war es eine Leichtigkeit, von Hogwarts aus zu apparieren, dennoch spürte Harry einen ungewohnten Ruck, als sie den Schutzwall durchbrachen. Vielleicht, so vermutete Harry, dachte der Schutzzauber rund um Hogwarts mit, so wie der Blutzauber es damals getan hatte, als er Ginny im Krankenzimmer besuchte. Ron hatte es ihm zumindest so erklärt. Wobbel und er waren keine Gefahr für die Schule, durften deswegen per Apparation passieren.

Einen Wimpernschlag später fand sich Harry in einer Straße wieder, die ihm bekannt vorkam. Es war menschenleer. Die meisten Fenster der umliegenden Häuser waren dunkel oder man konnte das bläuliche Flackern von einem Fernseher erkennen. In dem Haus, vor dem er mit Wobbel gelandet ist, brannte noch Licht. Das Haus kannte er gut, er hatte es schon einige Male besucht. Es war das Haus von Hermines Eltern.

„Hier ist sie also!“, sagte er erleichtert. „Ich frage mich nur, warum?“
„Vielleicht klingeln Sie mal, Mr. Potter?“
„Was ist mit dir?“
„Ich kann hier warten. Keine Sorge, ich mache mich einfach unsichtbar.“
Harry nickte. „Gut, mach das.“

Das Tor war nicht verschlossen. Als er den Vorgarten betrat, fiel ihm ein beleuchteter Gartenzwerg aus Plastik auf, der einen Spaten in der Hand hielt und sich mit einem Tuch die Stirn abwischte. Als Ron zu Mr. Granger einmal gesagt hatte, er würde den Gartenzwerg kitschig finden, hatte Hermines Vater geantwortet, solange der Zwerg regelmäßig die Miete zahlen würde, dürfte er auch im Garten bleiben. Harry musste bei der Erinnerung daran lächeln. Sie hatten zusammen mit Luna, Neville, Susan und den Zwillingen die Grangers ab und an besucht, um Pläne für die Suche nach den Horkruxen zu schmieden.

Er war nicht einmal dazu gekommen, sich Worte zurechtzulegen, da hatte sein Finger schon die Klingel neben der Tür betätigt.

„Guten Abend, Jane“, grüßte er die Frau mit dem warmherzigen Lächeln.
Sie stutze. „Harry?“ Einen Moment später, als sie registriert hatte, dass er tatsächlich bei ihr vor der Tür stand, da öffnete sie die Tür viel weiter. „Harry, kommt doch bitte rein. Suchst du Hermine?“ Doch bevor er antworten konnte, klärte sie ihn bereits auf: „Sie ist hier, hat uns spontan besucht.“

Harry folgte Jane ins Wohnzimmer wurde dort gleich von zwei Augenpaaren verwundert angestarrt. Hermine legte die Papiere, die sie in den Händen hielt, beiseite.

„Wieso bist du hier?“
Im Moment kam sich Harry etwas albern vor. Antworten wie 'Wir haben uns Sorgen gemacht.' würden seltsam klingen, zumindest jetzt, wo er sie hier mit ihren Eltern am Tisch sitzen sah. „Wir haben dich gesucht. Du warst nirgends zu finden.“
„Und da habt ihr euch Sorgen gemacht“, gab Hermine das Verhalten ihrer Freunde ganz richtig wieder. „Da bin ich mal einen Abend weg und schon werden Vermisstenanzeigen aufgegeben.“
Harry wollte sich rechtfertigen. „Jemand ist aus Hogsmeade entführt worden.“
„Was?“
„Das stand im Tagespropheten. Ist vor wenigen Tagen passiert“, erklärte Harry, denn er wusste, dass sie den Tagespropheten selten las und wenn doch einmal, dann nur mit Überwindung.
„Harry“, unterbrach Josh den peinlich stillen Moment, „setz dich doch. Möchtest du auch etwas trinken? Tee, Saft, Selter?“
„Saft, Orangensaft.“

Jane begleitete Harry zur Couch hinüber und setzte sich direkt neben ihn. Die beiden plauderten ein wenig, bis Josh mit dem Getränk zurückkommen würde. Sie erkundigte sich nach seinem Wohlbefinden und wie ihm die Arbeit in Hogwarts gefiel.

„Es macht Spaß, als Lehrer zu arbeiten.“ Er log nicht, denn das konnte man an seinen Augen erkennen, die in diesem Moment Ähnlichkeit mit denen des Direktors hatten. „Ginny und ich schmieden bereits andere Pläne. Sie möchte es unbedingt Ron gleichmachen und Quidditch spielen“, erzählte Harry, „während ich weiter mit Kindern arbeiten möchte, aber lieber mit kleineren.“
„Wieso denn das?“, fragte Hermine, die das Gespräch verfolgt hatte.
Er schürzte die Lippen. „Bei den älteren Schülern merke ich, dass ihnen allein der Name 'Harry Potter' schon einen so großen Respekt einflößt, den ich mir nicht einmal selbst verdient habe. Die wissen alle ganz genau, wer ich bin. Bei den jüngeren ist das anders. Die kennen die Namen sämtlicher Dinosaurier auswendig, aber 'Harry Potter'“, er zuckte mit den Schultern, „den kennen sie nicht.“

Harry blickte neben sich und bemerkte, dass Jane aufgrund seiner Worte ganz verzückt lächelte, was ihre Tochter ihr nachahmte. Die beiden hatten rein äußerlich eine sehr große Ähnlichkeit, nur hatte Jane kein buschiges Haar. Von wem Hermine das geerbt haben könnte, war ihm ein Rätsel, denn die Haare ihres Vaters waren dünn und glatt.

„Hier Harry, dein Orangensaft.“ Josh reichte ihm das Glas, von dem Harry gleich zwei Schlucke nahm.

Natürlich kam das Gespräch auf Hermines Vorstellungsgespräch. Sie erzählte Harry, wie man sie beim Mungos hatte abblitzen lassen, was Harry gar nicht verstehen konnte. Josh lenkte das Gespräch auf die Apotheke in der Winkelgasse und Harry hörte aufmerksam zu.

„...und am Ende hat Mrs. Cara Hermine ein zweiwöchiges Vorkaufsrecht gegeben.“
Von Josh blickte Harry hinüber zu Hermine. „Und? Machst du's? Ich würd' es machen! Das war doch immer dein Traum.“

Nicht wie zuvor wollte sich Hermine damit herausreden, dass sie diesen Traum nur laut gedacht hatte, weil er eine willkommene Flucht aus dem Kriegsalltag gewesen war. 'Wenn der Krieg vorbei ist, dann werde ich...' waren die ersten Worte gewesen, mit denen Luna damals am Lagerfeuer nach dem Sieg über drei Todesser den Anfang gemacht hatte. Diese Worte gingen einmal rundherum und jeder beendete den Satz mit seiner persönlichen Vorstellung einer perfekten Zukunft. Ron hatte das, was er damals gesagt hatte, bereits in die Tat umgesetzt, denn er war jetzt ein bekannter Quidditchspieler. Auch Luna konnte ihr Ziel, Fuß in den Printmedien zu fassen, in die Wirklichkeit umsetzen, was Hermine vor Augen hielt, wie offen jeder in dieser Nacht über seine tiefsten Wünsche gesprochen hatte. Vielleicht war das so, dachte Hermine, weil jeder einzelne von ihnen jeden Tag mit dem Tod rechnen musste. In so einer Lage lügt man seine Freunde nicht an. Es interessierte sie sehr, wie Severus diesen Satz beendet hätte. Wahrscheinlich wäre er der Ansicht gewesen, dass er nach dem Krieg nicht mehr am Leben sein würde. Weil sie an Severus denken musste, schweiften ihre Gedanken zum Spiegel Nerhegeb. Sie hatte nicht lange hineingesehen, aber dennoch wusste sie, dass sie sich selbst in der Apotheke hatte stehen sehen. Es war ihr Traum, die Sehnsucht ihres Herzens.

„Ja, ich werde es tun!“, sagte sie entschlussfreudig.
Ihre Antwort erfreute besonders ihren Vater. „Gut, Schatz! Ich werde alles Finanzielle regeln. Du musst mir nur helfen, die Pfund in Galleonen umzutauschen.“
„Keine Sorge, Dad. Das wird schon alles klappen.“

Damit Wobbel nicht so lange warten musste, verabschiedete sich Harry, doch Hermine schloss sich ihm an. Zusammen ließen sie sich von dem Elf direkt nach Hogwarts apparieren, bevor jeder auf sein Zimmer ging.

Während um sechs Uhr in der Frühe noch alle in Hogwarts schliefen, manche gerade erst erwachten, saß Lucius bereits angekleidet an dem Tisch in seinem Krankenzimmer im Mungos. Er erwartete nicht nur das Frühstück, sondern auch seinen Beistand, der ihm heute einige Punkte erläutern wollte. Das Verhör unter dem Einfluss von Veritaserum hatte Sid bisher wunderbar abwenden können. Nachdem ein kurzes Klopfen einen Besuch ankündigte, betrat nicht nur Marie mit einem Tablett in der Hand das Zimmer, sondern sie hatte auch Sid im Schlepptau.

„Guten Morgen, Mr. Malfoy“, grüßten Marie und sein Beistand nacheinander und höflich, wie Lucius war, gab er den Gruß zurück. Die zweite Tasse auf dem Tablett war nicht zu übersehen, doch er dachte sich seinen Teil. Marie war zuvorkommend und das nicht nur Patienten gegenüber. Sid hatte sich ihm gegenübergesetzt und sah Marie mit leuchtenden Augen dabei zu, wie sie beide Tassen mit Kaffee füllte und danach das Zimmer verließ.

„Was haben Sie zu erzählen, Mr. Duvall?“
„Zunächst einmal ist der Glasschaden von dem Vorfall in der Mysteriumsabteilung berechnet worden. Er wurde auf etwas über 45.000 Galleonen festgelegt, die man Ihnen in Rechnung stellen wird.“
„Ein Kinderspiel“, winkte Lucius ab, „was noch?“
„Man wird versuchen, in Bezug auf die Familie Roberts eine Befragung mit Wahrheitsserum durchzuführen, doch ich denke, ich kann das unterbinden.“
„Familie Roberts?“, fragte Lucius nach.
„Der Herr vom Campingplatz, Mr. Malfoy. Sie erinnern sich bestimmt, dass Sie während der Quidditch-Weltmeisterschaft ihn und seine Familie...“
„Oh ja, natürlich. Der Name war mir nur nicht eingefallen. Warum will man gerade deswegen eine Befragung durchführen?“
„Ich vermute“, Sid legte den Kopf schräg, „dass das der einzige Anklagepunkt ist, für den man Ihnen noch ein paar Jahre auferlegen könnte. Es war nicht nur ein Verstoß gegen das Gesetz zum Schutz der Muggel, sondern auch eine Störung der Öffentlichen Ordnung, die eine Menge Sachschaden nach sich zog. Aber keine Sorge, alles in allem wird das Gamot keinesfalls über die maximal sieben Jahre hinauskommen.“
„Ich will nicht die vollen sieben Jahre nach Askaban. Sie sind mein Beistand! Sorgen Sie dafür, dass nicht länger als ein Jahr bekomme, Mr. Duvall, sonst...“
„Sonst was? Drohen Sie mir etwa?“ Sid hörte sich nicht so an, als hätten seine Worte ihn eingeschüchtert, geschweige denn, dass er sie ernst genommen hätte.
„Nein“, versicherte Lucius. „Wenn das Urteil für mich äußerst positiv ausfallen sollte, dann dürften Sie sogar mit einer Belohnung rechnen.“

Sid beäugte sein Gegenüber kritisch und das zweite Mal in seinem Leben fühlte sich Lucius durch so eine Begutachtung verunsichert. Noch immer hatte sein Beistand sich nicht dazu geäußert, nahm stattdessen gelassen einen Schluck Kaffee. Erst danach sagte er was zu Lucius' Angebot.

„Ich bekomme mein Gehalt vom Ministerium, Mr. Malfoy. Ihr Geld brauche ich nicht. Meine Familie oder das, was nach dem Krieg von ihr noch übrig ist, musste noch nie am Hungertuch nagen. Wenn das hier vorbei ist, werden wir uns mit Sicherheit nie wieder über den Weg laufen.“
„Man sieht sich immer zweimal im Leben, Mr. Duvall.“
Sid grinste. „Ja, die Redensart kenne ich sogar.“ Aus seiner schwarzen Tasche, die Ähnlichkeit mit einem Aktenkoffer hatte, entnahm Sid einige Unterlagen, die er kurz betrachtete. „Ich werde versuchen, den ersten Anklagepunkt noch etwas hinzuzögern: 'Mitglied einer gesetzeswidrigen Organisation'. Wenigstens haben wir schon durchsetzen können, dass das Minderjährigenstrafgesetz angewandt werden soll. Ich möchte unbedingt Zeugen einladen.“
„Wieso?“
„Um Zeit zu gewinnen. Ich habe übrigens mit einer Dame von der Muggelpost geredet. Es war kein Interview, nur die Frage, ob sie Interesse an meinem Vorschlag hat. Heute habe ich einen weiteren Termin mit ihr. Ich will, dass sie startklar ist, sollte ein Verhör unter Veritaserum stattfinden. Ich möchte dann sofort Einzelheiten an die Presse geben.“
„Sie haben also eine Journalistin gefunden. Sehr schön“, lobte Lucius.
„Ja, habe ich. Ich habe mich für die Dame entschieden, die Ihnen die 'Blumenfrage' gestellt hat. Sie scheint ein wenig“, Sid wedelte mit einer Hand vor seiner Stirn herum, „verträumt. Ich nehme an, sie wird so sehr von der Möglichkeit verzückt sein, Artikel über Sie schreiben zu dürfen, dass sie nicht nachhaken wird.“
„Mr. Duvall, haben Sie sich auch erkundigt, was diese Dame im Vorfeld bereits geschrieben hat? Das wäre für mich sehr interessant. Wenn es nicht zu viel Arbeit machen würde?“
„Ich habe Referenzartikel angefordert, die sie mir heute geben soll.“

Entspannt lehnte sich Sid zurück, um anzudeuten, dass er nun ein anderes Thema beginnen möchte.

„Mr. Malfoy“, er klang sehr ernst, „seien Sie ehrlich: Haben Sie sich mit der Gamotvorsitzenden angelegt?“
Für einen kurzen Augenblick blieb Lucius' Herz stehen. Er kniff die Augen zusammen und fragte skeptisch: „Warum fragen Sie das?“
„Ich habe ein paar Worte mit ihr gewechselt. Sie möchte nicht länger mit mir reden als notwendig, was ich unter diesen Umständen nachvollziehen kann, aber eine ihrer Aussagen machte mich stutzig.“
„Die da wäre?“
„Sie sagte, wenn wir das Spielchen zu weit treiben, dann könnte sie Ihnen mit Leichtigkeit das Genick brechen.“ Sids Blick war so gewichtig, dass der allein sein Gegenüber im Stuhl fixieren konnte. „Was haben Sie getan, Mr. Malfoy?“

Das Herzklopfen versuchte Lucius zu ignorieren, doch es war war schier unmöglich. Mit seinem Beistand lief alles wunderbar, dachte er. Er hätte nicht einmal die Vorsitzende erpressen müssen.

„Mr. Malfoy?“

Sein Beistand forderte eine Antwort, die Lucius nur ungern geben wollte. Ja, er hatte Rosalind Baltimore erpresst und ja, auch der Hälfte der anderen Gamotmitglieder hatte er die Daumenschrauben angelegt. Keiner von denen würde ihm ein hohes Strafmaß zukommen lassen, weil sie dann um ihren eigenen Ruf fürchten müssten. Jeder hatte Dreck am Stecken.

„Mr. Malfoy!“
„Ja, schon gut! Ich habe möglicherweise etwas gegen Mrs. Baltimore in der Hand und habe auch keinen Hehl daraus gemacht, das eventuell gegen sie zu verwenden.“
Sids Augen öffneten sich weit, ebenso sein Mund. „Sie haben sie doch nicht etwa erpresst?“
„Das kann man so nicht unbedingt sagen...“ Diesmal glaubte Lucius seinen eigenen Worten nicht.
„Wie kann man es denn sonst ausdrücken?“ Sid beugte sich nach vorn. Sein Tonfall war äußerst aggressiv. „Sie werden mir auf der Stelle sagen, was da zwischen Ihnen uns Mrs. Baltimore läuft! Sie, Mr. Malfoy, werden mir Ihre Geheimnisse offenlegen, haben Sie verstanden? Ansonsten sehe ich mich gezwungen, Ihren Fall abzugeben, weil Sie nicht kooperativ sind.“
„Das können Sie nicht tun!“
„Das werde ich tun! Glauben Sie, ich werde mich in die Gefahr begeben, als eine Ihrer Marionetten zu scheitern? Ich werde nicht aus allen Wolken fallen, wenn plötzlich Ihre zwielichtigen Alleingänge an die Öffentlichkeit gelangen. Mich werden Sie nicht in den Abgrund stoßen, Mr. Malfoy, denn ich werde früh genug abspringen und dann Ihnen nachwinken, wenn Sie fallen!“

Lucius war sprachlos. In diesem Augenblick bemerkte er, wie sehr sich Sid für ihn eingesetzt hatte und er bekam doch tatsächlich ein schlechtes Gewissen, dass er seinem Beistand diese Kleinigkeit mit Rosalind noch nicht anvertraut hatte.

„Ich höre, Mr. Malfoy? Oder haben Sie sich entschlossen, Ihren Weg zu gehen? In diesem Fall wünsche ich eine gute Reise, denn die wird ohne Umschweife direkt nach Askaban führen.“
„Mr. Duvall“, versuchte Lucius zu beruhigen, „ich wusste nicht, dass man mir einen Beistand gewähren würde. Mrs. Baltimore habe ich 'gebeten', bestimmte Mitarbeiter des Ministeriums im Gamot unterzubringen, denn alle haben...“
„Oh mein Gott“, stöhnte Sid. „Bitte nicht, Mr. Malfoy. Bitte sagen Sie mir nicht, dass Sie das gesamte Gamot in der Hand haben und jeden einzelnen von ihnen erpressen.“
„Nein, nicht jeden, nur in etwa die Hälfte.“
„Sind Sie von allen guten Geistern verlassen?“
„Ich hielt es für notwendig. Die Chance, eine gerechte Verhandlung zu erwarten, waren für mich sehr gering.“
Sid schüttelte genervt den Kopf. „Haben Sie denn gar nicht bemerkt, dass man auch auf dem legalen Weg dem Gamot Einhalt gebieten kann?“
„Tut mir Leid, Mr. Duvall, aber zu diesem Zeitpunkt waren Sie mir noch nicht bekannt.“

Sich die Stirn reibend atmete Sid tief durch, bevor er sich Pergament, Feder und Tintenfässchen aus seiner Tasche holte. Der Bürohengst hielt rechts oben säuberlich das Datum fest, auch den Ort des Gesprächs und er kennzeichnete das Schriftstück als ein persönliches Protokoll. Danach schenkte er Lucius einen Blick, der durchaus dazu fähig wäre, Menschenleben zu nehmen.

„Erzählen Sie mir alles, Mr. Malfoy und hüten Sie sich davor, etwas auszulassen. Geben Sie mir erst die Namen derjenigen, die Sie in der Hand haben. Danach den Grund, warum Sie denen das Messer an die Kehle setzen konnten.“
„Sie möchten wirklich alle...“
„Ich habe mich wohl verständlich ausgedrückt. Die Namen, bitte!“

Lucius begann zu erzählen.

Nach seiner fünfstündigen Beichte hatte Sid an die sechzig Blatt Pergament verschrieben, die er alle fein säuberlich nummeriert hatte.

„Wie konnten Sie nur...?“
„Ich habe versucht, alles zu tun, um meinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen“, rechtfertigte sich Lucius.
„Und dass Sie damit die Schlinge nur noch fester zuziehen, haben Sie nicht einmal bemerkt? Mrs. Baltimore war recht deutlich gewesen.“
Unsicher rutschte Lucius auf seinem Stuhl hin und her. „Was gedenken Sie zu tun?“
„Die Situation ist vertrackt. Es wäre am besten, alle Gamotmitglieder zu ersetzen, auch die Vorsitzende.“
„Aber mit welcher Begründung?“, fragte Lucius neugierig.
„Befangenheit! Es gibt keinen anderen Grund. Ich werde Mrs. Baltimore klarmachen müssen, dass unter diesen Umständen kein fairer Prozess stattfinden kann, wenn einige Gamotmitglieder befürchten müssen, von Ihnen diffamiert zu werden, sollten sie einen zu hohen Urteilsspruch abgeben.“
„Aber gerade das habe ich doch bewirken wollen, Mr. Duvall!“
„Sie wollen es wohl einfach nicht verstehen, Mr. Malfoy. Wenn Sie freikommen, wird jeder von denen etwas gegen Sie in der Hand haben. Wollen Sie das? Ich denke nicht! Mrs. Baltimore werde ich erklären, dass von Ihrer Seite aus nicht die Absicht besteht, mit unlauteren Methoden einen Freispruch oder eine gemäßigte Haftstrafe zu erwirken. Es soll mit rechten Dingen zugehen.“
„Mrs. Baltimore wird Sie aus Ihrem Büro werfen!“
„Das lassen Sie mal meine Sorge sein.“

Die vielen Pergamente verstaute Sid in seiner Tasche, bevor er sich verabschiedete und ohne ein weiteres Wort das Krankenzimmer verließ. Lucius wurde mit einem Gefühl des Unbehagens zurückgelassen.

Im Ministerium angelangt steuerte Sid sofort das Büro der Gamotvorsitzenden an und klopfte. Nach einem lauten „Herein“ trat er ins Zimmer.

„Mr. Duvall, was für eine 'Ehre'.“
„Guten Tag, Mrs. Baltimore. Hätten Sie womöglich einen Moment Zeit für mich?“
„Nein, tut mir aufrichtig Leid. Glauben Sie etwa, weil Sie den Fall Malfoy behandeln, dass Sie jederzeit ohne Termin einfach bei mir aufschlagen können?“
„Ja, das dachte ich eigentlich. Dass mir Zeit mit Ihnen gewährleistet wird, steht immerhin in Artikel 163 des...“
„Hören Sie auf damit!“ Rosalind war von Sid wenig begeistert, aber noch weniger von seiner Liebe zu Gesetzesbüchern, die er auswendig zu kennen schien. „Was wollen Sie?“
„Da Sie so direkt fragen, werde ich direkt antworten. Ich habe hier eine Liste mit Namen von Gamotmitgliedern, die ich wegen Befangenheit gegen meinen Mandanten durch neutrale Mitglieder ersetzen möchte.“

Rosalind traute ihren Ohren kaum. Das von Sid hingehaltene Stück Pergament riss sie ihm aggressiv aus der Hand, bevor sie die Namen überflog. Sie hatte in diesem Moment ein Déjà-vu, denn alle Namen standen bereits auf der Liste, die sie damals von Lucius erhalten hatte.

„Ich verstehe nicht“, gab sie offen zu.
„Diese Menschen haben im privaten Bereich einige, ähm, sagen wir 'Differenzen' mit Mr. Malfoy beziehungsweise er mit ihnen.“
Sie überflog abermals die Liste und stutzte bei einem bestimmten Namen, bevor sie Sid durch verengte Augenlider anstarrte. „Wieso steht mein Name auf der Liste?“
„Das sollten Sie selbst wissen, Mrs. Baltimore.“
„Sie wollen tatsächlich, dass ich die Verhandlung einfach an jemand anderen abgebe?“
„Das ist meine Bitte, ganz recht.“ Die Ruhe, die Sid ausstrahlte, machte Rosalind nur noch wütender.
„Das werde ich nicht tun! Ich werde nicht zulassen, dass Sie mich von meinem Posten stürzen.“
„Niemand will Sie von Ihrem Posten drängen, Mrs. Baltimore. Es geht nur um diesen einen Fall: um Mr. Malfoys Verhandlung. Er ist der Erste, der vor dem Gamot verhandelt wird. Die von anderen Inhaftierten werden folgen und Mr. Malfoys Verhandlung wird bald vergessen sein. Niemand würde sich mehr daran erinnern, dass Sie, ich schlage vor, aus persönlichen Gründen von diesem einen Fall zurückgetreten sind.“

Rosalind bekam es mit der Angst zu tun. Sie hatte geglaubt, dass sie Lucius mit der Verhandlung und der Erfüllung seiner Wünsche endlich dazu bringen könnte, den Vorfall, mit dem sie erpressbar war, zu vergessen. Andererseits handelte es sich um einen Malfoy. Er hätte sie bis zum Rest ihres Lebens in der Hand. Als ihr dieser Gedanke neulich durch den Kopf gegangen war, nämlich dass sie immer wieder damit rechnen müsste, ihr kleines Geheimnis könnte eines Tages gelüftet werden, da hatte sie sich Szenarien durchgespielt, wie ihr Mann reagieren würde. Vor allem aber, wie ihr Mann reagieren würde, sollte sie es sein, die ihm die Wahrheit sagt. Was auch passieren würde: in diesem Fall könnte Lucius sie nicht mehr gefügig machen. Sie könnte ihn niederkämpfen. Das war es, was sie Sid neulich durch die Blume zu verstehen gegeben hatte.

„Ich werde nicht zurücktreten! Was würde das für ein Bild abgeben, wenn die Hälfte der Gamotmitglieder samt der Vorsitzenden ersetzt werden? Man würde uns Mauschelei unterstellen.“
„Ich kann dafür sorgen, dass dies nicht geschehen wird“, versicherte Sid von sich überzeugt.
„Oh, Sie halten wohl sehr viel von sich, nicht wahr?“
„Mrs. Baltimore“, er nutzte seine beruhigende Stimme, „ich möchte nur, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Die Dinge, wie sie momentan sind, gefallen mir nicht. Sie passen nicht in das Bild, das ich von einer gerechten Verhandlung habe.“
„Sie wissen aber schon, dass es Mr. Malfoy war, der dieses Bild zerstört hat?“
„Natürlich weiß ich das. Sein Brief an Sie war eine reine Verzweiflungstat, die ich rückgängig machen möchte, weil sie mir im Wege steht.“

Spätestens jetzt musste Rosalind davon ausgehen, dass Sid ihr Geheimnis kannte, doch dem war nicht so. Lucius hatte sich in Bezug auf Rosalind sehr oberflächlich ausgedrückt. Es wären familiäre Angelegenheiten, die ihr sehr unangenehm wären, hatte Lucius gesagt. Allein die Vermutung, dass nun auch Sid von ihrem unehelichen Kind wissen könnte, schaltete ihre innere Einstellung von defensiv auf offensiv.

„Mr. Malfoy wird dafür büßen, Mr. Duvall, richten Sie ihm das ruhig aus. Mich hält nichts mehr! Und jetzt verlassen Sie mein Büro!“
„Lassen Sie uns darüber reden, Mrs. Baltimore. Ich versichere Ihnen...“
„Ihre Versicherungen sind mir nichts wert! Raus!“

So hatte Lucius Recht damit behalten, dass sie ihn aus dem Büro werfen würde. Zudem hatte Sid auch das Gefühl, alles schlimmer gemacht zu haben. Mit was auch immer sein Mandant die Gamotvorsitzende erpressen wollte – sie war nicht mehr gewillt, das Opfer zu spielen. Dabei hatte Sid versucht, sie aus allem herauszuhalten. Lucius war ihm egal. Nicht egal war ihm, dass er den Fall eventuell verlieren könnte. Sid wollte gewinnen. Mrs. Baltimore schien nun schwere Geschütze aufzufahren und es war seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass ihre Kanonenkugeln zu Rohrkrepierern werden würden. Vielleicht, so dachte er, wäre es an der Zeit, sich eine Scheibe von Mr. Malfoy abzuschneiden, weswegen er das Büro des Ministers aufsuchte.

Dort angekommen sah er, wie Mr. Weasley und Mr. Shacklebolt vor der Tür zum Büro miteinander sprachen. Die Vorzimmerdame des Ministers fragte nach Sids Namen und wollte ihm einen Termin geben. Sich nicht abwimmeln lassend sagte er so laut, dass auch der Minister es hören musste, dass es dringend wäre. Den Fall Malfoy nannte er noch zusätzlich, damit er die Neugier der beiden Männer wecken würde. Er hatte Erfolg mit seiner Taktik. Mr. Weasley kam auf ihn zu.

„Sie sind Mr. Duvall, nicht wahr?“ Der Minister lächelte freundlich, was für Sid sehr ungewohnt war, denn mittlerweile waren selbst die wenigen Mitarbeiter des Ministeriums, mit denen er einigermaßen gut ausgekommen war, ihm gegenüber sehr abweisend. Der Minister schien ein völlig anderer Schlag Mensch zu sein. Jemand, der nicht vorverurteilte.
„Ja, Sir. Es freut mich, Sie mal persönlich zu sprechen. Wenn Sie einen Augenblick für mich Zeit hätten? Ich weiß, dass Sie sehr wenig davon zur Verfügung haben.“

Der Minister überlegte einen Augenblick, nickte jedoch.

„Ein paar Minuten werde ich entbehren können.“ Er wandte sich an Kingsley. „Wir sprechen nachher.“
„Mr. Shacklebolt darf unserem Gespräch ruhig beiwohnen. Es geht schließlich um den Fall, den er bearbeitet.“

Das Büro des Ministers war einschüchternd groß, aber die kleine Sitzecke war gemütlich. Hier hatte Arthur dem Gast einen Platz angeboten, auch etwas zu trinken. Eine Freundlichkeit, die Sid von anderen Mitarbeiter nicht mehr erfahren durfte.

„Mr. Duvall, wie kann ich Ihnen helfen?“ Der Minister blickte ihn aufmerksam an. Das Interesse war nicht vorgespielt.
„Das Thema ist mir ein wenig unangenehm, wenn ich ehrlich bin. Es geht darum, dass gewisse Mitglieder des Gamots aus persönlichen Gründen nicht dazu geeignet sind, über Mr. Malfoy zu richten.“
Der Minister runzelte die Stirn. „Was genau meinen Sie damit?“
„Damit meine ich, dass viele der Gamotmitglieder private Bekannte von Mr. Malfoy sind und es in der Vergangenheit einige Situationen gab, die darauf schließen lassen, dass ihr Urteil nicht unparteiisch ausfallen wird.“
Sid hörte Kingsley schnaufen, der gleich darauf das Wort ergriff. „Das meinen Sie nicht ernst, Mr. Duvall.“
„Oh doch, das ist mein voller Ernst! Deswegen verlange ich, dass diese Gamotmitglieder durch neutrale Personen ersetzt werden, einschließlich der Vorsitzenden.“

Beide blickten ihn ungläubig an. Man konnte ihnen ansehen, dass sie nach Worten suchten, doch es dauerte einen ganzen Moment, bevor sie die Lage begriffen hatten.

„Lassen Sie mich erklären, Minister Weasley, Mr. Shacklebolt“, er blickte beiden einmal in die Augen. „Mr. Malfoy hat etwas getan, das ich weder gutheiße noch unterstützen werde. Gerade heute habe ich davon erfahren. Es handelt sich um Erpressung.“
„Er hat jemanden erpresst?“, fragte Arthur ungläubig.
Kingsley war da schon gelassener. „Sie wissen aber, Mr. Duvall, dass Ihr momentanes Gespräch nicht im Sinne Ihres Mandanten abläuft?“
„Im Gegenteil, Mr. Shacklebolt. Dass er mir diese Informationen anvertraut hat, dürfte eher für ihn sprechen. Mr. Malfoy musste damit rechnen, dass seiner Verhandlung etliche Personen beiwohnen würden, die aus einem persönlichen Groll heraus den Fall nicht objektiv bewerten werden. Nicht gerade wenig Menschen möchten ihn hinter Gittern sehen. Nur deswegen hat er zu diesem Mittel gegriffen.“

Damit, dachte Kingsley, würde man Malfoy endgültig hinter Schloss und Riegel bringen können. Es war ihm nur nicht ganz klar, warum Duvall diese Dinge erzählte. Er konnte den Beistand zwar nicht leiden, aber für dumm hielt er ihn nicht.

„Ich habe hier eine Liste“, Sid legte das Pergament mit den Namen auf den Tisch, „mit den Gamotmitgliedern, die Mr. Malfoy in der Hand hat. Er hat aber lediglich Mrs. Baltimore nahe gelegt, zu seinen Gunsten zu urteilen. Die anderen würden sich nicht trauen, ihm einen Grund zu geben, sie anzuschwärzen.“
Verdattert starrte Arthur auf die Liste mit Namen. „Sie geben uns Beweise dafür, dass Mr. Malfoy einige Gamotmitglieder erpresst?“
„Sie halten sie in der Hand, Minister Weasley. Wissen Sie, als Beistand laufen mir nicht nur viele Informationen zu, an die man unter anderen Umständen gar nicht kommen würden, aber glauben Sie nicht, dass mir aus den eigenen Reihen kein Gegenwind entgegenschlägt. Das erleichtert mir die Arbeit nicht gerade. In Anbetracht des Angeklagten kann ich das jedoch nachvollziehen. Trotzdem möchte ich meinen Job gut machen, weil das gesamte Beistandssystem, das das Ministerium abgesegnet hat, ansonsten keinerlei Wert hätte.“
„Worauf wollen Sie hinaus?“, fragte Arthur.
„Ich bin sehr kurzfristig zu Mr. Malfoys Beistand erklärt worden. Niemand hatte vorhergesehen, dass dieses Gesetz verabschiedet wird, so auch nicht mein Mandant. Um sich zu schützen hat er eigene Maßnahmen ergriffen, die jetzt in Verbindung mit mir als Beistand unnötig sind und mir meine Arbeit erschweren. Ich muss das in Ordnung bringen, weil ich ansonsten Mr. Malfoy erpressbar machen würde. Ich muss das Netz aus Intrigen zerstören, was mir nur gelingen würde, wenn all diejenigen, deren Namen sie auf der Liste finden, ersetzt werden.“

Arthur und Kingsley warfen sich einen fragenden Blick zu, der von Sid nicht unbeachtet blieb. Nach einer Weile entschied sich Arthur dafür, Mr. Duvall seinen eigenen Fehler vor Augen zu halten.

„Ich werde kein einziges Gamotmitglied ersetzen und Mrs. Baltimore wird die Vorsitzende der Verhandlung bleiben. Ich kann Ihnen aber versichern, Mr. Duvall, dass ein neuer Punkt in der Anklageschrift gegen Mr. Malfoy auftauchen wird. Der Tatbestand der Erpressung, besonders wenn es sich um die Erpressung von hochrangigen Ministeriumsangestellten handelt, ist kein Zuckerschlecken. Mr. Malfoy wird dafür der Handel entzogen, den ich ihm zugesichert habe. Die maximal sieben Jahre werden aufgehoben. Er wird voll und ganz dem Gamot ausgeliefert sein, haben wir uns verstanden?“
Sid zuckte nicht einmal mit der Wimper, als er erwiderte: „Mit dieser Haltung habe ich gerechnet, Minister Weasley. Ich gebe zu, dass beim Fall von Mr. Malfoy von Anfang an das Pferd beim Schwanz aufgezäumt wurde. Rückgängig kann ich das nicht mehr machen, aber bedenken Sie“, Sid blickte extra auch einmal zu Kingsley hinüber, „dass ich Ihre beide Namen ebenfalls auf Mr. Malfoys Liste setzen könnte.“

Arthur fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen. Er hatte plötzlich einen ganz trockenen Mund bekommen.

„Wie können Sie...?“, begann Kingsley, doch Sid fuhr ihm über den Mund.
„Wie ich es wagen kann? Das ist ganz einfach. Sie beide haben Mr. Malfoy im Krankenhaus ohne sein Wissen Veritaserum verabreicht, um an Informationen zu gelangen, die er Ihnen unter normalen Umständen nie freiwillig gegeben hätte, nur im Tausch gegen Hafterlass. Sie haben einen kranken, blinden Mann übertölpelt.“

Jetzt gab er ihnen einen Moment zum Nachdenken.

„Man wird Ihnen nicht glauben.“
„Ganz sicher? Die Presse, die ich gezwungenermaßen einweihen würde, wird sich so oder so gern dieses Themas annehmen. Das ganze würde vor dem Gamot landen. Man würde Sie beide befragen, Ihre Erinnerungen per Denkarium anschauen oder sogar eine Befragung unter dem Einfluss von Veritaserum durchführen. Dann werden wir ja sehen, wer die Wahrheit sagt und wer nicht. Es wäre eine Enttäuschung für die magische Welt, wenn herauskommen sollte, dass der Minister keinen Deut besser ist als ein inhaftierter Todesser, weil er sich nämlich gleicher, hinterhältiger Methoden bedient hat.“
„Sie wollen uns erpressen“, stieß einer der beiden hervor.
„Nein. Nachdem Sie Ihren Standpunkt klargemacht haben, nämlich dass Sie die Gamotmitglieder nicht ersetzen werden, darüber hinaus den bereits ausgehandelten Hafterlass zurückziehen und auch noch die Erpressung in den aktuellen Fall mit einfließen lassen möchten, möchte ich Ihnen lieber einen Handel vorschlagen. Mir liegt keinesfalls daran, das aufzuhalten oder zu zerschlagen, was Sie beide für unsere Zaubererwelt in die Wege geleitet haben. Damit wäre niemandem geholfen, ich weiß das. Die Reformen, die Sie in Gang gesetzt haben, müssen durchgeführt werden. Ich würde gar nicht hier sitzen, hätten Sie nicht auch das Beistandsystem geschaffen, dem auch Sie sich beugen müssen.“

Gemütlich schlug Sid ein Bein über das andere, während die beiden Männer mundtot ihren Gedanken ausgeliefert waren. Es war der Minister, der als Erster die Sprache wiederfand.

„Was für einen Handel, Mr. Duvall?“
„In der Muggelwelt ist ein solcher Handel gar nicht mal so unüblich, Minister Weasley und ich weiß, dass Sie ein großer Muggelfreund sind. Der Sinn ist, ein kleines Übel in Kauf zu nehmen, wenn man damit ein großes abwenden kann.“ Mit ruhiger Stimme schlug Sid vor: „Ihr Rechtssystem gegen die Freiheit meines Mandanten. Das halte ich durchaus für angemessen,“ sagte Sid, griff nach seiner Tasse Tee und lehnte sich zurück.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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Sonea Ginevra Inava
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Re: Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit (173)

Beitrag von Sonea Ginevra Inava »

Mir fällt gerade auf, dass ich noch gar kein Review geschrieben habe, dabei hab ichs doch schon längst gelesen.
Also, irgendwie ist das nicht so ganz mein Kapitel. Also ansich ist es echt gut, wie die meisten, aber mich nervt langsam die ganze Story um Lucius, weil das so langatmig ist, aber das liegt wohl eher an mir, andere finden den Part bestimmt toll. ;)
Mit Hermine und dem Laden ist natürlich super, auch wenn ich finde, dass die anderen übertreiben.
Wobbel ist auch total gut, das er sich erstmal beschwert. Echt super!
Ich vermisse aber so langsam Harrys kleines Problemchen, also das Ausblenden von den anderen. Aber ich bin mir sicher, dass du das nicht vergessen hast. ;)
Bin ich eigentlich die einzige, die deine Geschichte noch liest. :(
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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

Hallo Sonea Ginevra Inava,

die Geschichte von Lucius wird natürlich weitererzählt. Als einer der Todesser kann man mit ihm ganz gut die Verbissenheit darstellen, mit der alle Reinblutverfechter in der neuen Welt zu kämpfen haben. Den Part fanden andere durchaus toll, aber wenn man einen Charakter vielleicht nicht so mag, dann möchte man auch nicht so viel über ihn lesen. Ich behandle alle gleich ;)
Das mit Hermine und ihrer Apotheke beginnt jetzt erst. Was meinst du damit, dass die anderen es übertreiben?
Ja, Wobbel ist schon einer ... Der passt als Elf wunderbar zu Harry. Ich glaube nicht, dass Harry so einen Elf wie Dobby hätte haben wollen. Dann lieber keine ;)
Vergessen wird keiner der Handlungsstränge. Das wirst du merken, wenn sie wieder aufgegriffen werden.
Ich glaube, du bist hier die Einzige, die noch liest. Macht aber nichts.

Vielen Dank für deine Review und viel Spaß beim Lesen,
Muggelchen




174 Zukunftspläne




Während des Frühstücks hatte Harry ihm schon mitgeteilt, dass Hermine gestern Abend bei ihren Eltern gewesen war, was Severus endlich beruhigte. Trotzdem hat er Harry angefahren, dass man ihm das auch gestern Abend hätte mitteilen können. Er erwähnte es absichtlich nicht, aber Schlaf hatte er keinen gefunden. Die abstruse Idee, sich von Sibyll die Karten legen zu lassen, war von Stunde zu Stunde weniger abschreckend geworden, doch in die Tat hatte er sie nicht umgesetzt. Allein die Art seiner Kollegin schreckte ihn ab und er war froh, dass sie ihren Turm kaum verließ. Am Frühstückstisch war Hermine nicht anwesend, auch nicht später während des Mittagessens. Als er nach seinem Unterrichtsschluss bei ihr vorbeischaute, war sie nicht anzutreffen. Auf dem Gang im vierten Stock war er Remus über den Weg gelaufen und der teilte ihm mit, dass Hermine gerade bei Albus sein würde, woraufhin Severus ohne ein Wort zu verlieren in die Kerker ging, um beleidigt die Unterlagen für ihre Farbtrank-Präsentation durchzugehen.

In dem runden Büro in einem der höchsten Türme Hogwarts' ließ sich Hermine vom Direktor mit Tee und Gebäck verwöhnen.

„Sie waren gestern nach Ihrem Besuch im Mungos wie vom Erdboden verschluckt.“

Hermine lächelte verschämt. Sie hätte wirklich kurz Bescheid geben sollen, doch im Mungos war sie noch viel zu durcheinander. Weinend wollte sie wirklich niemanden anflohen.

„Es tut mir sehr Leid, ich fand einfach keine Gelegenheit.“
„Nun sind Sie ja wieder da und es ist Ihnen nichts geschehen.“ Albus ließ seinen Blick über die vielen kleinen Kuchenteller schweifen. „Darf ich Ihnen eine Marzipanschnitte anbieten? Die mag ich besonders.“
„Ja, gern.“ Sie hielt ihm den Teller entgegen und ließ sich ein kleines Stück Kuchen auftun, bei welchem ihre Mutter sagen würde, es wäre wegen der schönen Dekoration viel zu schade zum Essen.
„Darf ich fragen, wie Ihr Gespräch im Krankenhaus verlaufen ist?“ Das ehrliche Interesse war deutlich herauszuhören. Es handelte sich von Albus nicht nur um Smalltalk.
Sie seufzte. „Man möchte mich im Mungos nicht haben. Ich wäre 'überqualifiziert', hieß es.“ Mit ihrer Betonung hatte sie die Erklärung des Personalbeauftragten des Mungos ins Lächerliche gezogen, was Albus nicht entgangen war.
„Können Sie sich noch an unser kurzes Gespräch zu Silvester erinnern?“, fragte er, woraufhin sie nickte. „Dass Sie überqualifiziert sind, ist auch meine Meinung, Hermine. Deswegen hielt ich es für unnütz, dass Sie Ihr Glück im Mungos versuchen. Ich habe nichts gegen das Krankenhaus, wirklich nicht. Dort sind viele ausgesprochen gute Heiler und Professoren zu finden – viele Hogwarts-Absolventen –, aber allein schon durch Ihre weitere Ausbildung zur Tränkemeisterin haben Sie den Damen und Herren etwas voraus. Meine größte Befürchtung lag jedoch darin, dass Sie, Hermine, dort einfach nicht glücklich werden würden.“
„Das hat sich jetzt sowieso erledigt“, sagte sie mit ihrem Groll gegen das Mungos ein wenig mürrisch.
„Seien Sie dem Herrn nicht böse, weil er es genauso sieht wie ich“, besänftigte Albus seinen Gast. „Denken Sie lieber an die Möglichkeiten, die sich Ihnen jetzt noch eröffnen. Sie sind bereits sehr gebildet, aber Sie sind auch noch sehr jung. Mit Ihrem jetzigen Wissen werden Sie nicht bis ans Ende Ihres Lebens auskommen, denn Sie werden, wie ich Sie kenne, sich weiterbilden; bei jeder Gelegenheit.“

Weil der Direktor sie so gut zu kennen schien, konnte sie sich ein Lächeln nicht verkneifen. Gemeinsam aßen sie ihren Kuchen, während er die kurzen Pausen zwischen den Happen dazu nutzte, lustige Anekdötchen von sich zu geben. Erst nach dem Kuchen wurde der Gesprächsinhalt wieder ernster, nicht jedoch die Atmosphäre.

„Haben Sie sich für etwas Bestimmtes entschieden?“ Bevor sie antworten konnte, stellte er klar: „Sie können natürlich hier bleiben, bis Sie sich für einen Weg entschlossen haben. Ich stehe Ihnen auch gern mit Rat und Tat zur Seite.“
„Ich war gestern am frühen Abend bei meinen Eltern.“
„Oh wundervoll, wie geht es den beiden?“
„Es geht Ihnen gut, danke der Nachfrage. Mein Vater hat einen meiner damaligen Träume etwas zu ernst genommen und“, sie machte eine Geste mit ihren Händen, die verdeutlichte, dass sie überwältigt war, „wie es aussieht, besitze ich demnächst eine Apotheke!“
„Nein, tatsächlich?“ Eine Hand legte Albus auf ihren Unterarm und er drückte freundlich zu. „Das ist wunderbar. So etwas habe ich mir für Sie vorgestellt, wenn ich ehrlich bin. Vielleicht auch eine enge Zusammenarbeit mit einem der Professoren und Tränkemeister, die der Körperschaft angehören, aber Ihr eingeschlagener Weg hört sich vielversprechend an, Hermine.“
„Noch habe ich das Geschäft ja nicht“, winkte sie ab.
„Ich hoffe sehr, dass Ihr innerer Widerstreit, der zweifelsohne schon immer vorhanden war, Ihnen nicht im Wege stehen wird.“

Hier musste Hermine kräftig schlucken, aber wie schon zuvor wurde ihr erneut klar, wie gut er sie kennen musste. Sie hatte schon immer mit Selbstzweifeln zu kämpfen und diesmal befürchtete er, sie selbst würde ihrer Zukunft womöglich in die Quere kommen. Weil sie sich nicht äußerte, ergriff er erneut das Wort.

„Es ist eine Sache, für jemanden zu arbeiten. Viele Menschen fürchten die Verantwortung, die sie jedoch höchst selten allein tragen, sollten sie bei jemanden beschäftigt sein. Eine andere Sache ist es, wenn derjenige, für den man arbeitet, man selbst ist. Glauben Sie mir, Hermine, wenn ich Ihnen versichere, dass dieses Gefühl sehr viel befriedigender sein kann. Das wird Ihnen Madam Rosmerta sicher bestätigen können. Auch wenn Sie allein auf sich gestellt sind, dann heißt das nicht, dass Sie niemanden haben, der Ihnen dann und wann helfend unter die Arme greifen wird, sei es mit einem hilfreichen Hinweis oder mit tatkräftiger Unterstützung. Sie haben viele Freunde, Hermine und keiner von ihnen würde Sie im Stich lassen.“

Sie konnte gar nicht glauben, was so ein paar Worte für eine stärkende Wirkung haben konnten. Die Angst vor der Selbstständigkeit war wie verflogen. Albus hatte Recht. Jeder ihrer Freunde würde ihr helfen, wenn sie darum bitten würde. Selbst ihr Vater hatte sich bereits angeboten.

„Was sagt denn Severus zu Ihrer Entscheidung?“
'Huch', dachte Hermine. „Der weiß noch gar nichts. Ich werde es ihm nachher erzählen. Gestern war es recht spät geworden und ich war müde. Heute habe ich den ganzen Tag die Unterlagen gelesen, die Mrs. Cara mir mitgegeben hat. Ihre Liste mit Händlern, die Angaben über die Wohnung im ersten Stock und so weiter.“
„Ich bin mir sicher, dass Severus nicht enttäuscht sein wird zu hören, dass seine Schülerin ihre Talente auf diese Weise entfalten wird. Ich habe zudem von ihm erfahren, dass Sie etwas bei der Körperschaft der Tränkemeister vorstellen wollen.“
„Oh ja, das kommt ja auch noch“, sagte Hermine wenig begeistert. Das Geschäft, die Renovierung und die ganze andere Arbeit, die die Apotheke noch mit sich brachte, verleidete ihr den Termin bei der Körperschaft ein wenig.
„Sie werden das schon meistern. Ihr Auftritt vor der Körperschaft nimmt nur einen Abend in Anspruch. Die Arbeit, die im Vorfeld damit verbunden ist, werden Sie sicherlich nicht allein bewältigen müssen.“

Und wieder, dachte Hermine, wusste Albus bestens über sie und ihre Befürchtungen Bescheid, denn es war Severus gewesen, der mit ihrer Präsentation begonnen hatte und auch ohne sie daran arbeitete. Was diese Vorstellung bei der Körperschaft bringen würde, war ihr noch völlig unklar. Als hätte der Direktor ihre Gedanken gelesen, griff er dieses Thema sofort auf.

„Bestimmt werden Sie viele Menschen kennen lernen, die Ihnen auch in beruflicher Hinsicht nützlich sein könnten, aber womöglich sitzen auch neue Freunde unter den anwesenden Interessierten.“ Albus beugte sich nach vorn und sah ihr in die Augen. „Auch alte Freunde werden Sie wiedersehen, deswegen machen Sie sich bitte über böse Worte, die dort fallen könnten, keine Gedanken. Legen Sie sich ein dickes Fell zu. Das müssen Sie sogar, denn Neider gibt es immer und überall, besonders dann, wenn man plötzlich als Neuling auf einem Gebiet auftaucht und zudem einen schnellen Erfolg vorweisen kann, der anderen Menschen, die schon jahrelang der illusteren Gesellschaft angehören, verwehrt geblieben ist. Bescheidenheit ihrerseits bringt nichts, Hermine. Bewahren Sie Ihren kühlen Kopf. Lassen Sie den Megären nicht die Genugtuung zuteilwerden, dass Sie sich über deren niederträchtigen Äußerungen ärgern.“
„Das hört sich so leicht an, wenn Sie das sagen. Ich weiß nicht, wie ich es aufnehmen werde, wenn es Menschen geben sollte, die mich und meine Arbeit angreifen.“
„Es ist das gute Recht der Menschen, an der Arbeit von anderen keinen Gefallen zu finden. Lassen Sie sich nicht davon beirren und gehen Sie Ihren Weg. Machen Sie das, was Sie für richtig halten, denn es ist Ihr Leben, Ihre Arbeit und nicht zuletzt auch Ihr Steckenpferd, dass Ihnen niemand schlechtreden sollte.“

Das dicke Fell hatte Hermine noch nicht, doch mit der Zeit und mit ein wenig Hilfe würde sie über den Dingen stehen können. Vielleicht, dachte sie, sollte sie sich in dieser Hinsicht ein wenig von Severus abgucken, denn den interessierte nicht im Geringsten, was andere von ihm oder seiner Arbeit hielten. Sie war froh, dass Albus so offen die mögliche Ablehnung ansprach, auf die sie stoßen könnte. Severus ging längst davon aus, dass man ihren Farbtrank niedermachen würde, denn allein die Tatsache, dass auch Muggel ein wenig Magie aufweisen würden, wenn diese auch nicht zu gebrauchen war, würde mit Sicherheit bei altmodisch denkenden Zauberern und Hexen auf Protest stoßen.

„Was ich noch fragen wollte, Hermine, betrifft die neue Prophezeiung.“
Sie stutzte. „Woher wissen Sie denn von der Prophezeiung?“
Seine Augen funkelten verschmitzt, als er antwortete: „Sibyll war so freundlich, mich ausführlich über den Inhalt zu informieren. Ich frage mich, warum niemand bisher an mich herangetreten ist.“
„Ich...“ Hermine fehlten die Worte. „Ja, warum eigentlich? Ich denke, einer von uns hätte Sie sicherlich in den nächsten Tagen eingeweiht. Ich hatte ein wenig um die Ohren und Draco und Ginny wollte erst die Angelegenheit im Ministerium klären.“ Mit festem Blick schaute sie ihn an. „Was denken Sie über die Prophezeiung?“
„Ich denke, dass sie äußerst interpretationsfähig ist. Sibyll war so frei mir zu erklären, dass in so einem Fall die Prophezeiung nicht nur auf eine Person zutreffen muss. Es gibt Prophezeiungen, die weder den Namen einer Person, noch ein ungefähres Datum nennen und deswegen gibt es viele Angestellte im Ministerium, die sich immer mit ihnen befassen, sie zu deuten versuchen oder einfach nur mit dem aktuellen Geschehen in der magischen Welt vergleichen. Das sind Vorhersagen, die Naturkatastrophen ankündigen könnten, Attentate oder auch Ereignisse, die niemals geschehen werden, weil man dank der Prophezeiung wusste, wie man sie abwenden konnte. Nicht jede muss in Erfüllung gehen.“
„Und was denken Sie über die neue Prophezeiung von Sibyll?“
Albus lehnte sich zurück und atmete tief durch. „Sie ist sehr ungenau.“ Er machte eine wellenartige Handbewegung. „'Nebulös', wie Sibyll zu sagen pflegt. Ich denke, sie könnte Menschen betreffen, deren linker Unterarm unschöne Verzierungen aufweist. Die Bezeichnung 'jettschwarz' deutet sicherlich nicht nur auf die Farbe hin, sondern auch auf Kohle, was sich mit dem Rest der Prophezeiung deckt, denn alles in allem scheint Feuer eine große Bedeutung zu haben.“

Die Interpretation ließ sich Hermine einen Augenblick durch den Kopf gehen. Ein seltsames Gefühl strahlte von ihrem Magen aus und schien sich auch ihrem Herzen zu nähern – eine Mischung aus Sorge und Angst.

„Aber wenn das Feuer mit dem dunklen Mal in Zusammenhang steht, dann hört sich das gar nicht gut an. Voldemort ist doch tot!“ Sie hoffte, Albus würde ihre Aussage nicht entkräften.
„Voldemort wird nicht zurückkehren. Sein toter Körper liegt gleich neben dem seiner Mutter und geht den Weg allen Fleisches. Weitere Horkruxe mit Teilen seiner Seele existieren nicht. Aber ich stimme Ihnen zu, Hermine. Es hört sich nicht gut an und ich sorge mich.“ Für einen Moment betrachtete Albus sein Gegenüber, bevor er weitere seiner Vermutungen äußerte. „Warum 'schneeweiß' und nicht einfach weiß?“, fragte er in den Raum hinein. „'Schneeweiß' kann auf Reinblütigkeit hinweisen, muss aber nicht. Es war die erste Assoziation, die mir durch den Kopf ging. Die Anhänger Voldemorts, ob reinblütig oder nicht, haben durchweg eine sehr helle Haut; viel heller als die Haut von anderen, was womöglich erblich bedingt ist. Der junge Mr. Malfoy trägt dieses Problem in seinem Blut.“
„Severus hat auch helle Haut.“
Albus schmunzelte und sagte mit warmer Stimme: „Der Junge kommt ja auch selten raus.“ Auch Hermine konnte ein freundliches Lächeln nicht unterbinden, denn Albus hatte vollkommen Recht. „Severus mag nicht reinblütig sein, aber er hat sehr helle Haut. Es gibt keine bekannte Möglichkeit, das dunkle Mal Voldemorts von der Haut zu entfernen, aber genau das ist es, was die Prophezeiung aussagt. Es ist die Aussage 'Feuer verzehrt, ein Brand erneuert.', die mir zu denken gibt, Hermine.''
„Damit ist die Reinigung gemeint“, warf Hermine ein. „Das Feuer und den Brand sehe ich als eins, denn das eine kann ohne das andere nicht existieren.“
„Da haben Sie sogar Recht, Hermine. Das Feuer macht den Brand aus. Aber was ist es, dass vom Feuer verzehrt wird? Das bereitet mir Kummer, besonders wenn ich es in Zusammenhang mit dem dunklen Mal sehe.“

Den nächsten Punkt der Prophezeiung zu diskutieren lag Hermine nicht, doch Albus scheinbar umso mehr.

„Es stellen sich mir einige Fragen, Hermine. Wer oder was ist seine Flamme?“
Sie hielt dagegen. „Mich interessiert viel mehr, wer mit 'seine' überhaupt gemeint ist.“
„Das stimmt, denn dann wäre eine Deutung viel leichter.“ Er warf ihr einen Blick zu, mit dem er fragte, ob sie es tatsächlich nicht wusste. „Der letzte Teil, dass seine Wunden geheilt werden, scheint für alles andere, was vorher geschieht, wieder zu entschädigen.“
„Und das tränende Herz?“
„Womöglich sinnbildlich gemeint, aber ich bin kein Meister im Deuten von Prophezeiungen und wenn selbst Sibyll an ihre Grenzen stößt, werde ich mir nicht anmaßen, es besser zu wissen. Ich bin ehrlich, Hermine: Ich weiß es nicht. Wahrsagen war nie mein Fach.“
Sie musste lächeln, während sie zugab: „Meines auch nicht.“
„Haben Sie Severus von der Prophezeiung erzählt?“, wollte er wissen.
„Nein, es war ja nicht ich, die sie miterlebt hat. Ich habe eigentlich gedacht, Draco würde es ihm schildern, aber das hat er offensichtlich noch nicht getan.“
„Vielleicht sollte man ihn einweihen, nur für den Fall...“

Albus hatte den Satz nicht beendet, doch Hermines Gedanken hatten das an seiner Stelle getan. Für den Fall, dass Severus mit der Prophezeiung gemeint sein könnte und sie wusste aus einem Bauchgefühl heraus, dass das so war. Das Gefühl der Sorge wurde mit einem Male noch viel schlimmer. Hermine wollte sich gar nicht vorstellen, was geschehen könnte. Sie sah vor ihrem inneren Auge bereits überall hoch schlagende Flammen und mittendrin stand ein verlorener Severus.

„Wenn Sie Ihre Apotheke führen, dann wäre Madam Pomfrey sehr erleichtert, wenn sie bei Ihnen die monatlichen Bestellungen durchführen könnte.“ Albus hatte wirklich ein Talent dafür, nicht nur Themen zu wechseln, denn auch Hermines Stimmung wurde wieder heller. „Nach dem Krieg hat sie noch immer keinen Händler ausfindig machen können, bei dem sie durchweg alles auf einmal ordern kann. Die Arbeit ist sehr mühselig, besonders wenn manch ein Geschäftspartner unzuverlässig ist, man aber keinen anderen findet.“
Hermine konnte es noch gar nicht glauben. „Heißt das, Hogwarts würde bei mir bestellen?“
„Aber natürlich! Die Winkelgasse ist gut zu erreichen. Zudem kennen wir Sie und wissen um Ihre Verlässlichkeit. Ich bin mir sicher, dass Sie in kürzester Zeit Kontakte zu verschiedenen Händlern geknüpft haben werden, denn die sind genauso darauf erpicht, ihre Waren an den Mann zu bringen. Das liebe Gretchen hat sich leider schon vor einigen Jahren von komplizierten Tränken und Zutaten zurückgezogen.“
„Sie kennen Mrs. Cara?“
„Wer kennt sie nicht? Die Apotheke in der Winkelgasse ist bekannt für ihre Qualität, die bedauerlicherweise in den letzten Jahren ein wenig gelitten hat. Mit Ihnen wird das Geschäft wieder aufblühen und ich hoffe doch sehr, Sie gleich noch mit dazu.“

Von ihrem Gespräch mit Albus war sie noch immer ganz perplex, nachdem sie sein Büro verlassen hatte. Sie besaß noch nicht einmal die Apotheke, hatte aber bereits Kunden. „Witzig“, sagte sie leise zu sich selbst, als sie die Wendeltreppe hinunterging. Ein Schriftstück, das Mrs. Cara ihr mitgegeben hatte, wollte sie noch lesen, bevor sie Severus aufsuchen würde. Aber erstens kommt es immer anders und zweitens, als man denkt. Hermine saß gerade auf ihrer Couch und ging den älteren Kostenvoranschlag für die renovierungsbedürftigen Wasserleitungen durch, da stürmte Severus ihr Wohnzimmer.

Ein fröhliches „Hallo“ lag ihr auf den Lippen, doch Severus' Worte erstickten es im Keim.

„Schön“, pflaumte er sie an, „dass es Ihnen gut geht und Sie nicht gevierteilt worden sind.“
„Wie bitte?“
„Und vor allem ist es so rücksichtsvoll von Ihnen“, spottete er missgelaunt, „dass Sie einfach mir nichts, dir nichts verschwinden und sich einen schönen Tag machen.“ Aufgrund seiner Worte hob sie eine Augenbraue, aber sie wollte ihn erst ausreden lassen. „Haben Sie in Ihrem Anflug von Rücksichtslosigkeit eventuell irgendetwas unterschrieben?“
Hermine dachte an das Vorverkaufsrecht und antwortete daher gewissenhaft: „Ja, hab ich.“
Severus biss die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. „Freut mich außerordentlich“, giftete er, „dass Sie sich meine Ratschläge so sehr zu Herzen nehmen. Also werden Sie demnächst im Mungos versauern? Das haben Sie sich redlich verdient!“

Das Grinsen verkniff sich Hermine. Böse auf ihn war sie nicht. Es sprach für sich, dass er so sehr an ihrer Zukunft interessiert war.

„Als was fangen Sie dort an? Werden Sie die Patienten wie am Fließband mit einem Wutsch Ihres Zauberstabes heilen und am Ende mit Ihren Kollegen vergleichen, wer mehr Striche auf seiner Liste zu verzeichnen hat?“ Seine Augenlider verengten sich. „Oder sind es doch Faltencremes und Potenzmittelchen für gut situierte Damen und Herren, die Sie im Labor verbessern dürfen?“ Er zog beide Augenbrauen in die Höhe und schlug so gelassen wie möglich vor: „Sie sollten für sich selbst auch ein paar Cremes zurücklegen, denn ich versichere Ihnen, dass Sie bei der 'vielseitigen' Arbeit“, er schnaufte verhöhnend, „ebenfalls schnell altern werden.“
„Jetzt ist aber genug, Severus“, sagte sie sehr gelassen, womit sie ihn verwunderte. „Für dieses Gemecker sind Sie mir ein Abendessen außerhalb schuldig, anders werden Sie das nicht wieder gutmachen können.“
„Ich werde mich hüten, Ihnen auch noch in irgendeiner Form meine nicht vorhandene Zuversicht zum Ausdruck zu bringen.“
„Severus...“
Er fuhr ihr über den Mund und wetterte: „Ihre Heilerausbildung hätte völlig ausgereicht, um im Mungos zu beginnen. Warum haben Sie mich noch damit belästigt, Ihnen exotische Zutaten und ungewöhnliche Arbeitsmethoden nahezubringen, wenn Sie all das Wissen doch nie anwenden werden?“
„Sie belästigt?“ Sie lachte auf.
„Glauben Sie, es hat mir Spaß gemacht, Ihre aufdringliche Art ertragen zu müssen?“

Jetzt wurde er gemein, aber Hermine wusste, dass nachher alles wieder im Lot sein würde. Sie zog ihren Zauberstab und bemerkte, dass Severus kurz zusammenfuhr. Vielleicht rechnete er mit einem Fluch ihrerseits, doch entgegen seiner Befürchtung sprach sie lediglich einen Stillezauber aus.

Weil er verwirrt schien, erklärte sie gelassen und amüsiert: „Damit Remus sich nicht beschweren kann.“ Sie steckte ihren Stab wieder weg und war erstaunt, dass Severus nicht sofort wieder mit seiner Schimpftirade begonnen hatte. Die Situation schien ihm nicht geheuer zu sein. „Waren Sie etwa schon fertig, Severus?“, hänselte sie ihn freundlich.
Skeptisch kniff er die Augenlider zusammen. „Sie haben gestern etwas unterschrieben?“
„Ja, hab ich.“
„Sie hatten gestern ein Vorstellungsgespräch im Mungos!“
„Richtig, aber was soll das hier werden. Ein Verhör? Wir wäre es, wenn wir das auf einer gemütlichen Basis klären, wie zum Beispiel mit einer netten Unterhaltung?“, schlug sie vor. Gleich darauf klopfte sie mit der flachen Hand auf das Polster der Couch. „Setzen Sie sich doch. Darf ich Ihnen etwas anbieten? Einen Whisky vielleicht? Oder doch lieber etwas zur Beruhigung?“
„Haben Sie im Mungos unterschrieben?“
„Nein“, war ihre knapp gehaltene Antwort.
„Aber Sie sagten doch...“
Sie musste lächeln. „Nein, Severus, ich bin ja kaum dazu gekommen, irgendetwas zu sagen. Stattdessen fegen Sie hier herein wie der Brausewind und toben herum wie das schlimmste Unwetter seit Jahrzehnten.“

Hermine war derweil aufgestanden, um sich und ihm einen Whisky einzuschenken. Das Glas hielt sie einem verdatterten Severus entgegen, der es, nachdem sie sich geräuspert hatte, auch annahm. Ein Blick zu Calliditas Gemälde verriet, dass der längst gegangen war, weil er der Streiterei nicht beiwohnen wollte.

„Setzten Sie sich doch.“ Ihrer Aufforderung kam er wie in Zeitlupe nach. „Ich mach mal kurz das Fenster auf, um die dicke Luft rauszulassen“, schäkerte sie.
Nachdem er einen Schluck genommen hatte und sie sich neben ihn setzte, fragte er nach: „Haben Sie nun etwas unterschrieben oder nicht?“
„Ja, ich habe.“
„Aber nicht im Mungos!“
Soviel schien er verstanden zu haben, dachte Hermine amüsiert. „Nein, nicht im Mungos. Ich habe ein Vorkaufsrecht unterschrieben.“
„Ah“, machte er, doch sie sah förmlich die vielen Fragezeichen, die über seinem Kopf schwirrten.
„Wollen Sie denn gar nicht wissen, für was ich nun ein Vorkaufsrecht habe?“
„Sagen Sie es mir denn?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Sicher, sonst hätte ich vor Ihnen wohl keine Ruhe, so neugierig, wie Sie sind.“
„Ich bin gar nicht neugierig“, verteidigte er sich eingeschnappt. „Sagen Sie es nicht, es interessiert mich nicht.“
In ihr Glas murmelte Hermine: „Ist ja ganz was Neues.“

Tatsächlich hielt Hermine mit Informationen zurück, weswegen Severus aufgeregt auf seinem Platz herumrutschte. Er wollte es wissen, aber er würde nicht noch einmal nachfragen, wo er doch zu verstehen gegeben hat, dass es ihn nicht interessieren würde.

Sie holte tief Luft und seufzte. „War ich wirklich so schlimm? Ich meine, haben Sie sich durch mich belästigt gefühlt? War ich so aufdringlich?“
„Ich konnte es ertragen“, erwiderte er nüchtern.
„Nun sind Sie mich ja los und ganz ohne dass Sie mich ins Ausland schicken mussten.“
„Professor Kôji Takeda war sehr angetan von Ihrer Begabung.“
„Wieso? Er kennt mich doch gar nicht.“
„Ich hab ihm ausführlich von Ihnen geschrieben. Hätte ich damals diese Möglichkeit gehabt...“ Er seufzte.
„Nehmen Sie es doch jetzt in Angriff, Severus!“
„In meinem Alter? Ich glaube nicht, dass ich ein gelehriger Schüler wäre.“
„Stimmt, dazu sind Sie viel zu störrisch“, scherzte sie. Entgegen der Vermutung, er würde ihr Paroli bieten, nickte er nur und nahm ein Schluck aus seinem Glas. Sie blickte zu ihm hinüber und schüttelte amüsiert den Kopf. „Gott behüte, dass Sie noch einmal fragen, was ich wohl in Zukunft vorhabe. Sonst würde ich noch denken, man könnte Sie nicht ernst nehmen“, sagte sie mit breitem Grinsen.
Er stöhnte und schürzte die Lippen. „Also gut, für was haben Sie ein Vorkaufsrecht unterschrieben?“
„Für die Apotheke in der Winkelgasse!“

Erstaunt blickte er neben sich und sah in rehbraune Augen, die glücklich strahlten.

„Tatsächlich? Wusste gar nicht, dass Gretchen das Geschäft aufgeben möchte.“
„'Gretchen'? Sie kennen sie?“
„Natürlich? Die Apotheke war noch vor einigen Jahren mit einem fabelhaften Sortiment ausgestattet. Mrs. Cara konnte alles in kürzester Zeit besorgen, aber noch schöner war, dass sie keine Fragen stellte.“
„Oh, gut zu wissen. Dann werde ich meinen Kunden auch keine Fragen stellen.“ Sie lehnte sich entspannt an die Rückenlehne, streckte somit ihren Hals. „Albus hat gesagt, dass Poppy bei mir bestellen würde.“
„Das sieht ihm ähnlich. Hätte mich auch gewundert, wenn er Ihnen nicht in irgendeiner Art und Weise eine Förderung zukommen lassen würde. Mit Hogwarts als Kunden wird es mit dem Geschäft schnell bergauf gehen.“
Sie stutzte. „Bestellt Hogwarts soviel?“
„Nein, es ist ein Aushängeschild für Sie, Hermine, wenn Sie die Schule Ihren Kunden nennen dürfen. Daraus würde ich an Ihrer Stelle vor anderen Kunden keinen Hehl machen. Das ist Werbung und Sie werden es nötig haben.“
„Wow“, sagte Hermine geplättet.
„Sie haben Ihre Begeisterung perfekt ausformuliert, gratuliere“, scherzte er trocken, woraufhin sie ihn mit dem Knie anstupste.
„Werden Sie auch bei mir kaufen?“
„Kommt auf die Preise an.“
Ihr Nacken lag gemütlich auf der Rückenlehne, doch sie rollte ihren Kopf, um ihn anzusehen. „Ich mache Ihnen Freundschaftspreise, Severus.“

Erneut blickte er zu ihr hinüber. Ihr warmes Lächeln kroch bis in die kleinsten Ritzen seines erkalteten Ichs und öffnete Türen, die vor lauter Spinnenweben kaum noch zu erkennen waren. Was hinter diesen so lang verschlossenen Türen lauerte, jagte ihm einen Schrecken ein und nur deshalb schaute er weg.

„'Freundschaftspreise'? Das klingt vielversprechend, aber womöglich reden Sie mir zu viel?“
„Ich sagte doch, ich werden meinen Kunden keine Fragen stellen“, versicherte sie ihm und er fragte sich, wie weit er gehen konnte.
„Wenn ich eines Tages bei Ihnen auftauchen würde und den Gespenstischen Steinregen verlange...“
Sie unterbrach. „Gut, da könnte ich es mir nicht verkneifen, Fragen zu stellen, aber nur, weil ich mir ernsthaft Sorgen machen würde, Severus.“

Mit einem Male waren ihre Gedanken bei der Prophezeiung, denn deswegen machte sie sich große Sorgen. Auch was die Flamme betraf, wollte sie ein wenig Klarheit haben.

„Haben Sie sich mal wieder mit Linda getroffen?“
Ihren Gedankengängen konnte er gar nicht folgen, was seine fragende Mimik deutlich zeigte. „Wie kommen Sie plötzlich auf sie?“
„Ich dachte, es täte Ihnen gut, mal etwas rauszukommen. Sie sind sehr blass, Severus.“ Das wäre auch in Albus' Interesse, dachte Hermine. Von ihrer mütterlichen Fürsorge hielt er hingegen wenig, denn es ärgerte ihn, dass sie gerade Linda ins Gespräch gebracht hatte.
„Mit Mrs. Harrison habe ich kaum Kontakt“, erklärte er abweisend.
„Sie könnten doch...“
„Nein, könnte ich und werde ich nicht!“, stellte er in einem Tonfall klar, der keine Widerrede zuließ.
„Aber...“ Sie hielt inne, denn er setzte sich aufrechter hin und wandte sich ihr zu.
Mit provokant säuselnder Stimme fragte er: „Sagen Sie, Hermine, haben Sie noch Interesse an Mr. Krum?“
Erst einen Augenblick später konnte sie sich äußern. „Viktor ist verheiratet und hat vier Kinder!“ Sie korrigierte sich schnell selbst: „Nein, nach den Zwillingen sind's jetzt sechs.“
„Das beantwortet aber nicht meine Frage.“
Hermine spürte an der schleichenden Hitze im Gesicht, dass sie rot werden musste. „Ich habe kein Interesse an ihm.“
„Und Mr. Weasley vielleicht?“
Ihr ging ein Licht auf. „Schon gut, ich verstehe, was Sie meinen.“

Er verschränkte die Arme vor seinem schmächtigen Brustkorb und starrte beleidigt auf die Flasche Whisky, die auf dem Tisch stand. Wenn sie ihn verkuppeln wollte, konnte er jegliche Chance in den Wind schlagen.

„Herrje, nun sein Sie doch nicht gleich so pikiert, Severus. Ich meine es doch nur gut. Sie sollten wirklich mal öfters Hogwarts verlassen, sonst bekommen sie noch so eine Hautfarbe wie die Steine in Ihren Kerkern.“
„Ich werde Hogwarts verlassen. Immerhin bin ich Ihnen ein Abendessen schuldig.“
„Wie bitte?“
Er schaute ihr in die fragenden Augen. „Sie sagten, dass ich Ihnen für mein Gemecker ein Abendessen außerhalb schuldig wäre, auch wenn ich nicht sehe, wann ich 'gemeckert' haben soll.“
„Das war eigentlich als Scherz gemeint.“
„Und 'uneigentlich'?“ Er trieb es auf die Spitze.
„Ach“, schäkerte sie, „jetzt werden wir kleinlich, ja? Das Wort 'eigentlich' ist ein Synonym für 'tatsächlich' und wird auch gern als Floskel benutzt wie 'im Übrigen' oder...“
„Sie müssen wohl alles verbessern, sonst fehlt Ihnen etwas.“

Hermine musste giggeln, wirklich wie ein Kind giggeln, was ihn völlig überraschte. Nachdem sie sich gefangen hatte, seufzte sie erleichtert.

„Kommen Sie, ich schenke Ihnen noch einen ein“, bot sie an und bejahend hielt er ihr sein Glas hin.
„Ich kenne einige Händler“, begann Severus, während sie einschenkte, „die Ihnen qualitativ hochwertige Zutaten liefern könnten.“
„Für jede Hilfe bin ich Ihnen dankbar, Severus. Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich große Angst.“
„Angst wovor?“
„Vor der Selbstständigkeit. Das ist mein erstes Mal.“
„Es gibt für alles ein erstes Mal, Hermine. Sie werden sehen, in spätestens sechs Monaten wird bei Ihnen eine Routine eingekehrt sein, von der Sie nicht einmal zu träumen gewagt hätten.“
„Ihr Wort in Gottes Gehör.“ Sie atmete tief durch. „Sie kommen mich besuchen oder?“
„Wozu? Ich kann mir meine Mittelchen selbst brauen.“
Ein Augenrollen wollte sie nicht unterbinden. „Ich meinte ja auch, um vielleicht mal – wie jetzt in diesem Augenblick – ein wenig zu plaudern.“
„Verstehe, Sie werden tagein, tagaus Ihre Probleme während der Arbeit notieren und mit mir besprechen wollen. Das kann ich nachvollziehen.“
Ungläubig starrte sie ihn an, bevor ihre Gesichtszüge weicher wurden und sie flüchtig sagte: „Vor mir aus auch das.“

Mit Linda hatte er keinen Kontakt mehr, wiederholte Hermine in Gedanken. Jemand anderen konnte sie sich nicht vorstellen, aber sie traute sich auch nicht, ihn zu fragen, ob es jemanden in seinem Leben gab, der ihm sehr viel bedeuten würde. Vielleicht jemanden von früher. Dann fiel ihr Popovich ein, ihr Prüfer und ehemaliger Klassenkamerad von Severus und...

„Herrje, da hätte ich doch fast was vergessen“, murmelte Hermine, sprang von der Couch und ging zu ihrer Tasche hinüber. Nach einem gezielten Griff – Severus fragte sich immer, wie sie bei dem Chaos in ihrer Tasche überhaupt etwas finden konnte – zog sie einen Briefumschlag heraus. Zurück an der Couch hielt sie Severus den Brief entgegen.

„Für Sie, Severus. Das hat mir Mr. Popovich mitgegeben.“ Sie hoffte, es war nichts Dringliches.

Den Brief nahm Severus entgegen und er las für sich, während Hermine wartete, mehr ungeduldig als geduldig, denn ihre Füße hielten nicht still und ihre Hand führte ständig das Whiskyglas an ihren Mund.

„Was schreibt er?“, entwich ihr die Frage, die sie ständig in Gedanken gestellt hatte, nun auch hörbar.
„Sie sollten daran arbeiten.“
„Woran?“
Seinen Blick hatte er kein einziges Mal vom Brief genommen. „Sie stecken Ihre Nase wohl auch in jeden Topf.“
Sie wäre vor Scham gestorben, hätte sie ihre jetzigen Gedanken laut gesagt, denn womöglich, dachte sie, suchte sie nur den richtigen. „Nun, was schreibt er?“
Severus rollte mit den Augen. „Er würde es begrüßen, wenn ich regelmäßig Schüler aufnehmen würde. Ich werde ihn enttäuschen müssen.“
Weil Severus den Brief auf den Tisch legte, fragte Hermine: „Warum machen Sie es denn nicht?“
„Ich denke nicht, dass ich die Geduld aufweisen könnte, jemanden privat zu unterrichten.“
„Das haben Sie doch aber bei mir getan!“
„Was musste ich Ihnen denn schon beibringen?“
„Das war eine ganze Menge.“ Sie seufzte. „Popovich war Ihr Klassenkamerad?“
„Wie ich schon sagte, ja. Ab der fünften Klasse hatten einige Schüler eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Wir hatten Projekte, forschten ein wenig. Es war mehr oder weniger von Professor Slughorn zur Diskussion gestellt worden.“
„Waren Sie etwa im Slug-Klub?“ Sie machte ganz große Augen.
„Nein, ich fand das albern, aber er hat mich für die Projekte des Klubs gewonnen.“
Hermine ahnte etwas und sprach es unverblümt an: „Harrys Mum war im Slug-Klub. Sind Sie deshalb nicht...?“
„Genau.“
„Oh.“

Harry hatte ihr so gut wie gar nichts erzählt. Hermine wusste nur soviel, dass das fünfte Schuljahr für Severus nicht das beste gewesen war.

„Und Popovich war der, mit dem Sie immer zusammengearbeitet haben?“ Aufgrund ihrer Frage nickte Severus. „Bis zum letzten Schuljahr oder...?“
„Auch noch in der siebten Klasse, ja. Dort hat ihn ein ähnliches Schicksal ereilt wie mich.“

In Gedanken ging Hermine sämtliche Informationen durch, die sie im Laufe des letzten Jahres erfahren hatte.

„Der Abschlussball?“
Ein Nicken war Severus' Bestätigung, dass sie richtig lag. „Popovich war mit einer Dame aus seinem Haus verabredet. Das war seine Chance, weil der Gefährte von Pamela – so hieß die Dame – während der Weihnachtsferien nicht in Hogwarts war. Mr. Black war jedoch der Meinung...“
„Dann war Popovich derjenige, der an dem Abend genau wie Sie ohne Begleitung dastand, weil Sirius...“
„Woher wissen Sie das so genau?“, fragte er äußerst skeptisch.

Sie hielt sich eine Hand vor den Mund, damit sie nicht noch mehr ausplaudern konnte, doch es war längst zu spät. Diese Informationen hatte sie aus Remus' Tagebüchern. Severus selbst hatte sich kaum zu dem Vorfall geäußert.

„Woher?“ Seine Stimme war nun bedrohlich leise geworden.
Sie nahm ihre Hand vom Mund. „Jedenfalls nicht von Ihnen.“ Selbige Hand fand einen Weg zu ihrer Stirn. „Ich hab darüber gelesen.“
„Solche nichtigen Ereignisse stehen wohl kaum in alten Ausgaben des Tagespropheten.“
„Nein, das nicht, dafür aber in Tagebüchern.“
„Sie können von Glück reden, Hermine, dass ich keine Tagebücher führe, sonst würde ich Sie auf der Stelle verhexen. Sagen Sie schon, wessen Privatsphäre haben Sie auf diese Weise verletzt?“ Sie wollte es nicht sagen, auf keinen Fall. Er könnte ihr damit das Leben erschweren. „Hermine!“
„Remus! Es waren seine Tagebücher. Er hat sie Harry gegeben und der durfte sie lesen, aber ich war 'zufällig' auch da und...“
„Lupin hat das festgehalten?“, murmelte Severus ungläubig, denn er konnte nicht verstehen, warum jemand in seinem Tagebuch Ereignisse niederschreiben sollte, die von anderen Menschen handelten.
„Vergessen Sie es, bitte!“
„Ah“, er grinste fies, „hab ich Sie jetzt etwa in der Hand?“
„Ha, das hätten Sie wohl gern! Nein, Severus. Bevor ich mich von irgendjemandem erpressen lasse, stehe ich für den Mist, den ich verzapft habe, lieber selber gerade.“ Hermine seufzte. „In dem Tagebuch stand alles vom Weihnachtsball Ihrer siebten Klasse. Sie wissen schon, die Sache mit Brenda und auch, wie Sie vorher Linda aus dem See gefischt haben.“
„Seit wann wissen Sie davon?“, wollte er neugierig wissen.
„Seit wann? Schon eine ganze Weile.“
„So ungefähr?“
„In Aberdeen wusste ich es schon, deswegen hat mir mein falscher Name auf dem Pass nicht gefallen.“

Ein Augenblick der Stille verging. Aus lauter Verlegenheit griff Hermine zu ihrem Glas und leerte es, was Severus beobachtete. Sein eigenes Glas war noch halb voll.

„Trinken Sie so schnell oder ich zu langsam?“, fragte er nicht sehr ernst. Sie zuckte nur mit den Schultern, bevor sie sich noch etwas einschenkte.
„Ich hätte nie gedacht, dass ich Whisky mögen könnte.“ Sie roch an dem bernstein-roten Getränk.
„Das ist ihr drittes Glas“, erwähnte er nebenher.
„Jetzt zählen Sie auch noch mit, ich fasse es nicht.“

Severus musste lächeln und damit das nicht auffiel, wandte er seinen Kopf ab und schaute zum Kamin. Über dem Kamin bemerkte er das leere Portrait Calliditas.

„Das Bild werden Sie nicht mitnehmen dürfen“, er deutete hinüber, so dass sie dem Wink mit den Augen folgte. „Vielleicht möchten Sie doch eines von mir?“
„Ich sagte schon, dass mir das Original lieber ist.“
„Gut, dann werde ich regelmäßig bei Ihnen vorbeischauen und Sie um der Gewohnheit Willen ein wenig zurechtweisen.“
„Sie glauben gar nicht, wie sehr ich mich darauf freue“, schäkerte sie. „Was werden Sie machen, wenn ich weg bin?“
„Ich verstehe Ihre Frage nicht ganz. Haben Sie etwa vergessen, dass ich hier Lehrer bin?“
„Oh sicher, und jetzt sagen Sie mir vielleicht auch noch gleich, dass Ihr ganzes Herzblut an diesem Job hängt?“
Er zog elegant eine Augenbraue in die Höhe. „Kinder zu piesacken kann Spaß machen. Sie sollten es einmal versuchen.“
„Nein danke, ich glaube nicht, dass ich Spaß am Unterrichten hätte. So etwas, was Sie mit mir gemacht haben, das könnte mir Spaß machen. Einen privaten Schüler aufzunehmen, meine ich.“
„Man wird mit Sicherheit eines Tages an Sie herantreten. Sehr viele gute Zaubertränkemeister gibt es nicht in Schottland und wenn jemand eine hervorragende Ausbildung genießen möchte, wird er an die angesehenen herantreten.“
„Also zuerst an Sie“, warf Hermine ein.
„Ich werde Sie in solchen Situationen empfehlen. An einem weiteren Schüler habe ich kein Interesse.“
„Dann war ich wohl doch so schlimm, dass ich Ihnen das verleidet habe? Tut mir aufrichtig Leid, Severus“, sagte sie grinsend.
Er schüttelte den Kopf, während er sein Glas zu hypnotisieren versuchte. „Ich weiß nicht, was mich geritten hat, dass ich Ihnen überhaupt den Vorschlag unterbreitet habe.“
„Vielleicht hatten Sie mich einfach nur gern.“
„Ganz sicher nicht!“, hielt er viel zu impulsiv dagegen.
Nicht sehr ernst sagte Hermine daraufhin: „Dann können Sie mich also doch nicht ausstehen, ich wusste es!“
„Ich komme mit Ihnen aus. Das ist mehr, als ich erwartet habe.“

Sie überlegte, ob ihr die Frage gestattet war, was er überhaupt erwartet hatte. Ihre Überlegung stieß sie jedoch von sich.

Um aufs vorige Thema zurückzukommen, fragte Hermine: „Und Sie wollen wirklich hier als Lehrer bleiben?“
„Ich wüsste nicht, was ich sonst tun könnte.“
„Sie könnten forschen!“, schlug sie vor. Es war genauso sein Steckenpferd wie ihres.
„Und wo? Im Mungos vielleicht?“ Er schnaufte verachtend. „Ich habe es schon einmal Harry gesagt: Trotz des Merlinordens bin ich nicht so blauäugig zu glauben, dass es nicht noch einige Menschen gibt, die in mir das sehen, was ich einmal war. Ein Todesser, Hermine. Das sollten auch Sie nicht vergessen, besonders nicht, wenn meine Person Ihnen eines Tages im Weg stehen sollte.“
„Wie sollten Sie mir im Weg stehen?“
„Wenn möglicherweise einer Ihrer Gönner verlangen sollte, sich von mir und meiner Vergangenheit zu distanzieren, dann sollten Sie es tut.“
„Das meinen Sie nicht ernst?“ Sie schüttelte den Kopf. „Wenn jemand mit seinen Galleonen klimpert und schlecht von Ihnen denkt, dann soll ich das Geld nehmen und mich von Ihnen lossagen?“
„Sie müssen an sich und Ihr Geschäft denken. Auf der Versammlung der Körperschaft wird es auch Leute geben, die meinen Namen verunglimpfen, wann immer sie die Möglichkeit dazu bekommen.“

Nochmals schüttelte sie den Kopf. Sie konnte es einfach nicht glauben. Es war nicht von der Hand zu weisen, dass gewisse Menschen – zu ihnen zählte Moody – noch immer in Severus einen Kriminellen sahen. Sie konnte über seine Vergangenheit hinwegsehen, war es doch alles zu einem guten Zweck gewesen.

„Susan hat früher im Krieg an einem alte Poesiebuch-Spruch festgehalten und ihn immer wieder in die Tat umgesetzt.“
„Und was für ein Spruch war das?“
Sie räusperte sich, bevor sie ihn wiedergab. „'Hundert Freunde im Glück halten nicht einen Feind zurück, aber ein Freund in der Not schlägt hundert Feinde tot.'. Das war so etwas wie unser Kampfspruch.“ Hermine lächelte nur halbherzig. „Müssen Sie wirklich erst in einem Lexikon nachlesen, um zu verstehen, was mit dem Begriff 'Freund' gemeint ist? Glauben Sie ja nicht, ich würde Ihnen den Rücken kehren, nur weil irgendein reicher Schnösel mit finanzieller Unterstützung winkt.“

Aus heiterem Himmel musste Severus an seinen Tagtraum denken. Wenigstens sein Unterbewusstsein hatte ihm zu erkennen gegeben, wen er zu seinen engeren Vertrauten zählte.

„Hermine?“ Sie blickte auf. „Tun Sie mir den Gefallen und sehen Sie in Nerhegeb, bevor Sie sich Ihrer Apotheke annehmen.“
Sie blinzelte ein paar Mal und runzelte die Stirn. „Warum denn das?“
„Weil ich Ihnen dann eventuell mitteilen werde, was ich gesehen habe.“
„Sie haben Lily gesehen, das haben Sie mir schon gesagt.“
„Nicht nur.“
„Oh“, machte sie erstaunt.

Ob das ein Handel war, auf den sie eingehen wollte, war ihr noch nicht ganz klar. Sie könnte in den Spiegel schauen; sie musste im Anschluss niemandem davon erzählen, wenn ihr das, was sie sehen würde, nicht gefallen sollte.

„Ich habe die Apotheke gesehen“, gab sie zu.
„Ich dachte, Sie hätten zu kurz reingesehen?“
„Im Nachhinein bin ich mir sicher, dass...“
„Dann haben Sie nicht lange genug geschaut, wenn Sie erst so lange darüber nachdenken mussten, was Sie womöglich gesehen haben könnten. Es ist nur ein Vorschlag. Es liegt an Ihnen, ob Sie es tun oder nicht.“

Sie könnte hineinsehen, dachte sie. Sie wäre für alles, was Nerhegeb ihr zeigen würde, gewappnet – hoffte sie. Primär war jedoch ihre Sorge um die Prophezeiung im Vordergrund, ihre Sorge um Severus.

„Würden... Würden Sie mir...?“ Hermine würde gern sein dunkles Mal sehen, weil sie immer wieder an ihr Gespräch mit Albus denken musste. Sie schluckte kräftig. „Würden Sie mir Ihr dunkles Mal zeigen?“
„Das haben Sie doch bereits gesehen“, stellte er irritiert fest.
„Nur einmal noch.“

Sein Kommentar auf ihre Bitte war ein strenger Blick, der von ihren braunen Augen gebrochen wurde. Er seufzte, bevor er aufstand und sich seines Umhangs und des Gehrocks entledigte. Nachdem er sich gesetzt hatte, öffnete er den Manschettenknopf seines weißen Hemdes, welches man unter der schwarzen Kleidung in der Regel nie zu Gesicht bekam. Ohne zu Zögern, denn sie kannte das Mal bereits, krempelte er den Ärmel hoch und hielt ihr den Arm unter die Nase.

Hermine betrachtete das Mal genau, erkannte keine Veränderung zu damals, als er es ihr unerwartet gezeigt hatte. Das war in den Kerkern gewesen, wo es dunkel war. Hier bei ihr war es hell und sie konnte viel mehr erkennen. Das Mal war deutlich, auch wenn es verblasst war. Nicht mehr schwarz, sondern grau zeichnete sich Voldemorts Zeichen auf seinem Unterarm ab. Mit einem Finger fuhr sie über die Linien, die den Schwanz der Schlange bildeten. Severus' Haut war tatsächlich weiß, bemerkte sie, nur seine Finger waren durch Tränke und Zutaten gelblich verfärbt.

Warum Hermine das dunkle Mal so genau begutachtete, war ihm völlig schleierhaft. Als sie auch noch damit begann, die Linien mit ihren Fingern nachzuziehen, da spürte er, wie sich eine wohlige Gänsehaut auf seinem Unterarm ausbreitete. Bevor Hermine das bemerken würde, zog er seinen Arm weg.

„Warum wollten Sie es sehen? Damit Sie sich immer gut an mich erinnern können?“, stichelte er.
Sie ging gar nicht darauf ein, wollte stattdessen wissen: „Hat es in letzter Zeit mal gebrannt?“
„Wie bitte?“, fuhr er sie erbost an. „Sie wissen sehr genau, was das bedeuten würde, sollte es brennen.“
„Ich habe nur gefragt, ob es sich mal... Ich weiß nicht, ob es sich vielleicht mal heiß angefühlt hat, eben ob es gebrannt hat.“
Wütend krempelte er den Ärmel wieder runter, ließ den Knopf aber offen, bevor er zischte: „Wenn Sie so etwas fragen, dann muss es einen besonderen Grund geben und den will ich wissen!“
„Das wird Ihnen nicht gefallen, Severus.“
„Es gibt vieles in meinem Leben, das mir nicht gefallen hat. Raus mit der Sprache!“
„Ich brauch noch einen Drink“, sagte sie und griff nach der Flasche, doch zeitgleich griff er nach ihrem Handgelenk und zog Hermine zu sich heran. Er brauchte gar nichts zu sagen. Sein Gesichtsausdruck war fordernd genug. Er fletschte die gelben Zähne, kniff die Augen zusammen. Vor Monaten noch hätte Hermine bei seinem Anblick eventuell einen Herzstillstand erlitten, doch diesmal schlug es kräftiger denn je. „Es gibt da so etwas wie eine Prophezeiung“, spielte sie die Sache leise gesprochen hinunter. „Ich glaube, sie betrifft Sie.“

Sein Gesicht entspannte sich nur, weil ihm sämtliche Gesichtszüge entgleisten. In ihren Augen suchte er nach dem Anzeichen einer Eulenspiegelei, aber es war kein Scherz, nicht bei ihrem durchdringenden Blick. Nervös jagten seine Augen über ihr Gesicht. Er betrachtete ihre Muskeln und suchte nach einem quirligen Zucken der Nerven, um sie zu entlarven, wandte sich dann wieder den braunen Augen zu – schaute in ihr rechtes, linkes, rechtes Auge, doch dort verbarg sich keine Neckerei.

„Betrifft mich?“, fragte er ungläubig nach. Seine wispernde Stimme verriet sein Grauen und die Unruhe, die ihn ihm aufgekommen war. „Warum mich?“ Er war es leid, unendlich leid, keine Ruhe zu finden.
„Es ist ja nur eine Vermutung.“

Es waren nicht ihre Worte, nicht ihre Stimme, sondern ihr Blick, der ihm deutlich machte, dass es keine reine Vermutung war. Die Panik, die diese Gewissheit in ihm auslöste, ließ ihn nur noch fester zupacken. Dass sie sich aus seinem Griff herauswinden wollte, bemerkte er nicht einmal, so entsetzt war er von der Information, es würde eine neue Prophezeiung geben; eine, die ihn betreffen würde – und das dunkle Mal.

Unerwartet spürte er etwas an seinem Handgelenk. Er fuhr verschreckt zusammen; versuchte, die Ursache für die Berührung zu finden und wandte aufgescheucht den Kopf. Severus sah, wie anmutig grazile Finger – viel zu edel, um durch Tränke zu vergilben – sich um sein Handgelenk gelegt hatten, um seinen Griff zu lockern. Als hätte Hermine mit akribischer Genauigkeit eine Bärenfalle entschärft, löste sich sein krallenartiger Griff Finger für Finger. Seine Hand lockerte sich und ließ von ihrer ab, doch anstatt vor der Falle zu fliehen, umfasste Hermine sie.

Irgendetwas schnaufte aufgeregt und Severus erschrak, als er sich selbst als Geräuschquelle ausmachen konnte. Es war ihm, als stünde er neben sich. Das Zimmer, in dem er sich befand, wirkte so fremd, völlig unwirklich. Severus schaute sich um und das Unheil nahm seinen Lauf. Die Schatten der Vergangenheit umflorten seinen Blick. Gestalten huschten umher, Erscheinungen mit schwarzen Kutten, sinister und bedrohlich. Jene finsteren Gebilde aus schrecklichen Erinnerungen bahnten sich einen Weg aus seinem Kopf nach draußen, bis er sie lebhaft aus den Augenwinkeln sehen konnte. Glutrote Augen blitzten auf. Severus wandte den Kopf, renkte ihn, drehte ihn hin und her, doch war's nur Einbildung. Kein Lord mit gravitätischem Gebaren war zu sehen.

Der Raum verschwamm vor seinen Augen, so dass er sie schließen musste. Ihm wurde heiß und kalt. Kein Schauer lief ihm über den Rücken, sondern Schweißperlen, so spürbar, als würde eine eisige Klaue über sein Rückgrat fahren. Er schluckte kräftig und versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, doch die Fähigkeit zur Konzentration blieb ihm momentan verwehrt. Mit seiner freien Hand nestelte er aufgebracht am obersten Kragenknopf herum. Irgendetwas schnürte ihm die Kehle zu, er bekam keine Luft. Plötzlich war auch dort eine warme Hand, deren Finger den Knopf mit Leichtigkeit lösten, den darunter gleich noch mit. Severus öffnete seine Augen, schloss sie gleich wieder, weil sich alles drehte, doch er hörte ihre besänftigende Stimme.

„Eine Panikattacke, Severus. Das ist gleich vorbei.“
Seine eigene Stimme klang für ihn wie durch den Trichter eines Grammophons gesprochen. „Er soll nicht wiederkehren.“
Ein Augenblick herrschte Stille, bis sie verstanden hatte. „Wird er nicht, ganz bestimmt nicht.“

Ihre Stimme konnte ihn nicht besänftigen, dafür jedoch die Furcht geringfügig eindämmen. Ein neuer Versuch, die Augen zu öffnen. Er ließ seinen Blick hin und her schweifen, doch noch immer fand er keine Ruhe, keinen Punkt, den er fixieren konnte. Dank der beruhigenden Wärme an seiner Hand, als Hermine sie vollends mit ihren umfasste, erlangte er etwas von seiner abhandengekommenen Besonnenheit wieder. Sein Herz klopfte wie wild und er konzentrierte sich mit geschlossenen Augen genau darauf, auf das rhythmische Geräusch jenes Organs, auf das er sonst nicht hören wollte. Es pochte so sehr, dass er im wahrsten Sinne fühlen konnte, wie das Eis ringsherum zerbarst.

Ein Gewicht auf seinem Schoß ließ ihn blinzeln. Der Kniesel. Mit honigfarbenen Augen blickte das Tier ihn an und endlich fanden seine Augen Ruhe, konnten auf dem Kater verweilen, ohne nervös zu flackern. Das schwarze Haustier schnurrte laut, verströmte fühlbare Vibrationen; beides für Severus ein Wohlgenuss. So konnte er sich von dem Schrecken erholen, nach all den Jahren der eisernen Beherrschung die Fassung verloren zu haben.

„Ich hole Ihnen ein Glas Wasser“, hörte er die vertraute Stimme sagen und übergangslos wurde seine eben noch umfasste Hand ganz kalt. Um sie zu wärmen, vergrub er sie im Fell des Kniesels, der es sich auf Severus' Schoß bequem gemacht hatte. Ein Glas erschien in seinem Blickfeld. „Geht es wieder?“ Seiner Stimme nicht trauend nickte er und griff nach dem Glas. Er sah, dass seine Hand zitterte, doch er ignorierte es und gönnte sich die Erfrischung. Als das kalte Nass seine Kehle befeuchtete, sah er sich wieder in der Lage, ein paar Worte zu sprechen.
„Was hat es mit der Prophezeiung auf sich?“ Er fragte sich, ob nur er ein Beben in seiner Stimme vernommen hatte.
„Wir warten lieber, bis es Ihnen besser geht.“
„Mir geht es gut“, sagte er schwächlich.
„Kreidebleich sind Sie“, hielt sie im freundlichen Tonfall dagegen. Ihre Hand legte sich auf seine, damit sie unbemerkt mit den Fingerspitzen seinen Puls fühlen konnte. „Und Ihr Herz rast noch immer. Eine kurze Pause, Severus.“ Für einen Widerspruch fand er keine Zeit, denn sie sagte von sich aus, um ihn zu beruhigen: „In der Prophezeiung geht es nicht um Voldemort.“ Er atmete erleichtert aus und lauschte, als sie erklärte: „Eher um das dunkle Mal, aber später mehr. Trinken Sie noch etwas.“

Severus gehorchte und nahm ein paar Schlucke. Gerade als er überlegte, wo er das Glas abstellen konnte, wurde es ihm bereits abgenommen. Der Kniesel schnurrte noch immer, wärmte seinen Schoß. Entspannt schloss Severus die Augen und selbst das Zerren und Ziehen an seinen Füßen störte ihn nicht. Hermine zog ihm die Schuhe aus, damit er es bequemer haben würde. Dem Druck auf seinen Schultern gab er nach, bis sein Kopf sich in ein weiches Kissen drückte. Noch immer spürte er sein Herz und er wollte darauf hören, was es zu sagen hatte. Wenige Minuten später war das Einzige, was er noch wahrnahm, der Kater, der wie eine kleine Nähmaschine ununterbrochen schnurrte. Severus schlief ein.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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Sonea Ginevra Inava
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Re: Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit (174)

Beitrag von Sonea Ginevra Inava »

Ich finde es übertriebe, dass die sich alle solch extreme Sorgen um Hermine machen. Wenn bei uns zu Hause mal jemand nicht nach Hause kommt, werde nauch nicht gleich alle verrückt. ;)

Das Kapitel mag ich wieder, ich war übrigens überrascht, dass du so schnell wieder gepostet hast.
Dumbledore durchschaut mal wieder mehr als alle andere (bzw. als severus und hermine selbst) und ist ein super Gesprächspartner, toll wie er Hermine Mut macht und unterstützt.
Auch wenn ich Severus und Hermine nicht unbedingt so super als Paar finde, du hast es trotzdem gut hinbekommen. Das Gespräch zwischen den beiden ist echt gut & der Zusammenbruch von Sev auch. Ich bin schon total gespannt, was passiert, wenn Hermine in den Spiegel schaut. ;)
Danke fürs schnelle posten & schade, dass niemand sonst deine tolle Geschichte weiterverfolgt.
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Zerafina
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Re: Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit (174)

Beitrag von Zerafina »

Wow. Eine tolle Arbeit. Ich habe4 mir zwar noch nicht alles durchgelesen, aber das, was ich gelesen habe war echt gut.
& wie viel du schon geschrieben hast, das war bestimmt eine Heidenarbeit.

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Sonea Ginevra Inava
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Re: Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit (174)

Beitrag von Sonea Ginevra Inava »

Zerafina, du hast mich verwirrt - ich dache es wär ein neues Kapitel da :D
Naja, ich empfehle dir weiter zu lesen, lohnt sich echt. ;)
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Muggelchen
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Beitrag von Muggelchen »

Hallo Sonea Ginevra Inava,

die übertriebene Sorge ist womöglich nur ein Überbleibsel aus Kriegszeiten und wird mit der Zeit auch wieder verschwinden.
Dumbledore ist zumindest innerhalb Hogwarts' bestens informiert, was an den vielen Gemälden hängen könnte, die ihm immer wieder Bericht erstatten ;)
Dass Severus und Hermine ein Paar werden, war nicht von Anfang an geplant. Da es aber bestens passte, haben John und ich uns dafür entschieden. Man muss aber keine Angst haben, dass die Geschichte kitschig wird. Nichts passiert plötzlich, alles bleibt nachvollziehbar. Vor allem aber bleiben die beiden ihrem Charakter treu. Es gibt also keinen "Kuschel-Snape" oder eine "sexy Hermine". ;)

Hallo Zerafina,

bei welchem Kapitel bist du denn gerade?
Es war zwar eine Heidenarbeit - hat immerhin 3 ½ Jahre gedauert, aber es hat mir wahnsinnigen Spaß gemacht, die Geschichte zu schreiben und besonders auch, alle Handlungen miteinander zu verknüpfen.

Euch beiden vielen Dank für die Reviews und weiterhin viel Spaß beim Lesen,
Muggelchen




175 Das Vermächtnis des Dunklen Lords




Nebel lag über London, was nicht ungewöhnlich war. Für diese Jahreszeit schon gar nicht. Ungewöhnlich war, dass Sid bereits um sechs Uhr morgens an seinem Schreibtisch saß und sich durch Aktenberge wühlte. Für alles, was man Malfoy zur Last legte, hatte er Präzedensfälle parat, die er durch stundenlanges Suchen in den Archiven ausfindig gemacht hatte. Beispielfälle, die von der Gamotvorsitzenden nicht ignoriert werden konnten und doch wusste Sid, dass Mrs. Baltimore nun härtete Geschütze auffahren wollte. Sie wollte unter allen Umständen ein Verhör unter dem Einfluss von Veritaserum. Sid rechnete damit, dass sie Fragen an Malfoy so geschickt ausformulieren würde, so dass sie ihm noch mehr von seinen Schandtaten entlocken könnte.

Sid stöhnte. Er war körperlich am Ende. Ihm fehlte Schlaf, aber diesen Fall durfte er nicht verlieren. Wenn er sich schon Feinde im Ministerium machen und seinen Job verlieren würde, dann wollte er mit Pauken und Trompeten seinen Abgang feiern. Bisher hatten der Minister und Mr. Shacklebolt noch nicht durchblicken lassen, wie sie sich verhalten würden. Er ging nicht davon aus, dass sie ihm Vergissmich auf den Hals hetzen könnten, auch nicht, dass sie ihn von seiner Aufgabe entbinden, denn ihnen hat er deutlich zu verstehen gegeben, dass er bereits mit einer Dame von der Zeitung in engem Kontakt stand.

Ein Klopfen an seiner Tür ließ ihn zusammenfahren. Um diese Uhrzeit waren kaum Mitarbeiter im Ministerium.

„Herein.“ Genau die beiden Herren traten ein, an die er gerade gedacht hatte. „Guten Morgen, Minister Weasley, guten Morgen, Mr. Shacklebolt. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?“ Die beiden grüßten nicht zurück, nickten ihm nicht einmal zu. „Treten Sie doch ein und nehmen Sie Platz.“
„Danke“, sagte der Dunkelhäutige, „aber wir stehen lieber. Wie Sie sich denken können, geht es um unser letztes Gespräch.“
„Ich hoffe doch sehr, dass es darum geht“, antwortete Sid äußerlich gelassen, doch in Wirklichkeit war er mehr als nur aufgeregt.
„Sie haben mich in eine missliche Lage gebracht“, warf Arthur dem Angestellten mit einer Mischung aus Schwermut und Wut vor.
„Nein, Minister, Sie selbst haben sich in diese Lage gebracht. Ich bin ein rechtschaffender Mensch, weswegen ich bei einigen Kollegen bereits unangenehm aufgefallen bin, vor allem wenn es um Fehler geht, die vertuscht werden wollten. Solche Perfidien haben in einem so großen Regierungsapparat wie dem Zaubereiministerium nichts zu suchen, da sind Sie sicherlich meiner Meinung.“
Diesmal war es Kingsley, der das Wort ergriff. „Mr. Duvall, wie wäre es mit einer großzügigen Abfindung, damit...“
Sid hob beide Hände. „Oh Stopp, bitte! Machen Sie die Situation nicht noch schlimmer, als sie für Sie beide bereits ist. Sie haben sich gesetzwidriger Methoden bedient und jetzt versuchen Sie es mit Bestechung?“
„Das sollte kein Bestechungsversuch sein“, rechtfertigte sich Arthur grantig.
Mit beherrschter Stimme sagte Sid ganz offen: „Sie werden mich nicht zum Schweigen bringen, denn Geld bedeutet mir nichts.“ Er schaute die beiden eindringlich an und versuchte, sich zu erklären. „Glauben Sie mir bitte, dass ich das, was ich bei unserem Gespräch gesagt habe, vollkommen ernst meine. Mir gefällt es absolut nicht, dass Mr. Malfoy sein Spinnennetz der Intrigen um das gesamte Gamot gesponnen hat. Ich wäre schon erleichtert gewesen, wenn Mrs. Baltimore und all diejenigen, die von Mr. Malfoy unter Druck gesetzt werden, durch neutrale Gamotmitglieder ersetzt worden wären. Mr. Malfoy hätte somit eine gerechte Verhandlung bekommen; ich hätte anständig arbeiten können. Dafür ist jedoch keine Zeit mehr. Mrs. Baltimore will nun ihren eigenen Kurs einschlagen und ich kann es ihr nicht verübeln.“ Er seufzte theatralisch.
„Was hat Mrs. Baltimore vor?“, fragte Kingsley aufgescheucht.
„Ich vermute, Sie will Mr. Malfoy mit seiner Erpressung bloßstellen, womit sie auch sich selbst an den Pranger stellen würde, aber was die gute Frau nicht weiß: Sollte das geschehen, werde ich zurückschlagen, indem ich Sie, Minister Weasley und Mr. Shacklebolt, öffentlich der rechtswidrigen Handlung beschuldigen werde, weil Sie unerlaubt ein Verhör mit Veritaserum durchgeführt haben. Allein schon die Anschuldigung wäre ein großer Skandal, egal was darauf noch folgt und es wird etwas folgen, dafür würde ich sorgen. Wenn wir schon schmutzige Wäsche waschen, dann doch gleich die ganze. Außerdem würde ich mich gezwungen sehen, alles haarklein mit Hilfe der Presse zu beleuchten, denn erstens hat die Öffentlichkeit ein Recht darauf zu erfahren, was hinter den Kulissen der Regierung abläuft und zweitens würde Mr. Malfoys Fall ganz anders aussehen. Die Öffentlichkeit würde verstehen, warum er sich auf seine Weise gegen das dubiose Rechtssystem zu wehren versuchte, um vor dem Gamot wenigstens den Hauch einer Chance zu haben.“

Kingsley bemerkte, dass Arthur kurz davor war, diesem Pedant an die Kehle zu gehen. Auch Sid bemerkte das.

„Minister?“ Arthur blickte Sid streng an, doch der ließ sich von dem sichtbaren Hass nicht einschüchtern und sprach: „Mir liegt sehr viel an den Reformen, die Sie mit Hilfe von Mr. Kingsley herbeiführen werden. Ich möchte, dass die Gesetzesänderungen stattfinden! Es steckt so viel Mühe dahinter.“ Seine Worte waren ehrlich. „Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber ich habe bei den letzten Wahlen sogar für Sie gestimmt! Wie Sie bin auch ich ein Muggelfreund, ein Freund von diskriminierten Mitbürgern.“

Nun musste Arthur doch Platz nehmen. Mit Daumen und Zeigefinger einer Hand massierte er seine Schläfen. Die Situation schien aussichtslos.

„Es wird auffallen“, begann Kingsley, „wenn Mr. Malfoys Verhandlung plötzlich andere Wege einschlägt und er von heute auf Morgen einen Freispruch bekäme. Wie sollte man das erklären?“
Sid legte den Kopf schräg und zog beide Augenbrauen in die Höhe, als er in Gedanken seine Antwort formulierte. „Sie haben Mr. Malfoy an diesem besagten Tag, als Sie ihm Veritaserum gaben, eine bestimmte Frage gestellt. Eine Frage, die einen Mr. Hopkins betraf.“ Kingsley nickte. Namen und Anschrift von besagtem Hopkins hatten sie erhalten, aber weitergeholfen haben diese Informationen nicht. „Nun, danach haben Sie Mr. Malfoy nicht mehr aufgesucht, haben also keine weitere Befragung durchgeführt. Ich allerdings habe meinem Mandanten noch einige Informationen entlockt, die ich im Gegenzug Ihnen zur Verfügung stellen würde.“
„Was für Informationen?“, fragte Arthur.
„Die Information, wo sich sehr wahrscheinlich Rabastan und Rodolphus Lestrange aufhalten. Mr. Malfoy ist nur ein kleiner Fisch, Minister. Wenn Sie ein Exempel statuieren möchten, dann inhaftieren Sie die Lestrange-Brüder!“

Kingsley horchte interessiert auf. Mit diesem Tausch würden sie nicht ihr Gesicht in der Öffentlichkeit verlieren.

„Minister“, Sid versuchte die väterlicher Stimme einzusetzen, was albern wirkte, weil er viel jünger war. „Es gibt genügend ehemalige Häftlinge, die gegen gewichtige Informationen freigelassen worden sind. Soll ich welche aufzählen? Da wäre zum Beispiel Igor Karkaroff.“ Sids ehemaliger Schuldirektor.
„Ich weiß sehr wohl“, fauchte Arthur, „dass meine Vorgänger solche Übereinkünfte getroffen haben.“
„Und Sie möchten nicht dazu gehören? Vielleicht fällt Ihnen mein Vorschlag nur so schwer, weil es sich um Mr. Malfoy handelt und auch Sie einen persönlichen Groll gegen ihn hegen?“

Es stand in den Akten, dass es die Tochter des Ministers gewesen war, der Lucius das schwarzmagische Buch Riddles gegeben hatte. Welcher Vater würde nicht das Schlimmste für den Mann wünschen, der die junge Tochter in so große Gefahr gebracht hatte?

Der Minister war nicht zu überzeugen, dachte Sid, also gab er Beispiele. „Ich hatte es schon einmal erwähnt, Mr. Weasley: Solche Übereinkünfte sind auch in der Muggelwelt nicht unüblich. Ich spreche von der sogenannten 'Kronzeugenregelung', die das Merkmal eines Geschäfts auf Gegenseitigkeit innehat. Mr. Malfoy ist weiterhin kooperativ, was er mir zu Verstehen gegeben hat. Er stellt sich mit seinem internen Wissen dem Ministerium zur Verfügung.“
„Und was erwartet Mr. Malfoy im Gegenzug?“, fragte Kingsley sachlich.
„Das Übliche: Strafmilderung bis hin zum vollständigen Straferlass. Ihnen beiden ist dieses Verfahren nicht unbekannt. Sie selbst haben es bereits angewandt und Mr. Malfoys zu erwartende Haftzeit auf maximal sieben Jahre beschränkt. Solche Vereinbarungen können ganze Unternehmen schützen, Menschen in Führungspositionen oder gar Rechtssysteme. Igor Karkaroff und Severus Snape sind zwei der prominentesten ehemaligen Häftlinge, die davon profitiert haben, indem sie gegen die Feinde des Ministeriums aussagten.“
Arthur schnaufte verärgert. „Lassen Sie mich raten: Mr. Malfoy möchte jetzt kompletten Hafterlass erwirken?“
Selbstsicher nickte Sid. „Darüber hinaus aber noch etwas mehr.“
„Was denn noch?“, keifte der Minister.
„Mr. Malfoy befürchtet – und ich vermute zurecht –, dass von den beiden Herren Lestrange eine Gefahr für ihn und seine Familie ausgeht. Man darf nicht vergessen, dass seine Schwiegertochter nicht reinen Blutes ist. Sie und sein Enkelkind stünden ganz oben auf der schwarzen Liste der Brüder. In Mr. Malfoys Namen muss ich daher verlangen, dass die beiden, sollten sie erst einmal in Obhut der Gefängniswärter sein, Tag und Nacht bewacht werden.“

Diese Forderung hatte er weniger im Namen seines Klienten gestellt, denn es war er selbst, der ein Familiendrama befürchtete. Zwar hatte Sid keine eigenen Kinder, aber wenn er so eine Gefahr erkennen konnte, musste er auch darauf eingehen und sie abwehren. Sein Gewissen würde ihm sonst keine Ruhe gönnen.

„Wenn ich noch etwas äußern dürfte?“ Sid wartete, bis die beiden ihn ansahen. „Ich möchte wirklich nicht drängen, aber die momentane Situation mit Mrs. Baltimore erfordert schnelles Handeln.“

Sid beobachtete, wie der Minister seinem Vertrauten etwas ins Ohr flüsterte. Kurz darauf verschwand Kingsley aus dem Büro.

Auf Sids fragenden Blick hin erklärte Arthur: „Die Verhandlung wird vorerst gestoppt. Mrs. Baltimore wird angewiesen, nichts zu unternehmen und ich denke, mein Mitarbeiter wird ihr sehr deutlich klar machen, was mit 'nichts' gemeint ist. Ich nehme mir etwas Bedenkzeit, Mr. Duvall.“
„Selbstverständlich.“

Sid war erleichtert. Die Vorstandsvorsitzende würde vorerst vom Minister selbst einen Knebel verpasst bekommen. Er verstand, dass Mr. Weasley über die gesamte Situation nachdenken wollte und er war sich sicher, dass er die richtige Entscheidung treffen würde.

Die richtige Entscheidung hatte Hermine bereits getroffen, als sie sehr früh morgens erwachte und sich im Bett räkelte. Ob es ein Traum gewesen war, der sie mit dem Vorwand aufwachen ließ, unbedingt noch heute mit ihrem Vater in die Winkelgasse zu gehen oder ein Instinkt, das war ihr egal. Das Gespräch mit Albus hatte ihr so viel Selbstvertrauen geschenkt, dass sie ihre Entschlussfreudigkeit nicht vorüberziehen lassen wollte. Die Apotheke gehörte ihr, zumindest was das Gefühl in ihrem Herzen betraf. Noch im Liegen streckte sie sich wie ein Katze und als sie diesen Vergleich zog, vermisste sie Fellini, der normalerweise an ihrem Fußende oder auf ihrem Bauch schlief. Er wird noch, dachte sie, im Wohnzimmer bei Severus sein, wenn der nicht über Nacht gegangen war.

Freudig schwang sich Hermine aus dem Bett und zog sich nur einen leichten Morgenmantel über, denn in ihrem Räumen war es angenehm warm. Sie rief eine Hauselfe, die sie bevorzugte und immer gerufen hatte, seit sie sie kennen gelernte.

„Shibby?“ Nach einem leisen Geräusch, dass sie ähnlich wie das Plopp einer Apparation anhörte, erschien die kleine Elfe, die über beide Ohren strahlte. „Guten Morgen, Shibby.“
„Shibby wünscht auch einen wunderschönen guten Morgen. Darf Shibby das Frühstück bringen?“
Hermine schaute auf die Uhr, es war nicht mal sieben. „Nein, nur einen Zitronentee und eine kleine Kanne schwarzen Kaffee, sehr stark.“ Seine Vorlieben waren ihr vertraut und sie war längst davon abgekommen, ihn zum Teetrinken zu nötigten. Hermine schaute durch einen Spalt ins Wohnzimmer und erkannte eine dunkle Gestalt, die auf ihrer Couch lag. Sie wandte sich an die Elfe und flüsterte. „Und wärst du vielleicht so lieb und fütterst den Hund in Professor Snapes Räumen?“
Die Elfe nickte. „Shibby ist gleich zurück.“

Nachdem die Elfe verschwunden war, erledigte Hermine in Windeseile ihre Morgentoilette, bevor sie sich, noch immer im Morgenmantel bekleidet, ins Wohnzimmer traute. Es war draußen stockdunkel, aber im Wohnzimmer brannte das Kaminfeuer, in dessen Licht sie Severus auf der Couch sehen konnte. Sein Gesicht war durch den tiefen Schlaf entspannt, womit auch einige Falten nicht mehr auszumachen waren, die er sich in seiner Jahrzehnte andauernden Erscheinung als Griesgram zugelegt hatte. Hermine legte ein paar Scheite ins Feuer, bevor sie sich ihm erneut näherte. Gestern hatte sie ihm eine warme Decke übergeworfen. Unter der Decke, auf Severus' Brustkorb, war eine große Beule zu erkennen. Eine Beule, die sich bewegte und laut zu schnurren begann, als sie erwachte. Das leise Plopp von Shibby ließ den ruhig atmenden Severus nicht aufwachen. Die Hauselfe stellte das Tablett leise auf dem Couchtisch ab und verabschiedete sich mit einem freundlichen Lächeln. Von ihrem Zitronentee goss sich Hermine sofort etwas ein, woraufhin Severus – wegen des starken Aromas erwacht – sich rührte.

„Sind Sie wach?“, fragte sie leise. Weil Fellini die Stimme ihres Frauchens vernommen hatte, schnurrte er noch lauter und erkämpfte sich einen Weg, um unter der Decke hervorlugen zu können. Als Fellini mit allen vier Pfoten auf Severus stand, öffnete der die Augen. Sein Gesichtsausdruck war göttlich, als er völlig perplex den Kater betrachtete, der einmal Severus' Nase mit seiner berührte, bevor er hinuntersprang und sich demonstrativ vor seinen Futternapf setzte; zudem seinem Frauchen einen fordernden Blick zuwarf.

In der Zeit, in der Hermine ihr Haustier versorgte, setzte sich Severus aufrecht hin, behielt aber die Decke auf dem Schoß. Richtig wach war er noch nicht. Hermine schenkte ihm im Anschluss aus der Kaffeekanne ein, die Severus höflichkeitshalber nicht angerührt hatte, obwohl er nicht nur das Aroma des Zitronentees in seinem dösigen Zustand hatte wahrnehmen können.

„Sie sehen erholt aus“, sagte Hermine, als sie ihm die Tasse reichte, die er dankend entgegennahm.
„Wie spät ist es?“
„Es ist gerade mal sieben durch. Haben Sie gut geschlafen?“
Er nickte. „Ich habe geträumt“, hauchte er ehrfürchtig, als wäre das ein Jahrhundertereignis.
„Hoffentlich war es ein schöner Traum.“
Mit seinen Augen fixierte er Hermines, bevor er zugab: „Ich träume nicht.“ Weil sie die Stirn runzelte, erklärte er: „Ich habe damals aufgehört zu träumen.“
Sie erinnerte sich. „Aber der Traum mit Harry, den ich für Sie gedeutet habe.“ Er schaute auf seine Tasse, bevor er einen Schluck Kaffee nahm, hörte aber ihre Frage. „War das der erste Traum, nachd...?“
„Ja.“
„Beunruhigt Sie das? Dass Sie wieder träumen können, meine ich?“ Es beschäftigte ihn sichtlich, weswegen sie aus medizinischer Sicht versicherte: „Träumen ist gut. Der Mensch braucht das.“

Zu dem Traum oder der Tatsache, wieder träumen zu können, äußerte sich Severus nicht. Stattdessen blieb er bei ihr und trank seinen Kaffee. Hermine glaubte, die gestrige Panikattacke wäre ihm womöglich unangenehm.

„Harry wäre es genauso gegangen.“ Mit ihren Worten brachte sie ihn dazu, seinen Blick von der Tasse zu lösen und sie anzusehen. „Wenn er geglaubt hätte, Voldemort könnte zurückkehren, dann wäre er wahrscheinlich zusammengebrochen. Harry will das nicht mehr, er hat genug. Er will keine Gegner mehr, gegen die er antreten muss.“
„Ich hätte wenig zu befürchten“, warf Severus in ruhigem Tonfall ein. „Mit Verrätern wurde immer kurzer Prozess gemacht.“ Unweigerlich musste Severus an Karkaroff denken.
Hermine nahm ihre Tasse und setzte sich nahe zu ihm. „Wir haben damals alle Horkruxe zerstört. Um das letzte haben sich Neville und Luna gekümmert. Ich war zu der Zeit im Mungos, wegen meinem Bein, aber Harry war dabei und hat zugesehen. Auch Albus sagt, es gibt keine weiteren. Voldemort wird nicht zurückkommen können.“

Sie bemerkte, wie er die Augen schloss und erleichtert durchatmete. Ihm war ein Stein vom Herzen gefallen.

„Ich werde heute die Apotheke kaufen“, verkündete sie freudestrahlend. Das Feuer in ihren Augen war kaum zu übersehen. Ihre Leidenschaft wärmte ihn.
„Das ist gut. Ich begrüße es, dass wenigstens Ihr Wunsch in Erfüllung geht. Das Geschäft würde ich mir gern mal ansehen. Nicht heute und nicht morgen, erst wenn Sie sich eingelebt haben.“ Severus holte tief Luft, als würde er sich für etwas wappnen. „Wegen der Prophezeiung ...“
„Ja, Moment“, unterbrach sie und eilte zu ihrer Tasche. Sie zog einige Pergamente hinaus, die sie ihm reichte. Auf der ersten Seite stand Wort für Wort das, was Professor Trelawney zu Draco und Ginny gesagt hatte. Gleich darunter begannen Hermines Notizen, die er zuerst beäugte. Er las Begriffe wie „dunkles Mal“ und „helle Haut“. Erst danach las er die Prophezeiung selbst und nicht nur einmal.

„Ich verstehe, warum Sie das auf Todesser beziehen.“
„Verstehen Sie auch, warum ich den Rest mit Ihnen in Verbindung bringe?“
„Nein“, machte er sich selbst weis. „Aber es ist gut, dass Sie mich davon in Kenntnis gesetzt haben. Wer weiß noch davon?“
Hermine zählte auf. „Sibyll, Albus, dann natürlich Ginny und Draco, denn sie haben sie ja gehört. Auch Harry weiß es und dann eben ich. Ach ja, der Mann von der Mysteriumsabteilung weiß es auch. Er hat die Prophezeiung entgegengenommen und bewahrt sie.“
„Das ist nicht gerade ein kleiner Kreis Eingeweihter“, sagte Severus verlegen.
Sie verstand sehr gut, dass es ihn in Verlegenheit brachte, wenn auch die anderen den zweiten Teil mit ihn in Verbindung bringen würden, weshalb sie ihn beschwichtigte. „Er muss nicht größer werden.“
„Was gestern geschehen ist, muss auch niemand wissen.“
„Glauben Sie wirklich, ich tratsche? Nein, Severus. Es gibt Situationen, die man einfach für sich behält.“ Seine Augen spiegelten so viel Dankbarkeit wider, was ihr ein Lächeln entlockte.
„Dürfte ich wohl Ihr Bad benutzen?“
„Sicher.“

In der Zeit, die Severus im Bad verbrachte, zog sich Hermine schnell an. Ihr war völlig entgangen, dass sie nur einen Morgenmantel über dem Schlafanzug trug. Danach trafen sich beide wieder im Wohnzimmer.

Pünktlich um halb acht klopfte es. Severus blickte auf.

„Das ist nur Remus. Er fragt jeden Morgen, ob ich in der großen Halle frühstücke und wenn ja, gehen wir zusammen hin.“ Schon war sie an der Tür und öffnete sie, bevor Severus irgendwas sagen konnte. Ihm war nicht nach einem Frühstück in Gesellschaft, aber er wusste auch, dass beide ihn dazu bringen würde, mit nach unten zu gehen.

Nach dem Frühstück ging Severus zum Unterricht; machte das, was er montags bis freitags immer tat. Hermine hingegen riss aus dem Alltag aus und ließ das wahr werden, was sie ihm vorhin gesagt hatte. Sie ging zusammen mit ihren Eltern in die Winkelgasse.

Gar nicht so weit von der Winkelgasse entfernt befand sich das Zaubereiministerium, in welchem Arthur schon die ganze letzte Stunde in seinem Büro auf und ab gegangen war, während Kingsley auf einem gemütlichen Sessel saß und sich die Situation mit Duvall durch den Kopf gehen ließ. Letztendlich war er es, der einen Vorschlag machte.

„Wir sollten uns anhören, was Malfoy zu sagen hat. Wenn wir wirklich die beiden Lestranges in die Hände bekommen könnten...“
„Und Malfoy freilassen? Nein Kingsley, das will ich nicht zulassen!“
„Arthur, die Situation ist bereits so verfahren, dass wir kaum noch Spielraum haben. Wir können Duvall nicht rausschmeißen, weil er auch dann nicht den Mund halten wird. Und wenn nicht er, dann könnte Malfoy selbst uns beschuldigen. Alles würde den Bach runtergehen.“
„Deswegen gefällt dir der kleine Handel wohl? Du bist nicht gerade hilfreich“, schimpfte Arthur, doch Kingsley nahm es nicht persönlich.
„Wir können auch anders vorgehen. Wir beide geben unseren Patzer mit dem Veritaserum in der Öffentlichkeit zu. Ich werde daraufhin gefeuert und du wirst zurücktreten müssen. Duvall und Malfoy hätten gegen uns nichts mehr in der Hand und Rosalind kann tun und lassen, was sie möchte.“ Arthur warf ihm einen ungläubigen Blick zu, doch Kingsley war noch nicht fertig. „Über uns beide wird man sicherlich nicht lange berichten, denn der Skandal um Rosalind und Malfoys Bestechungen wird die verreißenden Schlagzeile mit deinem Namen schnell ablösen.“
„Das ist nicht lustig, King.“
„Es war auch nicht so gedacht. Ich wollte dir nur vor Augen führen, was wir für Möglichkeiten haben. Wenn ich wählen müsste zwischen deinem Rücktritt in Zusammenhang mit der Gesetzesreform, die bestimmt nicht von deinem Nachfolger fortgeführt wird und einem freien Malfoy, der uns im Gegenzug Rodolphus und Rabastan Lestrange ans Messer liefert, dann nehme ich letzteres.“

Wieder ging Arthur auf und ab, fuhr sich über das schüttere Haar und putzte seine Brille.

„Hol mir Malfoy und Duvall her. Ich will wissen, wo die Lestrange-Brüder sich verkrochen haben sollen!“

Gesagt, getan. Eine halbe Stunde später schaute Lucius verdutzt aus der Wäsche, als man ihn nicht in den Gerichtssaal brachte, sondern ins Büro des Ministers, wo sein Beistand bereits wartete. Weil es nur Shacklebolt gewesen war, der ihn aus dem Mungos abholte, war er sich bewusst geworden, dass die Handschellen, die Gefängniskleidung und die vier Wachen, die ihn regelmäßig zur Verhandlung begleiteten, tatsächlich nur Schikane waren, denn diesmal gab es nichts davon. Lucius grüßte Arthur mit einem arroganten Lächeln und nahm nach Aufforderung Platz.

„Dürfte ich wohl wissen, warum ich hier bin?“ Was sein Beistand mit den beiden besprochen hatte, wusste Lucius noch nicht.
„Sie sind hier“, zischte Arthur gereizt, „weil wir wissen möchten, wo sich Ihr Schwager und sein Bruder aufhalten. Informationen über den Aufenthaltsort der anderen Flüchtigen, wie Fenrir Greyback und Peter Pettigrew, wären auch sehr hilfreich, Mr. Malfoy.“
„Hilfreich für was?“
„Mr. Malfoy“, sein Beistand lehnte sich zu ihm hinüber, „sein Sie kooperativ!“
„Nun, wie Sie wünschen. Mr. Shacklebolt habe ich bereits wegen der Verstecke informiert. Dass sie unter Fidelius stehen, kann ich nicht ändern. Greyback hingegen schwirrt im Verbotenen Birkenwald herum, da bin ich mir sicher. Er hat mehrmals erwähnt, dass dieser Ort wie sein Zuhause wäre. Der Mann kann sich tatsächlich wie ein Vagabund durchs Leben schlagen.“ Lucius verzog bei dem Gedanken an das schmutzige Leben im Freien angewidert das Gesicht. „Von Mr. Pettigrew habe ich gehört, er sei verschieden, aber wenn Sie mich fragen – und das haben Sie ja getan –, dann gehe ich davon aus, dass er es wieder einmal irgendwie vollbracht hat zu entkommen. Sie wissen ja: Ratten sind zähe Tiere! Immerhin lebte er über ein Jahrzehnt in Ihrem Haus, Minister, und ihm ist auch die Flucht geglückt, nachdem man ihn in Hogwarts dingfest gemacht hat.“ Überheblich zog Lucius eine Augenbraue in die Höhe, bevor er fortfuhr. „Dem Tagespropheten hatte ich vor einiger Zeit entnommen, dass Ihr“, er kräuselte die Nase, „'Haus' leer steht. Das wäre für Pettigrew, den ich nicht für sehr helle halte, das ideale Versteck. Eine Hütte ganz für sich allein. Oh, verzeihen Sie, sagte ich gerade 'Hütte'? Wie auch immer, ich kann mir vorstellen, dass es die reine Gewohnheit gewesen sein könnte, die Pettigrew in sein altes Heim verschlagen hat. Vielleicht sitzt er gerade jetzt unter einer Diele Ihres Hauses und knabbert ein Fitzelchen Käse?“

Nach seiner kleinen Ansprache sagte zunächst niemand etwas. Arthur schien noch verärgerter als zuvor. Duvall hatte sich, wie üblich, Notizen gemacht, während Kingsley in Gedanken versunken schien.

„Ach“, machte Lucius, dem gerade etwas einfallen war, „bevor mein Beistand mich dazu auffordern muss, sag ich es Ihnen gern. Der Geheimniswahrer der Häuser, in denen ich meinen Schwager nebst Bruder vermute, ist Walden Macnair. Mir ist bekannt, dass Sie ihn bereits inhaftiert haben. Sie müssten ihn nur noch befragen, beziehungsweise ihn dazu bringen, Sie und ein paar gut ausgebildete Auroren einzuweihen.“

Für Kingsley hörte sich all das sehr gut an. Hätte man all diese Todesser, wäre Malfoy im Tausch sehr unbedeutend, gerade weil es so aussah, als würde Duvall ihn sowieso vorm Gamot freikämpfen. Das letzte Wort hatte jedoch Arthur und der konnte sich nicht dazu durchringen, irgendetwas zu sagen.

„Was denn, reichen diese Informationen etwa nicht?“, fragte Lucius, der das Schweigen falsch deutete. „Gut, dann lassen Sie mich Ihnen noch sagen, dass die beiden Mr. Lestrange es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Familien ihrer 'Kollegen' zu säubern.“
„'Kollegen'?“, fragte Arthur nach, woraufhin Lucius mit den Augen rollte.
„Ja, damit meine ich die anderen Todesser. Hier und da – ich mache da niemandem einen Vorwurf – gibt es schwarze Schafe in der Familie. Besonders Rodolphus hat es sich zu seinem Steckenpferd gemacht, jene Familienmitglieder auszulöschen, die Voldemort“, er war stolz darauf, den Namen mit fester Stimme ausgesprochen zu haben, „nicht unterstützen wollten oder die sie anderweitig für minderwertig hielten. Lassen Sie mich kurz überlegen.“ Lucius nahm sich einen Moment Zeit, bevor er mit Bestimmtheit versichern konnte: „Es stand in der Zeitung. Es war dieser Squib, Christian Rosier, den die beiden sich mit Sicherheit zur Brust genommen haben, denn der Fall trug ihr Merkmal. Beide haben immer damit geprahlt, wie sie die 'Missgeburten' mit bloßen Fäusten bekämpft haben – ganz ohne Magie. Ich gehe davon aus, dass sie auch ihn am Ende mit einem ihrer abscheulichen Tränke vergiftet haben, aber Genaues weiß ich nicht. Die Reinblüter, die sich sträubten, sich Voldemort anzuschließen, wurden von ihnen entweder umgebracht oder dienten als Versuchskaninchen für neue Tränke.“

Kingsley lief es kalt den Rücken hinunter. Womöglich, dachte er, gab es noch andere Menschen, die wie Miss Parkinson für tot gehalten wurden.

Es war Arthur, der eine Entscheidung treffen musste und er sagte: „Wir werden Macnair befragen. Sollten die Informationen dazu führen, dass Rodolphus und Rabastan Lestrange festgenommen werden können, dann werden Sie, Mr. Malfoy, davon profitieren.“
Gelassen und mit aufgesetztem Pokerface hatte Sid dem Minister gelauscht. „In dieser Zeit wird mein Mandant nicht mehr mit Verhandlungsterminen rechnen müssen?“
„Nein“, versicherte Arthur, „wie ich schon sagte, Mrs. Baltimore ist angewiesen worden, den Fall vorerst ruhen zu lassen.“

Man ließ Mr. Duvall den Gefangenen ins Krankenhaus zurückbringen, denn Malfoy würde jetzt, wo alles so gut für ihn stand, nicht fliehen.

„Kingsley?“
Arthur brauchte gar nicht zu fragen. „Ich werde Macnair einen Besuch abstatten. Bewilligst du meinen Antrag auf Gebrauch von Veritaserum?“
„Selbstverständlich.“ Arthur unterschrieb das Formular, damit Kingsley dem Gefangenen drei Tropfen verabreichen durfte. „Nimm zwei Auroren mit, die sich einweihen lassen sollen.“

Die Zufluchtsorte der Todesser hatte Macnair bereits in seinen Aussagen genannt, doch bisher wusste man nicht, dass er der Geheimniswahrer war. Es war notwendig, sich von ihm einweihen zu lassen, um die unter Fidelius stehende Gebäude sehen und betreten zu können. Macnair durfte nicht nur den ungefähren Ort nennen, sondern den korrekten Namen des Verstecks, wie er auch bei der Erstellung des Fidelius-Zaubers betitelt worden war – am besten noch, indem der Ort zusätzlich schriftlich preisgegeben würde.

Sofort dachte Kingsley an Tonks, aber auch den schlauen Kopf und alten Hasen Dawlish wollte er dabei haben. Die drei machten sich auf den Weg nach Askaban. An die dort herrschende Atmosphäre gewöhnte man sich nie, egal wie oft man das Gefängnis aufsuchte. Einer der Wärter nahm sie in Empfang und Kingsley schilderte sein Anliegen, zeigte dem Wärter das unterschriebene Formular des Ministers.

„Macnair, ja? Ist ein zäher Bursche. Von allen Inhaftierten scheint ihm der Aufenthalt hier am wenigsten auszumachen“, erzählte der Wärter, als er den dreien vorausging.

Jedes Gesicht, an dem sie vorbeigingen, war ihnen bekannt. Natürlich waren nicht alle Inhaftierten Todesser. Da waren Giftmischer unter ihnen oder Menschen, die unerlaubte Forschung mit Blut betrieben haben. Nicht jeder würde sein ganzen Leben in Askaban verbringen, aber schon ein Jahr konnte einem den Verstand trüben, auch ohne Dementoren. Die Häftlinge waren isoliert, durften ihre Zelle nur ein Mal am Tag für einen Gang zu den Waschräumen nutzen. Die Wärter vereitelten Gespräche zwischen den Männern und Frauen, zumindest tagsüber. Oftmals kamen Stillezauber zum Einsatz. Ziel der Zeit in Askaban war es, ohne großartige soziale Kontakte über seine Fehler nachzudenken und sich mit sich selbst zu beschäftigen. Eine Methode, die vielen der langjährigen Gefangenen den Verstand kostete, denn ganz ohne Gespräche, ohne Kontakte, verkümmerte der kleinste Rest Menschlichkeit in ihnen. Besuche waren selten gestattet. Die meisten waren von Auroren und dienten einer Befragung, wie der heutige.

An einer Zelle blieb der Wächter stehen. „Mr. Macnair, Besuch für Sie.“

Macnair lag auf seiner Pritsche und blinzelte einige Male mit seinem einen Auge, denn das andere war ihm damals von Neville mit dem Zauberstab ausgestochen worden. Er schien der Situation nicht zu trauen. Macnair setzte sich nicht einmal aufrecht hin, als die drei Auroren mit gezücktem Zauberstab seine kleine Zelle betraten. Im Gegensatz zu Lucius, der von Anfang an Besuche von Susan oder Kingsley erhalten hatte, sogar von seinem Sohn und Severus, war Macnair bereits fast ein ganzes Jahr auf sich allein gestellt.

„Mr. Macnair“, sagte Kingsley einfach nur, um den Mann darauf aufmerksam zu machen, dass er tatsächlich Besuch hatte.
„Ich glaub's nicht“, flüsterte der Gefangene, der wie paralysiert mit seinem gesunden Auge auf Tonks' Oberweite starrte. Kingsley stellte sich schützend vor seine Kollegin. „Eine Frau und auch noch so eine hübsche“, säuselte Macnair geistesabwesend. Es schien, als würde er durch Kingsley hindurchsehen, ihn gar nicht für voll nehmen.
„Mr. Macnair, wir sind hier, weil Sie uns als Geheimniswahrer einweihen sollen.“ Kingsley wurde nicht gehört. „Macnair?“ Er reagierte nicht. „Tonks“, er drehte ich zu ihr, „geh bitte raus.“ Nichts lieber als das, dachte sie und verschwand.

Sobald sie nicht mehr im Raum war, erwachte Macnair aus seinem nebelumschleierten Zustand. Er blickte die beiden Männer an und sagte verachtend: „Was für eine Ehre.“ Kingsley wiederholte sein Anliegen und Macnair lachte auf. „Ich werde mich wohl nicht wehren können. Versuchen Sie's, aber machen Sie sich nicht zu viel Hoffnung.“
Dawlish stutzte. „Wie dürfen wir das verstehen?“
„Sie glauben doch nicht etwa, der Dunkle Lord hätte keine Sicherheitsvorkehrungen getroffen? Ich bin zwar der Geheimniswahrer, aber nachdem ich alle Verbündeten eingeweiht habe, legte er einen Fluch über mich. Ich werde niemanden mehr einweihen können.“
„Das werden wir ja sehen“, sagte Kingsley entschlossen. „Sagen Sie uns den genauen Ort freiwillig oder müssen wir nachhelfen?“
„So oder so werde ich Ihnen keine Hilfe sein.“
„Dann, Mr. Macnair, erst auf die einfache Weise. Wo genau befinden sich die Gebäude, die unter Fidelius liegen?“

Macnair öffnete den Mund und wollte antworten, doch es war nichts zu hören, bis auf ein stockendes Atemgeräusch.

Aus einer Innentasche zückte Dawlish ein kleines Fläschchen, das er dem Gefangenen zeigte. „Dann eben hiermit.“
Kingsley ging in den offiziellen Modus über und leierte seinen Text auswendig hinunter: „Ihnen werden, wie vom Minister verbrieft, zur Wahrheitsfindung drei Tropfen Veritaserum verabreicht. Sollten Sie Ihre Mitarbeit verweigern, werden wir gewaltsam vorgehen. Öffnen Sie den Mund.“

Macnair grinste fies, parierte jedoch und öffnete den Mund, so dass Dawlish drei Tropfen des Wahrheitsserums auf die Zunge tropfen lassen konnte. Nach wenigen Sekunden stellte Kingsley die Frage.

„Wo genau befinden sich die unter dem Fidelius-Zauber stehenden Gebäude, deren Aufenthaltsort Voldemort Ihnen als Geheimniswahrer anvertraut hat?“

Wie schon beim ersten Mal öffnete Macnair auch diesmal den Mund und erneut hörte man stockende Atemgeräusche. Im Gegenteil zum ersten Versuch ohne Veritaserum strengte sich Macnair jedoch an, die Wahrheit zu sagen, weil der Trank ihn dazu zwang. Trotzdem verließ kein Wort seinen Mund, dafür liefen ihm einige Tropfen Blut aus der Nase. Macnair schien keine Luft mehr zu bekommen. Er verdrehte die Augen.

„Mist“, fluchte Kingsley leise. „Wie ist Ihr Name?“
„Walden Macnair“, röchelte der Gefangene, dem das Blut bereits über die Lippen gelaufen war. Die zweite Frage hatte die erste aufgehoben, was bei maximal drei Tropfen Wahrheitsserum noch möglich war. Sprechen konnte er also noch, dachte Kingsley.
„Warum können Sie auf die Frage davor nicht antworten?“
„Der Dunkle Lord sorgte mit einem mir unbekannten Fluch dafür, dass ich kein Sterbenswörtchen über die Gebäude sagen kann.“

Zumindest war für Kingsley jetzt klar, dass es sich tatsächlich um mehr als nur ein Gebäude handelte.

„Können Sie die Orte schriftlich nennen?“
Macnair zuckte mit den Schultern, doch bevor er eine Vermutung äußern konnte, drückte ihm Dawlish bereits Feder und Pergament in die Hand. „Schreiben Sie den genauen Standpunkt auf!“
„Was springt dabei für mich raus?“, fragte Macnair mutig.

Während Dawlish angestrengt darüber nachdachte, wie man die Aufforderung mit einer Frage verbinden konnte, damit Macnair die Orte zu Papier bringen würde, fiel Kingsley was ganz anderes ein.

„Das Ministerium könnte Ihnen einmalig den Besuch einer Dame zusichern. Sie haben sicherlich eine Bekannte, die Sie sehen möchten.“
„Das würde das Ministerium mir gestatten? Unter diesen Umständen...“

Natürlich hatte Kingsley es nicht ernst gemeint. Manchmal musste man lügen, um sein Ziel zu erreichen. Dawlish schaute ihn allerdings skeptisch an und schien darüber zu grübeln, ob er tatsächlich so weit gehen würde.

Beide schauten zu, wie Macnair mit der Aussicht auf ein Schäferstündchen die Federspitze beschwingt aufs Pergament setzte. Wie aus heiterem Himmel hörte man ein lautes Knacken, Macnair schrie auf und umfasste die Hand, die die Feder fallengelassen hatten.

„Was haben Sie?“, fragte Kingsley und wollte bereits nach dem Rechten sehen.
„Nicht!“ Dawlish hielt ihn zurück. „Mr. Macnair?“ Macnair umfasste mit einer Hand seine rechte und drückte sie an die Brust. „Was ist passiert?“

Seine Atmung hatte Macnair wieder unter Kontrolle gebracht. Beide bemerkten, wie er die Zähne zusammenbiss und die Augen schloss. Einen Moment später zeigte er seine rechte Hand, mit der er eben noch die gesuchten Orte niederschreiben wollte. Daumen und Zeigefinger standen in unnatürlicher Weise von der Hand ab. Sie waren gebrochen.

„Verflixt, das gibt's doch nicht!“ Dawlish war perplex. Einige solcher Flüche wurden in der Regel mit dem Tode desjenigen, der sie ausgesprochen hatte, aufgehoben. Schwarze Flüche waren die Ausnahme. Voldemorts Macht schien noch nach seinem Tod sehr effizient zu sein. „Wir kommen so nicht weiter.“ Dawlish ging nach draußen. Kingsley hörte, wie er den Wärter anwies: „Schicken Sie einen Heiler zu Mr. Macnair.“ Gleich darauf hörte er Tonks fragen: „Wieso? Was ist passiert?“ Kingsley stand noch bei dem Gefangenen, der ihn durch ein finsteres Auge anblickte.

Vor der Zelle wies Kingsley Dawlish an: „Suchen Sie mir alles über Flüche heraus, die so etwas zustande bringen, besonders schwarzmagische.“
„Sind wir hier fertig?“, wollte Dawlish wissen, der offenbar sofort mit seiner Aufgabe beginnen wollte. Kingsley nickte ihm zu, weswegen er sich verabschiedete.
„Tonks, ich will mit einem Fluchbrecher sprechen. Vielleicht kann der uns weiterhelfen.“
„Kein Problem, das geht heute noch.“
„Wieso? Wen hast du im Kopf?“, fragte Kingsley verdutzt.
„Natürlich Bill!“
„Ja sicher! Bill soll denjenigen mitbringen, bei der er seine Ausbildung gemacht hat. Nur für den Fall, dass er an seine Grenzen stößt!“
„Ähm, das wird aber ein Kobold sein“, sagte Tonks vorsichtig.
„Und?“
„Kobolde arbeiten nicht mit dem Ministerium zusammen, wenn es sich vermeiden lässt.“
„Ich bin nicht das Ministerium und das wird er schon noch feststellen. Bill und sein ehemaliger Ausbilder sollen mich in einer Stunde in meinem Büro aufsuchen. Bekommst du das hin?“
„Natürlich, King.“

Tonks war schon auf ihrem Weg, da warf Kingsley noch einen Blick in die Zelle von Macnair, der ein wahnsinniges Lächeln mit den Lippen formte.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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Rest von Kapitel 175



Ein fröhliches Lächeln hingegen konnte sich Hermine nicht verkneifen, denn sie hatte eben, ohne dass ihre Finger in Mitleidenschaft gezogen wurden, ihre Unterschrift zu Papier gebracht. Die Apotheke gehörte ihr.

„Ich kann es noch gar nicht glauben“, sagte sie ehrfürchtig, als sie den unterschriebenen Kaufvertrag nochmals beäugte.
Gretchen schüttelte ihr die Hand. „Wenn Sie Hilfe benötigen, dann fragen Sie mich, meine Liebe. Ich werden Ihnen gern zur Seite stehen.“
„Das werde ich, ich danke Ihnen.“

Mit Gretchens Hilfe bestellte Hermine sofort einige Herren, die die Wasserleitungen magisch erneuern sollten. Für die gesamte Arbeit sollten drei Tage ausreichen, sagte der Herr über den Kamin, der die Wasserleitungen vom letzten Kostenvoranschlag noch gut kannte. Es sollte an die 5.800 Galleonen kosten, was noch immer im Rahmen des Erträglichen lag. Der Herr kam auch auf der Stelle mit seinen Männern vorbei, was Hermine aus der Muggelwelt gar nicht kannte. Da musste man einen Termin ausmachen.

Während die Männer bereits mit neuen Rohren anrückten, die sie per Zauber mit den verrotteten Leitungen tauschen wollten, fragte Hermines Vater: „Können wir dir hier noch helfen?“
Bevor Hermine verneinen konnte, bot ihre Mutter an: „Wir könnten dir beim Saubermachen helfen!“
„Nein, Mum. Das mach ich allein, das geht schneller.“ Ihre Mutter schien ein wenig vor den Kopf gestoßen und deswegen schlug Hermine vor: „Ihr könntet was Schönes zu Essen machen. Dann könnt ihr mir gleich sagen, ob es in der Küche etwas gibt, das einer Reparatur bedarf.“

Wie die magischen Handwerker es fertigbrachten, die Arbeiten durchzuführen, ohne das Wasser abzustellen, war selbst Hermine ein Rätsel. Während ihre Mutter die Küche mit geschultem Auge inspizierte, schlenderte Hermine mit ihrem Vater ein Stockwerk höher, um die Wohnräume zu beäugen. Es waren vier Räume: zwei davon waren sehr groß, die anderen beiden nur etwas kleiner.

Nachdem sie alle Zimmer kurz betrachtet hatten, zählte ihr Vater auf: „Ein Schlafzimmer, ein Wohnzimmer, ein Arbeitszimmer und?“
„Ich weiß nicht, was ich aus dem vierten Zimmer machen werde. Das Schlafzimmer ist mir im Moment das Wichtigste.“
„Du hast keine Möbel, Liebes“, wies er unnötigerweise auf die nicht vorhandene Einrichtung hin. „Aber du hast zum Glück noch ein paar Dinge bei uns im Keller.“

'Ein paar Dinge', wiederholte Hermine in Gedanken und kam auf die Möblierung ihres alten Kinder- und Jugendzimmers. Die Einrichtung könnte sie vorerst nehmen. Sie war froh, schon als Jugendliche einen zeitlosen Geschmack gehabt zu haben.

„Vielleicht bekomme ich ein Bett von Molly“, sagte Hermine gedankenverloren, weil sie sich bereits ein gemütliches Doppelbett am Fenster vorstellte. „Sie hat damals auch Ron und mir eines ...“

Mit einem Male fragte sie sich, ob die Entscheidung mit der Apotheke richtig gewesen war. Sie wäre allein, müsste das Geschäft allein führen und abends allein ihre Zeit totschlagen. Sie war allein.

„Ist etwas, Schatz?“
„Nein Dad, alles in Ordnung.“
„Hermine?“, hörte man im Flur ihre Mutter rufen.
„Was ist?“
„Unten ist jemand. Ich glaube, dein erster Kunde. Wir hätten ein Schild raushängen sollen.“
„Oh, ich sehe mal nach“, sagte Hermine und war schon verschwunden.

Unten im Geschäft wartete ein älterer Herr, der sich die Zeit damit vertrieb sich umzusehen und die Handwerker bei ihrer Arbeit zu beobachten.

„Guten Tag“, sagte Hermine höflich. Der Mann kam ihr bekannt vor.
Er schaute irritiert drein, bevor er lächelte. „Hat Gretchen also doch verkauft? Kam etwas schnell. Heißt das, ich bekomme heute keine Stachelschwein-Pastillen?“
In Hermines Kopf ratterte es. Sie kombinierte das Gesicht des Mannes mit der eben gestellten Anfrage, bis sie das Ergebnis hatte. „Die Pastillen sind für einen Herrn namens Winfrid, richtig?“
Der Kunde kniff nachdenklich die Augen zusammen, bis es plötzlich aus ihm heraussprudelte: „Oh, ich wusste, dass Sie mir bekannt vorkommen. Sie waren das eine Mal hier mit Gretchen hinter der Theke, nicht wahr?“ Diesmal lächelte er bis über beide Ohren. „Sie haben damals schon einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Darf ich Ihnen zum Kauf gratulieren?“ Die ausgestreckte Hand schüttelte Hermine kurz.
„Ich muss mal sehen, ob Gretchen noch Pastillen hat. Der Laden gehört mir erst seit einigen Stunden. Ich habe noch nichts bestellt und die Handwerker werden noch zwei, drei Tage hier sein.“

Hermine war froh, dass die Vorbesitzerin all ihre Vorräte hiergelassen hatte. Was sollte eine ehemalige Apothekerin Zuhause auch mit Unmengen an Zutaten anfangen?

„Ja, hier sind noch Pastillen“, Hermine roch daran, „und sie sind auch frisch. Ich schätze, gestern erst gemacht. Wie viele dürfen es sein?“
„Ich bin erleichtert, Mrs. ... ?“
„Miss Granger.“
„'Miss'? Völlig unverständlich, wenn Sie mich fragen. Ich bin erleichtert, dass ich nicht eine andere Apotheke aufsuchen muss. Es gibt ganz in der Nähe noch eine, die von einem Squib geführt wird, aber das ist eine reine Muggelapotheke. Viele gehen in die Apotheke in Paddington, in der Nähe der Edgware Road, denn die ist auch für uns geeignet, aber es ist ja doch ein Stückchen zu Laufen, besonders für die älteren von uns. Apparation dorthin ist nicht möglich. Es gibt kein Eckchen, wo man ungesehen auftauchen kann.“
„Ich befürchte, dass ich die Apotheke noch nicht sofort eröffnen kann“, gab Hermine zu bedenken. „Zuerst muss ich einige Dinge erledigen. Ich hab ja kaum Waren, habe noch nichts gebraut, mich noch nicht einmal beim Ministerium angemeldet.“
„Ach, das geht fix. Sie können jemanden vom Ministerium kommen lassen. Steuerabgaben sind für Apotheken sowieso gering und wenn Sie noch nie eine geführt haben, sind die ersten zwei Jahre steuerfrei.“
„Wirklich?“
„Sie haben sich damit noch gar nicht auseinander gesetzt oder?“ Der Herr lächelte freundlich.
„Nicht, dass ich Ärger bekomme, weil ich Ihnen etwas verkaufe, obwohl ich noch nicht angemeldet bin.“
„Das wird schon nicht geschehen. Sie unterschlagen ja nichts. Führen Sie gewissenhaft Buch und niemand wird Ihnen etwas anlasten.“
„Dann bin ich ja beruhigt. Wie viele Pastillen dürfen es sein?“
„Geben Sie mir gleich vierzig. Winfrid bekommt seine Furunkel nicht in den Griff.“
„Ist er Diabetiker?“, wollte Hermine wissen, denn genau die Gedanken gingen ihr damals schon durch den Kopf.
„Keine Ahnung. Ich bekomme ihn nicht dazu, sich einem Heiler anzuvertrauen. Es gibt nur gute im Mungos, aber dort ist die Wartezeit einfach viel zu lang.“
„Ich hab im Mungos meinen Heiler gemacht“, warf Hermine ein.
„Hört, hört! Und praktizieren Sie auch?“
„Ich dürfte praktizieren, wo und wann ich möchte. Mir ist bisher nicht in den Sinn gekommen, die Apotheke gleichzeitig für Heileraufgaben zu nutzen.“
„Zumindest weiß ich nun, dass man sich mit gesundheitlichen Fragen auch an Sie wenden kann.“

Der Kunde reichte ihr zwei Galleonen, die Hermine entgegennahm. 'Preise!', dachte sie erschrocken. Sie hatte nicht einmal Preise im Kopf. Ihrem Kunden schien es anders zu gehen.

„Ich bekomme 229 Knuts und 2 Sickel zurück“, sagte er zuvorkommend.
„Das tut mir so Leid“, Hermine klang peinlich berührt, „aber wie schon erwähnt bin ich erst sein wenigen Stunden hier und habe nicht einmal geöffnet.“
„Ach, machen Sie sich wegen mir mal keine Sorgen. Ich nehme Ihnen das nicht krumm. Im Gegenteil, Miss Granger. Ich bin so erleichtert, nicht noch in die Muggelwelt gehen zu müssen.“
Hermine betrachtete die Kasse. „Ich habe nicht einmal Wechselgeld“, murmelte sie.
„Wissen Sie, Miss Granger, behalten Sie den Rest zunächst. Ich werde sicherlich öfters kommen.“
„Das ist sehr nett von Ihnen, Mr. ... ?“
„Callidita“, sagte der Herr, der sich mit einem Nicken verabschiedete und bereits zur Tür ging.
„Warten Sie bitte!“ Hermine eilte hinterher. „Mr. Callidita?“, wiederholte sie erstaunt. Der Mann nickte. „Haben einen Vorfahren, der mit Vornamen Corvinus heißt?“
„Ja, aber woher kennen Sie ihn?“
„Wir haben zusammen gearbeitet“, sagte sie missverständlich.
Mr. Callidita musste lachen. „Dafür haben Sie sich aber gut gehalten, Miss Granger. Nein, Scherz beiseite, wie können Sie mit ihm gearbeitet haben?“
„Sein Portrait hängt in Hogwarts.“
„Es gibt ein Portrait von ihm? Bei Merlin, mein Großvater betreibt seit Ewigkeiten Ahnenforschung, aber über Corvinus hat er wenig erfahren. Es heißt, er sei wie vom Erdboden verschluckt. Alles sehr mysteriös! Wissen Sie oder das Portrait, was mit ihm geschehen ist?“
„Ich befürchte nicht, aber Sie können sich bestimmt einmal mit ihm unterhalten. Sie wissen ja, wo Sie mich erreichen können.“
„Mein Großvater wird ganz aus dem Häuschen sein. Vielleicht schaffe ich es sogar, ihn mal aus selbigem zu locken? Er geht seit Jahrzehnten nicht mehr vor die Tür und schickt seine Laufburschen – na ja, er schickt mich, um seine Dinge zu erledigen. Ich bin Ihnen für diese Information sehr dankbar, Miss Granger.“ Mr. Callidita deutete auf die Theke. „Rechts unten hat Gretchen immer ein Schild aufbewahrt. Das können Sie an die Tür hängen, bis Sie Ihr Geschäft eröffnen.“
„Vielen Dank, Mr. Callidita.“
„Einen schönen Abend noch.“

Der Abend wurde schön. Ihre Mutter hatte mit den Lebensmitteln, die sie schnell in den umliegenden Geschäften gekauft hatte, ein leckeres Abendessen gezaubert und so verbrachte Hermine ihren ersten Abend in der Küche ihrer neuen Apotheke zusammen mit ihren Eltern.

„Wissen Sie, wo Hermine steckt?“, fragte Harry seinen Kollegen beim Abendessen in der großen Halle.
„Ja, sie wollte die Apotheke erwerben. Ich nehme an, sie ist noch mit ihren Eltern dort und schmiedet Pläne.“
„Wenigstens hat sie jemandem Bescheid gegeben“, murmelte Harry, der ein wenig beleidigt war, dass sie ihm nichts gesagt hatte. „Ich brauche nächste Woche für den Unterricht den Schrank mit dem Irrwicht, der noch in Ihrem Büro steht.“
„Sie können ihn sich jederzeit abholen.“
Von seiner anderen Seite sagte Remus: „Wird jetzt ganz schön ruhig bei dir werden, wenn Hermine nicht mehr da ist.“ Das freche Grinsen bestrafte Severus mit einem verachtenden Schnaufen, doch er wusste, dass Remus Recht behalten würde.

Harry blickte nach links. Direkt neben ihm saß Minerva, danach Albus und eine Person, mit der man selten rechnen konnte.

„Was hat den Sibyll heute Abend hierher verschlagen?“, fragte Harry leise in Severus Richtung, so dass auch Remus ihn hören konnte. Sie verließ ihr Turmzimmer nur sehr selten. In der großen Halle konnte man sie höchstens bei Festen sehen oder wenn ein neues Schuljahr begann.

Alle drei lauschten dem Gespräch, das Sibyll mit ungeahnter Leidenschaft mit Albus führte, der geduldig und interessiert zuhörte.

„Schon die goldene Eos hat mich heute morgen vorgewarnt, dass dies ein besonderer Tag für mich werden würde, nur geschah bisher nichts. Weder im Unterricht noch während des Abendessens, doch ich weiß, Albus, dass dieser Tag noch sechs Stunden zählt und vieles kann geschehen. Als ich vorhin einen Blick aus meinem Turmfenster wagte, da graute der Himmel und ...“
Trocken verbesserte Severus leise: „'Dem Himmel'.“

Remus grinste nur, doch Harry konnte das Kichern nicht unterdrücken. Minerva, die Severus' Bösartigkeit vernommen haben musste, blickte ihn vorwurfsvoll an, woraufhin er einmal gelassen mit den Schultern zuckte und mit seinem Essen fortfuhr.

Gleich nach dem Abendessen wurde Harry von Draco abgefangen.

„Ich muss mit dir sprechen! Eigentlich mit Hermine, aber die ist nicht da“, sagte Draco hastig, aber leise, weil keiner der anderen Schüler, die hinter ihnen aus der Halle kamen, die persönliche Anrede mithören sollte.
„Sie ist in der Winkelgasse“, sagte Harry. „Um was geht es denn?“
„Um die Prophezei...“ Draco hielt inne, weil Severus hinter Harry aufgetaucht war.
„Nur zu, Mr. Malfoy, ich bin im Bilde.“
Stutzig fragte Harry: „Sind Sie das?“
„Hermine hat mich gestern Abend darüber informiert.“
„Und da bist du so ruhig?“
„Mr. Malfoy“, er betonte die Anrede, „vielleicht sollten wir die Unterhaltung fortführen, wenn wir ungestörter sind?“
„Entschuldigen Sie bitte, Sir.“
Harry schlug den beiden vor: „Wir können zu mir gehen. Ohne Hermine werden wir aber bestimmt nicht vorankommen.“
„Halten Sie so wenig von Ihrem Verstand, werter Kollege?“, stichelte Severus.
Solche Anmerkungen nahm Harry schon lange nicht mehr für voll, weswegen er sie unberücksichtigt ließ und fragte: „Gesehen haben Sie die Prophezeiung nicht oder? Ginny hat uns ihre gezeigt. Sibyll war wirklich in Höchstform.“
„Ich würde sie gern sehen. Lassen Sie mich einige Dinge erledigen, bevor ich zu Ihnen komme.“ Severus musste noch den Hund ausführen.
„Um halb acht?“, schlug Harry vor.
„Halb acht!“ Schon war Severus die Treppen hinunter in die Kerker gegangen.

Draco stand noch immer bei Harry. Weil so viele Schüler in der Nähe waren, die entweder stehenblieben, um ein Gespräch zu führen oder an ihnen vorbeischlenderten, sprach er ihn so an, wie ein Schüler einen Lehrer ansprechen sollte.

„Dürfte ich wohl schon früher kommen, Professor?“

Gerade wollte Harry antworten, da näherte sich ihnen ein freundlich lächelnder Direktor.

„Oh, Mr. Malfoy, Professor Potter.“ Er nickte beiden zu. „Mr. Malfoy, Ihnen muss ich ein großes Lob für Ihren Nachhilfeunterricht aussprechen. Die entsprechenden Schüler haben ihre Fähigkeiten laut Professor Snapes Aussage sehr verbessern können. Ich gebe Ihnen zehn Punkte für Ihre vorbildlichen Ambitionen.“
„Danke, Professor Dumbledore“, sagte Draco ein wenig irritiert.
„Dann wünsche ich Ihnen beiden noch einen schönen Abend.“

Schon drehte sich Albus um und in diesem Moment sogen Harry und Draco erschrocken Luft ein, als sie das Stück Pergament bemerkten, dass jemand dem Direktor auf den Rücken geklebt haben muss – beziehungsweise auf die langen weißen Haare.

„Professor Dumbledore!“, sagte Harry und ging ihm nach. Albus drehte sich um. „Sie haben da etwas am Rücken.“
„Oh ja, ich gehe von einer Art Mutprobe aus“, sagte Albus noch immer lächelnd. „Das erinnert mich an meine eigene Schulzeit. Wenn ich mich nicht täusche, dann steht dort in etwa 'Tritt mich', liege ich richtig?“ Harry nickte. „Dann werde ich demjenigen, der die Mutprobe besteht, morgen zum Tee einladen. Ich bin schon gespannt, wer sich trauen wird.“ Albus ließ Harry und Draco verwundert zurück.
Als er nicht mehr zu sehen war, sagte Draco: „Er ist schon ein komischer Kauz.“
„Ja, aber ein lustiger. Wann willst du ... Wann wollen Sie kommen? Gleich?“
„Nein, ich muss noch Susan Bescheid geben, dass ich heute hier übernachte. Ich werde sehen, ob ich Hermine noch sprechen kann. Mich beschäftigt das mit der Prophezeiung. Sehr sogar.“
„Das verstehe ich gut. Geht mir nicht anders, obwohl sie mich gar nicht betrifft.“

Man hörte aus der Richtung, in die Albus gegangen war, heiteres Kinderlachen, was beide am Rande wahrnehmen konnten.

„In der Mysteriumsabteilung, da war ein Raum ...“, begann Draco leise. „Der Verschwiegene sagte, hinter der Tür würde die letzte Ruhestätte der Venus liegen.“
Was das bedeuten könnte oder auf was Draco anspielen wollte, war Harry nicht klar. „Und?“
„Ich dachte, das könnte etwas mit meinem Patenonkel zu tun haben.“
„Oh“, machte Harry, der noch immer nicht eins und eins zusammenzählen konnte. „Dafür wäre wirklich Hermine der beste Ansprechpartner.“

Aus der Richtung, in die Albus gegangen war, sahen beide den schmächtigen Linus stolz durch die Schülermengen gehen – in der Hand hielt er ein Stück Pergament, welches er sich mit einem Lächeln beguckte. Er kam auf Draco und Harry zu, steuerte jedoch den Papierkorb hinter den beiden an, um das Pergament darin zu entsorgen. Neugierig näherten sich beide dem Abfalleimer. In ihm lag der Zettel, der eben noch an Albus' Rücken klebte.

„Das gibt's nicht. Mutig, mutig!“, honorierte Harry den Jungen in Abwesenheit.
„Linus?“, rief Draco seinem Mitschüler hinterher. Der Gerufene blieb stehen und wartete, so dass Draco sich schnell bei Harry verabschiedete. „Nachher um halb acht. Ich hab doch noch was Wichtiges zu besprechen.“

In Windeseile war Draco bei Linus und Harry hörte, wie der Slytherin den Jungen fragte: „Noch Interesse, als Treiber bei uns mitzuspielen?“
„Ja, natürlich!“ Das Thema wechselnd sagte Linus: „Ich habe morgen eine Verabredung zum Tee und jetzt rate mal, mit wem?“

Den ganzen Weg lang bis zu seinen Räumen musste Harry an Quidditch denken und seine Gedanken wurden nur noch bestärkt, nachdem er eingetreten war. Ginny hielt ihm ein Paket unter die Nase, das die Form eines Besens hatte.

„Post für dich, von Mr. Whitehorn. Mach auf, Harry! Das ist bestimmt der neue Twister“, sagte sie viel aufgeregter als er war.

Harry packte den Besen aus und bestaunte den schwarzsilbernen Stil und den schnittig geformten Reisig. Ein gefaltetes Pergament fiel zu Boden, das Ginny aufhob und las.

„Mr. Whitehorn wünscht dir viel Spaß und empfiehlt dringend, die Anleitung zum Besen zu lesen.“
„Wie bitte? Es gibt eine Anleitung? Dann ist das der erste Rennbesen, der eine hat!“
Im Paket befand sich die besagte Anleitung, die Harry mit großen Augen bestaunte. „Junge, Junge, der Besen kann eine ganze Menge.“ Er zitierte: „'Minimalster Wendekreis, der sofortige Wendemanöver zulässt' oder hier“, er legte seinen Finger unter den Satz, „'Beschleunigung von Null auf 100 in nur 1,6 Sekunden', 'Maximale Geschwindigkeit: 320 Stundenkilometer'. Ich glaube, der Besen gefällt mir jetzt schon!“
„Dann können wir endlich mit dem Training anfangen. Es wird auch langsam wieder wärmer.“
„Ginny, wir haben Mitte Januar! Es soll morgen schon wieder kälter werden.“
„Frostbeule!“

Ein Ruf über den Kamin hinderte Harry daran zu kontern. Ginny nahm den Ruf entgegen und Harry hörte, wenn auch leise, Bills Stimme.

„Hallo Ginny“, sagte er, „sag mal, wisst ihr, warum das Ministerium Fluchbrecher für Todesser braucht?“
Bill hatte sehr zurückhaltend, geradezu gehemmt geklungen. „Nein, keine Ahnung.“ Sie blickte zu Harry hinüber, der nur mit den Schultern zucken konnte.
„Ah“, machte Bill enttäuscht. „Na gut, dann hören wir uns bald wieder. Ich muss los, treffe mich mit Tonks und King. Tschüss.“

Nachdem Ginny wieder aufgestanden war, hatte sich Sorgen in ihrem Gesicht niedergeschlagen.

Harry ging zu ihr hinüber und nahm ihre Hand. „Was war denn das eben?“
„Ich weiß nicht, aber irgendwie“, sie schüttelte den Kopf, „gefällt mir das nicht besonders.“

Bill hatte seinen damaligen Ausbilder und jetzigen Teamleiter bereits vor dem Gespräch mit seiner Schwester kontaktiert. Es war einer der Kobolde, die damals den Orden des Phönix unterstützten. Tonks hatte vorhin über das Flohnetz nicht viel gesagt, nur dass Kingsley Fluchbrecher benötigen würde, um bei einem Todesser einen Versuch zu wagen. Bill legte eine Hand auf seine entstellte Wange. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als er an Greyback dachte. Er hoffte innig, dass es sich bei dem Todesser nicht um ihn handeln würde.

Das Vorgespräch bei Kingsley im Büro war nicht aufschlussreicher. Es handelte sich um einen Todesser, der verflucht wäre. Bill und Krittgor sollten prüfen, ob man den Fluch brechen könnte. Krittgor war, wie alle Kobolde, ein kleiner Kerl, dem das Misstrauen gegenüber Menschen ins Gesicht gemeißelt schien.

„Warum sollten wir Ihnen helfen?“, fragte der Kobold gereizt.
Kingsley überlegte einen Moment, entschied sich dann dafür, mit offenen Karten zu spielen. „Der Mann ist Geheimniswahrer für einen Ort, an dem sich sehr wahrscheinlich noch flüchtige Todesser verstecken.“
„Es ist nicht Greyback oder?“ Bills Frage kam sehr überrumpelnd, selbst für ihn. Krittgor blickte zu Bill hinüber und verstand sofort, warum sein Kollege so reagiert hatte. Das Schicksal des jungen Weasley hatte in Gringotts die Runde gemacht. Keiner, nicht einmal die Kobolde mit einem großen Hass auf die unterdrückenden Zauberer, war von Bills Schicksal ungerührt geblieben.
„Nein, es handelt sich um Macnair. Er ist der Geheimniswahrer. Den Ort kennen wir bereits, aber bisher konnte er niemanden einweihen.“
Bill nickte erleichtert. „Hat man eine Ahnung, wer sich dort verstecken könnte?“ Jeder hörte die unausgesprochene Frage, ob man mit Fenrir rechnen könnte.
„Die Lestrange-Brüder. Eventuell auch Peter Pettigrew. Wir haben erfahren, dass sich Greyback womöglich im Verbotenen Birkenwald niedergelassen hat.“ Ihn dort dingfest zu machen, würde die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen bedeuten. „Ausschließen können wir aber nicht, dass auch er sich in den Gebäuden versteckt halten könnte.“

Für Bill stand die Sache fest. Er würde sich an dem Fluch, der auf Macnair lag, versuchen, doch ohne Krittgor könnte es schwierig werden. Der Kobold kannte Tricks, die Bill noch nicht vertraut waren.

„Wir helfen Ihnen“, sagte Krittgor, als hätte er Bills Gedanken gelesen.

Nur wenig später waren Tonks, Kingsley, Bill und Krittgor in Askaban und wurden von dem gleichen Wärter in Empfang genommen, der vorhin schon die drei Auroren zu Macnair geführt hatte.

„Darf ich fragen, warum der Gefangene plötzlich so interessant ist?“, wollte der Wärter wissen.
„Ja, dürfen Sie“, entgegnete Kingsley gelassen, doch danach kam nichts mehr, was den Mann stutzig machte.
„Und?“
„Sie dürfen fragen, aber eine Antwort kann ich Ihnen nicht geben.“
Der Wärter schnaufte. „Wahnsinnig ulkig.“ Verstimmt war er nicht. Er selbst war ein ehemaliger Auror, der aufgrund von Verletzungen nicht mehr vollständig einsatzfähig war und sich für einen Dienst in Askaban meldete. Er wusste, dass Auroren verschwiegen sein mussten.

An Macnairs Zelle angelangt sagte der Wärter das, was er immer zu einem Gefangenen sagte: die Anrede mit Namen und die Information, dass Besuch da wäre. Gespräche mit Inhaftierten waren für die Wärter tabu. Jeder wusste um die Macht des Wortes und auch, wie man sich davor schützen konnte.

„Besuch?“, wiederholte Macnair. „Schon wieder?“ Er blickte auf und sah seine Gäste. Sofort fiel sein Auge auch auf Tonks. „Ah, mein Täubchen ist auch wieder da. Wie ist Ihr Name?“
„Ich bin Aurorin Tonks.“
„Nein, nein, Ihr Vorname.“
„Warum wollen Sie das wissen?“, fragte sie skeptisch.
„Damit ich meiner rechten Hand einen Namen geben kann.“ Macnair grinste gemein und legte damit die schiefen Zahnreihen frei.
Kingsley ignorierte das vorhergehende Thema und erklärte: „Wir werden versuchen, den Fluch, der auf Ihnen liegt, zu brechen. Kooperieren Sie lieber freiwillig.“
„Was bleibt mir auch anderes übrig?“ Macnairs Blick fiel das erste Mal auf den Kobold, den er wegen Tonks gar nicht wahrgenommen hatte. Mit Verachtung fragte er: „Was will der Zwerg hier?“
„Ich bin kein Zwerg!“, verbesserte Krittgor wütend.
„Hah, siehst aber wie einer aus: klein und grau wie eine faule Kartoffel. So ein Gesocks wie dich hätte der dunkle Lo...“

Ohne zu Zögern schleuderte Kingsley dem Gefangenen einen Stillezauber entgegen.

Der dunkelhäutige Auror trat zur Seite. „Sie können loslegen, Mr. Krittgor.“

Das ließ sich der Kobold nicht zweimal sagen. Mit seinen knorrigen Fingern und den überlangen Nägeln deutete er auf Macnair. Die Hände bewegte er langsam hoch und runter, machte manchmal Bewegungen, als würde er Wasser abschütteln. Macnair hingegen zuckte ab und an zusammen, als würde man ihn zwicken.

An die leisen Selbstgespräche von Krittgor hätte sich Bill längst gewöhnen müssen, doch noch immer kamen ihm die Worte seltsam vor. Diesmal murmelte der Kobold „Er ist fast schwarz.“, womit er Macnair selbst zu meinen schien. Bill achtete genau auf die Handbewegungen des Kobolds, der nicht nur mit einer Hand zaubern konnte. Die Bewegungen könnte er später einmal selbst anwenden, allerdings mit seinem Zauberstab. Kobolde und andere menschenähnliche magische Wesen durften laut Gesetz keine eigenen Zauberstäbe besitzen, auch nicht mit einem geliehenen zaubern.

Sich Bill zuwendend erklärte Krittgor: „Ein beschränkter 'Philomela-Fluch', gekoppelt mit einem komplexen 'Mnemosyne'.“ Philomela entstammte der Mythologie. Sie wurde von ihrem Schwager entehrt und danach der Zunge beraubt, damit sie über seine Schandtat nicht berichten konnte. Der von Voldemort angewandte Gedächtniszauber sorgte dafür, dass der Philomela-Fluch aktiv wurde, sobald Macnair die Informationen zum Fidelius preisgeben wollte.
„Können Sie ihn brechen?“, fragte Kingsley.
Krittgor blickte den Auror selbstsicher an. „Natürlich, wenn Sie mich und meinen Assistenten kurz alleinlassen würden?“
„Bedaure, das wird nicht möglich sein.“
„Dann werde ich ihn nicht brechen können.“ Ohne ein weiteres Wort ging Krittgor bereits in Richtung Zellentür, da hielt Kingsley ihn auf.
„Warten Sie, wenn es denn unbedingt notwendig ist.“
„Ist es. Verschwinden Sie schon, los.“

Der Kobold scheuchte Kingsley und Tonks hinaus. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie nicht durch den kleinen Schlitz in der Tür schmulten, entriss er Bill den Zauberstab und richtete ihn auf Macnair. Erschrocken schaute Bill zur Tür, doch da war niemand, der sehen konnte, dass Krittgor verbotenerweise mit einem Zauberstab hantierte. Einen Schwung mit dem Stab und ein paar gesprochene Worte später war Krittgor fertig.

„Sag ihnen, der Fluch ist gerissen. Das hält ein paar Stunden, aber die Zeit wird reichen, um sich einweihen zu lassen.“

Bill gehorchte und ging zur Tür, bemerkte viel zu spät, dass sein Teamchef noch immer seinen Stab hielt. Erst, als er mit Kingsley und Tonks zurückkam, wurde ihm das Missgeschick klar, ebenso Tonks und Kingsley. Der Kobold versuchte sich herauszureden.

„Du Tölpel, hast deinen Stab fallenlassen.“
„Ja, Entschuldigung.“ Bill nahm ihm den Stab ab.

Über diesen Zwischenfall verlor Kingsley kein einziges Wort und auch Tonks drückte beide Augen zu.
Three Characters in Search of an Exit - eine Satire mit Harry, Hermine und Severus
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nimue
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Re: Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit (175)

Beitrag von nimue »

Erstmal vielen Dank für die tolle Geschichte :) Und ich muss feststellen, dass schon wieder ein neues Kapitel da ist, dass ist echt frustrierend, das du schneller schreibst als ich lese ;) Trotzdem tolle Sache und weiter so ;)

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